Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes: Band 2 Organisation und innere Ausgestaltung des Deutschen Bundes 1815-1819 9783486992243, 9783486567021

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Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes: Band 2 Organisation und innere Ausgestaltung des Deutschen Bundes 1815-1819
 9783486992243, 9783486567021

Table of contents :
Vorwort des Herausgebers
Inhalt
Einleitung
1. Neue Perspektiven für die Anfangsjahre des Deutschen Bundes
2. Die Anfangsjahre des Deutschen Bundes im Überblick
a) Von der Verabschiedung der Deutschen Bundesakte bis zur Eröffnung der Deutschen Bundesversammlung
b) Der Deutsche Bund und sein beständiges Organ
(1) Mitglieder und Territorium des Deutschen Bundes
(2) Organisation und Arbeitsweise der Deutschen Bundesversammlung
(3) Abstimmungsmodalitäten in der Deutschen Bundesversammlung
(4) Aufgaben und Kompetenzen der Deutschen Bundesversammlung
c) Versuche einer organischen Fortbildung und inneren Ausgestaltung des Deutschen Bundes
(1) Das Austrägalwesen des Deutschen Bundes
(2) Die Einführung landständischer Verfassungen
(3) Initiativen zur wirtschaftlichen Integration
(4) Pressefreiheit und Büchernachdruck
(a) Pressefreiheit
(b) Büchernachdruck
(5) Auswanderungsfreiheit und Nachsteuerfreiheit
Zur Edition
1. Zu diesem Band
2. Allgemeine Leitsätze zur Gestaltung der Edition „Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes“. Von Jürgen Müller und Eckhardt Treichel
Systematisches Verzeichnis der Dokumente
Chronologisches Verzeichnis der Dokumente
Dokumente
I. Von der Verabschiedung der Deutschen Bundesakte bis zur Eröffnung der Deutschen Bundesversammlung
II. Der Deutsche Bund und sein beständiges Organ
1. Mitglieder und Territorium des Deutschen Bundes
2. Organisation und Arbeitsweise der Deutschen Bundesversammlung
3. Abstimmungsmodalitäten in der Deutschen Bundesversammlung
4. Aufgaben und Kompetenzen der Deutschen Bundesversammlung
III. Versuche einer organischen Fortbildung und inneren Ausgestaltung des Deutschen Bundes
1. Das Austrägalwesen des Deutschen Bundes
2. Die Einführung landständischer Verfassungen
3. Initiativen zur wirtschaftlichen Integration
4. Pressefreiheit und Büchernachdruck
5. Auswanderungsfreiheit und Nachsteuerfreiheit
Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen
Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Ungedruckte Quellen (Archivalien)
2. Gedruckte Quellen
a) Akten, Protokolle, Werkausgaben, Memoiren
b) Regierungs- und Verordnungsblätter, Staatshandbücher, Adreßkalender
c) Zeitgenössische Schriften, Zeitungen und Zeitschriften
3. Darstellungen
4. Biographische Nachschlagewerke und Lexika
5. Sonstige Nachschlagewerke und Hilfsmittel
6. Internetressourcen
Abbildungsnachweis
Register
1. Personenregister
2. Länder- und Ortsregister
3. Sachregister

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Organisation und innere Ausgestaltung des Deutschen Bundes 1815−1819

Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes Für die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ­herausgegeben von Lothar Gall Abteilung I

Quellen zur Entstehung und Frühgeschichte des ­Deutschen Bundes 1813–1830 Band 2

Organisation und innere Ausgestaltung des Deutschen Bundes 1815–1819 Bearbeitet von Eckhardt Treichel

ISBN 978-3-486-56702-1 eISBN (PDF) 978-3-486-99224-3 eISBN (EPUP) 978-3-11-042400-3 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort des Herausgebers Der zweite Band der Abteilung I „Quellen zur Entstehung und Frühgeschichte des Deutschen Bundes 1813−1830“ des im Jahr 1988 von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ins Leben gerufenen Editionsprojekts „Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes“ dokumentiert die Entwicklung des Deutschen Bundes von der Verabschiedung der Deutschen Bundesakte (8. Juni 1815) bis zum Sommer 1819. Der behandelte Zeitraum umfaßt die Zeit bis zur Konstituierung der Bundesversammlung am 5. November 1816 sowie die Anfangsjahre des Deutschen Bun­ des, in denen sich der Frankfurter Bundestag mit dem in der Bundesakte vorgezeichneten Arbeitsprogramm beschäftigte: der Abfassung der Grundgesetze des Bundes und seiner organischen Einrichtung im Hinblick auf die inneren Verhältnisse. Der Bearbeiter geht dabei von der Forschungsperspektive aus, die Deutsche Bundesakte als Ausgangspunkt der künftigen Bundesverfassung und ­institutionellen Fortbildung des Bundes zu sehen und diesen Abschnitt der Bundesgeschichte als eigenständige Phase einer möglichen, behutsamen Weiterentwicklung zu dokumentieren. Die Verhandlungen im Bundestag rücken deshalb in das Zentrum des Bandes, neben den Bundesfürsten, Freien Städten und einzelstaatlichen Regierungen tauchen aber auch die öffentliche Meinung und die Nation als handlungsleitende Ideen auf, deren Bedürfnisse es zu berücksichtigen galt. Im Palais Thurn und Taxis, dem Sitz der Bundesversammlung, wurden deshalb eine Fülle von Themen behandelt und in nicht wenigen Fällen die Beratungen bis zur Entscheidungsreife vorangetrieben. Um die Les- und Benutzbarkeit des vorliegenden Bandes zu erleichtern, wurde eine Eingrenzung des möglichen Themenkatalogs vorgenommen. Zum einen wird den Organisationsbestrebungen der Bundesversammlung großer Raum gegeben, die darauf abzielten, die eigene Handlungsfähigkeit herzustellen und zu erweitern. Zum anderen wird anhand von fünf zentralen Themenkomplexen den konkreten Bemühungen der Bundesversammlung nachgespürt, das „Gebäude des großen National-Bundes“ zu vollenden, das heißt den in der Bundesakte lediglich umrissenen Rahmen für eine organische Fortbildung und innere Ausgestaltung des Deutschen Bundes auszufüllen. Dazu war eine Mehrheit der Bundestagsgesandten durchaus bereit. Ihre Vorschläge und Ideen, die sich auch in vielen Kommissionsgutachten und Gesetzentwürfen niederschlugen, liefen auf eine behutsame und langfristige Entwicklung hinaus und hätten, nüchtern betrachtet, zunächst viel weniger in die Innenpolitik der Bundesstaaten eingegriffen, als dies dann im Rahmen der restaurativen Wende von 1819/20 geschehen ist. Theoretische Debatten über

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Vorwort des Herausgebers

den Charakter des Bundes − Staatenbund oder Bundesstaat − hielt man hingegen für wenig weiterführend. Die Verfechter eines schrittweisen Ausbaus des Bundes konzentrierten sich vielmehr auf pragmatische Lösungen von Einzelfragen, die dem Bundestag durch die Bundesakte zur Erledigung aufgegeben worden waren. Das Spektrum reicht von der Ausbildung eines Schiedsgerichtsverfahrens über die ausführlich diskutierte Frage der Einführung landständischer Verfassungen in den Bundesstaaten und die Initiativen zur wirtschaftlichen Integration des Bundesgebiets bis hin zur Frage der Pressefreiheit und des Büchernachdrucks sowie zur Debatte um die Auswanderungs- und Nachsteuerfreiheit. Aufgrund der vielfach vagen und teilweise auch widersprüchlichen Bestimmungen der Bundesakte war das freilich ein schwieriger Balanceakt und führte in vielen Fällen auch nicht zu den erhofften Lösungen. Dennoch suchten die Mitglieder des Reformflügels im Bundestag immer wieder nach Auswegen aus der durch das Einstimmigkeitsgebot des Artikels 7 der Bundesakte drohenden Blockadesituation. Der Beschluß über die provisorische Kompetenz des Bundestags, der Mehrheitsentscheidungen über Detailfragen bereits getroffener organischer Regelungen ermöglichte, hat dazu beitragen können. Die Edition gibt den Initiativen der reformbereiten Gruppe von Bundestagsgesandten breiten Raum, ohne die Gegenkräfte auszublenden, die wie Bayern die staatenbündische Struktur des Bundes nachdrücklich zu behaupten suchten. Denn dieser ambitionierte Teil der Bundesversammlung schulterte nicht nur die Hauptlast der anfallenden Kommissionsarbeit, sondern drückte den Anfangsjahren des Bundestags auch inhaltlich ihren Stempel auf, was beides in der bisherigen Forschung kaum gewürdigt worden ist. Der vorliegende Band trägt somit zur Korrektur des traditionellen Bildes von der antiliberalen und antinationalen Ausrichtung des Deutschen Bundes bei und macht zugleich auch deutlich, daß es keine „Entwicklungslogik“ gegeben hat, die vom Abschluß der Bundesakte 1815 geradewegs und zwangsläufig zu der ganz wesentlich von Metternich in Szene gesetzten restaurativen Wende von 1819/20 führte. Vielmehr erscheinen die Jahre 1815 bis 1819 als eine zwar kurze, aber intensiv genutzte Phase der Fortentwicklung des Deutschen Bundes, bevor dieser auf den Karlsbader und Wiener Ministerialkonferenzen unter massivem Druck der beiden Großmächte zur „konservativen Entwicklungsblockade“ (Dieter Langewiesche) umgestaltet wurde. Lothar Gall

Inhalt Vorwort des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX 1. Neue Perspektiven für die Anfangsjahre des Deutschen Bundes. IX 2. Die Anfangsjahre des Deutschen Bundes im Überblick. . . . . . XVI a) Von der Verabschiedung der Deutschen Bundesakte bis zur Eröffnung der Deutschen Bundesversammlung. . . . . . . . . . XVI b) Der Deutsche Bund und sein beständiges Organ. . . . . . . . . XXXI (1) Mitglieder und Territorium des Deutschen Bundes. . . . XXXI (2) Organisation und Arbeitsweise der Deutschen Bundesversammlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXIV (3) Abstimmungsmodalitäten in der Deutschen Bundesversammlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XLVI (4) Aufgaben und Kompetenzen der Deutschen Bundesversammlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . LII c) Versuche einer organischen Fortbildung und inneren Ausgestaltung des Deutschen Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . LXV (1) Das Austrägalwesen des Deutschen Bundes . . . . . . . . . LXV (2) Die Einführung landständischer Verfassungen. . . . . . . . LXXV (3) Initiativen zur wirtschaftlichen Integration . . . . . . . . . . LXXXVII (4) Pressefreiheit und Büchernachdruck . . . . . . . . . . . . . . . XCVII (a) Pressefreiheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XCVII (b) Büchernachdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CVI (5) Auswanderungsfreiheit und Nachsteuerfreiheit. . . . . . . CXII Zur Edition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CXXI 1. Zu diesem Band. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CXXI 2. Allgemeine Leitsätze zur Gestaltung der Edition „Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes“. Von Jürgen Müller und Eckhardt Treichel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CXXIV Systematisches Verzeichnis der Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . CXXXIII Chronologisches Verzeichnis der Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . CXLVII Dokumente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Von der Verabschiedung der Deutschen Bundesakte bis zur Eröffnung der Deutschen Bundesversammlung . . . . . . . . . . . 3

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Inhalt

II. Der Deutsche Bund und sein beständiges Organ . . . . . . . . . . 191 1. Mitglieder und Territorium des Deutschen Bundes. . . . . . 193 2. Organisation und Arbeitsweise der Deutschen Bundesversammlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3. Abstimmungsmodalitäten in der Deutschen Bundesversammlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 4. Aufgaben und Kompetenzen der Deutschen Bundesversammlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 III. Versuche einer organischen Fortbildung und inneren Ausgestaltung des Deutschen Bundes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 1.  Das Austrägalwesen des Deutschen Bundes . . . . . . . . . . . 595 2.  Die Einführung landständischer Verfassungen. . . . . . . . . . 675 3.  Initiativen zur wirtschaftlichen Integration . . . . . . . . . . . . 775 4.  Pressefreiheit und Büchernachdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . 881 5.  Auswanderungsfreiheit und Nachsteuerfreiheit. . . . . . . . . 1025 Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1083 1. Ungedruckte Quellen (Archivalien). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1083 2. Gedruckte Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1087 a) Akten, Protokolle, Werkausgaben, Memoiren. . . . . . . . . . . 1087 b) Regierungs- und Verordnungsblätter, Staatshandbücher, 1092 Adreßkalender. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zeitgenössische Schriften, Zeitungen und Zeitschriften . . . 1092 3. Darstellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1093 4. Biographische Nachschlagewerke und Lexika . . . . . . . . . . . . . 1109 5. Sonstige Nachschlagewerke und Hilfsmittel. . . . . . . . . . . . . . . 1113 6. Internetressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1115 Abbildungsnachweis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1116

Register 1. Personenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1117 2. Länder- und Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1125 3. Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1132

Einleitung 1. Neue Perspektiven für die Anfangsjahre des Deutschen Bundes Die Anfangsjahre des Deutschen Bundes gehören zu den Phasen der Bundes­ geschichte, die bislang am wenigsten erforscht worden sind.1 Das gilt sowohl für die monographische Aufarbeitung des immensen Quellenmaterials, das auf viele Archive verstreut ist, als auch für die Edition von Schlüsseldoku­ menten. Dabei begann die Publikation erster Quellenstücke schon sehr früh. Der Heidelberger Staatsrechtler und später in Frankfurt lebende preußische Legationsrat Johann Ludwig Klüber, der mit seinen „Acten des Wiener Con­ gresses“ ein umfangreiches Quellenkorpus zur Entstehung des Deutschen Bundes begonnen hatte2, veröffentlichte 1816 eine erste Quellensammlung zum öffentlichen Recht des Deutschen Bundes, die 1830 in 3., erweiterter Auflage erschien3. Auszüge aus den Bundestagsprotokollen bot dann Mitte der 1840er Jahre Karl Nauwerck.4 Kurze Zeit später legten Philipp Anton Guido von Meyer und Heinrich Zoepfl ihr „Corpus Juris Confoederationis Germaniae“ vor, das bis heute die umfangsreichste Dokumentensammlung für die Anfangsjahre des Deutschen Bundes geblieben ist.5 Die neueren Edi­ tionen von Ernst Rudolf Huber6, Elisabeth Droß7 und Michael Kotulla8 bieten dazu nur noch wenige Ergänzungen. In diesen verfassungsgeschichtlichen Dokumentensammlungen werden allerdings nur die wichtigsten Verträge, ­Urkunden und Bundesbeschlüsse abgedruckt und demzufolge Themen aus­ geblendet, in denen die Bundesversammlung zu keinem Beratungsergebnis in 1 Zur Forschungsgeschichte des Deutschen Bundes vgl. Müller, Der Deutsche Bund 1815−1866, S. 51−88, und die forschungsgeschichtlichen Abschnitte in QGDB I/1, S. XI−XXIX, QGDB III/1, S. XXIX−XXXVIII, QGDB III/2, S. XI−XXVI u. QGDB III/3, S. XI−XV; zur älteren Forschung immer noch unverzichtbar Seier, Der Deutsche Bund als Forschungsproblem. 2 Klüber (Hrsg.), Acten des Wiener Congresses, Bd. 1−9. 3 Klüber (Hrsg.), Quellen-Sammlung zu dem Oeffentlichen Recht des Teutschen Bundes. 4 Nauwerck, Die Thätigkeit der deutschen Bundesversammlung oder die wesentlichen Verhand­ lungen und Beschlüsse des Bundestages, H. 1−2. 5 Corpus Juris Confoederationis Germaniae oder Staatsacten für Geschichte und öffentliches Recht des Deutschen Bundes, Bd. 1−3, hier bes. Bd 2: Die Beschlüsse der Deutschen Bundes­ versammlung. 6 Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, Abschnitt „Der Deut­ sche Bund“, S. 84 ff. 7 Droß (Hrsg.), Quellen zur Ära Metternich. 8 Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 1, bes. S. 591 ff.

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Einleitung

Form von Bundesbeschlüssen gekommen ist. Demzufolge kommen weder die Themenvielfalt, mit der sich die Bundesversammlung in den Jahren 1816−1819 beschäftigte, noch das Meinungsspektrum und die Entschei­ dungsprozesse im Bundestag wie auch auf der einzelstaatlichen Ebene in den Blick. Das erfordert nach wie vor einen Rückgriff auf die Protokolle der Deutschen Bundesversammlung. Diese waren bis vor kurzem nur in wenigen Bibliotheken einsehbar, in der Regel über Fernleihe nicht erhältlich und da­ durch für die Forschung nur bedingt zugänglich. Erst seit kurzer Zeit liegt die amtliche Folioausgabe in digitalisierter Form für die Jahre 1816−1819 vor.9 Johann Ludwig Klüber trieb dann als erster auch die monographische Auf­ arbeitung der frühen Bundesgeschichte voran. Sein „Oeffentliches Recht des Teutschen Bundes“, 1817 in erster und 1840 in vierter Auflage erschienen10, ist ein umfassendes Lehrbuch des Bundesrechts, das fast alle relevanten The­ men berücksichtigt, die von 1816−1819 in der Bundesversammlung behan­ delt wurden, und dank der umfassenden Quellenkenntnis und Sachkompetenz des Autors wie auch der Dichte an Quellenverweisen ein nach wie vor un­ entbehrliches Nachschlagewerk darstellt, das, ohne die „Ambivalenzen“ des Bundes zu leugnen, ihn als Band der deutschen Nation deutete und diesen als „durchaus zukunftsfähig erscheinen ließ“.11 In der Nachfolge Klübers wurden dann im Rahmen staats- und verfassungsrechtlicher Abhandlungen das Bun­ desrecht oder Teile davon behandelt. Das geschah im allgemeinen in Form eines systematischen Zugriffs und richtete sich vor allem auf Fragen nach der Rechtsnatur des Deutschen Bundes, so daß die Anfangsjahre nicht im Zusam­ menhang behandelt werden.12 Drei erste Synthesen entstanden dann in der zweiten Hälfte des 19. Jahr­ hunderts. 1857 legte Carl von Kaltenborn eine erste Gesamtdarstellung der Bundesgeschichte vor13, die neben der Auswertung des gedruckten rechtsge­ schichtlichen Quellenmaterials auch die Bundestagsprotokolle berücksichtig­ te, und einen umfangreichen Überblick über die Anfangsjahre des Bundes   9 Die Jahrgänge 1817 und 1819 in der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main (seit 2010), die gesamte Serie (1816−1866) seit Herbst 2013 in der Bayeri­ schen Staatsbibliothek München (wenn auch mit Lücken in einzelnen Jahrgängen). 10 Klüber, Oeffentliches Recht des Teutschen Bundes. 11 Vgl. Seier, Der Deutsche Bund als Forschungsproblem, Zitat S. 37. 12 Vgl. z. B. Schmalz, Das teutsche Staats-Recht, S. 345−429; Rudhart, Das Recht des deut­ schen Bundes; Brunnquell, Staatsrecht des Teutschen Bundes und der Bundesstaaten, Abt. I; Struve, Das öffentliche Recht des Deutschen Bundes, T. 1, bes. S. 5−66; Zoepfl, Grundsätze des gemeinen deutschen Staatsrechts, T. 1, Abschnitt 9: Die deutsche Bundesverfassung, S. 270−458. 13 Kaltenborn, Geschichte der Deutschen Bundesverhältnisse, Bd. 1, S. 267−364.

1. Neue Perspektiven für die Anfangsjahre des Deutschen Bundes

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gibt, dem „ein gemäßigt föderatives Zielbild“14 zugrunde liegt. Sie bot die bislang ausführlichste Darstellung der Anfangsjahre des Deutschen Bundes. Die 1861/62 erschienene dreibändige „Geschichte der Deutschen Bundesver­ sammlung“ von Leopold Friedrich Ilse, die sich allerdings nur auf die Jahre 1816−1824 beschränkt, beruht auf der Auswertung der gedruckten Bundes­ tagsprotokolle einschließlich der nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Re­ gistraturen und rückte vor allem diejenigen Verhandlungen des Bundestags in den Vordergrund, „bei welchen ein Verdienst um Nationalinteressen hervor­ leuchtet“.15 Ilse gelang damit zwar eine erhebliche Erweiterung des bisheri­ gen Themenspektrums, doch konnte er nicht mehr als eine Materialsammlung vorlegen, da er der Materialfülle nicht Herr wurde.16 Schließlich widmete Heinrich von Treitschke in seiner wirkmächtigen „Deutschen Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert“ den Anfangsjahren des Deutschen Bundes einen längeren Abschnitt. Obwohl der Autor erstmals auch preußisches und badi­ sches Archivmaterial auswertete, wird die Zeit des Deutschen Bundes als eine Phase der Stagnation sowie des Auseinanderklaffens von Bund und Nation gedeutet. Für die Tätigkeit der Bundesversammlung, auf der von Anfang an ein „Fluch der Lächerlichkeit“ gelegen habe, findet der Autor nur Hohn und Spott. Auch läßt er kein gutes Haar an den damaligen Bundestagsgesandten.17 Dieses Verdikt von der Unzeitgemäßheit und Zukunftslosigkeit des Deut­ schen Bundes wirkte lange nach und verhinderte insbesondere eine Beschäfti­ gung mit den Anfangsjahren des Bundes. Einen erheblichen Fortschritt für die Bundesgeschichte markierte dann Ernst Rudolf Hubers „Deutsche Verfassungsgeschichte“. Huber ergänzte die klassische juristische Betrachtungsweise, indem er nicht nur das Normenge­ füge des Bundes, sondern auch das Binnengefüge und die Entscheidungs­ strukturen im Bund in seine Analyse mit einbezog und auf der Grundlage ­eines erweiterten Verfassungsbegriffs auch das Verhältnis des Bundes zur National­bewegung sowie Fragen der Handels- und Wirtschaftspolitik thema­ tisierte. Neben den beharrenden Tendenzen wurden dadurch auch Entwick­ lungspotentiale des Deutschen Bundes herausgestellt. Obwohl Huber noch an der grundsätzlichen Wesensverschiedenheit von Staatenbund und Bundesstaat festhielt, lenkte er doch die Aufmerksamkeit auf die „staatsrechtlichen Ele­ mente der Bundesverfassung“, „die kein bloßes Beiwerk“ gewesen seien, 14 Vgl. Seier, Der Deutsche Bund als Forschungsproblem, Zitat S. 38. 15 Ilse, Geschichte der deutschen Bundesversammlung, Bd. 1−3, hier Bd. 1, Zitat S. VI f. (HV i. O.). 16 Vgl. Seier, Der Deutsche Bund als Forschungsproblem, S. 39. 17 Treitschke, Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert, Bd. 2, S. 129−178, Zitat S. 129.

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Einleitung

sondern zum „Kern und Wesen des deutschen Bundesrechts“ gehörten.18 Hu­ ber bereitete damit einer neuen differenzierteren Sichtweise den Boden, die sich auf die weithin akzeptierte Formel vom ,Staatenbund mit bundesstaat­ lichen Elementen‘ bringen läßt.19 Damit rückten sowohl der Bund als „Ge­ sammt-Macht“ als auch die prinzipielle Offenheit der Bundesverfassung ­stärker in das Blickfeld.20 Den Ausgangspunkt lieferte hierbei die Deutsche Bundesakte selbst, die ja nicht den Endpunkt, sondern den Ausgangspunkt der künftigen Bundesverfassung und institutionellen Fortbildung des Bundes markieren sollte. Huber nimmt damit eine Sichtweise des österreichischen Präsidialgesand­ ten Graf Buol-Schauenstein auf, der in seiner programmatischen Rede vom 11. November 1816 geäußert hatte, es sei der „Beruf“ der Bundesversamm­ lung, „das Gebäude des großen National-Bundes [zu] vollenden“.21 Diese in den weiteren Verhandlungen des Bundestags immer wieder aufgegriffene Ar­ gumentationsfigur bringt zweierlei zum Ausdruck: zum einen die Unvollstän­ digkeit der Bundesakte, die ja einen recht beliebigen und in sich keineswegs widerspruchsfreien Katalog an Regelungen und Handlungsaufforderungen enthält, deren Aufnahme in das erste Grundgesetz des Deutschen Bundes sich keiner juristischen Systematik verdankt, sondern nur aus dem Verlauf der Verhandlungen auf dem Wiener Kongreß erklärt werden kann. In diesem ­Sinne stellt der Deutsche Bund also einen unfertigen Realtypus dar. Eine rechtsdogmatische Betrachtungsweise, die daraus vorschnell ein System des Bundesrechts destilliert, läuft leicht Gefahr, die in der Bundesakte angelegten Konfliktlinien und Widersprüchlichkeiten, aber auch die Entwicklungsper­ spektiven auszublenden.22 In Buols Rede wurde zugleich die Bundesversammlung als zentraler Ak­ teur in das Zentrum der Bundesgeschichte gerückt. Diese sollte mehr sein als ein „beständiger Gesandtenkongress mit Geschäftsordnungsautonomie“23, 18 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 583−820, Zitat S. 666. 19 Vgl. Röper, Die Verfassung des Deutschen Bundes; Koselleck, Art. „Bund, Bündnis, Födera­ lismus, Bundesstaat“, bes. S. 649−659; Gruner, Die deutschen Einzelstaaten und der Deutsche Bund, spricht sogar von einer „ ,Mischform‘ zwischen Staatenbund und Bundesstaat“ (S. 25). 20 Vgl. Gruner, Der Deutsche Bund 1815−1866, bes. Kap. 3, und Müller, Der Deutsche Bund 1815−1866, bes. Kap. I. und II., während Angelow, Der Deutsche Bund, den Bund lediglich als „Staatenbund mit bundesstaatlichem Beiwerk“ (S. 5) deutet. 21 Vgl. Dok. 100, Zitat S. 425. Zum Deutschen Bund als „Band der deutschen Nation“ vgl. auch Bentfeld, Der Deutsche Bund als nationales Band, und Gruner, Der Deutsche Bund als Band der deutschen Nation. 22 So etwa Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, S. 54, der unter Einbeziehung der Wiener Schlußakte ein Entwicklungsverbot konstatiert: „Die Grundgesetze des Bundes hiel­ ten den Weg zum nationalen Bundesstaat […] gerade nicht offen.“ 23 Kotulla, Deutsche Verfassungsgeschichte, Zitat S. 333.

1. Neue Perspektiven für die Anfangsjahre des Deutschen Bundes

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sondern sie war dazu berufen das in Wien begonnene Werk zu vollenden. Da­ bei sollte sie den „gerechte[n] Erwartungen der öffentlichen Meinung“ huldi­ gen und danach streben, daß die „Bewohner der verschiedenen souverainen deutschen Staaten in nationeller Hinsicht sich näher“ gebracht würden.24 Das verweist auf einen schwierigen Balanceakt: Die Bundestagsgesandten waren einerseits Beauftragte ihrer Regierungen und damit Interessenvertreter der Einzelstaaten, als Gesamtkorpus sollten sie andererseits das Gesamtwohl des Bundes im Auge haben und den inneren Zusammenhalt stärken. Neben den Fürsten und Freien Städten tauchen zudem die öffentliche Meinung und die Nation als handlungsleitende Ideen auf, deren Bedürfnisse es zu berücksichti­ gen galt. In den neueren Überblicksdarstellungen zur deutschen bzw. europäischen Geschichte ist bis auf wenige Ausnahmen25 davon kaum die Rede, und den Anfangsjahren des Deutschen Bundes wird allgemein nur wenig Aufmerk­ samkeit geschenkt26. Nach einleitenden Bemerkungen zu den Organen und der überwiegend staatenbündischen Struktur des Deutschen Bundes wird schnell ein Bogen zur Restaurationspolitik Metternichs gespannt und damit unterschwellig der Eindruck vermittelt, es gebe eine Art Entwicklungslogik, die von Wien über Frankfurt geradewegs nach Karlsbad und Wien führe und in der die Wiener Schlußakte die logische Ergänzung der Deutschen Bundes­ akte darstelle.27 Das liegt zunächst an der eingeschliffenen Auffassung, daß der Deutsche Bund in den Jahren seit 1815 „in den wichtigsten Fragen, in denen er aktiv hätte werden können“ − genannt werden Handel, Verkehr, Geldwesen, Recht, Kirchenpolitik −, „untätig“ blieb und auch hinsichtlich der landständischen Verfassungen „letzten Endes stumm“ geblieben sei. „Er wurde nicht zu einer Institution, die irgend etwas hätte weiterentwickeln kön­ nen oder wollen“. Im eigentlichen Sinne „aktiv“ geworden sei der Bund erst im Zuge der Restauration, der Karlsbader Beschlüsse und der Wiener Schluß­ akte.28 Lenkt man den Blick auf das beständige Organ des Bundes, die Deutsche Bundesversammlung in Frankfurt, dann ergibt sich eine andere Perspektive: 24 Vgl. Dok. 100, die Zitate S. 427 f. 25 Vgl. v. a. Hahn/Berding, Reformen, Restauration und Revolution, bes. die §§ 5 und 6; Sie­ mann, Vom Staatenbund zum Nationalstaat, S. 320−330; Aretin, Vom Deutschen Reich zum Deutschen Bund, S. 163−185 (konzentriert auf die Verfassungsproblematik). 26 Vgl. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 322 ff.; Nipperdey, Deutsche Ge­ schichte 1800−1866, S. 355−357; Lutz, Zwischen Habsburg und Preußen, S. 37−42; Fahr­ meir, Europa zwischen Restauration, Reform und Revolution 1815−1850, S. 34 f. 27 So z. B. Kotulla, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 327−401; ders., Deutsches Verfassungs­ recht 1806−1918, Bd. 1, S. 30−150. 28 Vgl. Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800−1866, die Zitate S. 355 (Hervorhebungen E.T.).

XIV

Einleitung

Im Thurn und Taxis Palais wurde eine Fülle von Themen behandelt und in nicht wenigen Fällen die Beratungen bis zur Entscheidungsreife vorangetrie­ ben. Fast alle Themen, die die Öffentlichkeit bewegten, kamen zur Sprache, und stets wurde das Verhältnis von Bund und Nation ebenso diskutiert wie die Frage der inneren Entwicklung des Deutschen Bundes. Der vorliegende Band dokumentiert dies, auch indem er mittlerweile etablierte Konzepte − „föderative Nation“29 und geteilte Staatlichkeit30 − fruchtbar macht. Allerdings kann eine Gesamtdarstellung der bundespolitischen Entwick­ lung in diesem Rahmen nicht geleistet werden, denn diese müßte auch die Diskussionen in der Öffentlichkeit und auf der Regierungsebene der Bundes­ staaten mit einbeziehen. Das würde aber den Rahmen dieser Edition spren­ gen. Deshalb rücken die Verhandlungen im Bundestag in das Zentrum und bilden den Kern des vorliegenden Bandes. Diese werden dann ergänzt durch die Korrespondenz zwischen den Regierungen der Bundesstaaten und ihren Vertretern in Frankfurt. Dadurch kommt zugleich die relative Eigenständig­ keit der ersten Generation von Bundestagsgesandten in den Blick, die nicht einfach die Direktiven der heimischen Ministerien umsetzte, sondern, bei al­ ler Rivalität, einen Korpsgeist entwickelte und sich als Sachwalter des Bun­ deswohls verstand. Wichtige Eingaben und Petitionen von Vertretern älterer Korporationen wie auch neu entstandener Interessengruppen, die eine Hand­ lungsaufforderung an die Bundesversammlung enthielten, vervollständigen dann das Quellenkorpus. Darüber hinaus wurde noch eine thematische Eingrenzung vorgenommen. Zum einen wird den Organisationsbestrebungen der Bundesversammlung großer Raum gegeben, die darauf abzielten, die eigene Handlungsfähigkeit herzustellen und auszuweiten. Zum anderen wird anhand von fünf zentralen Themenkomplexen den Versuchen einer organischen Fortentwicklung und 29 Vgl. Langewiesche, Nation, Nationalismus, Nationalstaat; ders./Schmidt (Hrsg.), Föderative Nation. 30 Pütters Begriff „zusammengesetzter Staat“ zur Beschreibung des komplizierten Verfassungs­ gefüges des Alten Reichs war bereits einzelnen Bundestagsgesandten bekannt. Dieses Modell einer geteilten Staatlichkeit ist von der Frühneuzeitforschung in jüngerer Zeit wieder aufge­ griffen und verfeinert worden: „System komplementärer Staatlichkeit“, „komplementärer Reichs-Staat“, „mixed monarchies“, „composite states“. Insbesondere Georg Schmidt ver­ sucht durch den in die Diskussion eingeführten Terminus „komplementärer Reichs-Staat“ deutlich zu machen, „daß das, was gemeinhin als einheitliche Staatsgewalt gedacht wird, im Reichs-Staat auf unterschiedliche Ebenen verteilt war“ und daß der „gesamtstaatliche Rah­ men ein unverzichtbarer Bestandteil territorialer Staatlichkeit war und nicht − wie die ältere Forschung glaubte − deren selbständige Entwicklung blockierte“. Vgl. Schmidt, Geschichte des Alten Reiches, S. 40−44, Zitat S. 44, und ders., Das frühneuzeitliche Reich − komple­ mentärer Staat und föderative Nation.

1. Neue Perspektiven für die Anfangsjahre des Deutschen Bundes

XV

I­ntegration des Deutschen Bundes nachgespürt. Diese Beschränkung ermög­ licht eine tiefere analytische Durchdringung des Materials und wird deshalb einer möglichen Ausweitung des Themenspektrums vorgezogen. Obwohl vieles davon erst ansatzweise erforscht ist, gibt es doch eine ­größere Anzahl von Studien, die dazu beitragen können, das bislang eher holzschnittartige Bild des Bundes, der Bundesversammlung und der Bundes­ tagsgesandten feiner zu zeichnen. Nicht ausgeschöpft sind Untersuchungen zur Außen- und Bundespolitik einzelner Bundesstaaten (Bayern31, Württem­ berg32, Oldenburg33, Hessen-Darmstadt34, Kurhessen35), die teilweise auch auf umfangreicheren Quellenrecherchen beruhen. Sie zeigen die unterschied­ liche Intensität und Richtung des bundespolitischen Engagements auf. Die auf dem Wiener Kongreß hervorgetretenen Interessendivergenzen zwischen den beiden deutschen Großmächten, den Mittelstaaten und den sogenannten mindermächtigen Staaten36 bestanden in den Anfangsjahren des Deutschen Bundes fort, was auch mit personellen Kontinuitäten zusammenhing. Über einige Mitglieder der Bundesversammlung (Gagern37, Plessen38, Smidt39, Berg40, Wangenheim41, Hach42, Gries43, Buol44) liegen zudem ­Biographien oder monographische Studien vor, die auch deren Tätigkeit am ­Bundestag in Frankfurt behandeln, allerdings nur teilweise auf der Grundlage der amtlichen Korrespondenzen. Schließlich gibt es für einige der in Teil III behandelten Sachthemen ältere und neuere Aufsätze und Monographien, oft von Vertretern benachbarter Dis­ ziplinen (Rechtsgeschichte, Publizistik, Wirtschaftsgeschichte), die von der Bundesforschung bislang nur teilweise beachtet worden sind. Das betrifft 31 Vgl. Aretin, Die deutsche Politik Bayerns, bes. S. 58−165; ders., Bayerns Stellung im Deut­ schen Bund nach 1815; ders., Bayerns Weg zum souveränen Staat, S. 235−263; ders., Drei Leben für die bayerische Krone, S. 149−181. 32 Vgl. Rieg, Die württembergische Außenpolitik und Diplomatie in der vormärzlichen Zeit. 33 Vgl. Müller, Die Außenpolitik Peter Friedrich Ludwigs von Holstein-Oldenburg, bes. 300−374; Rieniets, Die Oldenburgische Bundespolitik von 1815−1848. 34 Vgl. Spangenberg, Hessen-Darmstadt und der Deutsche Bund, bes. S. 40 ff. u. 110 ff. 35 Vgl. Seier, Kurhessen und die Anfänge des Deutschen Bundes. 36 Vgl. Hundt, Die mindermächtigen deutschen Staaten auf dem Wiener Kongreß. 37 Vgl. Rössler, Zwischen Revolution und Reaktion. 38 Vgl. Hirschfeld, Ein Staatsmann alter Schule. 39 Vgl. Bippen, Johann Smidt; Bulle, Das erste Jahr in Frankfurt; Wurthmann, Johann Smidt und die Bremer Politik am Deutschen Bundestag. 40 Vgl. Sellmann, Günther Heinrich von Berg. 41 Vgl. Albrecht, Die Triaspolitik des Freiherrn Karl August von Wangenheim. 42 Vgl. Kretzschmar, Johann Friedrich Hach. 43 Vgl. Loose, Hamburgs Bundestagsgesandter Johann Michael Gries. 44 Vgl. Bednar, Buol-Schauenstein und die Anfänge des deutschen Bundes.

XVI

Einleitung

Themen wie Büchernachdruck45, Pressefreiheit46, Gerichtsbarkeit47, Zollund Handelspolitik48 sowie Auswanderungsfreiheit49 im Deutschen Bund.

2. Die Anfangsjahre des Deutschen Bundes im Überblick a) Von der Verabschiedung der Deutschen Bundesakte bis zur Eröffnung der Deutschen Bundesversammlung Die Deutsche Bundesakte hatte die Eröffnung der Deutschen Bundesver­ sammlung in Frankfurt auf den 1. September 1815 bestimmt50, ein Termin, der sich aus mehreren Gründen nicht halten ließ. Obwohl Napoleon schon am 18. Juni 1815 bei Waterloo (auch Schlacht bei Belle-Alliance) durch die ­alliierten Truppen besiegt und vier Tage später zur Abdankung gezwungen ­wurde, zogen sich die Friedensverhandlungen der vier alliierten Mächte mit Frankreich bis in den Spätherbst hinein und konnten erst mit dem Zweiten Pariser Frieden (20. November 1815) zu einem Abschluß gebracht werden. Der österreichische Außenminister Metternich ergriff als Vertreter der Präsi­ dialmacht des Deutschen Bundes deshalb die Initiative und teilte in zwei Zirkular­noten51 an die Regierungen der deutschen Bundesstaaten die Ver­ schiebung der Eröffnung des Bundestags zunächst auf den 1. November und später dann auf den 1. Dezember 1815 mit und forderte die Regierungen auf, bis dahin ihre Bevollmächtigten nach Frankfurt zu entsenden und mit allen notwendigen Instruktionen zu versehen. Doch auch der letzte Termin ließ sich nicht halten. Da einer der Hauptzwecke des Deutschen Bundes die Si­ 45 Vgl. Wadle, Grundrechte in der Deutschen Bundesakte?; ders., Das Scheitern des Frankfurter Urheberrechtsentwurfs von 1819; ders., Beiträge zur Geschichte des Urheberrechts; Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht; ders., Günther Heinrich von Berg und der Frankfurter Urhe­ berrechtsentwurf von 1819; Goldfriedrich, Geschichte des Deutschen Buchhandels, Bd. 4. 46 Vgl. Koszyk, Deutsche Presse im 19. Jahrhundert; Schneider, Pressefreiheit und politische Öffentlichkeit; Eisenhardt, Die Garantie der Pressefreiheit in der Bundesakte von 1815; ­Siemann, Von der offenen zur mittelbaren Kontrolle. 47 Vgl. Müller-Kinet, Die höchste Gerichtsbarkeit in deutschen Staatenbund; Wyduckel, Die Diskusssion um die Errichtung eines Bundesgerichtes beim Deutschen Bund; Solbrig, Der Gedanke einer einheitlichen deutschen Gerichtsbarkeit im 19. Jahrhundert.. 48 Vgl. Hahn, Geschichte des Deutschen Zollvereins; ders., Mitteleuropäische und kleindeut­ sche Wirtschaftsordnung; Vorgeschichte und Begründung des Deutschen Zollvereins, Bd. 1. 49 Vgl. Gambke, Die Auswanderungsfreiheit und ihre rechtlichen Beschränkungen; Möhlen­ bruch, „Freier Zug, ius emigrandi, Auswanderungsfreiheit“; Scheuner, Die Auswanderungs­ freiheit in der Verfassungsgeschichte. 50 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512 (Artikel 9). 51 Vgl. Dok. 1 und 2.

2. Die Anfangsjahre des Deutschen Bundes im Überblick

XVII

cherung der Unverletzbarkeit der deutschen Staaten darstellte, gaben Öster­ reich und Preußen nämlich der Regelung der noch ausstehenden Gebietsfra­ gen den Vorrang, um zu verhindern, daß die Bundestagsverhandlungen durch die schwebenden Gebietsstreitigkeiten belastet wurden, wie Metternich dem österreichischen Vertreter in Frankfurt von Albini mitteilte. Der Präsidial­ gesandte sollte eintretende Besorgnisse wegen der abermaligen Verschiebung zerstreuen und die bereits in Frankfurt anwesenden Bundestagsgesandten nicht daran hindern, erste Vorbereitungen für die materielle Einrichtung des Bundestags zu treffen.52 Der Tod Albinis am 8. Januar 1816 vereitelte jedoch auch dies. Mit der Ernennung des Grafen Johann Rudolf von Buol-Schauenstein zu dessen Nachfolger begann nämlich eine lange Phase bis zum Spätsommer 1816, in der die Bundestagsgesandten quasi zur Untätigkeit verurteilt blieben. Die Folge waren einerseits ein „großes Mißbehagen“53 in der deutschen Öffent­ lichkeit, die über die Hintergründe dieser Verzögerungen weitgehend im ­Unklaren gelassen wurde, und allerlei Gerüchte und Spekulationen, ob der Deutsche Bund überhaupt ins Leben treten und, wenn ja, in welche Richtung er sich entwickeln werde. Das lag auch an der Deutschen Bundesakte, die nur wenige konkrete Bestimmungen enthielt und gerade in ihrem zweiten Teil vieles offen ließ, damit man angesichts des Zeitdrucks am Ende des Wiener Kongresses überhaupt zu einem Abschluß gelangen konnte. Die beim Ab­ schluß der Bundesakte herrschenden unterschiedlichen Vorstellungen über die Struktur und Zukunft des Deutschen Bundes kamen nun wieder zum Vor­ schein. Die Bandbreite reichte dabei von Hoffnungen und Befürchtungen, daß der Bund überhaupt nicht ins Leben treten werde, über Vorstellungen und Ideen, wie und in welchem Ausmaß der innere Ausbau des Bundes vorange­ trieben werden solle, bis hin zu konkreten Plänen eines Umsturzes der beste­ henden Bundesverfassung. Dadurch wurde offenbar, wie unterschiedlich die Vorstellungen und Hoffnungen waren, die sich mit der Konstituierung des Deutschen Bundes verbanden und die mit der Verabschiedung der Deutschen Bundesakte auch nicht verstummt waren, sondern durch die Unbestimmtheit der Deutschen Bundesakte sogar neue Nahrung erhielten. König Friedrich I. von Württemberg sah in den eingetretenen Verzögerun­ gen ein Zeichen, daß es noch gar nicht ausgemacht sei, ob der Deutsche Bund überhaupt ins Leben treten werde. Der Gesandte von Linden wurde deshalb im Januar 1816 angewiesen, allen Bemühungen zur Konstituierung des Bun­ destags oder zur Abhaltung von Präliminarkonferenzen mit „größte[r] Gleich­ gültigkeit“ zu begegnen und inhaltliche Festlegungen zu vermeiden, sondern 52 Vgl. Dok. 3. 53 Vgl. Ilse, Geschichte der deutschen Bundesversammlung, Bd. 1, Zitat S. 104.

XVIII

Einleitung

lediglich deutlich machen, daß man weder zur ehemaligen Reichsverfassung zurückkehren wolle, „noch viel weniger eine sogenannte teutsche Nation zu formiren“ wünsche. Württemberg werde sich auf nichts einlassen, was die eigenen Souveränitätsrechte einschränken und „mehr als ein föderatives System unabhängiger Staaten“ herbeiführen wolle. Württemberg plädierte ­ also für einen lockeren Staatenbund, der sich vor allem auf eine gemeinsame Verteidigungspolitik konzentrierte.54 Österreich hatte schon im November 1815 eine politische Positionsbestim­ mung vorgenommen. Der Präsidialgesandte Albini sollte in Frankfurt alle „Kollisionen“ vermeiden, fremde Einflüsse auf die Bundesversammlung ab­ wehren und sich sobald wie möglich ein Stimmungsbild unter den deutschen Höfen und Bundestagsgesandten verschaffen und nach Wien zu senden.55 In den „Ansichten des deutschen Bundes“ skizzierte Metternich Grundlinien seiner Bundespolitik. Durch die Deutsche Bundesakte sei „kein neues deut­ sches Reich, sondern eine Vereinigung der deutschen Staaten zur Erhaltung äußerer und innerer Sicherheit gestiftet“ worden. Der Charakter des deut­ schen Staatenbundes sei „blos schützend“ und „defensiv“. Die Gleichheit der Rechte der Bundesglieder müsse gewahrt und jeder Eingriff in die Rechte der Einzelstaaten vermieden werden. Vordringliches Geschäft der Bundesver­ sammlung sei die Regelung der Militärverhältnisse, damit der Deutsche Bund die ihm von Metternich zugedachte Friedensfunktion in Europa erfüllen kön­ ne. Angesichts der herrschenden Unruhe und des „regen Parthey Geist[es] in Deutschland“ empfehle sich eine Konzentration auf Materien, in denen eine „gewisse Uebereinstimmung“ (z. B. Verfassung der Landstände) erzielt wer­ den könne. Auf dem Bundestag solle Österreich als einfaches Mitglied ohne besondere Vorrechte, die ihm aufgrund seiner Größe und Machtstellung an sich zustünden, erscheinen. Sofern das Bedürfnis eines wirklichen Ober­ haupts anerkannt und diesem die nötigen Rechte und Kompetenzen über­ tragen würden, werde der österreichische Kaiser gewiß nicht abgeneigt sein, einem solchen Vertrauensbeweis der deutschen Fürsten zu entsprechen. Österreich solle weiterhin als Schutzmacht der Mindermächtigen auftreten und diese ermutigen, nicht von der in der Bundesakte vorgezeichneten Bahn abzuweichen. Preußen werde wahrscheinlich einen anderen Weg gehen und versuchen, durch scheinbare Liberalität der Ideen die Öffentlichkeit für sich einzunehmen und für seine Interessen zu benutzen. Diesen Versuchen werde aber kein Erfolg beschieden sein, wenn Österreich durch einen uneigennützi­ gen und konstitutionellen Kurs dagegenhalte.56 Ziel Metternichs war also 54 Vgl. Dok. 5, die Zitate S. 16. 55 Vgl. Dok. 4a, Zitat S. 9. 56 Vgl. Dok. 4b, die Zitate S. 10−12.

2. Die Anfangsjahre des Deutschen Bundes im Überblick

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eine „ausgewogene Balance zwischen Einzelstaatsrechten und Bundesrechten sowie Loyalität zum Deutschen Bund“. Dieser sollte die Souveränität und Sicher­heit der Einzelstaaten verbürgen und „Einheit in der Vielheit“ ermögli­ chen.57 Diese Formel ließ zwar Spielraum für eine innere Ausgestaltung des Bundes, eröffnete aber auch Interventionsmöglichkeiten, wenn die Balance zu kippen drohte. Die Mehrheit der mindermächtigen deutschen Staaten ging freilich davon aus, daß „Bund u. Bundesacte in ihrer jetzigen Gestalt nicht bestehen können“58, sondern weiterentwickelt werden müßten. Einige Bundestags­ gesandte, vor allem der niederländisch-luxemburgi­sche Vertreter Hans Chri­ stoph Freiherr von Gagern, suchten dabei an Traditionen des Alten Reichs anzuknüpfen und hielten auch die Wiedereinführung der deutschen Kaiser­ würde für wünschenswert. In einem Schreiben an Metternich vom 3. Mai 1816 bedauerte Gagern, daß „Deutschland mehr Staatenbund als Bundes­ staat“ sei, man auf bundesstaatliche Elemente aber nicht verzichten könne, da die „ganze Idee der Einheit“ darauf beruhe. Durch die Abschaffung der ­Kaiserwürde seien die Verhältnisse im Deutschen Bund „complicirter, neuer, formenloser“ geworden, die „Rollen“ der Akteure „nicht ausgetheilt“ und die Grenzen der Zuständigkeiten „nicht gesteckt“. Während es in Österreich, den Niederlanden und in Dänemark nur ein geringes Bedürfnis nach der deut­ schen Einheit gebe, würden die mittleren und kleineren Staaten sich danach „sehnen“ und darin den „wesentlichsten Zweck unsrer Verbindung“ sehen. Deshalb müsse sich der Bundestag auf die wichtigen Angelegenheiten kon­ zentrieren und dazu beitragen, daß sich Deutschland im Wettstreit der Natio­ nen behaupten könne. Gagern formulierte dazu einen umfangreichen Aufga­ benkatalog für die Bundesversammlung, der weit über die in der Bundesakte erwähnten Materien hinausreichte.59 Als im Frühjahr 1816 dann Gerüchte kursierten, die Wiedereinführung der Kaiserwürde könne doch noch gelingen, löste das allerdings auch unterschwellige Ängste aus, etwa bei Senator Hach aus Lübeck, der befürchtete, daß die beiden Großmächte ein „entschiedenes Uebergewicht“ im Bund erhalten könnten, wenn Österreich die Kaiserwürde und Preußen etwa die Reichskanzlerwürde erhalte.60 Für den sächsischen Diplomaten Karl Friedrich Freiherr von Friesen war hingegen mit der Bundesgründung eine neue Epoche für Deutschland an­ gebrochen und stellte die Bundesakte das unbestrittene Grundgesetz des Deutschen Bundes dar. In einer Denkschrift vom Juni 1816, die im Kreis der 57 Vgl. Gruner, Der Deutsche Bund 1815−1866, die Zitate S. 36 f. 58 Vgl. Dok. 7, die Zitate S. 36. 59 Vgl. Dok. 9, die Zitate S. 39 f. 60 Vgl. Dok. 7, die Zitate S. 36.

XX

Einleitung

Bundestagsgesandten zirkulierte, widersprach Friesen energisch der württem­ bergischen Ansicht vom lockeren Staatenbund. Neben den auswärtigen und militärischen Verhältnissen müßten auch die inneren Verhältnisse geregelt werden, wozu er vor allem den Weg der freien Vereinbarung durch die Bun­ desversammlung vorschlug. Im Bereich von Handel, Schiffahrt, Münzwesen, Maß und Gewicht, Büchernachdruck, Pressefreiheit und Freizügigkeit könne „völlige Gleichförmigkeit […] ohne Nachtheil der Souveränität sämmtlicher Bundesstaaten“ stattfinden. Einen solchen Integrationsprozeß im Bereich von Handel, Wirtschaft und Recht hielt Friesen für wünschenswert und für er­ forderlich, da im „Verband des deutschen Vereins wenig Sicherheit“ liege und überall ein „Mangel an Organismus“ und „Willkühr“ herrsche. Ohne „Opfer der Souverainität“ sei der „Organismus [des Bundes gar] nicht denkbar“. Wenngleich Friesen sich der Risiken einer solchen Entwicklung bewußt war − Entstehung einer „Universalmonarchie“ in der Mitte Europas oder eine Spaltung Deutschlands in zwei Teile −, plädierte er doch entschieden dafür, diesen Weg einzuschlagen und daß der Bundestag mit dieser Arbeit begin­ ne.61 Für große Aufregung sorgte indes Preußen, das sowohl mit den Ergebnis­ sen des Wiener Kongresses als auch mit dem bisherigen Verlauf der Territo­ rialverhandlungen unzufrieden war. Über den einzuschlagenden Kurs am Bundestag war man allerdings noch schwankend, auch hinsichtlich der Frage, wen man nach Frankfurt entsenden sollte. Nach der Absage des Freiherrn vom Stein fiel die Wahl auf den Gesandten in Kassel, Conrad Siegmund Carl von Hänlein, einen älteren Diplomaten, der Hardenberg seit seiner Minister­ zeit in Ansbach-Bayreuth eng verbunden war. Dieser legte dem Staatskanzler sogleich nach seiner Zusage, das Amt übernehmen zu wollen, im Januar 1816 seine Gedanken zur Bundespolitik vor, die er im März 1816 in einer Denk­ schrift62 noch einmal ausführlicher entwickelte. Ausgangspunkt seiner Über­ legungen war die „Unbestimmtheit“ der Deutschen Bundesakte, die es zwei­ felhaft erscheinen lasse, ob sich der Bund „zum Wohl des Ganzen dauerhaft konsolidiren werde“. Da Hänlein überzeugt war, daß Österreich insgeheim nach der deutschen Kaiserwürde strebe und die „Mannichfaltigkeit“ der deut­ schen Staaten ohnehin ein Oberhaupt fordere, damit „Einheit“ in den Bund gebracht werde, schlug er eine Teilung dieser Obergewalt vor: Österreich sollte erblicher Kaiser und Preußen erblicher König sowie ständiger Vikar der kaiserlichen Rechte im nördlichen Deutschland werden. Um zu verhindern, daß Österreich den Vorsitz im Bundestag in eine „umfassende Direktion aller teutschen Angelegenheiten“ verwandle, forderte er, zweitens, für Preußen das 61 Vgl. Dok. 10, die Zitate S. 66. 62 Vgl. Dok. 6b; die nachfolgenden Zitate Dok. 6a, S. 18 und Dok. 6b, S. 25 u. 29 f. (HV i. O.).

2. Die Anfangsjahre des Deutschen Bundes im Überblick

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Kondirektorium im Bundestag in etwa mit den Befugnissen des ehemaligen Reichserzkanzlers. Drittens sollte die höchste Militärgewalt in Deutschland zwischen Preußen und Österreich aufgeteilt und die norddeutschen Bundes­ kontingente an Preußen, die süddeutschen an Österreich angegliedert werden, um in das Bundesheer die „nothwendige Einheit und kräftige Form“ zu brin­ gen. Um diese Ziele zu erreichen, schlug Hänlein den Abschluß einer gehei­ men Konvention zwischen Preußen und Österreich vor und fügte einen ent­ sprechenden Vertragsentwurf63 bei. Darin verpflichten sich beide Großmächte, die entschiedene Durchsetzung des Plans zu betreiben und widerstrebende Bundesstaaten, die die „freundschaftliche Einladung zum Beitritt“ nicht an­ nähmen, notfalls dazu zu zwingen.64 Hänlein beabsichtigte also nichts weni­ ger als einen Umsturz der Bundesverfassung, eine Gleichstellung Preußens mit Österreich und die Errichtung eines Kondominats beider Großmächte über den Deutschen Bund. Durch die vorgeschlagene Militärorganisation sollte zudem eine Brücke zwischen den westlichen und östlichen Teilen der preußischen Monarchie geschlagen und die Kontrolle über das nördliche Deutschland erlangt werden, um die nach wie vor als prekär empfundene Großmachtstellung Preußens abzusichern.65 Hardenberg stimmte dem Vertragsentwurf zu und strich nur einige Passa­ gen über die Befugnisse der beiden Bundesoberhäupter und eine mögliche monarchische Doppelspitze. Indem er diese modifizierte Endfassung mit Schreiben vom 19. Juni 1816 an Metternich übersandte66, wurde aus den Pri­ vatideen Hänleins ein offizielles Projekt der preußischen Regierung. Hänlein, der davon ausgegangen war, daß er die Verwirklichung seines Projekts mit Unterstützung des österreichischen Präsidialgesandten Buol, sei­ nes ehemaligen Kasseler Kollegen, dem er sich freundschaftlich verbunden fühlte, betreiben könne67, unterlag freilich einer kapitalen Fehleinschätzung. Als er am 29. Juni 1816 Buol den Konventionsentwurf persönlich in Frank­ furt übergab, schickte dieser den Vertragsentwurf umgehend an Metternich und brachte in seinem Begleitschreiben seine grundsätzliche Ablehnung zum Ausdruck.68 Die beigefügten gutachtlichen Bemerkungen des Legationsrats Friedrich Schlegel lieferten weitere Ablehnungsgründe und machten darauf 63 Vgl. Dok. 12. 64 Vgl. Dok. 12, Zitat S. 77. 65 Zum Hänleinplan vgl. Ilse, Geschichte der deutschen Bundesversammlung, Bd.  1, S. 110−112; Treitschke, Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert, Bd. 2, S. 135 f.; Gall, Wilhelm von Humboldt, S. 299; Bentfeldt, Der Deutsche Bund als nationales Band, S.  35 f. 66 Vgl. Dok. 12, Anm. 2. 67 Vgl. Dok. 8. 68 Vgl. Dok. 13a.

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Einleitung

aufmerksam, daß Preußen an Pläne anknüpfe, die bereits auf dem Wiener Kongreß abgelehnt worden seien: Der Plan erwecke den Eindruck, die beiden deutschen Großmächte würden eine Diktatur über die anderen Bundesstaaten anstreben; das von Preußen geforderte Kondirektorium führe zu Verwirrung in der Geschäftsführung, sei der Stellung Österreichs im Deutschen Bund ab­ träglich und den Wünschen aller übrigen Bundesstaaten diametral entgegen­ gesetzt.69 In einem internen Gutachten der österreichischen Staatskanzlei wurde zudem auf die offenkundige Verfassungswidrigkeit des preußischen Projekts hingewiesen, da über die „Annahme gewisser Grundgesetze und organische[r] Bundes Einrichtungen“ allein im Plenum des Bundestags ein­ stimmig entschieden werden könne. Von dem Kondirektorium im Bundestag und der vorgeschlagenen Militärorganisation profitiere vor allem Preußen. Zudem würde Mißtrauen zwischen den Bundesstaaten und in die „Absichten der prepondirenden Mächte begründet“ und ein „Bund im Bunde“ errichtet.70 Metternich schloß sich den Argumenten Buols, Schlegels sowie der unge­ nannten Stimme aus der Staatskanzlei an und erteilte dem preußischen Pro­ jekt eine klare Absage. Gleichzeitig war er um Schadensbegrenzung bemüht und wollte eine Bloßstellung Preußens vermeiden, um das „wechselseitige Zutrauen und Einverständniß“ zwischen beiden Staaten, das zur Erreichung des Bundeszwecks unbedingt notwendig sei, nicht zu gefährden. Buol sollte gegenüber Hänlein klarstellen, daß der vorgeschlagene Weg „ganz außer der Competenz der beiden Höfe“ liege und Österreich jeglichen Schein einer „Revision oder Reformation der Bundes-Acte“ vermeiden wolle. In der Bun­ desakte selbst lägen die Mittel und Wege, um nützliche Verbesserungen und Ergänzungen vorzunehmen. Indem Preußen auf den verfassungsmäßigen Weg verwiesen wurde, der in keinem Fall zu dem angestrebten Ziel führen würde, konnte sich Österreich als Hüter der Bundesverfassung und Beschützer der mindermächtigen Staaten profilieren. Durch sein „uneigennütziges Beneh­ men“ und seine bescheidene Geschäftsführung könne es zugleich seinen „ge­ rechten und billigen Einfluß“ im Bundestag auf feste Grundlagen heben.71 Die Ablehnung des Projekts blieb jedoch nicht auf Österreich beschränkt, da die von preußischer Seite erwartete Vertraulichkeit nicht gewahrt blieb. Buol hatte Hänlein sofort nach der Übergabe des Vertragsentwurfs mitgeteilt, daß er einige Gesandte, mit denen er vertrauten Umgang pflege, über die preußischen Pläne informieren müsse. Hänlein hatte daraufhin die Flucht nach vorn angetreten und etlichen Kollegen die lauteren Absichten Preußens erläutert. Besonders von den Gesandten der kleineren Höfe seien seine Aus­ 69 Vgl. Dok. 13b. 70 Vgl. Dok. 15, die Zitate S. 87. 71 Vgl. Dok. 16, die Zitate S. 90−93 (HV i. O.).

2. Die Anfangsjahre des Deutschen Bundes im Überblick

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lassungen „sehr gut“ aufgenommen worden, teilte Hänlein dem preußischen Staatskanzler Hardenberg beruhigend mit.72 Das war allerdings nichts anderes als eine grandiose Selbsttäuschung Hän­ leins, wenn man sich die Reaktionen der Mindermächtigen anschaut.73 Deren Urteile wiesen, bei allen Unterschieden im Detail, eine große Übereinstim­ mung auf und fielen insgesamt ablehnend aus. Die Forderung nach dem Kon­ direktorium für Preußen sei eine vertragswidrige Anmaßung und ziele letzt­ lich auf die „Realisirung des alten Projeckts der Theilung Deutschlands in das südliche und nördliche“ ab, um Preußen eine territoriale Abrundung und Ab­ sicherung seines Großmachtstatus zu verschaffen.74 Eine Doppelhegemonie der beiden deutschen Großmächte wurde ebenso abgelehnt wie die Herrschaft eines „Pentarchat[s]“ oder eines „Directorio der Könige“ über den Deutschen Bund, da beides gegen die „Gleichheit der Rechte“ der Bundesmitglieder ver­ stoße. Außerdem hätten die Mittelstaaten bislang noch nicht unter Beweis ge­ stellt, daß es ihnen „Ernst mit dem deutschen Bunde“ sei. Die preußische Vorgehensweise sei im übrigen rechtswidrig, und die Drohung Hänleins, Preußen werde, wenn auf seine Vorschläge nicht eingegangen werde, „eine andere Sprache führen“ und sein Hof sich notfalls vom Bund trennen, zeige nur allzu deutlich, daß Preußen „ohne Achtung für die den Fürsten in der Bundesacte zugestandenen Rechte“ sei und „ihnen Gesetze vorschreiben würde“, wenn „Oestreich dazu die Hand böte“.75 Während die Vertreter der kleineren deutschen Staaten sich des Schutzes Österreichs sicher wähnten und deshalb von gemeinschaftlichen Aktionen wie auf dem Wiener Kongreß76 Abstand nahmen, sah sich Württemberg zu einer Wiederaufnahme seiner Triaspläne veranlaßt. Außenminister Wintzinge­ rode erhielt von König Friedrich I. den Auftrag, bei den Höfen in Karlsruhe, Darmstadt und Dresden sowie beim bayerischen Außenminister Montgelas die Chancen für einen engeren Zusammenschluß der Mittelstaaten zu sondie­ ren.77 Nachdem Wintzingerode Anfang Juli seinem bayerischen Amtskolle­ gen Informationen über das preußische Projekt mitgeteilt und auf die Not­ wendigkeit eines Zusammenschlusses der süddeutschen Mittelstaaten und Sachsens zur Abwehr der preußischen Hegemonialbestrebungen hingewiesen hatte78, übersandte er diesem drei Wochen später den Entwurf eines Vertrags 72 Vgl. Dok. 17, Zitat S. 97. 73 Vgl. Dok. 18, 19 und 20. 74 Vgl. Dok. 22, Zitat S. 112; ähnlich Dok. 18. 75 Vgl. Dok. 19, die Zitate S. 104 f. 76 Vgl. dazu ausführlich Hundt, Die mindermächtigen Staaten auf dem Wiener Kongreß, sowie QGDB I/1, Einleitung, bes. S. LXXV−LXXXVIII und passim. 77 Vgl. Dok. 23. 78 Vgl. Dok. 21.

XXIV

Einleitung

über die engere Zusammenarbeit der königlichen und großherzoglichen Häu­ ser in Bundesangelegenheiten79. Darin verpflichteten sich die beteiligten Höfe auf die gemeinsame Wahrung der Souveränität und territorialen Integrität ih­ rer Staaten und in allen darauf bezogenen Angelegenheiten auf eine gemein­ schaftliche Beratung und „gleichförmig[e]“ Abstimmung im Engeren Rat und Plenum der Bundesversammlung. Sämtliche Beteiligten sollten sich allem gemeinschaftlich widersetzen, was gegen den „klaren Sinn“ der Bundesakte in Hinsicht auf die Militärverhältnisse, das Direktorium und den Geschäfts­ gang des Bundestags sowie auf die Errichtung eines Bundesgerichts und die Abstimmungsmodalitäten im Bundestag gerichtet würde.80 In seinem Begleit­ schreiben machte Wintzingerode deutlich, daß sich der Vertrag zunächst an die Höfe von München, Stuttgart, Karlsruhe und Darmstadt richte und man hoffe, daß Sachsen zu den Erstunterzeichnern gehören werde. Als weitere Beitrittskandidaten wurden Nassau, die sächsischen Groß- und Herzogtümer und zu einem späteren Zeitpunkt auch Kurhessen genannt.81 Ein solcher Bund hätte dann immerhin sechs Virilstimmen und anderthalb Kuriatstimmen im Engeren Rat in die Wagschale werfen können. Während Hessen-Darmstadt seine grundsätzliche Bereitschaft zu einer ge­ meinschaftlichen Vorgehensweise signalisierte82, lehnte Sachsen einen Bei­ tritt rundweg ab, da bei den „billigen und gerechten Gesinnungen“ des Wie­ ner Hofs der Abschluß einer besonderen Konvention überflüssig sei und nur zu „Mißtrauen und Spaltungen Anlaß“ gäbe, folglich der Einheit und dem Gesamtinteresse des Bundes nachtheilig sei.83 Der badische Außenminister von Hacke war einer festeren Verbindung zwar nicht abgeneigt, machte eine Zusage aber indirekt von einem Beitritt Bayerns abhängig.84 Mit seiner Ab­ sage brachte Montgelas denn auch das württembergische Triasprojekt Mitte August 1816 zu Fall, da nach dem Scheitern des preußischen Projekts kein dringendes Bedürfnis mehr für ein solches Bündnis bestehe. Eine förmliche Konvention könne erst nach der Beendigung der Territorialverhandlungen abgeschlossen werden.85 Damit war der Versuch einer Blockbildung am Bundes­ tag an den divergierenden Interessen der angesprochenen Staaten ­gescheitert. Das Bündnisprojekt ließ sich allerdings nicht wie vorgesehen

79 Vgl. Dok. 24a. 80 Vgl. Dok. 24b, die Zitate S. 117. 81 Vgl. Dok. 24a. 82 Vgl. Dok. 25. 83 Vgl. Dok. 26, die Zitate S. 121. 84 Vgl. Dok. 28. 85 Vgl. Dok. 29.

2. Die Anfangsjahre des Deutschen Bundes im Überblick

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­geheimhalten, da der Vertragsentwurf über Marschall und Eyben an Buol ge­ langte, der ihn am 14. September 1816 an Metternich übersandte.86 Noch vor der Eröffnung der Bundesversammlung hatte Hänlein seinem Land eine „empfindliche Niederlage“ bereitet, „welche die ohnehin schwieri­ ge Stellung Preußens am Bunde auf lange hinaus verdarb“.87 Hänlein wurde damit als Bundestagsgesandter untragbar und am 9. August 1816 auf seinen Posten in Kassel zurückberufen und Wilhelm von Humboldt interimistisch mit der Führung der Bundestagsgeschäfte betraut. Beschädigt war auch Har­ denberg, der indirekt eingestehen mußte, daß er mit der Wahl Hänleins einen schweren Fehlgriff getan und sich zu einem fragwürdigen Projekt hatte ver­ leiten lassen, das bei nüchterner Betrachtung von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg gehabt hatte. Der politische Schaden für die Hohenzollernmonar­ chie war beträchtlich. Bei den Mittel- und Kleinstaaten wurden alte Ängste wiederbelebt, daß Preußen den Status quo in Deutschland nicht akzeptiere und auch vor offenkundigem Rechtsbruch nicht zurückschrecke, um seine Stellung in Deutschland zu stärken. Davon profitierte am meisten Österreich, das sich als Beschützer der Mindermächtigen und Garant der Bundesverfas­ sung profilieren konnte. Nach Monaten der Unruhe und Spekulationen trat dann im Spätsommer 1816 eine Beruhigung der Gemüter ein, so daß die bislang zur Untätigkeit verurteilten Bundestagsgesandten endlich mit den Vorbereitungen zur Er­ öffnung des Bundestags beginnen konnten. Treibende Kraft waren hier vor allem die Bevollmächtigten der Mindermächtigen, insbesondere der Meck­ lenburger Plessen und der Oldenburger Berg, wie der badische Bundestagsge­ sandte Berstett berichtet, der sich von einer „Beschleunigung der Eröffnung des Bundestages“ zugleich eine Abwehr bayerischer Territorialansprüche zu Lasten Badens versprach88, sowie die Repräsentanten der beiden deutschen Großmächte, Wilhelm von Humboldt und Graf Buol. Berg hatte mit seiner Denkschrift „Über die Eröffnung der Bundesver­ sammlung und die Präliminarkonferenzen“89 am 25. Juni 1816 die D ­ iskussion eröffnet und aus Artikel 9 der Bundesakte den Vorrang der baldigen Konstitu­ ierung der Bundesversammlung vor einer Regulierung sämtlicher Territorial­ fragen hergeleitet. Zugleich unterbreitete er Vorschläge zum Geschäftsverfah­ 86 Zu dem württembergischen Triasprojekt im Sommer 1816 vgl. ausführlich Burg, Die deut­ sche Trias in Idee und Wirklichkeit, S. 78−84, sowie Hippel, Friedrich Landolin Karl von Blittersdorff, S. 30 f. Bei Burg wird allerdings die direkte Stoßrichtung gegen die Hegemoni­ alpläne Hänleins nicht ganz deutlich. 87 Vgl. Treitschke, Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert, Bd. 2, Zitat S. 135; ähn­ liche Bewertung auch bei Ilse, Geschichte der deutschen Bundesversammlung, Bd. 1, S. 113. 88 Vgl. Dok. 14, Zitat S. 86. 89 Vgl. Dok. 11.

XXVI

Einleitung

ren, aus denen eine Bundestagsordnung hervorgehen sollte. Anfang Oktober 1816 konkretisierte Berg dann noch einmal seine Vorstellungen und empfahl eine Beschränkung auf die wesentlichsten Materien.90 In der Zwischenzeit waren Buol91 und Humboldt92 mit eigenen Ausarbeitungen hervorgetreten, die außer Ergänzungen und Modifikationen des von Berg umrissenen The­ menkatalogs auch das Verhältnis der Bundesversammlung zur Stadt Frankfurt in den Blick nahmen. Daraus entwickelte sich ein fruchtbarer Gedankenaus­ tausch, der mit dazu beitrug, daß die Bundestagsverhandlungen „einen regel­ mäßigen Gang nehmen“ konnten.93 Das ließ hoffen für die Zukunft, wenn auch ein unterschwelliges Mißtrauen blieb und Vorsicht angesagt war. Die Weisung Metternichs an Buol, bei den Vorbesprechungen dahin zu wirken, daß die Protokollführung als ein Teil der Geschäftsführung des Bundespräsi­ dialgesandten anerkannt werde, stellt eine solche Vorsichtsmaßnahme dar, um neuerlichen Wünschen Preußens nach einer Teilhabe an den Direktorialge­ schäften einen Riegel vorzuschieben.94 Die vom 1. Oktober bis 4. November 1816 stattfindenden Präliminarkonfe­ renzen95 konzentrierten sich dann auf die von Berg, Humboldt und Buol um­ rissenen Geschäftsordnungsfragen und die „Begründung eines angemessenen und durchaus guten gegenseitigen Verhältnisses“ der Bundesversammlung zur Freien Stadt Frankfurt. Der österreichische Präsidialgesandte übersandte dem Senat der Stadt Frankfurt dazu einen Aufsatz, in dem Grundsätze über das gegenseitige Verhältnis formuliert wurden, durch welche die „Würde und Sicherheit“ der Bundesversammlung, ihrer Mitglieder sowie des Personals der Angehörigen der Bundestagsgesandten, außerdem die ungestörte Ge­ schäftsführung des Bundestags gesichert werden sollten. Der angesprochene Katalog umfaßte Vorkehrungen zum Schutz der Bundesversammlung und ­ihres Archivs, Ehrenbezeugungen für die Bundestagsgesandten, Maßnahmen zum Schutz einer wohltätigen Pressefreiheit in der Stadt und die Publikation offizieller Artikel in den Frankfurter Zeitungen, die gesandtschaftlichen Rech­ te der Bundestagsgesandten, ihrer Familien und Bediensteten sowie die ­Befreiung dieses Personenkreises von städtischen Steuern und Abgaben, Ein­ quartierungen und Abzugsgeldern.96 90 Vgl. Dok. 34. 91 Vgl. Dok. 30. 92 Vgl. Dok. 31. 93 Vgl. Dok. 35, Zitat S. 144. 94 Vgl. Dok. 32. 95 Vgl. ProtDBV 1816, Registratur über die 1. bis 7. Besprechung der Herren Bundestags-Ge­ sandten, S. 1−15 nebst Beilagen 1−7, S. 1−15. 96 Vgl. Dok. 37a und 37b, Zitat S. 149.

2. Die Anfangsjahre des Deutschen Bundes im Überblick

XXVII

Der Rat der Stadt Frankfurt genehmigte im Gegenzug fast alle Forderun­ gen des Bundestags und setzte eine hochkarätig besetzte Senatskommission für Bundesangelegenheiten ein. Als konfliktträchtig erwiesen hatte sich allein der Status des Gesandten der 16. Bundestagskurie, Jakob Friedrich Freiherr von Leonhardi, der zugleich Frankfurter Bürger war.97 Humboldt drang des­ halb auf eine Klärung des Problems, damit nicht aus bürgerlichen Verbindun­ gen zur Stadt Frankfurt eine Einschränkung der Immunität einzelner Bundes­ tagsgesandter entstehe und die Bundesversammlung als Korpus beeinträchtigt werde.98 Gegenüber dem Frankfurter Senat konnte Buol seine Zufriedenheit über die rasche Einigung zum Ausdruck bringen.99 Wenig kontrovers verliefen auch die Beratungen über die Geschäftsord­ nung des Bundestags. Buol hatte Anfang Oktober den Bremer Senator Johann Smidt gebeten, aus den schriftlichen Vorschlägen Bergs100 und Humboldts101 den Entwurf einer Geschäftsordnung auszuarbeiten, der von Buol dann auch in der 2. Präliminarkonferenz vorgelegt wurde, ohne den Autor jedoch expli­ zit zu benennen.102 Auf ausdrücklichen Wunsch Smidts, der auch die End­ fasssung redigierte und unbedingt allen Bundestagsverhandlungen beiwohnen wollte, wurde später ein Zusatz zum ersten Abschnitt dieser Ordnung be­ schlossen: die Zulassung der nicht stimmführenden Gesandten einer Kurie zu den Sitzungen des Engeren Rats der Bundesversammlung.103 Einen ähnlichen Antrag hatte auch der nassauische Vertreter Marschall eingebracht, diesen in der gleichen Sitzung aber wieder zurückgezogen, nachdem Buol den erwähn­ ten Zusatz zur Abstimmung gestellt hatte.104 Diese rasche Einigung auf eine vorläufige Geschäftsordnung machte dann endlich den Weg frei für die auf Dienstag, den 5. November 1816 festgesetzte Eröffnung der Deutschen Bun­ desversammlung. Dieses Ereignis wurde in einem würdigen Rahmen ohne allzu großen Pomp zelebriert. Der Rat der Stadt Frankfurt ordnete am Vorabend sowie am   97 Vgl. Dok. 38a und 38b.   98 Vgl. Dok. 40.   99 Vgl. Dok. 41. 100 Vgl. Dok. 11. 101 Vgl. Dok. 31. 102 Vgl. ProtDBV 1816, 2. Präliminarkonferenz vom 9. Oktober 1816, S. 5. 103 Vgl. ProtDBV 1816, 6. Präliminarkonferenz vom 30. Oktober 1816, S. 11. − Zum Anteil Smidts an der Entstehung der vorläufigen Geschäftsordnung vgl. Bulle, Das erste Jahr in  Frankfurt, S. 166−169 u. 183; Bippen, Johann Smidt, ein hanseatischer Staatsmann, S. 190 f.; Wurthmann, Senatoren, Freunde und Familie, S. 278 f.; dies., Johann Smidt und die Bremer Politik am Deutschen Bundestag, S. 41 f. 104 Vgl. Dok. 39. − In der Registratur der 6. Sitzung ist lediglich Marschalls Zustimmung zu der von Smidt veranlaßten „vorläufige[n] und unpräjudicirliche[n] Bestimmung“ vermerkt. Vgl. ProtDBV 1816, Registratur der 6. Präliminarkonferenz vom 30. Oktober 1816, S. 12.

XXVIII

Einleitung

Vormittag des 5. November allgemeines Glockengeläute und 101 Kanonen­ schüsse an. Gegen 9 Uhr morgens zog eine Fahnenwache von mehreren Kompanien des regulären und Bürgermilitärs am Palais Thurn und Taxis, dem Wohnsitz des österreichischen Präsidialgesandten, auf. Dort versammel­ ten sich um 11 Uhr sämtliche Bundestagsgesandten in Galauniform, die ­meisten in Begleitung ihres Legationssekretärs. Nur der württembergische Vertreter Freiherr von Linden fehlte, da er am Abend zuvor von seinem ­Posten abberufen worden war und sein Nachfolger Graf von Mandelsloh noch nicht eingetroffen war. Deshalb nahm von „Seiten Württembergs durch­ aus Niemand, auch nur als Stellvertreter“ an den Eröffnungsfeierlichkeiten teil, wie der bayerische Vertreter Freiherr von Gruben mit kritischem Unter­ ton vermerkte.105 Nachdem alle Bundestagsgesandten im Sitzungssaal der Bundesversamm­ lung ihre Plätze am runden Tisch eingenommen hatten, verlas der Präsidial­ gesandte Buol seine ihm aus Wien zugesandte Eröffnungsrede. In seinem ­historischen Rückblick auf die deutsche Geschichte erkannte Buol schon seit frühester Zeit eine Zerlegung Deutschlands in „mehrere Staaten“, die aber „im großen Bande der Nationalität“ vereint gewesen seien, „deren sichtbares Symbol die deutsche Kaiserkrone war“. Nach dem Untergang des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation 1806 hätten dann nur noch „getrennte Staaten ohne alles Nationalband“ existiert. Der Abschluß der Bundesakte habe dann „alle deutsche Staaten zu einem Bund“ wieder vereinigt. Somit „erscheint Deutschland wieder als ein Ganzes, als eine politische Einheit“ und „Macht in der Reihe der Völker“. Der Deutsche Bund sei zwar eine Neu­ schöpfung, doch wurde er von Buol in die föderative Tradition der deutschen Geschichte gestellt, die weder die „Form einer Einherrschaft oder auch nur eines wahren Bundes-Staats“ noch ein „bloßes politisches Schutz- und Trutz­ bündniß“ kenne. Vielmehr sei Deutschland dazu berufen „einen zugleich die Nationalität sichernden Staatenbund zu bilden“.106 Dem Bund wurde deshalb die Aufgabe zugewiesen, „eine ausgewogene Balance zwischen den Einzel­ staatsrechten und Bundesrechten sowie Loyalität zum Deutschen Bund“ her­ zustellen und „Einheit in der Vielheit“ zu gewährleisten, andererseits sollte er zu einer ‚Schule der föderativen Nation‘107 für die deutschen Fürsten und Freien Städte werden.108 Dabei gelte es freilich, so die unüberhörbare 105 Vgl. Dok. 46, Zitat S. 187. 106 Vgl. Dok. 42, die Zitate S. 175 f. (HV i. O.). 107 Diese Formulierung trifft den Sachverhalt genauer als Billinger, Metternich and the German Question, Zitat S. 171, der in diesem Zusammenhang von einer „school of nationalism“ spricht. Zum Konzept der „föderativen Nation“ vgl. oben S. XIV. 108 Vgl. Gruner, Der Deutsche Bund 1815−1866, die Zitate S. 36.

2. Die Anfangsjahre des Deutschen Bundes im Überblick

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­ arnung, die beiden „Hauptverirrungen“ seit der Französischen Revolution W − „demokratische Auswüchse in Ansehung der Staatsverfassungen“ und „Ver­ höhnung“ des europäischen Gleichgewichtssystems − zu vermeiden, was konkret bedeutete: „Entfernung aller revolutionären Einwirkung“ auf der Ebene der Einzelstaaten und Gewährleistung der „Freyheit und Unabhängig­ keit der Nation im deutschen Bunde“. Die deutsche Kulturnation mit ihren vielen Zentren von Kunst und Wissenschaft wurde in diesem Zusammenhang als leuchtendes Beispiel angeführt, daß die Deutschen ihre Fähigkeiten am besten in einer föderativen Ordnung entwickeln könnten. Mit der Versiche­ rung, daß Österreich keine politischen Vorrechte beanspruche, sondern „zum Besten unsers gemeinsamen Vaterlandes“ wirken wolle, beschloß der Präsi­ dialgesandte seine Ansprache dann mit dem persönlichen Appell: „Gegen­ seitiges Vertrauen, Offenheit und wahrhaft deutscher Sinn“ werden gewiß zu den schönsten Erfolgen führen.109 Entgegen ursprünglichen Absprachen hielten auch weitere Bundestagsge­ sandte kurze Ansprachen, in denen unterschiedliche Akzente gesetzt wurden. Der preußische Staatsminister Humboldt, der den unpäßlichen Bundestags­ gesandten Graf von der Goltz vertrat, war sichtlich darum bemüht, den von Hänlein angerichteten politischen Flurschaden zu beseitigen, indem er her­ vorhob, daß Preußen die Gesinnungen Österreichs vollkommen teile, und ­zugleich versprach, „zum gemeinschaftlichen Wohl durch gemeinschaftlich festgestellte gesetzliche Formen und Einrichtungen“ mitwirken zu wollen110, während der von Reminiszenzen an das Alte Reich geprägte niederländischluxemburgische Vertreter von Gagern in einer erweiterten Fassung seiner Rede mit großem Pathos den Beginn einer neuen Epoche der deutschen Ge­ schichte beschwor. Dem „gemeinsamen teutschen Vaterlande“ sei eine neue Gestalt gegeben worden und der Bundestag dazu berufen, das in der Bundes­ akte in seinen Grundlinien skizzierte Gebäude „zu ergänzen, zu erweitern und zu vollenden“. Zugleich brachte er das Volk als Akteur mit ins Spiel. Durch „gemeinschaftliche treue Bemühung“ von Fürsten und Volk könne „eine Na­ tionaleinheit in ihren schönsten Formen verwirklicht“ und die „Bundeskette“ so eng geschlossen werden, daß „weder Gewalt noch Verführung die verbun­ denen Theile“ wieder auseinanderreißen könnten.111

109 Vgl. Dok. 42, die Zitate S. 177−179 (HV i.O.). Treitschke, Deutsche Geschichte im Neun­ zehnten Jahrhundert, Bd. 2, S. 144 f., bewertet die Eröffnungsrede, „deren sinnloser Wort­ schwall gebildeten Hörern geradezu als eine Beleidigung erscheinen mußte“, ganz negativ und übersieht die erkennbare Botschaft. 110 Vgl. Dok. 43, Zitat S. 180. 111 Vgl. Dok. 44, die Zitate S. 181−183.

XXX

Einleitung

Nach diesen Ansprachen ging es ganz geschäftsmäßig weiter. Einige Rati­ fikationsurkunden wurden verlesen. „Hiernach hielt sich die Versammlung nun als förmlich konstituirt.“ Sodann übergab der Vertreter des dänisch-hol­ steinischen Gesandten von Eyben eine Spezialvollmacht für das Herzogtum Lauenburg als eigenes deutsches Fürstentum, woraufhin der mecklenburgi­ sche Bundestagsgesandte von Plessen und sein oldenburgischer Kollege von Berg für die anhaltischen Häuser die Ansprüche ihrer Höfe auf Lauenburg verwahrten. Anschließend wurde die Sitzung geschlossen. Beim Verlassen des Thurn und Taxis Palais wurden jedem Bundestagsgesandten die militäri­ schen Ehren bezeugt; „hiernach zog die Fahnenwache wieder ab“.112 Den geselligen Teil eröffnete am Nachmittag ein großes Diner beim öster­ reichischen Präsidialgesandten Graf Buol-Schauenstein, zu dem sämtliche Bundestagsgesandte und die diplomatischen Vertreter der auswärtigen Mäch­ te geladen waren. Abends fand dann ein großer „Cercle“ statt, dem außer Mitgliedern einiger deutscher Regentenhäuser − die Herzogin von SachsenMeinin­gen mit Sohn und Töchtern und die Herzogin von Nassau − auch „vie­ le andere Personen höheren Ranges beiwohnten“ und der gegen elf Uhr abends endete.113 Damit ging ein denkwürdiger Tag der deutschen Geschichte zu Ende, der trotz mehrfacher Salutschüsse ruhig, unaufgeregt und mit großer Schlichtheit begangen wurde. Auf den von Buol angeregten Gottesdienst in der Krönungs­ kirche der römisch-deutschen Kaiser, der katholischen Stiftskirche St. Bar­ tholomäus, einem ,Erinnerungsort‘ der deutschen Geschichte, hatte man ver­ zichtet, obwohl sich der Präsidialgesandte davon einen „günstigen Eindruck“ auf „das übrige Deutschland“ versprach.114 Infolgedessen entfiel auch eine gemeinsame Kutschfahrt der Bundestagsgesandten vom sogenannten „Kai­ serdom“ durch die Frankfurter Innenstadt zum Thurn und Taxis Palais in der Großen Eschenheimer Gasse, welche Gelegenheit geboten hätte, sich dem Publikum als politischer Körper zu präsentieren und zugleich ein wenig Fest­ stimmung in der Stadt zu erzeugen. Statt dessen hatte es die Bundesversamm­ lung vorgezogen, den Tag eher geschäftsmäßig und unter Ausschluß der Öf­ fentlichkeit im Thurn und Taxis Palais zu begehen. Nur am Nachmittag und Abend wurde es etwas festlicher, und Teile der in Frankfurt lebenden oder gerade zufällig anwesenden „feinen“ Gesellschaft wurden hinzugezogen, die dem Ereignis etwas Glanz verliehen. Die breite Bevölkerung blieb hingegen ausgeschlossen. Von dieser zeremoniellen Kargheit zeugt auch die offizielle Pressemitteilung über die Eröffnung des Bundestags in der Frankfurter Ober­ 112 Vgl. Dok. 46, die Zitate S. 188. 113 Vgl. Dok. 46, die Zitate S. 188 f. 114 Vgl. Dok. 30, die Zitate S. 127 f.

2. Die Anfangsjahre des Deutschen Bundes im Überblick

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postamtszeitung, die in einer nüchtern-bürokrati­schen Sprache nur die nötig­ sten Informationen lieferte.115 Der Kontrast zu den ehemaligen Kaiserkrönun­ gen, bei denen Teile der Führungsschicht des Alten Reichs persönlich anwesend waren und ein mehrtägiges großes Volksfest in Frankfurt gefeiert wurde, hätte nicht größer ausfallen können.116 b) Der Deutsche Bund und sein beständiges Organ (1) Mitglieder und Territorium des Deutschen Bundes Zu den ersten Handlungen der Deutschen Bundesversammlung − sie wird in Anlehnung an den in Regensburg tagenden Immerwährenden Reichstag des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation auch als Bundestag bezeichnet − gehörte die Vollziehung des Beitritts von Baden und Württemberg zum Deutschen Bund. Beide Staaten waren am Abschluß der Deutschen Bundes­ akte nicht beteiligt, weil sie irrtümlich geglaubt hatten den Abschluß einer Bundesakte vorerst verhindern und nach Beendigung des Kriegs gegen Napo­ leon einen Bundesvertrag zu günstigeren Bedingungen abschließen zu kön­ nen.117 Das erwies sich als ein Fehlschluß. Die Signatarstaaten der Deutschen Bundesakte gingen gleichwohl von einem Beitritt beider Staaten aus und fer­ tigten eine Akzeptationsurkunde für den Fall des württembergischen Beitritts zur Deutschen Bundesakte aus, wonach der Beitritt „eben so angesehen wer­ den soll[te], als ob die Königlich-Würtembergi­schen Bevollmächtigten den Act vom 8ten selbst mit unterfertigt hätten“118. Nach der endgültigen militäri­ schen Niederlage Napoleons blieb dem Großherzog von Baden und König Friedrich I. von Württemberg allerdings nichts anderes übrig als ihren „unbe­ dingten und vollkommenen Beytritt“ zur Deutschen Bundesakte zu erklä­ ren.119 Die Übergabe der Beitrittsurkunden wurde jedoch bis zum Zusammen­ tritt der Bundesversammlung hinausgezögert, so daß die offizielle Aufnahme Badens und Württembergs in den Deutschen Bund erst in der konstituierenden Sitzung des Bundestags am 5. November 1816 vollzogen wurde.120 Damit

115 Vgl. Dok. 45. 116 Vgl. dazu etwa den Ausstellungskatalog Koch/Stahl (Hrsg.), Wahl und Krönung in Frankfurt am Main. 117 Vgl. QGDB I/1, Einleitung, S. CXXII; Glaser, Die badische Politik und die deutsche Frage, S. 301 f.; Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 2, S. 570−574. 118 Vgl. QGDB I/1, Dok. 255, S. 1529 f., Zitat S. 1529. 119 Vgl. Dok. 47, Zitat S. 195, und Dok. 48. 120 Vgl. ProtDBV 1816, 1. Sitzung vom 5. November 1816, § 5, S. 14.

XXXII

Einleitung

stieg die Mitgliedszahl von ursprünglich 38121 auf 40 Staaten. Durch die Auf­ nahme des Landgrafen von Hessen-Homburg in den Deutschen Bund am 7. Juli 1817122 erhöhte sich deren Zahl auf 41123. Nicht eindeutig bestimmt waren zunächst die zum Deutschen Bund gehö­ renden Territorien des Kaisers von Österreich und der Könige von Preußen, Dänemark und der Niederlande. Österreich und Preußen traten nur mit ihren „gesammten vormals zum deutschen Reich gehörigen Besitzungen“ dem Bund bei.124 Das untergegangene Heilige Römische Reich diente damit hier wie in anderen Fragen als „reale Bezugsgröße“.125 Angesichts der territori­ alen Veränderungen, die sich nach 1800 ergeben hatten, erforderte dieser Pas­ sus allerdings eine Konkretisierung, womit sich beide Großmächte reichlich Zeit ließen. Österreich entschied sich für eine „beschränktere Anwendung“ des Artikels 1 der Bundesakte und schloß die Lombardei ungeachtet ihrer Verbindungen zum Alten Reich aus, auch um die „Vertheidigungslinie [des Bundes nicht] über die Alpen auszudehnen“. Dem Bund gehörten demnach folgende Länder und Provinzen an: das Erzherzogtum Österreich, Salzburg, Steiermark, Kärnten und Krain, das österreichische Friaul (Görzer Kreis), Triest, Böhmen, Mähren, der österreichische Anteil an Schlesien einschließ­ lich Zator und Auschwitz, außerdem Hohen-Gerolds­ eck, das infolge des Frankfurter Territorialrezesses jedoch schon 1819 an Baden abgetreten ­wurde.126 121 Die Auffassung von Huber (Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, Zitat S. 584 Anm. 5), der auch noch Kotulla (Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 1, S. 48) folgt, daß dem Deutschen Bund ursprünglich ein Herzogtum Nassau-Usingen und ein Fürstentum Nassau-Weilburg „als zwei selbständige Staaten“ angehört haben, ist falsch. Durch die Pro­ klamation vom 30. August 1806 waren sämtliche Besitzungen der beiden nassauischen Häu­ ser nebst den neuerworbenen Gebieten bereits zu einem „vereinten, untheilbaren und sou­ verainen Staate und Herzogthume“ vereint worden (vgl. den Abdruck der Proklamation in Ziegler [Bearb.], Regierungsakten des Herzogtums Nassau 1803−1814, Dok. 5, Zitat S. 50). Staatsrechtlich gab es seitdem nur noch einen Staat: das Herzogtum Nassau, das allerdings von zwei Monarchen regiert wurde. Mit dem Aussterben der Linie Nassau-Usingen am 24. März 1816 endete lediglich die seit 1806 existierende Doppelregentschaft. Zur Ge­ schichte des Herzogtums vgl. Schüler, Das Herzogtum Nassau 1806−1866. 122 Vgl. Dok. 50 sowie Thomsen, Die Bemühungen Hessen-Homburgs um Sitz und Stimme im Bundestag. Allerdings konnte der Landgraf erst 25 Jahre nach seinem Beitritt zum Bund sein Stimmrecht im Engeren Rat der Deutschen Bundesversammlung ausüben, nachdem er formell in die 16. Kurie aufgenommen worden war. 123 Vgl. die Auflistung der Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes bis 1866 bei Huber, Deut­ sche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 583−585, und Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 1, S. 48 u. 51 f. 124 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508 (Artikel 1). 125 Vgl. Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 1, Zitat S. 49. 126 Dok. 51, die Zitate S. 201.

2. Die Anfangsjahre des Deutschen Bundes im Überblick

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Auf preußischer Seite spielten hingegen nationale Erwägungen eine größe­ re Rolle. Strittig war hier vor allem die Einbeziehung Schlesiens in den Deut­ schen Bund. Obwohl Schlesien dem Alten Reich bei seiner Auflösung nicht angehört hatte, handelte es sich für die preußische Bundestagsgesandtschaft eindeutig um ein „deutschnationales Land“, dessen „Ausscheidung“ von dem „ganz neu gearteten und nationell-deutschen Verein“ sowohl die „Masse ­denkender und urtheilender Bewohner“ als auch „das übrige Deutschland sehr befremden, vielleicht selbst beunruhigen würde“.127 König Friedrich Wilhelm III. verschloß sich diesen Argumenten nicht und ordnete die Ein­ beziehung Schlesiens mit der Grafschaft Glatz sowie des an Preußen abgetre­ tenen Teils der Lausitzen in den Bund an.128 In der preußischen Erklärung in der Bundesversammlung vom 4. Mai 1818 wurde dementsprechend hervor­ gehoben, daß sich der König „dem deutschen Staatenvereine mit allen denen deutschen Provinzen Ihrer Monarchie anschließen [wolle], welche ursprüng­ lich schon im Reichs-Verbande standen, und durch Sprache, Sitten und Ge­ setze, überhaupt durch Nationalität mit Deutschland verknüpft sind“.129 Der König von Dänemark war für das Herzogtum Holstein Mitglied des Deutschen Bundes und trat nach dem Erwerb des Herzogtums Lauenburg auch mit diesem Territorium dem Deutschen Bund bei.130 Hingegen gehörte das Herzogtum Schleswig nicht zum Deutschen Bund. Da der Ripener Ver­ trag von 1460 bestimmte, daß Schleswig und Holstein „bliwen ewig tosa­ mene ungedeelt“, führten dänische Versuche, Schleswig in das dänische Kö­ nigreich einzugliedern und damit die Aufspaltung der beiden Herzogtümer in ein dänisches und ein deutsches Herzogtum zu betreiben, wiederholt zu deutsch-dänischen Konflikten und schließlich 1864 zur Aufhebung der Per­ sonal­union.131 Hingegen behielt der niederländische König seinen Status als Großherzog von Luxemburg bis zum Untergang des Deutschen Bundes. Das Großherzog­ tum Luxemburg war auf dem Wiener Kongreß als Entschädigung für die ab­ getretenen deutschen Gebiete des Hauses Nassau-Oranien als Mitgliedsstaat des Deutschen Bundes gegründet worden, der in Form einer Personalunion mit dem Königreich der Vereinigten Niederlande verbunden war. Sein Status und seine Grenzen wurden von den europäischen Mächten in Artikel 67 und 127 Dok. 52, die Zitate S. 203 (HV i. O.). 128 Dok. 53. 129 Dok. 54, Zitat S. 206. 130 Vgl. Dok. 49 und Busch, Das Herzogtum Lauenburg unter der Herrschaft der Könige von Dänemark, S. 299−304. 131 Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 587 f.; Kotulla, Deutsches Verfas­ sungsrecht 1806−1918, Bd. 1, S. 50.

XXXIV

Einleitung

68 der Wiener Kongreßakte geregelt und darin zugleich die Stadt Luxemburg zum Sitz einer Bundesfestung bestimmt.132 Obwohl die Deutsche Bundesakte von „Deutschland“ sprach und damit das Modell des modernen Nationalstaats suggeriert wurde, blieben die Konti­ nuitäten zum vornationalen Gebilde des Heiligen Römischen Reichs Deut­ scher Nation deutlich. Preußen und Österreich traten, von Modifikationen ­abgesehen, nur mit Gebieten bei, die vormals zum Deutschen Reich gehört hatten. Hingegen gehörten Ost- und Westpreußen, Posen und das in Personal­ union mit der preußischen Krone verbundene Fürstentum Neuenburg in der Schweiz ebensowenig zum Deutschen Bund wie Ungarn und die österreichi­ schen Besitzungen in Norditalien, während umgekehrt Böhmen und Mähren mit ihrem hohen Anteil an tschechischer Bevölkerung dem Bundesterritorium inkorporiert waren. Trotz enger Rechtsbeziehungen zwischen Schleswig und Holstein und deren zusätzlicher Verbindung durch die beiderseitige Personal­ union mit dem dänischen König blieb Schleswig, das nicht zum Alten Reich gehört hatte, außerhalb des Bundes.133 (2) Organisation und Arbeitsweise der Deutschen Bundesversammlung Ihren Sitz hatte die Deutsche Bundesversammlung im Thurn und Taxis Palais in der Großen Eschenheimer Gasse, das die österreichische Regierung von Fürst Alexander von Thurn und Taxis angemietet hatte und das auch die Woh­ nung des österreichischen Bundespräsidialgesandten beherbergte. In diesem repräsentativen Gebäude waren nicht nur der Sitzungssaal, sondern auch die Kanzlei mit Registratur und Archiv, die Kasse und die Bibliothek des Bun­ destags untergebracht. Die 17 Mitglieder des Engeren Rats saßen um einem runden, grünbezogenen Tisch in folgender Reihenfolge: Links neben dem österreichischen Präsidialgesandten saß entsprechend der in Artikel 7 der Bundesakte festgelegten Rangordnung der preußische, dann der sächsische Gesandte bis hin zum Vertreter der 17. Kurie, der zur Rechten des Präsidial­ gesandten seinen Sitz nahm. Die Reihe der Bundestagsgesandten wurde nur in der Mitte unterbrochen durch den Direktor der Präsidialkanzlei, der gegen­ über dem österreichischen Gesandten seinen festen Platz hatte und das Proto­ koll führte. Diese Sitzordnung hatte einen hohen Symbolwert, da sie sowohl

132 Vgl. Acte du Congrès de Vienne du 9 Juin 1815, avec ses Annexes, S. 55−57; Huber, Deut­ sche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 587; Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 1, S. 50. 133 Vgl. Siemann, Vom Staatenbund zum Nationalstaat, S. 320−322; Huber, Deutsche Verfas­ sungsgeschichte, Bd. 1, S. 585−588.

2. Die Anfangsjahre des Deutschen Bundes im Überblick

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die Rangordnung als auch die rechtliche Gleichheit der Bundesmitglieder zum Ausdruck brachte.134 Über das Geschäftsverfahren der Bundesversammlung hatte die Bundesak­ te nichts bestimmt. Doch stand dem Bundestag das Recht zu, sich eine eigene Geschäftsordnung zu geben. Auf eine vorläufige Geschäftsordnung135 hatten sich die Bundestagsgesandten, wie bereits erwähnt, schon in der Präliminar­ konferenz vom 30. Oktober 1816 geeinigt. Diese wurde am 14. November 1816, „vorbehaltlich der sich im Verfolge der notwendig und nützlich darstel­ lenden Modificationen, bis zur Annahme einer förmlichen Bundesordnung“ durch einstimmigen Beschluß des Plenums angenommen. Auf Antrag des Präsidialgesandten Buol erging zwar noch am gleichen Tag im Engeren Rat der Beschluß, frühestens nach Ablauf von drei Monaten eine Abstimmung über eine definitive Bundestagsordnung zu beginnen136, doch blieb die vor­ läufige Geschäftsordnung bis zur Verabschiedung der revidierten Geschäfts­ ordnung vom 16. Juni 1854 in Kraft. Die vorläufige Geschäftsordnung enthielt Regelungen über Zeit, Ort und den Ablauf der ordentlichen Bundestagssitzungen, die Ordnung der Verhand­ lungsgegenstände, den Geschäftsgang und die Abstimmungsmodalitäten, die Protokollführung, Archivierung und Publikation der Verhandlungen und Be­ schlüsse der Deutschen Bundesversammlung. Diese zeichnete sich entgegen älteren Auffassungen137 durch ein „Höchstmaß an Elastizität aus und erlaubte in nahezu allen Verfahrensstadien einen bemerkenswerten Grad der Flexibili­ tät“, indem etwa ein jederzeitiger Wechsel zwischen förmlichen und vertrau­ lichen Sitzungen möglich war, informelle Vorabsprachen nicht protokolliert wurden und „sogar unverbindliche Probeabstimmungen“ statthaft waren. Da­ durch war es möglich, den Willensbildungsprozess schon vor der Instruk­ tionseinholung weit voranzutreiben. Konsensuale Lösungen wurden somit erleichtert, anstehende Entscheidungen konnten aber auch hinausgezögert werden. Dafür waren aber in erster Linie die Regierungen verantwortlich und nicht die Bundestagsgesandten. Von Sonderfällen abgesehen, mußte die Tages­ordnung nicht förmlich mitgeteilt werden und konnte auch nach Sit­ zungsbeginn jederzeit abgeändert werden. Das in der Bundesakte festgelegte Mehrheitsprinzip wurde zudem präzisiert: Stimmenthaltungen wirkten nun 134 Vgl. Moldenhauer, Aktenbestand und Geschäftsverfahren der Deutschen Bundesversamm­ lung, S. 45 f.; Lübbecke, Das Palais Thurn und Taxis zu Frankfurt am Main, S. 282 f. mit Abb. 141; sowie das Vorsatzblatt in diesem Band. 135 Dok. 65. 136 Vgl. ProtDBV 1816, 3. Sitzung vom 14. November 1816, § 12, S. 50−52, Zitat S. 51, sowie ProtDBV 1816, 2. Protokoll der 3. Sitzung vom 14. November 1816, § 2, S. 54. 137 Treitschke, Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert, T. 2, S. 147, spricht von ­einer „lächerlich schwerfällige[n] Geschäftsordnung“.

XXXVI

Einleitung

mehrheitsverstärkend. Auf Antrag des Bremer Bundestagsgesandten Johann Smidt war den kleineren Bundesstaaten außerdem zugebilligt worden, daß auch die turnusmäßig nicht stimmführenden Gesandten an den Sitzungen teil­ nehmen durften. Allen Bundestagsgesandten stand außerdem ein jederzeitiges Antragsrecht zu, und bei Abstimmungen mit zweifelhaftem Ausgang konnte der Präsidialgesandte deren Wiederholung anberaumen. Nicht zuletzt hatten die Gesandten das Recht, ihre Abstimmung nachträglich abzuändern. Die Vor­ läufige Geschäftsordnung brachte also keine „augenfällige ,machtrele­vante‘ Dominanz einzelner Mächte“ zum Ausdruck, sondern betonte vielmehr die rechtliche Gleichheit der Bundesglieder. Die in der Bundesversammlung be­ schlossenen Gesetze banden nur die Mitgliedsstaaten. Sollten auch deren Staatsbürger verpflichtet werden, bedurfte es einer entsprechenden Publikation der Bundesbeschlüsse auf Landesebene.138 Nach der Geschäftsordnung von 1816 sollten ordentliche Sitzungen jeden Montag und Donnerstag von 10 bis 13 Uhr stattfinden; seit 1819 kam der Bundestag dann nur noch einmal pro Woche, und zwar am Donnerstag, zusammen. Im Bedarfsfall konnten neben den ordentlichen auch außerordentliche Sitzungen anberaumt werden.139 Zu Beginn zählte der Deutsche Bund nach Ausweis der Bundesakte 38 Mit­ glieder, von denen jedes mindestens eine Stimme, die größeren Staaten wie Österreich und Preußen jedoch über mehrere verfügten. Das eigentliche Füh­ rungsgremium des Bundestags war allerdings nicht das Plenum, sondern der sogenannte „Engere Rat“. Zwar handelte es sich bei beiden Gremien um die­ selben Bundestagsgesandten, doch wurden diese in verschiedener Form tätig. Das Plenum war nur zuständig bei Kriegserklärungen, Friedensschlüssen und die Aufnahme von Bundesmitgliedern. Dort wurde lediglich über die im En­ geren Rat präparierten Vorlagen abgestimmt, während die eigentliche Arbeit im Engeren Rat stattfand. Dieses Gremium verfügte über 17 Stimmen, davon 11 Virilstimmen und 6 Kuriatstimmen. Seine Sitzungen waren teils förmlich, teils vertraulich. Die vertraulichen Sitzungen dienten dem „Zweck vorläufiger Erörterung und Austauschung der Ansichten“; sie waren „ohne amtliche Form und Wirkung“, und es wurde deshalb auch kein Protokoll geführt. Die Bun­ destagsgesandten hatten hier die Gelegenheit zur freien Aussprache, und ihre Äußerungen waren deshalb für spätere offizielle Abstimmungen nicht bindend. Beide Formen konnten innerhalb der nämlichen Session wechseln.140 138 Vgl. Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 1, die Zitate S. 62. 139 Vgl. Moldenhauer, Aktenbestand und Geschäftsverfahren der Deutschen Bundesversamm­ lung, S. 45 f.; Meisner, Die Protokolle des Deutschen Bundestages, S. 14. Eine Auflistung der tatsächlich abgehaltenen Sitzungen findet sich ebd. S. 22. 140 Vgl. Dok. 65, Zitat S. 250, sowie Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 1, S. 50.

2. Die Anfangsjahre des Deutschen Bundes im Überblick

XXXVII

Die Mitglieder der sechs Kuriatstimmen hatten sich schon vor der Konsti­ tuierung der Bundesversammlung auf die Modalitäten der Führung der ge­ meinsamen Stimme im Engeren Rat sowie im Plenum geeinigt. Das geschah zwischen dem 6. Oktober 1815 und dem 31. Oktober 1816 in Form freier vertraglicher Vereinbarungen.141 Diese erstreckten sich auf die Auswahl und Ernennung des gemeinschaftlichen Bundestagsgesandten und Legationsse­ kretärs, die Aufteilung der Gesandtschaftskosten, die Form der Berichterstat­ tung, die Bildung und Ablegung des Gesamtvotums in der Bundesversamm­ lung, die Einholung von Instruktionen bei den beteiligten Höfen und Verhaltensmaßregeln für den Fall, daß dies aus zeitlichen Gründen nicht möglich war. Außerdem wurden Vorkehrungen getroffen für den Fall von Pattsituationen sowie über die Abgabe von Sondervoten einzelner Kurienmit­ glieder. Der verbindlichen Stimmabgabe des Gesamtvotums der Kurie im Bundestag ging ein bisweilen langwieriger interner Abstimmungsprozeß vor­ aus, der im Grundsatz auf einer Mehrheitsentscheidung der eingegangenen Instruktionen der beteiligten Regierungen beruhte. Da die Zahl der Mitglieds­ staaten zwischen zwei und acht schwankte, kamen die Kurien jedoch zu un­ terschiedlichen Regelungen. Die 12. (sächsische Häuser), 14. (beide Meck­ lenburg), 15. (Holstein-Oldenburg, Anhalt, Schwarzburg) und die 16. Kurie (Hohenzollern, Liechtenstein, Reuß, Schaumburg-Lippe, Lippe, Waldeck) ei­ nigten sich auf die Anstellung eines permanenten gemeinschaftlichen Bun­ destagsgesandten, wobei Weimar die 12., Mecklenburg-Schwerin die 14. und Holstein-Oldenburg die 15. Gesamtstimme führte. Braunschweig und Nassau (13. Kurie) sowie die vier Freien Städte (17. Kurie) entschieden sich dagegen für die Bestellung eigener Bundestagsgesandter, die sich alle drei Monate in der Führung der Stimme abwechselten; im Verhinderungsfall übernahm in der Regel der anwesende Gesandte eines anderen Kurienmitglieds die Stimm­ führung ex substitutione. Bei den Städten wechselte auch der gemeinschaftli­ che Legationssekretär, da der Legationssekretär des stimmführenden Bundes­ tagsgesandten turnusmäßig diese Funktion versah. Nachdem sich dieser Modus als unpraktisch erwiesen hatte, gingen die Städte im Jahr 1819 zu­ nächst zu einem halbjährlichen Turnus über142, der dann ab 1829 auf ein Jahr verlängert wurde143. Damit waren die Vertreter der Städte nur noch zeitweilig

141 Vgl. Dok. 55, 56, 57, 58, 59 und 62. Zu den Kurienverträgen siehe allgemein Kaltenborn, Geschichte der Deutschen Bundesverhältnisse, Bd. 1, S. 295−299, und Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 1, S. 59. 142 Vgl. Protokoll der Konferenz der städtischen Bevollmächtigten, Frankfurt am Main, 14. September 1819, StA Hamburg, 132−5/5, I a 3. 143 Vgl. Loose, Hamburgs Bundestagsgesandter Johann Michael Gries, S. 73 f.

XXXVIII

Einleitung

präsent; allein der bis 1829 amtierende hamburgische Bundestagsgesandte Gries blieb beständig in Frankfurt. Die eigentliche Arbeit des Bundestages fand allerdings zwischen den Sit­ zungen statt. Und das war umfangmäßig in den ersten Jahren nicht gerade wenig, hatte doch die Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815 als das „erste Geschäft der Bundesversammlung nach ihrer Eröffnung […] die Abfassung der Grundgesetze des Bundes und dessen organische Einrichtung in Rück­ sicht auf seine auswärtigen, militärischen und inneren Verhältnisse“ zur Auf­ gabe gemacht.144 Das war nicht nur ein gewaltiges Arbeitspensum, sondern auch mit der Schwierigkeit verbunden, die widerstreitenden Vorstellungen und Interessen der Bundesstaaten unter einen Hut zu bringen. Zu den Kern­ aufgaben des Bundestags gehörte zudem die Bearbeitung von Eingaben und Beschwerden von Privatpersonen, Korporationen und gesellschaftlichen Gruppen, die seit Herbst 1816 in großer Zahl bei der Bundesversammlung eingingen. Sie betrafen einerseits Rechte und materielle Entschädigungen von Angehörigen gesellschaftlicher Gruppen (z. B. Standesherren und Reichs­ ritter, überrheinische Geistlichkeit, Mitglieder und Bedienstete ehemaliger Korporationen), die durch den Umwälzungsprozeß zu Beginn des 19. Jahr­ hunderts und den Untergang des Alten Reichs Verluste erlitten hatten. Anderer­seits gingen Schriften und Petitionen von Vertretern neuer Interessen­ gruppen ein, die eine Handlungsaufforderung an die Bundesversammlung insbesondere in Fragen von Handel und Verkehr, Freiheits- und Bürgerrech­ ten enthielten und deren Erledigung ein Indikator dafür war, inwieweit sich der Bundestag der Sorgen und Interessen von Teilen der Bevölkerung an­ nahm. Die Bundesversammlung entzog sich dieser Aufgabe nicht, sondern widmete ihr große Aufmerksamkeit. Angesichts dieses umfangreichen Arbeitsprogramms unterbreitete der österreichische Präsidialgesandte Graf Buol schon in seinem programmati­ schen Vortrag vom 11. November 1816 erste Vorschläge zur Organisation der Arbeit der Bundesversammlung. Buol ging davon aus, dass der Bundestag neben der Festsetzung des „äußern Organism des Bundes“ eine Vielzahl von Geschäften zu erledigen haben werde. Deshalb sei es zweckmäßig, viele Angelegen­heiten zunächst „einer Bearbeitung und Vorbereitung durch Aus­ schüsse zu übergeben“, ehe die eigentliche Beratung und Abstimmung im En­ geren Rat bzw. im Plenum der Bundesversammlung erfolge.145 Bereits in der nächsten Bundestagssitzung vom 14. November 1816 wurde dann eine erste Kommis­sion, die sogenannte Reklamations- oder Eingabenkommission, auf 144 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, Zitat S. 1512 (Artikel 10). 145 Dok. 100, Zitat S. 431.

2. Die Anfangsjahre des Deutschen Bundes im Überblick

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Antrag Buols146 und Vorschlag des hannoverschen Bundestagsgesandten ­Martens147 gebildet. Sie war eine ständige Einrichtung, deren Mitglieder je­ doch dreimal im Jahr erneuert wurden. Ihre Bestellung wie auch diejenige an­ derer Kommissionen erfolgte im Engeren Rat durch geheime Wahl per Stimm­ zettel. Je nach Auftrag erarbeitete die Kommission ein gemeinsames Gut­ achten, e­ inen Vortrag oder Bericht, denen in Einzelfällen Sondervoten einzel­ner ­Kommissionsmitglieder oder ein Gesetz- oder Verordnungsentwurf beigefügt werden konnten. Das Beratungsergebnis wurde dann von einem Kom­mis­ sionsmitglied im Engeren Rat vorgetragen und zu Protokoll genommen. Angesichts der Fülle von Eingaben148 mußte die Reklamationskommission grundsätzlich arbeitsteilig verfahren. Jedes Mitglied erhielt eine bestimmte Anzahl davon zur Bearbeitung zugewiesen, und das Ergebnis wurde vom je­ weiligen Berichterstatter im Engeren Rat vorgetragen und zu Protokoll gege­ ben. Da es häufig um komplizierte Rechtsfragen ging, war die Begutachtung teilweise sehr zeitaufwendig, wodurch personelle Ressourcen der Bundes­ versammlung in erheblichem Maße gebunden wurden. Ende 1817 wurden deshalb Überlegungen angestellt, wie man der Flut von Eingaben und Rekla­ mationen Herr werden könne. Da „jedem Deutschen der Weg an die Bundes­ versammlung jederzeit offen stehen“ müsse, viele Privatreklamationen jedoch in einer unangemessenen und unschicklichen Weise abgefasst und eingereicht würden, wurde eine Kommission gewählt, um zu prüfen, ob es nicht sinnvoll sei, Agenten zu bestellen, die für die Einhaltung der nötigen Formen Sorge zu tragen hätten. Die Kommission wog in ihrem Gutachten die Vor- und Nach­ teile einer solchen Einrichtung gegeneinander ab und unterbreitete Vorschlä­ ge sowohl über die Art und Weise der Einreichung von Vorstellungen an die Bundesversammlung als auch zum Wirkungskreis und den persönlichen Ver­ hältnissen der zu bestellenden Agenten. Zugleich wurden einige Frankfurter Juristen benannt, die zur Übernahme dieser Funktion bereit seien.149 Der Bundestag behandelte diese Angelegenheit allerdings nur in vertraulicher ­Sitzung und erließ lediglich allgemeine Richtlinien. Den Reklamanten blieb zwar freigestellt, sich dazu geeigneter und in Frankfurt bekannter Bevoll­ mächtigter zu bedienen, doch verzichtete man auf die Bestellung von Agen­ ten.150 146 Vgl. ProtDBV 1816, 3. Sitzung vom 14. November 1816, § 5, S. 55. 147 Dok. 66. 148 Vgl. die Übersicht in ProtDBV, 1817, S. 915−929 (1816: 113 Nummern im Einreichungs­ protokoll, 1817: 353 Nummern); ProtDBV 1818, S. 689−696 (191 Nummern); ProtDBV 1819, S. 729−736 (132 Nummern). 149 Vgl. Dok. 79, Zitat S. 312. 150 Vgl. Dok. 80.

XL

Einleitung

Nachdem eine größere Anzahl von Kommissionen gebildet worden war, wuchs das Bedürfnis, auch für diese eine Geschäftsordnung zu erlassen. Die mit der Begutachtung beauftragte Kommission legte innerhalb von drei Wochen ihr Gutachten151 nebst Entwurf einer Geschäftsordnung für die ­ Bundestags­kommissionen vor, der ohne große Diskussion am 29. April 1819 einstimmig angenommen wurde. Ziel dieser Geschäftsordnung152 war vor ­allem die Beschleunigung der Kommissionstätigkeit, die wegen Krankheit oder Abwesenheit einzelner Mitglieder des öfteren ins Stocken geriet. Ein­ geführt wurde deshalb die Wahl von Stellvertretern, die einsprangen, wenn ordentliche Kommissionsmitglieder verhindert waren, sowie die Erstellung von Übersichten über den Stand der Geschäftstätigkeit.153 Die Bundesversammlung war als „ständig[e]“ Einrichtung konzipiert, hatte aber die Befugnis, sich zu vertagen. Dieses Recht war in Artikel 7 der Bun­ desakte niedergelegt, eingeschränkt allerdings durch den Passus, daß eine Vertagung erst dann eintreten könne, „wenn die ihrer Berathung unterzogenen Gegenstände erlediget sind“. Allerdings sollte die Unterbrechung nicht länger als vier Monate dauern. Die nähere Regelung dieser Materie war der Bundesversammlung im Rahmen der Abfassung der organischen Gesetze übertragen.154 Österreich nahm diese Bestimmung der Bundesakte zum Anlaß und legte im März eine Punktation155 vor, deren Bestimmungen mit geringfü­ gigen Modifikationen durch Bundesbeschluß vom 26. Juni 1817156 proviso­ risch in Kraft gesetzt wurden bis zur Herstellung einer definitiven Bundes­ tagsordnung. Wenngleich die der Bundesversammlung zugewiesenen Ge­ genstände noch nicht erledigt waren, hielt man eine Vertagung für gerecht­fertigt, da sich viele Gesandte schon seit Ende 1815 in Frankfurt aufhielten. Um einen Stillstand der Geschäfte zu vermeiden, wurden das Präsidium und die Bundeskanzlei während der Zeit der Vertagung als „fortwährend im Amte“ angesehen. Neben dem Präsidialgesandten, der im Falle seiner Abwe­ senheit einen Kollegen als seinen Stellvertreter zu substituieren hatte, mußten zwei weitere Bundestagsgesandte in Frankfurt verbleiben. Diese drei sollten 151 Vgl. Dok. 82. 152 Vgl. Dok. 83. 153 Zu den Kommissionen der Bundesversammlung vgl. Klüber, Öffentliches Recht des Teut­ schen Bundes, § 152, S. 181−183; Kaltenborn, Geschichte der Deutschen Bundesverhältnis­ se, Bd. 1, S. 300 f.; Siemann, Wandel der Politik − Wandel der Staatsgewalt, S. 63 ff.; Trei­ chel, Die Kommissionen der Deutschen Bundesversammlung und ihre Zusammensetzung 1816−1820; Müller, Der Deutsche Bund und die ökonomische Nationsbildung, bes. S.  285 ff. 154 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, Zitat S. 1511 (Artikel 7). 155 Vgl. Dok. 75. 156 Vgl. Dok. 77, das nachfolgende Zitat S. 285.

2. Die Anfangsjahre des Deutschen Bundes im Überblick

XLI

sich gemeinsam einen Überblick über die Geschäftslage verschaffen, bei ­Gefahr im Verzug provisorische Maßregeln beschließen und notfalls eine ­vorzeitige Einberufung der Bundesversammlung anordnen. Bestehende Kom­ missionen konnten zudem ihre Tätigkeit fortsetzen, wenn ihre Mitglieder in Frankfurt geblieben waren. Zu den wichtigen Aufgaben der Bundesversammlung zählte schließlich die Organisation des Finanzwesens des Deutschen Bundes. Als erste Maßnahme war in der 6. Präliminarkonferenz die Zahlung einer einheitlichen Kanzlei­ pauschale in Höhe von 2000 Gulden für jede Viril- und Kuriatstimme im En­ geren Rat beschlossen worden, die immer dann erhoben wurde, wenn es die Bundesversammlung für nötig erachtete.157 Alle anderen Beiträge zu den Bundeskosten sollten dagegen nach einem die unterschiedlichen Größenver­ hältnisse berücksichtigenden Schlüssel umgelegt werden. Dabei wurde die Festlegung der jährlichen Geldzahlungen von Anfang an mit den Leistungen der Bundesstaaten zum Bundesmilitär verknüpft. Den Anstoß zur Regelung der Materie gab die österreichische Punktation vom 29. Mai 1817.158 Darin wurde in Anlehnung an die Heeresmatrikel des Alten Reichs eine Bundesma­ trikel vorgeschlagen, die sowohl ein Verzeichnis sämtlicher Bundesstaaten als auch die Matrikularanschläge zur „Erfüllung aller gemeinsamen Verpflichtun­ gen“ enthalten sollte. Der Beitrag zu den Gesamtlasten des Deutschen Bun­ des sollte sowohl die Stellung von Truppenkontingenten zum Bundesmilitär als auch „Geldbeiträge zu dessen sonstigen gemeinsamen Bedürfnissen“ um­ fassen und eine Umlegung des Gesamtbedarfs nach festzulegenden Quoten auf alle Bundesstaaten erfolgen. Als Berechnungsgrundlage wurden die Grö­ ße des zum Bund gehörigen Territoriums, die Bevölkerungszahl und die Höhe der Staatseinkünfte vorgeschlagen und zur Diskussion gestellt, ob diese drei Gesichtspunkte „einzeln oder vereint“ den Maßstab zur Festsetzung des zwei­ fachen Matrikular­anschlags bilden sollten. Aufgrund der Schwierigkeit, für alle Bundesstaaten genaue statistische Daten ermitteln zu können, schlug Österreich die Wahl einer Bundestagskommission zur Ausarbeitung einer Matrikel vor. Diese sollte ein Verzeichnis sämtlicher zum Deutschen Bund gehörenden Gebiete anlegen, auf der Basis der zur Verfügung stehenden sta­ tistischen Hilfsquellen „approximative Berechnungen“ anstellen und dann ­einen konkreten Vorschlag unterbreiten. Wegen der Unsicherheit der statisti­ schen Grundlagen sollte die solcherart erstellte Bundesmatrikel zunächst nur für eine Reihe von Jahren gelten. 157 Vgl. ProtDBV 1816, Registratur über die 6. Präliminarkonferenz vom 30. Oktober 1816, S. 13, und Klüber, Öffentliches Recht des Teutschen Bundes, § 136, S. 161−163; Kalten­ born, Geschichte der Deutschen Bundesverhältnisse, Bd. 1, S. 311 f. 158 Vgl. Dok. 76, die nachfolgenden Zitate S. 282 f. (HV i. O.).

XLII

Einleitung

Die nach kurzer Aussprache gewählte Kommission kam mit ihren Arbeiten zügig voran und legte bereits sechs Wochen später ihren Bericht vor. Die österreichischen Vorschläge wurden zwar als Leitfaden genommen, für die Berechnung der zu stellenden Mannschaften und der Geldleistungen aber al­ lein die Bevölkerungsgröße zugrunde gelegt, während die Staatseinkünfte nur bei erheblichen Abweichungen ergänzend berücksichtigt wurden. Wegen der Heterogenität der vorhandenen statistischen Hilfsmittel wurden unterschied­ liche Berechnungen angestellt und deren Ergebnisse in Tabellenform präsen­ tiert, die als Bezugsgröße von einem Matrikular­anschlag von 150 000 in der „einfachen Aufstellung“ ausgingen. Außerdem wurde eine doppelte Bearbei­ tung des Gegenstandes vorgenommen, da Österreich und Preußen ihre zum Bund gehörenden Staaten noch nicht benannt hatten. Unbeschadet dieser Er­ schwernisse legte die Kommission, sichtlich stolz auf ihre geleistete Arbeit, einen auf Durchschnittswerten basierten Vorschlag zu einer Bundesmatrikel vor, nicht ohne zu versichern, daß selbst bei noch einkommenden statisti­ schen Korrekturen seitens der Bundesstaaten „in keinem Falle sehr bedeu­ tende Abweichungen statt finden“ würden. Eine schleunige Erledigung dieses dringenden Gegenstandes wurde deshalb empfohlen und beide deutsche Großmächte aufgefordert, ihre zum Deutschen Bund gehörenden Staaten zu benennen.159 Da Österreich erst am 6. April 1818 und Preußen am 4. Mai 1818 ihre zum Deutschen Bund gehörenden Gebiete definitiv festlegten160, kam ein ­Beschluß über die vorläufige Matrikel des Deutschen Bundes erst mit zwölfmonatiger Verspätung zustande. Die von den Bundesstaaten mitgeteilten Bevölkerungs­ zahlen wichen, wie vorhergesagt, nur geringfügig von den Berechnungen der Kommission ab, doch wurde die Bundesmatrikel vom 20. August 1818161, wie beantragt, zunächst auf fünf Jahre provisorisch angenommen. Danach sollte auf dann gesicherter statistischer Grundlage eine definitive Matrikel festgesetzt werden. Somit existierten im Deutschen Bund drei verschiedene Kassen. Die Bundesmatrikularbeiträge flossen in die Bundesmatrikularkasse und für die Kriegszwecke in die Kriegskasse; daneben gab es noch, wie be­ reits erwähnt, eine separate Bundeskanzleikasse.162 159 Vgl. Dok. 78, die Zitate S. 289 u. 293. 160 Vgl. Dok. 51 und 54. 161 Vgl. Dok. 81. 162 Zur Bundesmatrikel und ihrer weiteren Entwicklung, die nur noch geringfügige Verände­ rungen brachte, siehe Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 1, S. 114−116; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 610 f.; Klüber, Öffentliches Recht des Teutschen Bundes, § 195, S. 252 f. u. § 198, S. 256 f.; Kaltenborn, Geschichte der Deut­ schen Bundesverhältnisse, Bd. 1, S. 312 ff.

2. Die Anfangsjahre des Deutschen Bundes im Überblick

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Während alle auf die Geschäftstätigkeit des Bundestags bezogenen Mate­ rien ohne größere Diskussionen und einvernehmlich geregelt wurden, gab es andere Bereiche, in denen die Bundesverfassung direkt tangiert war und ­bekannte Konfliktlinien wieder zum Vorschein kamen. Dazu gehörte der Wunsch Badens nach einer vierten Stimme im Plenum des Bundestags, der, zu Beginn der Präliminarkonferenzen vorgebracht, mit der Größe und Bevöl­ kerungszahl des Großherzogtums sowie den königlichen Ehren und Präroga­ tiven des Herrscherhauses begründet wurde.163 Preußen und Österreich lehn­ ten dieses Ansinnen rundweg ab. Der preußische Staatskanzler Hardenberg wies darauf hin, daß die bestehende Stimmenverteilung „mit vieler Mühe und mit sorgfältiger Ueberlegung“ getroffen worden sei und im Falle eines Nach­ gebens damit zu rechnen sei, daß auch andere Bundesmitglieder dann ähn­ liche Forderungen erheben würden.164 Metternich hielt eine solche Abände­ rung der Bundesakte sogleich nach der Eröffnung des Bundestags zudem für völlig unangemessen und wies darauf hin, daß Baden selbst es versäumt habe, seine Forderung auf dem Wiener Kongreß vorzubringen. Buol wurde deshalb angewiesen, Rücksprache mit dem preußischen und hannoverschen Gesand­ ten zu nehmen und den badischen Wunsch „in höflicher angemessener Art abzulehnen“.165 Baden sah daraufhin von einem offiziellen Antrag in der Bundesversammlung ab. Zu einer öffentlichen Auseinandersetzung kam es hingegen über die F ­ rage, ob den mediatisierten ehemaligen Reichsständen ein Stimmrecht im Plenum der Bundesversammlung eingeräumt werden solle. Vor allem Preußen hatte sich vor und während des Wiener Kongresses als Protektor der Mediatisierten profiliert und dem mediatisierten Adel unter anderem auch ein Stimmrecht in den Organen des Deutschen Bundes einräumen wollen. Das war nicht ohne Hintergedanken, hoffte Preußen damit doch den ehemaligen Reichsadel und die Standesherren gegen die süddeutschen Mittelstaaten in Stellung bringen und deren Souveränität von innen her aushöhlen zu können. Dies wurde durch den Widerspruch Bayerns, Hessen-Darmstadts und Holsteins jedoch vereitelt.166 Der als Absichtserklärung in Artikel 6 der Bundesakte gefundene Formelkompromiß167 hatte von vornherein kaum Aussicht auf ­Verwirklichung, da ein solcher Beschluß Einstimmigkeit erforderte und Bayern, Württemberg, 163 Dok. 60. 164 Vgl. Dok. 70, Zitat S. 268. 165 Vgl. Dok. 71, Zitat S. 270. 166 Vgl. QGDB I/1, Einleitung, S. CXXIX. 167 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511: „Ob den mediatisirten vormaligen Reichsständen auch einige Curiatstimmen in Pleno zugestanden werden sollen, wird die Bundes-Versammlung bey der Berathung der organischen Bundes-Gesetze in Erwägung nehmen.“

XLIV

Einleitung

Baden, Hessen-Darmstadt und Nassaus nicht geneigt waren, dem zuzustim­ men. Das hielt die Mediatisierten freilich nicht davon ab, mit diesbezüglichen Eingaben an die Bundesversammlung heranzutreten. Allerdings gelang es ih­ nen nicht, sich auf einen einheitlichen Forderungskatalog zu einigen und „in völliger Geschlossenheit“ aufzutreten.168 In einem Promemoria vom 1. No­ vember 1816 wurde im Namen von 36 mediatisierten Fürsten und Grafen eine bundeseinheitliche Bestimmung ihres Rechtszustandes gefordert und im Vertrauen auf „National-Gerechtig­keit und Ehre“ an die Bundesversammlung appelliert, die in Artikel 6 der Deutschen Bundesakte in Aussicht gestellte „Repräsentation bey derselben“ zu verwirklichen.169 Eine Eingabe der Häuser Hohenlohe, Castell und Limpurg-Speckfeld-Rechtern führte dann als zusätz­ liche Begründung noch an, daß mit „jenen Curiatstimmen“ zugleich die „Stimme der deutschen Völkerschaften zu der erhabenen Bundesversamm­ lung gelange“170, was im Klartext hieß, daß sich die Mediatisierten als legiti­ me Vertreter der Bewohner ihrer ehemaligen Herrschaftsgebiete sahen. Wie nicht anders zu erwarten, lehnte Württemberg das beantragte Stimm­ recht in der Bundesversammlung als eine „wahre Anomalie in Hinsicht auf den Bund selbst und auf die Verhältnisse der einzelnen Staaten“ kategorisch ab. Eine Repräsentation der Mediatisierten im Bundestag widerspreche dem Buchstaben und Geist der Bundesakte. Mitglieder des Bundes seien nur die „souverainen Fürsten und freien Städte Teutschlands“, so daß einzelne Unter­ tanen als „mitberathende und mitbeschliessende Theilnehmer“ an den Bun­ desgeschäften nicht denkbar seien. Außerdem beschwöre die Gewährung von Kuriatstimmen an die Mediatisierten „Gefahren für die innere Ordnung, Ruhe und Unabhängigkeit“ der Bundesstaaten herauf, da ihnen dann ein „bundes­ mässiger Weg offen“ stünde, die jeweiligen Bundesstaaten im Inneren zu ­destabilisieren. König Wilhelm I. von Württemberg kündigte deshalb die Ein­ legung seines Vetos an, womit der Antrag der Mediatisierten zum Scheitern verurteilt war.171 Den beiden deutschen Großmächten kam der Antrag der Mediatisierten eher ungelegen. Einer Gewährung von Kuriatstimmen an die mediatisierten ehemaligen Reichsstände waren beide zwar nicht abgeneigt und man hielt es sogar für möglich, daß es dafür eine Mehrheit im Bundestag gebe könne. Doch müsse ein günstigerer Augenblick abgewartet werden, da zur Zeit ein einstimmiger Beschluß im Plenum nicht erreichbar sei. Buol wurde von Met­ 168 Vgl. Gollwitzer, Die Standesherren, Zitat S. 120. 169 Vgl. Dok. 63, die Zitate S. 246. 170 Vgl. Dok. 68, Zitat S. 264. 171 Vgl. Dok. 67b, die Zitate S. 260 f.

2. Die Anfangsjahre des Deutschen Bundes im Überblick

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ternich deshalb angewiesen, die Bevollmächtigten der Mediatisierten diskret, und ohne selbst Position zu beziehen, von weiteren Aktivitäten in dieser Richtung abzuhalten172, während sein preußischer Kollege Goltz in dieser ­Sache vorerst nur zu sondieren versprach, in der Hoffnung, damit bei den süddeutschen Höfen auf die Erteilung „nachgiebigere[r] Instructionen“ hin­ wirken zu können.173 Da die entscheidenden Akteure die Angelegenheit ent­ weder dilatorisch behandelten oder das Gesuch rundweg ablehnten, nimmt es nicht Wunder, daß der mit der Begutachtung der Sache beauftragte hannover­ sche Vertreter Martens den Vorschlag unterbreitete, daß auf die beiden Einga­ ben „wohl für jetzt“ nichts anderes verfügt werden könne, als daß die beiden Reklamationen „vor der Hand noch zu reponiren seyen, bis nach der ­Geschäftsfolge der Hauptgegenstand, den sie beträfen, zur Sprache kommen werde“.174 Da sich sämtliche Bundestagsgesandte damit einverstanden erklär­ ten, war die Sache damit vorerst vom Tisch. Allein der Berichterstatter von Martens machte sich auf Anregung Metter­ nichs Gedanken über eine Kompromißlösung. In einem ausdrücklich als ­„Privat Arbeit“175 bezeichneten Aufsatz wies er auf die „schwach[e]“ Fassung des Artikels 6 der Bundesakte hin. Um die vorhersehbare Blockadehaltung Bayerns, Württembergs, Badens und Hessen-Darmstadts aufzulösen, schlug Martens die Gewährung eines Votum consultativum im Engeren Rat wie auch im Plenum des Bundestags vor. Damit wäre den Ansprüchen der Mediatisier­ ten auf Ebenbürtigkeit mit den regierenden Häusern und auf Mitwirkung an den Bundesangelegenheiten Rechnung getragen, ohne daß sie durch ihren Widerspruch die Tätigkeit der Bundesversammlung würden hemmen kön­ nen.176 Solche Gedankenspiele, von denen unklar ist, ob sie anderen Kollegen mitgeteilt wurden, fanden aber keine positive Resonanz, zumal Martens selbst eine Entscheidung zugunsten der Mediatisierten kurzfristig nicht für realisier­ bar hielt. Mit dem Bundestagsbeschluß vom 17. November 1817, die Bera­ tung der staatsrechtlichen Verhältnisse der Mediatisierten von jener über die „ihnen zu verleihenden Curiat-Stimmen“ in der Bundesversammlung zu tren­ nen177, wurde dann ein unübersehbares Signal gegeben, eine Entscheidung in dieser Sache auf unbestimmte Zeit zu vertagen. Obwohl auf dem Aachener Kongreß im November 1818 von seiten Österreichs, Preußens, Englands und Rußlands der Wunsch der Standesherren auf Bewilligung von Kuriatstimmen 172 Vgl. Dok. 64. 173 Vgl. Dok. 69, die Zitate S. 267. 174 Vgl. Dok. 72, die Zitate S. 271. 175 Vgl. Dok. 74a, Zitat S. 273. 176 Vgl. Dok. 74b, Zitat S. 274. 177 Vgl. ProtDBV 1817, 49. Sitzung vom 17. November 1817, § 388, S. 760.

XLVI

Einleitung

in der Bundesversammlung anerkannt wurde, blieb es doch in das Ermessen Österreichs und Preußens gestellt, die Sache wieder auf die Tagesordnung zu bringen. Die Aachener Absichtserklärung blieb deshalb folgenlos, obwohl die Angelegenheit von seiten einzelner Standesherren wieder zur Sprache ge­ bracht wurde.178 (3) Abstimmungsmodalitäten in der Deutschen Bundesversammlung Eine kontroverse Diskussion entwickelte sich im Jahr 1819 über die Abstim­ mungsmodalitäten in der Bundesversammlung. Auslöser war der Bundes­ beschluß vom 11. März 1819 über die Bildung des 8. und 9. Armeekorps179, wodurch die kurhessischen und hessen-darmstädtischen Bundestruppen un­ terschiedlichen Heeresabteilungen zugeordnet wurden. Beide Monarchen er­ klärten sich im Interesse der Eintracht des Bundes zwar bereit, diese Rege­ lung einstweilen bis zu einem endgültigen Beschluß über die Bundesmatrikel anzunehmen, erachteten es jedoch für dringend, baldmöglichst eine genaue Bestimmung darüber zu treffen, wann Stimmenmehrheit in der Bundesver­ sammlung entscheide, um einen ähnlich gelagerten Fall in Zukunft zu ver­ meiden.180 Ursache des Konflikts waren Unstimmigkeiten zwischen den Artikeln 6 und 7 der Deutschen Bundesakte. Über die Abfassung und Abänderung von Grundgesetzen des Bundes, über Beschlüsse, welche die Bundesakte selbst betrafen, sowie über organische Bundeseinrichtungen und gemeinnützige An­ ordnungen wurde im Plenum des Bundestags entschieden. Hingegen sollte über die Frage, in wiefern ein Gegenstand nach obiger Bestimmung vor das Plenum gehörte, im Engeren Rat entschieden werden. Die der Entscheidung des Plenums vorzulegenden Beschlußentwürfe sollten im Engeren Rat vor­ bereitet und bis zur Verwerfung oder Annahme gebracht werden. Sowohl im Engeren Rat als auch im Plenum wurden die Beschlüsse mit Stimmenmehr­ heit gefaßt, und zwar im Engeren Rat mit absoluter Mehrheit und im Plenum mit Zweidrittelmehrheit. Davon ausgenommen waren lediglich die Annahme oder Abänderung der Grundgesetze, organische Bundeseinrichtungen, jura singulorum oder Religionsangelegenheiten; hier konnte weder im Engeren 178 Vgl. Klüber, Öffentliches Recht des Teutschen Bundes, § 303, S. 465 f.; Kaltenborn, Ge­ schichte der deutschen Bundesverhältnisse, Bd. 1, S. 359 ff.; Gollwitzer, Die Standesherren, S. 120 ff.; Hilger, Die Verhandlungen des Frankfurter Bundestages über die Mediatisierten, erwähnt nur kurz die Entstehung des Artikels 6 DBA, während die Verhandlungen über die Gewährung von Kuriatstimmen an die Mediatisierten nach Eröffnung des Bundestags uner­ wähnt bleiben (ebd. S. 19 u. 22−45). 179 Vgl. ProtDBV 1819, 9. Sitzung vom 11. März 1819, § 31, S. 110 f. 180 Vgl. Dok. 84.

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Rat noch im Plenum ein Beschluß durch Stimmenmehrheit gefaßt werden, sondern es war Einstimmigkeit vorgeschrieben.181 Die Entscheidung über die Bildung der Armeekorps hatte deshalb die grundsätzliche Frage aufgeworfen, wie bei der Ausführung organischer Bundeseinrichtungen oder von Bundes­ gesetzen zu verfahren sei. War auch hier Einstimmigkeit erforderlich, konnte der Widerspruch bereits eines einzelnen Bundesmitglieds alles blockieren. Dem pragmatischen Vorschlag des österreichischen Präsidialgesandten in der Korpsfrage, daß bei Modalitäten zu organischen Einrichtungen die Majorität entscheiden solle182, wurde von preußischer Seite heftig widersprochen und davor gewarnt, diesen Grundsatz formell auszusprechen und zu beschlie­ ßen183. Die Hoffnung, daß nach dem erfolgten Beitritt Kurhessens zum Mehrheits­ beschluß über die Bildung der Armeekorps die Erörterung dieser Frage vor­ erst ausgesetzt bleiben könne, sollte sich freilich nicht erfüllen, ging es doch um ein grundsätzliches Problem, das für die Arbeitsfähigkeit der Bundesver­ sammlung von eminenter Bedeutung war. In einer Weisung des preußischen Außenministers Bernstorff an den Bundestagsgesandten Goltz wurde klar­ gestellt, daß die Entscheidung der Frage, in welchen Fällen bei organischen Einrichtungen die Mehrheit entscheiden solle, keine Aufhebung des Einhel­ ligkeitsgebots des Artikels 7 der Bundesakte bedeute. Trotz der S ­ chwierigkeit, allgemeine Grundsätze aufzustellen, hielt Bernstorff es doch für möglich, sich über folgende Punkte zu verständigen: 1. Jede organische Einrichtung erfordere Mittel und Wege, wie die Idee am besten auszuführen sei. 2. Ein­ richtungen, welche der Idee nach von der Bundesakte vorgeschrieben sind oder über die man sich im allgemeinen schon einmütig geeinigt habe, könn­ ten nicht von den Bedenken einzelner Bundesglieder abhängig gemacht wer­ den. 3. Bleibe bei der Entwicklung und Ausführung einer organischen Ein­ richtung nur ein einzelner Vorschlag übrig, müsse der dissentierende Staat seinen Widerspruch aufgeben. Hätten beide Hessen sich dem Mehrheitsbe­ schluß nicht gebeugt, hätten sie den Beschluß über die „Gesammtheit der Kriegsmacht des Bundes“ und die Einteilung der Bundesarmee in Korps184 außer Wirksamkeit gesetzt, was bei einem verfassungsmäßigen Beschluß nicht geschehen dürfe.185 Bernstorffs Lösung des Problems lag also darin, 181 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1510 f. 182 Vgl. ProtDBV 1819, 9. Sitzung vom 11. März 1819, § 31, S. 110. 183 Vgl. Dok. 85. 184 Vgl. Bundesbeschluß über die Militärverhältnisse des Deutschen Bundes, Frankfurt am Main, 9. April 1818, ProtDBV 1818, 16. Sitzung vom 9. April 1818, § 84, S. 219−221, hier S. 220. 185 Vgl. Dok. 86.

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daß sich bei Ausführungsbestimmungen die Minderheit der Mehrheit beugen müsse. Der österreichische Präsidialgesandte Buol griff diesen Vorschlag Bernstorffs auf, wollte den Verfechtern des Einhelligkeitsgebots aber entgegenkommen und schlug deshalb in allen Fragen, wo es um die Feststellung von Modali­ täten organischer Bundeseinrichtungen gehe, eine Zweidrittelmehrheit im ­Engeren Rat der Bundesversammlung als ausreichend vor. Eine solche „ver­ stärkte Mehrheit“ sei dem „Geiste der Bundesacte“ nicht nur „analoger“, sondern trage auch zum „Gedeihen des Bundesverfassung“ bei, während ein generelles Festhalten an der Stimmeneinhelligkeit bei der Beschließung orga­ nischer Einrichtungen „gegen die Erfüllung der Bundesacte“ gerichtet sei. Deshalb gelte es eine „subsidiäre Basis aufzufinden“, um zur „Feststellung jener organischen Einrichtungen“ zu gelangen, welche „uns ausdrücklich vor­ geschrieben ist“.186 Buol sprach damit offen aus, daß die Abstimmungsmoda­ litäten entsprechend dem Geist der Bundesakte modifiziert werden müßten, damit die Zwecke des Deutschen Bundes erreicht werden konnten. Den entscheidenden Schritt in diese Richtung tat dann allerdings der badi­ sche Vertreter. Er wies im Bundestag darauf hin, daß in Artikel 7 der Bundes­ akte sowohl im Engeren Rat als auch im Plenum „die Stimmenmehrheit als entscheidende Norm für die von der Bundesversammlung zu fassenden ­Beschlüsse“ bestimmt werde, und nur aus „zarter Schonung“, um Eingriffe in die inneren Administrationsangelegenheiten der souveränen Bundesstaaten zu verhindern, weiche man in einigen Fällen (Abänderung von Grundgesetzen, organischen Einrichtungen, jura singulorum, Religionsangelegenheiten) da­ von ab. Um zu verhindern, daß diese Ausnahmen von der Regel als „Vor­ wand, zur Behinderung der wohlthätigsten Einrichtungen“ im Deutschen Bund benutzt werden könnten, schlug Baden die Wahl einer Kommission zur Begutachtung der Frage, wann Stimmenmehrheit in der Bundesversammlung entscheide, vor.187 Der gewählten Kommission (Buol, Goltz, Eyben, Plessen, Berg), die ausnahmslos aus Befürwortern eines inneren Ausbaus des Bundes bestand, wurde die Klärung der Frage aufgegeben, „wie diejenigen Gegen­ stände, worüber nach dem Artikel 7 der Bundes­acte (als Ausnahme von der sonstigen Regel) ein Beschluß durch Stimmenmehrheit nicht gefaßt werden kann, in Ermangelung der Stimmen-Einhelligkeit erledigt werden sollen“. Zugleich sollte sie die zentralen Begriffe (Grundgesetze, organische Einrich­ tungen, jura singulorum) erörtern.188

186 Vgl. Dok. 87, die Zitate S. 348. 187 Vgl. Dok. 88, die Zitate S. 349. 188 Vgl. ProtDBV 1819, 21. Sitzung vom 14. Juni 1819, § 115, S. 374 f., Zitat S. 375.

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Daraufhin setzte ein intensiver Gedankenaustausch ein, der auch darin zu Ausdruck kam, daß drei von fünf Kommissionsmitgliedern zunächst schriftli­ che Vorträge189 ausarbeiteten, die sowohl an die jeweiligen Regierungen übersandt wurden als auch im Kreis der Kommissionsmitglieder zirkulier­ ten.190 Unbeschadet aller Unterschiede im Detail tendierten die Kommissi­ onsmitglieder zu einer Stärkung des Prinzips der Stimmenmehrheit, um damit zugleich die Arbeits- und Beschlußfähigkeit der Bundesversammlung zu er­ höhen. Das lag auch an der Zusammensetzung der Kommission, in die be­ merkenswerterweise kein Vertreter der süddeutschen Mittelstaaten, die für alle wichtigen Materien das Einhelligkeitsprinzip reklamierten, hineingewählt worden war. Der dänisch-holsteinische Bundestagsgesandte Eyben hob die Widersprüchlichkeit der Bundesakte hervor, die sich „aus der Vergleichung des 6ten Artikels derselben mit dem 7ten unleugbar“ ergebe. Deshalb müßten die vorhandenen Lücken ausgefüllt und Widersprüche beseitigt werden, „wenn der Bund gedeihen und nicht vielmehr seiner Auflösung entgegenge­ führt werden soll“. Die Bundesversammlung sei dafür das geeignete Organ, um das „Interesse der Gesammtheit mit dem der einzelnen Regierungen in Uebereinstimmung“ zu bringen. Bei der Bestimmung der Grundsätze über die Einstimmigkeit müßten neben „staatsrechtlichen Grundsätzen auch politi­ sche Rücksichten eintreten“.191 Am Ende seiner Überlegungen kam Eyben zu dem Schluß, daß der überwiegende Teil der organischen Einrichtungen durch Stimmenmehrheit entschieden werden könne, wodurch die institutionelle Fortbildung des Deutschen Bundes deutlich erleichtert worden wäre.192 Der mecklenburgische Bundestagsgesandte Plessen schloß sich der Analy­ se Eybens hinsichtlich der Artikel 6 und 7 der Bundesakte an, hielt jedoch eine strenge begriffliche Unterscheidung von Grundgesetzen und organischen Einrichtungen für entbehrlich, da beide zu den Ausnahmen gehörten, bei denen Stimmeneinhelligkeit erforderlich war. Um zu verhindern, daß der ­ Bundestag daran gehindert werde, in den „nöthigen und nützlichen Einrich­ tungen zur Ausbildung der gemeinsamen Verbindung fortzuschreiten“, gebe es ­prinzipiell zwei Wege: 1. Die Mehrheit befolgt diejenigen Gesetze und Ein­richtungen, für deren Annahme sie im Plenum gestimmt hat, während die Minderheit dazu aufgefordert werde, die zur Erfüllung der Bundeszwecke notwendigen Einrichtungen zu akzeptieren. 2. Durch provisorische Beschlüs­ se mit bloßer Stimmenmehrheit, die solange in Kraft bleiben, bis eine defini­ tive Entscheidung einstimmig getroffen wird. Im Falle schon bestehender 189 Vgl. Dok. 89b, 92b und 94. 190 Vgl. Dok. 92a und 92b. 191 Vgl. Dok. 89a, die Zitate S. 351−353. 192 Vgl. Dok. 89b.

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Grundgesetze und organischer Einrichtungen des Bundes könnten Abände­ rungen gemäß Artikel 7 allerdings nicht mit bloßer Stimmenmehrheit erfol­ gen. Langfristiges Ziel war jedoch eine nähere Bestimmung der Abstim­ mungsmodalitäten, die mit dem Inhalt und Sinn der Bundesakte sowie dem Bestand und der Erhaltung des Bundes vereinbar wäre.193 Der preußische Vertreter Goltz lehnte den österreichischen Vorschlag, daß über die Ausführung organischer Bundeseinrichtungen im Engeren Rat der Bundesversammlung mit Zweidrittelmehrheit entschieden werden solle, grundsätzlich ab, weil das Einhelligkeitsgebot der Bundesakte ausgehebelt werde, wenn jede Ausführungsfrage von Anfang an als Modalität betrachtet und darüber mit Stimmenmehrheit entschieden werden müsse. Goltz forderte deshalb eine verfassungsrechtlich korrekte Lösung, die der „Bundes-Akte als Supplement“ beigefügt werden müsse, um eine Verzögerung oder gänzliche Vereitelung organischer Einrichtungen zu vermeiden. Notwendig sei vor ­allem eine Unterscheidung zwischen den Grundzügen und den Ausführungs­ bestimmungen. Bei Aufstellung der Grundidee oder der Grundzüge einer ­auszuführenden organischen Einrichtung müsse das Einstimmigkeitsprinzip gelten, während über die fernere Ausbildung oder das Ausführungsdetail mit einer verstärkten Mehrheit (mindestens 12:5, höchstens 14:3) entschieden werden könne.194 Während die Intentionen der Kommissionsmitglieder auf einen inneren Ausbau des Deutschen Bundes abzielten und diese dabei an eine freiheitliche Ordnung dachten, hatte man in Wien bereits andere Ziele vor Augen. In einer Weisung an Buol sprach sich Metternich im allgemeinen für die Anwendung des Prinzips der Stimmenmehrheit in der Bundesversammlung aus. Unter dem Eindruck der Ermordung Karl August von Kotzebues durch den Bur­ schenschafter Karl Ludwig Sand (23. März 1819) stehend, versuchte der österreichische Außenminister zugleich den Präsidialgesandten auf die Wah­ rung des monarchischen Prinzips am Bundestag einzuschwören, da sich der „Demokratism“ im gesellschaft­lich-politi­schen Leben mit „gesteigerter Reg­ samkeit“ zeige und in den Ständeversammlungen der Bundesstaaten einen großen Spielraum finde. Da nicht alle deutschen Regierungen darauf ange­ messen reagierten, könne dieser Geist leicht auf die Bundesbeschlüsse ein­ wirken, wenn die Minorität die Mehrheit lähmen möchte. Metternich empfahl daher, das Prinzip der Stimmenmehrheit als eines der kräftigsten Mittel gegen alle Gefahren von innen und außen einzusetzen.195 Buol stimmte dem inso­ fern zu, als die Aufrechterhaltung des monarchischen Prinzips die Wegräu­ 193 Vgl. Dok. 94, Zitat S. 383. 194 Vgl. Dok. 91, Zitat S. 365. 195 Vgl. Dok. 93, die Zitate S. 377.

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mung des durch Bayern in die Bundesakte gelangten Einhelligkeitsgebots er­ fordere. Dem Präsidialgesandten ging es jedoch zunächst vordringlich darum, daß der Bundestag seinem sinkenden Ansehen, wichtige Gegenstände immer noch nicht erledigt zu haben, entgegenwirke.196 Die Bundestagskommission machte sich in ihrem Gutachten vor allem die Vorschläge Plessens und von der Goltz’ zu eigen. Bei der Annahme von Grundgesetzen im engeren Sinne sowie der Schaffung organischer Bundes­ einrichtungen sollte Stimmeneinhelligkeit erforderlich sein, während in allen Fällen, in denen es um die Anwendung, Vollziehung und praktische Entwick­ lung bestehender Grundsätze und organischer Bundeseinrichtungen gehe, eine Entscheidung mit Stimmenmehrheit stattfinden sollte. Damit die Bundes­ versammlung nicht durch Einwendungen und Widersprüche einzelner an der Erfüllung der Bundeszwecke und der organischen Fortbildung des Bundes gehindert werde, empfahl die Kommission zudem die Anwendung des Kom­ petenzprovisoriums vom 12. Juni 1817197 auf die Regelung der Abstimmungs­ modalitäten. Demzufolge sollten provisorische Einrichtungen durch Mehr­ heitsbeschlüsse geschaffen werden, die so lange in Kraft bleiben würden, bis über die Abfassung von Grundgesetzen und definitiven organischen Einrich­ tungen Einvernehmen erzielt worden sei. Dieses provisorische Verfahren habe sich bereits bei der Bestimmung der Kompetenzen der Bundesversamm­ lung als nützlich erwiesen. Abschließend sprach die Kommission noch zwei konkrete Empfehlungen aus: für organische Bundeseinrichtungen sollte, da sie Folge bestehender Grundgesetze waren, grundsätzlich eine definitive Ent­ scheidung durch Zweidrittelmehrheit festgesetzt werden; zweitens sollte das vorliegende Gutachten unter Vorbehalt noch zu beschließender Modifikatio­ nen als Provisorium in Anwendung gebracht werden.198 Die württembergische Bundestagsgesandtschaft hatte frühzeitig Kenntnis von der Absicht Buols erhalten, wie in der Kompetenzfrage eine provisori­ sche Regelung „ohne Mitwirkung der Höfe“ anzustreben.199 Außerdem waren ihr die Voten Plessens und von der Goltz’ zugespielt worden. An dem Kom­ missionsgutachten übte der Gesandte Wangenheim harsche Kritik. „Es ist eine trostlose Aussicht in die Zukunft, Gegenstände von solcher Wichtigkeit so oberflächlich, widersprechend, und, was mir das schlimmste scheint, so ohne allen rechtlichen und sittlichen Takt, behandelt zu sehen.“ Es sei die er­ klärte Absicht Buols, wichtige Fragen durch Stimmenmehrheit gültig ent­ scheiden zu lassen, und viele Bundestagsgesandte hätten diesem Druck nach­ 196 Vgl. Dok. 96. 197 Vgl. Dok. 121 und unten S. LXII f. 198 Vgl. Dok. 97. 199 Vgl. Dok. 95, Zitat S. 388 f.

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gegeben. Widerstand gegen das beabsichtigte Provisorium leiste vor allem Aretin, der erklärt habe, mangels Instruktion nicht zustimmen zu können.200 Wangenheim selbst lehnte die Annahme des Kommissionsgutachten als Pro­ visorium ab und kritisierte, daß die selbstgestellte Aufgabe, durch genaue Be­ griffsbestimmung Unsicherheiten bei der Anwendung des Artikels 7 der Bun­ desakte vorzubeugen, nicht eingelöst worden sei; außerdem bleibe unklar, wie unterschiedliche Ansichten im Falle der Nichtvereinigung rechtlich ge­ schlichtet werden könnten. Konkret gab er zu bedenken, daß jede organische Einrichtung ein Grundgesetz voraussetze, das ebenso wie Konflikte zwischen zwei Gesetzesstellen − gemeint sind Artikel 6 und 7 der Bundesakte − durch die Gesetzgebung, und damit durch einen einhelligen Beschluß, aufgehoben werden müsse.201 In der Sitzung der Bundesversammlung vom 29. Juli 1819 kam es über diesen Gegenstand jedoch zu keiner inhaltlichen Auseinandersetzung, auch weil Aretin und Wangenheim sich auf die Abgabe kurzer Erklärungen be­ schränkten.202 Entsprechend dem Antrag der Kommission erging ein Mehr­ heitsbeschluß203, wonach die in dem erstatteten Kommissionsgutachten zur näheren Bestimmung, Erläuterung und Ergänzung der Artikel 6 und 7 der Deutschen Bundesakte gemachten Anträge und Vorschläge den Regierungen vorzulegen sind, um über deren Annahme wie Abänderungen und Zusätze bei Wiedereröffnung des Bundestages abstimmen zu können. In der Zwischenzeit sollte in etwa vorkommenden Fällen nach Anleitung der im Kommissionsgut­ achten niedergelegten Bestimmungen verfahren werden. Eine Debatte in der Bundesversammlung fand dann allerdings nicht mehr statt, vielmehr wurde die Angelegenheit auf den Wiener Ministerialkonferenzen 1819/20 zur ­Sprache gebracht und die Materie in den Artikeln 11 bis 15 der Wiener Schlußakte204 geregelt. (4) Aufgaben und Kompetenzen der Deutschen Bundesversammlung Zu den zentralen Fragen der Bundesverfassung gehörte die nach den Kom­ petenzen des Deutschen Bundes. Die unter großem Zeitdruck entstandene ­Deutsche Bundesakte enthielt keinen „abschließenden Kompetenzkatalog“205, 200 Vgl. Dok. 98a, Zitat S. 406. 201 Vgl. Dok. 98b. 202 Vgl. ProtDBV 1819, 27. Sitzung vom 29. Juli 1819, § 155, S. 466−476, hier S. 475 f. 203 Vgl. Dok. 99. 204 Vgl. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 91−100, hier S. 92 f. 205 Vgl. Kotulla, Deutsche Verfassungsgeschichte, Zitat S. 338.

2. Die Anfangsjahre des Deutschen Bundes im Überblick

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sondern in Artikel 2 lediglich eine Umschreibung des Bundeszwecks: „Erhal­ tung der äussern und inneren Sicherheit Deutschlands und der Unabhängig­ keit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten“.206 Der Bundes­ versammlung als dem beständigen Organ des Bundes war deshalb aufgegeben, den vorgegebenen staatenbündischen Rahmen auszufüllen. Artikel 10 der Bundesakte bestimmte als das erste Geschäft des Bundestags nach seiner Er­ öffnung „die Abfassung der Grundgesetze des Bundes und dessen organische Einrichtung in Rücksicht auf seine auswärtigen, militärischen und inneren Verhältnisse“207, und Artikel 6 erwähnte „gemeinnützige Anordnungen son­ stiger Art“208. In ihrem zweiten Teil enthielt die Bundesakte zudem einzelne Bestimmungen (Artikel 12 und 13)209, die die innere Struktur der Mitglieds­ staaten betrafen und zum Anknüpfungspunkt für die Entwicklung rechtsstaat­ licher und freiheitlicher Verfassungsverhältnisse auf der Ebene der Bundes­ staaten werden konnten. Außerdem wurden gewisse Rechte und materielle Entschädigungen von Angehörigen gesellschaftlicher Gruppen, die durch den Umwälzungsprozeß zu Beginn des 19. Jahrhunderts Verluste er­lit­ten hatten, neu geregelt oder ältere Abmachungen bestätigt (Artikel 14, 15 und 17)210. Schließlich kamen noch programmatische Absichtserklärungen hinzu (Artikel 16, 18 und 19)211, die den Rahmen einer möglichen Innenpolitik des Bundes und damit einer allmäh­lichen Ausbildung bundesstaatlicher Strukturen umris­ sen, zielten sie doch auf Rechtsvereinheitlichung und wirtschaftliche Integra­ tion. Daß es hier zu keinen inhaltlichen Präzisierungen gekommen war, lag an den unterschiedlichen Interessen der Signatarstaaten der Deutschen Bun­ desakte, die mit solchen Generalklauseln immerhin die Richtung der zukünf­ tigen Entwicklung offengehalten hatten. Seinem Charakter nach war der Deutsche Bund ein Staatenbund mit bundesstaatlichen Elementen212, dessen Staatlichkeit bei seiner Gründung aber nur rudimentär entwickelt war. Da die Gründer des Bundes eine Fortentwicklung der Bundesverfassung und einen institutionellen Ausbau des Deutschen Bundes vorsahen, war eine evolutionä­ 206 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, Zitat S. 1508. 207 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, Zitat S. 1512. 208 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, Zitat S. 1510. 209 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513. 210 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513−1516. 211 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1515−1519. 212 Zu dieser Formel, wenn auch mit unterschiedlicher Gewichtung, vgl. allgemein Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 663–666; Röper, Die Verfassung des Deutschen Bundes, S. 648–668; Koselleck, Art. „Bund, Bündnis, Föderalismus, Bundesstaat“, in: Ge­ schichtliche Grundbegriffe, Bd. 1, S. 582–671, bes. S. 649–659; Siemann, Vom Staatenbund zum Nationalstaat, S. 324–326; Gruner, Die deutschen Einzelstaaten und der Deutsche Bund, S. 25.

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re Entwicklung in bundesstaatlicher Richtung nicht von vornherein aus­ geschlossen. Das darin angelegte Spannungsverhältnis sollte für die ganze Geschichte des Deutschen Bundes bestimmend werden.213 In seinem programmatischen Vortrag in der zweiten Sitzung des Bundes­ tags knüpfte der Präsidialgesandte Buol an seine Eröffnungsrede an, setzte aber deutlich andere Akzente. Der Deutsche Bund sei von den Fürsten Deutschlands in „Ahnung des lauten National-Verlan­gens“ geschlossen wor­ den. „Ganz Deutschland“ blicke deshalb „mit gespannter Erwartung“ auf die Bundesversammlung in Frankfurt, der von den Bundesstiftern aufgegeben worden sei, „das Gebäude des großen National-Bundes [zu] vollenden“. Während in der von Metternich autorisierten Rede in warnendem Unterton auf Grenzen der Bundesentwicklung hingewiesen worden war, gab Buol ein Bekenntnis zu einer stärkeren nationalen Integration des Bundes ab. Der Umfang der Geschäftstätigkeit der Bundesversammlung ergebe sich zwar ­ ­zunächst aus den in der Bundesakte angeführten Materien, doch könne eine Erweiterung dieses Aufgabenkatalogs, der von Buol ausführlich umrissen wurde, in der Zukunft nicht ausgeschlossen werden. Bei der organischen Ein­ richtung des Bundes und den anderen Materien werde man den „gerechte[n] Erwartung[en] der öffentlichen Meinung“ huldigen und danach streben, daß die „Bewohner der verschiedenen souverainen deutschen Staaten in nationel­ ler Hinsicht sich näher“ gebracht würden. Als „Hauptgesetz“ der öffentlichen Bestimmung des Bundestages wurde folglich eine doppelte Aufgabe skiz­ ziert: das „Wohl und den Glanz des deutschen Bundes“ wie auch das „indivi­ duelle Beste der Deutschen“ zu befördern. Die Bundesversammlung solle sich dabei keinesfalls von „bloßen Abstractionen“ leiten lassen, sondern mit „patriotischer Bereitwilligkeit die Vorschläge und Wünsche in Erwägung zie­ hen“, die sich aus veränderten Verhältnissen ergäben.214 Buols Plädoyer für einen national grundierten inneren Ausbau des Deut­ schen Bundes im Einklang mit den sich wandelnden politischen und gesell­ schaftlichen Bedürfnissen löste vor allem bei den Vertretern der norddeut­ schen Kleinstaaten eine Hochstimmung aus. Der Lübecker Hach unterstützte eine zügige Beratung der „organischen Einrichtungen“ und „Grundgesetze des Bundes in Betreff der innern Verhältnisse Deutschlands“, um „diejenigen Lücken auszufüllen“, welche durch den „Drang der Umstände in Wien“ üb­ riggeblieben waren. Essentiell sei vor allem eine „vollkommene Sicherung“ des Rechtszustandes der „deutschen Völker“, da die Deutschen, so seine 213 Vgl. dazu allgemein Siemann, Vom Staatenbund zum Nationalstaat, S. 322 ff.; Müller, Der Deutsche Bund 1815−1866; ders., Deutscher Bund und deutsche Nation; Gruner, Der Deut­ sche Bund 1815−1816. 214 Vgl. Dok. 100, die Zitate S. 424 f. u. 427−431.

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­ rophezeiung, zum Bund „kein Herz und kein Vertrauen fassen“ würden, P ­solange dessen „innere Verfassung“ ihnen keine Rechtssicherheit gewähre.215 Danach könne mit gemeinnützigen Anordnungen (gleichförmiges Gesetz­ buch, gleiches Maß und Gewicht, gleicher Münzfuß) fortgefahren werden216, ein Vorschlag Hachs, den der Bundestag wohlwollend zur Kenntnis nahm217. „Unläugbar gewinnt Deutschland in dem Maaße, in welchem der Bund sich einem Gemeinwesen unabhängiger Staaten nähert“. Die freien Städte hätten folglich dahin zu wirken, „daß die Deutschen überhaupt als eine Nation er­ scheinen, und aus der Verbindung der einzelnen Staaten unbeschadet der In­ dividualität und Selbstständigkeit derselben den möglichst größten Vortheil“ zögen.218 Der Bremer Senator Johann Smidt stimmte der Auffassung Hachs zu, daß die Bundesakte „noch kein abgeschlossenes Ganzes“, ja „noch nicht einmal ein erster vollständiger Abriß der zur Erreichung des angegebenen Bundeszweckes vorzunehmender Arbeiten“ sei, sondern vielmehr einem un­ geordneten „Inventario verzeichnete[r] Materialien“ gleiche.219 Wenn der Kaiser von Österreich die „Wieder-Vereinigung der teutschen Nation“ als ei­ nen Hauptzweck des Bundes erkenne, dann berechtigte das nach Ansicht des oldenburgischen Bundestagsgesandten Berg zu „höhere[n] Erwartungen“. Ob der Bund ein Bundesstaat oder ein Staatenbund sei, hielt Berg ebenso wie Hach für eine „metaphysische Frage, deren Beantwortung schwerlich große Früchte tragen wird“. Letztlich werde alles „mehr von der Praxis als von der Theorie“ abhängen. Der Bundestag solle sich aber davor hüten, allzu große Erwartungen in der Öffentlichkeit zu wecken.220 Während bei einigen Kleinstaatenvertretern eine Art Überbietungswettbe­ werb ausgebrochen zu sein schien, mahnte der Hannoveraner Martens zu Augen­maß und Mäßigung. Die Kompetenz der Bundesversammlung müsse nach Anleitung der Bundesakte durch organische Gesetze festgesetzt werden. Dabei werde man zwar nicht bei dem stehenbleiben können, was die Bundes­ akte wörtlich bezeichne, doch könne dem Bundestag nicht alles das beigelegt werden, was sich aus dem Begriff eines Bundesstaats folgern ließe. Der Deut­ sche Bund sei ein Staatenbund, dessen Zwecke und Attribute eine weitere Entwicklung erforderten, die der Bundesversammlung unter Zustimmung der Höfe überlassen sei. Martens hielt eine schrittweise Entwicklung auf der

215 Vgl. Dok. 105, die Zitate S. 454 f. 216 Vgl. Dok. 111. 217 Vgl. Dok. 112. 218 Vgl. Dok. 107, die Zitate S. 459 (HV i. O.). 219 Vgl. Dok. 108, die Zitate S. 466. 220 Vgl. Dok. 102, die Zitate S. 439 f. (HV i. O.).

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­ asis konkreter Herausforderungen anstelle einer theoretischen Festlegung B des gesamten Umfangs der Befugnisse des Bundes für angebracht.221 Ganz reserviert reagierte allein der bayerische Bundestagsgesandte Fried­ rich Ignaz Freiherr von Gruben. Dieser lobte Buols Einstufung des Deutschen Bundes als „Staatenbund“ und wies darauf hin, daß dieser kein „zusammen­ gesetzter Staat222, sondern lediglich ein völkerrechtlicher Verein deutscher, unabhängiger Souveraine“ sei.223 Gruben betrachtete die Bundesakte als „höchstes Zugeständnis“224 und lehnte eine Ausdehnung der Kompetenz des Bundestages kategorisch ab. Damit lag er zwar ganz auf der Linie des bayeri­ schen Prinzipalministers Montgelas, manövrierte sich mit seiner Forderung, daß bis zur Verabschiedung eines organischen Gesetzes Eingaben und Petitio­ nen von Privatpersonen und Korporationen, die in der Bundesakte (vor allem Artikel 15, 16 und 18) nicht ausdrücklich erwähnt wurden, „unerörtert“ zu lassen225, ins politische Abseits.226 Mit den Eingaben und Petitionen, die gleich nach der Eröffnung der Bundes­versammlung in größerer Zahl im Thurn und Taxis Palais eingingen, wurde der Bundestag nicht nur aus der luftigen Höhe verheißungsvoller Zu­ kunftsvisionen in die Niederungen der mühsamen Detailarbeit zurückgeführt, sondern auch eine erste Debatte über die Befugnisse der Bundesversammlung in Rücksicht auf Vorstellungen und Gesuche von Privatpersonen entfacht, die vor allem von Vertretern der Mindermächtigen geführt wurde.227 Die restrik­ tive Sicht des bayerischen Vertreters wurde verworfen und eine großzügige Auslegung favorisiert. Eine Linie wurde nur dort gezogen, wo ein „gericht­ liches Verfahren“ angezeigt war und eine Entscheidung durch eine wohl­ geordnete Austrägalinstanz bewirkt werden müsse. Privatrechtsklagen und Beschwerden einzelner Untertanen könnten vom Bundestag weder angenom­ men noch entschieden werden; allenfalls könne der Bundestag darauf hinwir­ ken, daß eine Entscheidung auf „ordentlichem“ Wege erfolge.228 Als erste Maßnahme wurde jedoch Mitte November 1816 die Einrichtung einer ständi­ gen Reklamations- oder Eingabenkommission beschlossen, die sich dieser 221 Vgl. Dok. 106. 222 Anspielung auf das Verfassungsgefüge des Alten Reichs; vgl. dazu Dok. 101, Anm. 3. Zu dem von Georg Schmidt vorgeschlagenen Modell des „komplementären Reichs-Staats“ ­siehe oben Anm. 30. 223 Vgl. Dok. 101, die Zitate S. 435. 224 Vgl. Aretin, Die deutsche Politik Bayerns, Zit. S. 81. 225 Vgl. Dok. 101, Zitat S. 437. 226 Zur Isolierung Bayerns in der Bundesversammlung um die Jahreswende 1816/17 ausführ­ lich Aretin, Die deutsche Politik Bayerns, S. 77 ff. 227 Vgl. Dok. 101, 102, 103, 104 und 105. 228 Vgl. Dok. 103, Zitat S. 446 (HV i. O.), und Dok. 104.

2. Die Anfangsjahre des Deutschen Bundes im Überblick

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Aufgabe widmete.229 Ein Jahr später folgte dann die Verabschiedung allge­ meine Richtlinien über die Art und Weise der Einreichung von Vorstellungen an die Bundesversammlung, während der Grundsatz, daß „jedem Deutschen der Weg an die Bundesversammlung jederzeit offen stehen“ müsse, unange­ tastet blieb.230 Angesichts der unübersichtlichen Situation, wie weiter zu verfahren sei, entschloß sich die Bundesversammlung zur Einsetzung einer weiteren Kom­ mission, die Vorschläge über die Reihenfolge der zu erledigenden Geschäfte des Bundestags unterbreiten sollte. Gewählt wurden mit Eyben, Plessen und Berg ausschließlich Vertreter der kleineren Staaten, die einer großzügigen Kompetenzbestimmung zuneigten. Die Kommission, die ihren Kommissions­ vortrag schon drei Monate später erstatten konnte, hatte sich bezeichnender­ weise nicht darauf beschränkt, aus dem Wesen und der Natur des Bundes ­sowie dem Buchstaben der Deutschen Bundesakte eine Reihenfolge der zu erledigenden Gegenstände abzuleiten. Vielmehr nahm sie die Gesamtheit der Bundesverfassung und der daraus folgenden Aufgaben in den Blick. Die Bun­ desakte sei nur der Grundvertrag und nicht „schon das vollendete Grund­ gesetz des Bundes“. Demzufolge habe sich der Bundestag zu beschäftigen: 1. mit der Abfassung und Vervollständigung der Grundgesetze des Bundes, die sich auf die Verfassung des Bundes als Gesamtheit, auf die Feststellung der Pflichten der Bundesglieder sowie das gesamte Wesen des Bundes be­ ziehen; 2. mit den organischen Einrichtungen des Bundes, die zur Erfüllung der Zwecke des Bundes dienen; 3. mit gemeinnützigen Anordnungen, wie sie in der Bundesakte bereits angeführt seien oder „zum gemeinschaftlichen Be­ sten und zur Befestigung des Nationalverbandes durch weitere Vereinbarung“ zu Stande gebracht werden sollen; 4. mit der Besorgung der anfallenden ­Geschäfte des Deutschen Bundes. Hinsichtlich der Reihenfolge der zu erle­ digenden Geschäfte nehme die Bundesakte eine dreifache Abstufung vor: Materien, die zum ersten Geschäft der Bundesversammlung gehören; solche, für die eine gewisse Frist bestimmt ist; und Gegenstände ohne Fristbestim­ mung. Diese Abfolge könne freilich nicht sklavisch eingehalten, sondern ­Angelegenheiten von besonderer Dringlichkeit müßten vorgezogen werden. In drei Beilagen wurden abschließend konkrete Vorschläge zu den Militärund auswärtigen Verhältnissen sowie den organischen Einrichtungen des Deutschen Bundes in Rücksicht auf seine inneren Verhältnisse unterbreitet231

229 Vgl. Dok. 66 und ProtDBV 1816, 3. Sitzung vom 14. November 1816, § 5, S. 55. 230 Vgl. Dok. 79, Zitat S. 288, Dok. 80 und oben S. XXXIX. 231 Vgl. Dok. 114, die Zitate S. 485−487.

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und aus diesem umfassenden Aufgabenkatalog wenig später einige für beson­ ders dringlich erachtete Gegenstände herausgehoben232. Der württembergische Bundestagsgesandte Graf Mandelsloh lobte den um­ fassenden Ansatz der Kommission, gab aber sein Unbehagen an der Grund­ tendenz des Vortrags zu erkennen. Die Kommission habe nicht „blos auf ­einen Leitfaden“ über die zeitliche Abfolge der zu bearbeitenden Materien vorgelegt, sondern „in den wichtigen Materien schon den ganzen Umfang der Fragen vorgetragen, welche bei der Beurtheilung des Geschäfts in Vorwurf kommen müßen“. Mandelsloh befürchtete, daß davon eine präjudizierende Wirkung ausgehen könne. Der Vortrag enthalte bereits die „Grundzüge zu ­einem Bundes Staats Recht“, und seine „ganze Tendenz“ gehe dahin, dem Deutschen Bund eine „grössere Unabhängigkeit“ zu sichern, „als Deutsch­ land bisher hatte“. Der Kommissionsvortrag lasse ein „System durchblikken […], das wohl nicht mehr zu unterdrükken seyn wird“. Die „kalte Aufmerk­ samkeit“, die Österreich und Preußen dem Bundestag bisher geschenkt hät­ ten, und der gegenüber der Bundesversammlung geäußerte Vorwurf der Untä­ tigkeit „scheinen dieses Ereigniß schneller, als zu erwarten war, herbeigeführt zu haben“.233 Mandelsloh sprach damit aus, daß die Vertreter der Mindermächtigen durch ihr Engagement in dieser Sache eine Art Meinungsführerschaft errungen hat­ ten, die in Richtung einer organischen Fortbildung des Bundes zielte, wäh­ rend die anderen Bundestagsgesandten der Angelegenheit offenbar nicht die Aufmerksamkeit und Bedeutung gegeben hatten, die ihr zukam. Durch den Antrag des preußischen Bundestagsgesandten Goltz vom 19. Dezember 1816 kamen die beiden Großmächte und die Mittelstaaten jedoch wieder mit ins Spiel. Goltz hatte angesichts der Fülle von Petitionen an die Bundesversamm­ lung beantragt, eine Kommission zu ernennen, die ein umfassendes Gutach­ ten vorlegen sollte, aus dem „allgemeine, die Competenz der Bundesver­ sammlung vorbereitende Grundsätze hervorgehen, und ihr einstweilen als Provisorium, bis zur definitiven Festsetzung der organischen Einrichtungen überhaupt, zur Befolgung dienen könnten, um ihre Berathungen zweckmäßig zu befördern, ihre Beschlüsse und Entscheidungen in einzelnen Fällen zu be­ gründen, und der gerechten Erwartung des Publikums zu entsprechen“.234 Die gewählte fünfköpfige Kommission (Buol, Goltz, Martens, Plessen, Berg)235 kam mit der Bearbeitung des Gegenstandes weniger schnell voran als die parallel arbeitende Dreierkommission. Das lag nicht nur an ihrem um­ 232 Vgl. Dok. 116. 233 Vgl. Dok. 115, die Zitate S. 516 f. 234 Vgl. Dok. 109, Zitat S. 472 (HV i. O.). 235 Vgl. Dok. 109, S. 472.

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fassenderen Auftrag und der Kompliziertheit der Materie, sondern auch an ihrer Zusammensetzung. Die Tatsache, daß hier sowohl Gesandte der beiden Großmächte, der Mittelstaaten und der Mindermächtigen vertreten waren, machte eine Einigung von vornherein schwieriger. Dem Präsidialgesandten Buol war von Metternich zudem bedeutet worden, daß die Materie eine gründliche und umfassende Behandlung erfordere und die Kommission ihre Arbeit deshalb ohne Zeitdruck erledigen solle − eine dezente Anweisung zur Ent­schleunigung der Beratungen. Metternich war zudem mit einigen Ansich­ ten seines Gesandten nicht einverstanden, ohne genauer zu benennen, was damit gemeint war, und forderte Buol auf, mit seinen Auffassungen hinterm Berg zu halten. Ziel der Kommissionsarbeit müsse es sein, „daß ein er­ wünschtes dem Gesammt Interesse entsprechendes Resultat“ erzielt werde − eine Leerformel, die keine konkrete Richtung wies.236 Hinzu kamen Mei­ nungsverschiedenheiten innerhalb der Kommission selbst. Der oldenburgische Vertreter Berg berichtet von zwei Parteien, die sich in der Bundesversamm­ lung schon gezeigt hätten und nun in der Kommission deutlich hervorträten: die eine Partei möchte den Bund am liebsten auf ein Verteidigungsbündnis beschränken (für das hier nicht vertretene Bayern äußere sich Österreich in diesem Sinne), während die andere Partei (vor allem Plessen, Gagern, Hend­ rich) die Ausbildung der Bundesverfassung beschleunigen und besonders in Justizsachen eine Kompetenz des Bundes begründen wolle − eine Tendenz, die den meisten Bundestagsgesandten zur Zeit noch bedenklich erscheine, weil sie die Gegner zum eifrigen Widerspruch veranlassen werde.237 Zu letzteren gehörte auch der neue bayerische Bundestagsgesandte Johann Adam Freiherr von Aretin, der in einer Denkschrift die Politik der großen Mehrheit der Bundesstände bzw. ihrer Bevollmächtigten kritisierte, da sie, „gestüzt auf dasjenige, was man so gerne als öffentliche Meinung gelten läßt, eigentlich aber mehr der Wiederhall des Geschreies einiger Wortführer unter den teutschen politischen Schriftstellern ist“, dahin gerichtet sei, „aus Teutschland anstatt eines Staatenbundes einen Bundesstaat zu errichten“. „Am sichtbarsten“ trete diese Absicht in dem Kommissionsvortrag über die Reihenfolge der in der Bundesversammlung zu behandelnden Gegenstände hervor. Darin wirke „im Stillen das Treiben einer Parthei, welche je nachdem sie den Zeitpunkt, und die Konstellation günstig glaubt, das Schild eines teut­ schen Kaiserthums, oder einer monströsen Zweiherrschaft, oder einer teut­ schen Republik aushängt, indeßen unter jeder Form den bestehenden Regie­ rungen den Krieg macht, und Oligarchie, und anarchisches Chaos zum lezten Zwecke hat“. Hinter dem Schein „populärer Ideen, und liberal scheinender 236 Vgl. Dok. 113, Zitat S. 481. 237 Vgl. Dok. 110.

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Verfassungs Entwürfe“ wolle diese Partei „tiefer liegenden Planen Eingang“ verschaffen, während Andersdenkende als „Erbfeinde teutscher Nazion“, die „Hochverrath an teutschem Volksthum“ begingen, „gebrandmarkt“ würden. Gegen diese „Umtriebe“ habe sich Bayern zuerst und am lautesten und „kei­ neswegs ohne Erfolg“ gewandt. Das System der Einheit Deutschlands schei­ ne allerdings immer mehr an Boden zu gewinnen und Bayern nicht stark ge­ nug, um allein den Kampf dagegen aufnehmen zu können. Deshalb laufe man Gefahr, sich in Deutschland zu isolieren. Auswärtige Unterstützung sei nicht zu erwarten und ein Austritt aus dem Deutschen Bund unmöglich. Aretin be­ dauerte, daß Bayern nicht von Beginn an auf die vorherrschen Ideen ein­ gegangen sei, denn dann könnte es jetzt eine bedeutende Rolle spielen. Der eingetretene Ministerwechsel biete nun aber die Gelegenheit zu einer Kor­ rektur.238 Aretin schlug deshalb einen Strategiewechsel vor und empfahl, sich des „Bundes selbst zu bemächtigen“239: Annäherung an die tonangebende Richtung in der Bundesversammlung, vertrauliche Rücksprache mit den grö­ ßeren Mächten und Konzessionsbereitschaft in minder wichtigen Gegenstän­ den, während über wichtige Fragen (z. B. auswärtige Verhältnisse, Militärver­ fassung) eine Entscheidung nach Möglichkeit vertagt und eine Festlegung auf einengende Prinzipien vermieden werden solle. Verhindert werden müsse unbedingt ein Bundesgericht, während bei den allgemeinen Rechten der ­ Deutschen und den inneren Angelegenheiten „mit der größten Liberalität alle ­Bestimmungen“ unterstützt werden könnten, die mit den „dießseitigen Regie­ rungsgrundsäzen übereinstimmen, und mit der Erhaltung der Souveränität verträglich sind“.240 Am Beginn der Verhandlungen über die provisorische Kompetenz der Deutschen Bundesversammlung stand ein österreichischer Vortrag, der die Grundlage für den späteren Beschluß des Bundestages bilden sollte. Dieser griff wesentliche Forderungen der mindermächtigen Bundesstaaten nach ­einer organischen Fortbildung des Bundes auf und schlug eine weite und ­flexible Fassung des Kompetenzbegriffs vor: Die Kompetenz der Bundesver­ sammlung sei gleichbedeutend mit ihrem Geschäftsumfang, und der Umfang der Rechte und Pflichten der Bundesversammlung müsse nach den Bestim­ mungen der Deutschen Bundesakte und der noch zu schaffenden organischen Gesetzgebung entwickelt werden. Die Geschäftswirksamkeit des Bundestags wurde auf folgende Bereiche erstreckt: 1. die inneren Verhältnisse des Bun­ des, die sich entweder auf den Bund selbst, auf die einzelnen Bundesstaaten 238 Vgl. Dok. 117, die Zitate S. 521 f. 239 Vgl. Aretin, Die deutsche Politik Bayerns, Zitat S. 86. 240 Vgl. Dok. 117, Zitat S. 529. Eingehende Analyse der Denkschrift und des bayerischen Stra­ tegiewechsels bei Aretin, Die deutsche Politik Bayerns, S. 90 ff.

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und deren Regierungen sowie auf einzelne deutsche Privatpersonen, Klassen und Korporationen beziehen; 2. die äußeren Verhältnisse des Bundes; 3. beide Punkte sollten sowohl Staatssachen als auch Rechtssachen umfassen. Wenn­ gleich die Bundesakte die einzige Grundlage der Wirksamkeit der Bundesver­ sammlung sei, sei der Bundestag doch dazu bestimmt, dieselbe in ihren ein­ zelnen Bestimmungen und Andeutungen zu entwickeln. Daß die Bundesakte nur die „Grundzüge und Andeutungen des für Deutschland geschlossenen Bundes enthält“, darüber herrsche Einigkeit; zugleich werde allgemein aner­ kannt, daß die Fürsten und Freien Städte wie auch die Nation überhaupt glei­ chen Anspruch auf die „organische Vollendung dieses Bundes haben“. Aus diesem Grund müsse die Bearbeitung der organischen Gesetzgebung des Bundes in seinen gesamten inneren und äußeren Verhältnissen und den dazu gehörigen organischen Einrichtungen zügig, konsequent und umfassend er­ folgen.241 Dieser Vortrag wurde auch an die bayerische Regierung übersandt, die da­ durch Kenntnis von den österreichischen Absichten erhielt und damit die ­Gelegenheit, ihre Gegenposition zu formulieren. In den bayerischen „Anmer­ kungen zum Vortrag der österreichischen Gesandtschaft am Bundestag über die Kompetenz desselben“ wurde die erhebliche Ausdehnung der Kompetenz der Bundesversammlung kritisiert und an den Gesamtzweck des Bundes − Wahrung der inneren und äußeren Sicherheit Deutschlands sowie der Unab­ hängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen Bundesstaaten − erinnert. Folglich dürfe „weder ein Zweck des Bundes dem andern, noch eine wesent­ liche Eigenschaft der andern aufgeopfert, oder auf Kosten der andern erreicht werden“. Das neue Münchner Ministerium sprach also wie bisher ein weitge­ hendes Entwicklungsverbot für den Deutschen Bund aus und stellte ausdrück­ lich fest, daß die Bundesversammlung weder ein von den Instruktionen der einzelnen Regierungen unabhängiger Körper noch eine oberste Administra­ tiv- oder Justizstelle von Deutschland sei und im übrigen auch untauglich sei zur Ausübung richterlicher Funktionen.242 Die flexiblere Haltung des Mini­ steriums kam freilich dadurch zum Ausdruck, daß Aretin angewiesen wurde, bei den Bundestagsgesandten Württembergs, Badens, Sachsens und HessenDarmstadts sowie anderer Höfe in der Sache zu sondieren. Von dem Resultat sollte es dann abhängen, ob und in welchem Umfang von den in den „Anmer­ kungen“ aufgestellten Grundsätzen bei der Abstimmung in der Bundesver­ sammlung Gebrauch gemacht werden könne, was in das Ermessen Aretins gelegt wurde.243 241 Vgl. Dok. 118, die Zitate S. 539. 242 Vgl. Dok. 119b, Zitat S. 544 (HV i. O.). 243 Vgl. Dok. 119a.

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Der preußische Staatskanzler Hardenberg hielt hingegen eine definitive Kompetenzbestimmung auf der Basis der Bundesakte für wünschenswert und schlug den Abbruch der Verhandlungen über ein Kompetenzprovisorium vor. Wie Bayern betonte er die Souveränität der Einzelstaaten und die Nichtein­ mischung des Bundes in die inneren Verhältnisse der Bundesstaaten. Obwohl Deutschland seit Abschließung des Bundes „in seiner Gesammtheit, als Macht erscheinet“ und als solche dem Buchstaben und Geist der Bundesakte gemäß handeln könne, erschien es dem preußischen Hof „nicht rathsam zu seyn, jenen so allgemein ausgedrückten Satz als ein Principium aufzustellen“ und damit der Bundesversammlung zu überlassen, „welche Folgerungen sie daraus ziehen wolle“. Wie Österreich sei Preußen der Auffassung, daß dem Deutschen Bund als Staatenbund nicht „alle und jede Attribute eines Staats zukommen“. Als „Gesamtmacht“ könne Deutschland immer nur ad hoc und auf Beschluß der Bundesversammlung handeln und nicht in jeder Hinsicht als eine „neue Macht“ agieren. Dies liege nicht in der Absicht der beiden deut­ schen Großmächte und würde nur eine „Verwickelung in die politischen Ver­ hältniße von Europa bringen, und mannigfaltig nachtheilig für Oesterreich, für Preußen und für ganz Deutschland, wirken“.244 Das einhellige Gutachten der Bundestagskommission vom 12. Juni 1817245 lehnte sich eng an die österreichischen Vorschläge an, hob jedoch hervor, daß der Auftrag der Kommission nur auf provisorische Anordnungen gerichtet sei und der Vorbereitung der definitiven organischen Bestimmungen diene. Aus­ gangspunkt der Kommissionsarbeit sei gewesen, daß die Bundesakte ledig­ lich Grundzüge und Andeutungen des für Deutschland geschlossenen ge­ meinsamen Bundes enthalte − „darüber sind alle einig“ − und daß die „Fürsten und freie Städte, so wie die Nation überhaupt, gleichen Anspruch auf die organische Vollendung dieses Bundes haben“. Deshalb sei es wün­ schenswert, die Erörterung und Ergänzung der Bundesakte „nicht aufs unbe­ stimmte“ zu verschieben, sondern zu ermöglichen, daß der Bundestag seiner historischen Verantwortung gegenüber „unsern Zeitgenossen und der späteren Nachkommenschaft“ gerecht werden könne. Deshalb müsse der Bundestag sein Augenmerk auf folgende Hauptbereiche richten: I. Die Kompetenzbe­ stimmung hinsichtlich der inneren Verhältnisse des Deutschen Bundes, die sich auf drei wesentliche Beziehungen erstrecke: 1. auf die inneren Verhält­ nisse des Bundes selbst; 2. auf die einzelnen Staaten und Regierungen sich beziehenden inneren Verhältnisse des Deutschen Bundes; 3. auf einzelne 244 Vgl. Dok. 120, die Zitate S. 559 f. 245 Vgl. „Einhelliges Gutachten der Commission über die provisorische Festsetzung der Com­ petenz des Bundestags“, ProtDBV 1817, 34. Sitzung vom 12. Juni 1817, nach S. 466 (6 pagi­ nierte Seiten). Die nachfolgenden Zitate nach Dok. 121, S. 571.

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personen, Korporationen und ganze Klassen sich beziehende innere Privat­ Angelegen­heiten des Bundes. II. Die Kompetenzbestimmung hinsichtlich der äußeren Verhältnisse des Bundes. Zu diesen Punkten wurden jeweils konkrete Vorschläge unterbreitet. Auf Antrag Österreichs wurde nach kurzer und wenig kontroverser Aus­ sprache mit Stimmenmehrheit beschlossen, daß das von der „Commission vorgelegte Gutachten über die Competenz der Bundesversammlung einst­ weilen als Provisorium, bis zur definitiven Festsetzung derselben, auch ­unter Vorbehalt der nach eingegangenen Instructionen, oder etwa sonst zu ­beschließenden Abänderungen oder Zusätze, als verbindlich angenommen werde“. Sogar der bayerische Gesandte Aretin hatte zugestimmt und nur einige Präzisierungen angeregt, die aber nicht berücksichtigt wurden.246 ­ ­Lediglich der niederländisch-luxemburgische Bundestagsgesandte Gagern ­hatte sich ausführlicher zu Wort gemeldet und mit großer Emphase seine Vorliebe für eine bundesstaatliche Entwicklung zum Ausdruck gebracht. Die Einzelstaaten blieben zwar im Besitz ihrer Souveränitätsrechte, ein „System der Isolirung, des Eigenwillens“ sei „in diesem Bundesverhältniß [aber] nicht platzgreiflich“. Ein Schreiben George Washingtons zitierend, erinnerte Gagern daran, daß in einem föderativen Verfassungsverhältnis nicht „jedem alle Rechte i­ndependenter Souverainetät“ zugestanden werden könnten, sondern das Augen­merk auf die „Befestigung“ des Bundes zu richten sei, „wodurch unsre Wohlfahrt, Glück, Schirm und vielleicht National-Existenz bedingt werden“. Die Bundesfürsten sollten also den amerikanischen „Re­ publikanern nicht nachstehen; und es hängt nur von ihnen ab, sie zu über­ treffen“.247 Die Reaktionen auf den Beschluß über das Kompetenzprovisorium fielen unterschiedlich aus. Baden erklärte schon in der nächsten Sitzung des Bun­ destags seine Zustimmung zu den Grundsätzen und Anträgen des Kommis­ sionsgutachtens. Der Deutsche Bund sei nicht „bloß ein diplomatisches, son­ dern ein publicistisches“, d. h. staatsrechtliches Gebäude, „welches die Staaten und die Nation im Ganzen umfaßt, ohne der Autonomie der innern Verwal­ tung der ersten in den Weg zu treten“. Die provisorische Kompetenzbestim­ mung umfasse außerdem nur „politische, rechtliche, oder constitutionelle – erhaltende, oder ergänzende Aufgaben“, während sie sich in allem, was nicht „Gesammtrechte“ anbelange, auf Formen der Vermittlung beschränke.248

246 Vgl. ProtDBV 1817, 34. Sitzung vom 12. Juni 1817, § 223, S. 453−457, hier S. 453 f. und Zitat S. 454. 247 Vgl. Dok. 122, die Zitate S. 573−575 (HV i. O.). 248 Vgl. Dok. 123, die Zitate S. 576 f. (HV i. O.)

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­ ndere Bundesstaaten folgten dem badischen Beispiel, nicht ohne weitere A Detailänderungen anzuregen.249 Inhaltliche wie auch berechtigte formale Kritik kam hingegen aus Württem­ berg.250 Die Art und Weise, wie über das Kommissionsgutachten verhandelt und beschlossen worden sei, verstoße gegen Bestimmungen der Vorläufigen Geschäftsordnung. Grundsätzlich stelle sich die Frage, ob über einen Gegen­ stand von solcher Wichtigkeit nicht sogar im Plenum entschieden werden müsse. Zudem sei es völlig unangemessen, daß ein bloßes Gutachten als Norm gelten solle. König Wilhelm I. drückte deshalb seine Erwartung aus, daß nach Abgabe aller Abstimmungen ein förmlicher Beschluß in dieser Sa­ che gefaßt werde, und übersandte dazu einen entsprechenden Abstimmungs­ entwurf.251 Neben terminologischen Präzisierungen wurde darin insbesondere die Forderung erhoben, daß im Hinblick auf die Erfüllung der Artikel 12, 13, 14, 16 und 18 der Bundesakte jegliche Einmischung des Bundestags in die inneren Verhältnisse der Bundesstaaten zu unterbinden sei. In Abstimmungs­ fragen müsse zudem unbedingt am Einhelligkeitsgebot des Artikels 7 der Bundesakte festgehalten werden. Eine solche württembergische Abstimmung blieb jedoch aus, vermutlich weil bis Anfang 1818 nur zustimmende Erklä­ rungen zum Kompetenzprovisorium abgegeben wurden. Gleichwohl blieb das Kompetenzprovisorium weiter Gegenstand vertrauli­ cher Unterredungen, wie der württembergische Vertreter Wangenheim berich­ tet. Man leugne nicht das „Unförmliche jenes Verfahrens“ beim Beschluß über das Kompetenzprovisorium, doch hege die Mehrzahl der Bundestags­ gesandten die Überzeugung, „daß ein solcher Schritt nöthig gewesen sey, in­ dem, ohne denselben, der Bundestag vielleicht heute noch für nichts compe­ tent seyn würde“. Einigkeit herrsche allerdings darüber, daß „dereinst“ eine definitive Kompetenzbestimmung getroffen werden müsse. Vorher müßten aber erst wichtige Fragen (u. a. Verhältnisse der Mediatisierten, landständi­ sche Verfassungen, Bundesgericht, Exekutionsordnung) entschieden sein. Ab­ schließend kritisierte Wangenheim, daß das Kompetenzprovisorium nicht frei von Widersprüchen sei und „Sätze“ enthalte, die, „consequent durchgeführt“, die Bundesversammlung über „alle Grenzen einer subordinirten, an Instruc­ tionen gebundenen, Behörde hinaus führen, und ihr eine legislatorische Ge­

249 Vgl. ProtDBV 1817, 36. Sitzung vom 19. Juni 1817, § 242, S. 492 f. (Hessen-Darmstadt); 39. Sitzung vom 30. Juni 1817, § 276, S. 550 (Sachsen); 42. Sitzung vom 10. Juli 1817, § 322, S. 630 f. (Kurhessen); 58. Sitzung vom 22. Dezember 1817, § 419, S. 869 (Hanno­ ver); ProtDBV 1818, 1. Sitzung vom 12. Januar 1818, § 5, S. 5 (16. Kurie). 250 Vgl. Dok. 125a. 251 Vgl. Dok. 125b.

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walt einräumen würden“. Das stehe jedoch im Widerspruch zum Wesen des Deutschen Bundes als eines „Bundes souverainer Staaten“.252 Die Erwartung, daß „dereinst“ eine definitive Kompetenzbestimmung ge­ troffen werden würde, sollte sich freilich schneller erfüllen als manchen Bun­ destagsgesandten lieb war. Allerdings fanden die Verhandlungen nicht mehr in Frankfurt statt, sondern auf den Ministerialkonferenzen in Wien 1819/20, wo unter restaurativen Vorzeichen eine Einigung zustande kam und in der Wiener Schlußakte (Artikel 3 und 64) verankert wurde.253 c) Versuche einer organischen Fortbildung und inneren Ausgestaltung des Deutschen Bundes (1) Das Austrägalwesen des Deutschen Bundes In den Diskussionen und Verhandlungen über die zukünftige deutsche Verfas­ sung vor und während des Wiener Kongresses gehörte die Errichtung eines Bundesgerichts zu den wesentlichen Themen. Zwei Überlegungen spielten dabei eine besondere Rolle. Zum einen wollte man an die obersten Gerichte des Heiligen Römischen Reichs, das Reichskammergericht und den Reichs­ hofrat, anknüpfen und eine Bundesgerichtsbarkeit etablieren, um rechtsstaat­ liche Verhältnisse in der künftigen deutschen Föderation zu stärken. Vor al­ lem die preußischen Vertreter Humboldt und Hardenberg verfolgten damit aber auch eine politische Intention. Beide wollten den mediatisierten Adel als Bundesgenossen gewinnen und diesen gegen die ehemaligen Rheinbundstaa­ ten in Stellung zu bringen, um deren Souveränität von innen heraus auszu­ höhlen. Deshalb räumten sie den Mediatisierten und den Landständen ein Klage­recht vor dem Bundesgericht ein, wodurch unweigerlich der Widerstand der süddeutschen Rheinbundstaaten, insbesondere Bayerns und Württem­ bergs, provoziert wurde, weil diese durch die Etablierung einer Bundesge­ richtsbarkeit eine Einschränkung ihrer erst jüngst errungenen Souveränität befürchteten. Obwohl in den sogenannten zweiten deutschen Konferenzen vom Mai/Juni 1815 eine Mehrheit der Bevollmächtigten für ein Bundes­ gericht eintrat, gelang es Bayern, die Errichtung eines Bundesgerichts zu ­verhindern. Gemäß Artikel 11 der Deutschen Bundesakte sollte lediglich bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander eine Vermittlung durch einen Ausschuß der Bundesversammlung stattfinden; sofern dieser Versuch schei­ 252 Vgl. Dok. 126, die Zitate S. 588, 590 u. 592. 253 Vgl. dazu Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 1, S. 52 f., Weech (Hrsg.), Correspondenzen und Actenstücke, S. 54−61, sowie künftig QGDB I/3.

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terte und eine richterliche Entscheidung notwendig wurde, sollte diese durch eine „wohlgeordnete Austrägal Instanz“ bewirkt werden, deren Ausspruch sich die streitenden Teile sofort zu unterwerfen hätten.254 Damit war dem Bundestag aufgegeben, eine Regelung über die Bestellung und Verfahrens­ weise einer solchen Austrägalinstanz herbeizuführen.255 Schon wenige Monate nach Eröffnung der Bundesversammlung wurde diese Materie von der Kommission, die Vorschläge über die Reihenfolge der Geschäfte der Bundesversammlung unterbreiten sollte, zu den vorrangig zu erledigenden Aufgaben des Bundestags erklärt und zwei Wochen nach der Ablegung des Kommissionsvortrags256 erste konkrete Vorschläge dazu unter­ breitet. Wie bereits in der Bundesakte angeführt, sollte bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander zunächst ein Ausschuß der Bundesversammlung nach Anhörung der Beteiligten auf eine gütliche Beilegung des Konflikts hin­ wirken. Für den Fall, daß dieser Vermittlungsversuch scheiterte, sollte der Bundestag dann eine richterliche Entscheidung durch eine Austrägalinstanz bewirken. Jede Partei sollte dazu einen oder zwei Bundestagsgesandte zu Austrägalrichtern wählen und der Bundestag einen unbeteiligten Obmann aus seinen Reihen bestellen. Nach erfolgtem Aktenschluß wurde den Austrägal­ richtern freigestellt, Rechtsauskünfte bei einer Juristenfakultat oder dem höchsten Gericht ihrer Länder einzuholen. In Ermangelung besonderer Ent­ scheidungsquellen sollte nach den in Deutschland hergebrachten gemeinen Rechten geurteilt werden und die Bundesversammlung über die Befolgung des Urteils selbst wachen.257 Gegen diesen Vorschlag wurden von seiten Preußens grundsätzliche recht­ liche Bedenken vorgebracht. Nach Ansicht des Staatskanzlers Hardenberg konnten weder die Bundesversammlung noch Ausschüsse oder einzelne Mit­ glieder aus ihrer Mitte Austrägalrichter sein. Zum einen weil es den Bundes­ tagsgesandten überwiegend an der notwendigen „richterliche[n] Qualification [mangele], wie groß auch die Rechtskenntnisse Einzelner von ihnen oder ­Aller, seyn mögen“; zum anderen weil die Bundesversammlung wegen ihrer vorwiegend „diplomatischen Eigenschaft“ kein unabhängiges Organ der Rechtsprechung sein könne. Der preußische Bundestagsgesandte von der Goltz wurde deshalb angewiesen, solchen Plänen grundsätzlich zu widerspre­ chen. Zugleich unterbreitete Hardenberg einen Alternativvorschlag für eine zweckmäßigere Organisation des Austrägalverfahrens: Die Vermittlung der 254 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, das Zitat S. 1512. 255 Vgl. dazu Wyduckel, Die Diskussion um die Errichtung eines Bundesgerichts beim Deut­ schen Bund, S. 195−199. 256 Vgl. Dok. 114, S. 496. 257 Vgl. Dok. 116.

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Bundesversammlung durch einen Ausschuß sollte erst dann eintreten, wenn eine gütliche Einigung zwischen den streitenden Parteien gescheitert war. Blieb auch dieser Vermittlungsversuch erfolglos, sollte die Sache einer Aus­ trägalinstanz zur Entscheidung übergeben werden. Der Beklagte hatte dazu vier Bundesglieder vorzuschlagen, aus welchen der Kläger einen zum Austrä­ galrichter wählte. Die Entscheidung wurde dann dem obersten Gerichtshof des gewählten Bundesstaats übertragen, der eigenständig darüber entschied, welche Grundsätze des Staats-, Völker- und römischen Rechts auf den kon­ kreten Fall angewandt werden konnten.258 Es war jedoch nicht Preußen, sondern Österreich, das die Initiative in der Bundesversammlung ergriff und am 1. Mai 1817 eine Punktation vorlegte, die allerdings einige Vorschläge Hardenbergs aufgriff. Es liege, heißt es dort, schon in der „Wesenheit“ des Deutschen Bundes „als eines mit einem ge­ meinsamen Nationalbande verbundenen Staatenvereins“, daß die Mitglieder desselben sich weder bekriegen noch ihre Streitigkeiten mit Gewalt austragen können. Aus diesem „Gewaltverbot“ des Artikels 11 der Deutschen Bundes­ akte, der in der Tradition des „Ewigen Landfriedens“ stand259, wurden ­folgende Hauptgrundsätze abgeleitet: Die Bundesversammlung ist diejenige ­Behörde, bei welcher solche Streitigkeiten anzubringen sind, und diese ist verpflichtet, eine solche Vermittlung durch einen Ausschuß zu versuchen. Scheitert der Vermittlungsversuch, muß eine richterliche Entscheidung durch eine Austrägalinstanz herbeigeführt werden. Am geeignetsten dafür hielt man eine permanente Instanz, da sie dem „Begriffe der Souverainetät nicht wider­ streiten“ und zugleich dem Ziel einer „wohlgeordneten Austrägal-Instanz am vollkommensten entsprechen“ würde. Sofern das nicht gewünscht werde, müsse jedes Mal eine Austrägalinstanz gebildet werden. Der Beklagte sollte dazu drei unparteiische Bundesglieder vorschlagen, aus welchen der Kläger eines zum Richter auswählte. Dessen oberste Justizstelle fungierte dann als gewählte Austrägalinstanz. Verhandelt wurde nach der Prozeßordnung des je­ weiligen Obertribunals, während das Urteil in Ermangelung besonderer Ent­ scheidungsquellen nach den in Deutschland hergebrachten Rechten erfolgte. Um endlose Prozesse wie an den ehemaligen Reichsgerichten zu vermeiden, sollte das Urteil binnen Jahresfrist gefällt werden und für die streitenden Teile verbindlich sein; allerdings wurde die Einlegung von Rechtsmitteln zugestan­ den.260 An diesen Eckpunkten entzündete sich eine Diskussion, in der die

258 Vgl. Dok. 127, Zitat S. 598. 259 Vgl. Kotulla, Deutsche Verfassungsgeschichte, die beiden vorangehenden Zitate S. 357 (HV i. O.). 260 Vgl. Dok. 128, die Zitate S. 601 f.

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unter­schiedlichen Gruppierungen in der Bundesversammlung wieder deutlich hervortreten. Die restriktivste Position vertrat Bayern. In der österreichischen Punktation sah man zwar „einen neuen Beweis der patriotischen Mitwirkung zu Grün­ dung eines festen Rechtszustandes zwischen den deutschen Bundesstaaten“, doch wurde eine permanente Austrägalinstanz kategorisch abgelehnt und die Bildung von Austrägalinstanzen für jeden einzelnen Fall befürwortet. Bayern ging sogar noch einen Schritt weiter, indem es die Befugnisse der Bundesver­ sammlung radikal beschneiden wollte. Diese sollte auf eine reine Schlich­ tungsinstanz reduziert werden, deren Aufgabe nach dem Scheitern ihres Ver­ mittlungsversuchs einzig und allein darin bestand, ein ordnungsgemäßes Austrägalverfahren zu gewährleisten, ohne dabei selbst in Erscheinung zu treten. Die gewählten obersten Justizstellen sollten nämlich nicht im Namen der Bundesversammlung auftreten, sondern lediglich als durch Vereinbarung der streitenden Parteien bestellte Gerichte agieren. Deren Erkenntnisse sollten den Parteien deshalb unmittelbar durch den Gerichtshof eröffnet werden und sämtliche Kommunikation zwischen dem Bundestag und den Austrägalge­ richten „immer durch das Organ des betreffenden Bundesgesandten“ gesche­ hen.261 Indem das Austrägalverfahren zu einer Angelegenheit zwischen den Beteiligten erklärt wurde, wären mit dieser Auslegung des Artikels 11 der Deutschen Bundesakte sämtliche Ansätze zur Entwicklung einer Bundesge­ richtsbarkeit schon im Keim erstickt worden. Mit dieser Auffassung stand Bayern allerdings allein, da die übrigen Bun­ destagsgesandten zumindest die Position vertraten, daß auch dann, wenn das Austrägalverfahren nicht unmittelbar durch die Bundesversammlung gesche­ hen könne, dieses doch stets durch deren Autorisation bzw. in ihrem Auftrag ausgeübt werde. Insbesondere die Vertreter der mindermächtigen deutschen Staaten wollten jedoch noch einen Schritt weiter gehen und wenigstens die Option zur Entwicklung einer Bundesgerichtsbarkeit offenhalten. Nationale Gesichtspunkte wie auch Ideen einer Rechtsvereinheitlichung spielten dabei eine Rolle. Die Bundestagsgesandten Preußens262 und Hannovers263 traten zwar den österreichischen Vorschlägen im wesentlichen bei und lobten den „unermüde­ ten Eifer“ des Wiener Hofs zur „Beförderung der wesentlichsten Zwecke des Bundesvereins“, doch schlugen Goltz und Martens zugleich eine Erweiterung der Kompetenzen des Bundestags vor. Für beide zerfiel das Austrägalverfah­ ren nämlich in Kompromißentscheidungen bei der Bundesversammlung und 261 Vgl. Dok. 130, die Zitate S. 609 f. 262 Vgl. Dok. 129. 263 Vgl. Dok. 131, das nachfolgende Zitat S. 611.

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in Austrägal­aussprüche bei den obersten Gerichtshöfen, je nachdem ob es sich um eine eher politische, völkerrechtliche oder bundesstaatsrechtliche An­ gelegenheit oder um eine eher juristische bzw. privatrechtliche Streitsache handelte. Über die Einordnung sollte die Bundesversammlung selbst ent­ scheiden. Im ersten Fall sollte die Bundesversammlung auf Vortrag einer Kommission entscheiden, im letzteren Fall ein zum Austrägalgericht gewähl­ tes Obertribunal eines Bundesmitglieds. Das gewählte Gericht dritter Instanz war zur Übernahme des Auftrags verpflichtet und hatte eine definitive Ent­ scheidung auf der Grundlage der Bundesakte und im Auftrag der Bundesver­ sammlung, die auch dessen Vollziehung überwachte, zu treffen. Während Goltz und Martens den österreichischen Vorschlag auf Bildung einer permanenten Austrägalkommission zwar nicht prinzipiell ablehnten, aber Zweifel äußerten, ob dafür eine Mehrheit zu erreichen sei, trat Kurhes­ sen explizit für ein „permanentes Gericht, es heiße nun Austrägal-Commis­ sion oder Bundesgericht“, ein, da es einer wechselnden Instanz vorzuziehen sei. Die Bundesglieder sollten „freiwillig und vertragsmäsig“ in eine solche Lösung einwilligen und die solcherart etablierte permanente Instanz dann „im Namen des ganzen Bundes Recht sprechen“. Davon versprach man sich nicht zuletzt auch einen Beitrag zu „schnellerer und gleichförmigerer Rechts­ verwaltung“ im Deutschen Bund. Sofern die Kompetenz einer permanenten Instanz auf Streitigkeiten unter Bundesgliedern beschränkt werde, sei auch „keine Einmischung in die innere Staatsverwaltung zu besorgen“. Sollte diese Lösung an mehrseitigem Widerspruch scheitern, müsse das in der Bundesakte vorgeschriebene Austrägalverfahren „zweckmäsig“ organisiert werden, wozu einige Vorschläge unterbreitet wurden. Über die österreichische Punktation hinaus ging der Vorschlag, das gemeine Recht sowie die „Präjudicien der ­vormaligen Reichsgerichte“ sollten die Grundlage der Entscheidungsfindung ­bilden − ein, wenn auch schwacher Versuch, die Austrägalgerichtsbarkeit des Deutschen Bundes an die Rechtsprechung des Alten Reiches anzubinden. Au­ ßerdem schlug Kurhessen das Rechtsmittel der Restitution vor.264 Während sich der preußische Vertreter Goltz die Etablierung einer perma­ nenten Austrägal­instanz prinzipiell vorstellen konnte, lehnte der preußische Staatskanzler das rundweg ab, ebenso „für jetzt“ auch ein Bundesgericht. Eine Analogie zum Alten Reich wollte dieser ebenfalls nicht gelten lassen. Der Staatskanzler spielte auf Zeit und vertröstete die Befürworter eines Bun­ desgerichts auf die Zukunft: „Der Bund ist ein auf Jahrhunderte gegründetes Institut. Viel Trefliches und Herrliches kann aus ihm im Laufe der Zeit her­ vorgehen. Für jezt aber läßt sich nicht hoffen, daß der Versuch der Anordnung 264 Vgl. Dok. 132, die Zitate S. 615 f.

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eines Bundes Gerichts, oder einer im bezeichneten Sinn permanenten Aus­ trägal-Instanz, einen fruchtbaren und heilsamen Erfolg haben könne.“ Die Grundidee der österreichischen Punktation, daß die Bundesversammlung we­ der ein instruierendes noch ein entscheidendes Gericht sein könne, sondern lediglich eine richterliche Entscheidung durch eine Austrägalinstanz bewir­ ken solle, wurde hingegen für richtig befunden. Zugleich näherte sich Har­ denberg der bayerischen Position an, indem er forderte, jede unmittelbare Be­ rührung zwischen der Bundesversammlung und den obersten Gerichtshöfen müsse vermieden werden. Eine konkretere Kompetenzbestimmung der Aus­ trägalinstanz wurde verworfen, bestimmte Festsetzungen der Bundesakte sollten aber als Anknüpfungspunkte dienen. Im Gegensatz zu Goltz und ­Martens lehnte Hardenberg es auch ab, „zwischen völkerrechtlichen, staats­ rechtlichen, privatrechtlichen Streitigkeiten, oder zwischen juristischen und politischen, zu unterscheiden“, da eine säuberliche Trennung zumeist unmög­ lich sei und „des Streitens hierüber gar keine Ende“ nehmen würde. Goltz wurde deshalb angewiesen, vertrauliche Rücksprache mit dem österreichi­ schen Präsidialgesandten zu nehmen, um die Annahme seiner Grundsätze und Ansichten zu befördern.265 Der Mecklenburger Plessen ging dann noch einen Schritt weiter, indem er mittels einer permanenten Instanz die rechtsvereinheitlichende Funktion des Deutschen Bundes stärken wollte. Einer solchen „Rechtskammer“ könne man nicht nur „Gegenstände von gemischter staatsrechtlicher und civilrechtlicher Natur“ anvertrauen, sondern es würden auch „Rechtsgrundsätze und Rechts­ verfahren […] gleichmäsiger in Anwendung gebracht“, was bei wechselnden Austrägalgerichten nicht der Fall sei. Eine permanente Austrägalkommission bräuchte lediglich aus 5−6 Richtern bestehen266, so daß die anfallenden ­Kosten für den „ganzen Bund nicht in Betracht“ kämen. Damit wäre zugleich eine „wohlgeordnete“ als auch eine „eigentliche Austrägal-Instanz“ verwirk­ licht, die im Vergleich zu den obersten Gerichtshöfen der Bundesstaaten zu­ dem „[v]öllig unabhängig von jeglichen Beziehungen und fremd von irgend einem Einfluß oder einer Einwirkung“ sein könne. Wenngleich Plessen be­ 265 Vgl. Dok. 134, die Zitate S. 623 u. 627 (HV i. O.). 266 Das von Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 626, ohne Beleg angeführte Al­ ternativmodell, „ein bestimmtes Oberstes Landesgericht […] für alle Bundes-Austrägalsa­ chen“ zu bestellen, taucht in den Verhandlungen des Bundestags nicht auf. In allen hier aufgeführten Dokumenten ist implizit oder explizit von einem eigenständigen Gerichtshof die Rede, über dessen Zusammensetzung freilich keine konkreten Vorschläge unterbreitet werden; lediglich Plessen hielt 5−6 Richter für ausreichend. Die Unparteilichkeit und Unab­ hängigkeit einer solchen Einrichtung wäre aber nur dann gewährleistet gewesen, wenn sämtliche Bundesglieder an der Auswahl der Richter verhältnismäßig beteiligt worden wä­ ren.

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müht war, Befürchtungen vor einer „anmaßenden Ausdehnung“ der Kompe­ tenzen einer solchen permanenten Instanz zu zerstreuen267, wird doch der Wunsch deutlich, dieser „Rechtskammer“ zumindest einen „Bruchteil der reichskammergerichtlichen Zuständigkeit“ zu übertragen268. Da Plessen ihr auch die Bearbeitung von Privatreklamationen übergeben wollte, die seit ­Eröffnung des Bundestags in großer Zahl eingingen, war jedoch, „gleichsam durch die Hintertür“, ein Bundesgericht mit erheblichen Kompetenzen an­ gedacht, da die Privatreklamationen überwiegend aus einzelstaatlichen Rechts- und Verfassungskonflikten erwuchsen.269 Mit der Beendigung von Rechtsstreitigkeiten, die zur Zeit der Reichsauflösung an den ehemaligen Reichsgerichten noch anhängig gewesen und bislang unabgeschlossen waren, wäre zudem ein Beitrag zum Rechtsfrieden in Deutschland geleistet worden, wovon diejenigen, die von den staatlichen Umwälzungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts besonders hart getroffen worden waren, eventuell am mei­ sten hätten profitieren können.270 Den Forderungen der Öffentlichkeit am weitesten entgegen kam schließ­ lich der niederländisch-luxemburgische Bundestagsgesandte Gagern, der in einem historischen Rückblick die begrenzte Reichweite der Austräge gegen­ über der friedenssichernden Funktion der ehemaligen Reichsgerichte (Reichs­ kammergericht, Reichshofrat) für die deutsche Nation herausarbeitete. Ga­ gern drückte zwar sein Vertrauen in die Rechtsprechung der Obergerichte der Einzelstaaten aus, doch werde Unparteilichkeit nur durch ein ständiges ­Gericht gewährleistet. Das „Beßre unsrer federalistischen Verfassung“ liege ­darin, das „Widereinanderstoßen leidenschaftlicher Parteien rechtlich“ hem­ men und die „Uebel in der Wurzel“ ersticken zu können. Ein Bundesgericht wurde deshalb als bester Schutz gegen revolutionäre Bewegungen empfoh­ len, während mit den Austrägen kostbare Zeit vergeudet werde, anstatt die „gemessensten, ernstlichen Anstalten und Verfügungen zur Abhülfe zu tref­ fen“. Gagern schlug deshalb ein permanentes Austrägal- oder Bundesgericht vor, wobei er den Namen für austauschbar hielt, wenn nur ein gesicherter und konsequenter Rechtsgang und eine gründliche und unabhängige Urteilsbil­ dung gewährleistet waren. Diesem permanenten Gerichtshof wollte er, wie einst Wilhelm von Humboldt auf dem Wiener Kongreß271, sowohl Streitig­ keiten zwischen den Bundesstaaten, zwischen den Bundesfürsten und ihren 267 Vgl. Dok. 133, die Zitate S. 618−620. 268 Vgl. Müller-Kinet, Die höchste Gerichtsbarkeit im deutschen Staatenbund, Zitat S. 82. 269 Vgl. ebd. S. 82 f., Zitat S. 83. 270 Vgl. Dok. 133, S. 619. 271 Vgl. Wyduckel, Die Diskussion um die Errichtung eines Bundesgerichts beim Deutschen Bund, S. 195−197.

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Landständen als auch Streitsachen der Untertanen gegen ihre Regierungen, die bei der Bundesversammlung angebracht wurden, zuweisen.272 Obwohl sich in der Bundesversammlung also eine deutliche Mehrheit für eine permanente Austrägalinstanz abzeichnete und selbst Metternich „die gro­ ßen und vielfältigen Vorzüge einer solchen bleibenden“ Einrichtung anerkann­ te − beispielsweise daß eine „permanente Compromiß-Instanz […] in voll­ kommenster Unabhängigkeit von allem Territorial-Einflusse“ erscheine −, gab er der Bildung von ad hoc zu bildenden Austrägal­instanzen unter den gegebe­ nen Umständen den Vorzug. Um den Befürwortern einer permanenten Instanz entgegenzukommen, schlug er allerdings vor, in den zu fassenden Bundesbe­ schluß den Passus aufzunehmen, daß man den Vorschlag auf E ­ rrichtung einer ständigen Austrägalinstanz „noch nicht als vollkommen aufgegeben betrach­ tet“, sondern diesen „nach dem Gange der Erfahrungen […] in erneuerte Pro­ position“ bringen werde. Buol wurde deshalb angewiesen, diesen Antrag zu Protokoll zu geben, sobald abzusehen war, daß für die Errichtung einer perma­ nenten Instanz keine ausreichende Mehrheit zu erzielen war.273 Angesichts der ablehnenden Haltung Bayerns war ein einstimmiger Be­ schluß völlig ausgeschlossen. König Maximilian I. Joseph hatte nämlich da­rauf hingewiesen, daß in „dieser für die Souveränität der deutschen Bundesstaaten entscheidenden Angelegenheit“ ein mit Stimmenmehrheit gefaßter Beschluß für eine permanente Austrägalinstanz mit dem „Wortlaute und dem Geiste“ der Bundesakte unvereinbar sei und damit nicht zu einem für Bayern verbindlichen Bundesgesetz erhoben werden könne.274 Deshalb beugte sich die Majorität der Minderheit, um ein Scheitern der ganzen Sache abzuwenden.275 Der Bundesbeschluß über die Vermittlung bei Streitigkeiten der Bundes­ glieder untereinander und die Errichtung einer wohlgeordneten Austrägalin­ stanz vom 16. Juni 1817 folgte deshalb im wesentlichen den österreichischen Vorschlägen und schuf in Form einer „wandelbaren Austrägalinstanz“ eine „Einrichtung der Bundes-Auftragsgerichtsbar­keit“.276 Die Bundesversamm­ lung wurde als diejenige Behörde etabliert, bei welcher alle Streitigkeiten der Bundesglieder unter einander anzubringen waren. Ging eine Streitsache ein, wurde zunächst ein Ausschuß des Bundestags zur Herbeiführung einer güt­ lichen Einigung gebildet. Scheiterte dieser Versuch, wurde die gerichtliche Entscheidung einer für jeden Einzelfall gebildeten Austrägalinstanz über­ tragen. Der Beklagte schlug in diesem Fall dem Kläger drei unparteiische 272 Vgl. Dok. 135, die Zitate S. 633 f. 273 Vgl. Dok. 136, die Zitate S. 636 f. 274 Vgl. Dok. 138, die Zitate S. 641. 275 Vgl. Dok. 137. 276 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, Zitat S. 627.

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Bundesglieder vor, aus denen der Kläger eines auswählte. Dessen oberster Gerichtshof fungierte dann als Austrägalinstanz, „welche im Namen und ­anstatt der Bundesversammlung“ die Streitsache entschied. Die Übernahme dieses Auftrags war „Bundespflicht“. Unterließ der Beklagte die fristgemäße Benennung, ging das Vorschlagsrecht auf den Bundestag über. Die Entschei­ dungsgewalt der Austrägalinstanz leitete sich von der Bundesversammlung ab, an deren Stelle sie zu urteilen hatte. Dabei war sie unabhängig von allen Weisungen oder sonstigen Einwirkungen. Die Entscheidung war sofort rechtskräftig und die streitenden Parteien verpflichtig, sich dem Urteil alsbald zu unterwerfen. Verhandelt wurde nach der Prozeßordnung des jeweiligen Gerichts, dessen Urteil „in Ermangelung besonderer Entscheidungsquellen, nach den in Deutschland hergebrachten gemeinen Rechten“ erfolgte. Das von Kurhessen angeregte Rechtsmittel der Restitution wurde zugelassen, doch be­ hielt sich der Bundestag über dessen Anwendung und Ausführung noch einen besonderen Beschluß vor. Außerdem wurde der von Metternich vorgeschla­ gene Passus in den Bundesbeschluß aufgenommen.277 „Diplomatische Ver­ mittlung, richterliche Entscheidung − ohne Justizhoheit des Bundes, aber in dessen Auftrag − und politische Garantie des Vollzuges bildeten so eine ver­ fassungsrechtliche Einheit.“278 Auf Antrag Hannovers wurde der Beschluß später dahin gehend präzisiert, daß bei den Bundesstaaten, die nur einen An­ teil an einem gemeinschaftlichen Oberappellationsgericht hatten, der Kläger auch wirklich zwischen drei Gerichtshöfen wählen konnte.279 Wenngleich der Bundestag mit dem Bundesbeschluß vom 16. Juni 1817 zwar sehr zügig zu einer Regelung gelangt war, flammte die Diskussion über das Austrägalwesen des Deutschen Bundes bereits Ende 1818 wieder auf. Auslöser war die erste Streitsache, die der lippischen Häuser280, die nach württembergischer Ansicht die Unzulänglichkeit der bestehenden Regelung gezeigt hatte.281 König Wilhelm I. brachte deshalb eine permanente Austrägal­ instanz erneut in Vorschlag, die durch den Bundesbeschluß ja nur ausgesetzt 277 Vgl. Dok. 139, die Zitate S. 644 f. (HV i. O.). Vgl. dazu Huber, Deutsche Verfassungsge­ schichte, Bd. 1, S. 626 f.; Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 1, S. 57; Leonhardi, Das Austrägalverfahren des Deutschen Bundes, Bd. 1, S. 115−119, bietet nur den Text, aber keine Analyse des Beschlusses. 278 Vgl. Müller-Kinet, Die höchste Gerichtsbarkeit im deutschen Staatenbund, Zitat S. 82, und Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 626 ff. 279 Vgl. Dok. 140. 280 Der Streit zwischen Schaumburg-Lippe und Lippe wegen Herrschaftsrechten über das Amt Blomberg und wegen der im Jahre 1709 eröffneten Brackischen Erbschaft wurde erst 1838 durch das Oberhofgericht Mannheim entschieden. Vgl. Leonhardi, Das Austrägalverfahren des Deutschen Bundes, Bd. 1, S. 383−451 u. Bd. 2, S. 224−276. 281 Bis 1866 kam es zu 32 Verfahren, die fast ausschließlich vor den Oberappellationsgerichten der Mittel- und Kleinstaaten verhandelt wurden und im Durchschnitt sechseinhalb Jahre

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worden sei. Das Austrägalverfahren werde dadurch „ungleich fester, be­ stimmter und geregelter“, als das bei „einer Versammlung von Abgeordneten der Bundesstaaten, deren Beruf keine genaue Rechtskenntniß fordert“, mög­ lich sein könne. Zudem hielt der Monarch die Verabschiedung einer Exeku­ tionsordnung für erforderlich, um die Vollziehung der Austrägalerkenntnisse zu gewährleisten. Der Bundestagsgesandte Wangenheim erhielt deshalb den Auftrag, bei anderen Kollegen, vorzüglich jenen, die sich bereits früher für eine permanente Austrägalkommission erklärt hatten, über die Form und Auf­ stellung einer solchen Instanz zu sondieren, um einen entsprechenden Antrag in der Bundesversammlung vorzubereiten.282 Dieser suchte daraufhin den preußischen Bundesstagsgesandten Goltz und den Frankfurter Johann Fried­ rich Danz von der „größern Zwekmäßigkeit einer permanenten AusträgalCommißion“ und der Notwendigkeit einer Exekutionsordnung zu überzeu­ gen.283 Während von Goltz keine Antwort überliefert ist, teilte Danz seinem württembergischen Kollegen mit, daß es der Wunsch der Freien Städte sei, „daß eine permanente Instanz errichtet werden möge“ und diese bei allem mitwirken würden, „was zu Erreichung dieses wohlthätigen Zweks, nur im­ mer beitragen kann“. Die Bearbeitung einer Exekutionsordnung sei hingegen bereits einer eigenen Kommission übertragen worden284, von der man eine erschöpfende Begutachtung der Angelegenheit erwarten könne.285 Danach geriet die Sache jedoch ins Stocken, wenngleich der neue preußi­ sche Außenminister Graf Bernstorff ein halbes Jahr später mit einem baldigen Antrag auf Abänderung der Austrägal­ordnung von 1817 rechnete. Der Bun­ destagsgesandte Goltz wurde für diesen Fall instruiert, für eine Erweiterung der Kompetenz des Bundestags um Besitzstandsstreitigkeiten zu stimmen. Die Bildung einer permanenten Austrägalinstanz wurde dagegen weiterhin abgelehnt: zum einen, weil das Wesen eines solchen Bundestribunals in Wi­ derspruch zum Begriff der Austräge stehe; zum anderen, weil die geringe An­ zahl von Streitfällen ein von allen Bundesgliedern besetztes Bundestribunal entbehrlich mache. Hingegen wurde die fehlende Ausbildung neuer Rechts­ quellen und Rechtsnormen bei summarisch-possessorischen Streitsachen ­anerkannt, auf deren Grundlage Recht gesprochen werden könne. Die von Württemberg geforderte Einführung einer Exekutionsordnung hielt Bernstorff zum gegenwärtigen Zeitpunkt für überflüssig und unpassend. Die Einführung dauerten. Die vorgeschriebene Verfahrensdauer von einem Jahr wurde nur in einem Fall eingehalten. Vgl. Kotulla, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 358. 282 Vgl. Dok. 141, die Zitate S. 650. 283 Vgl. Dok. 142, Zitat S. 651. 284 Vgl. ProtDBV 1818, 1. Sitzung vom 12. Januar 1818, § 2, S. 3. 285 Vgl. Dok. 143, die Zitate S. 652.

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einer Exekutionsordnung und die Errichtung eines Bundestribunals könnten zwar wohltätig sein, weil dadurch „um die verbündeten Regierungen ein fe­ steres Band geschlungen, und die Einheit Deutschlands deutlicher dargestellt werden würde“, doch sei dafür noch nicht der rechte Zeitpunkt gekommen.286 Obwohl Schwachpunkte der bestehenden Regelung deutlich geworden wa­ ren, fanden in der Bundesversammlung vorerst keine weiteren Verhandlungen über diese Materie statt. Das geschah erst auf den Wiener Ministerialkonfe­ renzen 1819/20, die zu einer Bestätigung und Konkretisierung des Bundesbe­ schlusses vom 16. Juni 1817 in der Wiener Schlußakte vom 15. Mai 1820287 führten. (2) Die Einführung landständischer Verfassungen In der öffentlichen Diskussion nach dem Zusammenbruch der napoleonischen Herrschaft wie auch in den Verhandlungen des Wiener Kongresses über die politische Neuordnung Deutschlands spielte neben der Gestaltung des äu­ ßeren Rahmens der deutschen Staatenwelt auch die Regelung der inneren Verfassung der Einzelstaaten eine wesentliche Rolle. Im Verständnis vieler Akteure waren beide Ebenen untrennbar miteinander verbunden. Die Kon­ fliktlinien verliefen dabei vor allem zwischen dem „Hegemoniestreben der großen deutschen Mächte“ und den „Souveränitätsansprüchen der Mittelstaa­ ten“. Nach den ersten Plänen Preußens und den von Österreich mitgetragenen „Zwölf Artikeln“ sollte der künftige Bund Richtlinien für die Einführung landständischer Verfassungen erlassen und für deren Umsetzung sorgen.288 Hinter dem Bemühen um die Herstellung „rechtsstaatliche[r] Zustände auf ständischer Basis“289 stand freilich eine doppelte Absicht. Einerseits zielte sie auf eine Angleichung der höchst unterschiedlichen Verfassungsverhältnisse in Deutschland, andererseits wollten die beiden deutschen Vormächte „Bundes­ genossen im Innern der Rheinbundstaaten“ gewinnen290, um die Souveränität 286 Vgl. Dok. 145, Zitat S. 672. 287 Vgl. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 91−100, hier S. 94 (Art. 21−24). Zu den Wiener Verhandlungen vgl. Ilse (Hrsg.), Protokolle der deut­ schen Ministerial-Conferenzen, bes. S. 133, 138−146, 154 f., 360 f. u. 389−392; Weech (Hrsg.), Correspondenzen und Actenstücke, S. 75−79; Müller-Kinet, Die höchste Gerichts­ barkeit im deutschen Staatenbund, S. 92−95. 288 Vgl. Hahn/Berding, Reformen, Restauration und Revolution 1806−1848/49, die Zitate S. 134. Die nachfolgenden Ausführungen sind eng an die Darstellung von Hahn/Berding angelehnt. 289 Vgl. Wunder, Landstände und Rechtsstaat, Zitat S. 154. 290 Vgl. Mager, Das Problem der landständischen Verfassungen auf dem Wiener Kongreß, Zitat S. 319.

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der Mittelstaaten von innen her auszuhöhlen und damit deren Widerstand ge­ gen die preußisch-österreichischen Hegemonialpläne zu brechen. Unter gro­ ßem Zeitdruck kam es in den zweiten deutschen Konferenzen vom Mai/Juni 1815 zwar zu einer Annäherung der Standpunkte, aber nur um den Preis eines „fortschreitenden Inhalts- und Präzisionsverlust[s] des Verfassungsartikels“291, so daß die Endfassung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte schließlich asketisch knapp lautete: „In allen Bundesstaaten wird eine Landständische Verfassung statt finden.“292 Diese unbestimmte Kompromißformel begründe­ te zwar die Pflicht der Bundesstaaten, Verfassungen in ihren Ländern ein­ zuführen, doch ließ sie alle wesentlichen Fragen offen: den Termin der Ein­ führung, die Zusammensetzung und die Kompetenzen der Landstände, die Formen der Repräsentation und die Bestimmung des Verfassungsgebers. Un­ klar blieb zudem, ob in jedem Fall „eine neue Verfassung eingeführt werden mußte oder ob auch eine schon bestehende altständische Verfassung als voll­ wertige Erfüllung des Artikels 13 gelten konnte“.293 In allen diesen Fragen enthielt sich die Bundesakte „jedes Eingriffs in die Verfassungsautonomie der Gliedstaaten“.294 Das war Ausdruck der strukturellen Unterschiede und In­ teressendivergenzen innerhalb der deutschen Staatenwelt, hatte aber auch den Vorteil, daß eine drohende Festlegung auf ein den veränderten Rahmenbe­ dingungen angepaßtes altständisches Verfassungsmodell unterblieb.295 Die unbestimmte Fassung des Artikels 13 der Bundesakte beförderte nicht nur die öffentliche Diskussion296, sondern führte nach der Konstituierung der Bundesversammlung auch zu internen Überlegungen, worin denn der Anteil des Bundes in der landständischen Verfassungsfrage bestehen könne, obwohl Artikel 13 der Bundesakte keine explizite Handlungsaufforderung an die Bundesversammlung wie in anderen Bereichen (z. B. Handel und Verkehr, Pressefreiheit, Büchernachdruck) enthielt. Bereits in seiner ersten Rede vom 11. November 1816 leitete der österreichische Präsidialgesandte Graf Buol entgegen dem Wortlaut der Bundesakte eine Mitwirkung des Bundestags an der Entwicklung des Artikels 13 aus den „nationellen Richtungen des ­Bundes“ ab und formulierte dazu zwei Grundsätze: zum einen die Festlegung zweckmäßiger „gleichförmig[er]“ Grundsätze durch die Bundesversamm­ lung, zum anderen die Ausfüllung dieses Rahmens nach den „örtlichen und 291 Vgl. Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte 1776−1866, Zitat S. 71. 292 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, Zitat S. 1513. 293 Vgl. Ehrle, Volksvertretung im Vormärz, T. 1, Zitat S. 10 (HV i.O). 294 Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 640 f., Zitat S. 640 (HV i. O.); außer­dem Ehrle, Volksvertretung im Vormärz, T. 1, S. 8−13. 295 Vgl. Ehrle, Volksvertretung im Vormärz, T. 1, S. 10, und allgemein Strathmann, Altständi­ scher Einfluß auf die deutschen Territorialverfassungen. 296 Vgl. Ehrle, Volksvertretung im Vormärz, T. 1, S. 12 ff.

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Personal-Verhältnissen“ durch die Bundesstaaten.297 Zwei Stränge der Dis­ kussion auf dem Wiener Kongreß wurden damit wieder aufgenommen. Im Kommissionsvortrag über die Reihenfolge der Geschäfte des Bundestags vom 17. Februar 1817 wurden dann die Wichtigkeit der Materie unterstrichen und die Aufgabenstellung Buols bekräftigt.298 Den Anstoß zu einer ersten Debatte in der Bundesversammlung gab indes Sachsen-Weimar mit einem Garantiegesuch für das „Grundgesetz über die Landständische Verfassung des Großherzogthums Sachsen-Weimar-Eisen­ ach“ vom 5. Mai 1816, das „zum erstenmal eine überwiegend altständische Struktur des Landtags mit einem modernen Kompetenzenkatalog“ verbunden hatte.299 Da Artikel 129 die Sicherstellung dieser Verfassung unter die Ga­ rantie des Deutschen Bundes stellte300, brachte der Bundestagsgesandte ­Hendrich Ende November 1816 einen entsprechenden Antrag in der Bundes­ versammlung ein. Der Bund wurde darin aufgefordert, bei Verfassungs­ streitigkeiten zwischen Landesherr und Ständen als Schlichtungsinstanz zu fungieren und notfalls mit Zwangsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der Verfassung einzugreifen. Von der Übernahme einer solchen Garantie ver­ sprach sich Hendrich eine disziplinierende Wirkung auf alle Beteiligten und äußerte zugleich den Wunsch des Großherzogs, die Bundesversammlung möge „jene Verbindlichkeit zur Garantie ausdrücklich anerkennen“.301 Auf mögliche Konsequenzen dieses Antrags machten der oldenburgische und der österreichische Bundestagsgesandte aufmerksam. Berg wollte die Nachsuchung wie auch die Erteilung einer solchen Garantie dem „freyen ­Ermessen“ der Beteiligten überlassen. Eine Kenntnisnahme der Bundesver­ sammlung von allen Landesverfassungen sei zwar zweckmäßig und es könne darüber auch ein Beschluß gefaßt werden, doch ziehe die „Nothwendigkeit solcher Garantie für alle deutsche Bundesstaaten“ zwingend die Pflicht zur Vorlegung aller einzelstaatlichen Verfassungen in der Bundesversammlung nach sich. Daraus könne dann leicht ein Recht des Bundestags auf Erfüllung des Artikels 13 der Bundesakte abgeleitet werden.302 Buol machte hingegen deutlich, es unterliege keinem Zweifel, daß die Bundesversammlung kompe­ tent sei, im Namen des Deutschen Bundes die von Sachsen-Weimar nachge­ suchte Garantie zu übernehmen. Dem Bundestag müsse in einem solchen Fall 297 Vgl. Dok. 100, die Zitate S. 427 f. 298 Vgl. Dok. 114, S. 498 f. 299 Vgl. Ehrle, Volksvertretung im Vormärz, T. 1, Zitat S. 115; außerdem Müller, Ernst Chri­ stian August von Gersdorff, S. 42−57. 300 Vgl. Boldt (Hrsg.), Reich und Länder, S. 266−294, hier S. 294. 301 Vgl. Dok. 146, Zitat S. 678. 302 Vgl. Dok. 147, die Zitate S. 680.

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vorher aber die Feststellung erlaubt sein, daß die vorgelegte ständische Ver­ fassung „nicht den Bedingungen der Bundes­acte widerstreite“. Unter dieser Voraussetzung bleibe auch in Zukunft alles der freien Vereinigung zwischen Fürsten und Ständen überlassen. Österreich stimmte deshalb für die Übernah­ me der nachgesuchten Garantie.303 Die Bundesversammlung folgte diesem Vorschlag zwar nach kurzer Diskussion304, niemand griff jedoch den von Buol so en passant eingestreuten möglichen Prüfungsvorbehalt des Bundes­ tags auf, der zu einem Instrument der Einflußnahme des Bundes auf die ein­ zelstaatliche Verfassungsentwicklung hätte werden können. Mit der Garantie erhielt die Bundesversammlung die Befugnis, die weima­ rische Verfassung auf „Anrufen eines Beteiligten gegenüber drohenden Ver­ letzungen aufrechtzuerhalten“. In der Folge wurde eine solche Garantie dann nur noch in drei weiteren Fällen (Mecklenburg 1818, Sachsen-Hildburghau­ sen 1818 und Sachsen-Coburg 1822) übernommen, während andere Gesuche, vor allem dasjenige Badens, verschleppt und damit faktisch abgelehnt wur­ den. Österreich und Preußen waren daran nämlich nicht mehr interessiert, weil sie dadurch in die Verlegenheit gekommen wären, im Konfliktfall die Landstände der konstitutionellen Staaten Süddeutschlands gegen den jeweili­ gen Landesherrn hätten schützen müssen, was ihren restaurativen Intentionen völlig zuwidergelaufen wäre.305 Sieht man von der Beschwerde der lippe-detmoldischen Stände am Bun­ destag im Frühjahr 1817 ab, daß Fürstin Pauline, die die Einführung einer modernen Repräsentativverfassung beabsichtigte, ihre Rechte verletzt habe, als sie 1806 die ständische Verfassung außer Kraft gesetzt habe306, ruhte dann die landständische Angelegenheit im Bundestag bis zum Herbst 1817. Über die Vorgänge zur Jahreswende 1817/18 sind wir bislang in erster Linie aus bayerischen Quellen informiert. Danach habe eine Auslegung des Artikels 13 durch den Bundestag im Sinne einer Festlegung auf das altständische Modell gedroht, wodurch sich die bayerische Staatsführung gezwungen sah, die Flucht nach vorn anzutreten und die Verfassung vom 26. Mai 1818 zu erlas­ sen, um einem Bundestagsbeschluß zuvorzukommen.307 Diese Darstellung ist 303 Vgl. Dok. 148, Zitat S. 683. 304 Vgl. ProtDBV 1817, 18. Sitzung vom 19. März 1817, § 93, S. 146 f.; vgl. auch die Darstel­ lung bei Ilse, Geschichte der deutschen Bundesversammlung, Bd. 2, S. 99−118. 305 Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 649−651, Zitat S. 650. 306 Vgl. dazu Ilse, Geschichte der deutschen Bundesversammlung, Bd. 2, S. 184−236; Kiew­ ning, Fürstin Pauline zur Lippe 1769−1820, S. 536−594; ders., Hundert Jahre lippischer Ver­fassung 1819−1919, S. 5−89; Ehrle, Volksvertretung im Vormärz, T. 1, S. 182−188; Engel­bert, Der Konstitutionalismus in den deutschen Kleinstaaten, S. 111 f. 307 Vgl. v. a. Aretin, Bayerns Weg zum souveränen Staat, bes. S. 235−263; ders., Metternichs Verfassungspläne 1817/1818; ders., Drei Leben für die bayerische Krone, S. 155 ff.; Quint, Souveränitätsbegriff und Souveränitätspolitik in Bayern, S. 463−492.

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korrekturbedürftig, da dem Bundestagsgesandten Aretin einige Fehleinschät­ zungen unterlaufen sind. Die Mehrzahl seiner Kollegen hat nämlich weder eine verbindliche Auslegung des Artikels 13 durch die Bundesversammlung gefordert noch ein altständisches Verfassungsmodell favorisiert. Vielmehr richteten sich die Bemühungen auf eine verbindliche Festlegung der Voll­ ziehung des Artikels 13 durch die Einzelstaaten selbst. Sofern inhaltliche Vor­ schläge unterbreitet wurden, wiesen diese eher in Richtung von Repräsenta­ tivverfassungen. Auf den zunehmenden Unmut in der Öffentlichkeit über die Untätigkeit der einzelstaatlichen Regierungen und des Bundestags in der landständischen Verfassungsfrage reagierte Anfang Oktober 1817 zunächst der bremische Bundestagsgesandte Johann Smidt. Vor dem Hintergrund der politischen In­ stabilität in Frankreich, die zu einem neuen Krieg führen könne, forderte Smidt, daß sich die Bundesversammlung neben der Herstellung einer kräfti­ gen Militärorganisation auch mit der Einführung landständischer Verfassun­ gen beschäftigen müsse, um die moralische Kraft Deutschlands zu stärken. Diese Fragen „scheinen jetzt die Gemüther vieler redlich gesinnter Deutscher zu beschäfftigen“. Die Bundesversammlung sei deshalb gut beraten, wenn sie die Vollziehung des Artikels 13 „einmal pflichtmäßig […] zur Sprache“ brin­ ge. Die unterschiedliche Lage in den deutschen Staaten erfordere zwar eine zeitliche Flexibilität, da die Einführung neuer oder die Vervollkommnung be­ stehender Verfassungen mit jeweils spezifischen Schwierigkeiten verknüpft sei. Jeder Bundesstaat müsse jedoch aufgefordert werden, eine verbindliche Erklärung über die Frist abzugeben, „welche ihm zur Einführung der Verfas­ sung nothwendig seyn dürfte“. Eine solche Festlegung würde den Druck auf die Regierungen erhöhen, einen „wohlthätigen Eindruck“ in der Öffentlich­ keit hervorrufen und das „Zutrauen“ in die Bundesversammlung stärken.308 Der neue württembergische Bundestagsgesandte Wangenheim, der ent­ scheidenden Anteil am Zustandekommen der württembergischen Verfassung vom 25. September 1819 hatte, plädierte wenig später für ein mutiges und konsequentes Voranschreiten des Bundestags in der Verfassungsfrage. König Wilhelm I. teilte er mit, daß er über zuverlässige Informationen verfüge, daß Metternich bestrebt sei, „die Wirksamkeit des Bundes zu lähmen“. In Wien fürchte man sich vor dem „Heranwachsen und Mannbarwerden des Bundes­ tags“, so daß der „Mentor“ der Bundesversammlung, Graf Buol, angewiesen worden sei, „das arme Kind auf den bereits gesammelten Lorbeeren ausruhen zu laßen“ und „den Bundestage in seinem Organisations- und Entwikelungs­ prozeß, insolange wenigstens, bis die öffentliche Stimmung sich gesezt und 308 Vgl. Dok. 149, die Zitate S. 686, 690 u. 692.

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beruhigt haben wird, nur höchst langsam und bedächtlich vorschreiten zu laßen“. Insbesondere „[a]lle Verfaßungsfragen soll der Bundestag bei nahm­ hafter Pön unbedingt von der Hand weisen!“ Dem stehe freilich das Be­ mühen der übrigen Bundesglieder entgegen, den inneren Ausbau des Bundes voranzutreiben. Wangenheim prophezeite deshalb, der Bund müsse „scheitern, wenn die, welche das Steuer führen, ihn nicht zwischen seiner Scÿlla und seiner Charÿbdis“ − also der „Unmacht“ oder der „Ueber­macht der ­Bundesversammlung“ − hindurchzuführen verstünden. Deshalb müsse ein „Mittelweg“ eingeschlagen und der Bundestag „auch wirklich in die Lage“ versetzt werden, „wahrhaft Intereßantes zu berathen und dadurch ins Leben einzuführen“.309 Dazu gehörte für Wangenheim vor allem die Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte, wozu er in seiner beigefügten Denkschrift „Wenn ein Bund seyn soll, was ist seine dringendste Aufgabe in jetziger Zeit?“ kon­ krete Vorschläge unterbreitete. Ausgangspunkt seiner Überlegungen war die Frage, ob die Herstellung landständischer Verfassungen bloß Sache der Ein­ zelstaaten oder ob sie Aufgabe des Bundes sein solle? Wangenheim bejahte letzteres und schlug deshalb wie Buol die Festlegung allgemeiner Grundsätze durch den Bundestag vor. Die konkreten Vorschläge (Zweikammersystem zu­ mindest in den großen und mittleren Staaten, Mitwirkung der Landstände bei der Gesetzgebung, Bewilligung von Steuern und Abgaben, Mitaufsicht über deren Verwendung, Beschwerderecht über Mißbräuche und Mängel in der Staatsverwaltung, gesetzmäßige Bestrafung schuldiger Staatsdiener) gingen dann allerdings nicht über den auf dem Wiener Kongreß diskutierten Katalog hinaus. Damit wollte Wangenheim der „Gährung“ in der Bevölkerung begeg­ nen, die „ohne zeitige und zwekmäßige Leitung dieses moralisch-chemischen Prozeßes“ revolutionäre Erhebungen erzeugen werde. Der „herrschenden Idee irgendeiner Zeit blos widerstrebend“ entgegenzutreten, habe noch „nie ihren Durchbruch“ verhindert. Deshalb sei es entscheidend, daß man in der Verfassungsfrage „anfange zu thun, was man versprochen“. Sobald „Reprä­ sentativ-Verfaßungen“ eingeführt seien, würden die inneren Konflikte „in ge­ setzmäßige Schranken zurükgeführt“ und die Regierungen „schnell die Macht wieder“ gewinnen, die sie jetzt in der öffentlichen Meinung „zum Unglüke Aller größtentheils verlohren haben“. Es sei also keine Zeit zu verlieren, den Bundestag „mit der Feststellung ganz allgemeiner Grundsätze über Wesen und Form“ der in Artikel 13 der Bundesakte zugesicherten landständischen Verfassungen zu beschäftigen.310 309 Vgl. Dok. 150a, die Zitate S. 693−695 (HV i. O.). 310 Vgl. Dok. 150b, die Zitate S. 701 f. (HV i. O.).

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Zustimmung für seine Forderung, die eindeutig auf die Errichtung von Repräsentativverfassungen zielte, erhielt Wangenheim in erster Linie von außerhalb, etwa von Johann Friedrich Heinrich Schlosser, einem prominenten Frankfurter Juristen, der im Kreis der Bundestagsgesandten verkehrte und dort ein entsprechendes Memoire zirkulieren ließ. Mittels „einer authenti­ schen Auslegung“ des Artikels 13 der Bundesakte könne man, so Schlosser, sowohl die „Unabhängigkeit der einzelnen deutschen Staaten“ als auch die „Einheit des gesammten deutschen Staatenbundes“ gewährleisten.311 Widerspruch erfuhr Wangenheim hingegen durch den Hannoveraner Mar­ tens, dem er seine Denkschrift übersandt hatte. Von einem organischen Ge­ setz zur Entwicklung des Artikels 13 erwartete Martens mehr Negatives als Positives, vom Erlaß einzelstaatlicher Verfassungen hingegen einen wahren Gewinn für das Ganze, da das Vorbild der in der Verfassungsfrage voran­ schreitenden Staaten die anderen anspornen werde, ihnen nachzueifern. Au­ ßerdem werde Wangenheims Initiative nicht die erforderliche Mehrheit − nämlich Einstimmigkeit − erhalten oder der Katalog müsse so abgeschwächt werden, daß der intendierte Zweck − Wiederherstellung der Ruhe in Deutsch­ land und Hebung des Ansehens des Bundestags − nicht erreicht werden kön­ ne. Im letzteren Fall drohe sogar die Rücknahme bereits gewährter Verfas­ sungszusagen durch einzelne Bundesfürsten. Martens bekräftigte gleichwohl seinen Wunsch, daß ständische Verfassungen baldmöglichst zustande ge­ bracht werden mögen.312 Den „entscheidenden öffentlichen Schritt“ in der landständischen Angele­ genheit unternahm dann allerdings der mecklenburgische Bundestagsgesand­ te Plessen in der vertraulichen Sitzung vom 18. Dezember 1817.313 Anlaß war das Garantiegesuch der mecklenburgischen Großherzöge für die Patent­ verordnung über die Beilegung von Streitigkeiten zwischen den Fürsten und den Ständen in Angelegenheiten der Landesverfassung vom 28. November 1817, dem Plessen eine Motion wegen Erfüllung des Artikels 13 der Bundes­ akte in den deutschen Bundesstaaten beigefügt hatte. Über den Verlauf der Sitzung gibt es unterschiedliche Schilderungen. Der bayerische Vertreter Are­ tin berichtet, daß er ein letztes Mal versucht habe, Plessen von diesem schon seit längerem geplanten Schritt abzuhalten. Allerdings vergeblich. In der Sit­ zung sei es dann zu einem heftigen Wortgefecht zwischen Aretin und Wan­ genheim gekommen, in dessen Verlauf der württembergische Vertreter betont habe, daß die Bundesversammlung die Pflicht habe, die deutschen Regierun­ gen über die wahre Lage der Dinge aufzuklären und Vorschläge zur Beförde­ 311 Vgl. Dok. 157, die Zitate S. 737 f. 312 Vgl. Dok. 151. 313 Vgl. Dok. 153, Zitat S. 718.

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rung des allgemeinen Wohls zu unterbreiten. Nachdem der Präsidialgesandte Buol darauf hingewiesen habe, daß der Wortlaut des Artikels 13 den Zeit­ punkt der Einführung und die Ausgestaltung der landständischen Verfassun­ gen in das Ermessen der einzelnen Regierungen lege, sei Plessen zurückgewi­ chen und habe versichert, es sei nicht seine Absicht gewesen, zur Abgabe der geforderten Erklärungen einen bestimmten Termin festzusetzen.314 Seinem Monarchen gegenüber verteidigte Plessen seine Initiative damit, daß es seine Absicht sei, die „revolutionairen Strebungen welche immer mehr überhand nehmen und laut zu werden drohen, auf den Weg der Ordnung zu­ rückzuführen“. Zugleich sprach er die Erwartung aus, daß sein Antrag wegen Vollziehung des Artikels 13 DBA „[e]iniges Aufsehen“ in der Öffentlichkeit erregen werde. Ohne einen „solchen Impuls“ wäre angesichts des „Wider­ stand[s]“ und der „Aengstlichkeit“ mehrerer Kollegen nichts geschehen, schon gar nicht von seiten der süddeutschen Höfe. Er habe sich deshalb be­ müht, den Antrag mit „äusserster Vorsicht und in den abgemessensten Aus­ drücken“ zu stellen. Nachdem sein gesamter Antrag in der vertraulichen Sit­ zung durchgegangen sei, werde er ihn in der nächsten öffentlichen Sitzung förmlich zu Protokoll geben315, was dann auch am 22. Dezember 1817 ge­ schah. Die Motion allerdings nur in der abgeschwächten Form: die Gesandten mögen die Bundesversammlung über den Stand der Erfüllung des Artikels 13 der Bundesakte in ihren Staaten in Kenntnis setzen und der Bundestag die Einholung diesbezüglicher Instruktionen beschließen.316 Wangenheim, der sich seinerseits zuschrieb, den Antrag Plessens veranlaßt zu haben, verwahrte sich in einem Bericht an Außenminister Zeppelin ent­ schieden gegen Aretins Schilderung des Sitzungsverlaufs vom 18. Dezember 1817, und zwar insbesondere gegen den Vorwurf, daß er „in der Discußion mit Herrn von Martens eine, die Grenzen diplomatischer Mäßigung über­ schreitende Lebhaftigkeit gezeigt habe“, und verteidigte offensiv seine An­ sichten. Bayern tendiere dazu, den Deutschen Bund „so loker als immer ­möglich zu halten und alles zu hintertreiben, was nur immer der Ausübung unbeschränkter Willkühr Schranken zu setzen geeignet scheint“. Zu diesen Schranken gehöre nun einmal die Vorschrift der Bundesakte, daß in allen deutschen Bundesstaaten „Verfaßungen seyn sollen“. Würden die vom Prä­ sidialgesandten Buol ausgesprochenen Grundsätze − der Termin der Ein­ führung und die Ausgestaltung der landständischen Verfassungen hänge vom ­Ermessen der einzelnen Regierungen ab − befolgt, würde Artikel 13 der Bundes­akte zu einer bloßen Leerformel. Während Bayern diesen Standpunkt 314 Vgl. Dok. 150b. 315 Vgl. Dok. 153, die Zitate S. 719 f. 316 Vgl. Dok. 154.

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„vortrefflich gefunden“ habe, halte er, Wangenheim, „jene jesuitischen Grundsätze für abscheulich“, da sie die Glaubwürdigkeit des Bundestags un­ tergrüben. Denn nur „gute“ Verfassungen könnten den angestrebten „Zweck“ erreichen.317 Der oldenburgische Bundestagsgesandte Berg, neben Plessen der einfluß­ reichste Vertreter der mindermächtigen Staaten in Frankfurt, begrüßte den mecklenburgischen Antrag; dieser habe Bewegung in die landständische An­ gelegenheit gebracht. Während Bayern und Österreich Bedenken hegten, den Gegenstand in gemeinsame Beratung zu bringen, sei die Sache „schon seit einiger Zeit durch die Bewegung unter dem Volke so weit gediehen, daß es […] gewiß gut ist, sie jezt in Anregung gebracht zu haben“. Der Bundestag müsse die Sache nun „mit Ernst, Festigkeit und Vorsicht“ behandeln, aber auch die „unrichtigen Urtheile und ungeziemenden Anmaßungen“ zurückwei­ sen, „die immer mehr zunehmen würden“, wenn man in der Sache weiterhin schweige. Die Aufstellung von Grundsätzen durch die Bundesversammlung hielt Berg deshalb für sinnvoll, inhaltlich setzte er jedoch andere Akzente als Wangenheim: Die Initiative in landständischen Angelegenheiten müsse vom Regenten ausgehen, und dort, wo die „rechtmäßige Regierung unerschüttert fortbesteht“, sei ein neuer Verfassungsvertrag ein „Unding“, also entbehrlich. Bestehende altständische Verfassungen konnten somit aufrechterhalten wer­ den, und das Recht des Souveräns, eine Verfassung zu o­ktroyieren, blieb ­ungeschmälert erhalten, während die Auffassung Wangenheims, Artikel 13 impliziere Repräsentativverfassungen, zurückgewiesen wurde.318 Wenngleich Buol eine Abschwächung der Motion Plessens gelungen war, brachte Metternich seine grundsätzliche Unzufriedenheit mit der Arbeit und Richtung der Bundesversammlung zum Ausdruck. Der Bundestag bilde einen Körper „aus erleuchteten und gewandten Geschäftsleuten“, hieß es maliziös, „deren natürlicher Trieb zum Guten“ kein ausreichendes Betätigungsfeld fin­ de. Deshalb konzentriere man sich auf eine „Bewegung im Geiste“ und über­ sehe darüber die wirklichen Gefahren und Probleme. Alle derzeitigen Phäno­ mene in Deutschland und Europa seien, so Metternich, die Folge zweier „sich stets kreuzenden, in ihren Ansichten und Absichten nicht zu vereinigenden Partheien. Die eine fürchtet den Drang des Zeitgeistes; die andere sucht ihn zum Behufe verruchter Zwecke zu steigern und zu benützen“. Österreich ste­ he dagegen in der „Mitte“: man teile weder die „Furcht der Einen, noch die Hoffnungen der Andern“, sondern die Absicht gehe dahin, beide „Partheien zu bekämpfen“. Die Berichterstattung in der Presse und die „Umtriebe der rein-revolutionären Parthei“ würden auf das „nachtheiligste“ in das Verfas­ 317 Vgl. Dok. 159, die Zitate S. 743 u. 749. 318 Vgl. Dok. 155, die Zitate S. 726 u. 730.

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sungswesen hineinwirkten. Der Kaiser werde sich deshalb zur rechten Zeit in der landständischen Sache erklären und stets die „Feinde der öffentlichen Ruhe bekämpfen“.319 Die seit Anfang 1818 erfolgenden Abstimmungen in der Bundesversamm­ lung über die Motion Plessens fielen höchst unterschiedlich aus. Während Bayern Verhandlungen am Bundestag über die Einführung landständischer Verfassungen und die Festlegung „allgemeine[r] Grundsätze“ über deren Or­ ganisation und die landständischen Rechte kategorisch ablehnte320, forderten Sachsen-Weimar und Sachsen-Hildburghausen321 gerade letzteres in Anleh­ nung an die Kaisernote der mindermächtigen deutschen Staaten vom 16. No­ vember 1814322. Der niederländisch-luxemburgische Bundestagsgesandte ­Gagern betonte, daß der Ausdruck „wird“ in Artikel 13 weder eine Gleich­ zeitigkeit der Einführung noch einen bestimmten Zeitpunkt, bis zu welchem die Einführung landständischer Verfassungen geschehen sein müsse, impli­ ziere. Zugleich teilte er mit, daß durch die niederländische Verfassung vom 24. August 1814 das Großherzogtum Luxemburg zusammen mit allen ande­ ren Provinzen des Königreichs bereits eigene Landstände erhalten habe.323 Schließlich hoben Preußen324 und Nassau325 hervor, daß die „große Verschie­ denheit der deutschen Bundesstaaten“326 individuelle Lösungen bei den stän­ dischen Einrichtungen erfordere und zuvor die Integration sämtlicher Gebiete in den Staatsorganismus abgeschlossen werden müsse. Deshalb sei es schwie­ rig, einen festen Termin für die Erfüllung des Versprechens des preußischen Königs vom 22. Mai 1815327, „eine ständische Verfassung“ in seinem Staat einzuführen, zu nennen. Während Goltz die Bereitschaft seiner Regierung zu Protokoll gab, eine Erklärung über den Stand und Fortgang der ständischen Einrichtungen nach Ablauf eines Jahres in der Bundesversammlung abzuge­ ben328, kündigte Nassau eine baldige Einberufung seiner Ständeversammlung an, die am 3. März 1818 dann auch zusammentrat, so daß Artikel 13 der Bun­ desakte erfüllt war.329 319 Vgl. Dok. 158, die Zitate S. 738−741 (HV i. O.). 320 Vgl. Dok. 156, Zitat S. 733. 321 Vgl. Dok. 161. 322 Vgl. QGDB I/1, Dok. 128, S. 780. 323 Vgl. Dok. 165, Zitat S. 770. 324 Vgl. Dok. 160. 325 Vgl. Dok. 163. 326 Vgl. Dok. 160, Zitat S. 753. 327 Zu diesem zweiten königlichen Verfassungsversprechen und dessen Bruch vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 302−304; Koselleck, Preußen zwischen Reform und Revolution, S. 214−216; Obenaus, Anfänge des Parlamentarismus in Preußen, S. 81 ff. 328 Vgl. Dok. 160, S. 754. 329 Vgl. Dok. 163.

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Nach Einschätzung von Goltz hatte vor allem die preußische Abstimmung im Bundestag zu einer „Milderung des gereizten Tones öffentlicher Aeuße­ rung“ beigetragen. Wenn dieser Effekt anhalten solle, müsse die Verfassungs­ diskussion aber auf der einzelstaatlichen Ebene ernsthaft weitergeführt und die versprochene Erklärung über den Stand der landständischen Angelegen­ heiten pünktlich abgegeben werden. Eine „ruhige Entwickelung der Land­ stände-Sache im Umfange Deutschlands [scheine] nunmehr wohl ziemlich entschieden“, da Beispiele konstitutioneller Verfassungen in „nicht unbedeu­ tender Zahl bereits vorliegen“ und sich in naher Zukunft die Zahl „gemäßig­ ter“ Verfassungen bedeutend vermehren dürfte.330 Den vorläufigen Abschluß der Debatte markierte dann die österreichische Abstimmung vom 6. April 1818, die wesentliche Forderungen Preußens auf­ griff. Der von Buol am 11. November 1816 geäußerte Wunsch, die landstän­ dische Angelegenheit durch die Bundesversammlung näher regeln zu lassen, wurde offiziell aufgegeben, da die Mehrzahl der Regierungen die Behandlung dieser „vaterländische[n] Angelegen­heit“ nach den individuellen Bedürfnis­ sen und Verhältnissen ihrer Staaten vorzunehmen wünsche. Neben altständi­ schen und modernen Repräsentativverfassungen konnten somit auch pro­ vinzialständische Verfassungen als Erfüllung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte gelten. Obwohl dieser keinen bestimmten Termin vorschreibe, wurde doch angemahnt, das in der Bundesakte eingegangene Versprechen so­ bald und so gut wie möglich zu erfüllen. Zugleich unterstützte Österreich den preußischen Antrag, die Bundesversammlung möge binnen Jahresfrist von den weiteren Einleitungen und erzielten Resultaten in Kenntnis gesetzt wer­ den.331 Der Bundesbeschluß vom 25. Mai 1818 stellte dann die mecklenburgische Patentverordnung vom 28. November 1817 unter die Garantie des Bundes. Hinsichtlich der Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte blieb es bei der vorgeschlagenen Berichtspflicht derjenigen Bundesstaaten, in ­denen eine ständische Verfassung noch nicht realisiert worden war. Diese sollten binnen Jahresfrist über den Fortgang der ständischen Angelegenheiten berichten.332 Damit war dieses Thema für ein ganzes Jahr vom Tisch. Ganz zur Freude Preußens, da der Beschluß „in seinem ganzen Wesen“ mit der ei­ genen Position übereinstimme.333 Damit war der Versuch einiger Bundestagsgesandter, in der Bundesver­ sammlung einheitliche Rahmenbedingungen für die Einführung landständi­ 330 Vgl. Dok. 162, die Zitate S. 758 u. 760. 331 Vgl. Dok. 164, Zitat S. 768. 332 Vgl. Dok. 166. 333 Vgl. Dok. 167, Zitat S. 773.

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scher Verfassungen zu beschließen, gescheitert. Die weitreichenden Forde­ rungen Wangenheims hatten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg, da Bayern entschlossen war, sein Veto einzulegen. Allerdings traten in dieser Frage auch inhaltliche Differenzen deutlich zutage zwischen den Vertretern der süddeutschen Staaten (Wangenheim), die eine moderne Repräsentativ­ verfassung anstrebten, und denen der norddeutschen Staaten (Smidt, Plessen, Berg), in denen altständische Traditionen vorherrschten.334 Deshalb blieb als gemeinsamer Nenner nur die Aufforderung an alle Bundesstaaten, die noch keine Verfassung eingeführt hatten, die landständischen Angelegenheiten zü­ gig voranzutreiben und den Bundestag über den Stand der Arbeiten zu infor­ mieren. Dadurch wurde immerhin klargestellt, daß eine Verschiebung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag durch Artikel 13 der Bundesakte nicht gedeckt war. Die Behauptung Treitschkes, die Bundestagsgesandten seien in Frankfurt in dem „stillschweigenden Entschlusse“ zusammengetreten, die „heikliche Fra­ ge“ der landständischen Verfassungen „nicht zu berühren“335, ist also nach­ weislich falsch und schon vor 150 Jahren durch Ilse336 widerlegt worden. Die im Winter 1817/18 zeitweilig erregt geführte Debatte in der Bundes­ versammlung trug allerdings indirekt mit dazu bei, daß Bayern, Baden, Württemberg und Hessen-Darmstadt zwischen 1818 und 1820 Repräsentativ­ verfassungen nach dem Muster der französischen Charte (1814) erhielten und diese dadurch zu „Kernstaaten des ,konstitutionel­len Deutschland‘ “ wurden. Neben „integrations- und finanzpolitische[n] Beweggründe[n]“ hatte dabei auch das Bestreben eine Rolle gespielt, die errungene „Staatssouveränität“ vor Einmischungen des Deutschen Bundes zu bewahren, obwohl eine solche Gefahr, wie wir gesehen haben, in den Jahren 1818/19 nicht wirklich gegeben war.337 Der stürmische Verlauf der ersten Landtagsverhandlungen in Nassau, Bayern und Baden 1818/19, die von heftigen Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Ständen gekennzeichnet waren, erschütterte freilich auch die Hoffnungen, die Bundestagsgesandte wie Wangenheim und Plessen in die be­ friedende Wirkung moderner Repräsentativverfassungen gesetzt hatten. Die Ermordung der Schriftstellers August von Kotzebue durch den Burschen­ 334 Vgl. den Überblick bei Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 656, sowie aus­ führlich Ehrle, Volksvertretung im Vormärz. Zum Entwicklungsgefälle vom Südwesten zum Nordosten Deutschlands vgl. auch Sheehan, Der Ausklang des alten Reiches, S. 377; ­Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 328−331; Kotulla, Deutsche Verfas­ sungsgeschichte, S. 349−352. 335 Vgl. Treitschke, Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert, Bd. 2, Zitat S. 163. 336 Vgl. Ilse, Geschichte der deutschen Bundesversammlung, Bd. 2, S. 99−236. 337 Vgl. Fehrenbach, Verfassungsstaat und Nationsbildung, S. 2 ff., die Zitate S. 2 f.; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 315 ff.; Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschich­ te, Bd. 2, S. 328 ff.; Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800−1866, S. 344−354.

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schafter Karl Ludwig Sand und das fehlgeschlagene Attentat auf den nassau­ ischen Regierungspräsidenten Ibell veränderten dann die Situation grund­ legend. Metternich, dem die süddeutschen Verfassungen ein Dorn im Auge waren, konnte die herrschende Revolutionsfurcht nutzen, um die schon seit längerer Zeit anvisierte restaurative Wende in der Bundespolitik zu betreiben. Auf den Karlsbader Geheimkonferenzen gehörte dazu auch der − letztlich gescheiterte − Versuch, mittels einer authentischen Interpretation des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte eine „verfassungspolitische ,Gleichschal­tung‘ “ aller Bundesstaaten im altständischen Sinne zu be­treiben.338 (3) Initiativen zur wirtschaftlichen Integration Mit dem Untergang des Alten Reiches und der großen Flurbereinigung der deutschen Landkarte veränderte sich auch das Zollwesen in Deutschland. Im Unterschied zu den westeuropäischen Staaten vollzog sich dieser Prozeß in Deutschland auf der Ebene der Einzelstaaten. Vor allem die größeren Rhein­ bundstaaten (Bayern, Württemberg, Baden, Hessen-Darmstadt, Nassau) ­nutzten ihre territoriale Arrondierung und die erlangte Souveränität zu einer umfassenden Neuordnung und Vereinheitlichung ihres Zollwesens. Neben zahlreichen Vorteilen hatte das aber auch gewisse Nachteile, da traditionelle Wirtschaftsregionen zerschnitten wurden und die neuen Grenzzollsysteme ­erhebliche Kosten verursachten. Trotz dieser Erfolge hatten die deutschen Staaten es aber schwer, sich gegen größere Volkswirtschaften wie England und Frankreich zu behaupten. Einen Ausweg aus dieser Situation versprach die Etablierung größerer, staatenübergreifender Zoll- und Wirtschaftsräume, die ökonomische Entwicklungspotentiale boten. Da man im rheinbündischen Deutschland über erste Schritte nicht hinauskam und es zudem weder in Preußen noch in Österreich gelungen war, innerhalb des eigenen Staatsge­ biets einen einheitlichen Wirtschaftsraum zu etablieren, war die handels- und zollpolitische Lage in Mitteleuropa nach dem Zusammenbruch des napoleo­ nischen Herrschaftssystems „höchst unbefriedigend“ und wuchs die „Kritik an den lästigen Handelsbarrieren“.339 Auf dem Wiener Kongreß 1814/15 war vor allem das in zwei Länderkom­ plexe zerfallende Preußen an einer Handels- und Zollpolitik der künftigen deutschen Föderation interessiert. In den „41 Artikeln“ Hardenbergs war des­ halb eine „zweckmässige Regulirung der Zölle“ und „Erleichterung des Han­ 338 Vgl. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 337 ff., Zitat S. 339; Büssem, Die Karlsbader Beschlüsse, S. 129−247 u. 380−415; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 643 ff. 339 Vgl. Hahn, Mitteleuropäische oder kleindeutsche Wirtschaftsordnung, die Zitate S. 188.

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dels“ durch die Bundesversammlung vorgesehen.340 Noch im österreichischpreußischen Entwurf einer deutschen Bundesakte vom 23. Mai 1815 ist in Artikel 17 von „zweckmäßigen Anordnungen“ der Bundesglieder im Bundes­ tag für „die Freiheit des Handels und Verkehrs zwischen den deutschen Staa­ ten“ die Rede.341 Dieser Wortlaut wurde dann auf Intervention Bayerns ab­ geschwächt zu der unverbindlicheren Fassung des Artikels 19 der Deutschen Bundesakte: „Die Bundesglieder behalten sich vor bey der ersten Zusammen­ kunft der Bundesversammlung in Frankfurth wegen des Handels und Ver­ kehrs zwischen den verschiedenen Bundesstaaten, so wie wegen der Schif�­ fahrt nach Anleitung der auf dem Kongreß zu Wien angenommenen Grundsätze in Berathung zu treten.“342 Die Forderung Bayerns, daß Beschlüs­ se darüber nur durch „vollkommene Einstimmung aller Mitglieder des Bun­ des zu Stande kommen“ sollten343, wurde allerdings nicht erfüllt.344 Artikel 19 der Deutschen Bundesakte schloß daher eine Zuständigkeit des Bundes in Zoll- und Handelsangelegenheiten nicht aus, schwächte sie jedoch zunächst auf ein Beratungsrecht ab. Damit blieb die handelspolitische Zuständigkeit der Einzelstaaten grundsätzlich erhalten, während bindende Beschlüsse in Zoll- und Handelsfragen gemäß Artikel 7 der Bundesakte nur einstimmig ge­ faßt werden konnten. Jeder Bundesstaat besaß damit ein Vetorecht in dieser Angelegenheit. Daß sich der Deutsche Bund damit nicht von vornherein „den Weg zu einer den realpolitischen Notwendigkeiten genügenden Handels- und Zollpolitik verschloß“345, zeigen die ersten handelspolitischen Debatten in der Bundes­ versammlung. Den Anlaß dazu bildeten die Mißernten der Jahre 1816/17, die zu einem Mangel an Getreide und einer enormen Teuerung führten und große Not verursachten. Die Bundesstaaten griffen deshalb Zuflucht zu Fruchtsper­ ren oder zumindest Ausfuhrbeschränkungen, um die Versorgung der einhei­ mischen Bevölkerung sicherzustellen. Die Folge war eine Behinderung des Getreidehandels innerhalb Deutschlands; durch die Erhöhung von Ausfuhr­ zöllen wurden zudem die Getreidepreise weiter in die Höhe getrieben.346 Vor dem Hintergrund dieser akuten Notlage wird verständlich, daß im Kommissionsvortrag über die Reihenfolge der zu erledigenden Geschäfte 340 Vgl. QGDB I/1, Dok. 31, Zitat S. 189 (Artikel 39). 341 Vgl. QGDB I/1, Dok. 228, Zitat S. 1306. 342 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, Zitat S. 1517. 343 Vgl. QGDB I/1, Dok. 232, Zitat S. 1348. 344 Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, Zitat S. 792 f. 345 Vgl. ebd. Zitat S. 793. 346 Zur Agrarkrise 1816/17 vgl. allgemein Abel, Massenarmut und Hungerkrisen im vorindu­ striellen Europa, S. 314−343, Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 2, S. 27 ff., und die eindrückliche Fallstudie von Müller, Hunger in Bayern 1816−1818.

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vom 17. Februar 1817 die Beratung des Artikels 19 der Bundesakte zu den vordringlichen Geschäften der Bundesversammlung gezählt wurde.347 Noch bevor das geschah, stellte Württemberg, das durch Sperrverfügungen seiner Nachbarstaaten besonders in Bedrängnis geraten war348, am 19. Mai 1817 im Bundestag einen Antrag auf Aufhebung der einzelstaatlichen Ausfuhrbe­ schränkungen für die notwendigsten Lebensbedürfnisse, insbesondere für ­Getreide und Schlachtvieh, da durch solche Partikularsperren das „allgemeine Wohl Aller“ beeinträchtigt werde. Im Bundestag sollte beraten werden, wie durch gemeinsame Maßregeln die Bundesstaaten einander nähergebracht und das Gemeinwohl aller im Deutschen Bund befördert werden könne.349 Die mit der Begutachtung des Antrags beauftragte Bundestagskommission (Aretin, Martens, Mandelsloh, Eyben, Plessen) widerstand der Versuchung, das Problem der Handelsfreiheit allgemein zu diskutieren, da schon bei dieser speziellen Materie unterschiedliche handels- und wirtschaftspolitische Auf­ fassungen und Zukunftsvorstellungen deutlich wurden, die in Separatvoten dreier Kommissionsmitglieder zum Ausdruck kamen. Der Mecklenburger Plessen gab sich als Anhänger des Freihandels zu erkennen: Artikel 19 der Deutschen Bundesakte ziele auf die Förderung des „gesammten Handels­ verkehr[s] zwischen den Bundesstaaten durch allgemein verabredete Be­ schlußnahme“ und auf die Beseitigung aller „einseitigen Störungen und ­Beschränkungen“. Die Aufhebung bestehender Fruchtsperren könne deshalb nur ein erster Schritt sein, um eine gleichmäßigere Versorgung der deutschen Bevölkerung mit Lebensmitteln und eine Ausgleichung des Preisniveaus durch Eindämmung der Spekulation zu bewirken − beides eine „NationalAngelegen­heit“, die „unbedenklich auf alle Staaten des deutschen Bundes auszudehnen“ sei. Der Übergang von dem „bisheri­gen Be­schränkungs- und Sperr-System zum freien Verkehr“ erfordere nicht zuletzt auch Modifikatio­ nen des Zollwesens; das ergebe sich schon aus dem Begriff und den Verhält­ nissen eines „gemeinsamen Nationalbundes“.350 Diese optimistische Zu­ kunftsvision Plessens wurde von seinem dänisch-holsteinischen Kollegen Eyben ganz und gar nicht geteilt, der zu bedenken gab, daß die schädlichen Wirkungen des „bisher üblichen Prohibitiv- oder Mercantil-Systems“ in ­Europa nicht von heute auf morgen abgestellt werden könnten. Obwohl die Einführung eines allgemeinen freien Handelsverkehrs im „Interesse der Na­ 347 Vgl. Dok. 114, S. 490 f.; Vorgeschichte und Begründung des Deutschen Zollvereins, Bd. 1, S. 299. 348 Vgl. Schnerring, Die Teuerungs- und Hungerjahre 1816 und 1817 in Württemberg, S. 45−78; Inauen, Brennpunkt Schweiz, S. 181. 349 Vgl. Dok. 168, Zitat S. 777. 350 Vgl. Dok. 170, die Zitate S. 786, 790 u. 792 f. (HV i. O.)

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tion und jedes einzelnen Bundesstaates“ liege, sei eine solche Übereinkunft derzeit kaum zu erreichen. Angesichts der aktuellen Notlage müsse sich der Bundestag auf das Machbare konzentrieren. Da eine Aufhebung der Grenzund Binnenzölle in den deutschen Bundesstaaten derzeit nicht zu bewirken sei, sollten diese zumindest verbindlich auf die Erhöhung von Zöllen ent­ weder ganz oder zumindest im laufenden Finanzjahr verzichten.351 Für den Hannoveraner Martens war eine Übereinkunft über die Herstellung eines all­ gemeinen freien Handelsverkehrs innerhalb des Deutschen Bundes „zwar eine grosse, herzerhebende und der zu Einer Nation vereinigten Staaten wür­ dige Idee“. Da diese Frage aber „von so grosser Wichtigkeit“ sei und „so tief in die Lage und Verfassung der einzelnen Staaten“ eingreife, könne ein befriedigendes Ergebnis nur die „Folge anhaltender reifer Prüfungen und ­ ­bedächtiger Unterhandlungen seyn“. Angesichts der ernsten Situation, die „schleunige Hülfe“ erfordere, müsse sich die Kommission auf die Abstellung aktueller Notstände bei Getreide, Kartoffeln, Gemüse und Schlachtvieh kon­ zentrieren.352 Die Bundestagskommission brachte in ihrem Vortrag vom 2. Juni 1817 dann zum Ausdruck, daß die Herstellung eines allgemeinen freien Handels­ verkehrs zwischen den deutschen Bundesstaaten zwar wünschenswert sei, aber eine umfassende Erörterung erfordere. Hinsichtlich der notwendigsten Lebensmittel hielt sie jedoch die Herstellung eines allgemeinen freien Frucht­ verkehrs im Gebiet des Deutschen Bundes sowie einvernehmliche Sperrmaß­ nahmen gegen das benachbarte Ausland für angebracht. Als Sofortmaßnahme wurden einige Verhaltensmaßregeln ausgesprochen: Die einzelstaatlichen Re­ gierungen sollten Rücksicht auf die Bedürfnisse der Nachbarstaaten nehmen und zwischenstaatliche Vereinbarungen über die Aufhebung von Fruchtsper­ ren treffen.353 Von erheblicher Brisanz war jedoch der beigefügte „Entwurf einer Übereinkunft zwischen sämtlichen deutschen Bundesstaaten über die Freiheit des Handels mit Getreide und Schlachtvieh“.354 Dieser sah mit ­Wirkung vom 1. Oktober 1817 die Aufhebung sämtlicher Ausfuhrverbote und Sperrmaßnahmen vor; zugleich verpflichteten sich sämtliche Bundesglieder, alle notwendigen Änderungen und Ausnahmen künftig „nicht [mehr] ein­ seitig zu verfügen, sondern auf dem Wege gemeinsamer Uebereinkunft“ (Artikel III). Damit hätten die Bundesstaaten freiwillig auf ihre alleinige ­ ­Re­gelungskompetenz im Bereich des Handelsverkehrs mit Getreide, Hülsen­ früchten, Kartoffeln und Schlachtvieh verzichtet und sich auf eine gemein­ 351 Vgl. Dok. 171, die Zitate S. 793−795. 352 Vgl. Dok. 169, die Zitate S. 778. 353 Vgl. Dok. 172. 354 Vgl. Dok. 173, das nachfolgende Zitat S. 806.

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same Vorgehensweise verpflichtet − und damit einen ersten konkreten Schritt in Richtung einer wirtschaftlichen Integration des Deutschen Bundes getan, der im Erfolgsfall geeignet war, das Ansehen des Bundes in der Bevölkerung zu erhöhen und die Handlungsfähigkeit des Bundestags unter Beweis zu ­stellen. Zu einem solchen Verzicht waren vor allem die kleineren Bundesstaaten bereit, die von Handelsbeschränkungen am stärksten betroffen waren und sich von einem freien Handelsverkehr zwischen den deutschen Staaten viel versprechen konnten. Nassau sprach sich deshalb für die Annahme des Ver­ tragsentwurfs aus, wollte dessen Verabschiedung aber im Gegensatz zu ­Bayern nicht vom Beitritt derjenigen Bundesstaaten abhängig machen, die auch außerdeutsche Provinzen besaßen. Sollten diese ihre Zustimmung ­verweigern, würde man zunächst auch einer Übereinkunft der reindeutschen Staaten beitreten.355 Vorbehaltlose Zustimmung äußerte auch Fürstin Pauline zur Lippe, die dem „ganzen Project der Commission gern bey[treten]“ wollte und lediglich bedauerte, daß die Vereinbarung erst zum 1. Oktober in Kraft treten solle. „Nur durch unbedingte wechselseitige Handelsfreyheit in allen Staaten des deutschen Bundes werden die schönen großen Hoffnungen ­befriedigt, die bereits der 19te Artickel der Bundesacte verlieh“. Daran werde man die „Verbrüderung der deutschen Länder erkennen, ihr Handel sich he­ ben, ihr Wohlstand wieder aufblühn“.356 Prinzipielle Zustimmung zum „Ent­ wurf“ äußerte sogar der preußische Staatskanzler Hardenberg, der lediglich „übereinstimmende Grundsätze“ bei den Ausfuhrzöllen (Artikel VIII.) für notwendig und wünschenswert hielt.357 Während eine große Mehrheit der Bundesstaaten dem württembergischen Antrag grundsätzlich zustimmte, richtete Bayern beträchtliche Hürden auf. Der Bundestagsgesandte Aretin signalisierte zwar eine grundsätzliche Bereit­ schaft zum Abschluß der vorgeschlagenen Übereinkunft, doch wurde dies an zwei wesentliche Bedingungen geknüpft, von denen unklar war, ob sie erfüllt werden würden: Zum einen sollten sämtliche Bundesstaaten mit allen ihren Territorien der Übereinkunft beitreten, zum anderen die Verkehrsverhältnisse im Innern der Bundesstaaten sowie der Handel mit Getreide in Deutschland und mit dem Ausland keinen Beschränkungen des Bundestags unterworfen sein. Damit stand der Versuch der Bundestagskommission, die Regelung des freien Verkehrs mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen zu einer Gemein­ schaftsaufgabe zu machen, vor dem Scheitern.358 355 Vgl. Dok. 177. 356 Vgl. Dok. 174, die Zitate S. 808. 357 Vgl. Dok. 175, Zitat S. 809. 358 Vgl. Dok. 176.

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Das bayerische Kalkül, Österreich werde die Einbeziehung seiner nicht zum Bund gehörenden Länder ablehnen, ging nämlich kurze Zeit später auf. Der Präsidialgesandte Buol, der als Vorletzter das Wort ergriffen hatte, teilte im Engeren Rat zunächst lapidar mit, daß er noch keine Weisungen erhalten habe und, da sich Kaiser Franz I. auf Reisen befinde, damit sobald auch nicht zu rechnen sei.359 Buol spielte deshalb auf Zeit und versuchte zugleich der Sache eine andere Richtung zu geben, indem er, obwohl Eile angesagt war, Berichterstattung an die Regierungen vorschlug, „um eine definitive Ueber­ einkunft treffen zu können, welche nach den in der Mehrheit der vorliegen­ den Abstimmungen ausgesprochenen Grundsätzen dahin gemeinsam abzu­ schliessen wäre“. Gegenstand der Instruktionseinholung war jedoch nicht mehr der „Entwurf“ der Bundestagskommission, sondern sechs Punkte, die einige signifikante Abweichungen aufwiesen: Der Beitritt der nicht zum Bund gehörenden Länder der Bundesstaaten war nicht mehr erforderlich, außerdem sollten die Ausfuhr und der Handel zur See sowie der Handel mit dem Aus­ land kein Gegenstand der angestrebten Vereinbarung sein. Eine der beiden Forderungen Bayerns war damit abgelehnt und zugleich Versuchen einer Ausweitung der beabsichtigten Konvention auf andere Handelsbereiche ein Riegel vorgeschoben. Indem die Bundesversammlung dem Antrag Buols zu­ stimmte360, wurde die Uhr wieder zurückgestellt, und die Debatte über den freien Verkehr mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen in den Bundesstaa­ ten mußte noch einmal von vorne beginnen. Es dauerte dann ein halbes Jahr, bis die ersten Abstimmungen erfolgten. Diese enthielten gegenüber der ersten Abstimmungsrunde inhaltlich wenig Neues, doch wurde auch die Zustimmung zu den sechs Punkten zumeist an die Erfüllung bestimmter Sonderwünsche geknüpft.361 Das galt vor allem für Bayern, das seine bisherigen Bedingungen zwar etwas abschwächte. Gefor­ dert wurde jedoch zumindest der freie Transit ausländischen Getreides durch alle nicht zum Bund gehörigen Länder der Bundesstaaten, bei der Regulie­ rung der Ausfuhrzölle wollte man an den Bestimmungen des bayerischen Zoll- und Mautgesetzes vom 23. September 1811 festhalten und außerdem die Ausfuhr von Getreide in die Schweiz nach eigenem Ermessen unbe­

359 Vgl. Dok. 178. 360 Vgl. Dok. 179, Zitat S. 821 (HV i. O). 361 Vgl. ProtDBV 1818, 9. Sitzung vom 16. Februar 1818, § 34, S. 91−101 (Württemberg, ­Bayern, Sachsen, Hannover, Baden, 12., 15., 16. und 17. Kurie); 11. Sitzung vom 23. Fe­ bruar 1818, § 42, S. 118 f. (Holstein-Lauenburg); 13. Sitzung vom 2. März 1818, § 55, S. 141 f. (Preußen); 14. Sitzung vom 5. März 1818, § 67, S. 166 f. (Hessen-Darmstadt); 19. Sitzung vom 20. April 1818, § 98, S. 256 f. (Luxemburg).

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schränkt selbst regulieren.362 Damit rückte eine Kompromißlösung zumindest etwas näher, für die sich insbesondere die Freien Städte stark machten. Sie wollten jeder Vereinbarung beitreten, die eine Begünstigung des freien Ver­ kehrs zum Ziel hatte, da sie der festen Überzeugung waren, daß die konkrete Erfahrung der „Wohlthat“ eines freieren Verkehrs eine unwiderstehliche ­Sogwirkung ausüben und „endlich zu einem ganz freien Verkehr führen“ ­werde.363 Diese Hoffnung erfüllte sich freilich nicht, da Österreich die Sache im Sommer 1818 endgültig zu Fall brachte. Der württembergische Antrag sei zwar, so der Präsidialgesandte Buol, von sämtlichen deutschen Regierungen positiv aufgenommen worden, doch hätten sich alle Mitgliedsstaaten nicht auf gleichförmige Grundsätze einigen können, da Bayern dem Entwurf einer Übereinkunft in drei wesentlichen Punkten nicht beitrete. Der von Bayern ge­ forderte freie Transit ausländischen Getreides durch alle nicht zum Bund ge­ hörigen Länder der Bundesstaaten führe zu einem Abfluß österreichischen Getreides in die übrigen deutschen Staaten. Deshalb müsse die Regelung die­ ser Materie besonderen Konventionen überlassen werden. Buol gab zwar der Hoffnung Ausdruck, daß dieser Gegenstand in der Zukunft „wieder in erneu­ erte Anregung“ und dann auch zu einem gemeinsamen Resultat gebracht ­werde, unterließ aber jeglichen Vermittlungsversuch, um in dieser wichtigen „National-Angelegenheit“ wenigstens zu einer Teileinigung zu kommen.364 Nach mehr als einjährigen Bemühungen stand der Bundestag mit leeren Händen da. Der Versuch, einen Beitrag zur Linderung der Hungerkrise zu leisten, war gescheitert, auch war es nicht gelungen, eine erste, wenn auch bescheidene Kompetenz in der Handels- und Zollpolitik zu erringen. Das hat­ te seinen Grund vor allem in den unterschiedlichen ökonomischen Strukturen und handelspolitischen Interessen der deutschen Bundesstaaten, die nicht auf einen Nenner zu bringen waren. Hinzu kamen „die besonderen Strukturbe­ dingungen der Habsburgermonarchie“, die einer „gemeinsamen bundes­ein­ heitlichen Handelspolitik“ entgegenstanden.365 Der zweite Impuls zu einer neuerlichen Beschäftigung mit Handels- und Zollfragen kam dann auch von außen. Unmittelbarer Anlaß waren die schwie­ rige wirtschaftliche Lage Deutschlands und das preußische Zollgesetz vom 362 Vgl. Dok. 180. Eine entsprechende Abstimmung gab der Bundestagsgesandte von Aretin in der 9. Sitzung vom 16. Februar 1818 zu Protokoll; vgl. ProtDBV 1818, § 34, S. 93−97. 363 Vgl. Dok. 181, Zitat S. 830. 364 Vgl. Dok. 182, die Zitate S. 836 u. 833. 365 Vgl. Hahn, Mitteleuropäische oder kleindeutsche Wirtschaftsordnung, die Zitate S. 190. Zur speziellen Situation Österreichs vgl. Lutz, Zwischen Habsburg und Preußen, S. 75 ff.; ­Otruba, Der Deutsche Zollverein und Österreich, S. 121 ff.; Beer, Die österreichische Handels­politik im neunzehnten Jahrhundert, S. 53 ff.

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Einleitung

26. Mai 1818. Dieses hob im Innern die Binnenzölle auf und schuf damit ei­ nen freien Binnenmarkt, nach außen wurde ein einheitliches Grenzzollsystem etabliert und damit der Staat zollpolitisch integriert. Anstoß erregten indes die Abriegelung der zahlreichen Enklaven, die in das preußische Territorium ein­ gesprengt waren, und der Druck auf die benachbarten Kleinstaaten, die in das preußische Zollsystem hineingezwungen werden sollten, außerdem die hohen Durchgangszölle und die strikte Durchführung des Gesetzes, um den Schmug­ gel zu unterbinden. Der preußische Alleingang und die rigorose Praxis er­ regten Aufsehen und Protest und führten zur Gründung gesamtdeutscher Interessen­verbände. Einer davon war der „Deutsche Handels- und Gewerbs­ vereins“366, der während der Frankfurter Ostermesse 1819 durch Kaufleute und Fabrikanten gegründet wurde und sogleich mit einer Bittschrift an die Deutsche Bundesversammlung herantrat, die von dem Tübinger Professor Friedrich List überreicht wurde. Darin wurden die traurige Lage von Handel und Gewerbe in Deutschland und deren Ursachen geschildert und zugleich der Ansicht widersprochen, die inländische Wirtschaft könne durch Zölle und Mauten gefördert werden; diese seien nur als Verteidigung gegen das Ausland gerechtfertigt. Die „Natur des deutschen Bundes“ erfordere hingegen die „Vereinigung der Kraft und Interessen Aller deutschen Völkerstämme, zum Behuf der Vertheidigung nach Aussen, der Beförderung der National-Wohl­ fahrt im Innern (in soweit dieselbe nicht von den einzelnen Regierungen er­ reicht werden kann) dieß ist der Zweck des Bundes“. Die Bundesversamm­ lung wurde deshalb aufgefordert, die Interessen des „deutschen Volkes“ durch „Bundes-Duanen“ zu schützen. Die bestehenden 38 Zoll- und Mautlinien im Innern Deutschlands verhinderten das Aufkommen von „National-Wohl­ stand“ und „National-Gefühl“. Die Unterzeichner der Petition appellierten deshalb an den Bundestag, daß die Zölle und Mauten im Innern Deutschlands aufgehoben und ein auf dem Grundsatz der Retorsion beruhendes allge­meines deutsches Zollsystem gegen ausländische Staaten aufgestellt werden möge bis zur Herstellung der Handelsfreiheit in Europa.367 Der Bundesversammlung wurden zugleich die provisorischen Statuten des Deutschen Handels- und Gewerbsvereins überreicht. Unter den Gründungs­ mitgliedern und im Ausschuß des Vereins überwogen zwar Kaufleute aus Süddeutschland sowie aus dem hessisch-thüringischen Raum, doch wurde die Kaufmannschaft all jener Staaten, die bei der Gründung des Vereins gefehlt hatten, zum Beitritt eingeladen. Damit wurde der Anspruch des Vereins, Ver­ 366 Zur Gründung und Geschichte des Vereins vgl. ausführlich Olshausen, Friedrich List und der Deutsche Handels- und Gewerbsverein, bes. S. 12 ff.; Hahn, Geschichte des Deutschen Zollvereins, S. 28−32; und Best, Interessenpolitik und nationale Integration, S. 81−87. 367 Vgl. Dok. 183, die Zitate S. 840 f.

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treter des gesamten deutschen Handels und Gewerbes zu sein, unterstrichen. Die Bundesversammlung und der Senat der Stadt Frankfurt wurden über die Gründung des Vereins unterrichtet. Um beide zu beruhigen, wurde eigens ­betont, daß die Ziele des Vereins „durchaus nicht politischer Natur“ seien. „Er steht zum Staate ganz in demselben Verhältniß wie andere Privat-Vereine, z. B. Landwirthschaftliche, Gelehrten-Vereine.“368 Der mit der Begutachtung der Petition und der provisorischen Statuten des Deutschen Handels- und Gewerbsvereins beauftragte hannoversche Bundes­ tagsgesandte Martens tat sich mit dieser neuartigen Form gesellschaftlicher Interessenartikulation sichtlich schwer und sprach dem Verein nicht nur die Legitimation ab, als Vertreter des deutschen Handels- und Gewerbestandes auftreten zu können, sondern empfahl sogar, von diesem solange keine Notiz zu nehmen, bis eine formelle Anerkennung durch die Stadt Frankfurt erfolgt sei. Bis dahin seien die Statuten ad acta zu legen. Die eingereichte Bittschrift wurde deshalb wie eine Eingabe von Privatleuten behandelt. Hinsichtlich der Bitte um Aufhebung der Zölle und Mauten im Innern Deutschlands und um Aufstellung eines allgemeinen deutschen, auf dem Prinzip der Retorsion be­ ruhenden Zollsystems gegen die angrenzenden Staaten wies Martens vor ­allem auf vier zentrale Hindernisse hin, die eine Umsetzung der an sich be­ grüßenswerten Vorschläge erschwerten: 1. der staatenbündische Charakter des Deutschen Bundes, der eine Mitwirkung aller Mitgliedsstaaten erfordere; 2. der bedeutende Anteil der Zölle und Mauten an den Landeseinkünften vie­ ler Bundesstaaten, auf die nicht so ohne weiteres verzichtet werden könne; 3. die Ausschließung der nicht zum Bund gehörenden Provinzen einzelner Bundesstaaten im Falle der Errichtung einer Zollinie an den Grenzen des Bundes; 4. bestehende Handelsverträge mit ausländischen Staaten. Eine Er­ mäßigung der Zölle und Mauten könne deshalb nur allmählich und eher durch zwischenstaatliche Vereinbarungen als durch allgemeine Bundesbeschlüsse erfolgen. Letztlich empfahl Martens die Petenten mit der vagen Antwort ab­ zuspeisen, der Bundestag werde diesen Gegenstand einer Prüfung unterzie­ hen und dasjenige einleiten, was zur Beförderung des deutschen Handels und zum Wohl des Ganzen gereiche.369 Die politische Brisanz der Bittschrift lag darin, daß sie auf die Schaffung eines deutschen Binnenwirtschaftsraums abzielte, der durch Zölle gegen das Ausland geschützt werden sollte, und das nicht erst in fernerer Zukunft, wie dies z. B. Plessen, Berg, Eyben oder Wangenheim vor Augen hatten, sondern durch entschiedene Schritte in der Gegenwart. Wenn Martens und die Bun­ 368 Vgl. Dok. 184, die Zitate S. 843. 369 Vgl. Dok. 185, sowie Hahn, Geschichte des Deutschen Zollvereins, S. 30; Otruba, Der Deutsche Zollverein und Österreich, S. 122; Lutz, Zwischen Habsburg und Preußen, S. 72 ff.

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Einleitung

desversammlung gehofft hatten, die Angelegenheit auf die lange Bank schie­ ben zu können, so hatten sie sich allerdings gründlich geirrt. Bereits drei Mo­ nate später ging eine weitere Massenpetition von mehr als 5000 thüringischen, vogtländischen, sächsischen und hessischen Handwerkern, Fabrikanten und Kaufleuten im Thurn und Taxis Palais ein. Darin wurden die Forderungen des Deutschen Handels- und Gewerbsvereins zum Schutz des vaterländischen Handels und Gewerbes wiederholt, die vorgebrachten Argumente aber noch einmal stärker national grundiert. Die vorgeschlagenen Maßregeln, hieß es dort, folgten „aus den nationellen Richtungen des Bundes“, während die ­Erhebung „unverhältnißmäßig hoher“ Zölle und Mauten der „wahren innigen Verbindung neben einander wohnender Völkerschaften zu einer Nation“ im Wege stünden, wozu insbesondere die „freye Bewegung des Gewerbsfleißes, freyer gegenseitiger Austausch der Naturproducte und Fabricate“ beitrügen. Die bestehenden Zollschranken seien ein „sicheres Kennzeichen des mangeln­ den Nationalverbandes“. Da der Deutsche Bund mehr sei als ein „bloßes poli­ tisches Schutz- und Trutzbündnis“, müsse sein „Bundes­character und Bundes­ zweck in allen seinen Richtungen, mithin auch in jener nationellen Richtung, welche ihm in den besonderen Bestimmungen der Bundes-Acte und nament­ lich in deren 19ten Artikel gegeben ist, unverletzt erhalten“ werden. Der Bun­ destag wurde deshalb aufgefordert, geeignete Maßnahmen zur „Wegräumung“ der „drückenden Fesseln und Hindernisse des deutschen Handels und der deutschen Industrie, in Beziehung auf die Natur des deutschen Bundes“ zu er­ greifen, wozu auch die Aufstellung eines auf dem Grundsatz der Retorsion beruhenden Zollsystems gegen die ausländischen Nationen gehöre. Das „Ge­ deihen des Gesammt-National-Wohlstandes in Deutschland“ hänge demnach von der Ausbildung des Deutschen Bundes und seiner Etablierung „als politi­ sches Ganzes in dem Systeme der europäischen Handelspolitik“ ab.370 In einer bislang noch nicht dagewesenen Intensität richtete sich also die Aufmerksamkeit gesellschaftlicher Interessen auf den Deutschen Bund, mit dessen organischer Fortbildung das eigene Wohlergehen und das der Nation verknüpft wurden. Die spannende Frage war deshalb, wie die Bundesver­ sammlung auf diese neue Situation reagieren würde. An ein Ignorieren und Vertagen war angesichts der massiven öffentlichen Forderungen nicht zu den­ ken. Da ein beträchtlicher Teil der Unterzeichner aus Thüringen stammte, war es fast schon folgerichtig, daß der sachsen-ernestinische Bundestagsgesandte Hendrich die Initiative ergriff und die Wahl einer Bundestagskommission zur Begutachtung der Angelegenheit vorschlug. Der Bundestag ging auf diesen Antrag sofort ein und forderte die Regierungen auf, hierüber möglichst rasch 370 Vgl. Dok. 186, die Zitate S. 860 f. u. 863 (HV i.O).

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Erklärungen abzugeben, damit sogleich nach der Sommerpause die beantrag­ te Kommission gewählt werden und ihre Arbeit aufnehmen könne.371 Noch bevor der Bundestag in gewohnter Manier einen zweiten Anlauf zu einer ge­ meinsamen Handels- und Zollpolitik nehmen konnte, verlagerten sich die Diskussionen auf die Ministerebene. Trotz intensiver Bemühungen scheiterte aber auch auf den Wiener Ministerialkonferenzen 1819/20 eine befriedigende Lösung letztlich an den unterschiedlichen Strukturen und Interessen der deut­ schen Bundesstaaten.372 (4) Pressefreiheit und Büchernachdruck (a) Pressefreiheit Die Herausbildung einer bürgerlichen Öffentlichkeit seit dem 18. Jahrhundert war untrennbar mit dem Aufstieg des Zeitungswesens, des Buchhandels und Verlagswesens sowie der Befreiung der Printmedien von staatlicher Bevor­ mundung verbunden. Pressefreiheit war deshalb ein Kernanliegen liberal und national eingestellter Bevölkerungskreise. Die Frontlinien in der öffentlichen Diskussion um die Pressefreiheit verliefen dabei zwischen den Verfechtern des Rechts auf freie Meinungsäußerung und den Anhängern der Zensur, wo­ bei unter Herstellung der Pressefreiheit in erster Linie die Abschaffung der „Zensur in Gestalt staatlicher Präventivmaßnahmen“ verstanden wurde.373 Im Fokus der Öffentlichkeit standen dabei nicht nur die deutschen Einzelstaaten, sondern auch der Deutsche Bund, dem die Bundesakte in dieser Frage eine Regelungskompetenz zugesprochen hatte. Für die Bundesgeschichte ist die­ ser Themenkomplex insofern von Bedeutung, als dadurch auch über die Aus­ richtung und weitere Gestalt des Deutschen Bundes mit entschieden wurde: ob er sich zu einer politischen Organisation mit freiheitlichen Zügen ent­ wickeln würde oder ob er sich mit der Bewahrung des Status quo im Sinne der „Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands und der Unab­hängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten“ be­ gnügen würde. Davon hing nicht zuletzt seine Akzeptanz in den national und liberal eingestellten Kreisen der Bevölkerung ab.374 371 Vgl. Dok. 187. 372 Vgl. dazu allgemein Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 802 ff.; Büssem, Die Karlsbader Beschlüsse, S. 346−350; Vorgeschichte und Begründung des Deutschen Zoll­ vereins, Bd. 1, S. 306 ff.; Weech (Hrsg.), Correspondenzen und Actenstücke, bes. S. 79−107; Hahn, Mitteleuropäische oder kleindeutsche Wirtschaftsordnung, S. 189 ff. 373 Vgl. Eisenhardt, Die Garantie der Presse in der Bundesakte von 1815, Zitat S. 339. 374 Vgl. ebd., Zitat S. 339; Hahn/Berding, Reformen, Restauration und Revolution 1806− 1848/49, S. 147.

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Einleitung

Auf dem Wiener Kongreß hatte sich vor allem Preußen für die Pressefrei­ heit stark gemacht. Die maßgeblichen Verfassungsentwürfe Hardenbergs und Humboldts wollten die Pressefreiheit als Teil deutscher Bürgerrechte aus­ drücklich garantieren, wenn auch mit noch festzulegenden Einschränkungen, während sich die österreichischen Verfassungsvorschläge darüber gänzlich ausschwiegen.375 Im österreichisch-preußischen Entwurf einer deutschen Bundesakte vom 23. Mai 1815 war immerhin der Passus enthalten: „Die Bundesversammlung wird sich bei ihrer ersten Zusammenkunft mit der Ab­ fassung zweckmäßiger Gesetze über die Preßfreiheit“ beschäftigen376, eine Formulierung, die dann auf Antrag Bayerns377 in „Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die Preßfreiheit“ abgeändert wurde und in dieser Form Eingang in Artikel 18d der Bundesakte fand378. Wenngleich diese Formulie­ rung eine gewisse Abschwächung gegenüber den ursprünglichen preußischen Garantiewünschen bedeutete, so war sie doch weder eine „Leerformel“379 noch ein bloßer „Programmsatz“380, denn „die Pressefreiheit wird trotz der Einschränkung grundsätzlich als ein den Bürgern zugesichertes Recht aner­ kannt, dessen Grenzen allerdings erst durch die Bundesversammlung genauer definiert werden sollten“.381 Den hohen Erwartungen, die damit in der Öffentlichkeit geweckt wurden, versuchte der Bundestag Rechnung zu tragen, indem er das Thema Presse­ freiheit schon unmittelbar nach seiner Konstituierung aufgriff. Der öster­ reichische Präsidialgesandte Buol hob in seiner Rede vom 11. November 1816 explizit hervor, daß Artikel 18 der Bundesakte die „wohl­thätigsten Be­ stimmungen für alle Deutsche“ enthalte und ein „wahres deutsches Bürger­ recht“ begründe und zum Ausdruck bringe, wie sehr die Schöpfer den Bundes dabei von einem „wahrhaft nationelle[n] Sinn“ erfüllt gewesen seien.382 Die mit der Begutachtung der Reihenfolge der in der Bundesversammlung zur erörternden Gegenstände beauftragte Kommission schlug dann im Februar 1817 zwar vor, das Thema Pressefreiheit „sehr bald“ zur Beratung zu bringen, dämpfte aber zugleich übertriebene Erwartungen: „Gleichförmigkeit der Verfügungen über die Preßfreiheit“ könne nur auf der Basis der in den deut­ schen Staaten „bisher befolgten Grundsätze gegründet werden“, müsse sich 375 Vgl. dazu den Überblick bei Eisenhardt, Die Garantie der Presse in der Bundesakte von 1815, S. 342−345. 376 Vgl. QGDB I/1, Dok. 228, S. 1306. 377 Vgl. QGDB I/1, Dok. 242, S. 1416. 378 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1517. 379 Treml, Bayerns Pressepolitik zwischen Verfassungstreue und Bundespflicht, S. 28. 380 Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 742. 381 Vgl. Eisenhardt, Die Garantie der Presse in der Bundesakte von 1815, S. 342−345. 382 Vgl. Dok. 100, S. 428.

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also im gewohnten Rahmen bewegen. Folgerichtig schlug die Kommission denn auch vor, dieses „wichtige und wohlthätige Geschäft durch Sammlung der in den verschiedenen Bundesstaaten über Preßfreiheit […] bereits erlasse­ nen Gesetze vorzubereiten“.383 Die Bundesversammlung genehmigte diesen Vorschlag am 10. März 1817384 und beauftragte den Bundestagsgesandten Berg damit, „die in den deutschen Bundesstaaten bestehenden Verordnungen mit den bereits [im Bundestag] eingekommenen Eingaben“ zum Thema Pres­ sefreiheit zu sammeln und „dereinst“ in einer Übersicht vorzulegen.385 Während Berg in aller Ruhe seinem Arbeitsauftrag nachging, veränderte sich durch das Entstehen einer überstaatlichen Presse in Deutschland die Si­ tuation. Gefördert wurde diese Entwicklung einer vielfältigen regierungsun­ abhängigen und regierungskritischen Presselandschaft durch die ersten kon­ stitutionellen Verfassungen. Die bereits vor Gründung des Deutschen Bundes oktroyierte nassauische Verfassung vom 1./2. September 1814 hatte nicht nur die Bestimmungen des Edikts vom 4./5. Mai 1814386 über eine staatlich gere­ gelte Freiheit der Presse und des Buchhandels bekräftigt, sondern den Staats­ bürgern auch „die freie Äußerung politischer Meinungen, soweit auswärtige Staatsrücksichten nicht eine Beschränkung verlangten“, zugesichert.387 Wir­ kungsmächtiger war jedoch das „Grundgesetz über die Landständische Ver­ fassung des Großherzogthums Sachsen-Weimar-Eisenach“ vom 5. Mai 1816, das als erste deutsche Verfassung das „Recht auf Freiheit der Presse […] aus­ druecklich“ anerkannte.388 Zusammen mit anderen Reformmaßnahmen im Justiz- und Universitätswesen erhielt das Großherzogtum dadurch einen „frei­ heitliche[n] Grundzug“. In den Jahren 1815−1819 boten sich hier für nationa­ le und liberale Ideen sowie frühkonstitutionelle Bestrebungen geradezu ideale Entfaltungsmöglichkeiten, insbesondere für eine erstaunlich vielfältige regie­ rungskritische Presselandschaft und ein Verlagswesen mit deutschlandweiter Ausstrahlung.389 Nicht zuletzt die kritische Beurteilung von als reaktionär empfundenen Zuständen in Österreich und Preußen rief nach den Vorfällen auf dem Wartburgfest am 18./19. Oktober 1817, wo es auch zu Bücherver­ brennungen gekommen war, jedoch den Unwillen Metternichs und Harden­ 383 Vgl. Dok. 114, die Zitate S. 500. 384 Vgl. ProtDBV 1817, 17. Sitzung vom 10. März 1817, § 91, S. 138−141. 385 Vgl. ProtDBV 1817, 22. Sitzung vom 26. März 1817, § 125, S. 200. 386 Vgl. Edikt vom 4./5. Mai 1814, in: Verordnungsblatt des Herzogthums Nassau 1814, S. 47 f. 387 Hier nach dem Abdruck in Schüler, Das Herzogtum Nassau 1806−1866, S. 313−319, Zitat S. 314. 388 Vgl. Boldt (Hrsg.), Reich und Länder, S. 266−294, Zitat S. 294. 389 Vgl. Hahn/Berding, Reformen, Restauration und Revolution 1806−1848/49, S. 146 f.; Grei­ ling, Presse und Öffentlichkeit in Thüringen; Schmidt-Funke, Auf dem Weg in die Bürger­ gesellschaft; Greiling/Seifert (Hrsg.), „Der entfesselte Markt“.

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bergs hervor. Großherzog Carl August und seine Regierung wurden heftig ­attackiert und sahen sich gezwungen, dem gefährlichen Treiben der Presse zu begegnen. Durch Erlaß einer Verordnung gegen den Mißbrauch der Presse (6. April 1818) versuchten sie einen Mittelweg zwischen der Verhinderung des Mißbrauchs und der Einschränkung der Pressefreiheit einzuschlagen. Au­ ßerdem wurden Strafen gegen prominente Schriftsteller und Herausgeber von Zeitschriften (Luden, Oken, Wieland, Kotzebue) ausgesprochen, die jedoch vom Oberappellationsgericht in Jena wieder aufgehoben wurden.390 Außerdem brachte Sachsen-Weimar die Sache vor die Bundesversamm­ lung, um den öffentlichen Druck auf das Großherzogtum abzumildern. Der Bundestagsgesandte Hendrich stellte dort den Antrag, die Bundesversamm­ lung möge „Gleichförmiges“ über den Gebrauch der Presse in Deutschland verabschieden. In der durch den Deutschen Bund garantierten sachsen-wei­ marischen Verfassung391 werde das Recht auf Freiheit der Presse anerkannt und gesetzlich begründet, was auch schon früher in Artikel 18d der Deut­ schen Bundesakte von allen Bundesgliedern geschehen sei. Durch das Aus­ sprechen des Grundsatzes der Pressefreiheit habe sich der Staat freilich nicht des Rechts begeben, den Mißbrauch derselben zu ahnden. Hendrich stellte deshalb folgende Anträge: 1. der Deutsche Bund möge gleichförmige Bestim­ mungen über den Gebrauch der Presse in Deutschland verabschieden; 2. erbat er eine Erklärung des Bundestags über den in der sachsen-weimarischen Ver­ fassung ausgesprochenen Grundsatz der Freiheit der Presse und gegebenen­ falls ein Aufzeigen ihrer Grenzen, damit das gute Einvernehmen der groß­ herzoglichen Regierung mit den Regierungen der anderen Bundesstaaten aufrechterhalten werden könne.392 Im günstigsten Fall hätte sich Weimar das Verdienst einheitlicher Grundsätze über die Pressefreiheit zuschreiben kön­ nen, im ungünstigsten Fall wären Einschränkungen der Pressefreiheit in Sachsen-Weimar durch einen Bundestagsbeschluß legitimiert worden. Der österreichische Präsidialgesandte Buol ließ diesen nicht ungeschickten Schachzug jedoch ins Leere laufen, indem er vorschlug, den weimarischen Antrag lediglich an den Bundestagsgesandten Berg für dessen geplante Zu­ sammenstellung überstellen und nicht wie üblich durch eine Kommission be­ gutachten zu lassen. Da alle anderen beistimmten, wurde so verfahren.393 Buol kam damit einer Anweisung Metternichs zuvor, der bereits durch den österreichischen Gesandten in Dresden und Weimar über die weimarischen 390 Tümmler, Die Zeit Carl Augusts von Weimar 1775−1828, S. 658−663, Zitat S. 659. 391 Vgl. oben S. LXXVII f. 392 Vgl. Dok. 190, Zitat S. 898. 393 Vgl. ProtDBV 1818, 19. Sitzung vom 20. April 1818, § 99, S. 259 f., sowie Schneider, Pres­ sefreiheit und politische Öffentlichkeit, S. 213 f.

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Schritte informiert worden war und nun alles daransetzte, die Bundesver­ sammlung von der Beschließung gesetzlicher Regelungen über die Presse ­abzuhalten, die mit seinen restaurativen Vorstellungen nicht in Einklang stan­ den. In seiner Weisung an Buol wurde in süffisantem Unterton darauf hinge­ wiesen, daß Carl August durch seine „Nachgiebigkeit gegen unbescheidene Schriftsteller“ die entstandenen „Verlegenheiten und Mißverhältniße“ selbst heraufbeschworen habe. In der Sache selbst wies Metternich auf die „so we­ sentliche Verschiedenheit“ der Pressegesetzgebung in den deutschen Staaten hin, die es unwahrscheinliche mache, daß für ein „allgemein“ geltendes Ge­ setz über den Gebrauch der Presse Stimmeneinhelligkeit in der Bundesver­ sammlung zu erlangen sei. Eine solches Bundesgesetz sei allerdings auch gar nicht notwendig, da diese Materie in das „Gebieth der innern Landes-Poli­ cey“ falle und jede Regierung am besten wisse, wie Mißbräuchen der Presse zu begegnen sei. Der Bundestag habe sich daher auf die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung sowie der „freundschaftlichen Verhältniße“ zwischen den Bundesstaaten zu konzentrieren und demzufolge Verletzungen und Be­ einträchtigungen, die anderen Staaten aus den einzelstaatlichen Pressegesetz­ gebungen erwachsen könnten, zu begegnen. Dazu griff der österreichische Außenminister zu einer sinnverfälschenden Uminterpretation des Artikels 18d der Deutschen Bundesakte, dessen „unbestimmte Abfaßung“ zu „man­ cherley Mißdeutungen“ Anlaß gebe. Nach Auffassung Metternichs dürfe der Ausdruck „gleichförmige Verfügungen über die Preßfreyheit“394 nicht im buchstäblichen Sinne verstanden werden − weil er dann entweder eine allge­ meine Abschaffung oder Einführung der Censur zur Folge haben müßte −, sondern dieser könne sich nur auf solche Verfügungen beziehen, welche die wechselseitigen Rechte und das gute Einvernehmen der Bundesstaaten, mit­ hin die Eintracht und Harmonie des Ganzen sichern sollen. Buol wurde des­ halb angewiesen, seine Bundestagskollegen von „diese[r] einzig zuläßige[n] Auslegung des 18. Artikels“ zu überzeugen. Dadurch erledige sich auch der zweite Antrag des Weimarer Großherzogs.395 Obwohl dem Präsidialgesandten bedeutet worden war, daß er in der Bun­ desversammlung unter allen Umständen eine Initiative zugunsten der Presse­ freiheit zu verhindern habe, blieben ihm die in eine ganz andere Richtung weisenden Überlegungen verborgen, die in der Wiener Staatskanzlei bereits Anfang 1818 angestellt worden waren. In einer internen Denkschrift „Über die in Betreff des Zeitungswesens in Deutschland zu ergreifenden Maßregeln“, die vermutlich entweder von dem Chef des deutschen Büros in der 394 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508. 395 Vgl. Dok. 191, die Zitate S. 902, sowie Eisenhardt, Die Garantie der Presse in der Bundes­ akte von 1815, S. 352 f.

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österreichischen Staatskanzlei Kaspar Philipp Graf von Spiegel oder von Metternich persönlich stammt, wurden, offenbar unter dem Eindruck der ­Vorkommnisse auf der Wartburg, bereits konkrete Überlegungen über eine bundesweite Abschaffung der Pressefreiheit angestellt. Da die „öffentliche ­Ordnung und Ruhe“ in Deutschland durch den in „Tagesblättern, Zeit- und Flug-Schriften getriebne[n] Mißbrauch“ bedroht sei, müßten durch den Bun­ destag wirksame Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Das Recht des Bun­ des zu solchen Maßnahmen stehe außer Frage, und von „Eingriffe[n] in die Souverainitäts-Rechte“ oder von „Einmischung in die „innre Verwaltung“ der einzelnen Bundesstaaten könne keine Rede sein, da es allein um die „Abwen­ dung einer gemeinschaftlichen Gefahr“ gehe. Nach den „wohlverstandenen Grundsätzen des Deutschen Bundes“ seien die Bundesstaaten nicht befugt, „Mißbräuche zu begünstigen, die unvermeidlich, und unmittelbar in die mo­ ralische und politische Existenz der Nachbar-Staaten eingreifen, und indem sie Unzufriedenheit und Unruhe über alle Deutsche Länder verbreiten, einen der ersten großen Hauptzwecke des Bundes − ‚die Aufrechterhaltung der in­ nern Sicherheit Deutschlands,‘ beeinträchtigen“. Eine Durchsetzungschance sei allerdings nur dann gegeben, wenn Österreich und Preußen gemeinsam vorgingen. Das Justizsystem wurde verworfen und dem Polizeisystem mit ei­ ner weitgehenden Vorzensur der Vorzug gegeben, weil es eine einheitlichere und effektivere Durchsetzung in allen Bundesstaaten garantiere. Insgesamt wiesen die vier Eckpunkte eines durch den Bundestag zu verabschiedenden Zensurgesetzes, die auf eine weitgehende obrigkeitliche Kontrolle des Zei­ tungswesens und Beseitigung der Pressefreiheit zielten, schon in Richtung der Karlsbader Beschlüsse.396 Diese Pläne konnte Berg, der in dem Ruf stand, liberalen Tendenzen zuzuneigen, durch seinen Vortrag über die Gesetzgebungen zur Pressefreiheit mehr oder weniger stören. Buol wurde deshalb von Metternich angewiesen, den Text der Berg’schen Ausarbeitung sobald wie möglich nach Wien einzu­ senden397, während der Präsidialgesandte seinerseits versuchte, Berg in seiner Arbeit inhaltlich zu beeinflussen und im übrigen die Vorlage des Referats in der Bundesversammlung solange wie möglich hinauszuzögern398. Berg unterzog sich seiner Aufgabe, wie gewohnt, mit großer Gründlichkeit und legte eine voluminöse „Übersicht der verschiedenen Gesetzgebungen 396 Vgl. Dok. 188, die Zitate S. 883 f. (HV i. O.), sowie Eisenhart, Die Garantie der Presse in der Bundesakte von 1815, S. 350 f., und Hahn/Berding, Reformen, Restauration und Revo­ lution 1806−1848/49, S. 147. 397 Vgl. Dok. 191 sowie Eisenhart, Die Garantie der Presse in der Bundesakte von 1815, S.  352 f. 398 Vgl. Dok. 193.

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über Preßfreiheit, besonders in Deutschland“ vor, die auch die Situation in England und Frankreich mit einbezog und auf der Auswertung des einschlä­ gigen Schrifttums beruhte. Der Vortrag zeichnet sich durch Abgewogenheit und Sachlichkeit aus, doch fehlt es ihm vor allem im Hinblick auf die zentra­ len Termini oft an begrifflicher Klarheit. Berg enthielt sich einer klaren Stel­ lungnahme für die eine oder andere Seite, da sich sein Auftrag lediglich auf die Sammlung und Zusammenstellung der für diesen Zweck brauchbaren Materialien erstrecke, was gerade in bürgerlich-liberalen Kreisen vielfach be­ mängelt wurde. Gleichwohl konnte sich der Autor als der Experte der Bun­ desversammlung für Fragen der Pressefreiheit profilieren, auf dessen Vortrag vom 12. Oktober 1818 in der öffentlichen Diskussion noch lange Zeit zurück­ gegriffen wurde.399 Ausgangspunkt seiner Ausführungen war die Feststellung, daß die Stifter des Deutschen Bundes „jedem Deutschen“ den „ungestörte[n] Genuß einer vernünftigen Preßfreiheit“ zu sichern wünschten und deshalb in Artikel 18d der Bundesakte der Deutschen Bundesversammlung den Auftrag erteilten, sich mit der „Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die Preßfreiheit zu beschäftigen“. Grundsätzlich ging Berg davon aus, daß die Druck- und Pres­ sefreiheit ein und dieselbe Quelle hätten und das Vermögen, zu denken und die Gedanken weiterzugeben, angeborene und unveräußerliche Rechte des Menschen seien. Der Zweck, dem die Presse dienen solle, verbiete freilich „Zügellosigkeit und Frechheit“. Um solchem Mißbrauch zu begegnen, der dem „Zwecke der Verbreitung nützlicher Wahrheiten widerspricht“, bedürfe es aber einer „in der Natur der Sache gegründete[n] rechtliche[n] Beschrän­ kung der Preßfreiheit“ durch die Staatsgewalt, deren Grenzen um so weiter gesteckt sein könnten, je vernünftiger die Presse benutzt werde.400 Berg schwankt also zwischen „Freiheit und Bevormundung der Presse“ und meint „Preßfreiheit und Censur“ miteinander vereinbaren zu können.401 Im An­ schluß daran erläutert er ausführlich die beiden „Hauptsysteme über Preßfrei­ heit“, das Justizsystem und das Polizeisystem: Während im ersten Fall die Aufsicht über die Presse bei den Gerichten liege und erst nach dem Druck 399 Vgl. Dok. 194. Zur Analyse und Kritik des Vortrags vgl. Collmann, Quellen, Materialien und Commentar des gemein deutschen Preßrechts, S. 252−255; Koszyk, Deutsche Presse im 19. Jahrhundert, S. 37−42; Schneider, Pressefreiheit und bürgerliche Öffentlichkeit, S. 214 f.; Eisenhart, Die Garantie der Presse in der Bundesakte von 1815, S. 348 f.; Sell­ mann, Günther Heinrich von Berg, S. 134−136; Siemann, Von der offenen zur mittelbaren Kontrolle, S. 295 f.; Breil, Die Augsburger „Allgemeine Zeitung“ und die Pressepolitik Bay­ erns, S. 69 f. 400 Vgl. Dok. 194, die Zitate S. 921 u. 924 f. (HV i. O.). 401 Collmann, Quellen, Materialien und Commentar des gemein deutschen Preßrechts, die Zita­ te S. 253.

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wirksam werde, erfolge im Polizeisystem die Kontrolle und Verhütung von Pressemißbräuchen bereits vor dem Druck in Form der Zensur. Entlang dieser beiden Kategorien werden dann die gesetzlichen Regelungen über die Presse in den deutschen Staaten sowie in England und Frankreich geschildert und anhand zahlreicher Beispiele die Vor- und Nachteile beider Hauptsysteme veranschaulicht. Nach einem Blick auf die ehemaligen Reichsgesetze wird am Ende seiner Übersicht noch die Frage des Freiherrn von Drais: „Wie viel über Preßfreiheit auf dem deutschen Bundestage zu bestimmen wäre?“ aufge­ nommen und als Antwort gegeben: die Bundesakte fordere zwar die „Abfas­ sung gleichförmiger Verfügungen über die Preßfreiheit“, doch werde damit keine „gleichförmig[e]“ Gesetzgebung in allen Bundesstaaten impliziert. An­ gesichts der föderalistischen Struktur des Bundes hielt Berg die Verabschie­ dung eines verbindlichen Katalogs von „gleichförmige[n] Bestimmungen“ über die Pressefreiheit durch den Bundestag für ausreichend, der dann in Landesrecht umgesetzt werden sollte. Die Vorschläge des Freiherrn von Drais, die Berg am Ende seiner Übersicht ausführlich präsentiert − dieser stellte Pressefreiheit als Regel auf und unterbreitete zugleich detaillierte Vor­ schläge zur Verhinderung etwaiger Mißbräuche auf gerichtlichem und poli­ zeilichem Wege −, weisen zwar in Richtung der von Berg favorisierten ge­ setzlich geregelten „vernünftigen Preßfreiheit“, doch ist nicht zweifelsfrei auszumachen, inwieweit Berg mit dessen Punktekatalog übereinstimmt.402 Die Bundesversammlung dankte Berg für die „lichtvolle und erschöpfende Darstellung des Gegenstandes“ und wählte eine fünfköpfige Kommission (Buol, Martens, Wangenheim, Berck­heim, Berg), die, „unter Zu­grundlegung“ des Berg’schen Vortrags die „Aufstellung gleichförmiger Grundsätze und Verfügungen über die Preßfreiheit“ begutachten sollte.403 Aufgrund ihrer Zu­ sammensetzung bestand die Hoffnung, daß das Gutachten auf eine Sicherung der Pressefreiheit abzielen würde: Der Badener Berckheim war Vertreter ­eines Bundesstaats, der sich in der Verfassung vom 22. August 1818 erst kürzlich zur „Preßfreiheit […] nach den künftigen Bestimmungen der Bun­ desversammlung“ bekannt hatte.404 Wangenheim hatte anläßlich des sachsenweimarischen Antrags vom 20. April 1818 im Bundestag zugesichert, daß 402 Vgl. Dok. 194, die Zitate S. 927, 981 u. 983 (HV i.O). Während Koszyk, Deutsche Presse im 19. Jahrhundert, S. 40, bejaht, daß sich Berg den Auffassungen des Freiherrn von Drais im wesentlichen angeschlossen habe, und Schneider, Pressefreiheit und politische Öffent­ lichkeit, Zitat S. 214, von einer „nachdrücklichen Empfehlung“ der Drais’schen Vorschläge durch Berg spricht, urteilt Eisenhardt, Die Garantie der Pressefreiheit in der Bundesakte von 1815, S. 349 Anm. 44, davon könne keine Rede sein. 403 Vgl. ProtDBV 1818, 51. Sitzung vom 12. Oktober 1818, § 236, die Zitate S. 539. 404 Vgl. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 172−186, S. 173 (§ 17).

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König Wilhelm I. von Württemberg bereit sei, „zu der liberalesten gesetz­ lichen Bestimmung dieses Gegenstandes, auch wenn dadurch die eigene ­Gesetzgebung erweitert werden müßte, mitzuwirken, in so fern nur damit eine, durch Rücksichten auf öffentliche Sicherheit bedingte Beschränkung der Zeitungen und politischen Zeitschriften in ausserordentlichen, namentlich Kriegszeiten, verbunden werde“.405 Neben Berg, der für eine „vernünftige“, d. h. rechtlich eingeschränkte Pressefreiheit eintrat, vertrat auch der Hannove­ raner Martens eine vermittelnde Position. Angesichts des bevorstehenden Zu­ sammentretens der Kommission hatte er seine „Privat-Gedanken“ über diesen Gegenstand zu Papier gebracht und diese am 6. Januar 1819 an Prinzregent Georg nach London gesandt und um entsprechende Anweisungen gebeten.406 In seinen „Gedanken über die Preßfreyheit“ ging Martens von der Grundposi­ tion aus, die Bundesversammlung „erkennt den Grundsatz der Freiheit der Presse in dem ganzen Umfange der zu dem Bunde gehörenden Staaten an, und betrachtet ihn als in dem Recht der natürlichen Freiheit begründet und als wesentlich für das Beste eines jeden Staats und seiner freyen Unterthanen“. Erst unter Anerkennung dieses Grundsatzes kämen Maßnahmen zur Verhin­ derung des Mißbrauchs der Presse in Frage, die vornehmlich auf gerichtli­ chem Wege erfolgen sollten, ohne auf administrative Maßnahmen der Vor­ zensur gänzlich zu verzichten. Die angeführten Grenzen (Beleidigung von Gott, Religion, Staat und gute Sitten; Verletzung der Person und Familie fremder Regenten; Angriffe auf die Ehre und den guten Namen fremder Staatsdiener und Untertanen) waren zwar nicht eindeutig objektivierbar, aber auch nicht beliebig ausdehnbar. Die Errichtung „allgemeine[r] Bundescensur­ anstalten“ lehnte Martens hingegen ab und befürwortete wie Berg gemeinsa­ me Verabredungen unter den Bundesstaaten. Damit werde gewährleistet, daß durch eine unterschiedliche Handhabung in den Einzelstaaten wie im Alten Reich eine gewisse Durchlässigkeit und Pluralität im Deutschen Bund ge­ währleistet blieb.407 Über die Arbeit der Bundestagskommission ist allerdings nichts bekannt. Einen Bericht hat sie niemals vorgelegt, und es ist sogar fraglich, ob sie je­ mals zusammengetreten ist. Dafür sprechen die Anweisung Metternichs an Buol, die Sache dilatorisch zu behandeln, und das Ausbleiben weiterer In­ struktionen aus Wien. Denn der österreichische Außenminister spielte auf Zeit und verzichtete vorerst auch auf Absprachen mit Hardenberg, obwohl der anvisierte Anschlag auf die Pressefreiheit nicht ohne preußische Mitwir­ kung erfolgen konnte. In Berlin wurde derweil versucht, das „Maaß von Frei­ 405 Vgl. ProtDBV 1818, 19. Sitzung vom 20. April 1818, § 99, Zitat S. 259. 406 Vgl. Dok. 195a, Zitat S. 986. 407 Vgl. Dok. 195b, die Zitate S. 997 u. 995.

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heit oder Beschränkung, welches Seine Majestät für den Preußischen Staat nöthig finden werden“, auszuloten, wovon man sich den „entscheidensten Einfluß auf den künftigen Beschluß des Bundestags“ erwartete. Über die Re­ sultate würde der Bundestagsgesandte Goltz dann zu gegebener Zeit unter­ richtet.408 Erst die Ermordung des russischen Staatsrats von Kotzebue durch den Bur­ schenschafter Sand am 23. März 1819 und das fehlgeschlagene Attentat auf den nassauischen Regierungspräsidenten Ibell am 1. Juli 1819 bereiteten dann den Boden für die schon seit längerem angedachte Unterdrückung der oppo­ sitionellen Presse. In der Teplitzer Punktation vom 1. September 1819 einigte sich Metternich zunächst wie geplant mit Hardenberg auf gemeinsame Grundsätze, die dann auf den Karlsbader Konferenzen konkrete Gestalt an­ nahmen. Das Bundespressegesetz vom 20. September 1819 verfügte drasti­ sche Einschränkungen der Pressefreiheit und etablierte ein System staatlicher Gesinnungskontrolle und Repression.409 (b) Büchernachdruck Der Schutz geistigen Eigentums war in Deutschland zu Beginn des 19. Jahr­ hunderts noch ganz unbefriedigend geregelt. Die Vervielfältigung von Druck­ erzeugnissen gegen den Willen des rechtmäßigen Verlegers war im 18. Jahr­ hundert aufgekommen und von seiten des Staates und breiter Bevölkerungs­ kreise sogar erwünscht, weil man sich von preiswerten Druck­erzeugnissen eine Förderung von Bildung auch in breiteren Bevölkerungsschichten erhoffte. Insbesondere in Österreich, der Schweiz, in Süddeutschland und den Nieder­ landen entwickelte sich daraufhin ein regelrechtes Nachdruckgewerbe, das zweifellos zu einem Aufschwung der literarischen Kultur und der Entstehung einer bürgerlichen Öffentlichkeit in Deutschland mit beitrug. Um ihre Rechte zu wahren, begannen Verleger, Drucker und Autoren im Gegenzug Regelun­ gen zum Schutz geistigen Eigentums zu entwickeln, zunächst in Form von Einzelprivilegien, später auch in Form von landes- und reichsrechtlichen ­Regelungen. Darin wurden sie von namhaften Juristen wie Johann Stephan Pütter und Johann Georg Heinrich Feder unterstützt, die den Büchernachdruck grundsätzlich verwarfen. Bis 1814 kam es allerdings nur in wenigen, wenn­ gleich für den Buchhandel besonders wichtigen Staaten − in Sachsen, Preußen und Hannover, aber auch in Baden und Nassau −, zur Schaffung halbwegs ge­ 408 Vgl. Dok. 198, die Zitate S. 1012. 409 Vgl. Hahn/Berding, Reformen, Restauration und Revolution 1806−1848/49, S. 149−157; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 732−745; Büssem, Die Karlsbader Be­ schlüsse von 1819, bes. S. 331−338 u. 416−465; Eisenhardt, Die Garantie der Pressefreiheit in der Bundesakte von 1815, S. 353 ff.

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ordneter Verhältnisse, die jedoch durch den in Österreich und im übrigen süd­ lichen Deutschland weiterhin florierenden Büchernachdruck beeinträchtigt wurden.410 Die erfolgreiche Lobbyarbeit von Vertretern des deutschen Buch­ handels auf dem Wiener Kongreß411 trug dann mit dazu bei, daß in Artikel 18d der Deutschen Bundesakte dem Bundestag in Frankfurt aufgegeben wurde, bei seiner ersten Zusammenkunft sich mit der „Abfassung gleichförmiger Verfü­ gungen über die Preßfreiheit und die Sicherstellung der Rechte der Schriftstel­ ler und Verleger gegen den Nachdruck [zu] beschäf­tigen“.412 Die Bundesversammlung hat sich dieser Angelegenheit unmittelbar nach ihrer Konstituierung angenommen. In seiner schon mehrfach erwähnten Rede vom 11. November 1816 hatte der österreichische Präsidialgesandte Graf Buol ausgeführt, der Artikel 18 der Bundesakte enthalte die „wohl­thätigsten Bestimmungen für alle Deutsche“, begründe ein „wahres deutsches Bürger­ recht“ und sei Ausdruck des „wahrhaft nationelle[n] Sinn[s]“ der Stifter des Deutschen Bundes.413 Die Kommission zur Begutachtung der Reihenfolge der in der Bundesversammlung zur erörternden Gegenstände hielt diesen Ge­ genstand immerhin für so wichtig, daß er demnächst zur Beratung kommen sollte. Als Orientierungsrahmen für eine zu beschließende Regelung wurden die in den deutschen Bundesstaaten bislang geltenden gesetzlichen Regelun­ gen genannt.414 Dieser Vorschlag wurde am 10. März 1817 in der Bundesver­ sammlung gebilligt415 und zwei Wochen später der Bundestagsgesandte Berg mit der Erstellung einer erläuternden Übersicht über die in den deutschen Bundesstaaten geltenden Gesetze und Verordnungen über die Pressefreiheit sowie den Schutz der Schriftsteller und Verleger gegen den Büchernachdruck einschließlich der Begutachtung diesbezüglicher Eingaben an die Bundes­ versammlung beauftragt.416 Da es sich bei den Themen Pressefreiheit und Büchernachdruck um unterschiedliche Materien handelte, entschloß sich Berg dazu, getrennte Übersichten zu erstellen. Noch bevor dies geschah, hatte eine Deputation der deutschen Buchhänd­ ler anläßlich der Leipziger Ostermesse im Jahr 1818 ein Promemoria abge­ 410 Vgl. den Überblick von Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht, v. a. Kap. VI−X. 411 Vgl. dazu Gieseke, Vom Privileg zum Urheberrecht, S. 203−206; Wadle, Grundrechte in der Deutschen Bundesakte?, S. 147−153. Zum Wirken der deutschen Buchhändler in Wien v. a. Schmidt-Funke, Auf dem Weg in die Bürgergesellschaft, S. 163−178; Goldfriedrich, Ge­ schichte des Deutschen Buchhandels, Bd. 4, S. 70 ff.; Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels, S. 223−225. 412 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, Zitat S. 1517. 413 Vgl. Dok. 100, die Zitate S. 428 (HV i. O.). 414 Vgl. Dok. 114, S. 500. 415 Vgl. ProtDBV 1817, 17. Sitzung vom 10. März 1817, § 91, S. 138−141. 416 Vgl. ProtDBV 1817, 22. Sitzung vom 26. März 1817, § 125, S. 200.

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faßt und bei der Bundesversammlung in Frankfurt eingereicht. Darin wurde an die im Oktober 1814 auf dem Wiener Kongreß von Deputierten der deut­ schen Buchhändler übergebene Denkschrift über den Büchernachdruck417 er­ innert, in der um „Bewirkung eines teutschen organischen Gesetzes gegen denselben“ gebeten worden war. Beigefügt waren eine Vollmacht und eine vollständige Liste der Unterzeichner der Petition, die dem Nachweis diente, daß es sich hier nicht nur um Leipziger Buchhändler, sondern um 82 der „achtungswerthesten Buchhandlungen Deutschlands“ handele. Da der Bun­ destag die Behandlung der Sache bereits in seine Prioritätenliste aufgenom­ men habe, erneuerte die Deputation die untertänigste Bitte der deutschen Buchhändler „um kräftigen Schutz gegen den räuberischen Nachdruck durch ein allgemeines organisches Gesetz“.418 In seinem Vortrag vom 22. Juni 1818419 ging Berg auf Artikel 18d der Bun­ desakte sowie das Promemoria der Buchhändlerdeputation ein. Nach einem Überblick über die Geschichte des Verlagsrechts und das Eigentumsrecht der Schriftsteller erläuterte er den Begriff des Nachdrucks und zeigte dann das Meinungsspektrum in Wissenschaft und Publizistik über die Frage der Recht­ mäßigkeit des Nachdrucks auf. Dabei wurde zum einen auf die kulturelle Bedeutung und Schutzwürdigkeit des Buchhandels hingewiesen, der ein ­ „durchaus eigen­thümlicher Theil des allgemeinen Verkehrs [sei], mehr einer gemeinnützigen Anstalt ähnlich, als einem Unternehmen zum Gewinn des Einzelnen“.420 Zum anderen wurde das „beim Autor entstehende Recht“421 besonders akzentuiert, indem aus dem Eigentumsrecht des Verfassers an sei­ ner geistigen Leistung und dem Rechtserwerb des rechtmäßigen Verlegers die Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks abgeleitet wurde. Nur die Ausdeh­ nung dieses Grundsatzes auf Kunstwerke lehnte Berg ab, weil hier die beste Kopie nicht an die Stelle des Originals treten könne. Sodann wurden unter­ schiedliche Arten des Nachdruckverbots und dessen zeitliche Grenzen ge­ schildert. Um rechtliche Zweifel und Unsicherheiten zu beseitigen und der unterschiedlichen Rechtspraxis in den Staaten des Deutschen Bundes zu be­ gegnen, hielt Berg ein Bundesgesetz mit einem ausdrücklichen Verbot des Nachdrucks für erforderlich. Ausländische Verleger wurden allerdings ausge­ nommen, weil ihnen durch einen deutschen Nachdruck kein Schaden entstün­ de und fremde Staaten ebenfalls nur ihre Untertanen schützten. Daran schloß 417 Abgedruckt in Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 4, S. 3−21. 418 Vgl. Dok.189, die Zitate S. 889, 893 u. 890. 419 Vgl. Dok. 192. 420 Vgl. Dok. 192, Zitat S. 904. 421 Vgl. Gieseke, Günther Heinrich von Berg und der Frankfurter Urheberrechtsentwurf von 1819, Zitat S. 166.

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sich ein Überblick über die gesetzlichen Bestimmungen zum Büchernach­ druck in Sachsen, Hannover, Baden, Österreich, Württemberg, Preußen, Bay­ ern, Holstein-Olden­burg und Nassau an, die wertvolle Anregungen für ein künftiges Bundesgesetz enthielten. Am Ende seines Vortrags drückte Berg die Hoffnung aus, daß durch seinen Vortrag die „verschiedenen Gesichtspunkte, aus welchen der Büchernachdruck betrachtet wird“, deutlich geworden seien und seine Ausführungen „Einiges“ zur Vollziehung des Artikels 18d der Bun­ desakte beitragen könnten. Mit dem Antrag auf Wahl einer Kommission zur Erstattung eines Gutachtens über die Abfassung gleichförmiger Verfügungen zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nach­ druck beendete Berg dann seine Ausführungen.422 Die Bundesversammlung folgte seinem Vorschlag und wählte eine drei­ köpfige Kommission, bestehend aus den Bundestagsgesandten Martens, Berckheim und Berg. Alle drei hatten als Autoren selbst Erfahrungen gesam­ melt, Berg stand zudem in Kontakt mit einigen Verlegern, Buchhändlern und Autoren, deren Ansichten und Vorschläge in die Arbeit der Kommission ­Eingang fanden. Das Kommissionsgutachten, dem ein Verordnungsentwurf beigefügt war, wurde am 11. Februar 1819 in der Bundesversammlung durch Berg vorgetragen, der sowohl das Gutachten als auch den Entwurf ausge­ arbeitet hatte. Der Kommissionsbericht beleuchtet die Materie in allen relevanten Bezie­ hungen. Die Übersicht Bergs habe eine große Verschiedenheit der Gesetzge­ bungen über den Büchernachdruck in den deutschen Bundesstaaten aufge­ zeigt. Die Vereinigung aller zum Schutz der Eigentumsrechte der Schriftsteller und Verleger, welche die Stifter des Deutschen Bundes bezweckten, sei nur durch die Befolgung gleicher Grundsätze in allen Bundesstaaten möglich. Die Kommission habe deshalb den Entwurf einer entsprechenden Verordnung erarbeitet und in ihrem Bericht zugleich die Gründe näher entwickelt, die sie zu der Abfassung der einzelnen Artikel bestimmt haben. Abschließend wurde beantragt, daß über den gegenwärtigen Bericht und den Entwurf Instruktion eingeholt werde, damit auf deren Basis eine Verordnung über gleichförmige Grundsätze zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger ge­ gen den Nachdruck beschlossen und binnen einer verabredeten Frist publiziert und in Kraft gesetzt werden könne.423 Der Verordnungsentwurf sah erstmals eine allgemeine und einheitliche Re­ gelung gegen den unbefugten Nachdruck in allen Staaten des Deutschen Bun­ 422 Vgl. Dok. 192, die Zitate S. 919; außerdem Sellmann, Günther Heinrich von Berg, S. 129 f., und Gieseke, Günther Heinrich von Berg und der Frankfurter Urheberrechtsentwurf von 1819, S. 165 f. 423 Vgl. Dok. 196, sowie Sellmann, Günther Heinrich von Berg, S. 130.

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des vor, allerdings nicht in Form einer „Gesetzgebung des Bundes“, sondern durch eine „Vereinigung der Bundesglieder zur Befolgung gleicher Grund­ sätze“424, also einer freien Vereinbarung425, die dann in Landesrecht hätte umgesetzt werden müssen und somit keinen Eingriff des Bundes in die Souveränität der Einzelstaaten darstellte. Der Entwurf umfaßt 23 Artikel und ging von einem „Eigenthumsrecht“ der Verfasser und Verleger an einer in den Staaten des Deutschen Bundes erschienenen Druckschrift aus, wozu auch musikalische Werke, Landkarten und topographische Zeichnungen gerechnet wurden. Der von Berg vorgeschlagene Schutz sämtlicher „Werke der Wissen­ schaft und Kunst“426 wurde zwar nicht erreicht, doch kam die Aufzählung der geschützten Werke (Artikel 1) diesem Ziel ziemlich nahe. Die Schutzfrist ge­ gen jede Art von Nachdruck dauerte grundsätzlich bis zu 10 Jahren nach dem Tode des Verfassers (bei selbstverlegten Werken bis zu 15 Jahren), danach wurde das Werk „Gemeingut“ (Artikel 13). Einzelprivilegien über die gesetz­ lichen Schutzfristen hinaus (Artikel 14) blieben weiterhin zulässig und sind als eine Konzession an die damalige Praxis und das Souveränitätsbedürfnis der Einzelstaaten zu werten. Für Übersetzungen ausländischer oder einheimi­ scher Werke galten dieselben Schutzfristen (Artikel 10), während Schutzrech­ te des Originalurhebers dieser Werke unerwähnt blieben. Publikationen ohne Verfasser-, Herausgeber-, Verleger- oder Druckerangabe waren prinzipiell nicht geschützt. Um das Publikum vor überhöhten Buchpreisen zu schützen, war auf Vorschlag von Martens der Passus aufgenommen worden, daß der gesetzliche Nachdruckschutz durch „unbillige Steigerung der Bücherpreise verloren[gehen]“ könne (Artikel 20), wobei der vage Begriff der Unbilligkeit durch einzelne Merkmale näher konkretisiert wurde. Grundsätzlich sollte der Preis auf dem Titel des Werkes angegeben werden. Die Schlußartikel des Ent­ wurfs enthielten sodann detaillierte Strafbestimmungen für Verstöße gegen das Nachdruckverbot.427 Obwohl Berg auch Vorstellungen einzelner Verleger und Buchhändler berücksichtigt hatte428, ging der Verordnungsentwurf dem Wahlausschuß der deutschen Buchhändler nicht weit genug. Dieser sprach in einem Gutachten, das bei der Bundesversammlung einging, dem Bundestag zwar seinen Dank aus, daß er mit großem Eifer den Artikel 18d der Bundesakte zur Ausführung 424 Vgl. Dok. 196, die Zitate S. 1004. 425 Vgl. dazu Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 1, S. 139. 426 Vgl. Dok. 196, Zitat S. 1000. 427 Vgl. Dok. 197, die Zitate S. 1007 u. 1009 f., sowie Sellmann, Günther Heinrich von Berg, S. 130. 428 Vgl. Sellmann, Günther Heinrich von Berg, S. 130; Gieseke, Vom Privileg zum Urheber­ recht, S. 207 f.; Goldfriedrich, Geschichte des Deutschen Buchhandels, Bd. 4, S. 101−121.

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bringen wolle. Da im Kommissionsbericht der Wunsch geäußert worden sei, die einzelnen Regierungen sollten das Gutachten von Sachkundigen einholen, sah sich der Wahlausschuß legitimiert, eine Stellungnahme zu dem Kommis­ sionsbericht und Verordnungsentwurf abzugeben, die vor allem folgende ­Forderungen enthielt: Um ein Unterlaufen des Nachdruckverbots deutscher Werke im Ausland zu verhindern, sollte der Bund Verhandlungen mit den Nachbarstaaten über entsprechende Abkommen aufnehmen. Das Eigentums­ recht an Geisteswerken müsse für die Nachkommen und Erben eines Schrift­ stellers von 10 auf 30 Jahre verlängert werden. Der Passus über unbillige Bü­ cherpreise (Artikel 20) müsse ersatzlos gestrichen werden; außerdem wurde die Angabe des Preises auf dem Titel abgelehnt. Hinzu kam die Forderung nach präziseren Angaben in Artikel 21 über den Klageweg und die Einfüh­ rung eines strengen Verfahrens beim Wechselrecht. Für den Verkauf bereits nachgedruckter Werke wurde schließlich eine Übergangsfrist gefordert.429 Die Arbeit Bergs war der erste offizielle Entwurf einer allgemeinen und einheitlichen deutschen Regelung gegen den unbefugten Nachdruck und so­ mit ein Vorläufer der späteren Gesetzgebung des Deutschen Reiches über das Verlagsrecht und den literarischen Urheberrechtsschutz. In der Bundesver­ sammlung wurden sowohl der Bericht als auch der Entwurf „unter dankbarer Anerkennung der lichtvollen Darstellung dieses Gegenstandes“ zur Kenntnis genommen und der Beschluß gefaßt, darüber Instruktionen einzuholen, damit aufgrund derselben „ein gemeinsamer, dem Zwecke der im 18. Artikel der Bundesacte enthaltenen Bestimmung entsprechender Beschluß gefaßt werden könne“.430 Zu diesen Abstimmungen in der Bundesversammlung ist es dann zunächst nicht mehr gekommen. Vielmehr wurde die Sache vor und während der Wie­ ner Ministerialkonferenzen von 1819/20 im Sinne der restaurativen Vorstel­ lungen Metternichs weiterbetrieben. Ein im Auftrag Metternichs von Adam Müller ausgearbeiteter Entwurf schlug eine Verbindung von Nachdruckschutz und verschärfter Zensur vor, da man in Wien befürchtete, daß durch einen bundesweiten Nachdruckschutz eine Zunahme des Buchhandelsverkehrs in­ nerhalb des Deutschen Bundes und damit ein ungehindertes Eindringen „frei­ heitlicher“ Ideen auch in Österreich erfolgen werde. Ein von der Zensur ­unabhängiger gesetzlicher Nachdruckschutz hätte zudem die Forderung nach völliger „Preßfreiheit“ in unerwünschter Weise unterstützen können. Da die anderen deutschen Staaten auf diesen Vorschlag nicht eingingen und nach dem Ausscheiden Bergs aus dem Bundestag 1821 sich niemand mehr für die­ ses Thema zuständig fühlte, gaben erst im Jahr 1823 einige Bundesstaaten 429 Vgl. Dok. 199. 430 Vgl. ProtDBV 1819, 4. Sitzung vom 11. Februar 1819, § 23, S. 52.

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ihre Abstimmungen in der Bundesversammlung zu dem Kommissionsbericht und dem Verordnungsentwurf von 1819 zu Protokoll, die ein beträchtliches Spektrum an Vorstellungen aufscheinen ließen. Erst auf preußische Initiative kam dann Ende der 1820er Jahre wieder Bewegung in die Sache.431 (5) Auswanderungsfreiheit und Nachsteuerfreiheit Mit dem Untergang des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation im Jahr 1806 war auch die unmittelbare und mittelbare Reichsuntertänigkeit ­erloschen, und eine solche wurde mit der Gründung des Deutschen Bundes auch nicht in Form einer neuen Bundesuntertänigkeit wieder begründet. Die Deutsche Bundesakte kennt lediglich „Unterthanen der deutschen Bundes­ staaten“432, was nach Ansicht von Klüber vor allem damit zusammenhing, daß der Bund mit den „Unterthanen der Bundesgenossen […] nicht in Staats­ verbindung“ stand und folglich auch keine „Art von Staatsgewalt“ über sie hatte.433 Gleichwohl umreißt Artikel 18 der Deutschen Bundesakte einige ­garantierte Rechte, die als „Basis eines gesamtstaatlichen Integrationsstatus zugestanden“ wurden. Lediglich als Zukunftsperspektive taucht ein „Bundes­ indigenat“ als „nicht verbindlich normierte staatsrechtliche Entwicklung“ auf. 434 Unter den in Artikel 18a−c der Bundesakte den Untertanen zu gewähren­ den Rechten gehörte neben dem Recht, Grundeigentum innerhalb des Bun­ desgebiets zu erwerben, auch die Befugnis des freien Wegziehens aus einem Bundesstaat in den andern, des Eintritts in Zivil- und Militärdienste eines ­anderen Bundesstaats sowie die Freiheit von aller Nachsteuer (jus detractus, gabella emigrationis), sofern das Vermögen in einen anderen deutschen Bun­ desstaat überging und mit diesem keine besonderen Verhältnisse durch Frei­ zügigkeitsverträge bestanden.435 Hierbei handelte es sich nicht um abstrakte Freiheitsrechte, sondern um konkrete Rechtszusicherungen, die allerdings an gewisse Bedingungen geknüpft waren. Die Freiheit zum Wegzug wurde nicht allgemein gewährt, sondern nur von einem Bundesstaat in den anderen, außerdem unter der Voraussetzung, daß dieser den Auswandernden „er­ ­ 431 Vgl. Sellmann, Günther Heinrich von Berg, S. 131−133; Gieseke, Vom Privileg zum Urhe­ berrecht, S. 209 f. u. 223−227; ders., Günther Heinrich von Berg und der Frankfurter Urhe­ berrechtsentwurf von 1819, S. 169; Wadle, Das Scheitern des Frankfurter Urheberrechtsent­ wurfs von 1819; ders., Metternichs erster Vorschlag zur Organisation des Deutschen Buch­ handels und der Schutz gegen den Nachdruck. 432 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516. 433 Vgl. Klüber, Öffentliches Recht des Teutschen Bundes, die Zitate S. 239 (HV i. O.). 434 Vgl. Grawert, Staat und Staatsangehörigkeit, die Zitate S. 194 f. (HV i. O.). 435 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516 f.

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weißlich“436 zum Untertanen aufzunehmen bereit war. Nicht zuletzt war die Auswanderungsfreiheit ebenso wie die Befugnis, in den Dienst eines anderen Bundesstaates zu treten, an die vorherige Erfüllung der Militärdienstpflichten gebunden. Die gewährte Auswanderungsfreiheit blieb also grundsätzlich be­ grenzt und konditionell, während es sich bei der Nachsteuerfreiheit im Kern um einen Verzicht der Bundesstaaten auf die Erbschaftsbesteuerung von ­Angehörigen anderer Bundesstaaten (jus detractus) handelte, die damit den Inländern gleichgestellt wurden. „Damit verharrte das Bundesrecht auf einer älteren Linie begrenzter Freiheitsgewährung“.437 Aus den Verhandlungen des Wiener Kongresses über die deutsche Bundes­ verfassung geht hervor, daß die Regelungen des späteren Artikels 18 von ver­ schiedenen Seiten vorgeschlagen worden waren, um das Bewußtsein der Zu­ sammengehörigkeit aller Deutschen und die Idee der nationalen Einheit trotz der bestehenden politischen Gegensätze lebendig zu halten. Die insbesondere in den Verfassungsplänen Humboldts und Hardenbergs sowie in den „Zwölf Artikeln“ niedergelegte Idee eines „gemeindeutschen Grundrechtekatalogs“438 wurde dann allerdings auf Intervention Österreichs und Bayerns lediglich mit den bereits erwähnten Einschränkungen realisiert. Durch den Wortlaut von Artikel 18 wurde zwar die „Gebundenheit der einzelnen Landesuntertanen an ihren Heimatstaat aufgehoben“, doch hing die Auswanderung in einen ande­ ren Bundesstaat vom freien Ermessen des Aufnahmestaates ab, der neben Vermögensnachweisen und Einwanderungsgeldern auch andere Kriterien, insbesondere guten Leumund oder Unbescholtenheit, einfordern konnte. Ver­ mögenslose und schlecht beleumundete Personen hatten damit kaum Chancen aufgenommen zu werden.439 Eng mit der Auswanderungsfrage verknüpft war die Nachsteuerfreiheit für Vermögen, das in einen anderen Bundesstaat überging. In der öffentlichen Diskussion hatten sich Stimmen bereits gegen jede Art von Auswanderungs­ abgabe gewandt. Artikel 18c der Deutschen Bundesakte bedeutete deshalb einen konkreten Schritt in diese Richtung. Als Bestandteil eines völkerrecht­ lichen Vertrags kam ihm allerdings keine unmittelbar rechtsverbindliche Kraft auf der Ebene der Einzelstaaten zu. Gleichwohl verpflichtete er die Regierun­ gen der Bundesstaaten, den Forderungen nach freier Auswanderung nach­

436 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516. 437 Vgl. Scheuner, Die Auswanderungsfreiheit in der Verfassungsgeschichte und im Verfas­ sungsrecht Deutschlands, S. 212 f. 438 Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 529 f. 439 Vgl. Möhlenbruch, „Freier Zug, ius emigrandi, Auswanderungsfreiheit“, S. 132 f.

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zukommen, wie er auch eine Handlungsaufforderung an die Bundesversamm­ lung darstellte, sich dieser Angelegenheit anzunehmen.440 Es ist unschwer zu erkennen, daß beide Bestimmungen die Mobilität von Menschen und Vermögen innerhalb des Deutschen Bundes ermöglichen soll­ ten. Weitergehende Initiativen auf dem Gebiet des Staatsangehörigkeits- und Heimatrechts, die den Bundestag in späteren Jahren beschäftigten441, blieben in der Anfangsphase des Deutschen Bundes zunächst ausgespart, wenn auch der österreichischen Präsidialgesandte Graf Buol in seiner vielbeachteten Rede vom 11. November 1816 darauf hinwies, daß Artikel 18 der Deutschen Bundesakte die „wohlthätigsten Bestimmungen für alle Deutsche“ enthalte und „ein wahres deutsches Bürgerrecht“ begründe und durch Ausführung die­ ses Artikels die „Bewohner der verschiedenen souverainen deutschen Staaten in nationeller Hinsicht sich näher“ gebracht und „gleichsam vereinigt“ wür­ den.442 Noch bevor sich der Bundestag mit der Sache beschäftigte, hatte das Für­ stentum Lippe infolge des Artikels 18 der Bundesakte bereits auf die Erhe­ bung der gabella emigrationis und das jus detractus verzichtet. Fürstin P ­ auline schien es nämlich unbegreiflich, warum es angesichts der Bestimmungen des Artikels 18 „noch besonderer Conventionen bedarf“. Der Bundestagsgesand­ te der 16. Kurie von Leonhardi wurde deshalb am 29. Januar 1817 angewie­ sen, in der Bundesversammlung den Antrag zu stellen, „daß Artickel 18 für allgemein verbindlich erklärt, und es keiner weiteren Verabredung bedürfe, damit nirgends im deutschen Staatenbund mehr Nachsteuer, weder von dem Vermögen des Auswandernden, noch von Erbschaften gefordert werden kön­ ne, sobald Deutschlands Gränzen nicht überschritten werden.“443 Dieser Initiative kam jedoch der oldenburgische Antrag auf Verabschie­ dung gemeinschaftlicher Regelungen zur Nachsteuer- und Abzugsfreiheit vom 13. Februar 1817 zuvor. Bezugnehmend auf die Rede Buols stellte der Bundestagsgesandte Berg nämlich fest, daß die in Artikel 18 „festgesetzte Freyzügigkeit“ noch nicht in allen deutschen Bundesstaaten „gleichförmige Anwendung“ finde. Da Holstein-Oldenburg nach Errichtung des Deutschen Bundes das Abzugsrecht gegen alle Bundesstaaten ohne Einschränkungen aufgehoben habe, drückte Berg die Erwartung aus, daß angesichts des „klaren 440 Vgl. ebd. S. 136. 441 Vgl. Müller, Deutscher Bund und deutsche Nation, S. 512−564. Zur Bedeutung von Staats­ angehörigkeit und Bürgerrecht, der Regulierung von Paßwesen und Heimatberechtigung sowie der Migrationspolitik für moderne Staats- und Nationsbildungsprozesse vgl. B ­ rubaker, Staats-Bürger; Fahrmeir, Citizens and Aliens; ders., Paßwesen und Staatsbildung; Gosewin­ kel, Staatsbürgerschaft und Staatsangehörigkeit. 442 Vgl. Dok. 100, die Zitate S. 428 (HV i. O.). 443 Vgl. Dok. 200, die Zitate S. 1027.

2. Die Anfangsjahre des Deutschen Bundes im Überblick

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Inhalt[s] der Bundesakte“ die übrigen Bundesstaaten folgen werden. Obwohl die „Worte der Bundesakte“ keinerlei Zweifel über die Verbindlichkeit dieser Zusicherung zuließen, herrschten hierüber unterschiedliche Ansichten, so daß die Bestimmungen der Bundesakte nicht überall befolgt würden. Berg stellte deshalb den Antrag, daß durch einen „gemeinschaftlichen Beschluß“ der Bundesversammlung „jeder Zweifel gehoben, und die unbedingte Erfüllung des 18. Artikels der Bundesakte auch in Ansehung der Abzugsfreiheit bewirkt und gesichert werden möge“.444 Die Bundesversammlung beauftragte Berg daraufhin, „zur Erzielung einer gleichförmigen Anwendung der, durch den 18. Artikel der deutschen Bundesakte festgesetzten Nachsteuer- und Abzugs­ freyheit“ einen Bericht zu erstatten und „diejenigen Puncte näher zu bezeich­ nen, welche in der Anwendung noch einer besonderen Verabredung und ­Uebereinkunft zu bedürfen scheinen“.445 Berg entledigte sich dieses Auftrags binnen vier Tagen und legte schon in der nächsten Sitzung eine „Kurze Übersicht der Zweifel und Schwierigkeiten, welche sich bei der Ausführung des Artikels 18 der Bundesakte in Ansehung der Aufhebung aller Nachsteuer ergeben könnten“ vor. Als zweifelhaft einge­ stuft wurde darin die Behandlung der nicht zum Bundesgebiet gehörenden Territorien einiger Bundesstaaten. Der in der Bundesakte verwendete Begriff „Abgabe“ müsse präzisiert und gegen andere Steuern und Abgaben (z. B. Kollateral- und Erbschaftssteuer) abgegrenzt werden, damit durch Einfüh­ rung neuer Auflagen und Taxen das Abzugsrecht nicht erschwert werde. Die allgemeine Befreiung der Deutschen von aller Nachsteuer im Bundesgebiet sei zwar in der Bundesakte ausgesprochen, jedoch vorbehaltlich besonderer Verhältnisse, die durch Freizügigkeitsverträge zwischen einzelnen Staaten be­ stünden. Berg stellte deshalb die Frage, ob dadurch eine „Einschränkung der allgemeinen Befreiung […] oder aber eine Erweiterung derselben“ bezweckt werden solle. Der Ausdruck „besondere Verhältnisse“ in Artikel 18c sei von Bayern veranlaßt worden und könne leicht als Ausnahme von der Regel ge­ deutet werden. Für notwendig hielt Berg die Festlegung eines Zeitpunkts, von welchem an die Bestimmungen des Artikels 18 in Kraft treten sollten, sowie die Klärung der Frage, ob die rechtliche Wirksamkeit der getroffenen Über­ einkunft eine gesetzmäßige Bekanntmachung in den einzelnen Bundesstaaten erfordere. Berg glaubte damit die „Hauptzweifel und Schwierigkeiten“ aufge­ zeigt zu haben, die der Einführung einer allgemeinen und vollkommenen Freizügigkeit in Deutschland entgegenstehen könnten und deren Beseitigung der „einstimmige Wunsch“ der Bundesversammlung sei.446 444 Vgl. Dok. 201, die Zitate S. 1028 f. (HV i. O.). 445 Vgl. ProtDBV 1817, 10. Sitzung vom 13. Februar 1817, § 40, S. 51 f., die Zitate S. 52. 446 Vgl. Dok. 201, die Zitate S. 1031 u. 1035−1037 (HV i. O.).

CXVI

Einleitung

Für seine Ausführungen erhielt Berg überwiegend Zustimmung. Der würt­ tembergische Bundestagsgesandte Graf Mandelsloh erklärte die Bereitschaft seines Königs, die in Artikel 18 ausgesprochene Nachsteuer- und Abzugsfrei­ heit zwischen sämtlichen deutschen Bundesstaaten in Anwendung zu bringen, und signalisierte Zustimmung zu folgenden Punkten: Abschließung besonde­ rer Freizügigkeitsverträge für die nicht zum Bund gehörigen Gebiete der Bundesstaaten; Befreiung jeder Art von Vermögen, das in einen anderen Bun­ desstaat übergeht, von Abgaben; Beibehaltung von Erbschaftssteuern, Stem­ pelabgaben und sonstigen Gebühren unter Gleichstellung von In- und Aus­ ländern; Verabschiedung einer Übereinkunft im Bundestag über das Verhältnis der Auswanderungsfreiheit zur Militärdienstpflichtigkeit gegenüber dem ei­ genen Staat. Durch Freizügigkeitsverträge zwischen einzelnen Bundesstaaten dürfe die Anwendung des Artikels 18 der Bundesakte keineswegs beschränkt werden, sondern allenfalls weitere Begünstigungen oder Erleichterungen ein­ treten. Die Festsetzung eines Anfangstermins der Wirksamkeit der Abzugsund Nachsteuerfreiheit könne entweder durch einzelstaatliche Übereinkunft oder durch einen Bundestagsbeschluß, der dann in einzelstaatliches Recht umgesetzt werden müsse, erfolgen.447 Der mecklenburgische Vertreter von Plessen ging noch einen Schritt weiter und betonte die Bereitschaft seiner beiden Höfe zum Abschluß gleichförmi­ ger Bestimmungen in der Bundesversammlung und hob zugleich die natio­ nalintegrativen Aspekte des Artikels 18 hervor. Dieser lasse nämlich die Absicht erkennen, „daß der Deutsche in keinem Theile des verbündeten ­ Deutschlands als Fremder behandelt und dadurch in ihm das Gefühl eines gemeinschaftlichen Vaterlandes wieder erweckt werden soll“. Der Nachsteu­ er- und Abzugsfreiheit sei deshalb die größtmögliche Ausdehnung zu geben, während die Interessen einzelner Bundesstaaten oder von Privaten nur inso­ weit berücksichtigt werden könnten, als sie den angestrebten Zweck nicht be­ hinderten. Nachdrücklich plädierte Plessen zudem für ein Inkrafttreten einer Einigung zum 1. Juli 1817.448 Der niederländisch-luxemburgische Bundestagsgesandte von Gagern wies hingegen darauf hin, daß das stärkste Hindernis nicht in der Erhebung von Abzugsgeldern, sondern in der Verpflichtung zum Militärdienst liege. Gagern plädierte deshalb für gleichförmige Vorschriften über die Militärpflichtigkeit, um zu verhindern, daß durch überlange Dienstzeiten (Militärdienst, Reserve, Landwehr, Landsturm) die Abzugsfreiheit de facto beseitigt oder nur um den Preis des Auseinanderreißens von Familien realisiert werden könne. Kleinli­ ches Aufrechnen sei dabei fehl am Platz, da es im Falle eines Wegzugs „nur 447 Vgl. Dok. 204. 448 Vgl. Dok. 207, die Zitate S. 1063.

2. Die Anfangsjahre des Deutschen Bundes im Überblick

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zwischen Staaten auf möglichen Gewinn oder Verlust hinausgeht, das ge­ sammte Vaterland“ aber keine Streitkräfte verliere.449 Der Bundesbeschluß über die Freiheit von Nachsteuer und Abzugsgeld vom 23. Juni 1817 folgte dann im wesentlichen den Vorschlägen Bergs, ­Mandelslohs und Plessens und bestimmte, daß sich die Nachsteuer- und ­Abzugsfreiheit für Vermögen, das aus einem Bundesstaat in einen anderen transferiert wurde, auf alle deutsche Bundesstaaten beziehe und jede Art von Vermögen umfasse. Alle bestehenden Abgaben auf die Ausfuhr von Ver­ mögen oder den Übergang von Vermögen auf Angehörige eines anderen Mitgliedsstaats des Deutschen Bundes wurden mit Wirkung vom 1. Juli 1817 für aufgehoben erklärt, während Verwaltungsabgaben und -gebühren, die anläßlich einer Erbschaft, eines Verkaufs, einer Schenkung etc. anfielen, durch die Nachsteuerfreiheit nicht ausgeschlossen wurden. Sofern sie den in der Bundesakte und dem gegenwärtigen Bundesbeschluß aufgestellten Nor­ men nicht widersprachen, konnten bestehende Freizügigkeitsverträge auf­ rechterhalten werden. Die notwendigen Regelungen über die Militärpflich­ tigkeit im Hinblick auf die Freizügigkeit wurden hingegen vertagt; sie sollten im Rahmen der Festsetzung der Militärverhältnisse des Bundes beschlossen werden.450 Acht Monate später beschäftigte sich die Bundesversammlung auf Anfrage des Bundestagsgesandten Wangenheim dann noch mit einem Spezialproblem: der bisherigen württembergischen Unterscheidung zwischen dem Anfall und der Ausfuhr von Vermögen.451 Sowohl Buol als auch der hannoversche Ge­ sandte von Martens vertraten den Standpunkt, daß sich der Bundesbeschluß vom 23. Juni 1817 auf den Zeitpunkt der reellen Ausfuhr von Vermögen be­ ziehe und davon abweichende einzelstaatliche Regelungen ihre Gültigkeit nach dem 1. Juli 1817 verloren hätten.452 Da es sich bei dieser Auslegung um die Privatmeinung Buols und Martens’ handelte, wurden ihre gedruckten Stellungnahmen nicht ins Protokoll aufgenommen, sondern nur zu den Akten genommen. Auf wiederholte Forderung Gagerns, daß ohne eine Klärung der Militär­ pflichtigkeit, der „Gegenstand des freien Abzugs auf Sand gebaut würde“, wurde parallel dazu am 1. Mai 1817 eine Kommission (Aretin, Goltz, Eyben) zur „Begutachtung über gleichförmige Grundsätze zu Regulirung der Militär­ pflichtigkeit, in Hinsicht auf das freie Wegziehen aus einem deutschen Bun­

449 Vgl. Dok. 203, Zitat S. 1042. 450 Vgl. Dok. 209. 451 Vgl. Dok. 210. 452 Vgl. Dok. 211 und 212.

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Einleitung

desstaat in den andern“ gewählt453, die ihren Vortrag454 drei Wochen später erstattete. Darin wurde bestätigt, daß die Freizügigkeit innerhalb des Deut­ schen Bundes nur dann befriedigend geregelt werden könne, wenn allgemeine Grundsätze über die Militärpflichtigkeit in Beziehung auf die Auswande­ rungsfreiheit festgesetzt würden. Die Kommission beschränkte sich dabei auf die Frage, wie beim Fortbestehen der einzelstaatlichen Militärpflichtigkeits­ systeme eine vermittelnde Bestimmung getroffen werden könne, und schlug dazu die Form einer freien Übereinkunft vor. Diese sollte sich auf diejenigen Punkte beschränken, die unmittelbare Beziehung auf die in Artikel 18 zugesi­ cherte Freiheit des Wegziehens und des Eintritts in Zivil- und Militärdienste deutscher Staaten hatten, während die Konskriptionsverhältnisse der Bundes­ staaten so wenig wie möglich eingeschränkt werden sollten. Die Kommission unterbreitete dazu eine Reihe von Vorschlägen. Für den Fall, daß nicht alle Bundesglieder den Kommissionsvorschlägen zustimmten, sollte den übrigen freigestellt bleiben, sich auf gemeinsame Grundsätze zu einigen. Die Kommission, der auch der preußische Bundestagsgesandte Goltz ange­ hörte, ging damit vor allem auf Befürchtungen des preußischen Staatskanz­ lers Hardenberg ein, daß der Bundestag Anreize zur Begünstigung der Aus­ wanderung schaffen könne. Die Bundesakte spreche zwar die Notwendigkeit zu gemeinsamen Beratungen aus, und es werde auch gut sein, „wenn jene möglichste Gleichförmigkeit erzielet werden kann, aber im gehörigen Wege“, d. h. nur durch Stimmeneinhelligkeit. Artikel 18 der Bundesakte verlange nur „möglichst gleichförmige Grundsätze“ und nicht „völlig gleichförmige“. Völ­ lig überzogen waren jedoch Hardenbergs Befürchtungen, daß durch eine zu weitgehende bundeseinheitliche Regelung das „wohlthätige, heilige Band zwischen dem Landesherrn und den Unterthanen“ gelockert werde und der Militärpflichtige künftig „nach seinem Gutdünken aus einem Dienst in den andern“ übergehen könne. Die preußischen Gesetze über die Militärpflichtig­ keit hätten sich in Zeiten der Not bewährt, und es sei zu hoffen, daß andere Regierungen diesem Beispiel folgen werden. Goltz wurde ausdrücklich dafür gelobt, daß er als Mitglied der Bundestagskommission das „Preußische In­ teresse“ gewahrt und „zugleich auf das wahrhaft deutsche Interesse“ hin­ zuwirken versucht habe.455 Der von der Kommission erarbeitete Entwurf einer „Übereinkunft sämt­ licher deutscher Bundesstaaten wegen Festsetzung allgemeiner Grundsätze über die Militärpflichtigkeit in Beziehung auf die Auswanderungsfreiheit“ trug diesen Befürchtungen Rechnung und beschränkte sich auf die Festlegung 453 Vgl. ProtDBV 1817, 25. Sitzung vom 1. Mai 1817, § 147, Zitat S. 278. 454 Vgl. Dok. 205a. 455 Vgl. Dok. 206, die Zitate S. 1060−1062 (HV i. O.).

2. Die Anfangsjahre des Deutschen Bundes im Überblick

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einiger weniger Rahmenbestimmungen wie die einheitliche Festsetzung der Militärpflichtigkeit vom 18. bis 27. Lebensjahr, die Suspendierung der Aus­ wanderungsbefugnis in Kriegszeiten und das Recht der Bundesstaaten zum Erlaß weiterer Bestimmungen in den abzuschließenden Freizügigkeitsverträ­ gen. Großer Wert wurde außerdem darauf gelegt, daß der Einwandernde den im Aufnahmestaat geltenden Bestimmungen über die Militärpflichtigkeit un­ terlag und nicht davon befreit werden durfte.456 Sowohl der Bundesbeschluß über die Freiheit von Nachsteuer und Abzugs­ geld als auch der „Entwurf“ wegen Festsetzung allgemeiner Grundsätze über die Militärpflichtigkeit stellen erste rechtsvereinheitlichende Schritte des Deutschen Bundes auf dem Gebiet des Auswanderungsrechts dar, die dem Souveränitätsbedürfnis zumal der größeren und mittleren Staaten Rechnung trugen und allen Bundesstaaten einen erheblichen Spielraum für Detail­ regelungen beließen. Während das Ausmaß der dadurch ermöglichten Frei­ zügigkeit letztlich von der Genehmigungspraxis der Bundesstaaten abhing, worüber bislang keine systematischen Untersuchungen vorliegen, kam es hin­ sichtlich der Militärpflichtigkeit zu keiner bundeseinheitlichen Regelung. Zwar hatten sich bis Februar 1818 einige Bundesstaaten zustimmend zu den vorgeschlagenen Regelungen geäußert457, doch geriet die Angelegenheit mit Beginn der Beratungen des Bundestags über die Militärverfassung des Deut­ schen Bundes ins Stocken und gelangte nicht mehr zu einem Abschluß. Das Beharren auf der einzelstaatlichen Souveränität spielte dabei eine wesentliche Rolle, aber auch übertriebene Befürchtungen wie etwa diejenigen Harden­ bergs vor „einige[n] Schriftsteller[n] und anmaaßliche[n] Wortführer[n]“, die sich „so gern für die öffentliche Meinung von ganz Deutschland ausgeben möchten“ und an die Stelle des „heiligen Band[es]“ zwischen Landesherrn und Untertanen etwas setzen wollten, „was, zum Wohl für Deutschland und für Europa, bisher nur in ihren Köpfen vorhanden ist“458: ein die Einzelstaa­ ten überwölbendes Bundesbürgerrecht als Instrument der schrittweisen Um­ wandlung der staatenbündischen Struktur des Bundes in eine bundesstaat­ liche. Mit der restaurativen Wende in der Bundespolitik von 1819/20 endete frei­ lich diese „kurze, aber intensiv genutzte“ (Reinhard Stauber) erste Phase der 456 Vgl. Dok. 205c. 457 Vgl. Dok. 208; ProtDBV 1817, 34. Sitzung vom 12. Juni 1817, § 225, S. 460 (sächsische Groß- und Herzogtümer); 35. Sitzung vom 16. Juni 1817, § 234, S. 480 (Hannover); 36. Sitzung vom 19. Juni 1817, § 240, S. 488 (Holstein-Lauenburg); 36. Sitzung vom 19. Juni 1817, § 241, S. 492 (Württemberg); 37. Sitzung vom 23. Juni 1817, § 255, S. 505 f. (Lu­ xemburg); 42. Sitzung vom 10. Juli 1817, § 321, S. 630 (Sachsen); ProtDBV 1818, 7. Sit­ zung vom 5. Februar 1818, § 27, S. 65 f. (Baden) 458 Vgl. Dok. 206, die Zitate S. 1059−1061.

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Einleitung

Bundesgeschichte (1815−1819), in der eine behutsame Weiterentwicklung und Integration des Deutschen Bundes im Vordergrund stand. Der österreichi­ sche Außenminister Metternich, der schon seit längerer Zeit unzufrieden mit dem Gang der Frankfurter Verhandlungen gewesen war, benutzte die Atten­ tate auf den Schriftsteller August von Kotzebue und den nassauischen Regie­ rungspräsidenten Ibell, um gegen den bisherigen Kurs der Bundesversamm­ lung, der maßgeblich von den Vertretern der Mittel- und Kleinstaaten mitbestimmt worden war, vorzugehen. Durch den von ihm in enger Ab­ sprache mit Preußen ins Werk gesetzten abrupten Kurswechsel von 1819, der nahezu einem „Bundes-Staatsstreich“459 gleichkam, wurde die „Natur des Bundes“460 grundlegend verändert und der Deutsche Bund zur „konservati­ ven Entwicklungsblockade“461 umgestaltet.

459 Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, Zitat S. 735 (HV i. O.). Dieser Deu­ tung folgen im Kern auch Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800−1866, S. 283; Siemann, Vom Staatenbund zum Nationalstaat, S. 332 f.; und Hahn/Berding, Reformen, Restauration und Revolution, S. 155. 460 Vgl. Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800−1866, Zitat S. 283. 461 Vgl. Langewiesche, Europa zwischen Restauration und Revolution, Zitat S. 61.

Zur Edition 1. Zu diesem Band Der Band schließt an den im Jahr 2000 erschienenen ersten Band der Abtei­ lung I des Editionsprojektes „Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes“ an und dokumentiert die Entwicklung des Deutschen Bundes vom Abschluß der Deutschen Bundesakte (8. Juni 1815) bis zum Sommer 1819. Der behan­ delte Zeitraum umfaßt die Zeit bis zur Eröffnung der Deutschen Bundesver­ sammlung am 5. November 1816 sowie die Anfangsphase des Deutschen Bundes, in der sich der Frankfurter Bundestag mit dem in der Bundesakte vorgezeichneten Arbeitsprogramm − der Abfassung der Grundgesetze des Bundes und seiner organischen Einrichtung im Hinblick auf die inneren Ver­ hältnisse − beschäftigte. Der Folgeband, der den Zeitraum von 1819 bis 1821/23 dokumentieren soll, wird nahtlos an das hier präsentierte Quellen­ korpus anschließen und die restau­ra­tive Wende in der Bundespolitik behan­ deln. Der hier vorgelegte Band 2 über die im engeren Sinne „formative Phase“ (Wolf D. Gruner) des Deutschen Bundes enthält 212 Dokumente. Den Kern des hier zum Abdruck gelangenden Quellenkorpus bilden diplomatische Ak­ tenstücke (112) sowie die Verhandlungen in der Bundesversammlung (92). Hinzu kommen noch ein Zeitungsartikel sowie Eingaben an die Bundesver­ sammlung (7), die Beratungen im Bundestag auslösten oder auf diese Bezug nahmen. Wie im vorhergehenden Band wurde bei der Auswahl darauf geach­ tet, daß einerseits möglichst viele unterschiedliche Stimmen zu Wort kom­ men, andererseits aber auch diejenigen Personen deutlich hervortreten, die die Arbeit der Bundesversammlung nachhaltig prägten. In der Edition werden sämtliche relevanten Staaten und Staa­ten­grup­pen be­ rücksichtigt. Sowohl im Hinblick auf die Anzahl und den Umfang der hier präsentierten Dokumente sind die beiden deutschen Großmächte (Österreich, Preußen) mit 68 Dokumenten, die Mittelstaaten (Bay­ern, Hannover, Württem­ berg, Sachsen, Baden, Hessen-Darmstadt, Kurhessen) mit 53 Dokumenten und die heterogene Gruppe der mindermächtigen deutschen Staa­ten (59 Do­ kumente) jeweils annähernd gleichgewichtig vertreten. Hinzu kommen 23 Dokumente aus der Arbeit des Bundestages (Beschlüsse, Kommissionsbe­ richte, Vorträge, Zeitungsartikel) und 9 Dokumente von Einzelpersonen bzw. gesellschaftlichen Gruppen (Mediatisierte, Kaufleute und Gewerbetreibende, Buchhändler und Verleger). Thematisch findet eine Konzentration auf die Organisation und innere Aus­ gestaltung des Deutschen Bundes statt. Das betrifft zunächst die Organisa­

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tionsbestrebungen des Bundestags in eigener Sache, die darauf abzielten, die eigene Handlungsfähigkeit herzustellen und auszuweiten sowie Schwerpunk­ te der Geschäftstätigkeit der Bundesversammlung zu formulieren. Anhand von fünf zentralen Themenkomplexen (Austrägalgerichtsbarkeit, landstän­ dische Verfassungen, Zoll- und Handelspolitik, Pressefreiheit und Bücher­ nachdruck, Freizügigkeitsrechte) werden sodann Versuche einer organischen Fortentwicklung und Integration des Deutschen Bundes dokumentiert. Diese Beschränkung wurde einer möglichen thematischen Ausweitung vorgezogen, um die Les- und Benutz­barkeit der vorliegenden Dokumentation wie auch die analytische Durchdringung des präsentierten Quellenmaterials zu erleichtern. Die Anordnung der Dokumente folgt einem systematisch-chronologischen Schema, das in drei Teilen die beiden Hauptphasen sowie die wichtigsten Themenkomplexe abzubilden versucht. Im ersten Teil werden 46 Quellen­ stücke für die Zeit vom Sommer 1815 bis zur Eröffnung der Deutschen Bun­ desversammlung präsentiert. Sie zeigen die unterschiedlichen Vorstellungen und Erwartungen, die sich auf den Deutschen Bund und seine weitere Ent­ wicklung richteten, aber auch die Verunsicherung, die sich aus der Verschie­ bung der Einberufung des Bundestags um mehr als ein ganzes Jahr ergab. Der von Preußen unternommene Versuch eines Umsturzes der Bundesverfas­ sung noch vor der Einberufung der Bundesversammlung und die dadurch ausgelösten Reaktionen und Gegenaktionen Österreichs, der Mittel- und Kleinstaaten bildet einen zweiten Schwerpunkt. Abschließend werden zwei wichtige Themen der Präliminarkonferenzen (Ausarbeitung einer vorläufigen Geschäftsordnung, Klärung der Verhältnisse des Bundestags zur Stadt Frank­ furt) und die feierliche Eröffnung der Bundesversammlung am 5. November 1815 dokumentiert. Im zweiten Teil, der sich in vier Abschnitte gliedert, beleuchten 80 Quel­ lenstücke den Deutschen Bund und sein beständiges Organ. In einem ersten Abschnitt (8 Quellenstücke) wird zunächst der Beitritt Badens und Württem­ bergs zur Deutschen Bundesakte, die Aufnahme des Landgrafen von HessenHomburg sowie die Bestimmung der zum Bund gehörigen Gebiete des Kai­ sers von Österreich sowie der Könige von Preußen und Dänemark dokumentiert. In einem zweiten Abschnitt mit 29 Dokumenten werden die Organisation und Arbeitsweise des Bundestags, seiner Kurien und Kommis­ sionen, die Ansprüche Badens auf eine vierte Stimme im Plenum des Bundes­ tags, die Forderungen der Mediatisierten nach Beilegung einiger Kuriatstim­ men in der Bundesversammlung sowie die Entstehung der Bundesmatrikel beleuchtet. Im dritten Abschnitt erhellen 16 Quellenstücke die Diskussion um die in Artikel 6 und 7 der Bundesakte geregelten Abstimmungsmodalitäten im Engeren Rat und Plenum der Bundesversammlung und die Suche nach möglichen Auswegen aus der durch das Einstimmigkeitsgebot des Artikels 7

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der Bundesakte drohenden Entwicklungsblockade. Weitere 27 Dokumente sind dann in Abschnitt vier dem Thema Aufgaben und Kompetenzen der Bundesversammlung gewidmet und dokumentieren die Versuche der reform­ bereiten Mehrheit des Bundestags, die institutionelle Fortbildung des Bundes mit dem Mittel des Kompetenzprovisoriums von 1817 voranzutreiben. Der dritte Teil beschäftigt sich dann mit konkreten Versuchen einer Ent­ wicklung der „staatsrechtlichen Elemente“ der Deutschen Bundesakte; er gliedert sich in fünf Abschnitte: In Abschnitt eins sind 19 Dokumente zu den Verhandlungen über das Austrägalwesen des Deutschen Bundes versammelt, die auch Überlegungen zur Errichtung eines Bundesgerichts als Mittel der Rechtsvereinheitlichung im Deutschen Bund hervorriefen. Abschnitt zwei umfaßt 22 Dokumente zur Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bun­ desakte und die Einführung landständischer Verfassungen in den deutschen Bundesstaaten. In Abschnitt drei beleuchten 20 Dokumente Initiativen zur wirtschaftlichen Integration der deutschen Bundesstaaten. Abschnitt vier ent­ hält 12 Quellenstücke zu den Themen Pressefreiheit und Büchernachdruck − beides Bemühungen, die der Rechtsvereinheitlichung im Deutschen Bund dienten und wichtig waren für den Schutz von Eigentums- und Bürgerrech­ ten. Abschnitt fünf präsentiert dann 13 Dokumente zu dem Themenkomplex Auswanderungsfreiheit und Nachsteuerfreiheit. Auch hier ging es um Rechts­ vereinheitlichung und die Ermöglichung der Mobilität von Menschen und Ver­mögen innerhalb des Deutschen Bundes. Von den 212 Dokumenten gelangt gut die Hälfte (115) in diesem Band erstmals zur Veröffentlichung, weitere 54 Quellenstücke stammen aus den ge­ druckten Protokollen der Deutschen Bundesversammlung. Von den bereits publizierten 43 Dokumenten kann in einigen Fällen eine bessere oder voll­ ständige Textfassung geboten werden. Sofern mehrere Überlieferungen im Kopf eines Dokumentes aufgeführt sind, bildet jeweils die erste die Grund­la­ ge für den nachfolgenden Text. Über die allgemeinen Grundsätze der Auswahl, editorischen Bearbeitung und Präsentation der Quellentexte geben die von den Bearbeitern der „Quel­ len zur Geschichte des Deutschen Bundes“ entworfenen und nachfolgend ab­ gedruckten Richtlinien Auskunft. Um semantische Analysen zu erleichtern, sind einige Regesten eng an den Wortlaut der Dokumente angelehnt.

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2. Allgemeine Leitsätze zur Gestaltung der Edition „Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes“ Von

Jürgen Müller und Eckhardt Treichel A. Kriterien für die Auswahl der Quellentexte Das für die Edition zur Verfügung stehende Material ist aus mehreren Grün­ den außerordentlich umfangreich. Zum einen bestand der Deutsche Bund aus bis zu 41 Einzelstaaten, die alle mehr oder minder große Archivbestände ­(Kabinetts- und Ministerialakten, Korrespondenzen und politische Nachlässe) hinterlassen haben. Hinzu kommt, daß sich neben den Regierungen auch die Landesparlamente und die Öffentlichkeit intensiv mit der deutschen Frage beschäftigten. Auf allen diesen Ebenen gab es ein breites Meinungsspektrum, das zumindest in seinen Grundzügen dokumentiert werden soll. Zum anderen zeichnet sich die Geschichte des Deutschen Bundes aber nicht nur durch eine Vielfalt der Interessen und Perspektiven, sondern auch durch ein großes Spektrum von thematischen Aspekten aus. Dazu gehören die allgemeine politische Organisation des Bundes, sein Verhältnis zum Ausland, die Probleme der wirtschaftlichen Integration, die Frage der inneren Ausgestaltung der Bundesverfassung, das Verhältnis der Einzelstaaten zum Deutschen Bund und die zahlreichen speziellen politischen Konfliktlagen mit ihren Rückwirkungen auf den Bund. Die ganze Fülle des Materials in der Edition auszubreiten, wäre weder praktikabel noch sinnvoll. Das Ziel des Projekts ist es vielmehr, eine sachlich motivierte Auswahl von besonders aussagekräftigen Texten zu präsentieren. Hierzu gehören zunächst und in erster Linie die formellen Schlußakten und Grundsatzbeschlüsse des Deutschen Bundes, ferner die Protokolle der großen Konferenzen einschließlich der wichtigsten Beschlußvorlagen. Hinzu k­ ommen die Situationsanalysen in Form von Denkschriften sowie die deutschland­ politischen Programme der Regierungen, Kammern, Parteien und Vereine in Form von Instruktionen, Proklamationen, Anträgen, Presseveröffentlichungen und Flugschriften. Aus diesen Quellengattungen soll ein möglichst repräsen­ tativer Querschnitt von Texten zum Abdruck kommen, um die unterschied­ lichen Zielvorstellungen, Sichtweisen und Argumente deutlich werden zu ­lassen. Da viele relevante Texte bereits teilweise oder vollständig im Druck vor­ liegen, läßt sich nicht vermeiden, schon früher veröffentlichtes Material in die Edition aufzunehmen. Im Falle von zeitgenössischen Zeitungsartikeln, Flugschriften und Broschüren erscheint dies unproblematisch, da diese oft­

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mals schwer zugänglich sind. Ähnlich verhält es sich mit den Verhandlungen der einzelstaatlichen Kammern, die sich meist nur in den jeweils zuständigen Archiven und Landesbibliotheken befinden. Überdies ist die deutsche Frage in den umfangreichen Kammerprotokollen nur einer von vielen Gegenständen, und ein Auffinden der diesbezüglichen Texte bereitet oft erhebliche Mühe. Aus diesen Gründen ist es sinnvoll, die bedeutendsten Debattenbeiträge und Anträge in die Edition aufzunehmen. Größere Zurückhaltung wird dagegen geübt beim Abdruck von Verhandlungen der Frankfurter Bundesversammlung, deren Protokolle in vielen Bibliotheken vorhanden sind. Selbstverständlich werden besonders wichtige Bundestagsverhandlungen und Bundesbeschlüsse in die Dokumentation aufgenommen. Zu edieren sind natürlich auch etwa vorhandene unveröffentlichte Protokolle. Bei bereits edierten handschriftlichen Akten und gedruckten, aber nicht pu­ blizierten Vorlagen entscheidet grundsätzlich die sachliche Relevanz, ob ein Wiederabdruck erfolgt. Eine Edition zur Geschichte des Deutschen Bundes kann nicht auf die Wiedergabe der entscheidenden Texte verzichten, auch wenn diese schon im Druck vorliegen sollten. Dies ist im übrigen auch des­ halb geboten, weil viele ältere Editionen (z. B. Klüber, Acten des Wiener Congresses) erhebliche Mängel aufweisen. Es versteht sich von selbst, daß bei der Neuedition auf die Originalvorlagen zurückgegriffen wird. Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Qualität der Vorlage zu richten. Wo immer ­möglich, soll die endgültige Fassung eines Dokuments herangezogen werden. Daraus ergibt sich eine Präferenz der Ausfertigung vor der Abschrift, welche wiederum dem Konzept vorgezogen wird. Gravierende inhaltliche Ab­ weichungen in den verschieden Überlieferungsformen werden kollationiert und als Variante in den textkritischen Apparat aufgenommen. Um eine vorlagengetreue Wiedergabe der Quellentexte zu gewährleisten, wird auf Kürzungen weitgehend verzichtet. Von diesem Grundsatz wird nur in Ausnahmefällen abgewichen, wenn etwa bei extrem langen Texten um­ fangreiche Passagen sich mit Gegenständen beschäftigen, die mit dem Editionsthema in keinem Zusammenhang stehen. Etwaige Auslassungen wer­ den in Form von Zwischenregesten resümiert. B. Grundsätze der editorischen Bearbeitung Für die editorische Bearbeitung historischer Dokumente liegen die von ­Johannes Schultze veröffentlichten „Richtlinien für die äußere Textgestaltung bei Herausgabe von Quellen zur neueren deutschen Geschichte“ vor.1 Diese 1 In: Blätter für deutsche Landesgeschichte 102, 1966, S. 1−10.

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Richtlinien enthalten viele sinnvolle Anregungen, geben aber in einer Kern­ frage zu kritischen Einwänden Anlaß. Die von Schultze empfohlene weitge­ hende Modernisierung von Orthographie und Interpunktion ist mit Nachteilen verbunden. Zum einen ist, wie Winfried Baumgart in der Krimkriegsedition hervorgehoben hat, Sprache immer in der Entwicklung begriffen, so daß „heute modernisierte Texte in 50 oder 150 Jahren wieder modernisiert werden müßten“.2 Darüber hinaus dürfte es wissenschaftlichen Anforderungen am ehesten entsprechen, wenn Quellentexte weitgehend vorlagengetreu abge­ druckt werden. Auf eine sprachliche Modernisierung wird deshalb grundsätz­ lich verzichtet. Konkret bedeutet dies, daß orthographische Besonderheiten und Abweichungen von der heutigen Norm sowie die Zeichensetzung der Vorlagen beizubehalten sind. Nachteilige Folgen für das Verständnis und die Lesbarkeit sind kaum zu befürchten, da die sprachliche Beschaffenheit der Texte aus dem 19. Jahrhundert im allgemeinen nur geringfügig vom gegen­ wärtigen Sprachgebrauch abweicht. Mit Ausnahme der stillschweigenden Einfügung bzw. Tilgung von fehlen­ den oder überflüssigen Satzzeichen und der Ausschreibung elidierter Wörter werden alle Eingriffe des Bearbeiters in den Quellentext kenntlich gemacht. Dies geschieht entweder durch entsprechende Markierungen im Text oder durch textkritische Anmerkungen im Anschluß an den Text. Die Sachanmerkungen beschränken sich im allgemeinen auf die Erläute­ rung von Personen, Sachen und Begriffen. Hinzu kommen Querverweise auf abgedruckte oder nichtpublizierte Aktenstücke sowie gegebenenfalls sach­ liche und bibliographische Zusatzinformationen. Auf interpretierende Er­ läuterungen soll dagegen grundsätzlich verzichtet werden, zumal inhaltliche Bezüge in den ins Auge gefaßten begleitenden Monographien aufgezeigt ­werden können. Die Dokumente werden nach thematischen Gesichtspunkten gruppiert und innerhalb eines Themenblocks (in der Regel) in chronologischer Reihenfolge, basierend auf dem Ausstellungs- bzw. Auslaufdatum, angeordnet. Fehlt ein Ausstellungsdatum, so bildet das Einlaufdatum des Empfängers die Grundlage für die Datierung.

2 Akten zur Geschichte des Krimkriegs. Hrsg. v. Winfried Baumgart. Serie I: Österreichische Akten zur Geschichte des Krimkriegs. Bd. 1. Bearb. v. Ana María Schop Soler. München/ Wien 1980, S. 12.

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CXXVII

C. Richtlinien zur editorischen Bearbeitung3 1. Allgemeines 1.1.

Die Überlieferungsformen (z. B. Konzept, Ausfertigung, Abschrift, Metallographie, Druck) werden mitgeteilt. Ebenso werden die betei­ ligten Schreiber – etwa bei Eigenhändigkeit – oder deren Wechsel, falls inhaltlich relevant, genannt. Fundort, Signatur mit Blatt- bzw. Seitenzahlen werden – auch bei Drucken – angegeben. 1.2. Liegt ein Dokument in mehrfacher Originalüberlieferung vor, werden alle Fundorte mitgeteilt, es sei denn, es handelt sich um gedruckte oder metallographierte Vorlagen oder um identische Abschriften. Va­ rianten werden nur festgehalten, wenn es sich dabei um sachlich oder sprachlich bedeutsame Abweichungen handelt. 1.3. Kanzleivermerke und dergleichen werden wiedergegeben, wenn ih­ nen Informationswert zukommt. Dasselbe gilt für Hervorhebungen und Streichungen. 1.4. Unsichere, aber wahrscheinliche Lesungen werden durch < > kennt­ lich gemacht. 1.5. Unleserliche Wörter werden durch , unleserliche Textpassagen durch kenntlich gemacht. 1.6. Lücken in der Handschrift werden durch *** wiedergegeben. 1.7. Zusätze des Bearbeiters werden stets in eckige Klammern [ ] gesetzt, Auslassungen des Bearbeiters durch […] gekennzeichnet. 1.8. Abkürzungen werden nicht aufgelöst, sondern in der vorliegenden Form abgedruckt. Ist eine Abkürzung nicht ohne weiteres zu erschlie­ ßen, wird sie in einer textkritischen Anmerkung erklärt. Alle in der Edition vorkommenden Abkürzungen werden in einem beigefügten Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen mit ihrer vollen Bedeutung aufgelöst. 1.9. Im Unterschied zu den echten Abkürzungen, hinter denen meist ein Punkt steht, werden Elisionen und Kontraktionen immer aufgelöst. – “ steht „mm“, für „ud“ steht „und“, für „Coon“ steht „Com­ Für „m mission“; elidierte Endungen (-ung) werden ausgeschrieben. 1.10. In Geheimschrift abgefaßte Texte oder Passagen werden nach Mög­ lichkeit anhand zeitgenössischer Transkriptionen in Klarschrift wie­ dergegeben. Die ursprünglich chiffrierten Texte oder Abschnitte – 3 Wir folgen hier in vielen Punkten den „Empfehlungen zur Edition frühneuzeitlicher Texte“, die vom Arbeitskreis „Editionsprobleme der frühen Neuzeit“ zusammengestellt wurden und abgedruckt sind in: Jahrbuch der historischen Forschung in der Bundesrepublik Deutschland 1980, S. 85–96.

CXXVIII

1.11. 1.12. 1.13. 1.14.

1.15.

Zur Edition

auch Textteile, die in Konzepten zur Chiffrierung bestimmt erscheinen – werden markiert und in den Sachanmerkungen erklärt. Liegen keine Dechiffrierungen vor, löst der Bearbeiter die Geheimschrift auf. Ist dies nicht möglich, wird, soweit dies typographisch machbar ist, der ursprüngliche Chiffrentext wiedergegeben. Diakritische Zeichen werden wiedergegeben, sofern sie nicht reine Lesehilfen sind. Es wird nicht festgehalten, wenn z. B. Punkte über i und j fehlen. e e o Hochgestellte Buchstaben bei Umlauten (z. B. „a“, „o“, „u“) werden in die Zeile heruntergezogen („ae“, „oe“, „uo“). Schriftwechsel in der Textvorlage – z. B. lateinische Schrift (statt deutscher Schrift) bei fremdsprachigen Wörtern oder Passagen – wer­ den in der Transkription nicht wiedergegeben. Hervorhebungen in der Vorlage werden durch Kursivdruck wiederge­ geben, wenn nötig, wird die Art der ursprünglichen Hervorhebung in einer textkritischen Anmerkung erläutert (etwa bei doppelter oder dreifacher Unterstreichung). Bei fremdsprachlichen (insbesondere französischen) Vorlagen werden fehlende Akzente ergänzt und falsche Akzente korrigiert, sofern dies für das Verständnis erforderlich ist. 2. Textgrundlage

2.1.

2.2.

2.3.

Bei Mehrfachüberlieferung sollte einer einzigen gefolgt werden. Die Entscheidung für die Vorlage ist besonders zu begründen, wenn das Alter der Vorlage, die Genese des Textes, die Überlieferungsgeschich­ te, die Wirkungsgeschichte oder der Erhaltungszustand es erfordern. Offensichtliche Fehler in der Vorlage werden mit Hilfe anderer Über­ lieferungen emendiert. Die Schreibweise folgt dabei der herangezo­ genen Überlieferung. Bei Verbesserungen von Textversehen wird die fehlerhafte Variante in einer textkritischen Anmerkung angegeben. Unumgängliche Textverbesserungen (Konjekturen) sind in der Regel in den Text aufzunehmen, jedoch zu kennzeichnen. Auf unheilbare verderbte Textstellen (Korruptelen) wird mit [!] hingewiesen. 3. Anmerkungsapparat

3.1. 3.2.

Im Anmerkungsapparat wird einerseits Textkritik und andererseits Sprach- wie Sachkommentar geboten. Die Angaben im Apparat werden durch Exponenten (arabische Zif­ fern) vorgenommen. Die Anmerkungen stehen am Fuß jeder Seite in normaler Petitschrift, lediglich Autorennamen werden kursiv gesetzt. Die Zählung beginnt bei jedem Dokument wieder von vorne.

Zur Edition



3.3. 3.3.1.

3.3.2. 3.3.3.

3.3.4.

3.4. 3.4.1.

3.4.2. 3.4.3. 3.4.4. 3.4.5.

CXXIX

N.B.: Originalanmerkungen aus den Vorlagen werden nicht in den Anmerkungsapparat integriert, sondern in normaler einzeiliger Schrift unter den Text gesetzt. Ihre Kennzeichnung erfolgt durch *, †, ‡. Text und eventuelle Originalanmerkungen werden durch einen Trennstrich vom Anmerkungsapparat getrennt. Textkritische Anmerkungen Marginalien werden, soweit sie nicht am Rand belassen oder in den Text eingefügt werden können, in den Anmerkungsapparat aufge­ nommen. Erforderliche Erläuterungen werden in eckigen Klammern hinzugefügt. Sind Entstehungsvarianten vorhanden, etwa in Konzepten, werden diese in den Anmerkungsapparat aufgenommen, sofern sie inhaltlich relevant sind. Überlieferungsgeschichtliche Varianten sollen in den Anmerkungsap­ parat nur dann aufgenommen werden, wenn dadurch die Veränderun­ gen des Sinnes dokumentiert werden (lexikalische oder syntaktische Varianten: Wortwahl, Wortbildung, Wortfolge, Kasus, Numerus, Tem­ pus). Orthographische und sprachliche Varianten werden in der Regel nicht einzeln verzeichnet; sie können summarisch in der Einleitung erfaßt werden. Wurde ein Text mehrfach redigiert, kann es sich als notwendig erwei­ sen, die verschiedenen Fassungen nacheinander oder in Kolumnen zu drucken, um den Anmerkungsapparat zu entlasten, der in jedem Fall so knapp wie möglich gehalten sein sollte. Sprachliche und sachliche Erläuterungen Veraltete und untergegangene Wörter, gegebenenfalls auch semanti­ sche Verschiebungen, werden erläutert, wenn ihre Bedeutung nicht aus dem Kontext erkennbar ist. Auch syntaktische und sonstige sprach­liche Schwierigkeiten werden gegebenenfalls erläutert. Unter Umständen kann sich die Zusammenfassung der lexikalischen Erläuterungen in einem Glossar empfehlen. Zitate und gegebenenfalls Zitatanklänge werden soweit wie möglich nachgewiesen. Zur Kennzeichnung im Text sind die verschiedenen Formen der Anführungszeichen zu verwenden. Im Text vorkommende Personen und geographische Namen werden nach Möglichkeit identifiziert. Sachen, Begriffe und Ereignisse sind nur soweit zu erläutern, wie es das Verständnis erfordert. Dabei angeführte Veröffentlichungen sind bibliographisch eindeutig anzugeben, gegebenenfalls durch Beifü­ gung eines Literaturverzeichnisses.

CXXX

Zur Edition

4. Die Edition der Texte 4.1. 4.2. 4.3. 4.4.

4.5.

4.6. 4.7. 4.8.

Eigennamen werden entsprechend der Vorlage wiedergegeben. Groß- und Kleinschreibung wird entsprechend der Vorlage verwen­ det. Hingegen werden Eigennamen, Satzanfänge sowie Titel und de­ ren Abkürzung generell groß geschrieben. Die Getrennt- und Zusammenschreibung folgt der Vorlage, sofern diese eindeutig ist. Falls dadurch Verständnisschwierigkeiten entste­ hen, empfiehlt sich die Anbringung einer erläuternden Anmerkung. Zahlzeichen werden im laufenden Text vorlagengetreu wiederge­ geben, es sei denn, daß gewichtige Gründe für eine Auflösung spre­ chen. Bei Ordnungszahlen wird stets ein Punkt hinzugefügt, bei Kardinal­zahlen hingegen Punkte bzw. Kommata (z. B. „100 000“ für „100,000“) generell fortgelassen. Dienen Zahlzeichen und Buchsta­ ben der Gliederung des Textes, findet eine Vereinheitlichung im oben genannten Sinne statt. Die Interpunktion folgt im allgemeinen der Vorlage. Fehlende Satz­ zeichen, insbesondere Kommata, werden, wenn nötig, ergänzt, ­während überflüssige Satzzeichen in der Regel beibehalten werden. ­Lediglich Gedankenstriche nach einem Punkt zur Markierung eines Absatzes entfallen; Gedankenstriche und Semikola zur Markierung des Satzendes werden durch einen Punkt ersetzt. Anstelle des doppelten Trennungs- und Bindestrichs wird einheitlich der einfache Trennungs- und Bindestrich verwendet. Das eine Einfügung kennzeichnende /: :/ wird durch eine runde Klammer ( ) ersetzt. Datumsangaben in den Texten werden vorlagengetreu wiedergegeben. D. Präsentation der editierten Dokumente

Jedem Dokument wird ein Kopf vorangestellt. Dieser besteht aus: 1.1. Der Nummer des Dokuments innerhalb der Edition. 1.2. Dem Aussteller und Empfänger 1.1. und 1.2. werden hintereinander, halbfett und zentriert gedruckt. 2.1. Angaben zum Fundort: Archivsigle, Bestand, Nr., fol. oder Seite. 2.2. Art der Vorlage: Bericht, Note, Denkschrift etc. 2.3. Überlieferungsform: (Eigenhändige) Ausfertigung, Abschrift, Ent­ wurf, Metallographie, Druck usw. 2.4. Praesentatum oder sonstigen Eingangsvermerken des Empfängers; Expeditionsvermerke werden nur angegeben, wenn sie eine von der Datierung der Vorlage (Konzept) abweichende Angabe enthalten.

Zur Edition



CXXXI

Für die Eingangs- bzw. Auslaufvermerke werden die standardisierten Abkürzungen „Praes.“ und „Exped.“ verwendet. Das Datum wird ebenfalls in standardisierter Form (Tag, Monat, Jahr) wiedergegeben. 2.5. Druckort. Diese Angaben erfolgen in der Reihenfolge 2.1.–2.5. hintereinander und werden in Petitschrift gedruckt. 3. Dem Kopfregest mit kurzen Angaben zum Gegenstand des Doku­ ments. 4. Dem Kopfregest folgt mit dreizeiligem Abstand das Dokument. In der ersten Zeile steht linksbündig, falls vorhanden, die Aktennummer des Ausstellers und ein eventueller Vertraulichkeitsvermerk. Ausstel­ lungsort und -datum stehen in der gleichen Zeile rechtsbündig in der standardisierten Form: Ort, Tag, Monat (ausgeschrieben), Jahr. 5. Anrede- und Grußformeln werden unverändert beibehalten. Die Unterschrift des Ausstellers steht rechtsbündig am Ende des Tex­ 6. tes. Fehlt die Unterschrift (etwa in Abschriften und Konzepten), so wird sie in eckigen Klammern und normaler Schrift ergänzt, sofern der Aussteller unstrittig ist.

Systematisches Verzeichnis der Dokumente Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite

I. Von der Verabschiedung der Deutschen Bundesakte bis zur Eröffnung der Deutschen Bundesversammlung   1 Metternich an Hardenberg Paris   2 Metternich an Hardenberg Paris   3 Metternich an Albini Paris   4 Metternich an Albini a) Weisung Paris b) Anlage: Ansichten des deutschen Bundes [Paris]   5 König Friedrich I. von Württemberg an Linden Stuttgart   6 Hänlein an Hardenberg a) Schreiben Berlin b) Anlage: Über Preußens politisches Interesse beim Deutschen Bundestag und dessen gegenwärtige und künftige Stellung gegen Österreich und Deutschland Berlin   7 Hach an Curtius Frankfurt   8 Hänlein an Buol Berlin   9 Gagern an Metternich Frankfurt 10 Friesens „Flüchtige Betrachtungen über den Deutschen Bund bei der bevorstehenden Eröffnung der Bundesversammlung“ [ohne Ort] 11 Bergs „Über die Eröffnung der Bundesver sammlung und die Präliminarkonferenzen“ [Frankfurt] 12 Entwurf eines Vertrags über eine Zusam menarbeit Preußens und Österreichs in Angelegenheiten des Deutschen Bundes [Frankfurt] 13 Buol an Metternich a) Bericht Frankfurt b) Anlage: Schlegels Bemerkungen über den preußischen Konventionsentwurf, die Einrichtung des Deutschen Bundes betreffend [Frankfurt] Frankfurt 14 Berstett an Großherzog Karl von Baden 15 Österreichische Bemerkungen über den preußischen Konventionsentwurf [Wien] 16 Metternich an Buol Wien 17 Hänlein an Hardenberg Frankfurt 18 Plessen an Großherzog Friedrich Franz von Mecklenburg-Schwerin Frankfurt

12. August 1815 7. Oktober 1815 21. November 1815

5 6 7

November 1815 [November 1815]

9 10

18. Januar 1816

15

24. März 1816

17

24. März 1816 3. April 1816 4. April 1816 3. Mai 1816

24 35 37 38

Juni 1816

55

[25. Juni 1816]

67

[29. Juni 1816]

73

30. Juni 1816

78

[30. Juni 1816] 1. Juli 1816 [wohl vor dem 2. Juli 1816] 2. Juli 1816 2. Juli 1816

81 85

2. Juli 1816

98

86 90 95

CXXXIV Nr. Dokument

Systematisches Verzeichnis der Dokumente Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite

19 Hendrich an Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar Frankfurt Wiesbaden 20 Marschall an Herzog Wilhelm von Nassau 21 Wintzingerode an Montgelas Stuttgart 22 Dalwigk an Marschall Wiesbaden 23 Wintzingerode an König Friedrich I. von Württemberg Stuttgart 24. Wintzingerode an Montgelas a) Schreiben Stuttgart b) Anlage: Entwurf eines Vertrags über die engere Zusammenarbeit der könig lichen und großherzoglichen Häuser in Bundesangelegenheiten [Stuttgart] 25. Lichtenberg an Wintzingerode Darmstadt 26. Einsiedel an Rheinwald Dresden Stuttgart 27. Wintzingerode an Hacke 28. Hacke an Wintzingerode Griesbach 29. Montgelas an Wintzingerode München 30. Buols „Entwurf der wesentlichsten Punkte für die vorbereitenden Conferenzen und die förmliche Eröffnung der Bundesver sammlung“ [Frankfurt] 31. Humboldts „Über die vertraulichen Besprechungen, welche die Eröffnung des Bundestags vorzubereiten bestimmt sind“ Frankfurt 32. Metternich an Buol Wien 33. Metternich an Buol Wien 34. Bergs „Ideen über den Geschäftsgang der Bundesversammlung bis zur Berichtigung einer förmlichen Bundestagsordnung“ [Frankfurt] 35. Berg an Humboldt Frankfurt 36. Berg an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-Oldenburg Frankfurt 37. Buol an den Senat der Freien Stadt Frankfurt am Main a) Schreiben Frankfurt b) Anlage: Aufsatz über das Verhältnis der Deutschen Bundesversammlung zur Freien Stadt Frankfurt [Frankfurt] 38. Rat der Freien Stadt Frankfurt an Buol a) Schreiben Frankfurt b) Anlage: Erklärung über das Verhältnis der Deutschen Bundesversammlung zur Freien Stadt Frankfurt [Frankfurt] 39. Marschall über die Ausübung des Stimm rechts in der Bundesversammlung Frankfurt

3. Juli 1816 6. Juli 1816 7. Juli 1816 9. Juli 1816

102 106 109 111

13. Juli 1816

112

27. Juli 1816

114

[27. Juli 1816] 3. August 1816 8. August 1816 11. August 1816 14. August 1816 15. August 1816

117 118 120 121 123 124

[28. August 1816]

126

September 1816 132 23. September 1816 137 26. September 1816 139 [vor dem 6. Oktober 1816] 6. Oktober 1816

140 144

7. Oktober 1816

146

23. Oktober 1816

148

[23. Oktober 1816]

148

25. Oktober 1816

154

[25. Oktober 1816]

155

29. Oktober 1816

161

CXXXV

Systematisches Verzeichnis der Dokumente Nr. Dokument 40. 41 42 43 44 45 46

Humboldt über die Erklärung des Senats der Stadt Frankfurt Buol an den Senat der Freien Stadt Frankfurt Rede des österreichischen Präsidialgesandten Buol bei Eröffnung der Deutschen Bundesversammlung Rede des preußischen Staatsministers Humboldt bei Eröffnung der Deutschen Bundesversammlung Gagerns „Gedanken bei der feierlichen Eröffnung des Bundestags“ Offizieller Artikel in der Frankfurter Oberpostamtszeitung über die Eröffnung der Deutschen Bundesversammlung Gruben an König Maximilian I. Joseph von Bayern

Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite Frankfurt

[30. Oktober 1816]

164

Frankfurt

30. Oktober 1816

169

Frankfurt

5. November 1816

169

Frankfurt

5. November 1816

179

Frankfurt

5. November 1815

181

Frankfurt

5. November 1816

184

Frankfurt

6. November 1816

185

II. Der Deutsche Bund und sein beständiges Organ 1. Mitglieder und Territorium des Deutschen Bundes 47 Badische Beitrittsurkunde zur Deutschen Bundesakte 48 Württembergische Beitrittsurkunde zur Deutschen Bundesakte 49 Dänisch-holsteinische Erklärung über den Beitritt Sachsen-Lauenburgs zum Deutschen Bund 50 Bundesbeschluß über die Aufnahme des Landgrafen von Hessen-Homburg in den Deutschen Bund 51 Österreichische Erklärung über die zum Deutschen Bund gehörenden Provinzen und Gebiete der österreichischen Monarchie 52 Himly an Hardenberg 53 Hardenberg an Goltz a) Weisung b) Anlage: Verzeichnis der Bevölkerung der deutschen Provinzen des preußischen Staats 54 Preußische Erklärung über die zum Deutschen Bund gehörenden Länder der preußischen Monarchie

Karlsruhe

26. Juli 1815

195

Ludwigsburg

1. September 1815

196

Frankfurt

5. November 1816

197

Frankfurt

7. Juli 1817

198

Frankfurt Frankfurt

6. April 1818 16. April 1818

200 202

Berlin

24. April 1818

204

[Berlin]

[24. April 1818]

204

Frankfurt

4. Mai 1818

205

CXXXVI

Systematisches Verzeichnis der Dokumente

Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite

2. Organisation und Arbeitsweise der Deutschen Bundesversammlung

55 Vertrag zwischen Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz über die Stimmführung am Deutschen Bundestag 56 Vertrag über die Einrichtung und Stimmführung der 16. Kuriatstimme in der Bundesversammlung 57 Provisorische Übereinkunft zwischen Lübeck, Frankfurt, Bremen und Hamburg über die Führung der 17. Stimme im Engeren Rat der Deutschen Bundesversammlung 58 Vertrag zwischen Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg über die Führung der 15. Stimme in der Deutschen Bundesver sammlung 59 Braunschweigisch-nassauische Punktation über die Führung der gemeinschaftlichen Stimme im Engeren Rat der Deutschen Bundesversammlung 60 Berstett an Humboldt 61 Metternich an Buol a) Weisung b) Anlage: Instruktionspunkte für den österreichischen Präsidialgesandten beim Deutschen Bundestag 62 Provisorische Übereinkunft wegen Führung der sachsen-ernestinischen Kuriatstimme am Bundestag 63 Promemoria mediatisierter Reichsstände an die Deutsche Bundesversammlung 64 Metternich an Buol 65 Vorläufige Geschäftsordnung der Deutschen Bundesversammlung 66 Martens’ Vorschlag über die Ernennung einer Kommission zur Begutachtung eingehender Reklamationen 67 König Wilhelm I. von Württemberg an Mandelsloh a) Weisung b) Anlage: Vorläufige Bemerkungen betreffend die Schritte der Mediatisierten wegen Sitz und Stimme bei der Bundes versammlung 68 Eingabe der Häuser Hohenlohe, Castell und Limpurg-Speckfeld-Rechtern um Erteilung von Kuriatstimmen an die ehemaligen Reichs stände in der Deutschen Bundesversammlung

Ludwigslust

6. Oktober 1815

209

Frankfurt

2. April 1816

211

Frankfurt

8. April 1816

218

Frankfurt

1. Juni 1816

221

Frankfurt Frankfurt

30. September 1816 226 9. Oktober 1816 229

Wien

28. Oktober 1816

232

Wien

24. Oktober 1816

236

Jena

31. Oktober 1816

242

Frankfurt Wien

1. November 1816 244 11. November 1816 248

Frankfurt

14. November 1816 249

Frankfurt

14. November 1816 255

Stuttgart

19. November 1816 256

Stuttgart

15. November 1816 258

Frankfurt

25. November 1816 263

CXXXVII

Systematisches Verzeichnis der Dokumente Nr. Dokument

69 Goltz an König Friedrich Wilhelm III. von Preußen 70 Hardenberg an Goltz 71 Metternich an Buol 72 Bundestagsbeschluß betreffend die Reklamation mehrerer mediatisierter vormaliger Reichsstände um Verleihung einiger Kuriatstimmen 73 Hardenberg an Goltz 74 Martens an Prinzregent Georg von Großbritannien und Hannover a) Postskriptum b) Anlage: Bemerkungen über Kuriat stimmen der Mediatisierten 75 Österreichische Punktation über die Vertagung des deutschen Bundestags 76 Österreichische Punktation über die Entwerfung einer Bundesmatrikel 77 Bundesbeschluß über die Vertagung der Bundesversammlung 78 Kommissionsbericht über die Entwerfung einer Bundesmatrikel 79 Kommissionsgutachten über die Bestellung von Agenten bei der Bundesversammlung 80 Bundesbeschluß über die Abfassung und Einreichung von Privatreklamationen bei der Bundesversammlung 81 Bundesbeschluß über die vorläufige Matrikel des Deutschen Bundes 82 Kommissionsvortrag über den Entwurf einer Geschäftsordnung für die Kommissionen des Bundestags 83 Geschäftsordnung für die Kommissionen der Deutschen Bundesversammlung

Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite Frankfurt Berlin Wien

26. November 1816 265 30. November 1816 268 4. Dezember 1816 269

Frankfurt Berlin

13. Januar 1817 31. Januar 1817

271 272

Frankfurt

12. März 1817

272

Frankfurt

[12. März 1817]

273

[Frankfurt]

[24. März 1817]

279

Frankfurt

29. Mai 1817

282

Frankfurt

26. Juni 1817

285

Frankfurt

14. Juli 1817

286

Frankfurt

24. November 1817 311

Frankfurt

11. Dezember 1817

320

Frankfurt

20. August 1818

321

Frankfurt

20. April 1819

323

Frankfurt

29. April 1819

332

3. Abstimmungsmodalitäten in der Deutschen Bundesversammlung 84 85 86 87

Kurhessischer und hessen-darmstädtischer Antrag auf genaue Bestimmung, wann Stimmenmehrheit in der Bundesversammlung entscheide Hardenberg und Bernstorff an Goltz Bernstorff an Goltz Österreichischer Vorschlag auf Entscheidung von Modalitäten organischer Bundeseinrichtungen durch Zweidrittelmehrheit

Frankfurt Berlin Berlin

29. März 1819 30. März 1819 20. April 1819

339 340 342

Frankfurt

14. Juni 1819

347

CXXXVIII

Systematisches Verzeichnis der Dokumente

Nr. Dokument

  88 Badischer Antrag auf Wahl einer Kommission zur Begutachtung der Frage, wann Stimmenmehrheit in der Bundes versammlung entscheide, und diesbezüg licher Beschluß   89 Eyben an Rosenkrantz a) Bericht b) Anlage: Eybens „Bemerkungen über den 6. und 7. Artikel der Bundesakte“   90 Buol an Metternich   91 Goltz an Bernstorff   92 Goltz an Buol a) Schreiben b) Anlage: Votum zu Artikel 7 der Deutschen Bundesakte   93 Metternich an Buol   94 Plessens „Votum zur Kommission wegen des Artikels 7 der Bundesakte“   95 Blomberg an Wintzingerode   96 Buol an Metternich   97 Kommissionsgutachten über diejenigen Gegenstände, worüber nach Artikel 7 der Bundesakte als Ausnahme von der Regel ein Beschluß durch Stimmenmehrheit nicht gefaßt werden kann   98 Wangenheim an Wintzingerode a) Schreiben b) Anlage: Wangenheims Entwurf einer Abstimmung über die Entscheidung durch Stimmenmehrheit   99 Bundesbeschluß über die nähere Bestim mung des Artikels 7 der Deutschen Bundes akte und die provisorische Anwendung des Mehrheitsprinzips bei Abstimmungen über organische Einrichtungen in der Bundesversammlung

Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite

Frankfurt

14. Juni 1819

348

Frankfurt

19. Juni 1819

351

[Frankfurt] Frankfurt Frankfurt

[19. Juni 1819] 19. Juni 1819 21. Juni 1819

353 362 364

Frankfurt

25. Juni 1819

369

[Frankfurt] Florenz

[25. Juni 1819] 5. Juli 1819

369 375

Frankfurt Frankfurt Frankfurt

10. Juli 1819 16. Juli 1819 17. Juli 1819

379 388 389

Frankfurt

21. Juli 1819

392

Frankfurt

28. Juli 1819

406

[Frankfurt]

[28. Juli 1819]

408

Frankfurt

29. Juli 1819

418

4. Aufgaben und Kompetenzen der Deutschen Bundesversammlung 100 Erster Vortrag des österreichischen Präsidialgesandten Buol 101 Bayerische Abstimmung über die Kompe tenz des Bundestags bei eingereichten Vorstellungen und Eingaben 102 Berg an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-Oldenburg

Frankfurt

11. November 1816 423

Frankfurt

14. November 1816 434

Frankfurt

18. November 1816 438

CXXXIX

Systematisches Verzeichnis der Dokumente Nr. Dokument

Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite

103 Plessens „Allgemeine Ansichten zur Beurteilung der an die Bundesversammlung gebrachten Vorstellungen und Eingaben; als Vorarbeit und Materialien für die innere organische Einrichtung des Bundes“ Frankfurt 104 Bergs „Über die Befugnisse der Bundesver sammlung in Rücksicht auf Vorstellungen und Gesuche von Privatpersonen“ Frankfurt 105 Hach über Aufgaben und Kompetenzen der Deutschen Bundesversammlung Frankfurt 106 Nachträgliche Abstimmung Martens’ über die Kompetenz der Bundesversammlung bei eingehenden Anträgen und Reklamationen Frankfurt 107 Hach an Curtius Frankfurt 108 Smidt über die Reihenfolge der durch die Deutsche Bundesakte der Bundesver- sammlung übertragenen Geschäfte [Frankfurt] 109 Antrag Preußens auf Ernennung einer Kommission zur Begutachtung der provisorischen Kompetenz der Bundesver sammlung und diesbezüglicher Beschluß Frankfurt 110 Berg an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-Oldenburg Frankfurt 111 Hachs Vorschlag zu gemeinnützigen Anordnungen Frankfurt 112 Bundestagsbeschluß zu gemeinnützigen Anordnungen Frankfurt 113 Metternich an Buol Wien 114 Kommissionsvortrag über die Reihenfolge der Geschäfte der Bundesversammlung Frankfurt 115 Mandelsloh an König Wilhelm I. von Württemberg Frankfurt 116 Gegenstände, welche aus dem Vortrag über die Reihenfolge ausgehoben sind, um ihre möglichst baldige Erledigung zu bewirken Frankfurt 117 Aretins „Bemerkungen über die dermalige Stellung Bayerns im Deutschen Bund“ München 118 Vortrag der österreichischen Bundestags gesandtschaft über die provisorische Kompe tenz der Deutschen Bundesversammlung [ohne Ort] 119 König Maximilian I. Joseph von Bayern an Aretin a) Weisung München b) Anlage: Anmerkungen zum Vortrag der österreichischen Gesandtschaft am Bundestag über die Kompetenz desselben [München]

20. November 1816 444 21. November 1816 447 21. November 1816 454 21. November 1816 455 7. Dezember 1816 457 [7./16. Dezember 1816]

460

19. Dezember 1816

471

29. Januar 1817

473

30. Januar 1817

477

30. Januar 1817 30. Januar 1817

479 480

17. Februar 1817

481

17. Februar 1817

516

3. März 1817

517

14. März 1817

520

[April 1817]

529

[Mitte] April 1817

540

[Mitte April 1817]

541

CXL

Systematisches Verzeichnis der Dokumente

Nr. Dokument

120 Hardenberg über den österreichischen Entwurf eines Vortrags über die provisorische Bestimmung der Kompetenz des Bundestags 121 Bundesbeschluß über die provisorischen Kompetenzbestimmungen des Bundestags 122 Niederländisch-luxemburgische Abstim mung über die provisorische Kompetenz der Bundesversammlung 123 Badische Abstimmung über die provisori sche Kompetenz der Bundesversammlung 124 Hessen-darmstädtische Abstimmung über die provisorische Kompetenz der Bundesversammlung 125 König Wilhelm I. von Württemberg an Mandelsloh a) Weisung b) Anlage: Entwurf einer württem bergischen Abstimmung über das Kommissionsgutachten betreffend die provisorische Kompetenz des Bundestags 126 Wangenheim an das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten

Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite

Berlin

5. Mai 1817

555

Frankfurt

12. Juni 1817

564

Frankfurt

12. Juni 1817

572

Frankfurt

16. Juni 1817

575

Frankfurt

19. Juni 1817

577

[Stuttgart]

26. Oktober 1817

579

[Stuttgart]

[26. Oktober 1817]

581

Frankfurt

22. Dezember 1819

586

III. Versuche einer organischen Fortbildung und inneren Ausgestaltung des Deutschen Bundes 1. Das Austrägalwesen des Deutschen Bundes 127 Hardenberg an Goltz 128 Österreichische Punktation über die Vermittlung bei Streitigkeiten der Bundes glieder untereinander und die Errichtung einer Austrägalinstanz 129 Preußische Abstimmung über die Vermitt lung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander und die Aufstellung einer wohlgeordneten Austrägalinstanz 130 Bayerische Abstimmung über die Vermitt lung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander und die Aufstellung einer wohlgeordneten Austrägalinstanz 131 Hannoversche Abstimmung über die Ver mittlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander und die Aufstellung einer wohlgeordneten Austrägalinstanz

Berlin

16. April 1817

597

[Frankfurt]

[1. Mai 1817]

600

Frankfurt

5. Mai 1817

606

Frankfurt

5. Mai 1817

609

Frankfurt

5. Mai 1817

611

CXLI

Systematisches Verzeichnis der Dokumente Nr. Dokument

132 Kurhessische Abstimmung über die Ver mittlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander und die Aufstellung einer wohlgeordneten Austrägalinstanz 133 Mecklenburgische Abstimmung über die Vermittlung bei Streitigkeiten der Bundes glieder untereinander und die Aufstellung einer wohlgeordneten Austrägalinstanz 134 Hardenberg an Goltz 135 Niederländisch-luxemburgische Abstim mung über die Vermittlung bei Streitig keiten der Bundesglieder untereinander und die Aufstellung einer wohlgeordneten Austrägalinstanz 136 Metternich an Buol 137 Berg an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-Oldenburg 138 König Maximilian I. Joseph von Bayern an Aretin 139 Bundesbeschluß über die Vermittlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinan der und die Errichtung einer Austrägalinstanz 140 Hannoverscher Antrag auf Erläuterung des Bundesbeschlusses über die Austrägal gerichtsbarkeit hinsichtlich der Wahl von Austrägalrichtern 141 König Wilhelm I. von Württemberg an Wangenheim 142 Wangenheim an Goltz 143 Danz an Wangenheim 144 Goltz an Bernstorff 145 Bernstorff an Goltz

Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite

Frankfurt

5. Mai 1817

613

Frankfurt 5. Mai 1817 Neuhardenberg 30. Mai 1817

617 621

Frankfurt Wien

2. Juni 1817 4. Juni 1817

628 635

Frankfurt

6. Juni 1817

638

München

8. Juni 1817

640

Frankfurt

16. Juni 1817

642

Frankfurt

22. Dezember 1817 646

Stuttgart Darmstadt Frankfurt Frankfurt Berlin

3. November 1818 16. November 1818 30. Dezember 1818 31. Januar 1819 21. Mai 1819

647 651 652 653 665

2. Die Einführung landständischer Verfassungen 146 Denkschrift Hendrichs die Garantie der sachsen-weimarischen Verfassung betreffend Frankfurt 147 Berg an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-Oldenburg Frankfurt 148 Österreichische Abstimmung die Garantie der landständischen Verfassung des Großherzogtums Sachsen-Weimar durch den Deutschen Bund betreffend Frankfurt 149 Smidt über die Notwendigkeit einer baldigen Einführung landständischer Verfassungen in ganz Deutschland Frankfurt

28. November 1816 677 31. Dezember 1816

679

19. März 1817

682

Anfang Oktober 1817

684

CXLII Nr. Dokument

Systematisches Verzeichnis der Dokumente

150 Wangenheim an König Wilhelm I. von Württemberg a) Bericht b) Anlage: Wenn ein Bund sein soll, was ist seine dringendste Aufgabe in jetziger Zeit? 151 Martens an Wangenheim 152 Aretin an König Maximilian I. Joseph von Bayern 153 Plessen an Großherzog Friedrich Franz von Mecklenburg-Schwerin 154 Plessens Antrag auf Übernahme der Garantie der mecklenburgischen Patentver ordnung vom 28. November 1817 durch den Deutschen Bund und auf Erfüllung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte 155 Berg an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-Oldenburg 156 Rechberg an Aretin 157 Schlossers Vorschläge über Grundsätze landständischer Verfassungen 158 Metternich an Buol 159 Wangenheim an Zeppelin 160 Preußische Abstimmung über die Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte 161 Großherzoglich und herzoglich sächsische Abstimmung über die Garantie der mecklenburgischen Patentverordnung vom 28. November 1817 durch den Deutschen Bund und die Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte 162 Goltz an Hardenberg 163 Nassauische Abstimmung über die Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte 164 Österreichische Abstimmung über die Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte 165 Niederländisch-luxemburgische Abstim mung über die Garantie der mecklen burgischen Patentverordnung vom 28. November 1817 durch den Deutschen Bund und die Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte

Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite Frankfurt

3. Dezember 1817

693

[Frankfurt] [Frankfurt]

[3. Dezember 1817] 696 19. Dezember 1817 703

Frankfurt

19. Dezember 1817

Frankfurt

20. Dezember 1817 718

Frankfurt

22. Dezember 1817 721

Frankfurt München

30. Dezember 1817 724 5. Januar 1818 732

[Frankfurt] Wien Frankfurt

[10. Januar 1818] 21. Januar 1818 1. Februar 1818

734 738 742

Frankfurt

5. Februar 1818

750

Frankfurt Frankfurt

5. Februar 1818 21. Februar 1818

754 757

Frankfurt

23. Februar 1818

761

Frankfurt

6. April 1818

767

Frankfurt

4. Mai 1818

769

707

CXLIII

Systematisches Verzeichnis der Dokumente Nr. Dokument

166 Bundesbeschluß über die Garantie der mecklenburgischen Patentverordnung vom 28. November 1817 durch den Deutschen Bund und die Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte 167 Hardenberg an Goltz

Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite

Frankfurt Berlin

25. Mai 1818 16. Juni 1818

771 773

3. Initiativen zur wirtschaftlichen Integration 168 Württembergischer Antrag auf Aufhebung von Beschränkungen des gegenseitigen Verkehrs mit den unentbehrlichsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Bundesstaaten 169 Martens über die Freiheit des Handels mit Getreide und Schlachtvieh zwischen sämtlichen deutschen Bundesstaaten 170 Plessen über die Freiheit des Handels mit Getreide und Schlachtvieh zwischen sämtlichen deutschen Bundesstaaten 171 Eyben über die Freiheit des Handels mit Getreide und Schlachtvieh zwischen sämtlichen deutschen Bundesstaaten 172 Kommissionsvortrag über die vollständige Herstellung des freien Verkehrs zwischen den deutschen Bundesstaaten vorzüglich in Hinsicht auf die unentbehrlichsten Lebensmittel 173 Entwurf einer Übereinkunft zwischen sämtlichen deutschen Bundesstaaten über die Freiheit des Handels mit Getreide und Schlachtvieh 174 Fürstin Pauline zur Lippe an Leonhardi 175 Hardenberg an Goltz 176 Bayerische Abstimmung über den gegenseitigen freien Verkehr mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Bundesstaaten 177 Nassauische Abstimmung über den gegenseitigen freien Verkehr mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Bundesstaaten 178 Österreichische Erklärung über den gegenseitigen freien Verkehr mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Bundesstaaten

Frankfurt

19. Mai 1817

777

Frankfurt

30. Mai 1817

778

Frankfurt

30. Mai 1817

785

[Frankfurt]

[2. Juni 1817]

793

Frankfurt

2. Juni 1817

799

Frankfurt Detmold Berlin

2. Juni 1817 10. Juni 1817 23. Juni 1817

805 807 809

Frankfurt

23. Juni 1817

809

Frankfurt

30. Juni 1817

813

Frankfurt

14. Juli 1817

819

CXLIV Nr. Dokument

Systematisches Verzeichnis der Dokumente

179 Präsidialantrag über Grundsätze einer definitiven Übereinkunft über den gegen seitigen freien Verkehr mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Bundesstaaten und Beschluß zur Instruktionseinholung 180 Rechberg an Aretin 181 Abstimmung der Freien Städte über den gegenseitigen freien Verkehr mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Bundesstaaten 182 Österreichische Abstimmung über den gegenseitigen freien Verkehr mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Bundesstaaten 183 Bittschrift deutscher Kaufleute und Fabrikanten um Aufhebung der Zölle und Mauten im Innern Deutschlands und um Aufstellung eines auf dem Prinzip der Retorsion beruhenden allgemeinen deutschen Zollsystems gegen die angrenzenden Staaten 184 Provisorische Statuten des Deutschen Handels- und Gewerbsvereins 185 Martens über die provisorischen Statuten des Deutschen Handels- und Gewerbsvereins sowie die Petition Friedrich Lists um Aufhebung der Zölle und Mauten im Innern Deutschlands und die Anlegung einer allge meinen Zollinie an Deutschlands Grenzen 186 Vorstellung thüringischer, vogtländischer, sächsischer und hessischer Handwerker, Fabrikanten und Kaufleute um Herstellung des freien Handelsverkehrs im Innern des deutschen Bundesgebiets und Sicherstellung des deutschen Gewerbefleißes durch eine kräftige gemeinsame Handelspolitik 187 Erklärung der großherzoglich und herzoglich sächsischen Häuser über die Notwendigkeit einer Herstellung des freien Handelsverkehrs zwischen den deutschen Bundesstaaten und diesbezüglicher Beschluß

Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite

Frankfurt München

14. Juli 1817 25. Januar 1818

820 822

Frankfurt

16. Februar 1818

829

Frankfurt

9. Juli 1818

830

Frankfurt

14. April 1819

837

Frankfurt

24. April 1819

843

Frankfurt

24. Mai 1819

846

Gotha

1. Juli 1819

856

Frankfurt

22. Juli 1819

877

4. Pressefreiheit und Büchernachdruck

188 Über die in Betreff des Zeitungswesens in Deutschland zu ergreifenden Maßregeln Wien 189 Promemoria der Deputation der deutschen Buchhändler betreffend Erlaß eines organi schen Gesetzes gegen den Büchernachdruck

3. Januar 1818

883

CXLV

Systematisches Verzeichnis der Dokumente Nr. Dokument

a) Promemoria b) Anlage A: Eingabe der Deputierten deutscher Buchhändler, worin sie der Behauptung widersprechen, nur Vertreter der Leipziger Buchhändler zu sein c) Anlage B: Vollmacht für die Deputation der deutschen Buchhändler d) Anlage C: Liste der Unterzeichner der Vollmacht für die Deputation der deutschen Buchhändler 190 Sachsen-weimarischer Antrag über die Pressefreiheit und den Mißbrauch derselben 191 Metternich an Buol 192 Berg über Verfügungen gegen den Büchernachdruck 193 Buol an Metternich 194 Bergs „Übersicht der verschiedenen Gesetzgebungen über Preßfreiheit, besonders in Deutschland“ 195 Martens an Prinzregent Georg von Großbritannien und Hannover a) Bericht b) Anlage: Martens’ „Gedanken über die Pressefreiheit“ 196 Kommissionsbericht über die Abfassung gleichförmiger Verfügungen zur Sicher stellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck 197 Entwurf einer Verordnung zur Sicher stellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck 198 Hardenberg an Goltz 199 Gutachten des Wahlausschusses der deutschen Buchhändler über den Entwurf einer Verordnung zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck

Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite Leipzig

Ostermesse 1818

888

Wien

27. Januar 1815

893

Leipzig

Jubilate Messe 1814 894

[Leipzig]

[Jubilate Messe 1814] 895

Frankfurt Wien

20. April 1818 25. April 1818

896 899

Frankfurt Frankfurt

22. Juni 1818 5. Oktober 1818

903 919

Frankfurt

12. Oktober 1818

920

Frankfurt

6. Januar 1819

986

[Frankfurt]

[6. Januar 1818]

987

Frankfurt

9. Februar 1819

999

[Frankfurt] Berlin

[9. Februar 1819] 30. März 1819

1006 1011

Leipzig

Ostermesse 1819

1012

5. Auswanderungsfreiheit und Nachsteuerfreiheit

200 Fürstin Pauline zur Lippe an Leonhardi 201 Holstein-oldenburgischer Antrag auf Ver abschiedung gemeinschaftlicher Regelun gen zur Nachsteuer- und Abzugsfreiheit 202 Bergs „Kurze Übersicht der Zweifel und Schwierigkeiten, welche sich bei der Ausführung des Artikels 18 der Bundesakte in Ansehung der Aufhebung aller Nachsteuer ergeben könnten“

Detmold

29. Januar 1817

1027

Frankfurt

13. Februar 1817

1028

Frankfurt

17. Februar 1817

1029

CXLVI Nr. Dokument

Systematisches Verzeichnis der Dokumente

203 Gagern über das freie Wegziehen aus einem Bundesstaat in einen anderen 204 Württembergische Abstimmung über die Nachsteuer- und Abzugsfreiheit 205 Kommissionsvortrag wegen einiger über die Militärpflichtigkeit in Beziehung auf die Auswanderungsfreiheit zu treffenden Bestimmungen a) Kommissionsvortrag b) Anlage 1: Auszug aus den Verhandlun gen des Wiener Kongresses über die Freizügigkeit c) Anlage 2: Entwurf einer Übereinkunft sämtlicher deutschen Bundesstaaten wegen Festsetzung allgemeiner Grund sätze über die Militärpflichtigkeit in Be ziehung auf die Auswanderungsfreiheit 206 Hardenberg an Goltz 207 Mecklenburgische Abstimmung die Nach steuer- und Abzugsfreiheit betreffend 208 Mecklenburgische Abstimmung wegen der Militärpflichtigkeit in Beziehung auf die Auswanderungsfreiheit 209 Bundesbeschluß über die Freiheit von Nachsteuer und Abzugsgeld 210 Anfrage Wangenheims, die Abzugs und Nachsteuerfreiheit betreffend 211 Ansicht Buols zur Anfrage Wangenheims, die Abzugs- und Nachsteuerfreiheit betreffend 212 Ansicht Martens’ zur Anfrage Wangen heims, die Abzugs- und Nachsteuerfreiheit betreffend

Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite Frankfurt

27. Februar 1817

1038

Frankfurt

1. Mai 1817

1042

Frankfurt

19. Mai 1817

1046

[Frankfurt]

[19. Mai 1817]

1052

[Frankfurt] Berlin

[19. Mai 1817] 30. Mai 1817

1057 1059

Frankfurt

16. Juni 1817

1062

Frankfurt

16. Juni 1817

1065

Frankfurt

23. Juni 1817

1066

Frankfurt

19. Februar 1818

1069

Frankfurt

19. Februar 1818

1071

Frankfurt

19. Februar 1818

1073

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente Nr. Dokument 47 Badische Beitrittsurkunde zur Deutschen Bundesakte   1 Metternich an Hardenberg 48 Württembergische Beitrittsurkunde zur Deutschen Bundesakte 55 Vertrag zwischen Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz über die Stimmführung am Deutschen Bundestag   2 Metternich an Hardenberg   3 Metternich an Albini   4 Metternich an Albini a) Weisung b) Anlage: Ansichten des deutschen Bundes   5 König Friedrich I. von Württemberg an Linden   6 Hänlein an Hardenberg a) Schreiben b) Anlage: Über Preußens politisches Interesse beim Deutschen Bundestag und dessen gegenwärtige und künftige Stellung gegen Österreich und Deutschland 56 Vertrag über die Einrichtung und Stimm führung der 16. Kuriatstimme in der Bundesversammlung   7 Hach an Curtius   8 Hänlein an Buol 57 Provisorische Übereinkunft zwischen Lübeck, Frankfurt, Bremen und Hamburg über die Führung der 17. Stimme im Engeren Rat der Deutschen Bundesversammlung   9 Gagern an Metternich 58 Vertrag zwischen Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg über die Führung der 15. Stimme in der Deutschen Bundesversammlung 10 Friesens „Flüchtige Betrachtungen über den Deutschen Bund bei der bevorstehenden Eröffnung der Bundesversammlung“ 11 Bergs „Über die Eröffnung der Bundesver sammlung und die Präliminarkonferenzen“ 12 Entwurf eines Vertrags über eine Zusammen arbeit Preußens und Österreichs in Angelegenheiten des Deutschen Bundes

Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite Karlsruhe Paris

26. Juli 1815 12. August 1815

195 5

Ludwigsburg

1. September 1815

196

Ludwigslust Paris Paris

6. Oktober 1815 209 7. Oktober 1815 6 21. November 1815 7

Paris [Paris]

November 1815 [November 1815]

9 10

Stuttgart

18. Januar 1816

15

Berlin

24. März 1816

17

Berlin

24. März 1816

24

Frankfurt Frankfurt Berlin

2. April 1816 3. April 1816 4. April 1816

211 35 37

Frankfurt Frankfurt

8. April 1816 3. Mai 1816

218 38

Frankfurt

1. Juni 1816

221

[ohne Ort]

Juni 1816

55

[Frankfurt]

[25. Juni 1816]

67

[Frankfurt]

[29. Juni 1816]

73

CXLVIII Nr. Dokument

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite

13 Buol an Metternich a) Bericht Frankfurt b) Anlage: Schlegels Bemerkungen über den preußischen Konventionsentwurf, die Ein richtung des Deutschen Bundes betreffend [Frankfurt] 14 Berstett an Großherzog Karl von Baden Frankfurt 15 Österreichische Bemerkungen über den preußischen Konventionsentwurf [Wien] 16 Metternich an Buol Wien Frankfurt 17 Hänlein an Hardenberg 18 Plessen an Großherzog Friedrich Franz von Mecklenburg-Schwerin Frankfurt 19 Hendrich an Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar Frankfurt 20 Marschall an Herzog Wilhelm von Nassau Wiesbaden Stuttgart 21 Wintzingerode an Montgelas 22 Dalwigk an Marschall Wiesbaden 23 Wintzingerode an König Friedrich I. von Württemberg Stuttgart 24. Wintzingerode an Montgelas a) Schreiben Stuttgart b) Anlage: Entwurf eines Vertrags über die engere Zusammenarbeit der königlichen und großherzoglichen Häuser in Bundes angelegenheiten [Stuttgart] 25 Lichtenberg an Wintzingerode Darmstadt Dresden 26 Einsiedel an Rheinwald 27 Wintzingerode an Hacke Stuttgart Griesbach 28 Hacke an Wintzingerode 29 Montgelas an Wintzingerode München 30 Buols „Entwurf der wesentlichsten Punkte für die vorbereitenden Conferenzen und die förmliche Eröffnung der Bundesversammlung“ [Frankfurt] 31 Humboldts „Über die vertraulichen Besprechungen, welche die Eröffnung des Bundestags vorzubereiten bestimmt sind“ Frankfurt 32 Metternich an Buol Wien Wien 33 Metternich an Buol 59 Braunschweigisch-nassauische Punktation über die Führung der gemeinschaftlichen Stimme im Engeren Rat der Deutschen Bundesversammlung Frankfurt 34 Bergs „Ideen über den Geschäftsgang der Bundesversammlung bis zur Berichtigung einer förmlichen Bundestagsordnung“ [Frankfurt]

30. Juni 1816

78

[30. Juni 1816] 1. Juli 1816 [wohl vor dem 2. Juli 1816] 2. Juli 1816 2. Juli 1816

81 85

2. Juli 1816

98

3. Juli 1816 6. Juli 1816 7. Juli 1816 9. Juli 1816

102 106 109 111

13. Juli 1816

112

27. Juli 1816

114

[27. Juli 1816] 3. August 1816 8. August 1816 11. August 1816 14. August 1816 15. August 1816

117 118 120 121 123 124

[28. August 1816]

126

86 90 95

September 1816 132 23. September 1816 137 26. September 1816 139

30. September 1816 226 [vor dem 6. Oktober 1816]

140

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente Nr. Dokument

35 Berg an Humboldt 36 Berg an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-Oldenburg 60 Berstett an Humboldt 37 Buol an den Senat der Freien Stadt Frankfurt am Main a) Schreiben b) Anlage: Aufsatz über das Verhältnis der Deutschen Bundesversammlung zur Freien Stadt Frankfurt 38 Rat der Freien Stadt Frankfurt an Buol a) Schreiben b) Anlage: Erklärung über das Verhältnis der Deutschen Bundesversammlung zur Freien Stadt Frankfurt 61 Metternich an Buol a) Weisung b) Anlage: Instruktionspunkte für den österreichischen Präsidialgesandten beim Deutschen Bundestag 39 Marschall über die Ausübung des Stimm rechts in der Bundesversammlung 40 Humboldt über die Erklärung des Senats der Stadt Frankfurt 41 Buol an den Senat der Freien Stadt Frankfurt 62 Provisorische Übereinkunft wegen Führung der sachsen-ernestinischen Kuriatstimme am Bundestag 63 Promemoria mediatisierter Reichsstände an die Deutsche Bundesversammlung 42 Rede des österreichischen Präsidialgesandten Buol bei Eröffnung der Deutschen Bundes versammlung 43 Rede des preußischen Staatsministers Humboldt bei Eröffnung der Deutschen Bundesversammlung 44 Gagerns „Gedanken bei der feierlichen Eröffnung des Bundestags“ 49 Dänisch-holsteinische Erklärung über den Beitritt Sachsen-Lauenburgs zum Deutschen Bund 45 Offizieller Artikel in der Frankfurter Oberpostamtszeitung über die Eröffnung der Deutschen Bundesversammlung 46 Gruben an König Maximilian I. Joseph von Bayern 64 Metternich an Buol

CXLIX

Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite Frankfurt

6. Oktober 1816

144

Frankfurt Frankfurt

7. Oktober 1816 9. Oktober 1816

146 229

Frankfurt

23. Oktober 1816

148

[Frankfurt]

[23. Oktober 1816]

148

Frankfurt

25. Oktober 1816

154

[Frankfurt]

[25. Oktober 1816]

155

Wien

28. Oktober 1816

232

Wien

24. Oktober 1816

236

Frankfurt

29. Oktober 1816

161

Frankfurt Frankfurt

[30. Oktober 1816] 30. Oktober 1816

164 169

Jena

31. Oktober 1816

242

Frankfurt

1. November 1816

244

Frankfurt

5. November 1816

169

Frankfurt

5. November 1816

179

Frankfurt

5. November 1815

181

Frankfurt

5. November 1816

197

Frankfurt

5. November 1816

184

Frankfurt Wien

6. November 1816 185 11. November 1816 248

CL Nr. Dokument

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite

100 Erster Vortrag des österreichischen Präsidialgesandten Buol Frankfurt   65 Vorläufige Geschäftsordnung der Deutschen Bundesversammlung Frankfurt   66 Martens’ Vorschlag über die Ernennung einer Kommission zur Begutachtung eingehender Reklamationen Frankfurt 101 Bayerische Abstimmung über die Kompe tenz des Bundestags bei eingereichten Vorstellungen und Eingaben Frankfurt 102 Berg an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-Oldenburg Frankfurt   67 König Wilhelm I. von Württemberg an Mandelsloh a) Weisung Stuttgart b) Anlage: Vorläufige Bemerkungen betreffend die Schritte der Mediatisierten wegen Sitz und Stimme bei der Bundes versammlung Stuttgart 103 Plessens „Allgemeine Ansichten zur Beurteilung der an die Bundesversammlung gebrachten Vorstellungen und Eingaben; als Vorarbeit und Materialien für die innere organische Einrichtung des Bundes“ Frankfurt 104 Bergs „Über die Befugnisse der Bundes versammlung in Rücksicht auf Vorstellungen und Gesuche von Privatpersonen“ Frankfurt 105 Hach über Aufgaben und Kompetenzen der Deutschen Bundesversammlung Frankfurt 106 Nachträgliche Abstimmung Martens’ über die Kompetenz der Bundesversammlung bei eingehenden Anträgen und Reklamationen Frankfurt   68 Eingabe der Häuser Hohenlohe, Castell und Limpurg-Speckfeld-Rechtern um Erteilung von Kuriatstimmen an die ehemaligen Reichsstände in der Deutschen Bundes versammlung Frankfurt   69 Goltz an König Friedrich Wilhelm III. von Preußen Frankfurt 146 Denkschrift Hendrichs die Garantie der sachsen-weimarischen Verfassung betreffend Frankfurt   70 Hardenberg an Goltz Berlin   71 Metternich an Buol Wien 107 Hach an Curtius Frankfurt 108 Smidt über die Reihenfolge der durch die Deutsche Bundesakte der Bundesver- sammlung übertragenen Geschäfte [Frankfurt]

11. November 1816 423 14. November 1816 249 14. November 1816 255 14. November 1816 434 18. November 1816 438 19. November 1816 256

15. November 1816 258

20. November 1816 444 21. November 1816 447 21. November 1816 454 21. November 1816 455

25. November 1816 263 26. November 1816 265 28. November 1816 30. November 1816 4. Dezember 1816 7. Dezember 1816

677 268 269 457

[7./16. Dezember 1816]

460

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente Nr. Dokument

109 Antrag Preußens auf Ernennung einer Kommission zur Begutachtung der provisori schen Kompetenz der Bundesversammlung und diesbezüglicher Beschluß 147 Berg an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-Oldenburg   72 Bundestagsbeschluß betreffend die Rekla mation mehrerer mediatisierter vormaliger Reichsstände um Verleihung einiger Kuriatstimmen 110 Berg an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-Oldenburg 200 Fürstin Pauline zur Lippe an Leonhardi 111 Hachs Vorschlag zu gemeinnützigen Anordnungen 112 Bundestagsbeschluß zu gemeinnützigen Anordnungen 113 Metternich an Buol   73 Hardenberg an Goltz 201 Holstein-oldenburgischer Antrag auf Ver abschiedung gemeinschaftlicher Regelun gen zur Nachsteuer- und Abzugsfreiheit 114 Kommissionsvortrag über die Reihenfolge der Geschäfte der Bundesversammlung 115 Mandelsloh an König Wihelm I. von Württemberg 202 Bergs „Kurze Übersicht der Zweifel und Schwierigkeiten, welche sich bei der Ausführung des Artikels 18 der Bundesakte in Ansehung der Aufhebung aller Nachsteuer ergeben könnten“ 203 Gagern über das freie Wegziehen aus einem Bundesstaat in einen anderen 116 Gegenstände, welche aus dem Vortrag über die Reihenfolge ausgehoben sind, um ihre möglichst baldige Erledigung zu bewirken   74 Martens an Prinzregent Georg von Großbritannien und Hannover a) Postskriptum b) Anlage: Bemerkungen über Kuriat stimmen der Mediatisierten 117 Aretins „Bemerkungen über die dermalige Stellung Bayerns im Deutschen Bund“ 148 Österreichische Abstimmung die Garantie der landständischen Verfassung des Groß herzogtums Sachsen-Weimar durch den Deutschen Bund betreffend

CLI

Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite

Frankfurt

19. Dezember 1816

471

Frankfurt

31. Dezember 1816

679

Frankfurt

13. Januar 1817

271

Frankfurt Detmold

29. Januar 1817 29. Januar 1817

473 1027

Frankfurt

30. Januar 1817

477

Frankfurt Wien Berlin

30. Januar 1817 30. Januar 1817 31. Januar 1817

479 480 272

Frankfurt

13. Februar 1817

1028

Frankfurt

17. Februar 1817

481

Frankfurt

17. Februar 1817

516

Frankfurt

17. Februar 1817

1029

Frankfurt

27. Februar 1817

1038

Frankfurt

3. März 1817

517

Frankfurt

12. März 1817

272

Frankfurt

März 1817

273

München

14. März 1817

520

Frankfurt

19. März 1817

682

CLII Nr. Dokument

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente

  75 Österreichische Punktation über die Vertagung des deutschen Bundestags 118 Vortrag der österreichischen Bundestagsge sandtschaft über die provisorische Kompetenz der Deutschen Bundesversammlung 119 König Maximilian I. Joseph von Bayern an Aretin a) Weisung b) Anlage: Anmerkungen zum Vortrag der österreichischen Gesandtschaft am Bundestag über die Kompetenz desselben 127 Hardenberg an Goltz 128 Österreichische Punktation über die Vermittlung bei Streitigkeiten der Bundes glieder untereinander und die Errichtung einer Austrägalinstanz 204 Württembergische Abstimmung über die Nachsteuer- und Abzugsfreiheit 120 Hardenberg über den österreichischen Entwurf eines Vortrags über die provisorische Bestimmung der Kompetenz des Bundestags 129 Preußische Abstimmung über die Vermitt lung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander und die Aufstellung einer wohlgeordneten Austrägalinstanz 130 Bayerische Abstimmung über die Vermitt lung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander und die Aufstellung einer wohlgeordneten Austrägalinstanz 131 Hannoversche Abstimmung über die Vermitt lung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander und die Aufstellung einer wohlgeordneten Austrägalinstanz 132 Kurhessische Abstimmung über die Vermitt lung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander und die Aufstellung einer wohlgeordneten Austrägalinstanz 133 Mecklenburgische Abstimmung über die Vermittlung bei Streitigkeiten der Bundes glieder untereinander und die Aufstellung einer wohlgeordneten Austrägalinstanz 205 Kommissionsvortrag wegen einiger über die Militärpflichtigkeit in Beziehung auf die Auswanderungsfreiheit zu treffenden Bestimmungen a) Kommissionsvortrag b) Anlage 1: Auszug aus den Verhandlun gen des Wiener Kongresses über die Freizügigkeit

Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite [Frankfurt]

[24. März 1817]

279

[ohne Ort]

[April 1817]

529

München

[Mitte] April 1817

540

[München] Berlin

[Mitte April 1817] 16. April 1817

541 597

[Frankfurt]

[1. Mai 1817]

600

Frankfurt

1. Mai 1817

1042

Berlin

5. Mai 1817

555

Frankfurt

5. Mai 1817

606

Frankfurt

5. Mai 1817

609

Frankfurt

5. Mai 1817

611

Frankfurt

5. Mai 1817

613

Frankfurt

5. Mai 1817

617

Frankfurt

19. Mai 1817

1046

[Frankfurt]

[19. Mai 1817]

1052

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente Nr. Dokument

c) Anlage 2: Übereinkunft sämtlicher deutschen Bundesstaaten wegen Fest setzung allgemeiner Grundsätze über die Militärpflichtigkeit in Beziehung auf die Auswanderungsfreiheit 168 Württembergischer Antrag auf Aufhebung von Beschränkungen des gegenseitigen Verkehrs mit den unentbehrlichsten Lebens bedürfnissen in den deutschen Bundesstaaten   76 Österreichische Punktation über die Entwerfung einer Bundesmatrikel 134 Hardenberg an Goltz 206 Hardenberg an Goltz 169 Martens über die Freiheit des Handels mit Getreide und Schlachtvieh zwischen sämtlichen deutschen Bundesstaaten 170 Plessen über die Freiheit des Handels mit Getreide und Schlachtvieh zwischen sämtlichen deutschen Bundesstaaten 171 Eyben über die Freiheit des Handels mit Getreide und Schlachtvieh zwischen sämtlichen deutschen Bundesstaaten 172 Kommissionsvortrag über die vollständige Herstellung des freien Verkehrs zwischen den deutschen Bundesstaaten vorzüglich in Hin sicht auf die unentbehrlichsten Lebensmittel 173 Entwurf einer Übereinkunft zwischen sämt lichen deutschen Bundesstaaten über die Freiheit des Handels mit Getreide und Schlachtvieh 135 Niederländisch-luxemburgische Abstimmung über die Vermittlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander und die Aufstel lung einer wohlgeordneten Austrägalinstanz 136 Metternich an Buol 137 Berg an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-Oldenburg 138 König Maximilian I. Joseph von Bayern an Aretin 174 Fürstin Pauline zur Lippe an Leonhardi 121 Bundesbeschluß über die provisorischen Kompetenzbestimmungen des Bundestags 122 Niederländisch-luxemburgische Abstimmung über die provisorische Kompetenz der Bundesversammlung 139 Bundesbeschluß über die Vermittlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander und die Errichtung einer Austrägalinstanz

CLIII

Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite

[Frankfurt]

[19. Mai 1817]

1057

Frankfurt

19. Mai 1817

777

Frankfurt 29. Mai 1817 Neuhardenberg 30. Mai 1817 Berlin 30. Mai 1817

282 621 1059

Frankfurt

30. Mai 1817

778

Frankfurt

30. Mai 1817

785

[Frankfurt]

[2. Juni 1817]

793

Frankfurt

2. Juni 1817

799

Frankfurt

2. Juni 1817

805

Frankfurt Wien

2. Juni 1817 4. Juni 1817

628 635

Frankfurt

6. Juni 1817

638

München Detmold

8. Juni 1817 10. Juni 1817

640 807

Frankfurt

12. Juni 1817

564

Frankfurt

12. Juni 1817

572

Frankfurt

16. Juni 1817

642

CLIV Nr. Dokument

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite

207 Mecklenburgische Abstimmung die Nachsteuer- und Abzugsfreiheit betreffend Frankfurt 208 Mecklenburgische Abstimmung wegen der Militärpflichtigkeit in Beziehung auf die Auswanderungsfreiheit Frankfurt 123 Badische Abstimmung über die provisorische Kompetenz der Bundesversammlung Frankfurt 124 Hessen-darmstädtische Abstimmung über die provisorische Kompetenz der Bundes versammlung Frankfurt 209 Bundesbeschluß über die Freiheit von Nachsteuer und Abzugsgeld Frankfurt 175 Hardenberg an Goltz Berlin 176 Bayerische Abstimmung über den gegen seitigen freien Verkehr mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Bundesstaaten Frankfurt   77 Bundesbeschluß über die Vertagung der Bundesversammlung Frankfurt 177 Nassauische Abstimmung über den gegen seitigen freien Verkehr mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Bundesstaaten Frankfurt   50 Bundesbeschluß über die Aufnahme des Landgrafen von Hessen-Homburg in den Deutschen Bund Frankfurt   78 Kommissionsbericht über die Entwerfung einer Bundesmatrikel Frankfurt 178 Österreichische Erklärung über den gegen seitigen freien Verkehr mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Bundesstaaten Frankfurt 179 Präsidialantrag über Grundsätze einer definitiven Übereinkunft über den gegen seitigen freien Verkehr mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Bundesstaaten und Beschluß zur Instruktions einholung Frankfurt 149 Smidt über die Notwendigkeit einer baldigen Einführung landständischer Verfassungen in ganz Deutschland Frankfurt 125 König Wilhelm I. von Württemberg an Mandelsloh a) Weisung [Stuttgart] b) Anlage: Entwurf einer württembergischen Abstimmung über das Kommissions gutachten betreffend die provisorische Kompetenz des Bundestags [Stuttgart]

16. Juni 1817

1062

16. Juni 1817

1065

16. Juni 1817

575

19. Juni 1817

577

23. Juni 1817 23. Juni 1817

1066 809

23. Juni 1817

809

26. Juni 1817

285

30. Juni 1817

813

7. Juli 1817

198

14. Juli 1817

286

14. Juli 1817

819

14. Juli 1817

820

Anfang Oktober 1817

684

26. Oktober 1817

579

[26. Oktober 1817]

581

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente Nr. Dokument

CLV

Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite

  79 Kommissionsgutachten über die Bestellung von Agenten bei der Bundesversammlung Frankfurt 150 Wangenheim an König Wilhelm I. von Württemberg a) Bericht Frankfurt b) Anlage: Wenn ein Bund sein soll, was ist seine dringendste Aufgabe in jetziger Zeit? [Frankfurt]   80 Bundesbeschluß über die Abfassung und Einreichung von Privatreklamationen bei der Bundesversammlung Frankfurt 151 Martens an Wangenheim [Frankfurt] 152 Aretin an König Maximilian I. Joseph von Bayern Frankfurt 153 Plessen an Großherzog Friedrich Franz von Mecklenburg-Schwerin Frankfurt 154 Plessens Antrag auf Übernahme der Garantie der mecklenburgischen Patentverordnung vom 28. November 1817 durch den Deutschen Bund und auf Erfüllung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte Frankfurt 140 Hannoverscher Antrag auf Erläuterung des Bundesbeschlusses über die Austrägal gerichtsbarkeit hinsichtlich der Wahl von Austrägalrichtern Frankfurt 155 Berg an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-Oldenburg Frankfurt 188 Über die in Betreff des Zeitungswesens in Deutschland zu ergreifenden Maßregeln Wien 156 Rechberg an Aretin München 157 Schlossers Vorschläge über Grundsätze landständischer Verfassungen [Frankfurt] 158 Metternich an Buol Wien 180 Rechberg an Aretin München 159 Wangenheim an Zeppelin Frankfurt 160 Preußische Abstimmung über die Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte Frankfurt 161 Großherzoglich und herzoglich sächsische Abstimmung über die Garantie der mecklen burgischen Patentverordnung vom 28. Novem ber 1817 durch den Deutschen Bund und die Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte Frankfurt 181 Abstimmung der Freien Städte über den gegenseitigen freien Verkehr mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Bundesstaaten Frankfurt

24. November 1817 311 3. Dezember 1817

693

[3. Dezember 1817] 696 11. Dezember 1817 19. Dezember 1817

320 703

19. Dezember 1817

707

20. Dezember 1817 718

22. Dezember 1817 721

22. Dezember 1817 646 30. Dezember 1817 724 3. Januar 1818 5. Januar 1818

883 732

[10. Januar 1818] 21. Januar 1818 25. Januar 1818 1. Februar 1818

734 738 822 742

5. Februar 1818

750

5. Februar 1818

754

16. Februar 1818

829

CLVI Nr. Dokument

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite

210 Anfrage Wangenheims, die Abzugs und Nachsteuerfreiheit betreffend Frankfurt 211 Ansicht Buols zur Anfrage Wangenheims, die Abzugs- und Nachsteuerfreiheit betreffend Frankfurt 212 Ansicht Martens’ zur Anfrage Wangenheims, die Abzugs- und Nachsteuerfreiheit betreffend Frankfurt 162 Goltz an Hardenberg Frankfurt 163 Nassauische Abstimmung über die Voll ziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte Frankfurt 189 Promemoria der Deputation der deutschen Buchhändler um Erlaß eines organischen Gesetzes gegen den Büchernachdruck a) Promemoria Leipzig b) Anlage A: Eingabe der Deputierten deutscher Buchhändler, worin sie der Behauptung widersprechen, nur Vertreter der Leipziger Buchhändler zu sein Wien c) Anlage B: Vollmacht für die Deputation der deutschen Buchhändler Leipzig d) Anlage C: Liste der Unterzeichner der Vollmacht für die Deputation der [Leipzig] deutschen Buchhändler   51 Österreichische Erklärung über die zum Deutschen Bund gehörenden Provinzen und Gebiete der österreichischen Monarchie Frankfurt 164 Österreichische Abstimmung über die Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte Frankfurt   52 Himly an Hardenberg Frankfurt 190 Sachsen-weimarischer Antrag über die Pressefreiheit und den Mißbrauch derselben Frankfurt   53 Hardenberg an Goltz a) Weisung Berlin b) Anlage: Verzeichnis der Bevölkerung der deutschen Provinzen des preußischen Staats [Berlin] 191 Metternich an Buol Wien   54 Preußische Erklärung über die zum Deutschen Bund gehörenden Länder der preußischen Monarchie Frankfurt 165 Niederländisch-luxemburgische Abstimmung über die Garantie der mecklenburgischen Patentverordnung vom 28. November 1817 durch den Deutschen Bund und die Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte Frankfurt

19. Februar 1818

1069

19. Februar 1818

1071

19. Februar 1818 21. Februar 1818

1073 757

23. Februar 1818

761

Ostermesse 1818

888

27. Januar 1815

893

Jubilate Messe 1814 894 [Jubilate Messe 1814]

895

6. April 1818

200

6. April 1818 16. April 1818

767 202

20. April 1818

896

24. April 1818

204

[24. April 1818] 25. April 1818

204 899

4. Mai 1818

205

4. Mai 1818

769

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente Nr. Dokument

166 Bundesbeschluß über die Garantie der mecklenburgischen Patentverordnung vom 28. November 1817 durch den Deutschen Bund und die Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte 167 Hardenberg an Goltz 192 Berg über Verfügungen gegen den Büchernachdruck 182 Österreichische Abstimmung über den gegenseitigen freien Verkehr mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Bundesstaaten   81 Bundesbeschluß über die vorläufige Matrikel des Deutschen Bundes 193 Buol an Metternich 194 Bergs „Übersicht der verschiedenen Gesetzgebungen über Preßfreiheit, besonders in Deutschland“ 141 König Wilhelm I. von Württemberg an Wangenheim 142 Wangenheim an Goltz 143 Danz an Wangenheim 195 Martens an Prinzregent Georg von Großbritannien und Hannover a) Bericht b) Anlage: Martens’ „Gedanken über die Pressefreiheit“ 144 Goltz an Bernstorff 196 Kommissionsbericht über die Abfassung gleichförmiger Verfügungen zur Sicher stellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck 197 Entwurf einer Verordnung zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck   84 Kurhessischer und hessen-darmstädtischer Antrag auf genaue Bestimmung, wann Stimmenmehrheit in der Bundesversammlung entscheide   85 Hardenberg und Bernstorff an Goltz 198 Hardenberg an Goltz 183 Bittschrift deutscher Kaufleute und Fabrikan ten um Aufhebung der Zölle und Mauten im Innern Deutschlands und um Aufstellung eines auf dem Prinzip der Retorsion beruhenden allgemeinen deutschen Zoll systems gegen die angrenzenden Staaten

CLVII

Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite

Frankfurt Berlin

25. Mai 1818 16. Juni 1818

771 773

Frankfurt

22. Juni 1818

903

Frankfurt

9. Juli 1818

830

Frankfurt Frankfurt

20. August 1818 5. Oktober 1818

321 919

Frankfurt

12. Oktober 1818

920

[Stuttgart] Darmstadt Frankfurt

3. November 1818 647 16. November 1818 651 30. Dezember 1818 652

Frankfurt

6. Januar 1819

986

[Frankfurt] Frankfurt

[6. Januar 1818] 31. Januar 1819

987 653

Frankfurt

9. Februar 1819

999

[Frankfurt]

[9. Februar 1819]

1006

Frankfurt Berlin Berlin

29. März 1819 30. März 1819 30. März 1819

339 340 1011

Frankfurt

14. April 1819

837

CLVIII Nr. Dokument

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente

199 Gutachten des Wahlausschusses der deutschen Buchhändler über den Entwurf einer Verordnung zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck   86 Bernstorff an Goltz   82 Kommissionsvortrag über den Entwurf einer Geschäftsordnung für die Kommissionen des Bundestags 184 Provisorische Statuten des Deutschen Handels- und Gewerbsvereins   83 Geschäftsordnung für die Kommissionen der Deutschen Bundesversammlung 145 Bernstorff an Goltz 185 Martens über die provisorischen Statuten des Deutschen Handels- und Gewerbsvereins sowie die Petition Friedrich Lists um Aufhebung der Zölle und Mauten im Innern Deutschlands und die Anlegung einer allge meinen Zollinie an Deutschlands Grenzen   87 Österreichischer Vorschlag auf Entscheidung von Modalitäten organischer Bundeseinrich tungen durch Zweidrittelmehrheit   88 Badischer Antrag auf Wahl einer Kommission zur Begutachtung der Frage, wann Stimmen mehrheit in der Bundesversammlung entscheide, und diesbezüglicher Beschluß   89 Eyben an Rosenkrantz a) Bericht b) Anlage: Eybens „Bemerkungen über den 6. und 7. Artikel der Bundesakte“   90 Buol an Metternich   91 Goltz an Bernstorff   92 Goltz an Buol a) Schreiben b) Anlage: Votum zu Artikel 7 der Deutschen Bundesakte 186 Vorstellung thüringischer, vogtländischer, sächsischer und hessischer Handwerker, Fabrikanten und Kaufleute um Herstellung des freien Handelsverkehrs im Innern des deutschen Bundesgebiets und Sicherstellung des deutschen Gewerbefleißes durch eine kräftige gemeinsame Handelspolitik   93 Metternich an Buol   94 Plessens „Votum zur Kommission wegen des Artikels 7 der Bundesakte“

Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite

Leipzig Berlin

Ostermesse 1819 20. April 1819

1012 342

Frankfurt

20. April 1819

323

Frankfurt

24. April 1819

843

Frankfurt Berlin

29. April 1819 21. Mai 1819

332 665

Frankfurt

24. Mai 1819

846

Frankfurt

14. Juni 1819

347

Frankfurt

14. Juni 1819

348

Frankfurt

19. Juni 1819

351

[Frankfurt] Frankfurt Frankfurt

[19. Juni 1819] 19. Juni 1819 21. Juni 1819

353 362 364

Frankfurt

25. Juni 1819

369

[Frankfurt]

[25. Juni 1819]

369

Gotha Florenz

1. Juli 1819 5. Juli 1819

856 375

Frankfurt

10. Juli 1819

379

Chronologisches Verzeichnis der Dokumente Nr. Dokument

  95 Blomberg an Wintzingerode   96 Buol an Metternich   97 Kommissionsgutachten über diejenigen Gegenstände, worüber nach Artikel 7 der Bundesakte als Ausnahme von der Regel ein Beschluß durch Stimmenmehrheit nicht gefaßt werden kann 187 Erklärung der großherzoglich und herzoglich sächsischen Häuser über die Notwendigkeit einer Herstellung des freien Handelsverkehrs zwischen den deutschen Bundesstaaten und diesbezüglicher Beschluß   98 Wangenheim an Wintzingerode a) Schreiben b) Anlage: Wangenheims Entwurf einer Abstimmung über die Entscheidung durch Stimmenmehrheit   99 Bundesbeschluß über die nähere Bestim mung des Artikels 7 der Deutschen Bundes akte und die provisorische Anwendung des Mehrheitsprinzips bei Abstimmungen über organische Einrichtungen in der Bundes versammlung 126 Wangenheim an das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten

CLIX

Ausstellungsort Ausstellungsdatum Seite Frankfurt Frankfurt

16. Juli 1819 17. Juli 1819

388 389

Frankfurt

21. Juli 1819

392

Frankfurt

22. Juli 1819

877

Frankfurt

28. Juli 1819

406

[Frankfurt]

[28. Juli 1819]

408

Frankfurt

29. Juli 1819

418

Frankfurt

22. Dezember 1819

586

Dokumente



I. Von der Verabschiedung der Deutschen ­Bundesakte bis zur Eröffnung der Deutschen ­Bundesversammlung

Nr. 1

5

Paris, 12. August 1815

1. Metternich1 an Hardenberg2

GStAPK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 1838, fol. 7–7’. Schreiben. Behändigte Ausfertigung.

Verschiebung der Einberufung der Deutschen Bundesversammlung auf den 1. November 1815. Ernennung und Instruktion der Bundestagsgesandten bis zu diesem Termin.

Paris, 12. August 1815 Die Ereignisse verbunden mit der Unmöglichkeit die für den deutschen Bundestag zu ernennenden Bevollmächtigten mit den gehörigen Instruktionen zu versehen, haben Seine Kaiserlich-Königliche Majestät bewogen, dem Unterzeichneten aufzutragen, sich mit den Cabinetten der dabei interessirten Höfe dahin zu verabreden, daß der auf den 1ten September dieses Jahrs für die Eröffnung des Bundestags festgesetzte Termin verschoben werde. Seine Majestät haben dabei in Erwägung gezogen, daß ein solcher Verschub selbst für die Beförderung des gemeinsamen deutschen Interesse zweckmässig seyn würde, indem wegen den eingetretenen Umständen eine längere Zeit erfordert wird, um die zur Competenz der Bundesversammlung geeigneten Angelegenheiten hinlänglich vorzubereiten. Nach der, mit den Cabineten mehrerer der dabei vorzüglich interessirten Höfe gepflogenen Rücksprache, scheint es am zweckmässigsten, so wie für 1 Klemens Wenzel Nepomuk Lothar Graf (seit 1813 Fürst) von Metternich-Winneburg-Ochsenhausen, seit 1818 Herzog von Portella (1773–1859), österreichischer Staatsmann, Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Straßburg und Mainz, 1797–1799 Abgeordneter der westfälischen Grafenbank auf dem Rastatter Kongreß, 1801–1803 kaiserlicher Gesandter in Dresden, 1803–1806 kaiserlicher außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Berlin, 1806–1809 österreichischer Bot­schafter in Paris, 1809 Außenminister, 1821 Haus-, Hof- und Staatskanzler, 1848 Rücktritt und Flucht ins Ausland, 1851 Rückkehr nach Wien. Vgl. Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 18, S. 23–45; ADB, Bd. 23, S. 777–802; NDB, Bd. 17, S. 236–243; ÖBL, Bd. 6, S. 249 f.; DBE, Bd. 7, S. 88 f.; DBA I, 832, 117–207; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 87, 90, 102 u. 275–278; Srbik, Metternich, Bd. 1−3; Siemann, Metternich. 2 Karl August Freiherr (seit 1814 Fürst) von Hardenberg (1750–1822), preußischer Staatsmann, ab 1766 Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Göttingen und Leipzig, 1770 Auditor bei der Justizkanzlei in Hannover, später Kammerrat ebd., 1783 Minister in BraunschweigWolfenbüttel, 1790 dirigierender Minister in den seit 1792 preußischen Markgrafschaften Ansbach und Bayreuth, 1791 preußischer Kabinettsminister, 1798 Berufung nach Berlin und ­Beauftragung mit einem Teil der Geschäfte des Außenministeriums, 1802–1804 zusätzlich Departementschef für Magdeburg und Halberstadt, 1804 Außenminister, 1806 Erster Kabinettsminister, 1807 Entlassung auf Druck Napoleons, 1810–1822 Staatskanzler. Vgl. ADB, Bd. 10, S. 572–590; NDB, Bd. 7, S. 658–663; DBE, Bd. 4, S. 382 f.; DBA  I, 472, 387–391; Jeserich/Neu­haus (Hrsg.), Persönlichkeiten der Verwaltung, S. 52–56; Thielen, Karl August von Hardenberg 1750−1822.

6

Metternich an Hardenberg

Nr. 2

alle Bundesglieder am bequemsten zu seyn, die Eröffnung des Bundestags auf den ersten November dieses Jahrs zu vertagen, und der Unterzeichnete hat von seinem Allergnädigsten Herrn den Auftrag erhalten, hievon die Mit­ theilung an die Höfe und Regierungen aller deutschen Bundes-Staaten mit dem Ersuchen zu machen, ihre Bevollmächtigten bis auf gedachten Zeitpunkt nach Frankfurt absenden, und mit allen nöthigen Instruktionen versehen zu wollen. Der Unterzeichnete benützt diesen Anlaß um Eurer Liebden die Versicherung seiner ausgezeichneten Hochachtung zu erneuern. F. v. Metternich

2. Metternich an Hardenberg

GStAPK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 1838, fol. 32–32’. Schreiben. Behändigte Ausfertigung. Praes.: Paris, 14. Oktober 1815.1

Abermalige Verschiebung der Einberufung der Deutschen Bundesversammlung auf den 1. Dezember 1815.

Paris, 7. Oktober 1815 Die bei den Friedensverhandlungen mit Frankreich2 unvorhergesehen eingetrettenen Verzögerungen machen es nothwendig die von Seiner Majestät dem Kaiser auf den 1ten November l. J. vorgeschlagene Eröffnung des teutschen Bundestages abermahl zu verschieben. Da es mit dem Wunsche sämmtlicher Bundesglieder übereinstimmen dürfte, vorerst die gänzliche Beendigung des allgemeinen Friedensgeschäftes abzuwarten, und sohin die nöthige Zeit zu haben ihre Bevollmächtigten hinlänglich instruiren zu können, so hat Unterzeichneter von seinem allergnädigsten Herrn den Auftrag erhalten, bei den 1 Das Schreiben trägt oben rechts den eigenhändigen Vermerk Hardenbergs: „Ist bereits unter dem 3t[en] d. M. geschehen und der Fürst v. Metternich davon benachrichtigt worden. H[arden­ ber]g 18. No[vember]“. 2 Gemeint sind die Verhandlungen der vier alliierten europäischen Mächte Großbritannien, Rußland, Österreich und Preußen mit Frankreich, die in den Zweiten Pariser Frieden vom 20. November 1815 mündeten. Darin wurde Frankreich auf die Grenzen von 1790 (ohne Saarlouis, Landau und Savoyen) beschränkt und eine Kriegsentschädigung in Höhe von 700 Mio. Francs auferlegt. Um ihre Zahlung sicherzustellen, sollten in den sieben an die Vereinigten Niederlande und den Deutschen Bund grenzenden Departements Truppen der Alliierten im Umfang von 150 000 Mann für fünf Jahre stationiert werden, für deren Unterhalt der französische Staat aufzukommen hatte. Vgl. Erbe, Revolutionäre Erschütterung und erneuertes Gleichgewicht, S. 361.

Nr. 3

Paris, 21. November 1815

7

Höfen und Regierungen der teutschen Bundesstaaten auf die Vertagung des Bundestages auf den 1ten Dezember 1815 anzutragen, jedoch dieselben zugleich zu ersuchen, ihre Bevollmächtigten im Laufe des Monaths November nach Frankfurt absenden zu wollen, um wegen der feierlichen Eröffnung der Bundesversammlung, und der hiezu dienlichen Vorbereitungen die nöthige Rücksprache nehmen zu können. Der Unterzeichnete benützt diesen Anlaß, um Seine des Königlich Preußischen Herrn Staatskanzlers Fürsten von Hardenberg Liebden die Versicherung seiner vollkomensten Hochachtung zu erneuern. F. v. Metternich

3. Metternich an Albini1

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Kart. 1, Weisungen 1815, fol. 17−17’. Weisung. Behändigte Ausfertigung. Druck: Klüber (Hrsg.), Staatsarchiv des teutschen Bundes, Bd. 1, S. 123−124.

Bei Festsetzung des Termins für die Eröffnung der Deutschen Bundesversammlung auf den 1. Dezember 1815 ist man davon ausgegangen, daß bis dahin alle Territorialangelegenheiten in Deutschland definitiv entschieden worden sind. Infolge der Verzögerung des Abschlusses der Friedensverträge mit Frankreich können die Territorialverhandlungen jedoch erst Ende November 1815 begonnen werden. Da einer der Hauptzwecke des Bundes auf die Sicherung der Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten zielt, ist es notwendig, daß vor Eröffnung des Bundestags sämtliche Territorialstreitigkeiten beigelegt und die Grenzen der deutschen Staaten genau bestimmt sind. Außerdem haben mehrere deutsche Fürsten Ihre in den Frankfurter Akzessionsverträgen eingegangenen Verpflichtungen noch nicht erfüllt oder sind dem Deutschen Bund noch nicht beigetreten. Erst wenn alle diese Anstände behoben sind, kann sich die Bundesversammlung konstituieren. Die bereits in Frankfurt versammelten Bundestagsgesandten sollen aber nicht daran gehindert werden, sich einstweilen über die materielle Einrichtung des Bundestags, das zu beobachtende Zeremoniell und andere Gegenstände zu besprechen und dessen wirkliche Eröffnung vorzubereiten. Äußert die Hoffnung, daß die offenen Territorialfragen im Laufe des Monats De1 Franz Josef Martin Freiherr von Albini (1748–1816), deutscher Staatsmann, Studium der Jurisprudenz in Dillingen und Würzburg, 1770 fürstbischöflicher Hof- und Regierungsrat in Würzburg, seit 1775 am Reichskammergericht tätig, wurde 1787 im Auftrag des Mainzer Kurfürsten Geheimer Reichsreferendar in Wien, 1790 Hofkanzler und Minister in Mainz, 1802 kurmainzischer Prinzipal- und Direktorialgesandter am Reichstag in Regensburg, 1806 fürstprimatischer Statthalter von Regensburg, 1810 leitender Minister im Großherzogtum Frankfurt, 1813 Übertritt in österreichische Dienste, 1815/16 österreichischer Präsidialgesandter beim Deutschen Bundestag in Frankfurt. Vgl. ADB, Bd. 1, S. 220 f.; NDB, Bd. 1, S. 149; DBA  I, 13, 87−96; DBA  II, 17, 315 f.; DBA  III, 9, 354−358 und 1031, 382 f.; DBE, Bd. 1, S. 73 f.; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 235 u. 275.

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Metternich an Albini

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zember geregelt werden können, und gibt Anweisung an Albini, dies den anwesenden Bundestagsgesandten mitzuteilen und eventuell eintretende Besorgnisse wegen des abermaligen Aufschubs zu zerstreuen.

Paris, 21. November 1815

Hochwohlgebohrner Freyherr!

Als die wirkliche Eröffnung des deutschen Bundestags auf den 1sten Dezember festgesetzt wurde2, hatte man Ursache zu hoffen, daß bis dahin alle Territorial-Angelegenheiten in Deutschland definitiv entschieden seyn würden. Die verschiedenen Inzidenz-Punkte, welche den Abschluß der neuen Traktate mit Frankreich bis heute verzögerten, haben dieses unmöglich gemacht, und die nöthigen Verhandlungen zur definitiven Ausgleichung können erst gegen Ende dieses Monats beginnen. Da einer der Hauptzwecke des Bundes sich auf die Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten bezieht, so ist offenbar nothwendig, daß vor Eröffnung des Bundestags sämmtliche Bundesglieder alle Territorial-Kontestationen unter sich beendet haben, und daß die Grenzen jedes deutschen Staats genau bestimmt seyen. Hinzu kommt, daß mehrere der deutschen Fürsten noch, in Folge der im November 1813 zu Frankfurt geschloßenen Konvenzion3, Verbindlichkeiten zu erfüllen haben, und einige selbst dem deutschen Bunde noch nicht beygetreten sind4. Die Bundes-Versammlung kann also, im eigentlichen Sinne und in der dem Zweck entsprechenden Form, sich erst dann konstituiren, wenn alle oberwähnten Anstände gehoben sind. Dieses wird nicht hindern daß die bereits in Frankfurt versammelten Bevollmächtigten sich einstweilen über die materielle Einrichtung des Bundestags, über das zu beobachtende Zeremoniell, über die Organisation der Bureaux, und andere ähnliche Gegenstände besprechen, und die wirkliche Eröffnung des Bundestags vorbereiten. So wie sich dermalen die noch zu be2 Vgl. Dok. 2. 3 Gemeint sind die sogenannten Frankfurter Akzessionsverträge vom November/Dezember 1813, in denen sich die mindermächtigen deutschen Staaten vom Rheinbund lossagten und zu weitgehend gleichen Bedingungen in das Lager der antinapoleonischen Koalition überwechselten. Neben der Verpflichtung, sich Anordnungen zu fügen, die zur Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit Deutschlands notwendig werden würden, enthielten diese auch die Einwilligung der Mindermächtigen in alle für die Unabhängigkeit Deutschlands notwendigen Gebietsabtretungen, für die sie jedoch eine adäquate Entschädigung erhalten sollten. Vgl. QGDB I/1, Dok. 10, S. 65−67 (Beitrittsvertrag Hessen-Darmstadts zum Bündnis von Teplitz, Frankfurt am Main, 23. November 1813). 4 Baden und Württemberg.

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richtigenden Territorial-Gegenstände beurtheilen laßen, darf man vermuthen, daß solche im Lauf des Monaths Dezember ihrem Ende sehr nahe gebracht werden können. Ich ersuche Euer Exzellenz sich in dem Sinn des gegenwärtigen Reskripts gegen die in Frankfurt anwesenden Bevollmächtigten zu äußern, und dieselben über die allenfalls eingetretenen Besorgniße eines weitern Verschubs der Eröffnung des Bundestags zu beruhigen. Empfangen Euer Exzellenz die Versicherung meiner vollkommensten Hochachtung. F. v. Metternich

4. Metternich an Albini

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Kart. 1, Weisungen 1815, fol. 21–22 (a) sowie Weisungen 1815–1817, fol. 3–11 (b). a) Weisung. Behändigte Ausfertigung; b) Aufsatz. Reinschrift.

[a) Weisung] Übersendung eines die Ansichten des Wiener Hofs über die gegenwärtige Beschaffenheit des Deutschen Bundes und dessen Verhältnis zu Österreich skizzierenden Aufsatzes, der als vorläufige Richtschnur für die österreichische Bundespräsidialgesandtschaft dienen soll. Anweisung an Albini, die bundespolitischen Gesinnungen der deutschen Höfe und ihrer Bundestagsgesandten zu erkunden.

Paris, November 1815 Hochwohlgeborner Freyherr. Der beiliegende Aufsatz enthält im Allgemeinen die Ansichten des Allerhöchsten Hofes über die gegenwärtige Beschaffenheit des neuen deutschen Bundes, und über seine Verhältnisse zu demselben. Dieser Aufsatz wird einstweilen hinreichen um Euer Exzellenz mit unserem Gesichtspunkte bekannt zu machen, und die gegenwärtige Lage der Dinge erheischt, daß wir uns genau an denselben halten, und uns auf denselben beschränken, bis sich die Stimmung in Deutschland deutlicher ausgesprochen, und die Tendenz der betreffenden Höfe näher entwickelt haben wird. Bis dahin liegt es in unserem Interesse, alle Kollisionen zu vermeiden, und darauf bedacht zu seyn, daß durch unser Benehmen dem fremden Einfluß kein Eingang verschafft werde. Euer Exzellenz sind mit den deutschen Angelegenheiten zu sehr vertraut, als daß ich nöthig hätte, solche hier weitläuftiger zu behandeln. Freyherr von

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Wessenberg1 wird Dieselben in genaue Kenntniß von Allem dem setzen, was in Beziehung auf den deutschen Bund in Wien verhandelt und verabredet worden ist, und da derselbe mit diesen Gegenständen und meinen Ansichten genau bekannt ist, so ersuche ich Euer Exzellenz sich mit ihm, während seines Aufenthalts in Frankfurt, in zweifelhaften Fällen einzuverstehen. Vor allem liegt mir daran, möglichst bald eine richtige Darstellung der bisher bekannt gewordenen Gesinnungen der verschiedenen deutschen Höfe und jener ihrer Bevollmächtigten zu erhalten, um hiernach das unserer Seits zu beobachtende Benehmen abmessen zu können. Freyherr von Wessenberg wird Euer Exzellenz die Mittel an Händen geben, mir Ihre Berichte auf sicherem Wege zukommen zu lassen. Empfangen Euer Exzellenz die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung. F. v. Metternich [b) Anlage: Ansichten des Deutschen Bundes] Zweck und Beschaffenheit des Deutschen Bundes. Grundtendenz der Bundesgeschäfte. Vordringliche Aufgaben der Bundesversammlung: Bundesmilitärverfassung, Organisation der Bundestagsverhandlungen. Verhältnis Österreichs zum Deutschen Bund: Wahrung der Unabhängigkeit der deutschen Staaten, Motive für die Ablehnung der Kaiserwürde. Wirkungskreis des Bundespräsidialgesandten: Uneigennützigkeit der österreichischen Bundespolitik, bundespolitische Absichten Preußens.

Ansichten des deutschen Bundes. 1. Zweck des neuen deutschen Bundes.

Durch die deutsche Bundes Ackte2 sollte kein neues deutsches Reich, sondern eine Vereinigung der deutschen Staaten für Erhaltung äußerer und innerer Sicherheit gestiftet werden. Die Elemente des ehemaligen deutschen 1 Johann Philipp Freiherr von Wessenberg-Ampringen (1773–1858), österreichischer Staatsmann, 1801/02 Gesandtschaftssekretär in Berlin, 1803–1805 Ministerresident in Frankfurt am Main, 1804–1806 bevollmächtigter Minister beim kurrheinischen und oberrheinischen Kreis, 1805/06 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Kassel, 1809/10 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Berlin, 1811–1813 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in München, 1813/14 Sondergesandter in London, 1814/15 zweiter österreichischer Bevollmächtigter auf dem Wiener Kongreß, 1816–1819 Vertreter Österreichs bei den Territorialverhandlungen in Frankfurt, danach Rückzug aus dem Dienst, 1830 Gesandter in Den Haag, Mai – November 1848 Außenminister und Juli – November 1848 Ministerpräsident. Vgl. ADB, Bd. 42, S. 157–173; Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 55, S. 161–169; DBA I, 1358, 1−24; DBA III, 986, 24−26; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 68 f., 74, 78 u. 274–280; Arneth, Johann Freiherr von Wessenberg. 2 Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815; vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1503–1518.

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Reichs existiren nicht mehr – es giebt keine Stände, keine Dom-Stifter, keine Reichs-Ritterschaft, keinen Kaiser mehr. Die alten Institutionen sind in der Zeit untergegangen, zum Theil durch äußere Gewalt, zum Theil durch innere Mangelhaftigkeit. – Ohne neue Gewalt ohne neue Umwälzungen kann das Alte, wäre auch dessen Vortrefflichkeit erwiesen, nicht mehr hergestellt werden. Es kann also keine Rede von dem seyn, was war, sondern nur von dem, was dem Bedürfniß der gegenwärtigen Zeit und dem veränderten Zustand der Dinge angemessen ist. 2. Beschaffenheit des Bundes. Deutschland ist jetzt kein Bundes-Staat mehr, sondern ein Staaten-Bund. Es stellt eine Gesellschaft großer und kleiner Staaten vor, in welcher sich keiner gegen den andern in dem Verhältniß einer gesetzlichen Abhängigkeit befindet. Die Bundes Ackte zieht zwischen ihnen keinen andern Unterschied, als daß die ganz kleinen Staaten nur mit Gesammt-Stimmen auf dem Bundes-Tag erscheinen. Selbst die Auszeichnung des Vorsitzes, welche Oestereich eingeräumt worden, ist nur materiell, ohne irgend ein politisches Vorrecht, oder eine Art von Suprematie, zu begründen. 3. Tendenz der Bundes Geschäfte. Da der Zweck des Bundes blos schützend und demnach defensiv ist und bleiben soll, so dürfen auch die Geschäfte der Bundes-Versammlungen keine andere Tendenz als jene der Erhaltung und des Schutzes haben. Die Gleichheit der Rechte der Bundes-Staaten muß unangetastet bleiben, und jedes Eingreifen in die Rechte der Einzelnen sorgfältig vermieden werden. Der Mächtigere darf keinen andern Einfluß gewinnen, als jenen, alles zu verhindern, was dem Zweck entgegen wäre. Hierin liegt die Garantie des Bundes. 4. Abtheilung der Geschäfte. Das erste Geschäft der Bundes Verhandlungen ist die Festsetzung der gemeinsamen Vertheidigungs-Maaßregeln. Sind diese ein Mal bestimmt, so erscheint der Bund als ein Ganzes gegen das Ausland, und einer der Hauptzwecke ist erreicht. Hierauf und allenfalls auf die materielle Einrichtung der Verhandlungen selbst, müssen sich vorläufig die Verhandlungen beschränken, und erst später wird man mit Verlässigkeit absehen können, wie weit mit Vortheil und ohne Gefahr zu gehen ist. Diese vorläufige Beschränkung wird auch den Vortheil haben, andere Gegenstände, welche den jetzt zu regen ­Parthey Geist in Deutschland beschäftigen würden; wie z. B. Preßfreyheit und

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ähnliche von den Diskussionen zu entfernen, und den Regierungen Zeit zu lassen, die gereitzten Gemüther zur Ruhe zu bringen. Bei einem Staaten Bunde, von einer solchen Zusammensetzung wie der Deutsche, scheint es ohnehin bedenklich mit vielen Vorschlägen aufzutreten, welche in die inneren Verhältnisse einzelner Bundes Staaten wesentlich eingreifen, und solche Vorschläge können nur in so ferne dem Zweck des Bundes angemessen seyn, als es sich darum handelt bei den deutschen Höfen eine gewisse Ueber­ einstimmung über Gegenstände von gleichseitigem Interesse, wie z. B. über Verfassung der Landstände, hervor zu bringen. Eine solche Uebereinstimmung, welche den Regenten selbst nothwendig werden kann um ihre Völker in vernünftigen und gesetzlichen Schranken zu halten, kann allerdings nur durch gut geleitete Berathungen am Bundes Tag erzielt werden. 5. Verhältnisse des Bundes zu Oestreich. Die gegenwärtigen Verhältnisse der oestereichischen Monarchie zu Deutschland sind allerdings sehr von jenen verschieden, welche ein paar Jahrhunderte hindurch diese beyden Ländermassen unter einem Oberhaupt vereinigten, allein sie sind nichts desto weniger noch immer vortheilhaft und vielleicht mehr auf gegenseitige Interessen gegründet als je. Die Politick des oestereichischen Hofes in Hinsicht Deutschlands kann heut zu Tag weder Furcht noch Mißtrauen erregen. Oestereich hat nicht das mindeste Erroberungs Projeckt auf einen deutschen Staat. Nach seinen Ausgleichungen mit Bayern, wird ihm kein Stoff zu irgend einer Territorial-Diskussion mit einem deutschen Fürsten mehr übrig bleiben. Oestereich erblickt in Deutschland eine gute Vormauer gegen Westen, während dem Deutschland bey Oestreich immer seinen vorzüglichsten Schutz suchen muß. Das wichtigste Interesse aber welches fernerhin Oestereich mit Deutschland verbinden wird, besteht darin, daß der deutsche Staaten-Bund in der möglichsten Unabhängigkeit erhalten werde, und es kann wohl nie ein gemeinschaftlicheres Interesse bestanden haben wie dieses. Bey der gegenwärtigen Beschaffenheit der Umstände wolle Se Majestät der Kaiser selbst nur als ein einfaches Mitglied ohne die Vorrechte, welche ihnen die Größe ihrer Macht und der Umfang ihres Schutzes gewähren könnten, auf dem Bundestag erscheinen; Sie haben die ihnen von vielen ehemaligen Reichsständen angetragene Kaiserwürde abgelehnt, weil sie, vom wahren ­Interesse für Deutschlands Wohl beseelt, gefühlt haben, daß eine Auszeichnung die sich auf einen bloßen Titel beschränkte und keine Mittel in ihre Hände legte, um ihre wohlthätigen Absichten für Deutschland zu erfüllen, nur dazu dienen würde, Kollisionen der Eitelkeit und eine schädliche Eifersucht zu erregen. Wenn einst die deutschen Fürsten durch das Gefühl ihrer Schwä-

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che oder durch Besorgnisse über ihre Zukunft dazu gebracht würden, das ­ edürfniß eines Oberhaupts allgemein anzuerkennen, und die NothwendigB keit einsehen sollten einem wirklichen Oberhaupt die zur Ausübung eines mächtigen Schutzes nöthigen Rechte und Gewalt zu übertragen, so würden auch Se Majestät der Kaiser gewiß nicht abgeneigt seyn, dem Vertrauen der deutschen Fürsten nach der damaligen Lage der Dinge aus allen ihren Kräften zu entsprechen und Deutschland zu beweißen, daß nicht die Scheu vor der thätigen Anwendung einer schützenden Gewalt, Sie von der Annahme der Kaiser Würde unter den gegenwärtigen Verhältnissen entfernt hätten, sondern allein der Ihnen eigene Grundsatz nur3 den Schein der Gewalt ohne die Möglichkeit ihrer Anwendung zum gemeinsamen Besten sich zur Schuld erwachsen zu lassen. 6. Wirkungskreis des oestereichischen Bevollmächtigten mit dem Bundestag. Da Oestereich also nur als eine schützende Macht in dem neuen Staaten-Bunde auftritt, ohne Einmischung besonderer Privat-Vortheile und ohne Berührungen, aus denen feindselige Reibungen entstehen können, so ist zu erwarten, daß die schwächeren der deutschen Bundes-Staaten sich von selbst an Oestereich anschließen und gerne seinem Impuls folgen werden. Indessen soll selbst dieses Anschließen nicht die Form einer Trennung in Partheyen annehmen, und der Repräsentant Oestereichs auf dem Bundes-Tag wird mehr bemüht seyn müssen, die Gesinnungen und Anhänglichkeit der Bundes Glieder zu dem festgesetzten Zweck hinzuleiten, als sie im eigentlichen Sinne des Worts, für die Fahne seines Hofes zu werben. Sein ganzes Streben muß nur dahin gerichtet seyn, durch ein kluges Benehmen, den Einfluß jeder andern Macht, welche die deutschen Höfe zu ihrem Privat-Vortheil zu gewinnen versuchen möchte, zu begegnen, welches am sichersten dadurch erzielt werden wird, wenn der oestereichische Hof durch das Beyspiel seiner eigenen Korrecktheit und seines reinen deutschen Sinns, den andern den Muth und die Lust einflößt von der in der Bundes-Ackte vorgezeichneten Bahn nicht abzuweichen. Wahrscheinlich wird der preußische Hof einen andern Gang gehen. Er wird versuchen durch eine scheinbare Liberalität der Ideen, durch die Patrozinanz4 einer angeblichen Freyheit, und durch allerhand Künste der Schmeicheley, Beredsamkeit und Verblendung auf die öffentliche Meynung in Deutschland zu wirken, und die gegenwärtige Exaltation mancher Köpfe zur Bildung einer 3 Von anderer Hand nachträglich darüber geschrieben und abgeändert in: „nie“. 4 Patrozinanz (von lat. Patrocinium): Beschützung, Fürsorge. Vgl. Heyse, Allgemeines verdeutschendes und erklärendes Fremdwörterbuch, S. 630.

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Parthey zu benützen. Er wird seinen Schutz unter mancherley Gestalten anbieten und geltend zu machen sich bemühen, und vielleicht auch den Vorwand gebrauchen wollen, daß Oestereich sich in seinem Interesse ganz von Deutschland getrennt habe. Indessen alle diese Versuche werden keinen großen Erfolg haben, wenn ihnen anderseits ein einfaches anspruchloses und gleichsam konstitutionelles Benehmen mit dem Gepräge der Uneigennützigkeit entgegen gesetzt wird, und die deutschen Fürsten durch ihre eigene Lage und Bedürfnisse bald zu reiferem Nachdenken gebracht, werden nicht lange im Irrthum über ihr eigenes Interesse verharren. Eine förmliche Rivalität mit Preußen hat Oestreich schon deswegen nicht zu fürchten weil es die deutschen Angelegenheiten aus einem verschiedenen Gesichtspunkte betrachtet, und sein Streben weniger dahin geht, Deutschland für sich zu gewinnen als solches in einer Art von Neutralität gegen alle andere große Mächte zu erhalten. So wie Preußen in Deutschland anschaulich wird regieren wollen, wird es nicht in seinen Plänen scheitern, denn die deutschen Fürsten werden nie auf den Grad verblendet seyn, sich lieber einer drohenden als einer schützenden Macht anzuschließen. Der oestereichische Bevollmächtigte am Bundestage wird vor dem Preusischen den großen Vortheil haben, eine weit offenere Sprache, und gegen alle Bundesglieder die nemliche führen zu können, woraus ihm schon ein natürliches Uebergewicht erwachsen muß. Er ist durch die Uneingennützigkeit seines Hofs in die Lage gesetzt sich gegen alle Bundesglieder mit gleicher Unbefangenheit über ihre Interessen so wie über ihre Pflichten zu äußern, und geschiet dieses mit einiger Vorsicht und Geschicklichkeit, so werden dem fremden Einfluß bald die meisten Zugänge versperrt seyn.

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Stuttgart, 18. Januar 1816

5. König Friedrich I. von Württemberg1 an Linden2

HStA Stuttgart, E 65, Bü 1, fol. 233−232. Weisung. Behändigte Ausfertigung. Praes.: Frankfurt am Main, 29. Januar 1816.

Angesichts der stattgefundenen Unterredung Lindens mit dem Prasidialgesandten Buol-Schauenstein erneute Einschärfung der politischen Absichten König Friedrichs I.: Linden soll 1. weder auf eine rasche Konstituierung den Bundesversammlung noch auf die Einberufung von Präliminarkonferenzen dringen; 2. alle weiteren Eröffnungen über seine künftige Bestimmung zu vermeiden suchen; 3. im Falle weiterer Unterredungen mit Buol darauf hinweisen, daß es den Intentionen des Königs widerstreite, auf die mit den jetzigen Verhältnissen unpassende Form der ehemaligen deutschen Reichsverfassung zurückzukommen, noch viel weniger eine deutsche Nation zu formieren. Der König werde sich auf nichts einlassen, was seinen Souveränitätsrechten zuwider sei oder mehr als ein föderatives System unabhängiger Staaten herbeiführen könne. Diese Richtlinien sollen nicht nur gegenüber Buol, sondern auch gegenüber dem preußischen Minister von Humboldt und allen anderen Einfluß habenden Gesandten gelten.

No 4.



Stuttgart, 18. Januar 1816

Friderich, von Gottes Gnaden Koenig von Württemberg, souverainer Herzog in Schwaben und von Teck etc. etc. etc. Lieber Getreuer. Wir haben eure au. Relation N. 24 vom 14[te]n dieses, in Betreff der mit dem Oesterreichischen Bevollmächtigten gehabten Unterredung erhalten3, daraus aber ersehen, daß ihr Unsere Intention bey der euch even­ 1 Friedrich I. Wilhelm Karl (1764–1816), seit 1805 König von Württemberg, 1797 regierender Herzog, 1803 Kurfürst. Vgl. NDB, Bd. 5, S. 596–598; DBE, Bd. 3, S. 342 f.; ADB, Bd. 8, S. 56–60; Sauer, Der schwäbische Zar. 2 Franz Joseph Ignatz Reichsfreiherr von Linden (1760–1836), Staatsmann, Dr. jur., 1785 kurmainzischer Hof- und Re­gierungsrat, 1786 Beisitzer im Regierungs-Justiz-Senat in Mainz, 1796–1806 Reichskammergerichts­assessor in Wetzlar, 1806 Übertritt in württembergische Dienste und Vizepräsident des 1. Senats des Oberjustizkollegiums, 1807 zugleich Präsident des katholischen Kirchenrats, 1808 Präsident des Kriminaltribunals und Kammerherr, 1811 Mitglied des Staatsrats, 1812/13 außerordentlicher Gesand­ter in Dresden, 1814 Staatssekretär der auswärtigen Angelegenheiten, 1814/15 Bevollmächtigter auf dem Wiener Kongreß, Mai − November 1815 Geschäftsträger in Berlin, 1815/16 Abgeordneter am Deutschen Bundestag in Frankfurt, 1815–1817 außerordentlicher Gesandter und be­voll­mächtigter Minister in Hannover und Den Haag, 1817–1831 Regierungspräsident des Jagst- bzw. Schwarzwaldkreises. Vgl. NDB, Bd. 14, S. 589; DBA  I, 767, 286–292; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 477, 481 f. u. 484; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 421. 3 Vgl. HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 910.

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König Friedrich I. von Württemberg an Linden

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tuell übertragenen Mission nicht richtig eingenommen zu haben scheint. In Gemäßheit jener habt ihr I. auf keinerley Art weder auf die Versammlung des Bundestags, noch viel weniger auf die Praeliminar-Conferenzen zu dringen, eben so wenig zu bezeugen, daß es in Unserem Wunsch oder Absicht liege, diese Zusammentritte beschleunigt zu sehen, vielmehr habt ihr darüber die größte Gleichgültigkeit an den Tag zu geben. II. Nach der dem Grafen v. Buol-Schauenstein geschehenen Eröfnung über eure zukünftige Bestimmung habt ihr alle ferneren Explicationen mit demselben zu vermeiden, wenn es aber III. mit demselben zur Sprache kommen sollte, geradezu zu erklären, wie sehr es Unserer Absicht zuwider sey, je wieder auf die veraltete, auf die jetzigen Verhältniße ganz unpassende Form der ehemaligen teutschen Reichsverfassung zurükzukommen, noch viel weniger eine sogenannte teutsche Nation zu formiren, oder auch auf die einzige gute, zu Wien getroffene Verfügung der aus der Majoritaet nicht folgenden Verbindlichkeit in allen Angelegenheiten, welche die Rechte eines Einzelnen betreffen, zu renunciren4; überhaupt, habt ihr hinzuzufügen, würden Wir Uns nie in etwas einlassen oder etwas eingehen, was den Rechten Unserer Souverainetaet zuwider seyn, oder mehr als ein föderatives System unabhängiger Staaten herbeyführen könnte. Hienach werdet ihr euch auf das Genaueste benehmen, diese absolute Norm nie aus den Augen verlieren, und eure Aeußerungen darnach, auf eure Verantwortlichkeit, genau einrichten, welches auch eure persönliche und Privat-Ansichten seyn könnten. Was euch hier in Absicht des v. Buol-Schauenstein vorgeschrieben worden, versteht sich in gleicher Maaße hinsichtlich eures Benehmens und eurer Aeußerungen gegen den Minister v.  Humbold und die übrige Einfluß habende Gesandte. Friderich Ad Mandatum Sacr. Reg. Maj. propr.5 v. Vellnagel6 4 Verzicht leisten. Vgl. Heyse, Allgemeines verdeutschendes und erklärendes Fremdwörterbuch, S. 744. 5 Ad Mandatum Sacrae Regiae Majestatis proprium (lat.): Auf Spezialbefehl seiner Heiligen Königlichen Majestät persönlich. Vgl. Schuler, Historisches Abkürzungslexikon, S. 246. 6 Christian Ludwig August (seit 1812) Freiherr von Vellnagel (1764–1853), württembergischer Beamter, Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an der Hohen Karlsschule in Stuttgart, 1784 Geheimer Kabinettskanzlist, 1788 Geheimer Kabinettsregistrator, 1794 Sekretär des

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6. Hänlein1 an Hardenberg

GStAPK Berlin, III. HA, MdA  I, Nr. 1838, fol. 72−75’ (a) und 76–84 (b). a) Schreiben. Eigenhändige Ausfertigung; b) Denkschrift. Eigenhändige Ausfertigung.

[a) Schreiben] Dankt für seine ehrenvolle Bestimmung zum preußischen Bundestagsgesandten und glaubt dem entgegengebrachten Vertrauen am besten dadurch zu entsprechen, wenn er vor Übernahme dieser Stelle freimütig seine Ansichten über deren politische und äußere Verhältnisse vorträgt und auf die Berücksichtigung seiner bisherigen und künftigen Lage anträgt. Übersendet deshalb 1. einen Aufsatz über Preußens politisches Interesse beim Deutschen Bundestag und dessen gegenwärtige und künftige Stellung gegen Österreich und Deutschland und unterbreitet 2. Vorschläge zu den äußeren Verhältnissen der preußischen Bundestagsgesandtschaft, die dem Anspruch Preußens, sich in der Leitung der deutschen Angelegenheiten mit Österreich auf eine Linie zu stellen, gerecht werden: angemessene Besoldung und Dienstcharakter des Bundestagsgesandten, dessen standesgemäße Unterbringung samt Vorschlägen zum Erwerb geeigneter Immobilien, Kosten für die notwendige Ausstattung der Gesandtschaftswohnung.

Berlin, 24. März 1816 Durchlauchtigster Fürst, Gnädiger Herr! Euer Durchlaucht haben die Gnade gehabt, mich zu benachrichtigen, daß nach der vorläufigen huldvollen Entscheidung Seiner Majestät des Königs mir der Gesandtschafts Posten bey dem Teutschen Bundestage zu Frankfurth bestimmt Geheimen Rats, 1806–1844 Direktor des Geheimen Kabinetts, 1806 Erhebung in den erblichen württembergischen Adelsstand, um 1809 Staatssekretär, 1813 Ministerstaatssekretär und beratendes Mitglied des Staatsministeriums, nach 1816 zugleich Präsident der Hofdomänenkammer, 1844 Präsident des Oberhofrats und Ordenskanzler. Vgl. Kneschke, Deutsches AdelsLexicon, Bd. 9, S. 366; Pfeilsticker (Bearb.), Neues württembergisches Dienerbuch, Bd. 1, § 1166 f., 1169 u. 1184; Schwäbischer Merkur, Abt. 2: Schwäbische Kronik, Nr. 211 v. 7. September 1853, S. 1479 f.; Alberti, Württembergisches Adels- und Wappenbuch, Bd. 2, S. 906 f.; GGT F 1869, S. 934 f.

1 Conrad Siegmund Carl (seit 1803) von Hänlein (1760–1819), preußischer Beamter und Diplomat, Studium der Rechte in Erlangen und Tübingen, 1783 Eintritt in den ansbachischen Verwaltungsdienst, 1786 Hof- und Regierungsrat in Ansbach, nach dem Übergang Ansbach-Bayreuths an Preußen 1792 Geheimer Regierungsrat ebd., 1795 Vortragender Rat beim Landes­ministerium ebd., 1798 Vizepräsident der Kriegs- und Domänenkammer und Konsistorialpräsident ebd., 1801–1806 zugleich preußischer Gesandter beim Fränkischen Kreis, 1802/03 zugleich zweiter Subdelegierter bei der Reichsdeputation, 1809–1813 außordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister beim Fürstprimas des Rheinbundes bzw. Großherzog von Frankfurt, außordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister 1813–1819 in Kassel, 1813/14 in Darmstadt und 1813–1816 in Wiesbaden und Arolsen, Februar bis August 1816 designierter Bundestagsgesandter. Vgl. Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 324, 326 f., 330 f., 333, 336, 341 u. 533; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815–1963, S. 311 u. 320; DBA I, 455, 158–164; Grypa, Der Diplomatische Dienst des Königreichs Preußen, S. 171 f.

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werden soll, und mir befohlen, wegen der erforderlichen nähern I­ nstruktion hierüber, und zu Festsetzung meiner neuen Verhältnisse selbst hieher zu kommen. Ich erkenne mit dem tiefsten Dank das ehrenvolle Vertrauen Seiner Majestät des Königs und Euer Durchlaucht; da aber, nach meiner Überzeugung, die mir zugedachte Stelle, nach dem jetzigen politischen Standpunkt der Dinge, eine der wichtigsten in der Monarchie ist, weil von demjenigen, was gegenwärtig in und für Teutschland geschieht, die immer nur durch Teutschland gesicherte oder gefährdete Ruhe in Europa mit abhängt, so glaube ich jenem Höchsten Vertrauen dadurch am redlichsten zu entsprechen, wenn ich vor Übernahme der mir gnädigst bestimmten Stelle, 1) meine Ansichten über deren politische und äusere Verhältnisse mit Freymüthigkeit vortrage, und 2) dabey auch dasjenige zur huldvollen Berüksichtigung empfehle, was ich über meine persönliche bisherige und künftige Lage in dieser Beziehung zu äusern für Pflicht halte. Meine Ansichten ad 1) habe ich in dem anliegenden Aufsaz über Preußens politisches Interesse bey dem Bundestage, und über dessen gegenwärtige und künftige Stellung gegen Oesterreich und Teutschland besonders entwikelt; ad 2) ist es aber daraus gewis höchst einleuchtend, welch eine hohe Verantwortlichkeit der Preußi. Gesandte bey seinem Posten zu übernehmen hat, mit welchen zahllosen Schwürigkeiten er kämpfen mus, um bey der Unbestimmtheit der Bundes Akte, bey der bisherigen lebhaften Betriebsamkeit des Oesterreichischen Hofes in Verfolgung seiner Absichten, und bey der im Gegentheil beobachteten bisherigen Preußischen Passivität, auch nur den gerechtesten Forderungen seines Kabinets Eingang zu verschaffen, und wie wenig es sich daher noch verbürgen läßt, ob der Teutsche Bund sich zum Wohl des Ganzen dauerhaft konsolidiren werde? So abschrekend von dieser Seite die Gesandtschaftstelle in Frankfurth ist, so wenigen Reiz hat sie auch in Absicht ihrer äusern Verhältnisse. Ist es nothwendig, daß Preußen in der Leitung der teutschen Angelegenheiten sich mit Oesterreich auf die nemliche Linie stelle, so ist es unendlich schwer, den Vorsprung einzuholen, den Oesterreich durch seine frühere Thätigkeit erlangt hat; Aber noch viel schwerer ist es, gleichen Schritt mit Oesterreich zu gewinnen und zu halten, wenn der König. Preußi. Gesandte nicht durch An­sehen und Einkommen nicht mit dem Oesterreichi. in gleichem Grade aus­gezeichnet wird. Der Graf Buol-Schauenstein ist würklicher Kayserlicher Geheimer Rath − das was hier Staats Minister ist − genießt in Cassel 18 000 Gulden Wiener Währung baaren Geldgehalt, und da er überdies ein reicher Mann ist, war sein Hauß ganz für die Repräsentation montirt. In Frankfurth hat er bey der ungeheuren Theurung, die dort gröser als in Paris ist, das Doppelte seines bisherigen Gehalts gefordert und erhalten.

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Er hat auserdem freye Wohnung in dem fürst. Thurn und Taxischen Palais und zur Einrichtung sind vom Hofe bereits 70 000 fl. bewilligt. Ob in diesem Misverhältnis zwischen Graf Buol-Schauenstein und mir nicht schon ein Grund liege, die Wahl Sr Maj.t des Königs auf einen andern als auf mich zu lenken, mus ich der erleuchteten Beurtheilung Ew. Durchlaucht ehrerbietigst überlassen. Es ist Hochdenenselben gnädigst bekandt, daß ich weder an die Frankfurther Stelle gedacht, noch daß ich solche gesucht habe. Ich bin mit der Ehre und dem Einkommen, das mir die Casselische Gesandtschaftsstelle gewährt, durchaus zufrieden; Ich geniese dort eines ruhigen und angenehmen Lebens, der größten Achtung und des vollkommensten Vertrauens des Hofs und des Publikums, und ich habe die durch den Beyfall Sr Maj.t des Königs und Ew. Durchlaucht vielfach bestättigte Überzeugung, daß ich dem Staat in diesen Verhältnissen bisher nüzlich gewesen bin und ferner seyn kann − Was sollte mir unter allen diesen Umständen den Frankfurther Posten wünschenswerth machen? − Die vielleicht damit verbundene höhere Ehre dieses Postens wird durch die darauf lastende grose Verantwortlichkeit und den sorgenvollen Kampf mit unendlichen Schwierigkeiten theuer bezahlt, und die für mich individuell mehr unangenehme als angenehme grösere Repräsentation, wenn sie auch durch grösern Gehalt gedekt wird, kann bey meinem herannahenden Alter keinen Ersaz geben für ein ruhigeres Leben, und die Musse für wissenschaftliche Beschäftigungen. Wenn ich daher persönlich und für mich weder einen Wunsch noch eine Bitte um höhere Ehre und höheres Einkommen, oder überhaupt um eine ­Verbesserung meiner Lage habe, so darf ich, wenn ich aus Pflichtgefühl, bey ­allem bescheidenen Mistrauen in meine Kräfte, dem gnädigsten Ruf des ­Königs nach Frankfurth in der Hofnung gehorsam folge, durch meine Kenntnis der vorigen Reichs Verfassung, durch meine Erfahrungen in den teutschen Angelegenheiten, und durch meine persönlichen höchstfreundschaftlichen Verhältnisse mit dem Oesterreichischen Minister Grafen Buol-Schauenstein, dem Staate nüzlich zu seyn, so darf ich, sage ich, Ew. Durchlaucht um so unbefangener die Wünsche und Bitten vortragen, auf deren gnädigste Gewährung ich keineswegs um meiner Persönlichkeit, sondern um der zu übernehmenden Stelle, ihrer grösern Würksamkeit, und der Würde des Staats willen, rechnen zu dürfen, für nothwendig erachte. 1) Der sonst in Konstestation stehende Excellenztitel der Gesandten scheint mir zum Ansehen dieser Gesandtschaftsstelle nothwendig zu seyn, und da der Graf Görz2 zu Regensburg ehemals in der nemlichen Stelle mit der Würde 2 Johann Eustach Graf von Schlitz, genannt von Görtz (1737–1821), preußischer Diplomat, Studium in Leiden und Straßburg, 1755 sachsen-weimarischer Regierungsassessor mit dem Titel Regierungsrat, 1762 Erzieher des Erbprinzen Carl August von Sachsen-Weimar, 1775 Aus-

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eines Königlichen Staats Ministers bekleidet war, da die in den höhern Gesandtschaftsstellen gestandenen und stehenden Gesandten v. Buchholz3, Graf Keller4, v. Jacobi-Klöst5, v. Brockhausen6, und v. Humboldt die nemliche Würde führen, so kenne ich keinen Grund, warum der dem Vernehmen nach verschiedenen Staats Ministern zugedacht gewesenen so wichtigen Gesandtscheiden aus dem Dienst, 1778 Eintritt in den preußischen Staatsdienst, 1779−1786 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in St. Petersburg, 1788−1806 kurbrandenburgischer Komitialgesandter beim Reichstag zu Regensburg, 1797−1799 Bevollmächtigter auf dem Rastatter Kongreß, 1802/03 Subdelegierter bei der Reichsdeputation. Vgl. DBE, Bd. 4, S. 61; ADB, Bd. 9, S. 393−395; NDB, Bd. 6, S. 538 f.; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 326, 331, 336. 3 Heinrich Ludwig (seit 1784) von Buchholtz (1740−1811), preußischer Beamter und Diplomat, 1770 Kriegsrat und Geheimer expedierender Sekretär im Generaldirektorium, 1780 Legationsrat und Resident in Warschau, 1788 außerordentlicher Gesandter ebd., 1789 Geheimer Finanzrat im Generaldirektorium, 1792 außerordentlicher Gesandter in Warschau, 1794 Wirklicher Geheimer Staatsminister und Oberkammerpräsident der Provinz Südpreußen, 1795 Versetzung in den Ruhestand, 1809 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Dresden. Vgl. C. A. L. Klaproth, Der Kgl.-Preußische und Churfürstlich Brandenburgische Wirklich Geheime StaatsRath. Berlin 1805, S. 531 f.; Kneschke, Neues allgemeines Deutsches Adels-Lexicon, Bd. 2, S. 121; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 335 f. u. 338. 4 Dorotheus Ludwig Christoph Freiherr (seit 1789 Graf) von Keller (1757–1827), Diplomat, 1773–1776 Studium der Rechte in Göttingen und Straßburg, danach Eintritt in den preußischen Staatsdienst, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister 1780–1786 in Stockholm, 1786–1789 in St. Petersburg, 1790–1795 in Den Haag und 1797–1805 in Wien, 1808–1810 Mitglied der westfälischen Stände­versammlung, 1812/13 großherzoglich frankfurtischer außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Paris, 1814/15 Erster kurhessischer und April – Juni 1815 auch braunschweigischer Bevollmächtigter auf dem Wiener Kongreß, 1815–1817 Präsident der preußischen Regierung in Erfurt, 1816−1825 Ministerresident in Weimar, 1825–1827 Mitglied des Provinziallandtags der Provinz Sachsen. Vgl. ADB, Bd. 15, S. 563; DBA  I, 636, 167–177; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 34, 201, 238 f., 325, 333, 336 u. 339; Lengemann, MdL Hessen 1808–1996, S. 208; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815–1963, S. 332. 5 Constans Philipp Wilhelm (seit 1788) Freiherr von Jacobi-Klöst (1745−1817), preußischer Diplomat, 1766 Legationssekretär in Wien, 1768 Legationsrat ebd., 1773 Resident ebd., 1778 außerordentlicher Gesandter ebd., 1786 Erhebung in den Adelsstand, 1788 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Wien, 1792−1808 und 1813−1816 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in London mit zahlreichen kriegsbedingten Unterbrechungen, 1797−1799 zweiter Bevollmächtigter auf dem Rastatter Kongreß, 1807 Titel als Staatsminister. Vgl. ADB, Bd. 13, S. 576; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 324 f. 329 u. 331; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815–1963, S. 322. 6 Karl Friedrich Christian von Brockhausen (1766−1829), preußischer Diplomat, 1786 Lega­ tionsrat, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister 1791−1795 in Stockholm und 1795−1806 in Dresden, 1807 Ernennung zum Staatsminister, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister 1808−1810 in Paris und 1814−1816 in Den Haag, 1817 Mitglied des Staatsrats.. Vgl. DBE, Bd. 2, S. 140; ADB, Bd. 3, S. 340 f.; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 328, 334 u. 338 f.; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815–1963, S. 312.

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schaftsstelle in Frankfurth, dieser Vorzug, zur Gleichstellung mit dem Oesterreichischen Gesandten, nicht zu Theil werden sollte, da jede Auszeichnung derselben in den Augen des Publikums den höhern Werth zu erkennen giebt, den Preußen auf Teutschland und den teutschen Bund selbst sezt. Als eine auffallende Begünstigung für mich kann diese Beförderung wohl nicht erscheinen, nachdem ich schon zweymal fremde Staats Ministersstellen ausgeschlagen habe, seit 16 Jahren würklicher König. Gesandter bin, und schon vor 24 Jahren als vortragender Geheimerrath bey Ew. Durchlaucht Departement gestanden, und in dieser Eigenschaft die zwey gegenwärtigen Staats Ministers Graf Bülow7 und v. Altenstein8 beym Anfang ihrer Karriere9 examinirt habe. 2) Es ist ganz unmöglich, gegenwärtig eine schikliche Gesandtschaftliche Wohnung in Frankfurth zur Miethe zu erhalten, da alle anständige Häußer theils bereits zu ungeheuren Preißen vermiethet sind, theils auf dem Verkauf stehen. Für das Mappesi. Hauß in der Bockenheimer Strasse, welches in der Belle Etage nur einen Saal und 3 Zimmer hat, sind mir 5500 fl. Miethe gefordert worden, und als ich noch vor meiner Abreise von Frankfurth mich in ­einen vorläufigen Mieth Kontrakt einlassen wollte, wurde erklärt, daß man in Verkaufstraktaten stehe, und als Kaufspreiß 10 000 Stük Frd’or10 verlangt. Für den zweyten Stock im rothen Hauß zahlt der Baadische Gesandte jährlich tausend Dukaten, und so weiter im nemlichen Verhältnis. Das nothwendige öftere Wechseln einer Miethswohnung scheint für einen Königlichen Gesandten eben so unanständig und unsicher als kostbar zu seyn. Die Acquisition eines angesehenen Gesandtschaftshaußes möchte daher, da der Oesterreichische Gesandte das Taxische Palais bewohnt, der Würde Sr Maj.t des Königs und den Verhältnissen am angemessensten, und zugleich, wenn die Acquisiti  7 Ludwig Friedrich Viktor Hans Graf von Bülow (1774−1825), Staatsmann, nach dem Studium in Göttingen Eintritt in den preußischen Staatsdienst, 1801 Kriegs- und Domänenrat beim Generaldirektorium in Berlin, 1805 Präsident der Kriegs- und Domänenkammer in Magdeburg, 1808−1811 westfälischer Finanzminister, 1813 preußischer Finanzminister, 1818 Minister für Handel und Gewerbe, 1825 Oberpräsident von Schlesien. Vgl. DBE, Bd. 2, S. 205; ADB, Bd. 3, S. 533−538; NDB, Bd. 2, S. 735 f.; DBA I, 160, 309−329; DBA II, 197, 51 f.; DBA III, 129, 66−68 u. 113.   8 Karl Freiherr vom Stein zum Altenstein (1770−1840), preußischer Staatsmann, Studium in Erlangen und Göttingen, 1795 Assessor bei der Kriegs- und Domänenkammer in Ansbach, 1797 Kriegs- und Domänenrat ebd., 1801 Kriegs- und Vortragender Rat beim Generaldirektorium in Berlin, 1803 Geheimer Oberfinanzrat und Mitglied des Generaldirektoriums, 1808−1810 Finanzminister, 1817 Mitglied des Staatsrats, 1817−1838 Minister für Kultus, Unterricht und Medizinalwesen. Vgl. DBE, Bd. 1, S. 98 f.; NDB, Bd. 1, S. 216 f.; ADB, Bd. 35, S. 645−660.   9 Emendiert. Vorlage: Karrhiere. 10 Friedrichsd’or (frz.: goldener Friedrich): von Friedrich dem Großen geschaffene preußische Münze, die von 1741−1855 geprägt wurde. Vgl. Meyers Taschenlexikon Geschichte, Bd. 2, S. 211.

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on verhältnismäsig wohlfeil seyn kann, am vortheilhaftesten seyn. Eine solche Besitzung in der freyen Stadt Frankfurth scheint überhaupt, wenn auch die lange Existenz des Bundestages zweifelhaft seyn könnte, in der gegenwärtigen Ausdehnung der Königlichen Staaten nicht ohne Interesse zu seyn. Eine solche Erwerbung würde auch in dem gegenwärtigen Augenblik einen ganz auserordentlichen guten Eindruk in ganz Teutschland machen, und das Gegentheil der durch die bisherige Zögerung in Ernennung eines Königlichen Bundestags Gesandten begründeten nachtheiligen Meynung beweisen, als ob Preußen auf den Bundestag und dessen Dauer, so wie auf die dadurch in Teutschland herzustellende Ordnung und Verfassung kein Vertrauen und keinen Werth setze. Zum Glük findet sich eben jezt zur wohlfeilen Erwerbung des schönsten Haußes in Frankfurth − des bekannten Schweitzeri. auf der Zeil − die gute Gelegenheit dieses Hauß, das ungefähr vor 30 Jahren über Anderthalb Millionen Gulden zu bauen gekostet hat, ist gegenwärtig um 70 bis 80 000 Thlr. Kaufspreiß zu haben. Die Anlagen11 enthalten das Nähere und die Beschreibung darüber, wobey die vielen schönen Statuen und Büsten von Cararischen Marmor allein schon von sehr hohem Werth sind. Nach den weitern Anlagen12 ist auch das Leonhardische Hauß auf der Zeil zum Kauf angeboten. Allein es hat nicht so vielen Gelaß als das Schweitzeri., ist eben so theuer, und soll nicht anders als zugleich mit dem v. Leonhardi. Garten verkauft, auch erst in einem halben Jahr geräumt werden, wogegen das Schweitzeri. Hauß in 3 Monaten bezogen werden kann. Sollten des Königs Majestät Sich vielleicht zur Acquisition des Schweitzeri. Haußes allergnädigst geneigt erklären, so würde ich um die baldmöglichste Eröffnung der Höchsten Entschließung ehrerbietigst bitten müssen, damit nicht ein anderer Käufer, wie es leicht möglich wäre, dazwischen komme. 3) Was den gesandtschaftlichen Gehalt, auser der freyen Wohnung betrift, so ist es wohl billig, daß solcher mit der in Frankfurth herrschenden grosen Theurung, mit dem von dem Königlichen Gesandten zu machenden nothwendigen Ehren Aufwand, und mit den Gehältern der andern Gesandten in gehörigem Verhältnis stehe. Wenn nun der Kayserlich Oesterreichische Gesandte jährlich 36 000 f. W. W. oder baare 24 000 Thaler erhält, wenn wie mir weiter bekandt ist, der Kay. Russische Gesandte 18 000 Thaler, der Königlich Würtembergische Gesandte 24 000 Gulden, und der Baadische Gesandte 20 000 Gulden beziehen, so dürfte für den Königlich Preußischen Gesandten Achtzehentausend Thaler wohl das Minimum seyn, welches verwilligt werden könnte. Es liese sich durch einen Etat genau nachweisen, daß mit dieser Summe 11 Die Anlagen 1−3 fehlen in der Akte. 12 Die Anlagen 4−6 fehlen in der Akte.

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die der Würde des Postens angemessenen nothwendigen Ausgaben, zumal wenn sich der Königlich Preußische Gesandte mit dem Kayserlich Oesterreichischen auf einer Linie halten soll, jährlich nur mit der strengsten Oekonomie bestritten werden können. 4) Das Schwürigste und Kostbarste für einen Königlichen Gesandten in Frankfurth ist die neue Einrichtung eines ganzen Haußwesens auf den Fuß wie es die Ehre des Postens erfordert. Zu miethen sind anständige Meubles in Frankfurth gar nicht. Was ihre Anschaffung kostet, mag das sub. No 7 an­ liegende Verzeichnis einiger Meubles13 beweisen, die bey der Miethung des Mappesi. Haußes käuflich um die Summe von 10 000 Gulden übernommen werden sollten. Bey meinen verschiedenen Etablissements zu Nürnberg, Regensburg, Frankfurth und Cassel habe ich erweislich wenigstens 7000 Thaler zugesezt, und auser diesem durch die Veränderung in Ansbach und den geringen Gehalt in Frankfurth über 20 000 Thaler Verlust erlitten. Weitere Opfer zu bringen befinde ich mich auser Stand. Der Oesterreichische Hof hat zum ­Etablissement seiner Gesandtschaft in Frankfurth 70 000 Gulden W. W. ausgesezt, worunter jedoch die Baueinrichtungen mit begriffen sind. Abstrahirt von lezteren mus ich es der Königlichen Gnade und Grosmuth überlassen, was mir zu einer anständigen grösern Einrichtung in Frankfurth, für Anschaffung und Ergänzung von Equipage, Livreén, Vaiselles, Tisch und Tafelzeug, und des ganzen übrigen Hauß Mobiliars gnädigst verwilligt werden will, sehe mich jedoch zur freymüthigen Erklärung gezwungen, daß diese Rubriken unter 10 bis 12 000 Thalern zu bestreiten wahre Unmöglichkeit seyn würde. Die Nothwendigkeit dieser Summe als Minimum läßt sich, wie wohl sie an sich einleuchtend genug ist, durch eine Specification leicht nachweisen. Den huldvollen und wohlwollenden Gesinnungen Euer Durchlaucht überlasse ich nunmehr die gütige Entscheidung meines künftigen Schiksals. Wenn des Königs Majestät alle die hier nicht für mich, sondern für die Stelle vorgetragene Wünsche und Bitten allergnädigst gewähren, so fühle ich sehr wohl, daß ich diese Auszeichnungen erst in der Folge zu verdienen mich bestreben mus. Aber ich betheure zugleich Euer Durchlaucht, daß, wenn es bey allen diesen huldreichen Bewilligungen von meiner freyen Wahl abhängt, sie in Frankfurth anzunehmen, oder in meiner bisherigen Lage in Cassel zu bleiben, ich Lezteres, ohne mich im geringsten zu bedenken, vorziehen würde. Ich unterzeichne mich mit der innigsten und treuesten Verehrung Euer Durchlaucht unterthäniger treuer Diener v. Haenlein 13 Anlage 7 fehlt in der Akte.

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[b) Anlage: Über Preußens politisches Interesse beim Deutschen Bundestag und dessen gegenwärtige und künftige Stellung gegen Österreich und Deutschland] Ruhe, Verfassung und Ordnung in Deutschland und eine gedeihliche Entwicklung des Bundes lassen sich nur herstellen, wenn Preußen und Österreich mit starker Hand die Zügel ergreifen und als Oberhäupter des Bundes auftreten. Insgeheimes Streben Österreichs nach der deutschen Kaiserwürde, dem Preußen entgegentreten müsse. Informelle Gespräche Hänleins mit dem österreichischen Präsidialgesandten Buol über diese Thematik. Vorschläge Hänleins: Teilung der Obergewalt über Deutschland zwischen Österreich und Preußen. Österreich soll erblicher Kaiser, Preußen erblicher König und ständiger Vikar der kaiserlichen Rechte im nördlichen Deutschland werden. Wesentliche Vorrechte der Kaiser- und Königswürde: 1. Direktion und Leitung der deutschen Angelegenheiten, wobei Preußen in etwa die Geschäfte des ehemaligen Reichserzkanzlers (Proposition, Expedition und Ausfertigung der Beschlüsse, deren Vollziehung im nördlichen Deutschland, Führung des ­Archivs und der Kanzlei des Bundes) erhält. 2. Handhabung der höchsten Militärgewalt in Deutschland in Kriegs- und Friedenszeiten (Übernahme des Oberbefehls durch Österreich und Preußen in Süd- bzw. Norddeutschland und Organisation des Militärs nach österreichischen bzw. preußischen Reglements). Abschluß einer diesbezüglichen Konvention zwischen Österreich und Preußen und entschiedene Durchsetzung des gemeinsamen Plans. Sämtliche Bundesmitglieder außer Hannover, Bayern und Württemberg werden sich ­dafür gewinnen lassen. Sollte die Zustimmung Hannovers, Bayerns und Württembergs nicht in Güte zu erhalten sein, etwa durch Bildung eines Direktorialrats zur Vorbereitung der wichtigeren Angelegenheiten mit den beiden Oberhäuptern, bliebe nur deren Austritt aus dem Bund übrig, was alle drei aber nicht wagen würden. Eine Intervention Rußlands zugunsten der widersprechenden Bundesfürsten sei nicht zu erwarten. Sollte Österreich auf diesen Plan nicht eingehen, müsse Preußen als Beschützer der kleineren Stände auftreten und allen Suprematieversuchen Österreichs entschieden entgegentreten. Abschluß von Allianzverträgen mit den Fürsten des nördlichen Deutschland, insbesondere Kurhessen und Hessen-Darmstadt, um die Disposition über deren Truppen zu erhalten. Durch Anwendung dieser Leitlinien wird Preußen diejenige Stellung in Deutschland und gegen Österreich erhalten, die ihm zustehe.

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Ueber Preußens politisches Interesse bey dem teutschen Bundestage und dessen gegenwärtige und künftige Stellung gegen Oesterreich und ­Teutschland § 1. In meinem Aufsaz über die Erwartungen vom teutschen Bundestage ist es, wie ich mir schmeichle, evident dargethan, daß die Sachen in Teutschland auf einem gefährlichen Punkt stehen, und daß an die Stelle der fast allenthalben herrschenden Anarchie, bald eine verfassungsmäsige Ordnung tretten mus, wenn man nicht den Schaaren egoistischer Schwindelköpfe unter dem Namen

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Volks Freunde14, für ihre verderblichen Plane freyen Spielraum geben, und Umwälzungen beginnen sehen will, deren Ausdehnung und Ende sich schwer berechnen lassen dürfte. In diesem nemlichen Aufsaz ist es ausgeführt, daß nur dann Ruhe[,] Verfassung und Ordnung in Teutschland sich herstellen lassen und gedeihen können, wenn Preußen und Oesterreich, in dem engsten und redlichsten Verein, mit starker Hand kräftig die Zügel ergreifen, und als Oberhäupter des teutschen Bundes auftretten. § 2. Man täuscht sich sehr, wenn man glaubt, daß Oesterreich die teutsche Kaiserwürde nicht wolle. Ich bin vielmehr fest überzeugt, daß es nur auf dieses Ziel hinwürkt. Schattenkayser, wie es zulezt unter der alten Reichsverfassung gewesen, will es nicht seyn. Darinne hat es Recht. Eine grösere Gewalt, höhere Rechte, weitere Vorzüge, als dem Kayser nach der lezten Wahlkapitulation15 zukamen, würde man aber dem neuen und erblichen teutschen Kayser gewis nicht zugestanden haben. Natürlich also zeigte man die größte Abneigung gegen die teutsche Kayerwürde, um sich vorerst die damit verbundenen Rechte auf andern Weegen zu sichern. Die Bundes Akte gesteht Oesterreich den Vorsiz beym Bundestag zu – ein Zugeständnis, das gewis nur in dem engsten Sinn des Worts genommen werden kann. Diesen Vorsiz in eine umfassende Direktion aller teutschen Angelegenheiten zu verwandeln, ist jezt die vorerst zum Theil schon gelungene Absicht des Oesterreichischen Kabinets. Hat es bey allen Bundestags Verhandlungen das Recht der Proposition, der Auswahl und Leitung der zu berathenden Materien, die entscheidende Stimme und Schlußfassung, die Ausfertigung der Beschlüsse, und das Recht der Kanzley 14 Die Bezeichnung ‚Volksfreund‘ leitet sich ab von der im August 1789 von Jean Paul Marat gegründeten Zeitung „L’Ami du Peuple“ (Der Volksfreund), die während der Zeit der Französischen Revolution die führenden Köpfe der Gegenrevolution und deren Politik scharf angriff und für die Einführung einer Verfassung eintrat, um dem Volk umfassendere Rechte zu verschaffen; sie steht damit für politische Bestrebungen, die auf die Herrschaft des Volkes ausgerichtet sind. Zum „L’Ami du Peuple“ vgl. Soboul [Ed.], Dictionnaire historique de la Révolution française, S. 20. 15 Schriftlicher Vertrag in denjenigen europäischen Staaten, in denen der Herrscher durch Wahl bestimmt wurde. Anläßlich einer bevorstehenden Herrscherwahl machte der zu Wählende seinen Wählern bestimmte Versprechungen und legte nach erfolgter Wahl einen Eid auf diese Wahlkapitulation ab, die damit ihre rechtliche Verbindlichkeit erhielt und Teil der Verfassung wurde. Im Heiligen Römischen Reich waren Wahlkapitulationen seit 1519 bis zur letzten Kaiserwahl 1792 eine anerkannte reichsrechtliche Einrichtung, seit 1711 in Form einer ständigen Wahlkapitulation, wodurch den Reichsständen ein Mitspracherecht in Reichsangelegenheiten eingeräumt wurde. Vgl. Haberkern/Wallach, Hilfswörterbuch für Historiker, S. 655 f.; Taddey (Hrsg.), Lexikon der deutschen Geschichte, S. 1253; HRG, Bd. 5, Sp. 1086−1089.

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nebst dem Archiv, so hat es dadurch schon weit mehr, als ihm unter der alten Reichsverfassung zustand. § 3. Der Oesterreichische Gesandte in Frankfurth hat seit drey Monaten eifrig auf diesen Zwek gearbeitet. Es war kein Preußischer Minister für die Bundesangelegenheiten der seine Negotiationen contrebalancirt hätte, und die kleinen Stände haben sich allen diesen eingeleiteten Anmassungen willig hingegeben, und von nichts als von dem Glük für Teutschland gesprochen, wenn es ­Oesterreich gefallen wollte, die teutsche Kayserwürde wieder anzunehmen. Lezteres habe ich aus dem eigenen Munde des Oesterreichischen Ministers mit der Versicherung daß der Freyherr von Stein16 ganz vorzüglich die Nothwendigkeit der Oesterreichisch-teutschen Kayserwürde predige. So hat sich Oesterreich schon vorläufig in den Besiz der ganzen Direktion der Bundesangelegenheiten zu setzen gesucht, die besonders auffallende Bestimmung getroffen, daß die Bundesversamlungen in dem Oesterreichischen Gesandtschafts Palais gehalten werden sollen, und die Protokollführung, von welcher noch gar nicht ausgesprochen ist, daß sie Oesterreich gebühre, dem bekandten Oesterreichi. Hofrath Friedrich Schlegel17 zugedacht. Nach allem diesem scheint es klar, daß Oesterreich, wenn ihm Preußen nicht schleunig und kräftig entgegen tritt, beynahe schon am Ziel seiner Wünsche zu seyn glaubt, und daß ihm, um dieses völlig zu erreichen, nichts weiter fehlt, als auf angebliches 16 Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein (1757–1831), preußischer Staatsmann, 1773–1777 Studium der Rechte in Göttingen, danach Praktikant am Reichkammergericht in Wetzlar sowie am Reichstag in Regensburg, 1780 Eintritt in preußische Dienste als Referendar beim Bergwerks- und Hüttendepartement, um 1783/84 Direktor des kleve-märkischen Bergamts in Wetter an der Ruhr, 1802 zugleich Leiter der Verwaltung der an Preußen gefallenen rechtsrheinischen Gebiete in Westfalen, 1803 Oberkammerpräsident der Münsterschen und Mindener Kammern, 1804 – Januar 1807 und September 1807 – November 1808 Staatsminister, Dezember 1808 Ächtung durch Napoleon, daraufhin Flucht nach Österreich, seit 1812 als Berater des Zaren in Rußland, 1813/14 Leiter des Zentralver­waltungsrats für die befreiten Gebiete, 1814/15 Berater des russischen Kaisers auf dem Wiener Kongreß, danach Rückzug ins Privatleben, 1826–1831 Marschall des westfälischen Provinziallandtags. Vgl. ADB, Bd. 35, S. 614–641; Westfälische Lebensbilder, Bd. 2, S. 91–127; Nassauische Lebensbilder, Bd. 5, S. 84–113; DBA I, 1217, 203–222 u. 330 f.; Jeserich/Neuhaus (Hrsg.), Persönlichkeiten der Verwaltung, S. 65–69; Ritter, Stein. Eine politische Biographie; Duchhardt, Stein. Eine Biographie. 17 Karl Wilhelm Friedrich (seit 1815) von Schlegel (1772–1829), Schriftsteller, Kritiker und Philosoph. Mitbegründer der neuen ‚romantischen Schule‘. Nach seiner Konversion zum ­Katholizismus 1808 Hinwendung zu konservativen Positionen, 1809 Sekretär der Hof- und Staatskanzlei in Wien, 1814/15 Teilnahme am Wiener Kongreß, 1815–1818 österreichischer Legationsrat am Deutschen Bundestag in Frankfurt. Vgl. ADB, Bd. 33, S. 737−752; NDB, Bd. 23, S. 40−42; DBE, Bd. 8, S. 660.

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Verlangen der mehresten teutschen Souveräne den Kaysertitel anzunehmen. Meine Stellung in Frankfurth und mein kurzer diesmaliger Aufenthalt, der mir übrigens über Manches die Augen öffnete, erlaubte mir noch nicht, mit Nachdruk gegen die Oesterreichischen Anmassungen zu sprechen, ich mußte vielmehr der Klugheit gemäs alle nur hinzuhalten suchen. Ich äuserte daher gegen den Oesterreichi. Minister blos im Allgemeinen, daß vielleicht wohl die ersten Präliminar-Konferenzen wegen Eröffnung des Bundestages bey ihm gehalten werden könnten, daß es mir aber für die Folge angemessen und schiklich scheine, daß die Stadt Frankfurth ein öffentliches Lokal für die Bundes Versamlungen schaffen müsse. Um mich hierüber so wie über Manches Andere bestimmt äusern zu können, müsse ich erst legitimirt und mit Instruktion versehen seyn, auch die Wiener Akten und Verhandlungen18 erst genauer kennen als bis jezt. Was die Protokollführung betreffe, scheine es mir erst auf manche nähere Erörterungen und Bestimmungen anzukommen. Was aber den Hofrath Schlegel besonders anlange, so scheine er mir wegen seiner Religions- und Dienstveränderung nicht der Mann zu seyn, der allgemeines Vertrauen einflößen könne. Von lezterm wurde auf diese Bemerkung sogleich abstrahirt. § 4. Da der Oesterreichische Minister Graf Buol-Schauenstein vor seinem Abgang von Cassel nach Frankfurth und sogar öfter, ehe er noch seine Bestimmung beym Bundestag wußte, unwandelbar die ganz mit meiner eigenen Überzeugung übereinstimmende Ansicht geäusert hatte, daß Oesterreich und Preußen sich in die Oberherrschaft von Teutschland theilen, und gemeinschaftlich die teutschen Angelegenheiten dirigiren müßten, wenn etwas Ersprießliches herauskommen solle, so hielt ich es für zwekmäsig, dem Grafen Buol in Frankfurth meinen Aufsaz über die Erwartungen vom teutschen Bundestage19 vertraulich mitzutheilen. Er bestättigte mir hierauf nicht nur wiederholt seine Ansicht, sondern gieng ganz in die ihm von mir näher entwikelte Idee ein, daß die Theilung der Obergewalt über Teutschland zwischen Oesterreich und Preußen, wenn man die Einheit in der Form retten wolle, nicht wohl anders ausführbar scheine, als daß Oesterreich erblicher Kayser, und Preußen erb­ licher König von Teutschland heise, und lezterer als Vicarius perpetuus20 die 18 Gemeint sind hier die Verhandlungen auf dem Wiener Kongreß über die deutsche Verfassungsfrage und die Entstehung des Deutschen Bundes. Vgl. dazu den Überblick in QGDB I/1, S. LXI−CXXXVII und S. 373−1587, sowie Stauber, Der Wiener Kongress, S. 175−194. 19 Denkschrift Hänleins „Was ist von dem Teutschen Bundes Tag zu Frankfurt zu erwarten?“ (GStAPK Berlin, III. HA, MdA  I, Nr. 1838, fol. 57–63’), die dieser mit Begleitschreiben, Kassel, 23. Januar 1816, an Hardenberg übersandt hatte (ebd. fol. 53–56’). 20 Lat.: ständiger Vikar. In der katholischen Kirche ein ständiger, de facto oft selbständiger Stellvertreter eines mit ordentlicher Amtsgewalt bekleideten Inhabers eines Kirchenamtes.

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kayserl. Rechte im Nördlichen Teutschland, nach der zu convenirenden ­Ab­theilung übe. Er verheelte mir dabey nicht, daß der Fürst Metternich zu wenig Interesse an den teutschen Angelegenheiten zu bezeigen scheine, und daß er sehr wünschte, daß ich meinen Aufsaz seinem Hof vorzulegen ihm erlauben, und daß ich selbst ihn dem Baron Wessenberg vertraulich mit­ theilen möchte. Ersteres lehnte ich ab, weil dieser Aufsaz blos meine Privat Überzeugung enthalte, und ich die Ansichten meines Hofs darüber noch gar nicht wüßte; Lezteres sicherte ich zu, weil es mir wichtig schien, von der Meynung des Frey[h]. von Wessenberg über diesen Gegenstand unterrichtet zu werden, dem die Intentionen seines Hofs in diesem Betref näher als selbst dem Grafen Buol bekandt seyn konnten. Das anliegende Originalbillet des H. v. Wessenberg zeigt, daß er mit meinen Ideen sich ganz einverstanden erklärt, daß er wünscht, daß solche von beyden Höfen gewürdigt werden möchten, und daß er schon viel für gewonnen hält, wenn ich mit Instruktionen zurükkomme, die meinen Ansichten entsprechen. Mündlich hat mir H. v. Wessenberg noch erklärt, daß Fürst Metternich von seinen Ideen über Teutschland, auf das er wenig Werth gesezt habe, schon sehr zurükgekommen sey, und jezt schon ganz anders darüber denke als vor einigen Monaten, und daß er hoffen dürfe, diese Ideen bey seiner Zurükkunft nach Wien noch weiter berichtigen zu können. Da auch nach seiner festen Überzeugung die Herstellung einer guten und soliden Verfassung für Teutschland für Unsere beyden Höfe den höchsten Werth haben müsse. § 5. Der Graf Buol hat mir noch vor meiner Abreise von Frankfurth umständlich über die Art und Weise gesprochen, wie er glaube, daß der Plan wegen der teutschen Kayser- und Königswürde für Oesterreich und Preußen, realisirt werden könnte. Er hielte nemlich dafür, Preußen selbst müsse die Initiative durch die offene Erklärung geben, daß es für Teutschlands Wohlfarth es für nothwendig halte, daß Oesterreich die teutsche Kayserwürde als Bundes Oberhaupt wieder annehme. Ich äuserte hiergegen, daß, da der ganze Plan wegen der teutschen Kayser und Königswürde zur Zeit blos eine Privat Idee von mir sey, ich darauf nichts erwiedern dürfte, ehe ich die Höchsten Instructionen Sr Maj.t des Königs hierüber näher kennte. Indessen würde ich von allen diesen Ideen bey meiner zu erbittenden Instruktion Gebrauch machen; es schiene mir aber Vgl. Haberkern/Wallach, Hilfswörterbuch für Historiker, S. 642; HRG, Bd. 5, Sp. 917; TRE, Bd. 35, S. 84−89.

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dieser ganze Plan nothwendig eine vorher zwischen Preußen und Oesterreich abzuschließende förmliche Convention über die Art der Theilung der Oberherrlichen Gewalt in Teutschland, und die beyderseitigen Gränzen derselben vorauszusetzen, weil Preußen die angedeutete Erklärung doch in keinem andern Fall abgeben könne, als wenn man sich Oesterreichischer Seits schon im Voraus zu der Antwort verbindlich gemacht habe, daß Oesterreich die teutsche Kayserwürde nur in dem Fall erblich annehmen könne, wenn Preußen die Bürde mit ihm theilen, und als König von Teutschland die Kayserlichen Rechte qua Vicarius perpetuus im Nördlichen Teutschland üben wolle. § 6. Die Nothwendigkeit eines Oberhauptes des teutschen Bundes habe ich bereits in meiner Abhandlung über die Erwartungen vom teutschen Bundestage hinlänglich dargethan. Dem Bunde darf es am wenigsten am Binden fehlen. Wenn nicht in die Mannichfaltigkeit der so verschiedenen Staaten durch die Autorität eines Oberhauptes Einheit gebracht wird, mus der teutsche Staatenbund eben so zerfallen, wie alle frühere Verbindungen dieser Art. Bonaparte21 soll den teutschen Bund einem Faß verglichen haben, bey ­welchem die Dauben künstlich ohne Reif zusammengesezt sind. Die Souveränität der teutschen Fürsten ist übrigens mit der teutschen Kayser und ­Königswürde gar nicht unverträglich. Die teutschen Fürsten sollen zu dieser neuen Würde nicht in demselben Verhältnis stehen, wie zu der alten. Sie ­sollen nicht Unterthanen, nur Mitstände ihres Bundeshauptes seyn, auch wird die Unabhängigkeit ihrer Staaten dadurch, daß sie einen gemeinschaftlichen Vorsteher ihres Bundes haben, nicht im geringsten gefährdet.

21 Napoleon I. Bonaparte (1769–1821), 1804–1814 und 1815 Kaiser der Franzosen, Sohn eines korsischen Advokaten, besuchte die Militärschulen von Brienne (1779–1784) und Paris (1784/85), 1785 Leutnant der Artillerie, schloß sich 1793 der Bergpartei an, 1794 Brigadegeneral, nach dem Sturz Robespierres 1794 für kurze Zeit verhaftet und aus der Armee entlassen, 1795 Beteiligung an der Niederschlagung des royalistischen Aufstandes gegen das Direktorium, 1794 Befehlshaber der Armee im Innern, 1796 Oberbefehlshaber der Italienarmee und 1797 der Englandarmee, 1799 Staatsstreich gegen das Direktorium und Erster Konsul, 1802 Konsul auf Lebenszeit, 1804 Selbstkrönung zum Kaiser der Franzosen und 1805 zum König von Italien, anschließend Aufbau des Grand Empire, in den Befreiungskriegen 1813/14 Beseitigung seiner Herrschaft über Europa, 6. April 1814 Abdankung und Zuweisung der ­Insel Elba als souveränes Herrschaftsgebiet unter Belassung des Kaisertitels, 1. 3.–18. 6. 1815 Rückkehr nach Frankreich („Herrschaft der hundert Tage“), Niederlage in der Schlacht bei Waterloo und anschließende Verbannung nach Sankt Helena. Vgl. NBG, Vol. 37, Sp. 193– 447; Furet/Ozouf (Hrsg.), Kritisches Wörterbuch der Französischen Revolution, Bd. 1, S. 348–369; Tulard, Napoleon oder Der Mythos des Retters.

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§ 7. Die künftigen Vorrechte der teutschen Kayser und Königswürde lassen sich auf zwey wesentliche Punkte zurükführen, nemlich 1) auf die ausschließliche Direktion und Leitung der teutschen Angelegenheiten bey dem Bundestage, 2) auf die Handhabung der höchsten Militärgewalt in Teutschland in Kriegs und Friedenszeiten. ad 1) wird sich eine schikliche Theilung der Direktorial Geschäfte zwischen Preußen und Oesterreich leicht ausmitteln lassen. Das Zwekmäsigste und für das König. Interesse das beste wäre, daß Preußen alles besorgte, was ehmals für den Reichs Kanzler gehörte. Proposition, Expedition, und Ausfertigung der Beschlüsse, was man gewöhnlich Mund und Feder heißt, umfassen die Hauptleitung aller Geschäfte, und wenn gleich Oesterreich für viele Geschäfte die Initiative und alsdenn die vollziehende Gewalt bliebe, so würde doch leztere für das Nördliche Teutschland wieder an Preußen kommen. Nur, wenn eine solche Abtheilung der Direktorial Geschäfte zu Stande käme, könnte es Preußen allenfalls gestatten, daß die Sitzungen der Bundes Versamlung in dem Lokal der Oesterreichischen als der Kayserlichen Gesandtschaft gehalten würden. Denn das Archiv und die Kanzley des Bundes würden alsdenn im Preußi. Gesandtschafts Hauße seyn. ad 2) Der wesentlichste Punkt für das Wohl[,] die Ruhe und die Sicherheit von Teutschland ist eine gutgeordnete Militär Verfassung. Die ehmalige Reichsarmee in ihrem bunten und unzusammenhängenden Gemisch ist zum allgemeinen Spott und Hohn geworden. Als Bonaparte in die Kontingente der teutschen Truppen Einheit und kräftige Bildung brachte, welche Macht hat sich in ihrer Gesamtheit entwikelt, welche grose Erfolge sind durch sie bewürkt worden? Soll es künftig von jedem souveränen teutschen Fürsten abhängen, seine Kontingentstruppen nach eigenem Belieben zu bilden, zu uniformiren, und zu exerciren, so wird bald alles wieder in das vorige Unwesen zurükfallen. Soll aber in das teutsche Bundesheer die nothwendige Einheit und kräftige Form gebracht werden, so darf es höchstens nur nach zweyerley Reglements ge­ bildet, und in seiner ganzen Verfassung hergestellt und erhalten werden. Der Süden mus den Oesterreichi. Reglements und Oberbefehlen, der Norden den Preußischen folgen. Dieses mus in Friedens wie in Kriegszeiten der Fall seyn. Nur in der teutschen Kayser- und Königswürde kann in dieser Hinsicht der Grund für die teutschen Fürsten liegen, sich den Preußi. und Oesterreich. Anordnungen zu unterwerfen, und einen Theil ihrer Landesherrlichen Gewalt – man läugne es nicht, den empfindlichsten – dem Ganzen zum Opfer zu bringen. Die teutsche Kayser und Königswürde ist daher für Preußen und Oesterreich vom höchsten Interesse. Sie ist der Hauptstüzpunkt für das ganze

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Militärwesen. Ohne sie kann Teutschland nie mächtig, und schwer gegen fremde Eroberungen oder zudringliche Protektionen geschüzt werden. § 8. Die Hauptfrage ist die: wie soll es eingeleitet werden, um die Sache auf diesen Punkt zu bringen? Wie läßt sich die teutsche Kayser- und Königswürde für Preußen und Oesterreich mit Einwilligung und Zustimmung sämtlicher Bundesfürsten einführen, wie der Widerspruch beseitigen, der gerade von den ersten und mächtigsten Mitgliedern des Bundes mit Gewisheit vorauszusehen seyn dürfte? Das erste und wesentlichste ist ein redliches Einverständnis hierüber zwischen Preußen und Oesterreich, und beyder Kabinette feste Entschließung, ihren Willen gemeinschaftlich mit Kraft durchzusetzen. Es scheint schon viel gewonnen, daß sich die beyden Oesterreichischen Minister v. Wessenberg und Graf Buol Schauenstein mit diesem Plan einverstanden erklären. Erhält dieser Plan die Genehmigung Sr Maj.t des Königs, so ist auf der einen Seite der Vortheil so wie auf der andern der Nachtheil für Oesterreich zu evident, als daß sich nicht hoffen liese, bald die Abschließung eines Geheimen Traktats hierüber zu erlangen. Bis dahin mus Oesterreich, auser den in der Bundes Akte stipulirten, nach dem strengsten Sinn zu nehmenden Vorsitz nicht das Geringste eingeräumt, und jede Haarbreite streitig gemacht werden. Läßt sich solches öffentlich vermeiden, so ist es besser, vor den übrigen Ständen stets nur im Einverständnis zu erscheinen. Bis dieser Traktat zwischen Oesterreich und Preußen in verbindlicher Form vorliegt, beginnt man die Präliminar Konferenzen über den zu regulirenden Geschäftsgang beym Bundestag. Es kann nicht fehlen, daß sich gleich anfangs von allen Seiten Schwürigkeiten hierbey zeigen, und daß diese dazu dienen werden, die Entscheidung der Hauptpunkte hinzuhalten. Während diesem ist es leicht einzuleiten, daß sich viele Stimmen für die Nothwendigkeit eines Oberhauptes erheben, und wenn man indessen Preuß. Seits mit Oesterreich über obigen Plan sich einverstanden hat, so tretten beyde Gesandten mit den wechselseitigen Erklärungen hervor, wie sie oben § 5 angegeben sind. § 9. Die sämtlichen Bundes Mitglieder außer Hanover, Bayern und Würtemberg lassen sich theils vorher schon für den Plan gewinnen, theils durch die Erklärung zur Unterwerfung bringen, daß sie in ihren im Jahr 1813 geschlossenen Verträgen22 sich allen denjenigen Einrichtungen zu fügen im Voraus verspro22 Die sogenannten Frankfurter Akzessionsverträge vom November/Dezember 1813.

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chen haben, welche für die Sicherheit und Unabhängigkeit Teutschlands treffen zu müssen für nothwendig erachtet werden dürfte. Sollte die Zustimmung von Hanover, Bayern und Würtemberg in Güte nicht zu erhalten seyn, wie es vielleicht durch die Idee der Bildung eines aus diesen drey Stimmen und Sachsen bestehenden Direktorialraths zur Vorbe­ rathung der wichtigern Angelegenheiten mit den beyden Bundeshäuptern ­geschehen könnte, so bliebe an diese widersprechenden Mitglieder nur die Erklärung übrig, daß man ihre Ausschließung von dieser durch die übereinstimmende Berathung aller übrigen Mitglieder zum Wohl des Ganzen für nöthig erachteten Maasregel für nichts anders ansehen könne als für eine förmliche Trennung vom Bunde, die ihnen völlig freystehe, da es ihrem Gutfinden lediglich überlassen bleiben müsse, ob sie sich als Inselstaaten in Teutschland stark genug fühlten, um für sich zu bestehen, und die Garantie zu entbehren, welche ihnen der Bund nicht blos für ihre alten, sondern für den ganzen Bestand ihrer gegenwärtigen Besitzungen gewährt habe, und nach ­ihrer Lossagung nicht weiter zu gewähren verpflichtet sey. Die Frage, ob ­Hanover, Bayern und Würtemberg es auf die Folgen einer solchen Erklärung ankommen lassen können, beantwortet sich von selbst. § 10. Man möchte vielleicht befürchten, daß Rußland die Einwendungen der widersprechenden Bundesfürsten vertretten, sich dadurch in die teutschen Angelegenheiten mischen, und den obigen Plan zu verhindern suchen dürfte. Sollte dieses wider Vermuthen der Fall seyn, wenn die widerstrebenden Fürsten die Russische Unterstützung reclamiren sollten, so darf man das Russische Kabinet nur auf seine eigene feyerliche Erklärung23 zurükführen, welche es im Frühjahr 1813 von Kalisch aus durch den Fürsten Kutusow24 von sich gege23 Proklamation von Kalisch vom 13./25. März 1813; vgl. QGDB I/1, Dok. 1, S. 5–7. Darin wurde von seiten des russischen Zaren und des preußischen Königs „den Fürsten und Völkern Teutschlands die Rückkehr der Freiheit und Unabhängigkeit“ sowie die „Wiedergeburt eines ehrwürdigen Reiches“ versprochen, dessen innere Gestaltung „ganz allein den Fürsten und Völkern Teutschlands anheim gestellt bleiben“ sollte. Je deutlicher diese Verfassung „aus dem ureigenen Geiste des teutschen Volkes“ hervortreten werde, „desto verjüngter, lebenskräftiger und in Einheit gehaltener wird Teutschland wieder unter Europens Völkern erscheinen können“. 24 Michail Illarionović Goleniśćev-Kutuzov, seit 1812 Fürst Smolenskij (1745–1813), russischer Offizier, 1762 Hauptmann, 1772 Oberstleutnant, 1777 Oberst, 1782 Brigadegeneral, 1784 Generalmajor, 1805/06 Kommandeur eines Armeekorps, 1806–1811 Gouverneur in Kiew, 1811/12 Oberbefehlshaber gegen die Türken, 1812 Feldmarschall und Oberbefehls­haber der russischen Armee, 1812 Sieger über Napoleon, 1813 Ober­befehlshaber der r­ ussisch-preußischen Armee im Kampf ge­gen Napoleon. Vgl. Connelly (Ed.), Historical D ­ ictionary of Napoleonic France, S. 279–281; Modern Ency­clopedia of Russian and Soviet History, Vol. 18, S. 213–216.

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ben hat, daß Teutschland, wie es nach seiner Befreyung und Wiederherstellung sich ausbilden, seine Staaten zu einem Ganzen vereinigen, und sich nach seinem eigenthümlichen Geist eine Form schaffen wolle, darinnen ganz sich selbst überlassen bleiben, und nicht das Geringste von einem fremden Einfluß zu befürchten haben solle. Der erklärte Zwek der mächtigen und grosmüthigen Hülfe des edlen Kaysers Alexander25 war die Wiederherstellung der Freyheit, Sicherheit, und Unabhängigkeit Teutschlands. Wie sollte sich also von dieser Seite wohl eine Erschwerung der anerkandt einzigen Mittel zu diesem schönen Zwek denken lassen? § 11. Es ist nur noch der einzige Fall zu erörtern übrig, wenn das Oesterreichische Kabinet nicht auf den Plan mit der teutschen Kayser und Königswürde eingehen wollte, oder sich bey den Unterhandlungen darüber nicht so offen redlich und kräftig zeigte, daß man mit Grund auf einen glüklichen Erfolg rechnen könnte. Man mus voraussetzen, daß Preußi. Seits in den Unterhandlungen mit ­Oesterreich weder mündlich noch schriftlich von der Absicht irgend einer ­Bedrükung der Bundesfürsten oder der geringsten Beschränkung ihrer Souveränitätsrechte oder einer oberherrlichen Gewalt über dieselben, oder sonst der mindesten Willkühr die Rede seyn dürfe. Alles läßt sich auch sehr leicht durch das Wohl des Ganzen, durch die Nothwendigkeit irgend einer Leitung, durch die eigenen Wünsche mehrerer Bundes Mitglieder, und durch andere Gründe motiviren. Will daher Oesterreich zu dem von ihm beabsichteten Plan nicht selbst die Hand bieten, und dabey nicht mit raschem Ernst und red­ lichem Vertrauen zu Werke gehen, so mus Preußen sogleich als der eifrigste Beschützer der kleinern Stände und ihrer Rechte auftretten, auf deren gleichheitliche Behandlung nach der Bundes Akte strenge halten, Oesterreich jeden Schritt zu der geringsten Suprematie erschweren, und bey den Deliberationen über die organischen Gesetze mehr auf die Gestaltung Republikanischer ­Formen, als auf einseitige Direktion hinhalten. Die kleinern Stände und die Mediatisirten Fürsten, deren sich Preußen in diesem Fall ganz besonders annehmen müßte, werden sich alsdenn Preußen mit vollem Vertrauen nähern, und ihm dadurch auf anderm Weege doch einen wo nicht überwiegenden doch mit Oesterreich gleichen Einfluß verschaffen. Nebenbey müßte Preußen mit mehrern Fürsten des Nördlichen Teutschlandes engere Allianzen zu schließen suchen, welche ihm gegen andere diesen Fürsten zu gewährende Vortheile, die Disposition über deren Truppen und deren Vereinigung mit den 25 Alexander I. Pawlowitsch (1777–1825), seit 1801 Kaiser von Rußland. Vgl. Jena, Die russischen Za­ren in Lebensbildern, S. 355–396; Palmer, Alexander I.; Hartley, Alexander I.

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eigenen Heeren sichern. Besonders wichtig wäre eine solche Allianz mit den Kurfürstlichen und Grosherzoglich Hessischen Häußern, wozu nach meinen frühern Einleitungen die besten Dispositionen schon vorhanden sind. Eine solche Stellung[,] ein solches Gleichgewicht gegen die Oesterreichische Macht wird dieses Kabinet am besten von jedem Irrweege zurükbringen, und zu einem festen und vertraulichen Einverständnis, somit immer wieder auf den einzigen und richtigen Weeg führen, auf welchem sich diese beyden grosen teutschen Mächte bey der Leitung der teutschen Angelegenheiten nothwendig begegnen müssen. § 12. Ich glaube in Vorstehendem die vorzüglichsten Gesichtspunkte berührt zu haben, worauf es gegenwärtig in den teutschen Angelegenheiten ankommt. Die Entscheidung des Königlichen Kabinets, welche bey den Erwartungen von ganz Teutschland höchst dringend ist, wird den Leitfaden zur Instruktion für den Königlichen Gesandten am Bundestage abgeben. Wenn dieser dabey angewiesen wird, sich mit Oesterreich streng auf der nemlichen Linie zu halten, und wenn ihm die Mittel zu diesem Zwek zu Gebot gestellt, und seine äußern Verhältnisse so bestimmt werden, um in dem öffentlichen und geselligen Leben nicht zurükstehen zu müssen – ein Punkt, der öfters zu wenig beachtet wird, und auf den doch sehr vieles ankommt, – so läßt es sich hoffen, daß bald ein groser Zwek erreicht, und Preußen diejenige Stellung in Teutschland und gegen Oesterreich zu theil werden wird, die es kraft seiner jetzigen Macht und seines Staatenumfanges, nach den allgemeinen Erwartungen der teutschen Völker, in Anspruch nehmen mus. v. Haenlein

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7. Hach1 an Curtius2

AH Lübeck, Altes Senatsarchiv: Deutscher Bund, A 13, Fasc. 2, fol. 471–471’. Bericht. Eigenhändige Ausfertigung. Präs.: 8. April 1816.

Gerüchte über die Wiedereinführung der deutschen Kaiserwürde und deren erbliche Übertragung an das Haus Österreich. Preußen soll eine herausgehobene Position erhalten. Allgemeines Empfinden, daß der Bund und die Bundesakte in ihrer jetzigen Gestalt keinen Bestand haben könnten.

XXVI.

Frankfurt am Main, 3. April 1816

Ew. Wohlgeboren

ersuche ich ergebenst E. Hochedl.[en] Rath anzuzeigen, wie ich nach der sorgfältigsten Rücksprache u. Erkundigung kein Hinderniß finde, in der nächsten Woche von dem mir geneigtest zugestandenen Urlaub nach vorgängiger Substitution Gebrauch zu machen. Zugleich halte ich es für meine Pflicht über ein seit fast 14 Tagen entstandenes Gerücht, als sey es im Werke die deutsche Kaiserwürde herzustellen und im Hause Oesterreich erblich zu machen jetzt zu berichten, da es mit der Sache wirklich Ernst zu werden scheint. Bey der Wichtigkeit des Gegenstandes für ganz Deutschland u. für die freien Städte insbesondere hielt ich es für nothwendig dem Gerede auf alle Weise nachzuspüren. Zuerst hieß es, der ­Antrag sey von Englischer Seite an Oesterreich gemacht, u. daselbst wohl auf­genommen. Man glaubte, Graf Hardenberg habe die Nachricht aus London mitgebracht, u. als sich solches durchaus grundlos erwies, versicherte

1 Johann Friedrich Hach (1769–1851), lübeckischer Jurist und Staatsmann, Studium der Theologie und Rechtswissenschaft in Jena und Göttingen, 1791 Advokat und Notar in Lübeck, 1805 Senator, 1806 Direktor der städtischen Kurie am Reichstag in Regensburg, 1811 Advokat, 1813 Senator, 1814/15 Bevollmächtigter auf dem Wiener Kongreß, 1815–1819 Bundestagsgesandter in Frankfurt, 1819/20 Bevollmächtigter der Freien Städte bei den Wiener Ministerialkonferenzen, 1820 Oberappellationsgerichtsrat in Lübeck. Vgl. ADB, Bd. 10, S. 289–292; NDB, Bd. 7, S. 405; DBE, Bd. 4, S. 296; DBA I, 451, 397−408; DBA II, 504, 191; DBA III, 337, 347 f. u. 363−369; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815–1963, S. 259; Kretzschmar, Johann Friedrich Hach. 2 Carl Georg Curtius (1771–1857), lübeckischer Jurist und Staatsmann, 1798 Niedergerichtsaktuar in Lübeck, 1801 zweiter Stadtsyndikus, 1802 erster Stadtsyndikus, 1811−1813 Mitglied des kaiserlich-französischen Gerichtshofs in Hamburg, 1813−1857 erster Stadtsyndikus, 1822−1846 zugleich Bundestagsgesandter in Frankfurt. Vgl. ADB, Bd. 4, S. 650 f.; DBE, Bd. 2, S. 414; Bruns (Hrsg.), Lübecker Lebensläufe aus neun Jahrhunderten, S. 81–85; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815–1963, S. 259 f.; DBA  I, 214, 189 f.; DBA  III, 158, 103−112 u. 175 f.; Schreib- und Geschäftskalender für die Deutsche Bundes-Canzlei 38, 1864, S. 160 f.

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Hach an Curtius

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man sie komme von Lord Clancarty3. Allein auch dies darf ich aus den gültigsten Gründen bezweifeln. Ist nun auch die Quelle mit Sicherheit nicht anzugeben, – denn daß ein Aussprengen abseiten der Oesterreicher zum Grunde liege ist, wenn gleich nicht unwahrscheinlich, doch nur Hypothese – so zweifelt doch niemand daran, daß die Sache im Werden sey, ja es wird sogar versichert, eine zum diplom.[atischen] Corps nicht gehörige aber sehr wohl unterrichtete Person habe aufs bestimmteste erklärt, die Zustimmung Preussens werde nur noch durch sehr unbedeutende Puncte z. B. Besatzungsrecht in Mainz u.s.w. aufgehalten. – Ueberdies hat die Sache an sich die größte Wahrscheinlichkeit. Allgemein wird es gefühlt, daß Bund u. Bundesacte in ihrer jetzigen Gestalt nicht bestehen können; Oesterreich hat die deutsche Kaiserwürde nur so lange ablehnen können und müßen, als es zu besorgen hatte, daß sie bey seinen Territorial-Ansprüchen in Rechnung gebracht werden dürfte, Oest.[erreich] sowohl als Preussen kann es nicht verkennen, daß die Gleichheit der Bundesglieder in den Berathungen der engern B. V. von allen Seiten geltend gemacht werden wird und daß sie beide nur dann ein entschiedenes Uebergewicht erhalten werden, wenn Oest.[erreich] die Kaiserwürde u. Preussen etwa die Reichscanzlerstelle oder sonst den nächsten Platz nach dem Kaiser erhält. – Ist man auch beym ersten Paris.[er] Frieden schon im Begriff gewesen ausdrücklich zu stipuliren, daß Deutschland nicht unter ­einem Oberhaupte stehen solle4, so zweifeln doch die meisten keinesweges, daß Frankreich u. Rußland jetzt keinen ernstlichen Widerspruch einlegen, sondern den ihnen vorzulegenden Gründen der Nothwendigkeit nachgeben werden. – Natürlich ist man nun sehr gespannt, wie die Sache weiter einge­ leitet und demnächst zur Ausführung gebracht werden wird.

J. F. H.[ach]

3 Richard Le Poer Trench, 2. Earl of (seit 1823 Viscount) Clancarty (1767–1837), englischer Diplomat, 1813/14 Botschafter und außerordentlicher Bevollmächtigter in Den Haag, 1814/15 Bevollmächtigter (29. März bis 9. Juni 1815 Erster Bevollmächtigter) Englands auf dem Wiener Kongreß, 1816–1822 Botschafter in Den Haag. Vgl. ODNB, Vol. 55, S. 297−299; DNB, Vol. 19, S. 1121–1123; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 166 f. 4 Der Erste Pariser Frieden vom 30. Mai 1814 hatte in Artikel 6, Absatz 2 im Hinblick auf die zukünftige Verfassung Deutschlands lediglich bestimmt: „Les Etats de l’Allemagne seront indépendans et unis par un lien fédératif.“ Vgl. QGDB I/1, Dok. 27, S. 158.

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8. Hänlein an Buol1

HHStA Wien, St. K., Deutsche Akten (neue Reihe), Kart. 78, Fasz. 104 (alt), fol. 7−8. Schreiben. Eigenhändige Ausfertigung.

Berichtet, daß seine Ansichten über die deutschen Angelegenheiten in Berlin durchaus Beifall gefunden haben und man von der Überzeugung durchdrungen sei, daß nur durch die engste freundschaftliche Vereinigung beider Höfe etwas Großes und Gutes für Deutschland erreicht werden könne. Hardenberg hege das entschiedenste Vertrauen, daß es der einsichtsvollen Überzeugung und dem Patriotismus Buols vorbehalten sei, ein für das deutsche Vaterland und ganz Europa so wichtiges Werk zustande zu bringen. Angesichts dieser Sachlage komme nun alles darauf an, daß beide in Frankfurt sogleich nach einem festen Plan handelnd auftreten. Bittet deshalb Buol, seine Abreise nach Frankfurt bis zu Hänleins Rückkehr nach Kassel aufzuschieben, um eine gemeinsame Vorgehensweise zu besprechen.

Berlin, 4. April 1816 Euer Excellenz noch vor den Osterfeyertagen in Cassel umarmen zu können, habe ich mit Gewisheit gehofft; Leider wird mir aber dieses Vergnügen einige Tage später zu Theil, da ich erst nach den Feyertagen von hier abreisen kann Indessen halte ich es für meine Pflicht, Ew. Excellenz vorläufig zu melden, daß meine Ansichten über die teutschen Angelegenheiten2 hier durchaus Beyfall gefunden haben, und daß man von der lebhaften Überzeugung durchdrungen ist, daß nur in der engsten freundschaftlichen Vereinigung Unserer beyden Höfe Etwas Groses und Gutes für Teutschland geschehen könne. Zur Realisirung Unserer übereinstimmenden Ideen in diesem Punkt habe ich daher die feste Hoffnung. Ich denke die Genehmigung und Vollmacht meines Hofes darüber mitzubringen, und der Fürst Hardenberg hegt das entschiedenste Vertrauen, daß es der einsichtsvollen Überzeugung und dem Patriotismus Ew. Excellenz vorbehalten ist, ein in seinen Folgen für Unser teutsches Vaterland und ganz Europa so wichtiges Werk zu Stand zu bringen. 1 Johann Rudolf Freiherr (seit 1802 Graf) von Buol-Schauenstein (1763–1834), österreichischer Diplomat, 1789 Eintritt in den diplomatischen Dienst als Gesandtschaftssekretär in Den Haag, 1794 kaiserlicher Direktorialgesandter am Reichstag in Regenburg, 1795 Gesandter beim Niedersächsischen Kreis, 1801–1805 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in München und 1801–1803 in Stuttgart, 1807–1814 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Würzburg, 1814/15 außerordentlicher Gesandter und Bevollmächtigter Minister in Florenz und 1815/16 in Kassel und Hannover, 1816–1823 Präsidialgesandter beim Deutschen Bundestag in Frankfurt. Vgl. ADB, Bd. 3, S. 553 f.; NDB, Bd. 3, S. 22 f. u. Bd. 17, S. 288; DBE, Bd. 2, S. 227; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815–1963, S. 291 u. 295. 2 Vgl. Dok. 6b.

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Gagern an Metternich

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Bey dieser Lage der Sache kommt alles darauf an, daß wir in Frankfurth sogleich nach einem festen Plan handelnd auftretten, und die übrigen Stände keine Verschiedenheit in der Meynung Unserer Höfe wahrnehmen. In dieser Rüksicht ist es aber unumgänglich nothwendig, daß wir Uns, ehe Ew. Excellenz wieder nach Frankfurth abreisen, vorher noch in Cassel besprechen. Ich bitte daher Ew. Excellenz um diese Gunst auf das Dringendste. Sollte hierdurch auch noch ein kurzer Aufenthalt verursacht werden, so ist dieses gewis besser, als wenn solches, nach den einmal angefangenen Verhandlungen, durch eine Verschiedenheit Unserer Meynungen oder Instruktionen, und durch Mangel an planmäsigem Einverständnis entstehen sollte. Sobald ich den Tag meiner Abreise von hier festsetzen kann, und meine Verhältnisse völlig bestimmt seyn werden, habe ich die Ehre, Ew. Excellenz das Weitere zu melden. Der Frau Gemahlin und Ihrer ganzen verehrten Familie empfehle ich mich zu Gnaden und bin mit den Gesinnungen der innigsten und unbegränztesten Hochachtung Ew. Excellenz ganz gehorsamster v. Haenlein

9. Gagern1 an Metternich1

HHStA Wien, St.  K., Deutsche Akten (neue Reihe), Kart. 85, Fasz. 115 (alt), fol. 106–113’. Schreiben. Behändigte Ausfertigung. Druck: Nemesis 7, 1816, S. 594−610; Gagern, Mein An­ theil an der Politik, Bd. 3, S. 227−245.

Entwicklung seiner Ansichten angesichts des heranrückenden Zusammentritts der Deutschen Bundesversammlung: Deutschland ist mehr Staatenbund als Bundesstaat, aber das letztere könne man weder verbannen noch entbehren. Die Idee der Einheit beruht auf solchem Bundesstaat, auf dem gemeinsamen Zweck, auch innere Übel zu verhüten und zu vertreiben. Stellt folgende Fragen: was sollen wir tun, in welchem Umfang und was zuerst? Die Beseitigung der Kaiserwürde hat alles komplizierter und formenloser gemacht. Die Rollen sind nicht verteilt, die Grenzen nicht abgesteckt und durch die Abwesenheit der Reichsgerichte die Lage der Dinge unendlich er1 Hans Christoph Ernst Reichsfreiherr von Gagern (1766–1852), deutscher Staatsmann und Publizist, 1781–1785 Studium der Rechte in Leipzig und Göttingen, 1787 nassau-weilburgischer Regierungsrat und 1792 Regierungspräsident, 1806–1811 herzoglich nassauischer Staatsminister, 1813/14 nassau-oranischer Staatsminister, 1814/15 nassau-oranischer Bevollmächtigter auf dem Wiener Kongreß, 1816–1818 Bundestagsgesandter für Luxemburg in Frankfurt, 1820/21 und 1823/24 Abgeordneter der Zweiten Kammer des hessen-darmstäd­ti­schen Landtags, 1829 Mitglied der Ersten Kammer auf Lebenszeit. Vgl. ADB, Bd. 8, S. 303–307; NDB, Bd. 6, S. 31 f.; DBA I, 366, 92–106; Rössler, Zwischen Revolution und Reaktion.

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schwert worden. Konstatiert ein geringes Bedürfnis nach der deutschen Einheit bei Österreich, den Niederlanden und Dänemark, während sich die mittleren und kleineren deutschen Staaten danach sehnen und den wesentlichsten Zweck der Verbindung darin finden. Zweck und Gehalt des Bundes können nur gewahrt werden, wenn sich der Bundestag auf die wichtigen Angelegenheiten konzentriert und dazu beiträgt, daß sich Deutschland im Wettstreit der Nationen behaupten kann. Schreibt den Niederlanden dabei eine Vermittlerrolle zu. Aufstellung eines Katalogs von Fragen und Antworten, der von der Bundesversammlung abzuarbeiten wäre: Beitritt Badens, Württembergs und Hessen-Homburgs; Geschäftsordnung der Bundesversammlung; Reihenfolge und Priorität der zu behandelnden Gegenstände; feierliche Eröffnung des Bundestags; erste Geschäfte der Bundesversammlung: I. Auswärtige Verhältnisse; II. Das Kriegssystem (Matrikel, Kommando, Reichsfestungen); III. Innere Verhältnisse (Auswanderung, landständische Verfassungen, Austrägalwesen, Bundesgericht, Mediatisierte, Gegenstände des allgemeinen Wohls); Bundeskanzlei, Bundesregistratur, Bundeskasse. Mit den ersten 15 Punkten soll begonnen werden. Erwartung an Metternich, daß dieser auftauchenden Schwierigkeiten mit Klugheit und Entschlossenheit begegnen werde

Frankfurt am Main, 3. Mai 1816 Durchlauchtig Hochgebohrener Fürst! Die Zeit unsrer Versammlung und Beschäftigung rückt also heran, und in dieser nahen Erwartung fahre ich fort, Euer Fürstlichen Gnaden meine Ansichten zu entwickeln. Den bisherigen Aufschub habe ich keineswegs für schädlich gehalten, und diese Meinung ohne Anstand getheilt und mitgetheilt. Der fehlerhafte und doch sehr ausgebreitete Glauben mußte verrauchen, als seyen wir prompte Aerzte oder Quacksalber für alle denkbare Schaden und Vergewaltigungen. Denn allerdings hatte ich mich gegen Euer Fürstliche Gnaden selbst so ausgedrückt, daß unsre große politische Anstalt mehr ein Verwahrungsmittel gegen künftige Übel sey, als ein Zuckerkram, um allen Menschen in Deutschland damit zu streuen. Das ist jedoch nur vergleichungsweise gesprochen. Und so wünschte ich auch, daß es von Euer Fürstlichen Gnaden gemeint sey, wenn ich aus Ihren Instructionen als Gegensaz von Staatenbund und Bundesstaat reden höre. Wohl mag die Behauptung leicht vertheidigt werden, daß Deutschland mehr Staatenbund als Bundesstaat sey. Aber wir können das Lezte nicht verbannen, noch entbehren. Wenn wir uns in Definitionen einließen, würden wir zu kurz kommen. Augenscheinlich deutet jenes mehr auf blose Allianz, dieses auf systematisches Eingreifen und Einmischen. – Die Frage, in wie fern eine Macht, oder Staat berechtigt sey, sich in die innere Wirthschaft des andern zu mischen ist neuerlich, Frankreichs wegen, wieder sehr tief erörtert worden, und man hat sich der Überzeugung mehr genähert, daß man allerdings berechtigt sey, drohende Gefahren von sich und andern

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abzuwenden. Es ist die laute Sprache des Natur- und Völkerrechts. Auf Deutschland und unter uns selbst ist es noch weit mehr anwendbar, ja unvermeidlich. Die ganze Idee der Einheit beruht vielmehr auf solchem Bundesstaat, auf dem gemeinsamen Zweck, auch innre Übel zu verhüten oder zu vertreiben. Ich will bey jedem Anlaß die Beyspiele nicht häufen; aber denken Sie nur an die Zölle zu Wasser und zu Land, an die Austräge. Von den klaren Fällen gehe ich zu den zweifelhafteren, dem Concordat, der Auswanderung, dem Postwesen. Die Fragen, was wir thun sollen?, in welchem Umfang?, was zuerst?, sind jedoch nun vor der Thüre, und fürwahr sie sind nicht leicht. Nicht einmal die theoretische, was wir sind. Die Kayserwürde zu beseitigen, war sicher nicht der Weg, der Maschine besseren, gebahnteren und rascheren Gang zu verschaffen. Alles ist nun complicirter, neuer, formenloser. Die Rollen sind nicht ausgetheilt, die Gränzen sind nicht gesteckt, und die Abwesenheit der Reichsgerichte erschwert noch unendlich diese Lage der Dinge. Denn diese geregelten richterlichen Funktionen gehen nun in großer Maße ungeregelt auf uns über! Für Euer Fürstlichen Gnaden ist immer die Nothwendigkeit da, sich aus Ihrer Rolle, aus der Rolle und Standpunkt des Oesterreichers hinaus zu denken. Für Sie dort existirt am wenigsten das Bedürfniß jener Deutschen Einheit. Anderswo, das Volk vielleicht noch mehr, als die Regierung, denkt man sich bey dieser Einheit etwas den Nachbarn nicht sehr anständiges. Noch andre verleitet die Eitelkeit, daß sie es mißkennen. Für die Niederlande und Dänemark endlich ist es kein Bedürfniß. Allein, nichts desto weniger weit die größere Anzahl, alle mittlern und kleinern Staaten sehnen sich darnach. Sie finden darin Ehre, Stolz, Größe, Fortschreiten und Sicherheit; ein Nationalgefühl, ein glückliches Amalgamiren der Vortheile, in großen oder kleinen Staaten zu leben. Kurz sie finden darin für sich den wesentlichsten Zweck unsrer Verbindung. Lassen Sie uns das immer anerkennen, und nicht hemmen, wenn wir auch als Staatsmänner der Meinung wären, daß der feste Bund gegen Außen das Wesentliche sey, das, auf welches Europa, der kluge und tugendhafte Theil in Europa zählt. Denn auch das wird durch jenes befestiget werden. Handelte man anders, so würde alsobald jener Einwurf neue Nahrung finden, daß der Bund ohne Oesterreich und Preusen hätte geschlossen werden sollen; daß der Bund des Mächtigen mit dem Mindermächtigen ein unhaltbarer und heterogener sey. So wie wir den unzufriedenen Geist in Deutschland nicht fürchten sollen, müssen wir ihn auch nicht nähren. Am allermeisten aber muß man Wort halten; und hat man die Prämißen gewollt, so muß man auch die Consequenzen wollen.

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Mir scheint es nicht sowohl nötig, die Wahrscheinlichkeiten, das, was kommen wird, die Fragen alle in unsren Versammlungen alsobald hervorzurufen und anzupacken, als sie im Voraus zu denken, soviel möglich klar zu denken, zu stellen und zu reihen. Ja selbst die mißbeliebigen müssen wir so vor Augen haben, weil sie auch ohne uns erscheinen, und keinem Einzelnen die Befugniß zusteht, sie geradezu zu beseitigen. Ich will es alsobald ganz unumwunden sagen, der ganze Zweck und Gehalt des Bundes, der ganze Zweck unsers Daseyns, dieser an sich sehr heilsamen Anordnung, wäre vernichtet und unheilbar, wenn wir uns hier im Beginnen mit der lana caprina2 beschäftigen, mit Dingen, bey welchen die Allgemeinheit kalt und gleichgültig ist, ja, wie ich es ahnde, mit unan­ genehmen Ansprüchen oder mißfälligen Behauptungen, und so alsobald in einen Mißcredit fallen, aus dem es schwer seyn wird, wieder sich empor zu arbeiten. Es ist unverkennbar jezt ein Wetteifer unter den Nationen. Was der Insularzustand England zum Vorsprung gibt, wissen die Klügern unter uns. Nichts desto weniger ist dieses Verlangen auch nach der Französischen Revolution, und sie überlebend, überall geblieben. Noch vor kurzem sagte dort Mr de Villèle3, einer ihrer ausgezeichneten Männer, au nom de la commis­ sion centrale: „sans doute, qu’un trop grand nombre d’expériences funestes a pour toujours éloigné de nous se prestige de vaines théories d’une liberté … mais ce serait tomber dans une erreur dangereuse, que de conclure de cet éloignement, que les français renonceraient sans peine à l’éxercice réel des droits politiques, que la charte4 leur a assurés.“5

2 Lana caprina (lat.): Ziegenwolle. Anspielung auf Horaz, Epistulae 1,18,15: „alter rixatur de lana saepe caprina“: „der andere zankt oft um der Ziege Bart“. Vgl. Horaz, Sämtliche Werke. Lateinisch und Deutsch. 10. Aufl. München/Zürich 1985, S. 486 f. − Im übertragenen Sinne ist damit gemeint: sich mit Ziegenwolle, d. h. nebensächlichen Dingen beschäftigen. Davon abgeleitet ist das Sprichwort: sich um des Kaisers Bart streiten. 3 Joseph Comte de Villèle (1773–1854), französischer Staatsmann, 1815 Maire von Toulouse, seit 1815 Wortführer der Ultraroyalisten in der Kammer, 1820 Minister ohne Geschäftsbereich, 1821 Premier- und Finanzminister, 1828 Dienstentlassung unter gleichzeitiger Ernennung zum Pair von Frankreich. Vgl. ABF I, 1029, 190−222; ABF II, 632, 162 f.; ABF III, 451, 224 f.; NBG, Vol. 46, Sp. 187−193; Yvert (Ed.), Dictionnaire des ministres de 1789 à 1989, S. 195−197. 4 Die französische Verfassung, die sogenannte Charte constitutionnelle, vom 4. Juni 1814, in: Gosewinkel/Masing (Hrsg.), Die Verfassungen in Europa 1789−1949, S. 281−287. 5 Vgl. „Extrait du second rapport sur la loi des élections fait à la chambre des députés, par M. de Villèle, dans la séance du 16 février 1816“, in: Notice historique sur le Comte de Villèle, S. 216.

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Wo ist das nicht? Es ist der Zeitgeist, die Mode[,] die Sucht, wenn Sie wollen. Man hat es ungemein empfunden, daß die Kayserwürde aufhört; und wäre das zu ändern, sollte man noch dahin würken; der Mangel der Reichsgerichte wird bitter beklagt; der Artickel der Bundesacte, der von den Landständen spricht, ist beynahe noch das Einzige, was Befriedigung und Hofnung gab. Ich bin keineswegs blind über die Mängel und Gefahren ständischer Verfassungen. Aber wir entgehen ihnen nicht; sie sind ver­ heißen, sie sind sehnlich erwartet und begehrt; damit die Nation hinge­halten zu haben, über die Folgen möchte ich meine Hände in Unschuld waschen. Das ist also hier unser groses Thema, unser federalistisches Thema, dieses ­Bestreben ehrenvoll, fruchtbringend und unschädlich zu machen, und zu lenken. Dann wenn wir hier einen ehrenvollen Stand einnehmen, mit Würde, Wahrheit und Intelligenz erscheinen, wird eben dann unser Beysammenseyn, dieser Bundestag das tüchtigste Heil- und Verwahrungsmittel seyn. Unsre wahre Bestimmung, unsre Instructionen werden uns ziemlich vor Mißgriffen und Extravaganzen schützen. Und hier ist ein Zaum und Remedur, sollte man über die Schnur gehen – die in andern politischen Versammlungen minder anwendbar ist, schnelle Zurückberufung und Ablösung. Anstand, Tact, das Maaß des Nachdrucks, und der independenten Reichs und Nationalsprache, wahrer politischer Accord sollte von uns ausgehen, bey uns die Muster seyn, um hernach der andern Aufseher und Censoren zu werden. Dieses vorausgesezt, gehe ich zum Ziel und leichteren Commentar der Fragen, die ich flüchtig an einander gereiht habe, und bey welchen manche fehlen, eben weil sie in der Bundes­acte schon hinlänglich begriffen sind. Einige haben eine grose Klarheit und gehören nur in die Reihe. Andre sind nicht so reif, daß ich darüber eine Meinung haben könnte, oder die Initiative nehmen wollte. So viel scheint mir, daß die Niederlande, so wie im Europäischen Völkersystem, so im Deutschen Bundessystem, als ruhige Zuschauer, als Freunde von Allen, und am wenigsten betheiligt, häufig werden die Rolle der Vermittelung übernehmen können. Das ist also der Zustand: „ein sehr ungleiches Bündniß, nicht eben durch die augenblickliche Nothwendigkeit erzeugt, und also von mehr wie einer Regierung kalt aufgenommen, von der Nation im Ganzen aber sehr fest gehalten. In Deutschland viel Unzufriedenheit, ein Gemeingeist, der bisweilen ausartet, und ein heißes Verlangen nach sichernden Verfassungen. Diese sind theils vorhanden, theils verheißen, theils begonnen, theils bestritten.“

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I. Die Art der Bevollmächtigung. Das erste Geschäft –; in Absicht der Präsidialbevollmächtigung wird es einer eigenen vorläufigen Übereinkunft bedürfen. II. Die Accessionen von Würtemberg, Die vier Mächte, die für HessenBaden und Hessen-Homburg. Homburg diese Auszeichnung wünschen6 – werden wohl an die Höfe oder an die Bundesversammlung schreiben. III. Ist es hinlänglich ausgemittelt, für welche Lande Oesterreich und Preusen dem Bunde beytreten?

Welschtyrol, Veltlin, Mähren, Schlesien, Geldern, Sarrelouis7?

VI. Und wer zuerst, wenn nicht ­Oesterreich?

Ist das so klar, auf welcher Basis.

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IV. Welches provisorium, welcher Auch bey dem Willen zu wechseln, modus für den Rang wird zunächst werden dennoch Zwiste kommen. eintreten? V. Wo stimmt Oesterreich?  Das wird alsobald beliebt werden müssen.

VII. Wer dirigirt und präsidirt an ­Oesterreichs Stelle, im Fall der Behinderung?

Daher natürlicher Wunsch einer doppelten Sendung von Seiten Oesterreichs.

6 Artikel 48 der Wiener Kongreßakte vom 9. Juni 1815 bestimmte, daß der Landgraf von Hessen-Homburg wieder in die Besitzungen, Einkünfte, Rechte und politischen Beziehungen eingesetzt werden sollte, deren er durch den Rheinbund beraubt worden war. Vgl. Acte du Congrès de Vienne du 9 Juin 1815, avec ses Annexes, S. 43. Daraufhin wurde der Landgraf von Hessen-Homburg durch Bundesbeschluß vom 7. Juli 1817 in den Deutschen Bund aufgenommen. Vgl. Dok. 50. 7 Saarlouis.

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VIII. Der Turnus zwischen den vereinten Stimmen8 – wird nach der gütlichen Übereinkunft angezeigt werden. Unterliegt er einer Approbation? IX. Was ist zunächst Regel – die Versammlung der XVII9, oder die Allgemeinheit10? – Und wie wird man also anfangen? X. Was sind organische Gesetze, und was sind ihre Gränzen.

XI. Werden wir nicht Vorschriften zur Ordnung im Innern der Versammlung abzufassen haben? – Reglement.

XII. Wird alles in pleno verhandelt werden – oder präparirt durch Commissionen? Der Art. 1111, bey einem der wichtigsten Gegenstände, redet schon von Ausschuß. XIII. Was bestimmt die Reihe und Priorität der Gegenstände? XIV. Werden Eröfnungsreden gehalten werden? – Von Oesterreich ohne allen Zweifel – aber nicht auch von jedem, – oder doch von denen, welche wollen – um ihre allgemeine Ansichten, Lage, Erwägungen auszudrücken?

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Als etwas, was zwistig werden kann, scheint es nüzlich und wird vielleicht begehrt. 8

Bey der Bevollmächtigung ohne Zweifel Alle! – Hernach das Gegen­ theil. 9 

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Das Wort war leicht gefunden – aber die Sache? Ich halte sie allerdings [für] not­ h­ wendig. Ich halte es dafür.

11

Wird Bestandtheil jenes Reglements werden. Wenigstens einige scheinen mir eben so anständig, frühern Vorgängen gemäß, als unvermeidlich. Sie sollten eigentlich den Geist ausdrücken, der unsre Höfe und uns beseelen wird. Jener Gemeingeist, jene lebendige Theilnahme an öffentlichen Verhand-

  8 Gemeint sind die Kuriatstimmen im Engeren Rat der Bundesversammlung. Zu den Regelungen über die Stimmführung vgl. Dok. 55, 56, 57, 58, 59 und 62.   9 Engerer Rat der Bundesversammlung. Vgl QGDB I/1, Dok. 250, S. 1509 (Artikel 4). 10 Plenum der Bundesversammlung. Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1510 f. (Artikel 6). 11 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512.

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XV. Ist das nicht die passende Veranlassung, den Zustand der Nation zu schildern? – Analogie mit England, Frankreich, den Niederlanden, Nordamerica.

lungen wird alsobald dadurch bestimmte Nahrung und sichere Richtung bekommen. Versagen wir sie – so ist die Nahrung auch da, nemlich Klagwerk, Schreyen gegen uns, und bald Geringschätzung. Unstreitig gehört nun solche Leitung, Verständigung, politische Moral und besonnene Beredsamkeit, zu den Dingen, die die Völker jezt von ihren Leitern erwarten. Es unterhält die Wärme; allerdings, aber ohne diese bessre Wärme wird es unzuberechnender Brennstoff, der im Verborgnen glimmt und droht. 12

Das Gallakleid der Jacobiner und Unruhstifter ist die ewige Tadelsucht – das Schimpfen über alles in das Gelag hinein – die Herabwürdigung der Regierungen, folglich auch der Regierten und des Ganzen. Und an diesem so vagen, so schädlichen und so verbreiteten Jacobinism nehmen nicht wenige Personen der höheren Classen Theil, die sich selbst für die besten Aristocraten halten. Das beste Gegenmittel ist die Wahrheit und richtige Schilderung, das nosce te ipsum12, die Abwägung der Vortheile und Nachtheile, das gerechte Lob, das eingeflößte Zutrauen – Selbstgefühl, Nationalstolz; aus denen Zufriedenheit und Erhaltungstrieb alsdenn hervorgeht. Dazu müssen uns freylich unsre Fürsten in die Hand arbeiten, und nicht so wesentliche

12 Lat.: Erkenne dich selbst (Inschrift am Apollotempel zu Delphi). Vgl. Cicero, Tusculanae disputationes 1,52.

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Fehler begehen, wie wir sie täglich vernehmen. Auch diese in rechtem Maaß und besonnen zu rügen, wird bisweilen das rechte Tempo seyn; wenn solche Gegenstände an uns gelangen.



Siehe dann den 10ten Artickel, der also lautet: „Das erste Geschäft der Bundesversammlung nach ihrer Eröfnung wird die Abfassung der Grundgesetze des Bundes, und dessen organische Einrichtung, in Rücksicht auf seine auswaertigen, militärischen und inneren Verhältniße seyn.“13 13 Also: I. Die auswaertigen Verhältniße. XVI. Wer sind wir? – die Nation – oder das Reich deutscher Nation in complexu?

XVII. Krone und Scepter auf unsrem Tische? – Wo sind diese Ornamente?14

Ganz gewiß – oder gar nichts. Die Idee: Kayser und Reich ist factisch in unser Daseyn hinüber gegangen. 141516

Es ist nemlich die Idee der Einheit, das Sinnbild der Gewalt, des Executiven, des Monarchischen darin ausgedrückt. Warum also nicht! – Die nächste Erinnerung, um wieder darnach zu greifen. Lord Castlereagh15 sprach oft in Wien von: the imperial dignity given in commission. Ich hatte in Wien schon darauf, und auf den Ausdruck: „Reich“ – bestanden.16 Warlich den Fürsten zu Ge­fallen.

13 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512. 14 In der Vorlage folgt nun folgende nachträglich wieder gestrichene Passage: „Sorge dafür.“ 15 Henry Robert Stewart, Viscount Castlereagh, (seit 1821) 2. Marquis of Londonderry (1769−1822), britischer Politiker, 1790 Eintritt in das irische Parlament, 1805/06 und 1807−1809 Kriegsminister, 1812−1822 Außenminister, 1814/15 Erster Bevollmächtigter Großbritanniens auf dem Wiener Kongreß. Vgl. DNB, Vol. 18, S. 1233−1245. 16 Vgl. etwa QGDB I/1, Dok. 236, Anlage 2, S. 1377.

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XVIII. Was haben wir Aehnliches oder Unaehnliches mit den Versammlungen der Schweitzer Cantone?

XIX. Sind wir blos passiv? Werden wir uns blos auf ausserordentliche Sendungen beschränken? XX. Werden wir uns nicht in fremde Angelegenheiten mischen?

Ganz unzweifelbar ist diese Aehnlichkeit. Es ist viel schwerer zu sagen, worin dann nicht, als worin! Die monarchische Verfassung im Einzelnen bey uns, die gemischte dort, thut gar nichts zur Sache. Es leugnen, führt gleich zu Widersprüchen; es anerkennen, bringt Klarheit in die Begriffe. Wahrscheinlich; aber die Entwickelung und Befestigung der Dinge bey uns kann andre Resultate liefern. Daher überläßt man es am besten ohne Bestimmung der Zukunft. 17

In gewissem Betracht, warum nicht! – Was ist der Europäische Völkerverein? Eine Auswechselung solcher freundlichen Offizien. Wenn man auswärts unsrem Staatskörper Eintracht empfiehlt, warum nicht wir andern! Wir hören in England vom schwarzen Sclavenhandel, warum nicht bey uns, und mit eigner und Europäischer Berechtigung von den weisen Sclaven! Wir hörten, da man die Protestanten im südlichen Frankreich gedrückt vermeinte, Anstalt zur Intercession, warum nicht bey uns! – Man sprach laut von der Theilnahme am Schicksal der Arquélles17 und

17 Agustín Argüelles Alvarez (1776−1844), liberaler spanischer Politiker, schloß sich 1808 nach der Einsetzung Joseph Bonapartes als König von Spanien den Patrioten an, wurde Mitglied in den Cortes von Cádiz und einer der Mitautoren der liberalen Verfassung von 1812, nach der Restauration der absolutistischen Herrschaft König Ferdinands VII. 1814 Verurteilung zu einer zehnjährigen Zuchthausstrafe, 1820/21 Innenminister nach dem Staatsstreich von 1820 und der Wiedereinführung der Konstitution von 1812, 1822/23 einer der Führer der gemäßigten Partei in den Cortes, nach der Aufhebung der Verfassung durch Ferdinand VII. infolge der französischen Intervention im Jahr 1823 Flucht nach England, 1834 Rückkehr nach Spanien, erneut Abgeordneter in den Cortes und einer der Väter der gemäßigt-liberalen Verfassung von  1837, danach mehrfach Parlamentspräsident, 1843 Rückzug aus der Politik. Vgl. Ency-

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XXI. Liegt uns nicht daran, z. B. in der Schweitz und in Nordamerica Gesandschaften zu haben?





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Villacampa18, warum nicht bey uns? – Sind wir dem Widerstand dieser beherzten Spanier etwa weniger Dank schuldig, als die Engländer! – Mit solchen Europäischen Gegenständen die Aufmerksamkeit der Menschen zu beschäftigen, den politischen Durst löschen, ihren Seelen Schwungkraft geben, sie auf sittliche Gegenstände führen, ist viel besser, als innere Grillenfängereyen. 18

Seitdem man den immensen Fehler begangen hat, die Schweitz aus unsrem Bundessystem herauszulassen, die Kapitulationen mit Frankreich nicht zu hindern – dort ein Neutralitätssystem zuzugestehen – das heißt: bey euch soll der blutige Tummelplaz niemals seyn, sondern lieber bey uns, – wobey es doch wohl niemand recht Ernst ist – scheint mir von der Seite keine Fürsorge im Reich Deutscher Nation zu viel und überflüssig. Die Gleichgültigkeit, die Sorglosigkeit in solchen Dingen, die Vernachläßigung, haben eben unsern vorigen schlechten Zustand herbeygeführt.

clopädia de Historia de España. Vol. 4: Diccionario biográfico, S. 89 f.; ABEPI I, 64, 4−194; ABEPI II, 77, 3−74; Diccionario biográfico de España (1808−1833), Vol. 1, S. 233−235. 18 Pedro Villacampa y Maza de Lizana (1776−1854), spanischer Offizier, spielte 1808−1814 eine führende Rolle im Befreiungskampf der Spanier von der napoleonischen Herrschaft, 1809 General, 1814 Gouverneur von Madrid und Oberbefehlshaber von Neukastilien; verlor nach der Rückkehr König Ferdinands VII. aufgrund seiner liberalen Ideen alle seine Ämter, wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und 1814−1820 auf der Festung Montjuic in Barcelona gefangengehalten; nach dem Staatsstreich von 1820 und der Restitution der Verfassung von 1812 Oberbefehlshaber von Katalonien und Granada, nach der Restauration des absolutistischen Regimes Ferdinands VII. im Jahr 1823 Emigration nach Malta und Tunis (bis 1833); nach einer Amnestie 1838 Oberbefehlshaber von Mallorca und 1843 Senator für Huesca; 1854 Präsident des obersten Kriegstribunals. Vgl. ABEPI IV, 658, 244; Diccionario biográfico de España (1808−1833), Vol. 3, S. 3181−3184.

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XXII. Die Frage von unsrer freyen Emigration – bey diesem Anlaß.





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Jener große Alte spricht von arcanum imperii19! Das heißt von eines jeden Staats innerster Beschaffenheit, von seinem Erhaltungsprincip – von dem, wo ihn der Schuh drückt. Diese freye Auswanderung ist eines unsrer bedeutendsten Arcanen; wir müssen es sorgsam hegen und pflegen. So wie man im menschlichen Körper die Beklemmungen nicht mit frommen Wünschen, Segensprüchen und Exorcismen vertreibt, sondern mit Schröpfen und Aderlassen, so in unsrem grosen Staatskörper nicht mit Diatriben20 gegen Jacobinismus und gefährliche Verbrüderungen, sondern mit Dingen, die sie in der Wurzel heben. Es ist ein uralter, anerkannter und ausgeführter politischer Saz: mit Auswanderungen hindert oder stört und dämpft man Revolutionen. So lang ich lebe, werde ich mich daher allem auf das Lebhafteste widersetzen, was die freye Auswanderung stört und verbietet; oder das zu weit ausdehnt. Auch das ist eine[r] der Gegenstände, die man in der Nähe von Ungarn, Pohlen und Dalmatien nicht verspürt, wohl aber am Rhein, Mayn und Neckar. 19 20

19 Arcanum imperii (lat.): Geheimnis der Herrschenden bzw. der Herrschaft. Geheimpolitik bzw. Arkanpolitik meint Politik, die sich im Geheimen bzw. hinter verschlossenen Türen, also unter Ausschluss der Öffentlichkeit abspielt. Vgl. Stolleis, Arcana imperii und ratio ­status. 20 Diatribe: Abhandlung, Streitschrift, Moralpredigt.

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XXIII. Wir werden also fremde Gesandten admittiren? XXIV. Ihre Rolle – die Behauptung unsrer Unabhängigkeit – wird sich also aus den Begebenheiten entwickeln? XXV. Das Concordat.



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Nach meiner persönlichen Überzeugung, warum nicht? Fremder Einfluß würde dennoch die Thüre finden – wenn man sonst sie offen läßt. Doch will ich damit andrer Meinung nicht vorgreifen – die auf sehr edlen Rücksichten beruhen kann! Nach meinem individuellen Glauben wird man in Deutschland am klügsten handeln, wenn man nach gleichen Grundsätzen mit dem Römischen Hof handelt.



II. Das Kriegssystem. Es bedarf meiner Erinnerung nicht. XXVI. Die Matrikel. XXVII. Die Basis der Population. Die leichteste, mit wenigen Modificationen – und noch sehe ich den Einwand nicht vor. XXVIII. Das Commando.  Die Frage von seiner Nothwendigkeit, oder ob nicht. XXIX. Die Reichsfestungen – die Daßelbige gilt von den ReichsfestunObsicht – die Beyträge. gen; daß diese Fragen von selbst erscheinen, aber eben vielleicht zum Unfrieden führen! III. Das Innere. XXX. Was ist unsre Rolle? – Üben wir nicht allgemeine Obsicht und Censur aus?

Ich weiß nicht anders. Wenn wir Übel heben sollen, müssen wir sie anschauen und kennen. Nehmen Sie an: Revolution in einem Lande. Werden wir die ruhigen Zuschauer seyn? Wird der Nachbar

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XXXI. Was sind die Mittel und Wege, wie das Fehlerhafte an uns gelangt?



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einmarschieren lassen – wer berechtigt ihn dazu? Aber wir, nemlich der complexus – und auf Requisition – wir sind es ganz gewiß. Oder zwey Fürsten gerathen in Zwist, und ihre Arméen marschieren. Werden wir das mit ansehen? Dann weiß ich durchaus nicht, wozu wir hier beysammen sind. Im Gegen­ theil, zu solcher Einmischung gehört uns eine permanente Vollmacht, oder instructiones perpetuae21. Die mandata sine clausula22 in Fällen dringender Noth müssen doch irgend einen Ersaz haben, sonst sind Landfrieden und Civilisation zurückgegangen. Nun weiß ich nichts von einem guten Arzt, der seine Kranken nicht beobachtet. Zu sagen, daß alle Fürsten auf einmal besser und weiser geworden seyen, wäre Spott.

21 22

Außer der Publicität – außer der Klage – die Klugheit; und zu dieser Klugheit, daß die Höfe sehr gewichtige Männer anhero schicken, die man instruirt, was bey ihnen und in ihrer Nähe vorgeht.

21 Instructio perpetua (lat.): beständige Instruktion, Vollmacht. 22 Mandatum sine clausula (lat.): Unbedingtes Mandat. − Im Mandatsprozeß, einem im früheren Zivilprozeß angewandten Verfahren, wurde auf Antrag des Klägers der Beklagte durch Mandat aufgefordert, den Kläger zu befriedigen, und zwar entweder sofort (durch mandatum sine clausula) oder nach einer bestimmten Frist, während der Einreden möglich waren (durch mandatum cum clausula, d. h. bedingtes Mandat). Im Vergleich zum bedingten Mandat war der Beklagte in seinen Verteidigungsmaßnahmen eingeschränkt und auf den Nachweis der Unrichtigkeit der tatsächlichen Mandatsgrundlagen angewiesen. Vgl. Haberkern/Wallach, Hilfswörterbuch für Historiker, S. 409; HRG, Bd. 3, Sp. 232−240, bes. Sp. 235 f.

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XXXII. Wann ist eine Klage annehmbar? – Von wem? – Was geschieht darauf?



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Grundsätze wenn wir sie ausmitteln wollen – führen uns zu Zwisten! Also lassen Sie die Vorfälle kommen.

XXXIII. Ist es nicht allgemeiner Grundsaz, daß das, was die Bundesacte einräumt – auch an die Versammlung als Wächter gehört, und von ihr zu entscheiden ist?

Das Gegentheil führt zum Absurden.

XXXV. Die Anzeige der Oberappellationsgerichte; wie der Vorschrift nachgekommen sey?

Eine Nebensache, die von selbst geschehen wird.

XXXIV. Sollte nicht jeder Stand die Skizze oder die Beschreibung seiner inneren Verfassung uns vorlegen – und die Fortschritte landständischer Verfassung?

XXXVI. Austräge.









XXXVII. Bundesgericht.

XXXVIII. Schicksal und Theilnahme der Mediatisirten; was auch füglich zu den ersten Fragen der Admission gehört hätte.

Folgt aus dem Vorigen, als anständig und heilsam.

Bisher ist der Gegenstand vollkommen in der Lage des Deutschen, ganz trivialen Sprüchwortes: Wasche mir den Pelz, und mach’ mich nicht naß. Auch das – wenn wir vorerst die Frage beseitigen, wird die Nothwendigkeit und die Zeit herbeyführen. Evident.

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XXXIX. Werden wir uns nicht mit Gegenständen des allgemeinen Wohl und Weh befassen? – Als da sind beyspielsweise: 1o. Pest und ansteckende Krank­ heiten. 2o. Sclaverey (die Raubstaaten). 3o. Das Judenthum. 4o. Fanatismus (Böse Secten und Orden). 5o. Handelssperre. Schiffahrtsoctroi. Zollwesen (vid. art. 1923). o 6 . Colonisation. 7o. Litteratur. – Belohnung und Auf­ munterung. 8o. Künste und Handwerke. 9o. Druck unsrer eignen Verhandlungen – der Bundeszeitung – der Kongreßacten – der Schlacht­ zettel (Bülletin von Schwarzenberg24, Blücher25, Wrede26). Archive und Bibliotheck. 10o. Lob unsrer grosen Männer – unsrer Herren und Völker – unsrer Arméen! – Monumente. 11o. Erziehungsanstalten.

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Ich habe allerdings hier sehr heterogene Dinge zusammengereiht. Ein gewisser Zusammenhang fehlt jedoch nicht, und wer das miskennt, hat unser Daseyn nicht richtig bedacht. Alles ist freylich abhängig von der Destination – die unsre Höfe uns geben. Einige dieser Gegenstände sind an sich klar. Andre wird die Zeit und der Zeitgeist in unsre Hände bringen; andre die beständige Analogie mit der vorigen Reichsverfassung. Unter Colonisation übrigens verstehe ich eine bessere Obsicht auf unsre Auswanderung – fortgesezter Schirm und Nachfrage des Vaterlandes, und angeknüpfte Verbindungen mit America zu dem Zwecke. Nur wenn Euer Fürstliche Gnaden in solch einem Gegenstand etwas excentrisches, oder Ihrer Ansicht fremdes finden – lassen Sie das immer seyn, und breiten Sie den isolirten Tadel nicht auf das Ganze aus.

23 24 25

23 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1517. 24 Karl Philipp Fürst zu Schwarzenberg (1771–1820), österreichischer Offizier, 1790 Major, 1793 Oberst­leutnant, 1794 Oberst, 1800 Feldmarschalleutnant, 1805 Vizepräsident des Hofkriegsrats, 1809 Botschafter in St. Petersburg, 1809–1812 Botschafter in Paris, 1812 Feldmarschall, 1813 Oberbefehlshaber der österreichischen Truppen, 1815 Präsident des Hofkriegsrats. Vgl. Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 33, S. 94–118; ADB, Bd. 33, S. 306–311; DBA  I, 1161, 294 u. 313–377; DBA  II, 1204, 65−70; DBA  III, 839, 257 f. u. 299−305; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 275 f. u. 280. 25 Gebhardt Leberecht (seit 1814) Fürst Blücher von Wahlstatt (1742−1819), preußischer Offizier, 1758 Eintritt in schwedische Militärdienste, 1760 Übertritt in preußische Dienste, 1773 Ausschluß aus dem Dienst und Rückzug ins Privatleben, 1787 Wiederaufnahme in den Dienst als Major, 1788 Oberstleutnant, 1801 Generalleutnant, 1803 Militärgouverneur von Münster, 1807 Generalgouverneur für Pommern und die Neumark, 1811 Ablösung auf Druck Napoleons, 1813 Oberbefehlshaber der Schlesischen Armee, nach der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 Ernennung zum Feldmarschall, nach der Rückkehr Napoleons nach Frankreich entschied er 1815 als Oberbefehlshaber zusammen mit Feldmarschall Arthur Wellington die

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Schließlich kehrte ich zu dem Formellen zurück: 26

XL. Wie ist es zu halten, mit der Nothwendige Fragen sind es gewiß, Bundescanzley? Soll das Alles in aber ich möchte damit nicht vor­ den Händen der Oesterreichischen greifen, – sondern die eignen OesterPräsidialcanzley seyn? reichischen Ansichten und ProposiXLI. Mit der Registratur, folglich tionen kommen sehen. mit dem Archiv? XLII. Und wie mit der Bundescasse? 27 28 29 30 Nichts ist natürlicher, als daß die Verhandlungen zu Chatillon27 und Chaumont28, zu Wien29 und Paris30, mit ihren Folgen, Eurer Fürstlichen Gnaden Schlacht von Waterloo zugunsten der Alliierten, 1817 Mitglied des Staatsrats. Vgl. DBE, Bd. 1, S. 580; NDB, Bd. 2, S. 317−319; ADB, Bd. 2, S. 727−733. 26 Karl Philipp (seit 1814) Fürst von Wrede (1767–1838), bayerischer General und Staatsmann, Studium der Rechte in Heidelberg, 1785 Hofgerichtsrat in Mannheim, später pfalzbayerischer Oberlandeskommissär mit dem Titel eines Majors, 1794 Oberst, 1800 Generalmajor, 1804 Generalleutnant, 1809 französischer Comte de l’Empire, 1810 bayerische Bestätigung des Grafenstandes, 1811 General der Kavallerie, 1814 Feldmarschall, 1814/15 Bevollmächtigter Bayerns auf dem Wiener Kongreß, 1815 Generalinspektor der Armee, 1817 Staatsrat und Minister ohne Geschäftsbereich, 1818 Präsident der Kammer der Reichsräte, 1822–1829 Oberkommandierender der Armee. Vgl. ADB, Bd. 44, S. 246–252; DBA  I, 1395, 344–377; Bosls bayerische Biographie, S. 862 f.; Schröder, Generalität der deutschen Mittelstaaten, Bd. 1, S. 510; Winter, Karl Philipp Fürst von Wrede. 27 Auf dem Kongreß von Châtillon-sur-Seine (5. Februar bis 19. März 1814), wurde der letzte Versuch während der Befreiungskriege unternommen, einen Frieden zwischen Napoleon und den alliierten Mächten Rußland, England, Österreich und Preußen zu schließen. Da Napoleon auf die Forderungen der Alliierten nicht einging, brachen die Verbündeten am 19. März die Verhandlungen ab. Vgl Taddey, Lexikon der deutschen Geschichte, S. 194 f.; Fournier, Der Congreß von Châtillon. 28 Die Quadrupelallianz von Chaumont (1. März 1813) wurde während des Kongresses von Châtillon auf Anregung des englischen Außenministers Castlereagh von den alliierten Mächten Österreich, Rußland, England und Preußen zur Wahrung des Gleichgewichts in Europa abgeschlossen. Der auf zwanzig Jahre abgeschlossene Vertrag zielte auf die Fortführung der Befreiungskriege und die Zurückdrängung Frankreichs auf die Grenzen von 1792. Vgl. Taddey (Hrsg.), Lexikon der deutschen Geschichte, S. 195 f.; Meyers Taschenlexikon Geschichte, Bd. 5, S. 94. 29 Auf dem Wiener Kongreß 1814/15 wurde nach dem Untergang des napoleonischen Herrschaftssystems über eine politische und territoriale Neuordnung Europas verhandelt. Die nach zähem Ringen geschaffene „Wiener Friedensordnung“ zeichnete sich trotz vieler offenkundiger Mängel durch eine beträchtliche „Dauerhaftigkeit“ aus. Vgl. Duch­hardt, Der Wiener Kongress, die Zitate S. 120; Stauber, Der Wiener Kongress; Taddey (Hrsg.), Lexikon der deutschen Geschichte, 1298 f. 30 Gemeint sind die Verhandlungen der vier alliierten Mächte (Österreich, Rußland, England, Preußen) mit Frankreich nach der ersten Abdankung bzw. endgültigen Entmachtung Napo­ leons über die politische und territoriale Neuordnung Europas in Paris, die in den Ersten­

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gegenwärtiger seyen, als diese zum Theil abstracten Fragen und hypothetische Vorkömmniße. Ich wiederhohle es auch; daß Sie nur mit den ersten XV ungefehr sich werden alsobald zu beschäftigen haben, und die übrigen eher mögen kommen und von selbst sich entwickeln sehen. Sie sind auch nicht [der]31 Mann, um vor Schwierigkeiten zurückzutreten, sondern Sie werden ihnen mit Klugheit und Entschlossenheit begegnen; gestüzt auf Seiner Kay­ ser­lichen Majestät Macht und so groses persönliches Ansehen. Ich verbleibe ehrerbietig Eurer Fürstlichen Gnaden Ganz gehorsamster Diener v. Gagern   

10. Friesens1 „Flüchtige Betrachtungen über den Deutschen Bund bei der bevorstehenden Eröffnung der ­Bundesversammlung

(a) HStA Dresden, Außenministerium, Nr. 2836, fol. 166–172. Denkschrift. Reinschrift; (b) GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 118, XVIII, Nr. 2, fol. 5−25’. Abschrift.

Über den Charakter des Deutschen Bundes herrschen ganz unterschiedliche Meinungen (Reich, Bundesstaat, Staatenbund, staatsrechtlicher oder völkerrechtlicher Verein, Fortsetzung des Deutschen Reichs oder Neuschöpfung), nach Auffassung Friesens stellt er jedoch einen völkerrechtlichen Staatenbund und eine ganz neue Schöpfung dar. Historischer Abriß der staatsrechtlichen Entwicklung Deutschlands seit 1648: Nachdem durch den Westfälischen Frieden die zerrüttete Monarchie in eine Konföderation mit Beibehaltung einiger monarchischer Formen unter einem gemeinsamen Oberhaupt umgewandelt wurde, nahm Deutschland immer mehr staatenbündische Formen an. Die Verträge der Jahre 1813−1815 schufen dann einen eigentlichen Staatenbund und begründeten mit der Deutschen Bundesakte eine neue Epoche für Deutschland. Überblick über die wesentlichen Bestimmungen der Bundesakte, die das unbestrittene Grundgesetz des Deutschen Bundes ist. Vorzunehmende Einrichtung des Bundes im Hinblick auf die auswärtigen, militärischen und inneren Ver­ hältnisse und Unterbreitung diesbezüglicher Vorschläge. Die inneren Verhältnisse müssen auf dem Weg der freien Unterhandlung geregelt werden, wobei vier Hauptge

Pariser Frieden (30. Mai 1814) und den Zweiten Pariser Frieden (20. November 1815) mündeten. Vgl. Taddey (Hrsg.), Lexikon der deutschen Geschichte, S. 918 f. 31 Ergänzt nach der Druckfassung in Gagern, Mein Antheil an der Politik, Bd. 3, S. 245.

  1 Karl Friedrich Freiherr von Friesen (1786−1823), sächsischer Diplomat und Kammerherr, 1815/16 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in London, 1816−1819 Geschäftsträger in Kassel, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister 1819/20 in Madrid und 1823 in Berlin. Vgl. Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 349 u. 353−355; DBA I, 351, 364.

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genstände zu unterscheiden sind: 1) Bundesjustiz (u. a. Errichtung eines Gerichts dritter Instanz durch alle mindermächtigen Staaten zur Entscheidung von Rechtshändeln ihrer Untertanen in letzter Instanz); 2) Bundesgesetzgebung; 3) Verfassung der katholischen Kirche (Abschluß eines Konkordats); 4) Angelegenheiten verschiedener Art (Handel, Büchernachdruck, Pressefreiheit, Freizügigkeit, Schiffahrt, Münze, Maß und Gewicht etc.): eine völlige Gleichförmigkeit könne hier ohne Nachteil der Souveränität sämtlicher Bundesstaaten stattfinden. Der Deutsche Bund bietet in seinem jetzigen Verhältnis, wenn man das Deutsche mit dem Europäischen zu verschmelzen sucht, ein weites Feld für den politisch Handelnden. Diese Arbeit mag schwer seyn, kann aber heilsame Resultate erbringen. Es ist zu wünschen, daß der Bundestag mit seiner Arbeit beginne.

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Flüchtige Betrachtungen über den deutschen Bund, bey der bevorstehenden Eröffnung der Bundesversammlung. Es ist eine sehr gewöhnliche Erscheinung, daß bey einer ganz neuen Ordnung der Dinge in den politischen Verhältnißen, der eigentliche Character derselben, selbst von denen, die sie geschaffen, oft nicht ganz richtig, oder wenigstens nicht von allen übereinstimmend, beurtheilt wird. Daher die vielen, verschiedenen, oft sich ganz widersprechenden Theorien über die die besten Köpfe sich nicht vereinigen können. Ohne den Theorien im allgemeinen eine zu große Wichtigkeit einzu­ räumen, da die ausschließliche Beschäftigung mit denselben nicht selten am ehesten den wahren Gesichtspunct verlieren macht, so muß doch zugegeben werden, daß die Vereinigung über eine von allen für richtig anerkannten Theorie, in den politischen Verhältnißen, besonders im Zeitpunct einer neuen Gestaltung der Dinge, selbst für die Geschäfte höchst zuträglich, ja unentbehrlich ist. Der neue deutsche Bund, der durch die Acte vom 8ten Juny 18152 entstanden ist, bietet ein solches Beyspiel dar, daß die größte Verschiedenheit der Meynungen über den eigentlichen Character einer neuen Ordnung der Dinge obwalten kann. Und doch ist es nicht gleichgültig, ob dieses neue politische Gebäude, für ein Reich, oder für einen Bundesstaat, oder für einen Staatenbund, für einen staatsrechtlichen oder für einen völkerrechtlichen Verein, für eine Fortsetzung des alten Deutschen Reichs, oder für eine ganz neue Schöpfung angesehen werden soll. Der Erfolg der Geschäfte wird zwar sehr häufig von ganz andern Umständen abhängen, als von der unwandelbaren Bestimmung eines Gesetzes, das seine Existenz einer dieser Theorien verdankt. Allein die Uebereinstimmung in der Theorie bringt uns einem gesetzlichen 2 Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815; vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1503−1518.

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­ ustande näher, und sie vereinigt die Meynungen über Grundsätze. Sie ist Z sonach der Einheit zuträglich und der Willkühr entgegen. Nur in diesem Näherkommen, einem bey menschlichen Unvollkommenheiten gewiß unerreichbaren Ziele, ist die Wichtigkeit und Unentbehrlichkeit einer Theorie, in dem vorliegenden Falle zu suchen. Unter den verschiedenen und Hauptansichten, über die eigentliche Natur des jetzigen Deutschen Vereins, glauben wir uns für diejenige bestimmen zu müssen, die ihn als einen völkerrechtlichen Staatenbund, und als eine ganz neue Schöpfung darstellt. Die Geschichte zeigt uns, wie, während in Frankreich, England und Spanien, sich Monarchien bildeten, in Deutschland die Verhältniße sich grade auf die entgegengesetzte Weise entwickelten und, durch die damals noch schwankenden Begriffe von Staatsrecht eben so, als durch eine3 Reihe von Begebenheiten aller Art begünstigt, aus Vasallen endlich Souveraine wurden. Was bey dieser allmähligen nicht mehr zu ändernden Gestaltung widerrechtlich seyn mochte oder konnte, wurde durch den westphälischen Frieden4 vollkommen rechtlich und gesetzmäßig, und von Deutschland und Europa als solches anerkannt. Der westphälische Friede machte aus einer in allen ihren Verhältnißen zerrütteten Monarchie, eine Conföderation mit Beybehaltung einiger monarchischen Formen und Benennungen unter einem gemeinsamen Oberhaupt. In wiefern die Vermischung so fremdartiger Begriffe dem Wohl des Ganzen zuträglich war oder nicht, gehört nicht zum Gegenstande unserer Untersuchung. Es soll uns nur der westphälische Frieden das Beyspiel eines für Deutschland und für die ihn damals anerkennenden Mächte verbindlichen Vertrags liefern, der einen neuen Abschnitt in der Geschichte und Gestaltung Deutschlands ausmachte, und die früheren Verhältniße eben so aufhob, als er die von der Zeit an, während 150 Jahren geltenden bestimmte. Daß aber die Theorie damals schwankend seyn musste gieng aus der steten Vermischung der Begriffe, Monarchie und Conföderation hervor. Beynah Zwey Jahrhunderte stritt man darüber ob Deutschland das eine oder das andere sey. Es war 3 Emendiert. Vorlage: einer. 4 Der Westfälische Friede beendete den Dreißigjährigen Krieg (1618−1648) und wurde in seinen Teilen am 6. August 1648 in Münster, am 30. Januar 1648 in Osnabrück und am 24. Oktober 1648 gemeinsam in beiden Städten unterzeichnet und zum ewigen Grundgesetz des Alten Reichs erklärt. Er fixierte die politischen Veränderungen des Dreißigjährigen Krieges (territoriale Veränderungen, konfessionelle Verhältnisse, Reform der Reichsverfassung) und wurde zum Ausgangspunkt für weitere politische Veränderungen in den folgenden 150 Jahren. Zu den nachhaltigsten Wirkungen zählt die Aufwertung der Reichsstände gegenüber dem Reich. Vgl. Taddey (Hrsg.), Lexikon der deutschen Geschichte, S. 1286 f.; Meyers Taschenlexikon Geschichte, Bd. 6, S. 259 f.; Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 14, Sp. 1020−1029.

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der Zustand eines langsam sich entwikelnden Uebergangs von einer Monarchie zu einem eigentlichen freyen Staatenbund. Die Folgen eines solchen Zustandes, chaotische Verwirrung, Uebung des Rechts des Stärkern, und launenhafte Vertheilung der Macht und der Ansprüche blieben auch hier nicht aus. Sie zeigten sich in allen Gestalten und hatten den höchsten Grad erreicht in den Jahren vom Lüneviller Frieden5 bis zur Gründung des Rheinbundes6. Die Rheinbundesacte7 brachte Deutschland zwar unter fremde Herrschaft mit empörender Willkühr, allein sie bestimmte irgend einen Besitzstand den man auch später der Hauptsache nach als Regel wollte gelten lassen, der aber Deutschland immermehr die Gestalt eines Staatenbundes gab. Die Niederlegung der Kaiserwürde8, die durch Verträge geschehen und bestätigt war, machte dem Tausendjährigen deutschen Reiche auch der Form nach ein Ende. Wie in der Gestaltung der Staaten wenig durch bestimmte Verordnungen, sondern mehr durch eine allmählige Entwicklung geschieht, die dann, weil der Geist der Zeit es nun erfordert, durch Verordnungen und Constitutionen sanctionirt wird, wie uns selbst die musterhafte englische Verfassung das Beyspiel einer durch mehrere Jahrhunderte thätigen Entwicklung giebt, so war aus Deutschland nun ein Staatenbund geworden, mit Verlust aller Eigen5 Im Friedensvertrag von Lunéville (9. Februar 1801) erkannte Kaiser Franz II. für Österreich und das Deutsche Reich die Annexion Belgiens, die Bildung der von Frankreich geschaffenen Trabantenstaaten in Holland, Italien und der Schweiz sowie die Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich an. Für den Verlust ihrer linksrheinischen Gebiete sollten die davon betroffenen weltlichen Reichsfürsten mit Territorien rechts des Rheins entschädigt werden. Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 39 f.; Taddey (Hrsg.), Lexikon der deutschen Geschichte, S. 751. 6 Konföderation von zunächst 16 deutschen Fürsten unter französischem Protektorat, die von Vergrößerungen ihres Territoriums und Standeserhöhungen profitierten. Die zentrale Bestimmung der Rheinbundakte vom 12. Juli 1806 war die Errichtung einer Offensiv- und Defensivallianz, die es Napoleon ermöglichte, für seine Feldzüge auf Truppen der Rheinbundstaaten zurückzugreifen. Während der ursprünglich vorgesehene innere Ausbau des Rheinbundes unterblieb, kam es vor allem in den süddeutschen Rheinbundstaaten zu einer nachhaltigen Umgestaltung der Verwaltungs-, Rechts-, Wirtschafts- und Sozialordnung. Bis 1808 traten zahlreiche weitere Staaten dem Rheinbund bei, u. a. das neugeschaffene Großherzogtum Würzburg, das zum Königreich erhobene Sachsen und das neugeschaffene Königreich Westfalen, so daß der Rheinbund schließlich 39 Mitgliedsstaaten zählte. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig löste sich der Rheinbund auf. Vgl. Taddey (Hrsg.), Lexikon der deutschen Geschichte, S. 1016; Meyers Taschenlexikon Geschichte, Bd. 6, S. 133 f. 7 Vgl. Rheinbundakte vom 12. Juli 1806, abgedr. in: Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 28–34. 8 Als Reaktion auf den Austritt der Rheinbundstaaten aus dem Reichsverband legte Kaiser Franz II. am 6. August 1806 die Kaiserkrone nieder und erklärte das „reichsoberhauptliche Amt“ für erloschen. Vgl. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S.  37 f.

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schaften der Monarchie. Der allgemeine und grenzenlose Druck durch die Fremden machte jedoch bald eine Umwälzung wünschenswerth. Die Idee eines allgemeinen deutschen Reiches erwachte in mehreren Köpfen, und machte bey Manchen Wünsche und Hoffnungen rege, die zu großen Unternehmungen antrieben. In einigen Theilen Deutschlands nahm der Krieg von 1813 den Character eines Revolutions Krieges an. Der Augenblick war entscheidend, und wenn der Geist der diese Idee verbreitenden Parthey, der herrschende gewesen wäre, wenn diese Idee populair geworden wäre, so würde obschon mit den gewaltsamsten Mitteln ein Reich entstanden seyn, dessen Grenzen und Macht schwer zu bestimmen seyn möchten. Allein ein anderer Geist siegte. Vielleicht darf der Wendepunct dieses Kampfes, der beyden Principe in dem ­Abschluß des Rieder Tractats9 und der auf demselben Fuß geschlossenen Verträgen10 gesucht werden. Deutschland blieb in Völkerstämme getheilt, die von ihren angestammten Fürsten beherrscht werden, und neben welchen ­kleinere unabhängige Fürsten und Staaten unter dem Schutze des auf all­ gemeines Anerkenntniß gegründeten Rechts ungestört fortbestehen sollen. Diese Gestaltung war die Folge des herrschenden Geistes, der sich gegen die, den Deutschen, nicht ansprechenden Revolutionsideen erhob. Die am Ende des großen Krieges geschlossenen Verträge11, und namentlich der Pariser Frieden12, und die Bestimmungen des Wiener Congreßes13 be­ stätigten nicht allein diese Form, sondern begründeten einen eigentlichen Staatenbund, und durchaus keinen Bundesstaat, wie die Schweiz oder Nord­ amerika. Die Worte des 6ten Artikels des Pariser Friedens14 sind ganz klar, und der Sinn der Bundes­acte vom 8. Juny kann keine andere Auslegung bekommen.   9 Vertrag zwischen Österreich und Bayern, Ried, 8. Oktober 1813, QGDB I/1, Dok. 7, S. 41−48. 10 Gemeint sind der Vertrag zwischen Österreich und Württemberg, Fulda, 2. November 1813, sowie die sogenannten Frankfurter Akzessionsverträge vom November/Dezember 1813. Vgl. QGDB I/1, Dok. 9, S. 59−64 und Dok. 10, S. 65−67. 11 Mit den Verträgen von Ried, Fulda und Frankfurt sagten sich Bayern, Württemberg und die mindermächtigen deutschen Staaten vom Rheinbund los und wechselten in das Lager der antinapoleonischen Koalition über. Während Bayern und Württemberg die volle Souveränität zugesichert wurde, sollten sich die Mindermächtigen Anordnungen fügen, die zur Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit Deutschlands notwendig werden würden. Für Gebietsabtretungen sollten sie jeweils eine adäquate Entschädigung erhalten. 12 Erster Pariser Frieden, Paris, 30. Mai 1814, QGDB I/1, Dok. 27, S. 153−168. 13 Die Artikel 1−11 der Deutschen Bundesakte wurden in die Wiener Kongreßakte vom 9. Juni 1815 aufgenommen und damit unter die Garantie der Signatarmächte gestellt. Vgl. Acte du Congrès de Vienne du 9 Juin 1815, avec ses Annexes, S. 1−87, hier S. 45−52 (Artikel 53−64). 14 Vgl. QGDB I/1, Dok. 27, S. 158: „ Les Etats de l’Allemagne seront indépendans et unis par un lien fédératif.“

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Um in den Untersuchungen über die Natur des Bundes zu einem bestimmten Resultate zu gelangen, müssen wir nun vor allen Dingen annehmen: 1) Daß der Abschluß der Bundesacte den Anfang einer neuen Epoche für Deutschland bezeichnet, in der gleich wie durch den westphälischen Frieden eine allmählig herbeygeführte Gestalt bestätigt, dadurch das Alte vernichtet und etwas Neues gegründet wird. 2) Daß, wie natürlich daraus folgt, die Bundesacte, wie sie ist, als unbestrittenes Grundgesetz des Bundes anerkannt werden muß. Es ist möglich, daß die Bundesacte sehr mangelhaft ist, es ist möglich, daß viele glauben der Zweck des Bundes sey durch sie sogar verfehlt worden, es ist möglich und gewiß, daß sie den Wünschen vieler Einzelnen nicht entspricht. Sie ist jedoch das erste bestimmte Dokument durch welches die ­Uebereinkunft Aller oder doch der großen Mehrzahl zu einer neuen Gestaltung Deutschlands bekannt geworden ist. Sie ist nach einer gänzlichen Auf­ lösung der erste Knoten der zur Wiedervereinigung des zerrissenen Landes geknüpft worden ist. Alles was für Deutschland und für Einzelne gewünscht werden könnte und als nothwendig festzusetzen dargestellt wird, besteht noch nicht, kann also für niemand noch als Regel gelten, sie aber besteht, und ist als Regel erkannt. Die Erinerung an das Alte, und die Verbindung des Alten mit dem Neuen, würde also nothwendig ihrem Character entgegen seyn und zu einer Verwirrung der Begriffe führen. Wenn wir zu einem Zweck gelangen wollen, müssen wir von einer wirklich bestehenden Ordnung ausgehn, wenn wir sie auch für mangelhaft halten sollten. Sie läßt sich verbeßern; ohne sie aber schweben wir in Ungewißheit und handeln ohne Grundsätze. Wenn wir also die Bestimmungen der Bundesacte unverändert als Richtschnur nehmen, und sie nicht mit den der alten deutschen Reichsverfassung vermengen, und dadurch ihren wahren Sinn verändern, so ziehn wir nachstehende Folgerungen für die Natur des Vereins daraus. 1) Der Bund besteht aus souverainen Fürsten und freyen Staaten (art. 115). 2) Der Zweck ist dadurch verschieden von einem Staatszweck, daß er die Unabhängigkeit der einzelnen Staaten will (art. 216). 3) Diese schließt also jede executive Gewalt des Bundes aus. Diese ist nirgends zu finden, nicht einmal im letzten § des 11ten Artikels17, wo kaum eine richterliche Gewalt bestimmt ist. 4) Es ist kein Oberhaupt vorhanden.

15 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508. 16 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508. 17 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511.

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Es ist weder ein physisches noch ein mystisches da. Denn die Bundesversammlung kann als solches schwerlich gelten, da sie in jedem Falle doch nicht zugleich Reichstag und Souverain seyn kann. Dieß wäre eine Verwechslung der Begriffe. 5) Die sogenannte Gesetzgebung über welche im 6., 7. u. 8. Artikel18 bestimmt ist, geschieht vielmehr auf dem Wege der Unterhandlungen zwischen freyen Staaten, als auf dem der Berathung von Nationalrepräsentanten. Die Entscheidung durch die Stimmenmehrheit ist sehr beschränkt und nur ein Mittel, um gewiße Unterhandlungen endlich zu einem Resultat zu führen, welches auf jedem Congreß könnte angewandt werden. Endlich sind sogar die wichtigsten Gegenstände von der Entscheidung durch Stimmenmehrheit ganz ausgenommen (Art. 7). 6) Die richterliche Gewalt besteht so gut als gar nicht. Denn es ist weder eine höchste Instanz für die Rechtshändel der Unterthanen vorhanden, da kein Bundsgericht errichtet ist, noch kann die im 11. Art. festgesetzte Aus­ trägalinstanz als eine Ausübung der richterlichen Gewalt gelten. Der Art. 1219 kann schwerlich dazu gerechnet werden. 7) Die Staaten Deutschlands haben das Recht der Bündniße aller Art. Die Beschränkung dieses Rechts ist kein anderes als der sich jeder paciscirende Theil in einem Allianztractat unterwirft. Der einzige Unterschied ist, daß diese Allianz für immer geschlossen seyn soll und nicht für einen einzelnen Krieg (Art. 11). 8) Eben so ist das Band, das die Staaten vermöge des 1. § des 11ten Art. vereinigt, das einer jeden Allianz. 9) Daraus folgt daß die Staaten Deutschlands in der doppelten Qualität der europäischen Mächte und der deutschen Bundesstaaten erscheinen. 10) Die Bestimmungen der Art. 15, 16, 17, 18, 1920 sind von keiner andern Art, als sie häufig in Conventionen unter unabhängigen Staaten vorkommen: Aufstellung allgemeiner Grundsätze, Sorge für gegenseitige Unterthanen, durch Freyzügigkeit, Recht der Ansiedlung etc. etc. Stipulationen zu Gunsten des Handels etc. etc. 11) Der Art. 1421 ist eine nothwendige Folge der Verhältniße der Zeit. Die darin berücksichtigte Classe zu übergehen, und für sie nicht zu sorgen, war theils unmöglich, theils wäre es ungerecht gewesen. Uebrigens kann man die Verordnungen weniger als Beschränkung der Souverainität der Fürsten ansehen, als vielmehr als Bestätigung derselben, indem die Einräumung der Rech18 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1510−1512. 19 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513. 20 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1515−1517. 21 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513−1515.

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te für beide Theile höchst billig ist, ferner, durch die Beendigung der Discussionen über die Reichsstandschaft der Mediatisirten, und ihre Rechte, die Souverainität der Fürsten aufs sicherste und haltbarste begründet ist, und endlich indem, nicht einmal den Mediatisirten eine andere Garantie dieser zugestandenen Rechte gegeben ist, als das Versprechen der paciscirenden deutschen Fürsten. 12) Dasselbe gilt vollkommen vom Art. 1322. Die Natur des deutschen Bundes ist durch diese 12 aus den Artikeln der Acte gemachten Folgerungen vollkommen charakterisirt. Es ist ein völkerrechtlicher Verein, ein freyer Staatenbund. Ein jeder daran Theil nehmende Staat ist europäische Macht, mit minder oder größern Kräften, (so gut als einst Lucca und San Marino es auch waren) und nächst dem, von der Nothwendigkeit überzeugt den Mangel an Kräften zu ersetzen, durch beständige Allianzen mit mehreren ihn umgebenden verbunden. Ohne entscheiden zu wollen, ob die Art dieser Verbindung gut sey, und ob sie den Wünschen des größten Theils entspreche, ohne bestimmen zu wollen, ob dieser Zustand so immer dauern werde, so kann das unbefangene Urtheil doch nicht anders als dahin gehen, daß es wirklich so ist. Diese lose Verbindung der ehemals durchs Reichsverband verknüpften deutschen Staaten, ist jedoch nicht so gefährlich und Untergang drohend, als alle die, welche nur immer einen bestimmten Organismus herbey führen wollten, glauben mögen. Der Organismus fehlt allerdings ganz, und es gibt23 nur willkührliche Verbindungen und Anschließungen, allein, wenn einmal der feste und sichere Organismus eines Staats nicht statt finden kann, so möchte ein freyer Staatenverband, wie der jetzige, noch das Beste seyn; wenigstens gewiß einem Mittelzustand vorzuziehen. Man hat die Einrichtung des deutschen Bundes, die in der ersten Berathung vorzüglich der Aufmerksamkeit der Versamlung soll empfohlen sein (Art. 1024) auf 3 Hauptpuncte zurückgeführt. Auf die auswärtigen, die militairischen und innern Verhältniße. Die auswärtigen Verhältniße des Bundes werden durch die Natur desselben bestimmt. Deutschland steht mit allen Mächten, die nicht Theil am Bunde nehmen, in der genausten Verbindung, aber nicht als ein Staat, der Gesand­ schaften ins Ausland schickt, sondern durch die Verschmelzung der deutschen und europäischen Politik. Da ein jeder deutsche Staat, zufolge der Bundesacte (Art. 11) das Recht hat, mit den Europäischen Mächten in diplomatischem Verkehr zu stehn, so 22 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513. 23 Emendiert. Vorlage (a) und (b): gilt. 24 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512.

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möchte es schwer und selbst unnütz seyn auch noch Gesandschaften für die Gesammtheit zu halten. Besonders aber würde dabey sehr zu berücksichtigen seyn, daß dadurch die Macht der größten deutschen Bundesstaaten unverhältnißmäßig zunehmen könnte, indem sie sich bald das Recht anmaßen würden, im Nahmen der ­übrigen die Unterhandlungen mit dem Ausland zu führen. Die bezweckte Einheit, würde hier, wie immer zum Vortheil der Stärkeren seyn, und ungünstig auf die Schwächeren zurückwirken. Stets war Deutschland der Mittelpunct von Europa; in der jetzige[n] Lage ist dieß noch mehr der Fall als je. In dieser Eigenschaft ist seine Verbindung mit dem Auslande zu suchen. Deutschland ist der Mittelpunkt Europas in geographischer und politischer Hinsicht. In der ersten weil es den Süden vom Norden, den Osten vom Westen auf die heilsamste Weise trennt. Zu der Zweyten, weil es in seiner Verbindung unter sich, einen Rechtszustand darstellt, der jetzt mehr als ehemals für die Europäische Politik als Norm zu brauchen ist, weil er völkerrechtlich und nicht mehr staatsrechtlich ist. Deutschland kann in dem Europäischen Staatensystem deßhalb als der Kern angesehen werden, durch welche die Frucht Leben und Zusammenhang bekomt. Hierzu ist die Zulassung der fremden Gesandten am Bundestag unumgänglich nothwendig. Anstatt darin ein Mittel zur Spaltung der deutschen Einheit zu sehen, gewinnt vielmehr dadurch die Europäische und mit ihr auch wieder die Deutsche. Es ist durchaus nicht nachtheilig die Mittel und Gelegenheiten sich vielfältig zu besprechen und zu erklären, zu vermehren, und dieß geschieht durch die Ausdehnung des deutschen Congreßes zu einem europäischen. Sollte es auch nicht die bestimmte Absicht der europäischen Cabinette seyn, eine solche permanente Verbindung unter sich auf diesem Congreße zu schließen; so ist doch das Mittel vorhanden und man kann es benutzen wenn man will. Allerdings wäre es sanguinischen Hoffnungen sich überlassen, wenn man deßhalb an eine Beseitigung aller Händel durch Unterhandlung glauben wollte, wenn man dadurch die Kriege ganz zu vermeiden dächte. Allein im schwankenden Zustand des Völkerrechts, der, so lange als Menschen leben, nie seine Eigenschaft ändern wird, ist schon Annäherung an einen Rechtszustand unendlich viel werth. Einer der ersten Gegenstände in den auswärtigen Verhältnißen des Bundes ist also die Zulassung der fremden Gesandten. Sie sollte von den Schwächern und von den Stärkern gewünscht werden. Von den Schwächern, um nicht der Willkühr der Stärkern durch einseitiges Verhältniß zu ihnen, ausgesetzt zu sein, sondern durch die Fremden ein Ge-

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gengewicht zu bereiten. Von den Stärkern, um geheime und deßhalb dem Bunde viel gefährlichern Verbindungen der Schwächern mit den Fremden zu hindern. Die deutsche und die europäische Politik würden dadurch offenbar an Aufrichtigkeit und Rechtlichkeit gewinnen. Die militairischen Verhältniße des Bundes werden eine ganz besondere Aufmerksamkeit in zwey Beziehungen verdienen. Die erste geht aufs Ausland, die zweyte aufs Innere. Vor allem muß für den Schutz gegen Außen gesorgt werden. Das Maaß der Streitkräfte und die Vortrefflichkeit der deutschen Heere giebt hier allerdings vollkommene Sicherheit. Allein höchst wichtig ist die Erhaltung der Bundesfestungen fürs allgemeine deutsche Interesse, im Fall eines Kriegs. Die Möglichkeit, daß sie im Augenblick der Gefahr von den sie besetzenden Mächten, als die ihrigen und nicht dem Bunde angehörig ange­ sehen werden können, hebt schon zum Voraus die Eigenschaft der Bundes­ festung auf und macht sie für Deutschland ganz unnütz. Die Militairverfassung in Bezug auf das Innere ist nicht gleichgültig. Die Art der Formirung der Militairdistricte oder Kreise, zu der sich die Schwächern vereinigen müssen, hat den größten Einfluß auf ihre politische Existenz. In diesem Falle, und in der Wahl des Commandos für die Kreise oder Districte wird mit Sorgfalt ein leicht entstehendes Mißverhältniß der Macht unter den Bundesstaaten vermieden werden müssen. Die Vereinigung einer kleinen Truppe mit einer größern Armee, führt leicht zu einem Subjectionsverhältniße der Schwächern, das ganz gegen den Zweck des Bundes seyn würde. Endlich die inneren Verhältniße des Bundes. Es würde schwer seyn diese auf einem andern Wege, als auf dem der freyen Unterhandlung zu besorgen. Wo kein Souverain ist, ist auch keine Regierung, folglich ist auch eine eigentliche Administration der innern Bundesangelegenheiten nicht denkbar. Dagegen können auf eine sehr nützliche Weise gewiß nicht ohne Hoffnung einiges Erfolgs die Hauptgegenstände des Innern der Bundesversammlung zur Berathung übergeben und anvertraut werden. Diese würden vornehmlich seyn: 1) Die Bundesjustiz. Diese würde dreyfach seyn[:] Erstlich die Entscheidung in letzter Instanz der Rechtshändel der Unterthanen. Von vielen Seiten wird ein Bundesgericht nach der Analogie des alten Reichskammergerichts gewünscht. Es würde vielleicht nicht schwer seyn, die Uebereinkunft des 12ten Artikels der Bundesacte25 so auszudehnen, daß anstatt der Vereinigung einiger Häuser zu Gerichten dritter Instanz, alle mindermächtigen (unter 300 000 Untertha25 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513.

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nen) zu einem Gericht zusammenstießen. Dieß würde den Zweck des alten Reichskammergerichts erfüllen, indem die Mächtigern doch nie dem Bundesgerichte sich unterwerfen würden, da schon die Reichsverfassung ihnen das jus de non appellando26 zugestand. Wichtiger aber und schwieriger ist der zweyte Ressort der Bundesjustiz. Die Entscheidung der Fragen über die Hoheitsrechte, in Bezug auf Mediatisirte und landständische Verfassungen. Zu diesem Endzweck ein Bundesgericht zu errichten würde mit der größten Schwierigkeit verbunden seyn, zumal da die Bundesacte, wohl die Rechte der Mediatisirten bestimmt, und die Existenz der landständischen Verfassungen vorschreibt, aber durchaus gar keinen Recurs an den Bund deßhalb für die Unterthanen stipulirt. Es würde daher die Frage zu entscheiden seyn, wie weit die Bundesversamlung sich in die Vollziehung der Stipulation des 13. u. 14ten Artikels zu mischen hätte. Eine freye und aufrichtige Berathung deßhalb würde gewiß nicht schaden, und würde geheimen, nicht ohne üble Absichten unternommene Verbindungen und Hülfsleistungen den Weg versperren. Der letzte Ressort der Bundesjustiz ist die Entscheidung der Streitfragen unter den Staaten selbst. Hierüber bestimmt der 11te Art. Eine Ausbildung der Austrägalinstanz würde zu den besseren Zeichen der Zeit gehören, und das Fortschreiten zur größern Vollkommenheit bestimmen. Mit dem ernsten und aufrichtigen Willen, Ruhe und Glück augenblicklichen und vielleicht scheinbaren Vortheilen vorzuziehen, würde man diesem Ziele näherrücken. Vor allem aber müsste der Grundsatz unwandelbar feststehen, daß der kleinste Staat soviel Recht habe, als der größte, und daß Abwendung der mindesten Ungerechtigkeit Sache des Ganzen seyn müßte. Eine beständige Aufmerksamkeit auf die Politik und die offene und geheimen Unternehmungen aller deutschen Cabinette würde daher eben so nothwendig seyn, als zutraulige Mittheilung der gegenseitig drohenden Gefahr. 2) Bundesgesetzgebung. Die Bundesacte spricht allerdings von organischen Gesetzen. In wiefern diese bey einem freyen Staatenbund anwendbar sind, wird die Folge lehren. Doch wird es nicht an Gesetzen mangeln, wenn man die vielfältigen künf­ tigen Beschlüsse der Versammlung, und die über mehrere Gegenstände zu schließenden Conventionen mit aufrichtigen Absichten für verbindlich an­ 26 Das zunächst den Kurfürsten durch die Goldene Bulle (1356) zugestandene Recht, daß von ihren obersten Gerichten nicht wei­­ter (an Reichs­gerichte) appelliert werden konnte, wurde im Lau­fe der Zeit auch von den meisten größeren Landes­herrn er­langt, wenn auch vielfach nur als privilegium de non ap­pel­­lando limitatum, d. h. mit Beschränkung auf Sachen bis zu ei­nem gewissen Streitwert (summa appellabilis). Vgl. Ha­ber­kern/Wallach, Hilfswör­ter­buch für Historiker, S. 496.

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Friesens „Flüchtige Betrachtungen über den Deutschen Bund“

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sehen will. Sie werden dadurch zu Gesetzen. Sie werden einen völkerrechtlichen Codex bilden, und wenn sie nicht alle Händel verbannen, und zum Voraus schlichten, so werden sie viel vermeiden helfen. Wenigstens werden durch sie die Bande unter den verschiedenen Gliedern des Bundes vermehrt werden, und, wenn auch Spaltungen nicht zu hindern sind, die Gefahren für die Existenz weniger drohend werden. 3) Verfassung der katholischen Kirche. Diese würde eine besondere Aufmerksamkeit verdienen, und die Vollziehung des deßhalb abzuschließenden Concordats der Fürsorge der Bundesversammlung besonders zu empfehlen seyn. 4) Angelegenheiten verschiedener Art. Als Handel, Büchernachdruck, Preßfreyheit, Freyzügigkeit, Schiffarth, Münze, Maaß und Gewicht etc. etc. Diese Gegenstände würden ohne Schwierigkeit bey dem immerwährenden deutschen Congreß zu verhandeln seyn. Eine völlige Gleichförmigkeit deßhalb könnte ohne Nachtheil27 der Souveränität sämmtlicher Bundesstaaten statt, finden, ohne daß man hoffen dürfte, dieses Resultat auf einmal entstehen zu sehen. Allein auch hier müsste der Eifer dieselbe Sache wieder­hohlt der Berathung zu übergeben, nicht ermüden, und ein allmähliges Gelingen müßte uns mit neuen Hoffnungen für die Zukunft beleben. Was die Preßfreyheit anbelangt, so würde diese durch Emulation noch am ersten durch sich selbst zu erreichen seyn. Wenn wir von allen Täuschungen uns befreyen wollen, so müssen wir uns allerdings gestehn, daß in dem Verband des deutschen Vereins wenig Sicherheit zu erblicken ist. Der Mangel an Organismus ist nicht zu verkennen, und die Willkühr ist überall sichtbar. So ist es in der Wirklichkeit, und so müssen wir es ansehen, wenn wir nicht durch Wahn und Hoffnung getäuscht, den richtigen28 Weg zum Ziel verfehlen wollen. Allein mitten in diesen Betrachtungen drängt sich eine andre uns auf. Sie ist: wo würde uns das Streben nach einem größern Organismus hinführen? Diese Frage ist höchst wichtig und wird durch die Bemerkung zum Theil beantwortet, daß ohne Opfer der Souverainität der Organismus nicht denkbar ist, daß dieses Opfer nur von den Schwächern, und nie von den Stärkern gebracht werden würde, daß also der Verlust und der Gewinst dabey nicht für alle Theile gleich seyn, sondern für den Schwächern und Stärkern gerade im umgekehrten Verhältniße stehen würde. Wie weit würde es dann noch bis zur Universalmonarchie, oder bis zur Spaltung in zwey Hälften seyn? Und fehlt es ganz an Neigung dazu? 27 Emendiert. Vorlage: Nachttheil. 28 Emendiert nach Vorlage (b). Vorlage (a): wichtigen.

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In dem jetzigen Verhältniße des deutschen Bundes, wenn wir das Deutsche mit dem Europäischen zu verschmelzen suchen, ist ein weites Feld für den thätigen mit Kopf und Herz, handelnden Mann offen. Die Arbeit mag schwer seyn, das Resultat des Unternommenen oft ungewiß, aber, wenn man mit der Ueberzeugung sich begnügt, daß oft das Unerwartete heilsame Resultate darbietet, wenn man dasselbe zu benutzen nicht unterläßt, so wird die Arbeit gewiß nicht ohne Belohnung seyn. Vor allem ist es aber wünschenswerth und nothwendig, daß der Bundestag beginne. Die Annäherung der dabey Interessirten, die gegenseitigen Eröffnungen und die Erklärungen über manches Dunkle, werden vom größten Nutzen seyn, und viele Mängel aufdecken, die jetzt zwar gefühlt, über die aber nicht klar gesehen werden kann. Die Eröffnung der Versammlung, selbst wenn lange noch keine bestimmten, dem Publikum sichtbare Resultate erscheinen, wird große negative Vor­ theile haben. Das Geheimniß egoistischen Wirkens zum Nachtheil des Ganzen und Einzelnen, von dieser und jener Seite mag immerhin nicht ganz durchdrungen werden, so wird der Schleyer doch bey weitem durchsichtiger, wenn nur einmal gegenseitige und häufige Mittheilungen auf einer allgemeinen, u. regelmäßigen Versamlung ihren Anfang genommen haben.

11. Bergs „Über die Eröffnung der Bundesversammlung und die Präliminarkonferenzen“

StA Oldenburg, Best. 31-AB, Nr. B 1. Denkschrift. Reinschrift (= Anlage zum Bericht Bergs No. 42 an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-Oldenburg, Frankfurt am Main, 25. Juni 1816).

Die Eröffnung der Deutschen Bundesversammlung ist durch den Bundesvertrag selbst festgesetzt. Folglich konnte deren Aussetzung nur durch den vereinten Willen der Bundesgenossen, ausdrücklich oder stillschweigend, geschehen. Ausführliche Wiedergabe der Weisung Metternichs an den Präsidialgesandten Albini vom 21. November 1815 und der dargelegten Gründe einer abermaligen Verschiebung auf unbestimmte Zeit. Gegenposition Bergs: Die Eröffnung des Bundestags kann nicht von der Klärung sämtlicher Territorialfragen und vom Beitritt Württembergs zum Deutschen Bund abhängig gemacht werden. Nachdem in der Zwischenzeit die wichtigsten Territorialverhandlungen abgeschlossen oder ihrem Ende nahegebracht worden sind, ist nun der Zeitpunkt für die Abhaltung von Präliminarkonferenzen gekommen, auf denen folgende Gegenstände behandelt werden sollen: Tagungslokal, Feierlichkeiten bei der Eröffnung des Bundestags, Anzahl und Zeit der ordentlichen Sitzungen sowie die Ansetzung von außerordentlichen Sitzungen, Form des Geschäftsgangs, Propositisung, Protokollführung, on, Abstimmungsordnung, Stimmensammlung, Beschlußfas­ Entwerfung und Ausfertigung der Beschlüsse, Annahme der an den Bundestag gerichteten Schriften und deren Vorlage in der Bundesversammlung, Einrichtung der

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Bundestagskanzlei und -registra­tur. Aus den vorbereitenden Beschlüssen könnte eine Bundestagsordnung hervorgehen, die ein geordnetes Arbeiten des Bundestags ermöglichen würde und provisorischen Maßregeln vorzuziehen ist.

[Frankfurt am Main, 25. Juni 1816] Über die Eröffnung der Bundes Versammlung und die Präliminar ­Conferenzen Die Eröffnung der Teutschen Bundes Versammlung ist durch den Bundes Vertrag selbst festgesetzt.1 Die Aussetzung derselben konnte also nur durch den vereinten Willen der Bundesgenossen Statt finden, wie dies dann auch Theils ausdrücklich, Theils stillschweigend geschehen ist. Das letztere ist insonderheit der Fall seit dem 1ten December vorigen Jahrs wo Alle bei dem Resultate des von dem Fürsten von Metternich an den Herrn von Albini aus Paris am 21ten Novbr. erlassenen Schreibens2 sich beruhigt haben. In diesem Schreiben sind: folgende Gründe des Aufschubs angeführt: a) Die noch mangelnde Entscheidung aller Territorial-Angelegenheiten. Da einer der Hauptzwecke des Bundes sich auf die Unverletzbarkeit der einzelnen Teutschen Staaten beziehe; so sei es offenbar nothwendig, daß vor Eröffnung des Bundestags sämtliche Bundesglieder alle Territorial-Contestationen unter sich beendet haben, und daß die Gränzen jedes Teutschen Staats genau bestimmt seyn. b) Die noch rückständige Erfüllung der von mehreren Teutschen Fürsten durch die im Novbr. 1813 geschlossene Convention übernommenen Verbindlichkeiten.3 c) Der noch nicht erfolgte Beitritt einiger Fürsten zum Teutschen Bunde. Die Eröffnung der Bundes Versammlung – ihre Constituirung im eigentlichen Sinn und in der dem Zwecke entsprechenden Form – wird abhängig gemacht von der Hebung der angezeigten Anstände, also auf unbestimmte Zeit verschoben. Vorläufige Besprechungen der bereits anwesenden Bundestags Gesandten zur Vorbereitung der wirklichen Eröffnung des Bundestags wird dem ungeachtet für unbedenklich erklärt. Der Stoff dieser Besprechungen soll seyn: die materielle Einrichtung des Bundestags, das Ceremoniell, die Organisation des Büreaus und andre ähnliche Gegenstände. 1 Auf den 1. September 1815. Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512 (Artikel 9). 2 Vgl. Dok. 3. 3 Gemeint sind die sogenannten Frankfurter Akzessionsverträge vom November/Dezember 1813.

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Weil nun bei dem Inhalte dieses Schreibens alle Bundesglieder sich beruhigt haben, so ist es unstreitig als Norm in Beziehung auf die Eröffnung der Bundes Versammlung und der vorläufigen Besprechungen (Präliminar Conferenzen) zu betrachten; also wohl dazu geeignet, näher ins Auge gefaßt, und mit Rücksicht auf die gegenwärtige Lage der Dinge erörtert zu werden. Nur das vollkommenste Vertrauen in die an der Spitze des Teutschen ­Bundes stehenden Europäischen Mächte und insonderheit in den kaiserlich Oestreichischen Hof, und in die Person des Fürsten Metternich, der mit soviel Eifer und Klugheit für die Gründung des Bundes gearbeitet – nur dies un­ begränzte Vertrauen vermogte Besorgnisse zurückzuhalten, die eine nur zu allgemeine trübe nichts Gutes mehr hoffende Stimmung gar leicht aus jenem Schreiben hätte schöpfen können. Gesetzt, es wäre mit Mistrauen gelesen worden, hätte nicht schon der erste, für die Vertagung der Bundes Versammlung angeführte Grund den Zweifel rechtfertigen können, ob je der Zeitpunkt ihrer Thätigkeit kommen werde? Der Bund war geschlossen, der Bundes Vertrag hatte seine rechtliche Vollkommenheit erhalten[,] in demselben sind die Staaten aufgeführt, welche zu dem Bunde gehören sollen, und die Gränzen jedes dieser Staaten waren so, wie sie am 8ten Junius bestanden, durch die im 11ten Art. der Bundes Akte enthaltene Garantie sämtlicher unter dem Bunde begriffener Besitzungen hinreichend bestimmt und gesichert. Freiwillige oder von Zufällen in den regierenden Familien abhängige Territorial und Gränz Veränderungen blieben dabei immer möglich und sollte der Bundestag erst anfangen, wenn die Gränzen aller Bundesstaaten unabänderlich gesetzt sind, so kann er nie anfangen. Denn, wer wird auch für die Zukunft einzelne Gränz Veränderungen verbieten oder verhindern wollen? Wenn es auch bei der Errichtung des Bundes nicht unbekannt war, daß noch Territorial Verhältnisse zu berichtigen seyn; so ließ man sich doch dadurch nicht abhalten, die Eröffnung des Bundestags schon auf den 1ten Septbr. 1815 zu bestimmen, und ­dieser konnte sich allerdings nützlich beschäftigen, ja, schon durch seine ­Existenz zur allgemeinen Beruhigung beitragen, ohne daß er nöthig hatte, ­sogleich die Territorial Verhältnisse zu berühren. Mit der Bundes Matrikel wird man ohnehin nicht anfangen, und im Nothfall kann man provisorische Bestimmungen eintreten lassen, wie dies auch beim Ausbruch des letzten Kriegs geschehen ist. – Dieses, und noch manches Andere hätte der Mistrauische sagen können. Niemand dachte daran. Selbst die Äusserung in dem Schreiben des Fürsten von Metternich, daß die Berichtigung der Territorial Gegenstände im Laufe des December Monats ihrem Ende sehr nahe seyn würde4, wenn sie gleich auf einer nicht zuverlässigen Berechnung beruhete, 4 Vgl. Dok. 3.

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mußte jeden Verdacht eines bedenklichen Rückhalts der höhern Politik, entfernen. Man mußte die Sachen nehmen wie sie einmal waren. Wichtige Territorial Verhandlungen in Teutschland, hatte der Wiener Congreß unbeendigt gelassen, und schwerlich durfte man auf ein gutes Einverständniß aller Bundesgenossen rechnen, solange diese unerledigt blieben. Sollte nun der Bundestag in Unfrieden beginnen? Schon dies war hinreichend, um die Aufschiebung desselben zu rechtfertigen. Die Territorial Contestationen mußten vor allen Dingen beendigt werden. Schwerlich mögte es aber die Meinung des Fürsten von Metternich seyn, daß man unter der von ihm verlangten genauen Gränzbestimmung jedes Teutschen Staats, die Erledigung jedes geringfügigen, erhebliche Contestationen nicht veranlassenden Territorial Verhältnisses oder Anspruchs, oder die völlige Berichtigung aller Gränzen, oder die Befriedigung eines Jeden, der aus der Wiener Congreß Akte5 noch irgend einen Gebietstheil zu fordern hat, zu begreifen habe. Würde nicht sonst die Hartnäckigkeit einiger Wenigen oder eines Einzelnen, die Thätigkeit des Bundestags willkührlich hemmen können? Würden nicht sonst Schwierigkeiten die ein für das Ganze vielleicht unwichtiges Geschäft aufhalten; den Grund abgeben müssen, die Eröffnung des Bundestags ohne hinreichende Ursache immer weiter hinauszuschieben? Es scheint daher, daß die Acquiescenz6 aller Bundesgenossen bei dem Schreiben des Fürsten von Metternich kein Hinderniß abgeben kann, sich über die Eröffnung des Bundestags zu verständigen, auch wenn noch nicht alle Territorial Verhältnisse geordnet sind. Es wird nur darauf ankommen, zu erwägen, ob die noch unerledigte, Territorial Verhandlungen auf den Gang der Bundestags Geschäfte irgend einen nachtheiligen Einfluß haben können. In diesem Fall wird man am besten thun noch zu warten. Der zweite in dem Schreiben des Fürsten von Metternich angeführte Grund ist Vielen nicht verständlich gewesen. Er scheint mit den Territorial Contestationen zusammenzuhängen. Wenigstens mögte er ohne die Verbindung mit dem ersten Grunde wohl nicht für durchgreifend gehalten worden seyn, weil es die Absicht gewiß nicht seyn konnte, wegen der Saumseligkeit Einiger in Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten den ganzen Bund zu einer langen und beunruhigenden Unthätigkeit zu verurtheilen. Der dritte Grund trifft jetzt nur noch als einzige Würtemberg. Wollte man nun die Äusserung des Fürsten von Metternich: „die Bundesversammlung könne im eigentlichen Sinn, und in der zu dem Zweck entsprechenden Form 5 Die Wiener Kongreßakte vom 9. Juni 1815. Vgl. Acte du Congrès de Vienne du 9 Juin 1815, avec ses Annexes. 6 Einwilligung. Vgl. Heyse, Allgemeines verdeutschendes und erklärendes Fremdwörterbuch, S. 25.

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erst dann sich constituiren, wenn Alle in dem Schreiben erwähnten Anstände gehoben seyn“ – wörtlich nehmen; so läge das Schicksal des Bundes allein in den Händen des Königs von Würtemberg. Denn, was wäre der Bund ohne Organ? Hängt aber von dem Beitrit des Königs von Würtemberg die Constituirung der Bundes Versammlung ab, und unterbleibt dieser Beitrit fortwährend; so kann der Bund nicht in Wirksamkeit gesetzt werden. Um dies zu vermeiden, giebt es nur zwei Wege: – entweder, die Bundes Versammlung ohne Würtemberg zu eröffnen, oder dieses vorher zum Beitrit zu bewegen. Letzteres kann von den Mächten allein geschehen, oder durch den Bund. In diesem Fall würde aber nach den Vorgängen in Wien die Versammlung der Bundesgenossen durch ihre Stellvertreter nöthig seyn. Aus Allem diesen scheint nun soviel sich zu ergeben, daß, nachdem endlich die wichtigsten Territorial Verhandlungen beendigt, oder doch ihrem Ende nahe gebracht sind, der Zeitpunkt wol gekommen seyn mögte, wo die hier anwesenden Gesandten über die Eröffnung der Bundes Versammlung und die Entfernung der noch übrigen Anstände, besprechen und insonderheit die Veranlassung geben könnten, die Absichten des kaiserlich Oestreichischen Ministerii zu erforschen und demselben die Ansichten in Beziehung auf die Eröffnung der Bundes Versammlung, welche aus der Besprechung der Gesandten hervorgehen werden, vorzulegen, wobei es sich von selbst versteht, daß man jederzeit auf die Absichten und Wünsche der großen Cabinette, besonders des Oestreichischen, auch hiebei die gehörige Rücksicht nehmen wird. Die Präliminar Conferenzen werden daher schon in dieser Hinsicht mit wahrem Nutzen bald angefangen werden können, weil, selbst bei einem ­längern Aufschub der Bundes Versammlung die allgemeine Zufriedenheit dadurch gewiß befördert werden wird, daß man über die Gründe dieses Aufschubs sich gegenseitig verständigen und über die Mittel berathschlagt, die noch vorhandenen Hindernisse zu beseitigen. Es ist dies gewiß ein wichtiger Gegenstand jener Conferenzen, der nothwendig der Intention des Fürsten von Metternich entsprechen muß, da er so ganz wesentlich zur Vorbereitung der wirklichen Eröffnung des Bundestags gehört. Auch übrigens wird es in den Präliminar Conferenzen nicht an Beschäftigung fehlen, und mancher Gegenstand dürfte wohl Stoff zur Berichts Erstattung und dadurch den Beweis geben, daß man nicht zu früh angefangen habe, selbst wenn die Eröffnung des Bundestags noch einige Monate anstehen sollte. Bekanntlich gehen die Instruktionen nicht immer so schnell ein, als der es wünscht, der sie ­erwartet. Oben ist schon angedeutet worden, in wiefern der Beitrit Würtembergs gleichwohl ein Gegenstand vorläufiger Besprechung seyn könne? Daß er noch nicht erfolgt ist, soll die Constituirung der Bundes Versammlung hin-

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dern. Es wird gewiß zweckmäßig seyn, zu überlegen: wie dies Hinderniß zu heben, oder ob es nicht zu achten sei. Ebenso wird der Anstand, welcher aus der Nicht Erfüllung der von Einigen im Novbr. 1813 eingegangenen Verbindlichkeiten hingenommen ist, einige gemeinsame Erwägung verdienen, und die Minister der großen Mächte werden ohne Zweifel im Stande seyn, hierüber befriedigende Erläuterungen zu geben. Während man auf diese Weise den Weg zur Eröffnung der Bundes Versammlung bahnt, kann man zugleich mit andern vorbereitenden Gegenständen sich beschäftigen, als da sind: Lokal, Feierlichkeiten der Eröffnung des Bundestags, Zahl und Zeit der Sitzungen, ordentliche und ausserordentliche Sitzungen, Art der Ansage der Letzteren, Form des Geschäftsganges, Propo­ sition, Ordnung der Abstimmung, Stimmensammlung, Fassung des Be­ schlusses, Protokollführung, Entwerfung und Ausfertigung der Beschlüsse, Annahme der an den Bundestag gerichteten Schriften und deren Vorlegung, Einrichtung der Bundestags-Canzlei und Registratur etc. etc. Es ist einleuchtend, daß mehrere dieser Gegenstände wenig oder gar keine Schwierigkeiten darbieten. Man hält sich dabei genau an das Schreiben des Fürsten von ­Metternich, welches sehr richtig, alles was wesentliche durch die Bundes Akte bestimmte Gegenstände der Arbeiten der Bundes Versammlung betrifft, von den Präliminar Conferenzen ausschließt, in welche nur das gehört, was dazu beiträgt, und darauf sich bezieht, daß der Bundestag arbeitet, nicht aber das, was er zu bearbeiten hat. Aus den vorbereitenden Beschlüssen könnte eine Bundestags-Ordnung entstehen. Einige Gegenstände werden indessen schwerlich durch die Gesandten, ohne vorher eingeholte Instruktion, sofort zu erledigen seyn; wie z. B. die Art und Ordnung der Abstimmung, die zwar die Bundes Akte vorerst dem Zufall überläßt, wobei aber doch der Zufall nicht allein walten kann, ferner: die Entwerfung und Ausfertigung der gefaßten ­Beschlüsse, und deren Form; so wie die Frage von der Errichtung und Einrichtung einer Bundes Canzlei. Wenn man nun gleich hier mit provisorischen Maßregeln sich helfen kann, so wäre es doch gewiß angenehmer, wenn noch vor Eröffnung des Bundestags Alles gehörig geordnet würde.

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12. Entwurf eines Vertrags über eine Zusammenarbeit Preußens und Österreichs in Angelegenheiten des Deutschen Bundes

a) HHStA Wien, St. K., Deutsche Akten (neue Reihe), Kart. 78, Fasz. 104 (alt), fol. 17–20’. Vertragsentwurf. Abschrift. Anlage zum Bericht Buols an Metternich, Frankfurt am Main, 30. Juni 1816 (ebd. fol. 14–16’ u. 25)1. – b) GStAPK Berlin, III. HA, MdA  I, Nr. 1838, fol. 101–104’. Von Hardenberg paraphierter und abgeänderter Entwurf Hänleins (= Anlage zum Schreiben Hänleins an Hardenberg, Berlin, 10. Mai 1816, ebd. fol. 100). Druck: Pertz, Stein, Bd. 5, S. 94–98; Ilse, Geschichte der deutschen Bundesversammlung, Bd. 1, S. 674–677.

Die Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands sowie die Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der deutschen Staaten kann nur dann erreicht werden, wenn bei der Abfassung der Grundgesetze und organischen Einrichtungen des Bundes eine schnelle Einigung über kraftvolle Maßregeln zumal im Hinblick auf die Militärmacht des Bundes zustande kommt. Um lange und unnütze Erörterungen zu vermeiden, haben sich Österreich und Preußen auf folgende allgemeine Grundsätze über vordringlich zu regelnde Materien geeinigt, die sie mehreren vertrauten Höfen zur Zustimmung unterbreiten werden: 1. Aufteilung der Direktorialgeschäfte zwischen Österreich und Preußen, die schon bei Eröffnung der Bundesversammlung in Anwendung kommen soll. Preußen erhält als Kondirektor in Anlehnung an das ehemalige Reichserzkanzleramt v. a. das Recht der Protokollführung, der Abfassung und Ausfertigung der Bundesbeschlüsse; außerdem wird ein doppeltes Bundesarchiv bei beiden Bundestagsgesandtschaften eingerichtet. 2. Bildung eines Direktorialrats der größeren Bundesstaaten zur Vorberatung wichtiger Bundesangelegenheiten, zur Exekution von Bundesbeschlüssen und Übernahme von Kommissionsaufträgen. 3. Die Militärkontingente der kleineren und mittleren Bundesstaaten werden in Kriegszeiten unter den Oberbefehl Österreichs bzw. Preußens gestellt und übernehmen auch in Friedenzeiten jeweils deren Organisation. Die natürliche Einteilung Deutschlands in das nördliche und südliche Deutschland bildet dazu die vorläufige Basis. 4. Zuziehung von Generalstabsoffizieren der bedeutenderen Bundesglieder zu den Beratungen über die Bundesmilitärverfassung.

[Frankfurt am Main, 29. Juni 18162] Im Namen der allerheiligsten und untheilbaren Dreieinigkeit. Ihre Majestäten der König von Preußen und der Kaiser von Oesterreich haben erwogen, daß der bei dem deutschen Bunde zum Grund gelegte Zwek der Erhaltung der äußern und innern Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unverlezbarkeit der deutschen Staaten nur dann erreicht werden könne, wenn bei der Abfassung der Grundgesetze des Bundes und der Fest1 Dok. 13a. 2 Der Entwurf wurde dem Präsidialgesandten Buol offiziell am 29. Juni 1816 von Hänlein vorgelesen und zur Abschrift mitgeteilt (vgl. Dok. 13a). Eine Kopie hatte Hardenberg allerdings schon mit Schreiben, Glienicke, 19. Juni 1816, an Metternich übersandt und darin eine offizielle Übergabe des Konventionsentwurfs an Buol angekündigt (vgl. HHStA Wien, St. K., Diplomatische Korrespondenz: Preußen, Kart. 102, Fasz. 99 [alt], Konv. 4: Schreiben des Fürsten v. Hardenberg an den Fürsten Metternich 1816, fol. 3−3’). Die an Metternich übersandte Kopie fehlt in der Akte.

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setzung der organischen Bundes Einrichtungen solche Bestimmungen getroffen werden, welche zu einer schnellen Einheit kräftiger Maaßregeln führen, und die rasche Vereinigung und Leitung der dem Bunde zu Gebot stehenden Militair Macht auf die nöthigen Punkte möglich machen. Da aber nach der deutschen Bundes Acte da, wo es auf Annahme der Grundgesetze und auf organische Bundes-Einrichtungen ankommt, ein Beschluß nicht durch Stimmen Mehrheit, sondern nur durch einmüthige Vereinigung aller und jeder einzelnen stimmberechtigten Bundesmitglieder gefaßt werden kann3, so haben Ihre Majestäten, um mancherley lange und unnütze Erörterungen zu vermeiden, es für räthlich gehalten, Sich über einige allgemeine Grundsätze, welche nach der Natur der Sache vorzüglich hiebei in Berathung kommen müssen, vorläufig unter sich einzuverstehen, um alsdann mehrere vertraute Höfe zum Beitritt einzuladen, und so den Weg zu einer leichtern Vereinigung des allgemeinen Willens zu bahnen. Ihre Majestäten haben daher zu Ihren Bevollmächtigten ernannt, nämlich: Se Majestät der König von Preußen etc. und Se Majestät der Kaiser von Oesterreich etc. welche nach reiflicher Erwägung dieses Gegenstandes über folgende Punkte übereingekommen sind: 1. Eine der wesentlichsten organischen Bundes-Einrichtungen beruht auf der Bestimmung, wie es mit der Leitung der Bundes-Angelegenheiten und mit der Direction der Geschäfte des Bundestages gehalten werden soll? Wenn gleich alle Bundes Glieder als solche gleiche Rechte haben, so würde doch eine unter denselben einzuführende Abwechselung und Alternation in der Direction der Bundes-Angelegenheiten eine zu nachtheilige Verschiedenheit der Grundsätze hiebei veranlaßen, und einen gleich raschen und kräftigen Geschäftsgang zu sehr hindern, um darauf einzugehen. Es können daher nur einigen oder wenigen Gliedern die Leitung und die Direction der Bundes Angelegenheiten übertragen werden, und es ist billig und natürlich, daß die­ jenigen, welche am meisten zu den Lasten des Bundes beitragen, und dem Bunde durch ihre Macht den kräftigsten Schutz gewähren können, auch einen verhältnißmäßig vorzüglichern Antheil an der Geschäftsleitung nehmen. Diesemnach hält man es für zwekmäßig, daß mit dem, Oesterreich bereits zuge3 In Artikel 7 der Deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815 heißt es wörtlich: „Wo es aber auf Annahme oder Abänderung der Grundgesetze, auf or­ga­nische Bundes Einrichtungen, auf jura singulorum oder Religi­ons-An­gelegenheiten ankommt, kann weder in der engeren Versammlung, noch in Pleno ein Beschluß durch Stimmen Mehrheit gefaßt werden.“ Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511.

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standenen Vorsitz bei der Bundes-Versammlung und dem Vorzug der entscheidenden Stimme, bei vorhandener Stimmen Gleichheit, noch mehrere vorzügliche Directorial-Befugniße verbunden werden, z. B. das Recht, daß die Sitzungen der Bundes Versammlung, in sofern nicht von Seiten der Stadt Frankfurth ein schikliches Lokal dazu verschaft werden könnte, in dem Kayserl. Oesterreichischen Gesandtschafts Hôtel gehalten werden, das Recht der An- und Absagung der Sitzungen, das Recht, die Reihenfolge der vorzu­ nehmenden Materien nach gewissen darüber festzusetzenden allgemeinen Grundsätzen, zu bestimmen, das Recht, die Legitimationen der Gesandten zu prüfen, und solche nach richtig befundener Legitimation in die Bundes-Versammlung einzuführen. Ueber andere allenfalls dem Vorsitz noch anklebende Rechte behält man sich die weitere Vereinigung vor. 2. Dagegen soll der4 Antheil, welchen Preußen an dem Directorio zu nehmen hat, darinnen bestehen, daß ihm das Recht der Protocollführung, der Ab­ fassung und Ausfertigung der Bundes-Beschlüße, kurz alles dasjenige zukomme, was ehemals mit dem Reichs Erz Kanzler Amte verbunden war. Die Bundes Kanzley wird daher in dem Königl. Preuß. Gesandtschafts Hôtel seyn. Das Recht des Archivs soll sowohl Oesterreich als Preußen zustehen, mithin ein doppeltes Bundes-Archiv sowohl bei der Oesterreich. als Preuß. Gesandschaft existiren, welches zur Erleichterung der Geschäfte, zur sichern Controlle, und bei nicht vorherzusehenden Zufällen in jedem Fall größere Vortheile und Sicherheit gewährt. Das was hier unter Nr. 1 und 2 stipulirt ist, soll sogleich bei Eröfnung des Bundestages möglichst in Anwendung gebracht werden, mithin Preußen sogleich an den Directorial-Befugnißen Theil nehmen, ehe noch die organische Verfassung des Bundes näher bestimmt wird. 3. Um auch die mit einer verhältnißmäßig stärkern Population bei dem Bunde stehenden und durch einen größern Machtumfang ausgezeichneten Höfe einen billigen Antheil an den Directorial-Befugnißen nehmen zu laßen, will man sich mit denselben über die Bezeichnung der wichtigern und dazu ge­ eigneten Geschäfte einverstehen, um zu deren Vorberathung und weitern verfassungsmäßigen Einleitung, mit deren Zuziehung einen eigenen Directorial Rath zu bilden. Auch sollen vorzugsweise die allenfalls nöthigen Executionen der Bundes Beschlüße und die vorkommenden ordentlichen und außerordentlichen Commissions-Aufträge in Bundes-Angelegenheiten den gedachten 4 Emendiert. Vorlage: dem.

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Höfen übertragen werden, so wie es deren geographische Lage und sonstige Verhältniße räthlich machen werden. 4. Die Erfahrung der beiden lezten Feldzüge gegen Frankreich in Vergleichung der Operationen der ehemaligen deutschen Reichs Armée hat es zur Genüge dargethan, daß durch Truppen, welche aus so vielerley größern und kleinern Contingenten zusammengesezt sind, große und entscheidende Resultate nur alsdann bewürkt werden können, wenn solche Truppen nicht in zu kleine Corps vereinzelt, in ihrer ganzen Einrichtung nicht zu verschieden organisirt, und in jedem Fall nur einem Oberfeldherrn und wenigen Unterbefehlshabern untergeordnet werden. Um diese Grundsätze, ohne welche der Hauptzweck, die Sicherheit Deutschlands, nicht erreicht werden kann, auf das deutsche Bundesheer in Anwendung zu bringen, ist es erforderlich, daß diejenigen Bundesglieder, deren Contingente nicht stark genug sind, um eigene Corps formiren, und als solche agiren zu können, sich patriotisch entschließen, ihre Truppen, wie es in den lezten Feldzügen geschehen, zu den Preußischen und Oesterreichschen Heeren stoßen zu laßen, solche deren Oberbefehlen unterzuordnen, und die Organisation derselben auch in Friedenszeiten hiernach einzurichten. Welche einzelne Bundes Contingente mit den Oesterreichschen oder Preußischen Heeren vereinigt werden sollen, darüber wird man sich nach der geographischen und militairischen Lage der Bundesstaaten besonders einverstehen. Die natürliche Eintheilung von Deutschland in das nördliche und südliche und der Vorgang der lezten Feldzüge können hierbei als eine vorläufige Basis angenommen werden. 5. Alle nähere Bestimmungen hierüber, welche zur organischen Einrichtung der militairischen Verhältniße des deutschen Bundes gehören, sollen nach Artikel 10 der Bundes Acte5 als das erste Geschäft der Bundes Versammlung sogleich nach deren Eröfnung festgesezt werden. Beide paciscirende Mächte wollen hierzu Offiziers aus ihren Generalstäben an die Bundes-Versammlung absenden, mit deren Zuziehung diese wichtige Angelegenheit berathen und beschlossen werden soll, auch wollen Sie diejenigen ersten Bundesglieder, welche eine bedeutendere Militairmacht unterhalten, zu gleicher Abordnung solcher Militair-Bevollmächtigten einladen. 6. Die nach den vorstehenden Artikeln an Oesterreich und Preußen einzuräumenden Befugniße in Absicht der obern Leitung der Bundes Angelegenheiten und des deutschen Militair-Wesens sind zu sehr in der Billigkeit gegründet, 5 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512.

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und zugleich für die Existenz und das Bestehen des deutschen Bundes und die Erreichung der Hauptzwecke desselben, zu nothwendige und wesentliche Bedingungen, als daß man nicht das Einverständniß sämtlicher Bundesglieder hierüber mit Recht hoffen könnte.6 Dieser Vertrag soll zweifach ausgefertigt, ratificirt, und sonach den vertrauten Höfen mit der freundschaftlichen Einladung zum Beitritt mitgetheilt werden. So geschehen etc.10 7 6

In Vorlage b) folgt eine vermutlich von Hardenberg gestrichene längere Passage: „Diese Befugnisse umfassen aber zugleich alle diejenigen Vorrechte, welche einem Oberhaupt oder Vorsteher des Bundes im wesentlichen zukommen müßten, und befriedigen also, ohne den Namen davon, ein Erfordernis, welches, nach dem ziemlich allgemeinen Gefühl, dem teutschen Bunde bisher noch abgeht, indem ein Staatenbund ohne Haupt sich leichter auflößt, und alle ähnliche Verbindungen ein Haupt an ihrer Spitze haben. Bey dieser Lage der Dinge, und da früher die Mehrheit der teutschen Fürsten den Wunsch für die Wiedereinführung der teutschen Kayserwürde laut und öffentlich ausgesprochen hat, dieser Wunsch auch neuerlich von mehrern Seiten wiederholt worden ist, sind beyde pacisirende Mächte, wenn die Mitglieder des teutschen Bundes ferner von diesem Wunsch beseelt seyn, und es den Verhältnissen angemessener erachten sollten, die obengedachten Direktionsbefugnisse an die Würde eines förmlichen Bundeshauptes geknüpft zu sehen, nicht abgeneigt, jenem Wunsche unter gewissen Modificationen nachzugeben.

7. Sie haben aber auf diesen Fall beyderseits im Voraus verabredet und beschlossen, die Stelle eines Bundeshauptes nur gemeinschaftlich in der Art zu übernehmen, daß, ohne die Einheit in der Form zu verletzen, die Vorrechte und Obliegenheiten dieser Würde nach einem schiklichen Verhältnis unter ihnen abgetheilt werden. Die zwekmäsigste Abtheilung scheint aber die in den vorstehenden Artikeln bereits angegebene zu seyn, und über einen anpassenden Titel der beyden Bundesoberhäupter, zu welchem die Mitglieder des Bundes nicht in dem ehemaligen teutschen Reichsverhältnis der Unterthanen, sondern in dem der Mitstände stehen, würde man sich wohl freundschaftlich vereinigen können. 7Seine Majestät der Kayser von Oesterreich würde als oberstes Bundeshaupt den Titel eines erblichen Kaisers von Teutschland, und Seine Majestät der König von Preußen als zweyter Bundes Vorsteher den Titel eines erb­lichen Königs von Teutschland annehmen. Ersterer würde in jener Eigenschaft das natürliche Haupt des teutschen Bundesmilitärs seyn, lezterer würde gleiche Stelle als Vicarius perpetuus8 des Kaysers im nördlichen Teutschland ausüben.7 Das auf diese Weise bestimmte Verhältnis 9der teutschen Kayser- und Königswürde9 scheint allen Forderungen, die man für den Zwek die Festigkeit und Dauer des Bundes machen könnte, vollständig zu genügen, ohne die Rechte der übrigen Bundesglieder oder die Unabhängigkeit ihrer Staaten zu verletzen, welche vielmehr gegen jeden innern und äusern Angriff um so nachdrüklicher zu schützen, Sich beyde Hohe Mächte als gemeinschaftliche Vorsteher des teutschen Bundes um so pflichtmäsiger berufen fühlen würden.“ 7–7 In Vorlage b) zunächst gestrichen. 8 Lat.: Ständiger Vertreter. Vgl. Haberkern/Wallach, Hilfswörterbuch für Historiker, S. 642. 9–9 In Vorlage b) zunächst gestrichen. 10 In Vorlage b) folgt am Ende die eigenhändige Paraphe Hardenbergs: „H[ardenber]g“.

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HHStA Wien, St. K., Deutsche Akten (neue Reihe), Kart. 78, Fasz. 104 (alt), fol. 14–16’ und 25 (a) sowie fol. 21–24’ (b). a) Bericht. Behändigte Ausfertigung; b) Gutachtliche Bemerkungen Friedrich von Schlegels. Reinschrift. Teildruck: Bleyer, Friedrich Schlegel am Bundestage, S. 152−154 (= Anlage).

[a) Bericht] Vertrauliche Unterredung mit Hänlein, der ihm einen Konventionsentwurf präsentiert habe, der eine förmliche Zusammenarbeit Preußens und Österreichs am Bundestag und eine Beteiligung Preußens an der Leitung des Deutschen Bundes vorsehe. Darin offen zutage tretende Herrschaftsabsichten Preußens. Drohender Vertrauensverlust Österreichs bei den übrigen Bundesstaaten, wenn es auf den preußischen Vorschlag eingehe. Ankündigung, die übrigen Bundestagsgesandten über die preußischen Pläne zu unterrichten. Verzögerung der Einberufung von Präliminarkonferenzen. Übersendet in Anlage Bemerkungen des Legationsrats von Schlegel über den preußischen Konventionsentwurf.

No. 65a



Frankfurt am Main, 30. Juni 1816

Durchlauchtig-Hochgeborner Fürst! Der endlich gestern Abends aus Berlin hier eingetroffene Preußische Gesandte, Herr von Haenlein, hat mich sehr bald nach seiner Ankunft besucht, und nach einer Menge Versicherungen des unter unsern Höfen bestehenden besten Einvernehmens, so wie der innigen gegenseitigen Überzeugung, daß nur dadurch bey dem Bundestage etwas wesentlich Gutes für Deutschland geleistet werden könne, den Eingang seiner alles dieses bestätigenden Instruktionen vorgelesen; nach diesem Eingange wird die Behauptung aufgestellt, daß der Bund durchaus mehrere Vorsteher haben müßte, und daher vorzüglich Preußen, welches sich in Deutschland ganz auf derselben Linie mit Österreich finde, Bedacht zu nehmen hätte, das Recht und die Ausübung dieser nothwendigen Leitung zu theilen. Hier unterbrach Er die Vorlesung, um mir zu sagen, Er wolle mir alles mit einmahl eröffnen: Er wäre beauftragt mir ein Projekt einer Konstitution, welches Eurer Fürstlichen Gnaden sonder Zweifel schon unmittelbar durch den Fürsten von Hardenberg zugesandt worden seyn werde1, gleichwohl zur Einsendung und Unterstüzung bey meinem allerhöchsten Hofe mitzutheilen, deren Abschließung der König sehnlichst wünschte und eben so sehr als den unzweideutigsten Beweiß der Freundschaft Seiner Kaiserlichen Majestät ansehen würde, als wenig Er zweifelte, daß Wir alsdann den Bundestag ganz in unsern Händen haben würden. Herr von Haenlein fuhr fort, Er wolle mir nicht bergen, (davon mögte ich aber in meinem Berichte 1 Vgl. Dok. 12, Anm. 2.

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keinen Gebrauch machen) daß der König noch nicht von aller Empfindlichkeit wegen der Vereitlung seiner Absichten auf Sachsen geheilet wäre, – in der diesseitigen Zustimmung zur vorgeschlagenen Übereinkunft aber einen so redenden Beweiß der aufrichtigsten Gesinnungen Seiner Majestät des Kaisers erhalten würde, daß andurch auch die leiseste trübe Rückerinnerung für immer verscheucht bleiben würde; Er widerholte dieses zweimahl, und jedesmahl mit dem Zusaze, daß der König ein ganz eigenes persönliches attachement für den Kaiser von Rußland hätte. – Er las mir hierauf den in Abschrift hier nebengehenden Entwurf der Konvention2 vor, und erneuerte sein inständigstes Ersuchen um schnelle und beyfällige Hinbegleitung. Ich versprach die schnelle, hiemit bewürkt werdende Unterlegung, verbarg aber dem Herrn von Haenlein nicht, daß ich mir dabey nicht erlauben würde, dem Urtheile meines allerhöchsten Hofes auch nur im mindesten vorzu­ greifen; durch meine Instruktionen auf das bestimmteste an die pünktliche Haltung des Grundvertrages des deutschen Bundes3 angewiesen, könnte ich nicht einmahl auf mich nehmen die Voraussezung einer einseitigen Befugniß der Höfe, davon abzugehen, zu theilen; ich wollte mich daher nur dahin beschränken, Ihn zu bitten, sich versichert zu halten, daß ich jede Weisung, welche mir auf seine Eröffnung zugehen würde, mit derselben gewißenhaftesten Pünktlichkeit befolgen werde, mit welcher ich mich biß dahin den bißherigen unverbrüchlich nachzukommen verpflichtet fühlte. Es kann wohl nichts abstechenderes als die in unserer „Ansicht des deutschen Bundes“4 überall ausgesprochene höchste Mäßigung, und die in diesem Konventions-Entwurfe (über dessen erste Spuren ich schon unterm 28. vorigen Monates No 48 einzuberichten unversäumte5) überall hervorstechende Herrschsucht geben. – Nach den einhelligen Äußerungen aller Gesandten scheuet man nichts mehr als das Gelingen dieses Preußischen – mehr oder weniger von Allen stets auf das ängstlichste besorgten Strebens; wenn Wir dazu behülflich seyn wollten, so wäre es wohl, allem Anscheine nach, um das ganze Vertrauen in Uns geschehen. So höchst gerecht aber auch eben darum unsere gänzliche Ableitung dieses ganz unversteckt äußerst weit gehenden Strebens des Berliner Hofes erscheinen müßte, so unausbleiblich würde doch die nächste Folge davon eine immerwährende Opposition dieses Hofes seyn, denn ich glaube, daß nichts anderes unter der Äußerung des Herrn von Haenlein verstanden werden kann, daß auf den Fall, wo der Antrag seines Hofes den gewünschten Eingang nicht finden sollte, der König offenbar wenig oder 2 Dok. 12. 3 Die Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815; vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1503−1518. 4 Vgl. Dok. 4b. 5 Vgl. HHStA Wien, St. K., Deutsche Akten (neue Reihe), Kart. 85, Fasz. 115 (alt), fol. 120−121.

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kein Intereße an dem Bunde nehmen könnte, – wenn diese Ableitung nicht sehr schönend modifizirt würde, welches sich etwa füglich durch die einfache Erklärung der unerläßlichen Erforderniß, nicht ohne Einverständniß der wichtigern Höfe voranzugehen, erzielen liese. Ich sehe bey dieser Lage nicht ab, wie an die Bestimmung des Tages zur feierlichen Eröffnung des Bundestages noch zur Zeit nur gedacht werden könne, und glaube vielmehr mich mit dem Freiherrn von Wessenberg, den ich seit der Ankunft des Herrn von Haenlein, seiner überhäuften Dienstgeschäfte wegen, noch nicht sprechen konnte, darüber einverstehen zu sollen, auch die vorbereitlichen Konferenzen, auf deren Haltung seit einiger Zeit gedrungen worden ist, noch unbestimmt aussezen zu machen, worum ich selbst von ­Allen sehr gebeten werden würde, wenn Freiherr von Wessenberg es gerathen finden sollte, daß den Gesandten auch nur ein leiser Winck über den betreffenden Antrag einer Veränderung in der Leitung des Bundestages gegeben würde; aber auch ohne einen solchen Winck wird sich der ganze künftige Monat, unter dem Vorwande der hier und in Kassel zu treffenden häußlichen Anordnungen des Herrn von Haenlein, gewinnen lassen ohne eine Konferenz zu halten; – im erstern Falle, wenn nämlich die Gesandten nur in einige Kentniß der Preußischen Absicht gesezt werden sollten, würden es alle als einen eigenen tröstlichen Beweiß Eurer Fürstlichen Gnaden so hochverehrten ­Theilnahme an dem Ganzen dankbarst erkennen, wenn Hochdieselbe sich ­bewogen fänden, mich alsbald zu Sich zu berufen und mir unmittelbar Ihre hohen Befehle zu ertheilen. Freiherr von Wessenberg, welcher mich eben verlassen – und diesen gehorßamsten Bericht eingesehen hat, ist vollkommen der Meinung, daß die Gesandten von dem Vorhaben des Preußischen Hofes die Direktorial-Leitung wesentlich zu theilen, in Kentniß gesezt – und dadurch veranlaßt werden, vor’s erste von allem voreiligen Beginnen abzustehen. Da Herr von Haenlein sich selbst vornimmt, sie über ihre diesfälligen Gesinnungen zu sondiren, so wird die diesseitige, ihrem bisher bezeigten gleich ausgezeichneten Zutrauen und Anhänglichkeit ohnehin gebührende Eröffnung nur um so unverfänglicher seyn. Ich habe annoch die Ehre, in der zweiten Anlage eigene, auf meine Veranlaßung von dem Herrn Legationsrathe v. Schlegel verfaßte Bemerkungen über den vorliegenden in der That höchst befremdlichen Preußischen Versuch, er mag der Form oder der Sache nach betrachtet werden, ehrerbiethig zu unterlegen. Genehmigen Euere Fürstliche Gnaden die Versicherung meiner tiefen Verehrung G. v. Buol Schauenstein

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[b) Anlage: Schlegels Bemerkungen über den preußischen Konventionsentwurf, die Einrichtung des Deutschen Bundes betreffend] Allgemeiner Wunsch nach einer Vervollkommnung und Konsolidierung des Deutschen Bundes. Wenn einige der vorzüglichsten Mitglieder des Bundes darüber in vorläufige Beratungen träten, sei das unbedenklich und der Sache sogar dienlich. Dabei müsse aber mit der möglichsten Schonung der feierlich unterzeichneten Bundesakte verfahren und die Vervollkommnung und Kon­solidierung des Bundes auf dem in der Bundesakte vorgezeichneten konsti­tutionellen Weg eingeleitet, der Grundvertrag selbst aber keineswegs gleich wieder umgestoßen oder umgangen werden. Sofern eine solche vorläufige Beratung in einen förmlichen Traktat münden solle, dürfte es ratsam sein, gleich zu Anfang wenigstens Hannover als die zweite Hauptmacht im nördlichen Deutschland mit einzubeziehen und wenn möglich auch die Zustimmung Bayerns dafür zu gewinnen. Ablehnung des preußischen Konventionsentwurfs, der den Eindruck erwecke, beide Großmächte strebten eine Diktatur über die anderen Bundesstaaten an. Das von Preußen geforderte Kondirektorium führe nur zu einer Verwirrung in der Geschäftsführung, sei der Stellung Österreichs im Bund abträglich und den Wünschen aller übrigen deutschen Staaten diametral entgegengesetzt. Mit dem vorgeschlagenen Direktorialrat der größeren Bundesstaaten knüpfe Preußen an Pläne an, die bereits auf dem Wiener Kongreß abgelehnt worden seien.

Bemerkungen über den Königl. Preußischer Seits in Vorschlag gebrachten Traktat, die Einrichtung des deutschen Bundes betreffend. Das Bedürfniß einer festeren Consolidirung des deutschen Bundes wird fast einstimmig gefühlt und zugestanden; den Wunsch darnach haben schon bey der Unterzeichnung der Bundes-Akte mehrere Schluß vota deutlich und entschieden ausgesprochen.6 Daß einige von denjenigen Mächten, deren Stimme von vorzüglichem und entscheidendem Gewicht in Deutschland ist, über diese gewünschte festere Consolidirung des deutschen Bundes vorläufig unter sich in ein näheres Einverständniß träten, dagegen läßt sich auch an sich nichts einwenden, vielmehr dürfte dies zu einer glücklichen Einleitung der ganzen Sache sehr dienlich seyn.

6 Vgl. z. B. QGDB I/1, Dok. 248, Anlage 6, S. 1481 (Hannover) und Dok. 249, Anlage 10, S. 1502 (Preußen).

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Nur müßte 1) dabey mit der möglichsten Schonung der einmahl feyerlich unterzeichneten und unter die Congreß-Beschlüße aufgenommene Bundesakte7 verfahren und müßten alle Mittel einer weiteren Vervollkommnung und Consolidirung des Bundes auf den in der Bundes-Akte selbst angedeuteten oder doch freygelassenen constitutionellen Wegen eingeleitet, der Grundvertrag selbst aber keineswegs wieder gleich umgestoßen oder ganz umgangen werden. 2) Würde es, wenn eine solche vorläufige Berathung als ein förmlicher Traktat allein zwischen den zwey Hauptmächten des deutschen Bundes abgefaßt werden sollte, nur den Schein erregen, als wollten diese eine eigentliche Diktatur über die sämtlichen anderen deutschen Staaten einleiten und an sich reißen. Fände man es nun auch zweckgemäß, eine solche vorläufige nähere Verabredung und gemeinschaftlichen Behandlungs-Entwurf der deutschen BundesAngelegenheiten in Gestalt eines förmlichen Traktats abzufaßen, so dürfte es desfalls sehr rathsam seyn, gleich Anfangs wenigstens Hannover als die zweyte Hauptmacht im nördlichen Deutschland mit zu diesem Traktate herbeyzuziehn, und wo möglich noch vor dem Abschluß wenigstens auch der Zustimmung von Baiern sich zu vergewißern. Ein vorläufiger Traktat, wie der gegenwärtig vorgeschlagene zwischen den zwey deutschen Hauptmächten allein abgeschlossen, würde den Schein einer doppelten Diktatur unvermeidlich an sich tragen, auch würde dadurch schon ipso facto8 das Preußische Condirektorium auf eine Weise constituirt werden, welche mit dem Sinne der Bundes-Akte in offenbarem Widerspruche, den Wünschen und der Meinung aller übrigen deutschen Mächte diametral entgegen gesezt und auch dem wohlverstandenen Interesse Österreichs durchaus nicht angemeßen seyn würde. Über die einzelnen Punkte des Vorgeschlagenen Traktats bieten sich noch folgende Erinnerungen dar. Bey der in § 1 und § 2 in Vorschlag gebrachten Theilung der DirektorialVorrechte würde Österreich fast nur darauf beschränkt werden, die bloßen honores9 eines inhaltleeren Präsidiums beym Bunde zugewiessen, und für Preußens Vortheil besorgen zu müßen, dem nach diesem Vorschlage alle reellen 7 Die Artikel 1−11 wurden in die Wiener Kongreßakte vom 9. Juni 1815 aufgenommen und die Deutsche Bundesakte damit der Garantie der europäischen Großmächte unterstellt. Vgl. Acte du Congrès de Vienne du 9 Juin 1815, avec ses Annexes, S. 45−52 (Artikel 53−64). 8 Lat.: durch die Tat selbst. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 151. 9 Lat.: Ehren.

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und wahrhafte Macht und Einfluß gebenden Vorrechte fast ausschließend anheim fallen würden. Aus der übrigens ganz bey Seite gelegten und erloschenen alten Reichs­ verfaßung einzig die Reichs Erzkanzler-Würde herausreissen, diese allein beybehalten und ihre Vorrechte für Preußen vindiciren zu wollen, ist eine ganz unhaltbare Idee. So wenig Österreich auf ein vorherrschendes Direktorium Anspruch macht, so dürfen doch auch die in dem ihm einmahl beigelegten einfachen Praesidio der Natur der Sache nach liegenden wesentlichen Bestandtheile nicht wieder davon abgerißen oder auf eine Weise zertheilt und zerspalten werden, die praktisch ja nicht ausführbar ist, und nur Verwirrung herbeyführen würde. Warum soll, und wie kann der Sitz der Bundeskanzley ein anderer seyn, als der [der] Bundes-Conferenzen? Auch die Protokollführung läßt sich nicht wohl trennen von dem „Rechte, die Reihe der vorzunehmenden Materien nach gewißen darüber festzusetzenden Grundsätzen zu bestimmen“10 – Soll eine Art von Controlle oder Mit-Aufsicht für das Bundes Archiv und selbst für das Protokoll stattfinden, so müßte dieselbe wohl eher dem gesammten Bunde zustehen, und von ihm ausgeübt werden, als von einer einzelnen zweyten deutschen Macht. Wollte aber Österreich auch auf alle, selbst die durchaus unumgänglichen und wesentlichen Vorrechte des Präsiduums Verzicht leisten und in allen Punkten Preußen gänzlich nachgeben; so dürfte damit die Schwierigkeit noch gar nicht gehoben seyn. Ein solches Condirektorium Preußens, wie es sich in § 1 und 2 so unverhohlen ausspricht, würde bey allen andern deutschen Mächten den lautesten Widerspruch finden, und würde wenn man es gewaltsam durchsetzen wollte, wahrscheinlich zu einer völligen Auflösung des Bundes führen. In diesem Zusammenhange und in dieser Modalität dürfte der § 3 auf­ gestellte Direktorialrath selbst bey den Mächten des zweyten Ranges in Deutschland, welche dadurch begünstigt werden sollen, schwerlich die gewünschte Zustimmung erhalten. Es bedarf übrigens kaum einer Erinnerung, daß in diesem hier vorgeschlagenen Direktorialrathe das ganze System der alten Preußischen Central-Ideen von Kreis-Direktorien, einem deutschen Vollziehungsrathe u.s.w.11 die auf dem Wiener Congreß verworfen wurden, 10 Vgl. Dok. 12, S. 75. 11 Vgl. QGDB I/1, Dok. 31, S. 179−189 (Hardenbergs „41 Artikel“, 1. Fassung), Dok. 34, S. 201−214 (Hardenbergs „41 Artikel“, 2. Fassung), Dok. 58, S. 365−370 („Zwölf Artikel“), Dok. 150, S. 907−934 (Humboldts „Entwurf einer deutschen Bundesverfassung mit einer Einteilung Deutschlands in Kreise“, 1. Fassung) und Dok. 178, S. 1068−1099 (Humboldts „Entwurf einer deutschen Bundesverfassung mit einer Einteilung Deutschlands in Kreise“, 2. Fassung).

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beschloßen liegt. Die in § 4 und § 5 über die Militärverfaßung enthaltenen und angedeuteten Vorschläge mögen zum Theil sehr wohlgemeint und dem Zwecke angemeßen seyn. Gewiß ist nothwendig, daß diese Gegenstände bey der organischen Gesetzgebung nach Art. X12 zugleich mit den auswärtigen und innern Verhältnißen näher bestimmt werden. Wollte man aber der ohnehin durch die Bundesakte bestimmten Berathung darüber gleich jezt in einem einseitig aufgefaßten Traktat vorgreifen, so würde dieses das Mistrauen gegen die beiden Hauptmächte und die Furcht vor einer gedoppelten Diktatur nur erhöhen. Das Resultat dieser Bemerkungen in Beziehung auf die Gesamtheit des in Vorschlag gebrachten Traktats dürfte demnach seyn: 1. Daß wenn man auch die vorläufigen engeren Berathungen über die weitere Consolidirung des deutschen Bundes zu einem förmlichen Traktat gedeyhen laßen will, es doch nicht rathsam seyn dürfte, diesen Traktat einseitig mit Preußen allein abzuschließen, sondern daß man wenigstens Hannover gleich mit herbeyziehen, und wo möglich auch Baiern dazu gewinnen sollte. 2. Daß man bey allen zur weiteren Consolidirung des deutschen Bundes zu ergreifenden Maaßregeln und zu treffenden Verabredungen den konstitutionellen, durch die Bundesakte selbst theils vorgezeichneten, theils wenigstens offen gelaßenen Weeg so wenig, als irgend möglich verlaßen möge. 3. Daß Österreich die in dem einfachen Präsidium durchaus wesentlich und natürlich liegenden Vorzüge um so weniger aufgeben dürfe, wenn man dieselben, in weitaussehender Absicht – einseitig angreifen will; da sie ohnehin an und für sich so gering sind, daß sie gegründeter Weise weder Mistrauen, noch Eifersucht erregen können.



Wilhelm Freiherr von Humboldt (1767–1835), preußischer Staatsmann und Gelehrter, ab 1797 Studium der Rechte in Frankfurt/Oder und Göttingen, 1790 Referendar am Kammer­ gericht in Berlin, 1791 Titel als Legationsrat und Ausscheiden aus dem Staatsdienst, 1801 Geheimer Legationsrat und Geschäftsträger, 1804 Ministerresident und 1806 bevollmächtigter Minister am päpstlichen Hof in Rom, 1809 Geheimer Staatsrat, 1809/10 Leiter der Sek­ tion für Kultus und Unterricht im Innenministerium, 1810–1816 Gesandter in Wien, 1814/15 Zweiter Bevollmächtigter auf dem Wiener Kongreß, 1816 Mitglied der Territorial­ regulierungskommission in Frankfurt und interimistischer Bevollmächtigter beim Deutschen Bundestag, 1817 Mitglied des Staatsrats, 1817/18 Gesandter in London, Januar 1819 Minister für ständische und kommunale Angelegenheiten, Dezember 1819 Dienstentlassung. Vgl. ADB, Bd. 13, S. 338–358; NDB, Bd. 10, S. 43–51 Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 334 f.; Sweet, Wilhelm von Humboldt. 12 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512.

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14. Berstett1 an Großherzog Karl von Baden2

GLA Karlsruhe 48/1438. Bericht. Behändigte Ausfertigung.

Plessen und Berg drängen auf den Beginn von Präliminarkonferenzen. Desinteresse Bayerns am baldigen Zusammentritt des Bundestags. Bayern hofft durch Anschluß an Preußen auf Verwirklichung seiner Territorialforderungen zu Ungunsten Badens. Interesse Badens an einer schleunigen Eröffnung des Bundestags. Erbittet diesbezügliche Instruktionen.

Frankfurt am Main, 1. Juli 1816 Durchlauchtigster Grosherzog. Nach nunmehr erfolgten Ankunft des k. Preußischen Ministers Frey. von Haen­lein ist endlich der Fall eingetreten auf welchen ich in mehreren meiner früheren unterthänigsten Berichte hingedeutet habe, und wegen welchem ich öfters und angelegentlichst um Instruction bitten zu müssen glaubte. – Die meisten der hier anwesenden H. Minister sind nemlich zusammengetreten und im Begriff eine Note an die Oestereichischen und Preussischen Bundesgesandten aufzusezen und circuliren zu lassen, in welcher dieselben aufgefordert werden sollen, ohne weiteren Verzug die Präliminar-Conferenzen zu beginnen. – Frey. von Plessen der Groshz. Mecklenburgische und H. von Berg der Groshz. Oldenburgische Gesandte sind die Wortführer bey dieser Ange­ legenheit. – Ersterer gieng auch den Grafen von Rechberg an, um denselben zur Mitwirkung und Theilnahme an diesem Schritte zu bewegen, allein er verweigerte eine solche und fügte hinzu sein Hof habe kein Interesse an der schleunigen Eröffnung des Bundestages, und er für seine Person würde sich, im Fall er aufgefordert würde seine Meinung zu erklären, ganz den Ansichten Preußens anschließen. – Somit bestätigen sich meine früheren Angaben über das Baierische System, allein eben so klar ist auch die Ursache einer solchen Politik. – Baiern hofft durch Mitwirkung zu den Preussischen Plänen sich die Unterstüzung des leztgedachten Hofes bey seinen beabsichtigten Territorialveränderungen zu erwerben, und scheint geneigt auf Unkosten Euer könig­ lichen Hoheit in der vorliegenden Sache seine Willfährigkeit an Preußen 1 Wilhelm Ludwig Leopold Reinhard Freiherr von Berstett (1769–1837), badischer Staatsmann, diente nach kurzem Studium in Straßburg zunächst 1792–1804 im österreichischen Heer, 1809 Übertritt in badische Dienste als Kammerherr, 1813 Oberstkammerjunker, 1815 Gesandter im Hauptquartier der Alliierten und Beobachter auf dem Wiener Kongreß, 1815 Bundestagsgesandter in Frankfurt, 1817–1831 Außenminister, 1820–1831 Staatsminister (Ministerpräsident). Vgl. NDB, Bd. 2, S. 148; DBA  I, 92, 160–177; Badische Biographien, Bd. 1, S. 75 f.; DBE, Bd. 1, S. 480. 2 Karl Ludwig Friedrich, seit 1811 Großherzog von Baden (1786–1818). Vgl. DBE, Bd. 5, S. 442; ADB, Bd. 15, S. 248−250.

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Österreichische Bemerkungen über den preußischen Konventionsentwurf

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v­ erkaufen zu wollen. – Gerade aus diesem Grunde aber ist auch die Beschleunigung der Eröffnung des Bundestages dem diesseitigen Interesse höchst gemäß, wie ich gleichfalls mehrmals entwickelt habe. – Wie dem übrigens auch sey, so wird auf jeden Fall für mich es gegenwärtig zur Nothwendigkeit activ an den Schritten, welche von den H. Ministern gethan werden wollen, Theil zu nehmen, indem eine fernere Inactivität von meiner Seite, wie gleichfalls früher unterthänigst bewirkt worden ist, das Interesse Euer königlichen Hoheit sehr gefährden würde. – Wie unumgänglich erforderlich es demnach für mich ist meine Instruction sogleich zu erhalten glaube ich hier nicht ferner mehr ausführen zu dürfen; weil ich lediglich meine früheren unterthänigsten Anzeigen und Bemerkungen wiederholen könnte. Für den gegenwärtigen Fall aber insbesondere muß ich so bald als möglich mir die höchste Weisung dahin erbitten, ob ich eine Note an die k.k. Oestereichischen und Preussischen H. Minister, wenn eine solche zu dem vorgedachten Zwecke von den übrigen Bundesgesandten erlassen werden sollte mit zu unterschreiben, oder jede Theilnahme daran zu verweigern habe. Damit ich hierauf möglicher Weiße noch eine höchste Rückantwort zeitlich genug erhalten kann überschicke ich diesen unterthänigsten Bericht per Estaffette. Die Verhandlungen Preußens mit Darmstadt und Kassel sind dem Vernehmen nach gestern beendigt worden, so wie auch die Verhältniße wegen Maynz regulirt seyn sollen. – Das Nähere werde ich zu seiner Zeit unter­ thänigst berichten. Ich ersterbe in tiefster Ehrfurcht Euer königlichen Hoheit unterthänigst treu gehorsamster Freyh. von Berstett

15. Österreichische Bemerkungen über den preußischen Konventionsentwurf

HHStA Wien, St. K., Deutsche Akten (neue Reihe), Kart. 78, Fasz. 104 (alt), fol. 234–237. Gutachten. Konzept.

Vorstellung und Kritik des preußischen Konventionsentwurfs: Die vorgeschlagene Form, gewissen Grundgesetzen und organischen Bundeseinrichtungen durch Abschluß eines geheimen Vertrags den Weg zu bahnen, ist mit den Bestimmungen der Deutschen Bundesakte (insbesondere Art. 7) unvereinbar; die von Preußen als Kondirektor reklamierten Befugnisse sind Bestandteile des Präsidiums und würden Österreich jegliche Einwirkung auf die Geschäftsführung der Bundesversammlung nehmen; die Aufstellung eines ständigen Direktorialrats durch den Entschluß einzelner Mächte ist unvereinbar mit dem Grundgesetz des Deutschen Bundes, das keine Un-

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Wien, wohl vor dem 2. Juli 1816

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gleichheit der Rechte der Mitgliedsstaaten kennt; die Grundidee der vorgeschlagenen Militärorganisation, Preußen die Militärgewalt von ganz Norddeutschland in die Hand zu legen, wird zu größten Besorgnissen Anlaß geben, außerdem sind die Vorschläge über den Oberbefehl widersprüchlich; die preußischerseits erhoffte Zustimmung sämtlicher Bundesglieder zu diesem Plan ist sehr zu bezweifeln.

[Wien, wohl vor dem 2. Juli 18163] Preußisches Projeckt einer convention. 1. Es wird preußischer Seits vorgeschlagen Östreich solle sich mit Preußen für die Annahme gewisser Grundgeseze und organische Bundes Einrichtungen durch Abschließung eines geh. tractats vereinigen, um so der Vereinigung des allgemeinen Willens den Weg zu bahnen. Ad 1. Die Form ist inconstitutionel weil nach dem Art. 7 der Bundes Ackte über Gegenstände dieser Art nur in pleno per unanimia4 entschieden werden kann. Daß größere Mächte sich über wichtige Bundes Angelegenheiten zum voraus vertraulich berathen, sich in ihren Grundsäzen einigen, ist wohlthätig, die Entscheidung kann aber nicht den berathenden Verhandlungen auf dem Bundes Tag selbst vorhergehen. Wenn die zwei ersten Mächte mit einem vertragsmäßig gefaßten Entschluß in der Versammlung aufträten, wo wäre die Stimen Freiheit und Unabhängigkeit der Berathungen, würde nicht das erste wesentlichste Recht der übrigen Bundes Glieder gefährdet, und nicht gleich anfangs das höchste Mistrauen in die Absichten der prepondirenden Mächte begründet, würde nicht durch einen solchen Vertrag ein Bund im Bunde aufgestellt! Was wären die wahrscheinlichen Folgen? Da sehr daran zu zweifeln ist, daß ein Bundes Staat vom zweyten Rang wie reizende Lockungen man ihm auch vorhalten möge zum Beitritt zu einem Verhältniß sich bewegen laßen würde weil es immer mit der Anerkennung einer Suprematie verbunden wäre, und alle mindermächtige sicher laut ihre Stimme dagegen erheben würden, so würden zwey gleich mögliche Fälle entstehen. Entweder würde der deutsche Bund, dem wohl kein Staat unter der Bedingung sich einer Directorial macht zu unterwerfen, beitretten würde, sich gleich in seiner Entstehung auflösen, und der wohlthätige Zweck, welchen die Mächte bey dem Congress in Wien durch die Vereinigung der einzelnen Theile in ein kräftiges Ganze beabsichtigten, vereitelt, oder, was vielleicht noch 3 Diese gutachtlichen Bemerkungen dürften vor der Weisung Metternichs an Buol (Wien, 2. Juli 1816) entstanden sein. Vgl. Dok. 16. 4 Per unanimia (lat.): einmütig, einstimmig. Vgl. Heyse, Allgemeines verdeutschendes und erklärendes Fremdwörterbuch, S. 897.

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Österreichische Bemerkungen über den preußischen Konventionsentwurf

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mehr zu besorgen wäre, die der Übermacht nicht huldigenden Staaten würden sich zu einem Gegen Bund vereinigen, und denselben unter fremden mächtigern Schuz zu stellen trachten, der ihnen sicher nicht fehlen würde. So hätten wir also in Deutschland zwey fédérationen von höchst entgegengesezter Tendenz, und das Übel eines fremden Einflusses in die inneren Angelegenheiten Deutschlands mit allen seinen gefährlichen Folgen durch unsere Schuld herbey geführt. 2. Die Gegenstände dieses Vertrags sind Leitung der Bundes Angelegenheiten und Direcktion der Geschäfte, welche nur denen Mächten, welche am meisten zu den Bundes Lasten und Schuz beitragen, aufgetragen werden können, also an Östreich und Preußen, ersterem nebst dem Vorsiz und Entscheidender Stimme bey Stimmen Gleichheit, mehrere genannte Befugnisse (bloß honorifice). Preußens Antheil an dem Directorio soll bestehen in der Prot[okoll] Führung, Abfassung und Ausfertigung der Beschlüsse, Besiz der Bundes Kanzley überhaupt in allen mit dem ehemaligen Reichs Kanzlers Amt verbundenen Rechten. Dieses soll gleich bey Eröffnung des Bundes Tages in Anwendung gebracht werden. Ad 2. Die meisten Preußen als condirector beigelegten Befugnisse sind Bestandtheile des Präsidiums, welches ohne dieselbe zu einer Stelle ad honores ohne Einwirkung auf die Geschäfts Führung herabsinken würde. Östreich nach seinen bekannten Grundsäzen der Mäßigung ist weit entfernt dem Recht des Vorsizes eine in dem Sinn der Bundes Acte nicht liegende Ausdehnung geben zu wollen, muß aber behaupten was ihm durch einen gemeinschaftlichen Beschluß sämtlicher Bundes Glieder, mithin constitutionsmäßig beigelegt ist. Östreich ist vollkommen einverstanden, daß Preußen einen seiner Macht entsprechenden Antheil an der Leitung der Bundes Angelegenheiten ansprechen kann, allein dieser ­Antheil muß ihm auf constitutionellem Wege d. h. von dem Bunde selbst gegeben werden, wofür Östreich aus Kräften beiwirken wird. Bundes Kanzley und Protokoll sind von dem Ort der Bundes Conferenzen unzertrennlich. Der Ort der Conferenzen müßte entweder gemeinschaftlich vom Bunde ausgemittelt, oder vom Magistrat zu Frankfurt hergegeben werden. Östreich ist weit entfernt zu verlangen, daß die Conferenzen in der Wohnung seines Gesandten gehalten werden. Man hat nichts dagegen einzuwenden, daß das Protokoll in duplo geführt werde, welches sogar wegen der Contrôle räthlich wäre, nur kann nichts anders als durch den Bund bestimmt werden, welcher Bundes Staat das zweyte Protokoll zu führen oder ob mehrere und welche Bundes Staaten dabey zu concurriren haben! Erzkanzelleriatische Rechte aufrufen ohne ein Bundes Oberhaupt ist ein Widerspruch, neben einem Präsidium nach dem Preußischen Plan wären sie ein Unding.

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Wien, wohl vor dem 2. Juli 1816

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3. Directorial Rath zur Vorberathung der wichtigeren Geschäfte, Vollziehung der Bundes Beschlüsse und außerordentlichen Commissions Aufträgen. Ad 3. Durch die lezteren Attributionen würden die Höfe vom 2ten Range sich immer in einer Art von Abhängigkeit von den Dictatoren fühlen, und unter diesen Modalitäten schwerlich dem aufgestellten Directorial Rath ihre Zustimmung geben. Vor-Berathungen mit den mächtigeren Bundes Staaten über wichtige Gegenstände des gemeinschaftlichen Interesse zu pflegen ist vollkommen zweckmäßig und nüzlich, es wird auch de Facto geschehen, wie sich für specielle Frage[n] immer comités bilden werden. Ohne Zustimmung des ganzen Bundes durch einen Entschluß einzelner Mächte eine solche ständige Berathungs und Vollziehungs Behörde aufzustellen, wäre ein Eingriff in die Rechte der einzelnen, und folglich dem Grundgesez des Bundes zuwider, welches keine Ungleichheit der Rechte kennt. 4. Bundes Heer. Diejenigen Bundes Glieder deren contingente nicht stark genug sind um als eigene Corps zu agiren, sollen ihre Truppen zu den östr. und preußischen Heeren stoßen laßen, deren Feld Herrn unterordnen, und auch in Friedens Zeiten ihre Organisation annehmen. Sie müßen nur einen Oberfeld Herrn und wenige Unterbefehlshaber haben. Die Vereinigung der einzelnen Contingente mit dem östr. und preußischen Heere könnte nach der geografischen und militärischen Lage der Bundes Staaten und am natürlichsten nach der Eintheilung Deutschlands in das nördliche und südliche geschehen und die lezten Feldzüge hierbey vorläufig zur Basis dienen. Ad 4. Die Bundes Militair Verfassung ist ein wesentlicher Gegenstand bey der organischen Gesezgebung des Bundes, welcher durch einen vertragsmäßigen Beschluß der zwey mächtigen Staaten ohne das höchste Mistrauen in ihre Absichten zu erwecken, nicht vorgegriffen werden kann. Die Grund Idee des Plans, so wie er vorliegt, kann nicht anders als zu grösten Besorgnissen weil aussehender geheimer Absichten Anlaß geben. Die Militär Gewalt von ganz Nord Deutschland läge in der Hand Preußens. Im Süden für Östreich wäre es nicht der nämliche Fall. Auch liegt ein Widerspruch in dem Plan, den ich nicht begreife. Es wird auf ­einen Oberfeld Herrn angetragen, in was für einem Verhältniß soll dieser zu der Bundes Armee stehen, wenn sie mit Ausnahme der selbständigen Armée Corps, in die östreichischen und preußischen Heere verschmolzen wird, und unter den Befehlen deren Feldherrn steht. Was am Ende von dem nicht zu bezweiflenden Einverständniß sämtlicher Bundes Glieder mit diesen Bestimmungen gesagt wird, mögte nach dem Eindruck, welche die dunkele Ahnung des preußischen Plans in Frankfurt gemacht hat, wohl sehr zu bezweif­len seyn.

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16. Metternich an Buol

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Kart. 1, Weisungen 1816, fol. 67–73’. Weisung. Behändigte Ausfertigung.

Dem von Hänlein entworfenen Projekt einer geheimen Konvention zwischen Österreich und Preußen, das ihm Hardenberg zugeschickt habe, kann sowohl im Hinblick auf die Form als auch dem Inhalt nach nicht beigestimmt werden. Es ist jedoch Bedacht zu nehmen, daß das wechselseitige Zutrauen und Einverständnis zwischen beiden Höfen, wodurch allein der große Zweck des Bundes erreicht werden kann, nicht gleich anfangs gefährdet wird. Buol soll sich in keine inhaltlichen Diskussionen mit Hänlein einlassen. Die „Ansichten des Deutschen Bundes“ umreißen nach wie vor die Grundlinien der österreichischen Bundespolitik. Österreich wird sich jedem Eingriff in die Bundesakte widersetzen und durch sein uneigennütziges Benehmen ein Vorbild an Mäßigung und Korrektheit abgeben. Während der Berliner Hof aus Unzufriedenheit mit der Bundesakte neue Bestimmungen zur Sprache bringen dürfte, muß Österreich vermeiden, daß den Verhandlungen am Bundestag der Schein einer Revision oder Reformation der Bundesakte, mithin eines Umsturzes der in Wien etablierten Ordnung, gegeben wird. In der Deutschen Bundesakte liegen die Mittel und Wege für nützliche Verbesserungen; Ergänzungen der Bundesakte können jedoch nur unter Mitwirkung der Bundesversammlung vorgenommen werden. Eine kluge und bescheidene Geschäftsführung durch Buol wird zugleich dem gerechten und billigen Einfluß Österreichs förderlich sein. Gibt sein Einverständnis mit einer baldigen Eröffnung des Bundestags; die geforderten Präliminarkonferenzen sollen möglichst vermieden oder darauf beschränkt werden, den Bundestag in Tätigkeit zu setzen. Stellt Überlegungen zur feierlichen Eröffnung der Bundesversammlung an und empfiehlt angesichts der Erregung der Gemüter alle Angelegenheiten, die auf die innere Verfassung der Bundesstaaten Bezug haben, vorerst auszusetzen. Dringendste und wichtigste Materie ist die Bestimmung der Militärverhältnisse des Deutschen Bundes.

Hochgeborner Graf!

Wien, 2. Juli 1816

Ohne Zweifel wird Herr von Hänlein selbst Eurer Exzellenz das von ihm entworfene Projekt einer zwischen Oesterreich und Preußen abzuschließenden geheimen Convention1 mitgetheilt haben, welches mir von dem StaatsKanzler Fürsten v. Hardenberg zugeschickt worden ist. Je weniger ich diesem Vorschlag, sowohl in Hinsicht der Form, als der darin angetragenen so wichtigen Bestimmungen in der ganzen Ausdehnung beistimmen kann, desto nöthiger wird es, der Sache eine volle Aufmerksamkeit zu widmen, und unseren Gang so zu bemeßen, daß einerseits nicht das wechselseitige Zutrauen und Einverständniß zwischen beiden Höfen, wodurch allein der große Zweck des Bundes erreicht werden kann, gleich anfangs gefährdet; anderer seits nicht durch unbedingte Nachgiebigkeit der erste Grund zu einem Verhältniß 1 Dok. 12.

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gelegt werde, welches zu weit ausstehenden Folgen führen könnte, und welches nach unserer Uiberzeugung in der angetragenen Form und Art ganz außer der Competenz der beiden Höfe liegt. Ich ersuche daher Eure Exzellenz diesen Aufsatz, den ich, auf den Fall er sich nicht in Ihren Händen befinden sollte, hier in Abschrift beifüge, mit dem Freiherrn v. Wessenberg in vertrauliche Uiberlegung zu nehmen, und mich zur Controle meiner eigenen Ansichten, welche ich ehestens dem Herrn Staats Kanzler eröffnen und Ihnen mit­ theilen werde, mit den Ihrigen und dem auf sie beiderseits gemachten Eindruck dieses Projekts bekannt zu machen. Uibrigens werden Eure Exzellenz sich mit dem H. v. Hänlein in keine Discussionen darüber einlassen, sondern seine Ideen, die er wahrscheinlich näher entwickeln wird, ad referendum2 nehmen, und sich auf die Rückäußerung beschränken, daß sie in einer Frage, welche einer vertraulichen diplomatischen Verhandlung zwischen beiden Cabineten vorbehalten zu seyn scheine, sich keine vorgreifende Meinung erlauben zu dürfen glaubten. Da der Wunsch einer baldigen Eröffnung des Bundestages mit jedem Tage lauter wird, und der schwankende Zustand in Deutschland nicht erlaubt, den Völkern das Ziel ihrer Hoffnungen weiter hinaus zu schieben, so halte ich dermalen für nöthig, um so mehr da auch das Preußische Cabinet keinen längern Aufschub wünscht, diese Eröffung näher vorzubereiten, und sich, in sofern nicht die Territorial-Angelegenheit, welches der Freiherr v. Wessenberg am besten beurtheilen kann, ein erhebliches Hinderniß in den Weg legen, mit den Bevollmächtigten der größeren Höfe, vorzüglich mit dem Preußischen, über den angemeßenen Zeitpunkt der Eröffnung zu berathen, dessen Bestimmung auf den Anfang des Monats August, unserer seits kein Anstand entgegen steht. In der Voraussetzung also, daß diese Eröffnung statt haben wird, gebe ich mir die Ehre Eurer Exzellenz den Gesichtspunkt einstweilen näher zu bezeichnen, welchen Seine Majestät der Kaiser für die Deutschen Angelegenheiten, und die Behandlung derselben aufzustellen für gut gefunden haben. Die Ansichten des Deutschen Bundes3 welche ich seiner Zeit dem Freiherrn v. Albini statt Instruktion zugeschickt habe, müssen auch die Grundlage jener von Eurer Excellenz bleiben. Es geht aus denselben deutlich hervor, daß ­Seine Majestät keineswegs gesonnen sind, den Bestimmungen der BundesVersammlung auf irgend eine Art vorgreifen, oder für sich gleich Anfangs Prärogativen begründen zu wollen, welche nicht schon in der Bundes-Acte selbst ausgesprochen sind, und deren voreilige Erwähnung zu was immer für einer Collision mit anderen Höfen, oder auch nur zu solchen Auslegungen der 2 Lat.: zur Berichterstattung. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 25. 3 Dok. 4b.

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Allerhöchsten Gesinnungen Anlaß geben könnte. Eure Excellenz werden daher bei allen Gelegenheiten, sowohl öffentlich, als in privat-Aeußerungen zu erkennen geben, daß der Wille Seiner Majestät bestimmt dahin gehe, sich ganz genau an die Bundes-Acte zu halten, daß aber Allerhöchstdieselben eben sehr entschloßen sind, sich jedem Eingriffe in dieselbe zu widersetzen. Seine Majestät wollen in dieser Hinsicht mit dem Beispiel einer anspruchslosen Mässigung und Korrecktheit vorangehen, und durch ein solches uneigennütziges Benehmen der allenfälligen Tendenz anderer Bundes-Mitglieder zu Abweichungen vorbeugen. Das Berliner Kabinet scheint, wie es meine heutige Mittheilung beweiset, mit den in der Bundes-Acte hinsichtlich des Vorsitzes und der Stimmführung enthaltenen Bestimmungen nicht zufrieden, und dürfte demnach trachten wollen, in der Unvollkommenheit dieser Urkunde eine Veranlassung zu finden, um wo möglich neue Bestimmungen zur Sprache zu bringen. Es ist daher von großer Wichtigkeit, daß jeder Schritt vermieden werde, welcher den Verhandlungen am Bundes-Tage den Schein einer Revision oder Reformation der Bundes-Acte geben könnte, und ich muß Eure Excellenz ersuchen, ihre Aufmerksamkeit vorzüglich darauf zu richten, daß die in dem Art. 10 der Bundes-Acte vorbehaltene Abfaßung der organischen Gesetze4 nicht mit dem Begriffe einer solchen Revision verwechselt werde. Eure Exzellenz finden zwei aus der Natur der Dinge ergehende Motive, welche sie zur Grundlage ihrer Raisonnemens aufstellen können; 1tens läßt sich nicht denken, daß die Reform einer noch nicht bestehenden und erst in ihren Grundlagen festgesetzten Sache, ohne den Umsturz dieser Sache selbst, ausführbar seyn könne. 2tens Kann die Idee des Umsturzes einer auf dem Congreß mit so vieler Feierlichkeit festgesetzten Organisation nicht aufgefaßt werden, und 3tens liegen in der Bundes-Acte, wie sie heute besteht, die gesetzlichen Mittel und Wege, allgemein nützlich erachtete, von privat-Interesse entfernte Verbesserungen und Zusätze mit Zeit und Weile zu vollbringen. In diesem Sinne kann demnach selbst der Begriff von Ergänzung der Bundes-Acte nur durch die Mitwirkung der einmal constituirten Bundes-Versammlung angenommen werden. Aus dem Vorhergesagten werden Hochdieselben von selbst entnehmen, daß Seine Majestät auf die kluge und bescheidene Geschäfts-Führung ihres Bevollmächtigten am Bundestage einen großen Werth legen, und daß Sie diesfalls vorzüglich auf die, in der Person Eurer Exzellenz getroffene Wahl vertrauen. Seine Majestät sind überzeugt daß ein anspruchsloses Benehmen in gleichem Maaße gegen alle Bundes-Glieder nur von guter Wirkung seyn könne, und daß ein solches, indem es zur Beruhigung der durch mancherlei Triebfedern noch aufgeregten Gemüther wesentlich beitragen wird, nach und 4 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512.

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nach immer mehr das Vertrauen der großen Mehrheit für den Wiener Hof gewinnen müße. Ich muß Eure Excellenz bei dieser Gelegenheit auf den sicher eintrettenden Fall besonders aufmerksam machen, daß, wie die Dinge heute liegen, die meisten Anträge, welche an uns im Sinne der größeren Einwirkung unseres Ansehens gelegen, durch den Wunsch derjenigen welche ähnliche Anträge voranstellen, geleitet werden, ihren eigenen Einfluß in das gemeine Wesen, unter dem Vorwande der Erhöhung des Oesterreichischen selbst zu steigern. In dieser Hinsicht wird die Bescheidenheit der Formen von der Rolle des ­Oesterreichischen Bevollmächtigten am Bundestage nicht nur den Einfluß nicht ausschliessen, welchen die Individuelle Macht der Oesterreichischen Monarchie, so wie die Verhältniße der verschiedenen Bundes-Glieder von selbst darbiethen, sondern ein ähnliches Betragen wird unseren gerechten und billigen Einfluß auf weit festere Grundlagen stützen. Aus ähnlichen Berücksichtigungen, geht der Wille Seiner Majestät dahin, daß Eure Excellenz in ihrer Titulatur keine Benennungen in Anspruch nehme, welche eine Tendenz zur Würde eines wirklichen Oberhaupts verrathen könnten, oder eine bestimmte Absicht auf eine ähnliche Würde bezeichneten; der Titel der vorsitzenden Oesterreichischen Gesandtschaft eines vorsitzenden Gesandten scheint mir in dieser Hinsicht zweckmässig und unanstößig. Es kommt heute sicher mehr darauf an, Ansprüche anderer zu entfernen, als eigene geltend zu machen. Lezteres muß um so mehr der Zeit vorbehalten bleiben, als sich von derselben mit Grund günstigere Umstände zur Beförderung solcher Zwecke erwarten lassen. Die eigentliche Aufgabe für Eure Excellenz wird daher seyn, den durch die Bundes-Acte eingeräumten Vorsitz so vor­theilhaft als möglich für das Allerhöchste, in dieser Frage von dem allge­meinen unzertrennlichen Intereße zu benützen, ohne damit ein Aufsehen zu verbinden, welches Besorgniße oder Mistrauen erregen könnte, und zugleich durch eine gewisse Korrecktheit in der Geschäfts-Führung den allenfalls zweideutigen Absichten anderer Bundes-Glieder zu begegnen. Bei einem solchen Benehmen ist vorzusehen, daß die meisten Bundes-Glieder sich schon durch unsere Anspruchslosigkeit zu uns hingezogen fühlen, und unsere Rathschläge nicht nur annehmen, sondern in den meisten Fällen selbst nachsuchen werden. Was die von den meisten Gesandten gewünschte, vor der Eröffnung des Bundes-Tages zu haltende präliminar Conferenzen betrifft, so wäre es meines Erachtens vorzuziehen, wenn dieselben vermieden werden könnten, weil nur zu sehr zu befürchten ist, daß man nicht auf der Linie, welche solchen Vorberathungen vorgezeichnet seyn muß, bleiben würde; sollte jedoch der Wunsch für dieselbe von der Mehrheit ausgesprochen werden, so würde es nicht räthlich seyn, sich unserer Seits demselben zu widersetzen. In diesem Fall müßte streng darauf gehalten werden, daß von diesen Conferenzen alle Gegenstän-

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de, welche einer ordentlichen constitutionellen Berathung, vermög der Bundes-Acte (wie z. B. die in dem Art. 10 derselben bezeichneten) vorbehalten worden sind, ausgeschloßen bleiben. Die präliminar Conferenzen müßten sich blos mit den Mitteln, die dazu beitragen, daß der Bundes-Tag arbeite, nicht aber mit dem was5 er zu bearbeiten hat, beschäftigen. Alles was Formen und das zu beobachtende Zeremoniel bei Eröffnung des Bundes-Tags betrifft, gehört also, und beinahe ausschließlich zu dem Wirkungs-Kreis dieser Conferenzen; und in Hinsicht des letzteren, habe ich Eurer Excellenz nur zu bemerken, daß es räthlich ist, alles mit Sorgfalt zu entfernen, was unnütze Rangstreite oder ähnliche Collisionen veranlassen könnte, um so mehr, als die definitiv-Bestimmung des Ranges ebenfalls zu den Geschäften des Bundes-Tages selbst gehört. Ob bei der Eröffnung des Bundes-Tages eine Kirchen Zeremonie schicklich seye, ist eine Frage, deren Lösung einige Bedenklichkeit in dem Umstande finden dürfte, daß ausser dem Kaiserlichen Gesandten, nur noch ein Katholischer anwesend seyn wird, und wohl nicht zugegeben werden kann, daß eine solche religiöse Feierlichkeit in einem akatolischen Tempel statt finde, da, wenn man die Population der Bundes-Staaten in Anschlag bringt, die Katholiken bei weitem die Mehrzahl ausmachen, und übrigens die Nachsetzung der Catholischen Kirche ein in ihren Folgen nicht zu berechnendes Präjudiz darbiethen müßte; Wenn es daher nicht füglich eingeleitet werden kann, daß diese Feierlichkeit, welche, wenn die Haltung eines Hochamts Anstand finden sollte, bloß in einem Te-Deum bestehen könnte, in der Dom-Kirche6, welche seit undenklichen Jahren das Herkommen vor sich hat, gehalten werde, so erachte ich es für räthlicher, diese Frage ganz zu beseitigen. Von einer besonderen Wichtigkeit ist die Auswahl und Eintheilung der Geschäfte welche gleich Anfangs nach Eröffnung des Bundes-Tages in Bera­ thung genommen werden sollen. Ich bin mit den allgemeinen Ansichten, welche Eure Excellenz in der Hochdero Bericht No 32 vom 29. Febr. beigelegten Denkschrift, darüber entwickelt haben, vollkommen einverstanden, und ersuche Hochdieselben mir dermalen, wo die Meinungen sich unverholen und bestimmt ausgesprochen haben müssen, mir die ihrige mit Gegenüberstellung der Ansichten der vorzüglichsten Bundes-Gesandten in einem umständlichen Bericht mitzutheilen. Eure Excellenz werden es übrigens selbst am angemeßensten finden, dahin zu wirken, daß vor den ersten Berathungen alle An5 In der Vorlage ist „was“ doppelt unterstrichen. 6 Die Stiftskirche St. Bartholomäus in Frankfurt am Main, die durch die „Goldene Bulle“ von 1356 zur Wahlkirche der römisch-deutschen Könige bestimmt wurde. Zwischen 1562 und 1792 wurden dort außerdem 10 römisch-deutsche Kaiser gekrönt, wodurch die Kirche im 18. Jahrhundert den Beinamen „Dom“ erhielt, obwohl sie niemals Bischofskirche gewesen ist. Vgl. Kloft, Kaiserdom St. Bartholomäus.

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gelegenheiten die auf die innere Verfassung der Bundes-Staaten Bezug haben, entfernt bleiben, indem zur Zeit noch die Gemüther zu sehr aufgeregt, und die Köpfe zu erhitzt sind, um bei Anregung solcher Gegenstände die gehörige Besonnenheit und Mässigung erwarten zu dürfen. Die dringendste, so wie die wichtigste Verhandlung ist jene welche die Bestimmung der Militär-Verhältnisse des Bundes betrifft; und es ist zu wünschen, daß dieser Gegenstand vor allen anderen, die Bundes-Gesandten, und wo möglich anfangs, ausschließlich beschäftige, damit er nicht unerschöpft von der ersten Bundes-Versammlung auf eine zweite verschoben werde. Hinsichtlich der Bestimmungen wegen den auswärtigen Verhältnissen des Bundes, kann zur Zeit wohl keine andere Frage vorkommen, als jene wegen Annahme fremder Gesandten. Ich beziehe mich dießfalls auf die schon früher entwickelte Ansicht, und die Eurer Exzellenz ertheilte Weisungen, und bitte Hochdieselbe sich vor der Hand in keine von dieser Instruktion abweichende Diskussionen und Aeußerungen einzulassen, da diese Sache unmittelbar zwischen den vier Kabineten verhandelt wird, und ich nächstens Eurer Excellenz darüber bestimmte und definitive Weisung ertheilen zu können hoffe. Ich behalte mir vor, noch vor Anfang des Geschäfts über manche specielle Fragen Eurer Excellenz meine Ansichten umständlich zu entwickeln, und so viel möglich mit einer detaillirten und ausführlichen Instruktion zu versehen, welche sämmtliche Ihnen zur Richtschnur dienende Weisungen enthalten wird. Empfangen Eure Excellenz die Versicherung meiner vollkommensten Hochachtung. F. v. Metternich

17. Hänlein an Hardenberg

GStAPK Berlin, III. HA, MdA  I, Nr. 1838, fol. 124−125’. Schreiben. Eigenhändige Ausfertigung.

Graf Buol hat die Eröffnungen Hänleins sehr tragisch genommen und Bericht an Metternich erstattet; außerdem habe er sich verpflichtet gefühlt, einigen vertrauten Bundestagsgesandten die preußischen Wünsche zu eröffnen. Hänlein habe daraufhin Rücksprache mit einigen Bundestagsgesandten genommen und die preußischen Absichten erläutert: Preußen halte sich an die Bundesakte und fechte das Präsidium Österreichs nicht an. In dem Präsidium lägen aber nicht alle Direktorialbefugnisse, die Preußen in billigem Maßstab mit den anderen königlichen Höfen zu teilen wünsche, um ein Gegengewicht zu Österreich zu bilden, damit dieses nicht mehr Einfluß in Deutschland erlange, als es jemals gehabt habe. Preußen wolle die Eröffnung des Bundestags keineswegs aufhalten, sondern durch vorläufige Einverständnisse künftige Diskussionen vermeiden und dem Ganzen mehr Solidität verschaffen. Seine Äuße-

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Hänlein an Hardenberg

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rungen seien scheinbar sehr gut aufgenommen worden, insbesondere von den Vertretern der kleineren Höfe. Allerdings werde er immer einen schweren Stand am Bundestag haben, da Buol genügend Zeit gehabt habe, um die Meinungen für sich zu gewinnen. Alles hänge jetzt von den Instruktionen Metternichs ab. Schließlich sei die Verabredung getroffen worden, mit den Präliminarkonferenzen Anfang August zu beginnen, damit baldmöglichst die feierliche Eröffnung der Bundesversammlung stattfinden könne. Schwierigkeit, in Frankfurt ein anständiges Quartier für den preußischen Bundestagsgesandten zu finden.

Frankfurt am Main, 2. Juli 1816 Euer Durchlaucht sind nach meinen treuen Wünschen glüklich in Carlsbad angekommen, und befinden Sich dort in dem besten Wohlseyn. Möge nur die Witterung beständiger werden, um den heilsamen Gebrauch der Kur nicht zu hindern. Ich bin am 29[te]n v. M. hier angekommen, nachdem ich 2 mal durch eine gebrochene Axe und das bey Gelahausen1 angeschwollene Wasser unterwegs aufgehalten worden war. Ich benütze die mir so eben gewordene Gelegenheit des in einer halben Stunde abreisenden Generals Graf Wallmoden2, um Ew. Durchlaucht von der hiesigen Lage der Dinge im Allgemeinen au fait zu setzen. Mein umständlicher Bericht soll in den ersten Tagen, wo ich klärer zu sehen hoffe, nachfolgen. Graf Buol hat die ihm gemachten Eröffnungen sehr tragisch genommen, für seinen Hof zwar die größte Bereitwilligkeit für Unsere Intentionen mit der Versicherung geäusert, daß er vom Fürsten Metternich auf die Communikationen Ew. Durchlaucht einer beyfälligen Instruktion mit Vergnügen entgegen sehe, aber sich verpflichtet fühle, doch einigen vertrauten Gesandten im Allgemeinen von Unsern Wünschen Kentnis zu geben. Dies konnte ich ihm nicht ausreden, da auch H. v. Wessenberg es für nothwendig zu halten schien, die sich in der Hauptsache viel faciler zeigte. Ich hielt daher für das anständigste, auch meiner Seits mit mehrern Gesandten über Unsere Ideen in der Art mich zu besprechen, daß ich versicherte: 1 Gelnhausen. 2 Ludwig Georg Thedel (seit 1783) Reichsgraf von Wallmoden-Gimborn (1769–1862), österreichischer General, war zunächst Cornet in der hannoverschen Armee, 1790 Übertritt in preußische Militärdienste, 1795 Wechsel in österreichische Militärdienste als Rittmeister, 1797 Major, 1798 Oberst­leutnant, 1800 Oberst, 1807 Generalmajor, 1809 Feldmarschalleutnant, 1812 Eintritt zunächst in englische, dann in russische Militärdienste, 1815 Wiedereintritt in österreichische Militärdienste, 1838 General der Kavallerie, 1848 Pensionierung. Vgl. ADB, Bd. 40, S. 761 f.; DBA I, 1328, 421–432; Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 52, S. 275– 279.

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Preußen halte sich ledig.[lich] an die Bundes Akte und wolle Oestereichs Präsidium nicht im Geringsten anfechten. In dem Präsidium lägen aber ­keineswegs alle und jede Direktorialbefugnisse, und diese wünsche Preußen nach einem billigen Maasstab mit den andern König. Höfen zu theilen und so eine Controlle gegen Oesterreich zu bilden, damit dieses nicht mehr Einfluß in Deutschland erlange, als es sonst nie gehabt habe. Ich hofte bald durch die Instruktionen Ew. Durchlaucht in den Stand gesezt zu werden, darüber umständlichere Eröffnungen zu machen. In keinem Fall wolle man die Er­öffnung des Bundestages diesseits aufhalten, aber durch vorläufige Ein­verständnisse über wesentliche Punkte wünsche man künftige Diskussionen zu vermeiden und dem ganzen desto mehr Solidität zu verschaffen. Scheinbar wurden meine Äuserungen sehr gut, besonders von den kleinern Höfen Gesandten aufgenommen. Aber ich werde immer, wie ich es vorausgesagt, einen schweren Stand haben, nachdem Graf Buol Monate lang Zeit gehabt hat, die Gemüther zu stimmen, und die Meynung für Sich zu gewinnen. Des Königs Maj.t haben mir zum Abschied gesagt, daß ich manche schwere Nüsse hier zu knacken finden werde und dies ist gewis sehr der Fall. Alles hängt jezt von der erwarteten Instruktion des Grafen Metternich ab. Wegen Eröffnung des Bundestags ist gegenwärtig folgende Verabredung genommen. Ich gehe zwischen dem3 8−10[te]n nach Cassel und komme Anfangs August hieher zurük. Mehrere Gesandte machen indessen ebenfalls noch Excursionen. In den ersten Tagen des August sollen die vorbereitlichen Konferenzen eröffnet werden, um alsdenn baldmöglichst die feyerliche und förmliche Eröffnung des Bundestages festzusetzen. Ein Quartier weis ich hier gar nicht zu finden. Das einzig anständige ist das, welches H. v. Otterstaedt4 bewohnt, der über seine unbestimmte Lage in Verzweiflung ist. Ich bitte ­daher Ew. Durchlaucht ehrerbietigst um gnädigste Entscheidung für H. von Otterstaedt. Er wußte von der Idee, ihn nach Hamburg zu versetzen, und ist damit im hohen Grade zufrieden. Ich bin überzeugt, daß er in dieser Stelle sehr nüzlich werden kann, und bitte daher unterthänigst um Beschleunigung. 3 Emendiert. Vorlage: den. 4 Georg Ulrich Joachim Friedrich Freiherr von Otterstedt (1769−1850), preußischer Diplomat, 1783−1801 im preußischen Militärdienst und Abschied im Rang eines Capitäns, 1806 württembergischer Kabinettssekretär und Legationsrat, 1807−1812 westfälischer Generalinspektor der Domänen und Forsten, 1814 Verwalter des Departements Donnersberg in Worms, 1815 preußischer Geschäftsträger in Frankfurt, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister 1816−1842 in Darmstadt und Wiesbaden, 1823−1842 in Karlsruhe und 1824−1835 in Bern, 1835 Wirklicher Geheimer Rat, 1842 Versetzung in den Ruhestand. Vgl. DBE, Bd. 7, S. 526; ADB, Bd. 52, S. 731−733; DBA I, 923, 222 f.; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 68 f., 74, 78 u. 274−280; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 309, 311, 319; Pierer’s Universal-Lexikon, Bd. 12, S. 514.

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Plessen an Großherzog Friedrich Franz von Mecklenburg-Schwerin

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Die mir von Ew. Durchlaucht gemachte unerwartete Eröfnung, daß mir an den nach Hochdero Versicherung verwilligten Gehalt von 18 000 Thlrn die Sayn.[ische] Pension in Abzug gebracht werden soll, hat mich sehr bestürzt, da diese nicht eine Gnadensache, sondern ein conventionsmäsiges Recht ist, das mir in keinem Dienstverhältnis entzogen werden kann. Ich behalte mir meine Vorstellung dagegen vor, und bin von der Gerechtigkeit und der Güte Ew. Durchlaucht im Voraus der Gewährung meiner gegründeten Bitte versichert. Ich beharre in tiefster und treuster Verehrung Ew. Durchlaucht unterthänigster treuster Diener v. Haenlein

18. Plessen1 an Großherzog Friedrich Franz von MecklenburgSchwerin2

LHA Schwerin, 2.21-1: Geheimes Staatsministerium Schwerin, Nr. A 10, fol. 130–133’. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: Doberan, 12. Juli 1816.

Hänleins Projekt eines preußischen Kondirektoriums und dessen Übergabe an den Bundespräsidialgesandten Buol zur Berichterstattung an den Wiener Hof. Unterrichtung Plessens über den Inhalt des Memoires durch Buol und Hänlein und dessen Bewertung durch Plessen: Die vorgeschlagene Aufteilung der Direktorialbefugnisse verschaffe Preußen die Position des ehemaligen Erzkanzlers, befördere einen Dualismus zwischen Österreich und Preußen und schwäche den Zusammenhalt des Bundes. Betont gegenüber Hänlein, daß der Bundestag erst konstituiert werden müsse, bevor man über solche die organischen Einrichtungen und Grundgesetze des Bundes berüh1 Leopold Engelke Hartwig von Plessen (1769–1837), mecklenburg-schwerinischer Staatsmann, 1785–1789 Studium der Rechte in Rostock und Göttingen, 1790 Referendar bei der preußischen Kriegs- und Domänenkammer in Berlin, 1793–1797 Auditor bei der Landeskam­mer in Schwerin mit dem Titel eines Drosten, 1802–1806 Gesandter Mecklenburg-Schwe­rins und Mecklenburg-Strelitz’ beim Reichstag in Regens­burg und Ernennung in dieser Zeit zum ­Geheimen Rat, 1807 Wirklicher Geheimer Rat und dritter Staatsminister, 1808 zweiter Staatsminister, 1814/15 Bevollmächtigter Mecklenburg-Schwerins auf dem Wiener Kongreß, 1815– 1820 Bundestagsgesandter beider Mecklenburg in Frankfurt am Main, 1819/20 Bevollmächtigter beider Mecklenburg bei den Karlsbader und Wiener Ministerialkonferenzen, 1820 mecklenburg-schwerinischer Staatsminister, 1836 Erster Staatsminister. Vgl. ADB, Bd. 26, S. 272–276; DBA I, 965, 94–115; DBA III, 708, 277−279; DBE, Bd. 7, S. 694; Grewolls, Wer war wer in Mecklenburg-Vorpommern, S. 334; von Hirschfeld, Ein Staatsmann der alten ­Schule. 2 Friedrich Franz I. (1756–1837), seit 1785 Herzog und seit 1815 Großherzog von MecklenburgSchwe­rin. Vgl. ADB, Bd. 7, S. 558–560; NDB, Bd. 16, S. 593; DBA  I, 350, 3–25; DBE, Bd. 3, S. 465.

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renden Anträge entscheiden könne. Erwartet, daß der Wiener Hof jegliche Form eines Kondirektoriums ablehnen werde, und hebt hervor, daß Preußen an der Spitze der übrigen Bundesstaaten eine sehr viel zweckmäßigere Kontrolle der Geschäftsführung des Bundestagspräsidiums ausüben könne, als wenn die Befugnisse geteilt würden. Ablehnung des Hänleinschen Projekts durch alle bislang unterrichteten Bundestagsgesandten. Das Memoire enthalte auch Vorschläge zur Militärverfassung des Deutschen Bundes, die auf eine Realisierung der alten Idee hinausliefen, Deutschland in ein preußisch dominiertes Nord- und ein von Österreich dominiertes Süddeutschland aufzuteilen. Behält sich eine detailliertere Bewertung vor, sobald er den Text des Memoires in Händen habe.

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Allerdurchlauchtigster Großherzog, Allergnädigster Herr. Nachdem der Preussische Bundes-Gesandte von Hänlein am 29ten v. M. endlich hier angekommen war, so haben in den nächsten Tagen schon einige vorläufige einzelne Besprechungen, jedoch ohne förmliche Conferenz, statt gehabt, welche wenigstens die Ansichten von der Seite etwas näher gezeigt haben. Am Tage nach seiner Ankunft theilte Herr von Hänlein dem Grafen Buol ein Memoire3 mit, und ersuchte ihn, dasselbe mit einem günstigen Bericht seinem Hofe vorzulegen, indem solches kurz vor seiner Abreise auch von dem Fürsten Hardenberg an den4 Fürsten Metternich geschickt wäre. Der Graf Buol hat es übernommen diesen Aufsatz, jedoch ohne weitern b­ eifälligen Vortrag, als eine Communication an sein Ministerium gelangen zu lassen, indem er sich nur ausbedungen, von dem wesentlichen Inhalt desselben auch einigen andern Bundes-Gesandten die Eröfnung zu machen, wenn Herr von Hänlein vielleicht nicht dieses Memoire auch allen übrigen mitzutheilen vorzöge. Derselbe meinte aber, daß er zur Zeit hiezu noch nicht authorisirt sey, allein über den Gegenstand desselben auch mit einigen andern Gesandten reden würde. Dieses ist nun zum theil geschehen, und gestern Vormittag haben beyde Herren, jeder besonders, mir die Ehre erzeigt zu mir zu kommen und mir von der Sache zu sprechen. Der Gegenstand des Memoires, der jetzt hauptsächlich in Anrege kömmt, ist ein Condirectorium oder eine Theilnahme an den eigentlichen Directorial-Geschäften, die Preussen nicht an Oesterreich ­ esterreich zwar den Vorsitz, allein lassen, sondern so vertheilen mögte, daß O das Praesidium, und was daraus unmittelbar folgt, haben, Preus­ sen aber

3 Vgl. Dok. 12. 4 Emendiert. Vorlage: dem.

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Plessen an Großherzog Friedrich Franz von Mecklenburg-Schwerin

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gleichsam die Stelle des vorigen Erz-Kanzlers5 bekleiden, das Protocoll führen und, was das Wichtigere seyn würde, die Beschlüsse ziehen und ausfertigen, auch ein zweytes Archiv aller Ausfertigungen die in duplo geschehen sollten, in seiner Verwahrung haben würde; es meinte dabey, daß einige andere Stellen beym Bunde, wie die Verwaltung einer allgemeinen Casse, der Polizey, und dergl. auch noch von andern Mitgliedern übernommen werden mögten; Preussen könne aber nicht zugeben, daß alle diese Befugnisse unter dem Praesidio von Oesterreich allein vereinigt würden. Mit den Ansichten des Oesterreichischen Gesandten Grafen Buol stimmte dies alles aber so wenig zusammen, daß er bisher geäussert, Oesterreich könne, ohne daß ihm die gehörigen Befugnisse dabey ertheilt würden, auch den Vorsitz selbst nicht behalten, und durch jede Verweigerung dieser Art sich zurückgesetzt finden. Hier entsteht also gleich beym Anfange und beym Zusammentreffen der beyden großen teutschen Mächte schon eine Schwierigkeit die für das Wesen des Bundes bedeutend ist und mehrere andere zur Folge haben wird. Indessen kann man nach Lage der Sachen hierauf nur vorbereitet seyn, und es frägt sich weniger was dabey recht ist, als welche Wendung und welch ein Benehmen zu beobachten stehen, um jeden Zwiespalt gleich im entstehen möglichst zu vermeiden. Die Bundes-Acte im Artikel 56 giebt den Vorsitz an Oesterreich, ohne die einzelnen Befugnisse näher zu bestimmen, welche damit verbunden seyn sollen. Es gehen deren aber einige wie unmittelbar aus solcher Amtsführung hervor, nach der Analogie eines jeden Präsidenten bey einem Collegio. Politisch läßt sich nun noch die Betrachtung ausserdem machen, daß jemehr man die Befugnisse dieses Praesidii verstärkt, desto mehr auch die so nöthige und bis jetzt nur in schwachen Umrissen bezeichnete Einheit im Bunde befördert, statt daß jede Vertheilung solcher Befugnisse, wenn auch durch den Schein gleicher Rechte begünstigt, fast unvermeidlich, entweder einen Dualism, oder Mangel an Zusammenhang und Haltung entstehen lassen müßte. Es ist jedoch auf der andern Seite eine gewisse Rücksicht und Schonung für Preussen bey dessen Ansprüchen zu beobachten, um ihm nicht sogleich alles eigene Interesse am Bunde zu nehmen, sondern vielmehr die Aussicht nützlicher Wirksamkeit zu lasssen. Ich habe mich gegen den Herrn 5 Leiter des königlichen Kanzleiwesens. Seit 1044 hieß in Deutschland der bisherige Erzkaplan, der Erzbischof von Mainz, Erzkanzler. Da die tatsächliche Leitung der Reichskanzlei schon 868 auf den Hofkanzler übergegangen war, wurde diese Funktion schon bald zum bloßen Ehrentitel. Erst im 15. und 16. Jahrhundert erlangte der Erzkanzler von Deutschland (Reichs[erz]kanzler) von neuem die Leitung der Reichskanzlei. Außerdem war er der erste Kurfürst, Vorsitzender der Kurfürstenkollegiums und des ganzen Reichstags. Vgl. Haberkern/Wallach, Hilfswörterbuch für Historiker, S. 181; HRG, Bd. 1, Sp. 1011−1015; Lexikon des Mittelalters, Bd. 4, Sp. 1 f. 6 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1509.

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Frankfurt am Main, 2. Juli 1816

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von Hänlein eben darum in dem Sinn geäussert, der allen Zwiespalt entfernt, und zwar so: daß man sich auf diese und andre ähnliche Fragen in der jetzigen Lage des Bundes-Tages nicht einlassen könne, sondern müsse derselbe zuvor gehörig constituirt und in Activität gesetzet seyn, um über solche organische und selbst die Grund-Gesetze betreffende Fragen Beschlüsse in ordentlicher Form nehmen zu können, wobey den[n] Preußen auch seine desfalsigen Anträge würde machen können. Ich hoffe daß auch Oesterreich eine Antwort giebt die darauf hinausgeht, indem es sich über den Punkt selbsten ungern in Contestation wird einlassen wollen, jede geheime oder separate Unterhandlung aber den Bundes-Tag noch weiter mit Verzögerung und Stockung bedroht. Der Graf Buol hat nun gestern das vorgedachte Memoire sogleich schon mit einem Courier nach Wien geschickt7, wird inzwischen auch noch über die Aeusserungen berichten, welche ihm deshalb von andern Bundes-Tags-Gesandten gemacht werden; schwerlich dürfte aber sein Hof in den Vorschlag irgend einer Art von Condirectorio hereingehen, und er selbst, der Graf Buol, spricht sehr empfindlich darüber. Es ist wohl unverkennbar, daß wenn die Directorial-Geschäfte mit dem Praesidio von Oesterreich allein geführt werden, Preussen eine sehr zweckmäßige Controlle an der Spitze der übrigen Bundes-Staaten ausüben, und die zu große Ausdehnung und den Mißbrauch davon verhindern kann, während dagegen ein von Oesterreich und Preussen gemeinschaftlich geführtes Condirectorium wohl Verständnisse entstehen lassen könnte, die den übrigen besorglich und gefährlich würden. Der Graf Buol erwartet nun die Anweisungen seines Hofes um dem Herrn von Hänlein auf jene Mittheilung Bescheid zu geben. Die übrigen BundesGesandten haben sich auf die desfalsigen nur mündlich und vertraulich gemachten Eröfnungen meistens in der Art schon geäus­sert, daß der Herr von Hänlein daraus eben keine beyfällige Stimmung für jene Anträge, wenn er sie weiter betreiben sollte, wird ersehen haben. Indessen scheint es doch als ob er nach Eingang der Oesterreichischen Antwort die weitern Schritte zu thun gesonnen ist. Das vorgedachte Memoire erstreckt sich noch über einen andern Gegenstand, nemlich die Einrichtung des Militair-Wesens beym Bunde, und enthält den Plan, drey große Militair-Abtheilungen in Teutschland zu errichten, die des Oberrheins, des Mittelrheins und des Niederrheins, welche aber doch zu dem Resultat führen, die alte Idee zu realisiren, ein Nord- und Süd-Teutschland aufzustellen, so daß die innerhalb jeder Abtheilung belegenen Staaten mit ihrer Militair-Macht sich an Preussen oder Oesterreich anschliessen sollen. Ich behalte es mir vor auch hierüber, wenn ich mir das besagte Memoire verschaft haben werde, noch mit Gewißheit die nähern Details nachzuliefern 7 Vgl. Dok. 13a.

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Hendrich an Großherzog Carl August von Sachsen-­Weimar

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und weitere Bemerkungen darüber zu machen. Man hat mich versichern wollen, daß alle diese Vorschläge von Preussen an Oesterreich in der Art ergangen sind, um sich gegenseitig zu deren Ausführung verbindlich zu machen. [Abschluß der Territorialausgleichsverhandlungen zwischen Preußen und Hessen-Darmstadt; Konferenz über Territorialentschädigungen aus dem Saardepartement; keine Neuigkeiten über die badischen Angelegenheiten.] Wegen Ansetzung der Präliminair-Conferenzen wird in diesen Tagen nun die Verabredung genommen werden, und ich hoffentlich in meinem folgenden Bericht schon etwas bestimmtes davon melden können. In tiefster Ehrerbietung beharrend Ew. Königlichen Hoheit

allerunterthänigst treu gehorsamster L. H. Plessen

19. Hendrich1 an Großherzog Carl August von Sachsen-­ Weimar2

HStA Weimar, C 2256, fol. 290−292. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 8. Juli 1816.

Analyse und Kritik des Projekts des preußischen Bundestagsgesandten Hänlein: Durch die vorgeschlagene Teilung des Direktoriums zwischen Preußen und Österreich soll Österreich die Leitung der Geschäfte entzogen werden. Diejenigen Bundesfürsten, die kein großes Militärkorps stellen können, sollen sich an Preußen oder Österreich anschließen. Drohung Hänleins, daß Preußen, falls Österreich nicht auf seine Vorschläge eingehe, eine andere Sprache führen und sich notfalls vom Bund trennen werde. Der mündlich lancierte Alternativvorschlag, die Direktorialgeschäfte auf mehrere der größeren Bundesstaaten zu verteilen, werde wenig Beifall bei den Mindermächtigen finden. Hänleins Projekt verstößt gegen die Gleichheit der Rechte 1 Franz Josias von Hendrich (1752−1819), sächsischer Beamter, Studium der Rechte u. a. in Jena, 1775 sachsen-meiningischer Regierungs- und Legationsrat in Meiningen, 1779 Mitglied des Geheimen Ratskollegiums, 1788 Geheimer Regierungsrat, 1788−1791 zugleich Oberamtmann in Wasungen und Sand, 1802 Wirklicher Geheimer Rat, 1802 Ausscheiden aus dem Dienst und sachsen-coburgischer Landschaftsdirektor, 1815−1819 großherzoglich und herzoglich-sächsischer Bundestagsgesandter in Frankfurt. Vgl. DBA  I, 511, 210−213; Heß, Forschungen zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des Herzogtums Sachsen-Coburg-Meiningen 1680−1829, Bd. 3, S. 46−49; Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 199 f., 226 f. u. 383.; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 370; von Erffa, Zur Geschichte der Familie von Hendrich, S. 224. 2 Carl August (1757–1828), seit 1758 Herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach, 1775 Regierungsantritt, 1815 Großherzog. Vgl. ADB, Bd. 15, S. 338–353; NDB, Bd. 11, S. 262–264; DBE, Bd. 5, S. 446 f.

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Frankfurt am Main, 3. Juli 1816

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der Bundesglieder und schadet der Einheit des Bundes. Alle Gesandten, mit denen er gesprochen habe, mißbilligen nicht nur die Sache selbst, sondern vor allem auch die Vorgehensweise Preußens. Hendrich werde dahin wirken, daß Österreich so lange im vollen Genuß der Direktorialrechte verbleibe, bis eine Änderung durch die Bundesversammlung beschlossen werde. Ablehnung eines Pentarchats oder eines Direkto­ riums der Könige. Die allgemeine Misbilligung hat mittlerweile dazu geführt, daß Hänlein den Staatskanzler Hardenberg ersuchen wolle, den Antrag zurückzunehmen.

Frankfurt am Main, 3. Juli 1816 Durchlauchtigster Großherzog, Gnädigst regierender Fürst und Herr! Des Herrn Gesandten von Hänlein Ankunft ist schon aus den Zeitungen bekannt. Er wird zwar in einigen Tagen wieder nach Cassel reisen, will aber bald genug zurükkommen, damit der Bundestag mit Anfang Augusts eröffnet werden könne. So erfreulich dieses ist, so unangenehm ist die sich verbreitende Besorgniß, daß dem Geschäftsgang gleich anfangs dadurch wieder ein neues Hinderniß in den Weg treten werde, daß Preußen dem in der Bundes­ acte dem Haus Oestreich zugesicherten Vorsitz allzu enge Schranken setzen und das Directorium getheilt haben will. Der Vorgang ist, so wie ich ihn aus zuverläßigen Quellen erfahren habe, folgender: Herr von Hänlein hat dem Grafen Buol einen Aufsatz3, die Organisation des Bundes betreffend, überreicht, der schon durch Fürst Hardenberg nach Wien gesendet worden4, und dabey gebeten, ihn auch, von einem günstigen Bericht begleitet, dahin zu senden, den Aufsatz selbst aber den übrigen ­Gesandten nicht mitzutheilen. Graf Buol hat ihn sogleich durch einen Courier abgesendet5, die Nichtmittheilung zwar versprochen, jedoch, nachdem er den Inhalt gesehen, erklärt, daß er darüber mit den übrigen Gesandten zu sprechen nicht vermeiden könne. Der Inhalt geht vorzüglich dahin, daß Preußen nicht nur das Mitdirectorium, sondern das Wichtigste − die Leitung der Geschäfte Oestreich entziehen will, nämlich: a) die Führung des Protokolls, b) die Faßung der Beschlüße, c) das Archiv, 3 Dok. 12. 4 Vgl. Schreiben Hardenbergs an Metternich, Glienicke, 19. Juni 1816, HHStA Wien, St.  K., Diplomatische Korrespondenz: Preußen, Kart. 102, Fasz. 99 (alt), Konv. 4: Preussen. Schreiben des Fürsten v. Hardenberg an den Fürsten Metternich. 1816, fol. 3−3’. Der Entwurf Hänleins befindet sich allerdings nicht in dieser Akte. 5 Dok. 13a.

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Hendrich an Großherzog Carl August von Sachsen-­Weimar

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d) die Casse, die es wahrscheinlich aus Beyträgen der Bundesglieder zu bilden gedenkt. Hierbey ist zugleich vorgeschlagen, daß die Bundesfürsten, welche kein großes Militair Corps stellen können, verbunden seyn sollten, sich an Preußen oder Oestreich, nach der geographischen Lage ihrer Länder, anzuschließen. Dabey soll der Preußische Gesandte sich die Drohungen erlaubt haben, daß wenn Oestreich darauf nicht eingehen wolle, sein Hof eine andere Stellung werde nehmen oder eine andere Sprache führen müßen. Gegen mich hat der Gesandte geäußert, daß sein Hof auf diesen Fall sich vom Bunde trennen werde. Graf Buol hat gegen mich selbst erklärt, daß er sich die mit dem Vorsitz verbundenen Directorialrechte, so lange er nicht von seinem Hof dazu angewiesen sey, nicht werde nehmen laßen. Daß man unter dem in der Bundesacte dem Hause Oestreich eingeräumten Vorsitz alle die gewöhnlich damit verbundenen Directorialrechte verstanden habe, läßt sich so wenig bezweifeln, als es höchst auffallend ist, daß Preußen, nachdem es sechs Monate zur Wahl seines Gesandten und deßen Instruktion bedurfte, und die ganze Bundes Versammlung inzwischen in Unthätigkeit hingehalten hat, nun nicht nur mit solchen Forderungen auftritt, sondern es auch auf eine Art thut, die deutlich zeigt, daß es ohne Achtung für die den Fürsten in der Bundesacte zugestandenen Rechte, wenn Oestreich dazu die Hand böte, ihnen Gesetze vorschreiben würde. Zwar äußerte Herr von Hänlein gegen mich, daß sein Hof nicht gerade für sich das Condirectorium in Anspruch nehme, sondern sich gern gefallen laßen werde, solches mit mehreren der größern Bundesstaaten zu theilen, deren ­Jedem ein besonderes Directorialgeschäfte angewiesen werden könne. Aber wenn es damit auch Ernst seyn sollte; so würde dieser Vorschlag bey den Mindermächtigen wohl wenig Beyfall finden. Abgesehen davon, daß der ­ganze Bund auf Gleichheit der Rechte gegründet worden, würden wir uns dadurch immer mehr von der beabsichtigten und wenn der Bund gedeihen soll, nöthigen Einheit entfernen. Dazu kommt noch, daß man gerade zu denen ­Höfen, die die größten nach Oestreich und Preußen sind, nicht das Zutrauen haben kann, es sey ihnen rechter Ernst mit dem deutschen Bunde, da sie sich vielmehr bisher zu isoliren suchten. Herr von Hänlein äußerte: wenn Oestreich die vollen Directorialrechte allein und ohne Controlle ausüben solle; so würde es mehr Rechte haben, als es als deutscher Kayser hatte. Meiner Einsicht nach wird, wenn die deutschen Fürsten der Macht, von welcher der größere Theil wünschte, daß sie die deutsche Kayserwürde angenommen hätte6, das Directorium in der Bundes Ver6 Vgl. z. B. die sogenannte Kaisernote der mindermächtigen deutschen Staaten vom 16. November 1814, QGDB I/1, Dok. 128, S. 778−781.

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sammlung übertragen, dadurch die Controlle auf keine Weise ausgeschloßen und es muß doch wohl immer noch ein großer Unterschied zwischen einem freywillig übertragenen7 Directorio der Bundes Versammlung und der Würde eines Oberhaupts des deutschen Staats bleiben. Alle Gesandten, mit denen ich über die Sache gesprochen habe, mißbilligen nicht nur die Sache selbst, sondern vorzüglich auch die Art und Weise des Benehmens Preußens. So bald ich entweder den Preußischen Antrag selbst erhalten kann oder sonst etwas Wichtiges über diesen Vorfall zu melden habe, werde ich deshalb berichten. So lange ich keine andere Instruction erhalte, glaube ich mich durch meine allgemeine verpflichtet, dahin zu wirken, daß Oestreich in dem vollen Genuße der Directorialrechte so lange verbleibe bis durch eine von der Majorität der Bundes Versammlung gebilligte Uebereinkunft bestimmt seyn wird, ob und welchen Antheil Preußen oder irgend ein anderer Hof daran haben soll, daß aber auch alles vermieden werde, was zu einem Pentarchat oder einem Directorio der Könige nach Anleitung der Wiener Comité führen könnte8, die damals schon so vielen und gerechten Widerspruch fand. Anliegende beyde Schriften: „Darstellung des Betragens der vormals unmittelbaren Reichs-Fürsten und Reichs-Grafen im Königreiche Würtemberg, mit dazu gehörigen 28 Acten Stücken. Erstes Heft. May 1816.“ „Vorschläge zur Einrichtung einer zweckmäßigen Medicinalverfaßung.“ sind vertheilt worden. In tiefster Ehrfurch verbleibe ich Euer Königlich[en] Hoheit unterthänigst treu gehorsamster Franz Josias von Hendrich Nachtrag vom 5[te]n Juli: Die allgemeine Misbilligung hat Herrn von Hänlein bewogen, zu erklären, daß er un­ verzüglich an den Fürsten Hardenberg schreiben und ihn ersuchen werde, den ­Antrag zurück zu nehmen. 7 Emendiert. Vorlage: übertragenem. 8 Anspielung auf die „Zwölf Artikel“ vom 14./16. Oktober 1814 (vgl. QGDB  I/1, Dok. 58, S. 365−370, hier S. 367 [Art. 5]), die die Grundlage der Beratungen des sogenannten Deutschen Komitees bildeten und einen Rat der Kreisobersten (Österreich, Preußen, Bayern, Hannover, Württemberg) vorsahen, der von Vertretern der Mindermächtigen als deutsche Pentarchie bezeichnet wurde (z. B. QGDB I/1, Dok. 118, S. 745−747).

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Marschall an Herzog Wilhelm von Nassau

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20. Marschall1 an Herzog Wilhelm von Nassau2

a) HStA Wiesbaden, 130 II/3367, fol. 321−322’ und 324−324’. Schreiben. Eigenhändige Ausfertigung. b) HStA Wiesbaden, 130 II/2122c, I, fol. 14−16. Abschrift.

Kritische Würdigung des Projekts des designierten preußischen Bundestagsgesandten Hänlein: Durch die vorgeschlagene Teilung des Direktoriums zwischen Preußen und Österreich würde Preußen die wesentlichsten Direktorialrechte und Befugnisse erhalten und durch die anvisierte Kommandostruktur der Bundestruppen eine Teilung Deutschlands in Süd- und Norddeutschland begründet. Die einmütige Ablehnung des Projekts durch die übrigen Bundestagsgesandten, die auf einer Vollziehung der Deutschen Bundesakte, so wie sie vorliege, hätten bestehen müssen, habe dazu geführt, daß Hänlein sein Projekt habe zurückziehen müssen. Hänleins Initiative habe dem Ansehen Preußens geschadet und werde Österreichs Einfluß auf die Bundesangelegenheiten stärken.

Wiesbaden, 6. Juli 1816 Euer Herzoglichen Durchlaucht versäume ich nicht vorläufige nähere Nachricht über den Stand der Unterhandlungen über die Bundesangelegenheiten zu Frankfurt zu geben. Herr von Hähnlein3 überreichte gleich nach seiner Ankunft dem Oestreichischen Gesanden Grafen von Boul4 einen Aufsaz5 in dem folgende Propositionen im wesentlichen enthalten waren. 1) Theilung des Directoriums zwischen Oestreich und Preussen in der Art daß Preussen die wesentlichste Directorialrechte und Befugniße erhalten haben würde. 2) Propositionen über die Ver­ theilung der Bundes Truppen im Fall eines Kriegs unter Oestreichische und Preusische Commandirende Feldherrn die von beyden Höfen zu ernennen wären und wodurch die Theilung Deutschlands in Süd und Norddeutschland nach der alten Idee wieder begründet werden sollte. Neben diesem wurde in dem Aufsaz bemerkt daß alles dieses gegen die übrige deutsche Bundesglieder leicht durchzusezen seyn würde indem es nur auf die Einigkeit zwischen 1 Ernst Franz Ludwig Freiherr Marschall von Bieberstein (1770–1834), nassauischer Staatsmann, 1782–1791 Besuch der Hohen Karlsschule in Stuttgart, 1791 Eintritt in nassau-usin­ gische Dienste als Leutnant, 1792 Regierungs- und Hofgerichtsassessor, 1793 Regierungsrat, 1795 Geheimer Referendar und Mitglied des Geheimratskollegiums, 1796 Geheimer Regierungsrat, 1800 Geheimer Rat, 1803 Regierungspräsident, 1806 herzoglich-nassauischer Staatsminister, 1809 Erster Staatsminister, 1811–1834 Dirigierender Staatsminister, 1815−1834 zugleich Bundestagsgesandter. Vgl. NDB, Bd. 16, S. 254–256; DBA  I, 807, 101–108; Menn, Ernst Franz Ludwig Freiherr Marschall von Bieberstein, S. 114–183; Anderson, Ernst ­Marschall von Bieberstein and the Foundation of Modern Nassau; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 274. 2 Wilhelm (1792−1839), seit 1816 Herzog von Nassau. Vgl. Renkhoff, Nassauische Biographie, S. 565; ADB, Bd. 43, S. 136−139. 3 Hänlein. 4 Buol. 5 Vgl. Dok. 12.

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Preussen und Oestreich ankomme und die übrigen sich das gefallen lassen müßten, was diese wollten. Graf Boul dessen Instructionen dahin gehen die Bundesacte zu vollziehen und bey jeder Gelegenheit die feste Absicht Oestreichs an den Tag zu legen die deutschen Staaten bey ihren erworbenen Rechten zu schützen könnte um so weniger diese unerwartete[n] Propositionen mit Wohlgefallen vernehmen als auch dadurch die seinem Hofe durch die Bundesacte eingeräumte Rechte und Vorzüge vermindert ja auf nichts zurükgeführt werden sollten. Er erklärte daher dem Gesanden von Hähnlein daß er nicht seine Vorschläge unterstüzen könne damit jedoch einen Courier nach Wien absenden und bis zu dessen Zurükkunft die so lange erwartete präliminar Conferenzen über die Eröffnung des Bundes Tags suspendiren wolle. Die übrigen Gesanden wurden durch diesen Aufschub beunruhigt forschten nach der Ursache und erfuhren bald den wesentlichen Inhalt der von Hähnleinischen Propositionen indem Herr von Hähnlein selbst um einzele Gesande und ihre Höfe in sein Interesse zu ziehen davon confidentielle Eröffnungen an Einzele Gesande gemacht hatte. So hatte er z. B. an Hanover um es für die Theilung des Directoriums zu stimmen die Leitung der Bundespolicey an Sachsen die Führung der Bundescasse den Städten die Übernahme des Bundessecretariats proponirt. Gegen diese Schritte des preussischen Hofs entstand wie voraus zu sehen war die lebhafteste Opposition von Seiten aller übrigen Bundesgesanden. Sie erklärten einstimmig daß Sie auf der Vollziehung der Bundesacte wie sie ­vorliege bestehen müßten die von ihren Höfen ratificirt und zu deren Hand­ habung sie angewiesen seyen, sie sezten hinzu daß (welches jedoch der Fall nicht seyn könne) wenn auch Oestreich und Preussen auf diese Propositionen eingehen wollten 15 Stimmen gegen zwei dastehen würden und drangen auf das ernstlichste auf die Eröffnung der Conferenzen. Bey dieser Gelegenheit drükten Sie ihr festes Vertrauen in die bekannten vortrefflichen Gesinnungen des Oestreichischen Hofes aus; Sie erklärten daß sie in der Hand dieses Hofes nur das Directorium und die Leitung der deutschen Angelegenheiten mit Ruhe und Vertrauen sehen und sich nur an diesen Hof anschließen könten. Diesen Widerstand hatte man preusischer Seits nicht erwartet und er hatte die Wirkung daß Herr von Hähnlein sich veranlaßt gesehen hat, seine Propositionen zurükzunehmen. Euer Herzoglichen Durchlaucht brauche ich nicht darauf aufmerksam zu machen, welchen nachtheiligen Eindruk dieses Benehmen für Preussen zurükgelassen hat und wie sehr dadurch die schon bestehende Anhänglichkeit an Oestreich verstärkt worden ist. Das Benehmen des Grafen Boul war ganz so wie man es von seiner Klugheit erwarten konnte, und wie es der Würde seines Hofs entsprach. Königl. Preusischer Seits hätte man nicht zwekmäßiger sich benehmen können, wenn

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man die Aufgabe zu lößen gehabt hätte, wie am besten der Oestreichische Einfluß auf deutsche Bundessachen zu vermehren seye. Allgemein ist nun die Überzeugung daß man sich fest an diesen Hof anschließen müße und daß derselbe alles Zutrauen verdiene. Der Hähnleinische Aufsaz ist integraliter noch nicht mir zu Gesicht gekommen, da Herr von Boul versprechen mußte ihn nicht mitzutheilen, es ist inzwischen nicht zu zweiflen daß dieses merkwürdige Actenstük bald bekannter werden wird. Die Eröffnung der Bundespräliminar Conferenzen ist nun auf den 5ten August festgesezt worden, wozu ich mich auch nach Frankfurt begeben werde. Die Territorial Angelegenheiten sind nunmehr auch abgeschlossen. Die Sache mit Mainz ist dahin entschieden daß die Garnison in Friedenszeiten aus 3000 Oestreichern, 3000 Preus­sen und 1000 Darmstädtern bestehen wird. Oestreich hatte proponirt daß auch in Friedenszeiten Nassauische Truppen einen Theil der Besazung ausmachen sollen von den übrigen Mächten wurde aber diese Proposition nicht unterstüzt. Welchen Einfluß alles dieses auf die Übergabe der Niedergrafschaft6 haben wird ist mir unbekannt, ich zweifle indessen nicht daran daß dieselbe bald vor sich gehen wird. Sollte Sie noch vor der Rükkehr Euer Herzoglichen Durchlaucht geschehen müßen, so werde ich zum Commissario den Präsidenten von Dalwig7 in der Unterstellung der Genehmigung Euer Herzoglichen Durchlaucht designiren, und dafür sorgen daß gegen Hessen sowohl als Preussen das Interesse Euer Herzoglichen Durchlaucht gewahrt wird. Die Widerlegung des Schreibens8 des Herrn von Stein findet bey allen ­denen denen ich sie bisher vertraulich mitzutheilen mich veranlaßt gesehen 6 Die Niedergrafschaft Katzenelnbogen, die Preußen zuvor von Kurhessen gegen Fulda eingetauscht hatte, wurde am 17. Oktober 1816 von Nassau in Besitz genommen. Damit war ein komplizierter Ringtausch von Territorien zwischen Nassau-Oranien, Preußen, Kurhessen und dem Herzogtum Nassau abgeschlossen und Nassau hatte seine endgültige territoriale Gestalt erlangt. Vgl. dazu Schüler, Herzogtum Nassau 1806−1866, S. 60−63, und Treichel, Der Primat der Bürokratie, S. 117 f. 7 Carl Friedrich August Freiherr von Dalwigk zu Lichtenfels (1761−1825), nassauischer Jurist. Studium der Rechte in Marburg und Göttingen, 1783 Auditor am Oberappellationsgericht in Kassel, 1783 Hofgerichtsrat in Hanau, 1788 kurmainzischer Hof- und Regierungsrat sowie Kammerherr, 1800 Reichskammergerichtsassessor in Wetzlar, 1804−1825 Präsident des ­nassauischen Oberappellationsgerichts, 1805 Wirklicher Geheimer Rat, 1815 Mitglied des Staatsrats. Vgl. Renkhoff, Nassauische Biographie, S. 120; ADB, Bd. 4, S. 714; Treichel, ­Primat der Bürokratie, S. 91 Anm. 208. 8 Gemeint ist vermutlich die Eingabe des Freiherrn vom Stein und des nassauischen Standesherrn Franz Philipp Graf von Walderdorff an Herzog Wilhelm von Nassau vom 26. Juni 1816, worin beide gegen den Bruch der nassauischen Verfassung vom 1./2. September 1814 protestierten, da wichtige Reformgesetze wie das Organisationsedikt vom 9./11. Dezember 1815 sowie das Gemeindeedikt vom 5. Juni 1816 ohne Zuziehung der Landstände erlassen worden waren. Stein und Walderdorff forderten deshalb die Suspendierung des Gemeindeedikts, die

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habe Beyfall. Man glaubt daß das was dem Herrn von Stein darin in einigen etwas starken Stellen gesagt wird durch seine unartige Herausnahme und Behandlung des Gegenstandes wohl verdient seye. Ich werde nun auch Gelegenheit haben Herrn von Plessens und des Grafen Rechbergs Meinung über den Aufsaz zu vernehmen. Ich habe geglaubt mich eilen zu müßen diese höchst interessante Nachrichten über die Frankfurter Verhandlungen Euer Herzoglichen Durchlaucht so mitzu­ theilen, damit mein Schreiben zugleich mit Höchstdenselben zu Wien eintreffen. Ich verharre in tiefstem Respect Euer Herzoglichen Durchlaucht unterthänigster F. v. Marschall

21. Wintzingerode1 an Montgelas2

HStA München, MA 264, No. 1. Schreiben. Behändigte Ausfertigung.

Übersendet Auszüge von Berichten über Hänleins Projekt eines Kondominats Preußens und Österreichs über den Deutschen Bund. Dieses ist gegen die Interessen der süddeutschen und norddeutschen Höfe gerichtet. Notwendigkeit eines ZusammenEinberufung der Landstände und daß sich die Regierung „bis dahin aller Neuerungen enthalte“. Herzog Wilhelm übersandte die Eingabe sofort nach Erhalt am 28. Juni 1816 per Kurier an Marschall. Vgl. Stein, Briefe und amtliche Schriften, Bd. 5, Nr. 421, S. 499−502 (Eingabe Steins und Walderdorffs) und Nr. 422, S. 502 f. (Antwortschreiben Herzog Wilhelms an Stein, Bad Ems, 28. Juni 1816). Zu den angesprochenen Verwaltungsreformen in Nassau vgl. ausführlich Treichel, Der Primat der Bürokratie, S. 119−236.

1 Georg Ernst Levin Freiherr (seit 1794 Reichsgraf) von Wintzingerode (1752–1834), württembergischer Staatsmann, 1768 Eintritt in hessen-kasselische Hof- und Militärdienste, 1787–1800 Oberhofmeister der ver­wit­weten Landgräfin Philippine von Hessen-Kassel, 1801–1804 württembergischer Geheimer Rat, Staats- und Konferenzminister, 1804/05 Geheimer Rats-Präsident, 1808–1813 westfälischer Gesandter in Paris, 1814–1816 württembergischer Staats- und Konferenzminister, 1814/15 Bevollmächtigter auf dem Wiener Kongreß, 1816 Obersthofmeister der Königin, 1820–1825 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Berlin, ­Hannover und Kassel. Vgl. DBA I, 1380, 148–155; DBE, Bd. 10, S. 536; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 473 u. 482; Pfeilsticker (Bearb.), Neues württembergisches Dienerbuch, Bd. 1, § 1114 u. 1124; Königlich-Württembergisches Staats- und Regierungsblatt 1820, S. 529; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 419 u. 421 f. (mit falscher Nennung des Sohnes Heinrich Karl Friedrich Levin Graf von Wintzingerode). 2 Maximilian Joseph (seit 1809) Graf von Montgelas (1759–1838), bayerischer Staatsmann, 1777 Eintritt in bayerische Dienste als Hofrat, 1786 Wechsel in pfalz-zweibrückische Dienste, 1799–1817 bayerischer Außenminister, 1803–1806 und 1809–1817 zugleich Finanzminister, 1806–1817 auch Innenminister. Vgl. ADB, Bd. 22, S. 193–204; NDB, Bd. 18, S. 55–63; Weis, Montgelas 1779−1799. Zwischen Revolution und Reform; ders., Montgelas. Bd. 2: Der Architekt des modernen bayerischen Staates 1799−1838.

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Wintzingerode an Montgelas

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schlusses der süddeutschen Staaten und Sachsens, um diesen bedrohlichen preußischösterreichischen Bestrebungen wirksam entgegentreten zu können. Erbittet eine schnellstmögliche Antwort und Lagebeurteilung Montgelas’ in dieser Angelegenheit sowie Informationen über den bayerischen Beitritt zur Deutschen Bundesakte.



Stuttgart, 7. Juli 1816 Monsieur le Comte,

Votre Excellence a sans doute reçu par les rapports de Francfort les mêmes notions dont par ordre du Roi je lui adresse les extraits ci-joints.3 Sa Majesté est de l’avis que malgré qu’on lui annonce subséquemment que le plenipotentiaire prussien4 paroit abandonner des pretentions qui n’en ont pas moins été énoncée du Prince Hardenberg au Prince Metternich5, qu’il n’en devient pas moins nécessaire que les Souverains du midi de l’Allemagne se prononcent de manière à ce que ces deux cours cessent de s’arroger le droit à des dispositions contraires en même tems aux intérests de ces cours et à ceux des Souverains du Nord, intentionnés d’entrer dans la Confédération. Il ne paroit pas douteux que ces cours du midi en y comprennant celle de Dresde doivent régarder leur union comme le moyen le plus simple et le plus sur pour arreter des projets plus où moins ménacants et le Roi mon maitre desire connoitre le plus promptement possible l’opinion de Votre Excellence sur la quéstion si peut-être ce ne seroit pas le moment pour établir formellement cette union. Comme Sa Majesté se propose de faire une course dépuis longtems projettée à Carlsrouhe et ne veut pas perdre l’occasion de revoir Sa Majesté le Roi de Bavière auquel une amitié ancienne le lié. Je dois Monsieur le Comte Vous prier de m’honorer le plus promptement possible d’une réponse, pour que Sa Majesté soit avant cette entrevüe au fait 3 Übersandt wurden Auszüge der Berichte des württembergischen Bundestagsgesandten Linden an König Friedrich I., Frankfurt am Main, 4. Juli 1816 (HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 129 [Abschrift]), sowie des württembergischen Gesandten in Karlsruhe Graf von Gallatin an König Friedrich I., Karlsruhe, 4. Juli 1816 (HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 129 [Abschrift]). Die Auszüge befinden sich in HStA München, MA 264. Pierre (Peter) (seit 1776) Graf von Gallatin (1753−1820), Bürger von Genf, ab 1769 Studium der Rechte in Tübingen, danach Offizier der Schweizergarde in Holland, 1783 Mitglied des Genfer Rats der Zweihundert, 1792 Vertreibung aus Genf infolge der revolutionären Wirren und 1794 Verurteilung in Abwesenheit zum Tode durch das Revolutionstribunal, später Kämmerer und Hofrat des Herzogs Karl II. Wilhelm Ferdinand von Braunschweig, 1809 Übertritt in württembergische Dienst als Geheimer Legationsrat, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister 1812−1816 in Karlsruhe, 1816/17 in München und 1817−1820 in Paris. Vgl. DBA II, 425, 307−309; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 477; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815–1963, S. 424 f.; Historisches Lexikon der Schweiz, Bd. 5, S. 73. 4 Conrad von Hänlein. 5 Vgl. Dok. 12.

Nr. 22

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Wiesbaden, 9. Juli 1816

de Votre manière de juger les circonstances et ce qui convient de leur op­ poser. Quels que soient les raisons de croire que la Cour de Munic n’ait jusqu’a present point accédé par les ratifications données à la federation germanique, j’ai chargé de nouveau le Ministre du Roi de Munic d’en obtenir la certitude.6 Agrées, Monsieur le Comte, l’assurance renouvellée de la haute consideration avec laquelle j’ai l’Honneur d’etre Monsieur le Comte de Votre Excellence le tres humble et tres obeïssant serviteur Cte de Wintzingerode

22. Dalwigk an Marschall

HStA Wiesbaden, 130 II/2122c, I, fol. 17−17’. Schreiben. Behändigte Ausfertigung.

Hänleins Forderung nach dem Kondirektorium für Preußen ist eine vertragswidrige Anmaßung und zielt letztlich, die Idee einer Teilung Deutschlands in Süd- und Norddeutschland aufgreifend, auf den Untergang der deutschen Fürsten, wodurch Preußen eine territoriale Abrundung erfahren würde. Die Bundesakte sichert allen ­Mitgliedsstaaten gleiche Rechte zu, und ohne Stimmenmehrheit kann kein sie abändernder Beschluß gefaßt werden. Das Bundesdirektorium begründe nur einen Primat inter pares. Empfiehlt, sich in Bundesangelegenheiten fest an Österreich anzuschließen, da eine Wiederbelebung des Hänleinschen Projekts durch Preußen nicht aus­ geschlossen werden könne.

Wiesbaden, 9. Juli 1816 An Seine1 Excellenz den Herrn Staats Minister Freiherrn von Marschall Preussens Propositionen betreffend. Es war zu erwarten, daß Graf Buol die auffallenden Propositionen des Herrn von Hänlein2 von sich ablehnen3, und eine lebhafte Opposition von Seiten der übrigen Bundesglieder dagegen eintreten würde4. 6 Montgelas übersandte Wintzingerode mit Schreiben vom 10. Juli 1816 den Text der bayerischen Beitrittsurkunde zur Deutschen Bundesakte. Vgl. HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 60. 1 Emendiert. Vorlage: Seiner. 2 Vgl. Dok. 12. 3 Vgl. Dok. 13a. 4 Vgl. Dok. 19 und 20.

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Wintzingerode an König Friedrich I. von Württemberg

Nr. 23

Abgesehen von vertragswidrigen Anmaasungen hat Preussen noch nicht die Consistenz im Innern erlangt, um mit Vertrauen ein Mitdirectorium ihm anvertrauen zu können, dessen Tendenz (die Realisirung des alten Projects der Theilung Deutschlands in das südliche und nördliche) auf den Untergang der Fürsten abzielt, wodurch es seinen Staaten eine Abrundung geben will, die es im Gefühl seiner Schwäche gegen Rußland und Oestreich sich verschaffen zu müssen glaubt. Der Art. 3 der deutschen Bundes Acte5 sichert allen Bundesgliedern g­ leiche Rechte zu, ohne die Stimmenmehrheit kann kein sie abändernder Beschluß gefaßt werden. Der Vorsitz Oestreichs begründet nur ein Primat inter pares6, dies Primat das Preusen mit ersterem mit vorzüglichen Rechten zu theilen beabsichtigte, muß im Hinblick auf das obwohl zurück genommene, demnächst aber vielleicht reviviszirende Project, eine feste und dauernde Anschliesung an Oestreich zur Folge haben, dem die Eröffnung des Bundestags nach Anleitung des Bundesvertrags am Herzen zu liegen scheint. Ich stelle es höherem Ermessen anheim: ob nicht das Directorium zu ersuchen sein möchte, gleich in der ersten Conferenz ohne Bitterkeit die Hindernisse leise zu berühren, die bisher der Eröffnung des Congresses, die nach Art. 9 schon am 1ten September 18157 statt finden sollte, sich entgegen gestellt haben. v. Dalwigk

23. Wintzingerode an König Friedrich I. von Württemberg

HStA Stuttgart, E 9, Bü 21, fol. 40’–41. Vortrag. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 14. Juli 1816.

Gerüchte über die Wiedereinführung der deutschen Kaiserwürde und deren erbliche Übertragung an das Haus Österreich. Preußen soll eine herausgehobene Position erhalten. Allgemeines Empfinden, daß der Bund und die Bundesakte in ihrer jetzigen Gestalt keinen Bestand haben könnten.



Stuttgart, 13. Juli 1816 Euer Königl. Majestät

hatten sich durch die neuern Berichte des Gesandten von Linden in Frankfurt über die unerwarteten Ansprüche des Königl. Preuss. Gesandten v. Haenlein, 5 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1509. 6 Primus inter pares (lat.): Erster unter Gleichen. 7 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512.

Nr. 23

Stuttgart, 13. Juli 1816

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mit welchen derselbe gleich bei seinem Erscheinen daselbst auftrat, allerggst. bewogen gefunden, dem Geh. Unterzeichneten den Befehl zu ertheilen, mit den Höfen von Sachsen, Baden und Darmstadt über diese Vorfälle in weitere Communication durch die Königl. Gesandtschaften in der Absicht zu tretten, um ihre Gesinnungen über eine engere Verbindung der grösseren südteutschen Höfe gegen jede nachtheilige Anmassung zu vernehmen, und sodann über die Art derselben weitere Verabredungen zu treffen. Insbesondere aber sollte nach diesen Ah. Befehlen Geh. Unterzeichneter in gleicher Absicht an den Königl. Baier. Minister Grafen von Montgelas ein Schreiben erlassen, um dessen Absicht darüber, ob nicht gegenwärtig der Zeitpunkt zum Abschluß einer solchen förmlichen Union seyn könne, zu erfahren. Die hierauf von dem Grafen v. Montgelas eingegangene Antwort1 säumt Geh. Subsignirter nicht, Euer Königl. Majestät hier AU. vorzulegen nach welcher auch der Münchner Hof nicht allein die nehmliche Nachrichten über das Benehmen des v. Haenlein erhalten hatte, sondern in einer weit wichtigern Ausdehnung, als ihm die v. Lindenschen Berichte beilegten. Was das Project einer engern Verbindung der bedeutendsten südteutschen Staaten betrift; so bezieht sich Graf Montgelas wegen jener eigenen Ansichten über die Epoche und die Grundlage einer solchen Union auf die Unterredung, welche er hierüber mit dem Staatsrath von Feuerbach2 gehabt habe und bemerkt, daß er die – ihm hierüber von Geh. Unterzeichnetem gemachte Eröfnungen des Königs von Baiern Majestät vorlegen und dessen Befehle darüber einholen werde. Die Eröfnungen, welche Graf Montgelas dem erwähnten Staats-Rath bei dessen neuerlicher Anwesenheit in München gelegenheitlich der gemeinschaftlich gegen die illegalen Schritte der Mediatisirten zu ergreifenden Maasregeln machte, bestanden darinn, daß der Minister 1.  in Ansehung der Epoche einer solchen abzuschliessenden Verbindung glaubte, daß der Zeitpunkt abzuwarten seyn möchte, wo die TerritorialAusgleichungen in Teutschland vollendet seyn würden. 1 Schreiben Montgelas’ an Wintzingerode, München, 9. Juli 1816, HStA Stuttgart, E 9, Bü 21, fol. 42–42’ (Abschrift). 2 Johann Peter (seit 1809) von Feuerbach (1761–1825), württembergischer Beamter, arbeitete nach dem Studium der Rechte in Göttingen (1782−1785) zunächst am Reichskammergericht in Wetzlar, 1789 Konsulent des Ritterkantons Kocher in Esslingen, 1806 Legationsrat im württembergischen Kabinettsministerium, 1808 Geheimer Legationsrat ebd., 1815 Staatsrat und Direktor der Kanzlei und des Büros der auswärtigen Angelegenheiten für die deutschen Expeditionen, 1820 Ministerialdirektor im Außenministerium, 1821 außerordentliches Mitglied des Geheimen Rats. Vgl. DBE, Bd. 3, S. 278; DBA  I, 316, 55−68; DBA  III, 238, 13; Königl. Württembergisches Hof- und Staats-Handbuch auf das Jahr 1812, S. 33.

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Wintzingerode an Montgelas

Nr. 24

Was Sodann 2. die Basis dieser Union betrift; so legte derselbe solche a) in eine gemeinschaftliche Zusammensicht und Zusammenwirken, um allen Versuchen und Vorschritten, welche die anerkannte und durch die neuesten Staats-Verträge bestätigte Souverainität und Unabhängigkeit der Staaten bedrohen, mit vereinigten Kräften entgegen zu wirken, dahin gehörte besonders vertrauliche Communication der Höfe und einverständliche Instruction der Gesandten an dem teutschen Bundestage, b) in eine gegenseitige Garantie der Besitzungen der Staaten, so, wie sie nach den hergestellten Territorial-Ausgleichungen wären. Und diese Ansichten entsprechen, wie es Geh. Unterzeichnetem scheint, ganz der von Euer Königl. Majestät schon früher ausgesprochenen Allerhöchsten Intention. Von den übrigen Höfen ist noch zur Zeit durch die Königliche Gesandtschaften nichts über den Gegenstand eingekommen. Sobald dieses geschieht, wird Geh. Unterzeichneter nicht verfehlen, Euer Königlichen Majestät davon die AU. Anzeige zu machen. Sich damit etc. etc. Graf von Wintzingerode v. Schott3

24. Wintzingerode an Montgelas

(a) HStA München, MA 264. a) Schreiben. Behändigte Ausfertigung; b) Vertragsentwurf. Reinschrift. − (b) HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 129, ad Numeros 9−10. Vertragsentwurf. Reinschrift (= Anlage zum Schreiben Wintzingerodes an Lichtenberg bzw. Rheinwald, Stuttgart, 26. Juli 1816, ebd., Nr. 9 und 10).

[a) Schreiben] Übersendet den Entwurf eines Vertrags über die engere Zusammenarbeit Bayerns, Württembergs und Badens in Angelegenheiten des Deutschen Bundes; Hessen-Darmstadt wird der Beitritt garantiert. Auf Kurhessen wolle man im Moment nicht zählen, den Kasseler Hof für die Zukunft aber nicht ausschließen; am Beitritt Nassaus wird 3 Johann Eberhard (seit 1812) von Schott (1764−1841), württembergischer Beamter, war 1806 Geheimer Sekretär im Departement der auswärtigen Angelegenheiten und 1810 Legationsrat und Registrator ebd., 1812 Geheimer Legationsrat ebd., zugleich Registrator des Ordens des Goldenen Adlers (bis ca. 1839). Vgl. Königlich-Württembergisches Staats- und RegierungsBlatt vom Jahr 1812, Gekürzte Neuausgabe, S. 90; ebd. 1816, S. 360; Königlich Württembergisches Adreß-Buch auf das Jahr 1806, S. 86; Königl. Württembergisches Hof- und StaatsHandbuch auf das Jahr 1809/10, S. 118; ebd. 1815, S. 39 u. 142; ebd. 1839, S. 56; Alberti, Württembergisches Adels- und Wappenbuch, Bd. 2, S. 706 f.

Nr. 24

Stuttgart, 27. Juli 1816

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nicht gezweifelt und der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß Sachsen unter den ersten vertragschließenden Parteien sein wird; Erwartung, daß die sächsischen Herzogtümer ebenso beitreten. Erbittet Montgelas’ Stellungnahme zu der vorgesehenen Vereinigung und deren Grundlagen.

Stuttgart, 27. Juli 1816 Monsieur le Comte! Votre Excellence se rappelle qu’avant peu j’eus l’honneur de Lui écrire pour, par ordre du Roi, mon Maitre, demander son opinion sur la question, si le moment présent et les essays que fit à Francfort une grande puissance n’exigoient pas que la réunion des Souverains du midi de l’Allemagne ne se fit aujourd’hui en forme, d’après les intentions que la Cour de Bavière manifesta par l’un des Comtes de Rechberg1 dans le tems à Paris et par l’autre2 à Stouttgart immediatement avant son départ pour Turin. Votre Excellence se rappelle de la réponse qu’Elle fit à ma lettre. Elle décida peu après de mon envoy aux eaux de Baden ou je fis ma Cour à Sa Majesté le Roi de Bavière, eus le bonheur de la trouver parfaitement disposée à former ce lien entre les trois Cours principales du Sud de l’Allemagne et à y comprendre de suite celle de Darmstadt, dont Sa Majesté garantit l’accession. Elle pensoit, qu‘il ne falloit pour le moment pas compter celle de Cassel sans vouloir cependant l’exclure pour la suite. 1 Aloys Franz Xaver Graf von Rechberg und Rothenlöwen (1766–1849), bayerischer Staatsmann, 1787 Hofrat in München, 1789 preußischer Legationsrat, 1795–1799 pfalz-zweibrückischer Gesandter beim Reichstag in Regenburg, 1798/99 zweiter Subdelegierter auf dem Rastatter Kongreß, 1799 und 1801 Spezialgesandter in St. Petersburg, 1801–1806 bayerischer Gesandter beim Reichstag in Regensburg, 1807–1809 und 1811–1816 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Wien, April – Juni 1815 Bevollmächtigter auf dem Wiener Kongreß, 1816/17 Bundestagsgesandter, 1817–1825 Minister des Königlichen Hauses und der Auswärtigen Angelegenheiten. Vgl. NDB, Bd. 21, S. 229 f.; ADB, Bd. 27, S. 493–496; DBE, Bd. 8, S. 171; DBA  I, 1004, 413 f.; DBA  II, 1048, 124−126; DBA  III, 731, 274 f., 317−319, 322 f.; Bosls bayerische Biographie, S. 617; Klemmer, Aloys von Rechberg; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 20, 24, 26, 306; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 27, 35 u. 46. 2 Willibald Hyazinth Graf von Rechberg und Rothenlöwen (1780–1849), bayerischer Diplomat, 1801 Legationsrat in Berlin, 1807 Legationsrat in Wien, 1807 Geschäftsträger in Berlin, 1809−1812 Ministerresident in Kassel, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter ­Minister 1813 in Stuttgart, 1816 in Turin und 1817 in Paris, 1821 zeitweiliger Ruhestand, 1824 Wirklicher Staatsrat im außerordentlichen Dienst, 1835–1841 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Stuttgart. Vgl. DBA  I, 1004, 412;. DBA II, 1048, 146; Schärl, Die Zusammensetzung der bayerischen Beamtenschaft von 1806 bis 1918, S. 357; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 40 f. u. 45 f.; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 22, 25 u. 27 f.

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Wintzingerode an Montgelas

Nr. 24

Il n’est pas douteux que la Cour de Nassau ne s’empresse à se réunir à ces Cours royales et grand-ducales; il est certain, que celle de Dresde sera, si l’on veut, des premières contractantes et d’après des notions qui meritent foi, les cours ducales de Saxe seroient décidées à se réunir sans délai dans ce genre de mesures préservatrices au Roi Chef de leur maison. Je ne connois pas les mêmes dispositions au Grand-Duc de Weimar et le Roi, Votre Maitre, Monsieur le Comte, un prévint à Bade de Sa volonté de ne pas Lui confier le sécrèt du projet dont je Vous entretiens. Je vis en quittant Bade Monseigneur le Grand-Duc à Carlsrouhe et y trouvais toutes les facilités pour l’execution de l’alliance projetée; Le Roi mon Maitre sur le rapport qu’à mon rétour j’en fis à Sa Majesté annonça au Votre son arrivée pour le 24 de ce mois à Carlsrouhe demanda rendez-vous, que la réponse de Sa Majesté Bavaroise fixa à Carlsrouhe où Elle s’annonca invitée à diner pour le même jour où le Roi s’y rendroit. Une incommodité survenue à Sa Majesté le Roi de Bavière dérangea ce plan et le Roi ayant du en partant compter sur son exécution s’étoit rendu dependant par des arrangements pris de manière à ne plus être libre de prolonger l’absence de sa résidence. Elle chargea donc Mr le Comte de Wartemberg-Roth3 de demander au Roi son Maitre une entrevue à l’occasion du retour prochain de Sa Majesté dans Ses états. Votre Excellence aura depuis longtems pésé les intérêts, qui dans ce moment-ci seront à sauver par des mesures préparatoires. Les Cours majeures ont les leurs à mettre hors d’atteinte, ceux des moins puissants à protéger et à donner à la Conféderation germanique ou le degré d’utilité dont elle est susceptible ou d’en écarter les dangers. La feuille ci-jointe contient des idées et les articles aux quels le Roi mon Maitre donneroit sa signature. Encore une fois Sa Majesté m’ordonne de demander à Votre Excellence son opinion et de Lui proposer la confection immédiate de l’alliance approuvée par Sa Majesté Bavaroise et dont ainsi les bases seroient plus ou moins par là posées. Je La prie de m’honorer d’une réponse avec cette confiance entière dont je Lui adresse par celle ci une preuve irréfragable. J’y réunis l’assurance de ma plus haute considération. Cte de Wintzingerode

3 Ludwig Graf von Wartenberg-Roth (1752−1818), Offizier, stand zunächst in kurpfälzischen und französischen Diensten, zuletzt jeweils im Rang eines Majors, 1799 Eintritt in den bayerischen Militärdienst als Oberst der Kavallerie, 1800−1818 Generaladjudant des Königs, 1802 Generalmajor, 1811 Generalleutnant. Vgl. Weber, Graf Ludwig, der letzte Kolb von Wartenberg, S. 21−32.

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Stuttgart, 27. Juli 1816

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[b) Anlage: Entwurf eines Vertrags über die engere Zusammenarbeit der königlichen und großherzoglichen Häuser in Bundesangelegenheiten] Projekt einer engeren Zusammenarbeit der königlichen und großherzoglichen Häuser zur Aufrechterhaltung ihrer Unabhängigkeit und Souveränitätsrechte. Garantie des jeweiligen Besitzstandes. Gleichförmige Abstimmung am Bundestag (Engerer Rat und Plenum) insbesondere in Militärfragen, bei Veränderungen des Direktoriums und des Geschäftsgangs der Bundesversammlung sowie der Errichtung eines Bundesgerichts. Bekräftigung des Artikels 7 der Deutschen Bundesakte, wonach bei Abänderung und Annahme von Grundgesetzen, organischen Bundeseinrichtungen, Jura singulorum und Religionsangelegenheiten kein Beschluß nach Stimmenmehrheit gefaßt werden darf. Möglichkeit der Aufnahme weiterer Bundesfürsten in diese Verbindung. Geheimhaltung der Übereinkunft bis zur einvernehmlichen öffentlichen Bekanntmachung. 4Die

Königlichen und Grosherzoglichen Höfe –4 überzeugt, daß die gegenwärtige Lage der Angelegenheiten in Teutschland eine engere genauere ­Verbindung unter ihnen zur Aufrechthaltung ihrer Souverainitäts Rechte und Unabhängigkeit nothwendig mache, sind über folgende Puncte übereingekommen: 1) Die höchsten Höfe garantiren sich gemeinschaftlich und auf das ausgedehnteste den Besitzstand ihrer respectiven Staaten, so wie derselbe am ersten August 1816 bestehen wird; die durch eigene Willkühr und Übereinkunft etwa eintretenden Veränderungen, sobald sie der Gesammtheit der respectiven Staaten einverleibt worden, geniesen derselben Garantie. 2) Die höchsten Höfe verbinden sich, in allen Angelegenheiten des teutschen Bundes, welche ihre vollkommene souveraine Unabhängigkeit im Äussern betrift, nach gemeinschaftlicher Berathung ihrer Gesandtschaften sowohl in der engeren Bundes-Versammlung als in dem Pleno, gleichförmig abzustimmen, besonders aber 3) sich allem demjenigen gemeinschaftlich zu widersetzen, was gegen den klaren Sinn der Bundes-Acte, in Hinsicht auf Beeinträchtigung ihrer Mili­tärVerhältniße, Veränderung des Directorii oder Behandlung des Geschäftsgangs, auch Errichtung eines sogenannten Bundes Gerichts in Vortrag g­ ebracht werden könnte, und zu diesem Ende besonders den Art. 7 der Bundes-Acte5, wonach in Fällen, wo es auf Annahme oder Abänderung der Grund Gesetze, auf organische Bundes-Einrichtungen, auf jura singulorum oder ReligionsAngelegenheiten ankommt, weder in der engeren Versammlung, noch in Ple4−4 Vorlage (b): „Die Königlichen und Großherzoglichen Höfe von Württemberg, Bayern, Baden und Darm­stadt,“. 5 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511.

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Lichtenberg an Wintzingerode

Nr. 25

no ein Beschluß durch Stimmenmehrheit gefaßt werden kann, unabänderlich in Kraft zu erhalten. 4) Die Gesandtschaften der respectiven höchsten Höfe werden daher angewiesen werden, die genaueste Communication mit einander beständig zu unterhalten und sich nach obiger Übereinkunft in ihren Abstimmungen zu benehmen. 5) Die höchsten Höfe sind übereingekommen, nach gemeinschaftlicher Berathung und Übereinstim­mung alle diejenige Souverains in diese engere Verbindung aufzunehmen, welche sich dazu geneigt bezeugen werden. 6) Die höchsten Höfe haben für räthlich erachtet, diese Übereinkunft unter sich so lange geheim zu halten, bis durch gemeinschaftliche Übereinstimmung solche öffentlich wird bekannt gemacht werden können6.

25. Lichtenberg1 an Wintzingerode

HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 129. Schreiben. Behändigte Ausfertigung.

Erklärt seine Bereitschaft zu einer engeren Zusammenarbeit der süddeutschen Staaten in Bundesangelegenheiten, um die Unabhängigkeit der deutschen Einzelstaaten aufrechtzuerhalten und gegen drohende Gefahren zu sichern.

Darmstadt, 3. August 1816 Euer Excellenz verehrtes Schreiben vom 26. v. M.2 habe ich sogleich dem Großherzoge, meinem gnädigsten Herrn, vorgelegt. Höchstdieselben haben nicht nur in dem Plane einer solchen Verbindung süddeutscher Höfe einen neuen Beweis der tiefen Einsichten Sr des Königs von Würtemberg Majestät erkannt, sondern gehen auch von der bestimmtesten Ansicht aus, daß ein Verein dieser Art das festeste, wo nicht das einzige Mittel seyn werde, die Unabhängigkeit der ein-

6 In Vorlage (b) folgt der Zusatz: „  , zu welchem Ende dieselbe auch, unbeschadet ihrer vollkommensten Verbindlichkeit, nur unter der höchsten Contrahenten Unterschrift ausgefertigt worden ist“.

1 Friedrich August (seit 1809) Freiherr von Lichtenberg (1755–1819), hessen-darmstädtischer Staatsmann, 1777 Registrator in Darmstadt, 1781 Archivar, 1790 Geheimer Sekretär, 1803 ­Geheimer Referendär, 1805–1817 Außenminister, 1813 Geheimer Rat. Vgl. DGB, Bd. 96, S. 180 f.; GGT F 1866, S. 551; NDB, Bd. 14, S. 450; Truhart, International Directory of ­Foreign Ministers 1589–1989, S. 53. 2 HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 129 (Konzept).

Nr. 25

Darmstadt, 3. August 1816

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zelnen deutschen Staaten aufrecht zu erhalten und gegen die, von manchen Seiten ihr drohenden Gefahren zu sichern. Indem ich daher, der ausdrücklichen Autorisation Sr Königlichen Hoheit gemäß Ew. Excellenz zu erklären die Ehre habe, daß Höchst Sie mit wahrem Vergnügen und mit der aufrichtigsten und lebhaftesten Freude den vorgeschlagenen Bunde im Ganzen und in den einzelnen Bestimmungen beizutretten vollkommen bereit sind; halte ich mich zugleich einzig und allein aus dem reinsten Intereße für das Gedeihen eines in seinen Folgen so höchst ­erfreulichen Vereins, für verpflichtet, Ew. Excellenz Erwägung die einzige Bemerkung anheim zu geben, ob nicht durch eine kleine Modification des ersten Artikels der Schein eines offenen Widerstrebens gegen Bestimmungen, ­welche die verbündeten Mächte bereits im vorigen Jahre zu Paris verabredet3 und noch späterhin erneuert haben, – ein Fall, der bekanntlich bei einem benachbarten Staate vorhanden seyn dürfte – zu vermeiden seyn möchte? Die einzelnen Bestimmungen des von Ew. Excellenz mir mitgetheilten Planes sind viel zu zweckmäsig und umsichtsvoll abgefaßt, als daß des Großherzogs Königliche Hoheit irgend eine andere Modification wünschen sollten, zumal da dieser Verein von selbsten auch den gefährlichen Umtrieben der mediatisirten Fürsten und Grafen, namentlich ihren Bestrebungen um Kuriatstimmen auf dem deutschen Bundestage sich kräftig entgegen stellen wird, und die Vermeidung ihrer ausdrücklichen Beziehung vielleicht eine desto größere Verbreitung dieses neuen, ächt deutschen Bundes bezweckt. Auf das innigste würde ich bedauern, die Beantwortung des, bei einer ähnlichen Gelegenheit von Ew. Excellenz am 1. Apr. d. J. an mich gerichteten verehrten Schreibens immer noch, in der Hoffnung eines bestimmteren Resultats, verschoben zu haben, wenn mich nicht die Zuversicht belebte, daß die Eröffnungen des würdigen Herrn Freiherrn von Linden – dessen neuestes Schreiben mit dem bereitwilligsten und wärmsten Entgegenkommen zu erwiedern, ich nur seiner täglich erwarteten Zurückkunft entgegen sah – Ew. Excellenz die vollständigste Überzeugung gewährt haben, wie sehr mein höchster Hof die einsichtsvollen und dem wahren Zeitgeist entsprechenden Ansichten des Königlich Würtembergischen Gouvernements theilt und die vertrauensvollen Eröffnungen desselben mit dem wärmsten Danke erkennt und ehrt.

3 Vgl. „Protocole pour régler les dispositions relatives aux territoires et places cédées par la France, aux arrangemens territoriaux qu’il reste à faire en Allemagne at au système defensif de la confédération Germanique, signé par les ministres des cours Impériales et Royales d’Autriche, de Russie, de la Grande-Bretagne et de Prusse“, Paris, 20. November 1815, abgedr. in: CJCG, Bd. 1, S. 291−296.

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Einsiedel an Rheinwald

Nr. 26

Mit dem lebhaftesten Intereße den weiteren hoffentlich baldigen Mittheilungen entgegen sehend, bitte ich Eure Excellenz die Versicherung der vollkommensten Hochachtung zu genehmigen, mit welcher ich verharre. Euer Excellenz gehorsamster Diener Frhr. v. Lichtenberg

26. Einsiedel1 an Rheinwald2

HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 129, ad Nr. 19. Schreiben. Abschrift (= Anlage zum Schreiben Rheinwalds an König Friedrich I. von Württemberg, Dresden, 9. August 1816, ebd., Nr. 19).

Sächsische Ablehnung des übersandten Konventionsentwurfs. Die Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der Bundesstaaten werde durch die Deutsche Bundesakte garantiert. Ein Sonderbündnis gebe nur Anlaß zu Mißtrauen und Spaltungen.

[Dresden, 8. August 1816] pp. pp. pp. Seine Königl. Majestät von Sachsen erkennen in der befragten Mittheilung einen neuen Beweis des von Seiner Königlichen Majestät von Württemberg in Sie gesezten Ihnen sehr schäzbaren Vertrauens, welches Sie zu erwiedern und bestens zu unterhalten jederzeit bereit und beeifert seyn werden. Allerhöchstdieselben haben jedoch bey Erwägung des obgedachten ­Conventions Entwurfs ermessen, daß wegen der hauptsächlichsten Gegenstände desselben, nemlich der Erhaltung der Unabhängigkeit und Unver­ lezbarkeit der einzelnen teutschen Staaten, so wie der Garantie ihrer sämmtlichen unter dem teutschen Bunde begriffenen Besitzungen, bereits durch den Grund ­Vertrag des Bundes, namentlich durch dessen 2ten, 3ten und 11ten 1 Detlev Graf von Einsiedel (1773–1861), sächsischer Staatsmann, 1790−1794 Studium der Rechte in Wittenberg, 1794 Eintritt in den sächsischen Staatsdienst, 1801 Geheimer Finanzrat, 1802 Kreishauptmann in Meißen, 1813–1830 Kabinettsminister und Staatssekretär des Innern und der auswärtigen Angelegenheiten. Vgl. NDB, Bd. 4, S. 400 f.; DBE, Bd. 3, S. 64; ADB, Bd. 5, S. S. 760 f.; Jeserich/Neuhaus (Hrsg.), Persönlichkeiten der Verwaltung, S. 107–111. 2 Karl Heinrich (seit 1812) von Rheinwald, württembergischer Diplomat, 1806 Legationssekretär in Dresden, um 1810 Legationsrat ebd., war 1812 Geheimer Kabinettssekretär, 1815 Oberjustizrat, 1815–1823 Geschäftsträger und Legationsrat in Dresden. Vgl. Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 484; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815–1963, S. 422 (mit unvollständigen Angaben); Königl. Württembergisches Hof- und Staats-Handbuch auf das Jahr 1812. Stuttgart 1812, S. 128; ebd. 1815, S. 39; Pfeilsticker, Neues württembergisches Dienerbuch, § 1367.

Nr. 27

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Stuttgart, 11. August 1816

Artikel3 ­hinlängliche Fürsehung getroffen ist und daß bey den billigen und gerechten Gesinnungen des kais. österreichischen Hofes eine dem Interesse der mindermächtigen Bundesglieder nachtheilige Abänderung dieses Vertrags nicht zu besorgen sey. Seine Majestät sind daher der Meinung, daß es zu Sicherstellung dieses Interesse einer besondern Convention nicht bedürfe, vielmehr dießelbe zu Mißtrauen und Spaltungen Anlaß geben, folglich der Einheit und dem Gesammt Interesse des Bundes nachtheilig seyn könnte. Soviel hiernächst die von dem kön. preußischen Bevollmächtigten, Herrn von Hänlein, in Ansehung gewisser organischer Einrichtungen des Bundes geschehenen Vorschläge4 betrift, so haben seine Majestät dero Gesandtschaft zu Frankfurth am Mayn bereits angewiesen, sich dagegen zu erklären und wie alle übrige Bundestags Bevollmächtigte gleiche Ansicht zu hegen scheinen, so steht zu hoffen, daß jenen Vorschlägen keine weitere Folge gegeben werden wird. Übrigens wird es Sr. Königl. Majestät von Sachsen höchst angenehm seyn, mit Seiner Majestät, dem König von Württemberg Sich in Allem, was das Wohl Teutschlands und seiner einzelnen Staaten betrift, in vollkommener Übereinstimmung zu finden und dazu gemeinschaftlich mitzuwirken. pp. pp. pp.

27. Wintzingerode an Hacke

GLA Karlsruhe, 48/2832. Schreiben. Behändigte Ausfertigung.

Das württembergische Projekt ist den Ansichten des österreichischen Hofs über die deutschen Bundesangelegenheiten nicht entgegen, vielmehr unterstützt es dieselben. Der König von Bayern hat seine Beistimmung zum Abschluß einer Konvention über eine engere Zusammenarbeit der süddeutschen Staaten in Bundesangelegenheiten mündlich zugesichert; die ministerielle Erklärung aus München steht aber noch aus. Hessen-Darmstadt teilt die gleichen Ansichten. Notwendigkeit, einen Ort festzusetzen, wo der Abschluß der Konvention stattfinden soll.

Stuttgart, 11. August 1816 Eurer Excellenz finde ich mich veranlaßt, zu Fortsetzung der vertraulichen Communication in der gemeinschaftl. Angelegenheit Unserer Höfe einige Mittheilungen zu machen, welche von Interesse in dieser Beziehung seyn müssen. 3 Vgl. Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815, QGDB I/1, Dok. 250, S. 1503–1518, hier S. 1508 (Art. 2), 1509 (Art. 3) u. 1512 (Art. 11). 4 Vgl. Dok. 6 und 12.

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Wintzingerode an Hacke

Nr. 27

Aus einer Frankfurter Relation, wovon ich hier einen Auszug mittheile1, ergeben sich die Ansichten des Kais. Oesterreich. Hofs über die teutsche Bundes-Angelegenheiten, u. ich darf diesem die Bemerkung beifügen, daß der Euer Excellenz bekannte Plan2 einer engeren Verbindung der grösseren südteutschen Höfe diesen Ansichten durchaus nicht entgegen ist, vielmehr dieselbe unterstüzt. Ich verbinde hiermit noch die weitere Nachricht, daß der Grosherzogl. Hessische Hof von gleichen Ansichten, wie die Unserer Höfe sind, geleitet, zu den von dem Euer Excellenz bekannten Plane enthaltenen Bestimmungen seine beifällige Erklärung gegeben3, u. des Königs von Baiern Majestät bei Ihrer neuerlichen Anwesenheit in Ludwigsburg Ihre Beistimmung gleichfalls zu dem Abschluß einer solchen Convention mündlich zugesichert haben, ich sehe darüber nunmehro einer ministeriellen Erklärung von München aus entgegen. Um nun diese Convention gänzlich zu Stande zu bringen, möchte es nöthig werden, über den Ort, wo der eigentliche Abschluß Statt finden würde, sich zu vereinigen. Wenn ich mir nun erst noch vorbehalten muß, Euer Excellenz hierüber meine Ansicht mitzutheilen; so wollte ich doch nicht entstehen, auch diesen Punkt in Anregung zu bringen, und mir Dero gefällige Äusserung darüber zu erbitten. Ich ergreife zugleich diesen Anlaß, um Euer Excellenz die Versicherung meiner vollkommensten Hochachtung zu erneuern. Wintzingerode

1 Fehlt in der Akte. Aus dem Konzept des Schreibens (HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 129) geht jedoch hervor, daß damit der Bericht des Legationsrats von Blomberg an König Friedrich, Frankfurt, 7. August 1816, gemeint ist (vgl. HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 129 [Abschrift]), der seinerseits wiederum Auszüge aus einer Weisung Metternichs an Buol (vermutlich vom 24. Juli bzw. 2. August 1816; vgl. HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Kart. 1, fol. 83–83’ u. 103–103’ bzw. fol. 106–111’ u. 117–117’) wiedergibt. 2 Vgl. Dok. 24b. 3 Vgl. Dok. 25.

Nr. 28

Griesbach, 14. August 1816

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28. Hacke an Wintzingerode

HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 129. Schreiben. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 17. August 1816.

Erklärt seine Bereitschaft zu einer engeren Zusammenarbeit der süddeutschen Staaten in Bundesangelegenheiten, um die Unabhängigkeit der deutschen Einzelstaaten zu bewahren. Österreichs Ablehnung einer Teilung Deutschlands in den Norden und Süden.

Griesbach, 14. August 1816 Eurer Excellenz verehrliches Schreiben vom 11ten1 ist mir hier geworden, und ich habe nicht gesäumt, solches sogleich Sr Königlichen Hoheit, meinem gnädigsten Souverain unterthänigst vorzulegen. Die Wünsche und Gesinnungen Sr Königlichen Hoheit sind noch immer dieselben, und Höchstdieselben sehen mit Sehnsucht einer festern Verbindung unserer Höfe und des Südens von Deutschland, als Mittel gemeinsamer Erhaltung gegen jeden Eingriff von außen, entgegen, und werden auch, was das Formelle des Geschäftes betrifft, jedem Wunsche entgegen gehen. Ich darf Euer Excellenz ersuchen, mir sobald wie möglich, die weitern Nachrichten über die von München zu erhaltenden Erklärungen gefälligst mitzutheilen. Sollten Eure Excellenz eine nähere Rücksprache wünschen, oder das Geschäft in seinem fernern Gange sie herbeiführen, so würde ich wohl leicht die Muße finden, auf vier und zwanzig Stunden nach Stuttgardt zu kommen. An der mir gütigst mitgetheilten Ansicht Österreichs habe ich nie ge­ zweifelt; sein eignes Interesse fordert es mächtig, die Theilung Deutschlands in den Norden und Süden nicht zuzugeben. Die Bundes Akte2, ohne die ­geringste Ausdehnung, ist hier das einzig schützende Palladium, und alle ­Erklärungen Österreichs müssen, hierauf sich gründend, rein conservatorisch seyn. Jeder Anlaß, und so auch dieser ist mir sehr erwünscht, Eurer Excellenz die Versicherung meiner ausgezeichnetesten Hochachtung zu erneuern. Fh. von Hacke

1 Vgl. Dok. 27. 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1503–1518.

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Montgelas an Wintzingerode

Nr. 29

29. Montgelas an Wintzingerode

HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 129. Schreiben. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 19. August 1816.

Das Projekt Hänleins ist zu Fall gebracht worden. Österreich will strikt an den in Wien 1815 getroffenen Vereinbarungen festhalten, ohne Vorrechte für sich zu reklamieren. Von einer Verbindung mit dem König der Niederlande ist keine Hilfe für die Sicherung der Rechte und Souveränität der Bundesstaaten zu erwarten. Zurückhaltung Sachsens, vertragliche Verpflichtungen einzugehen. Positionen Sachsen-Weimars, Nassaus und Kurhessens. Der König von Bayern hat die Prinzipien des württembergischen Konventionsprojekts adoptiert und seinen Bundestagsgesandten angewiesen, sich mit den Bevollmächtigten Württembergs, Badens und HessenDarmstadts in allen Fragen, die in der Bundesversammlung zur Sprache kommen werden, abzustimmen. Eine förmliche Konvention könne erst nach Beendigung der Territorialverhandlungen abgeschlossen werden.

München, 15. August 1816 Monsieur le Comte. J’aurois repondû plutôt à la lettre1 intéréssante que Votre Excellence m’a fait l’honneur de m’écrire, si je n’avois voulu d’un coté attendre le retour du Roi et voir aussi si les affaires ne se débrouilleroient pas assés pour nous fournir quelques lumieres sur la maniere dont les affaires pourroient être entamées à francfort. Les notions que j’ai pu recueillir avec assés de certitude se reduisent à ce que le plan de la Prusse2 est tombé absolument: que l’Autriche veut s’en tenir strictement au texte des principes arrêtés à Vienne en 1815 sans reclamer plus de prérogatives qu’on ne lui destinoit alors; que l’association du Roi des Pays-Bas comme Grand-Duc de Luxembourg ne sera pas d’un grand secours pour le maintien des droits et de la Souveraineté des Etats; ce gouvernement à raison de sa situation critique et des fortes raisons qu’il a de s’occuper de son interieure de préférence à tout. Cette cour a ordonné en conséquence à son Ministre de garder la plus stricte neutralité dans sa qualité diplomatique en le laissant le maitre de sa conduite particulière. Je ne sais si la grande circonspection que les circonstances imposent à la Cour de Dresde lui permettroit de contracter des engagemens positifs avec aucune autre. Le Grand Duc de Weymar a manifesté ses principes. Les Cours de Nassau n’en ont pas toujours suivi de très uninformes. Nous n’avons aucune raison ici de douter que l’Electeur de Hesse n’eût des principes entière1 Vgl. Dok. 24a. 2 Vgl. Dok. 12.



München, 15. August 1816

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ment conformes aux notres et ne fut disposé à suivre les mêmes erremens. L’example du passé n’a que trop appris que plus les associations du genre de celles qui nous occupent, deviennent nombreuses, moins on peut compter sur l’uniformité des principes et la durée des engagemens. Il sera sans doute plus facile de réunir plusieurs suffrages autour d’un noyau d’opinion deja formé, que de tenir un grand nombre à une marche suivie et conséquente qui seroit la suite d’un plan antérieur. D’après cela on doit croire qu’on aura beaucoup fait pour le bien, si l’alliance se borne aux quatre cours dont Votre Excellence me fait l’honneur de me parler. Quant au projet3 que vous avés bien voulu me communiquer, le Roi, mon Souverain, adopte sans aucune restriction les principes sur lesquels il est basé. Elle prescrit à son Ministre à Francfort de s’y tenir strictement et de se concerter avec ceux de Sa Majesté le Roi de Wurttemberg, des Cours de Carls­ ruhe et de Darmstadt sur toutes les questions qui se traiteroient au Congrès fédéral et de convenir avec eux d’un suffrage commun. Sa Majesté ne pense pas cependant que ce concert préalable puisse devenir un traité formel jusqu’à ce que le reglement definitif des limites territoriales – en assurant d’une maniére précise l’etat des possessions d’un chacun – puisse donner à la garantie stipulée par l’art. 1er du projet toute la solidité qui doit être inséparable de promesser de cette nature. Telle est l’opinion du Roi sur l’objet important dont Votre Excellence a bien voulu m’entretenir dans Sa Lettre du 27. Juillet4. Sa Majesté m’a ordonné, Monsieur Le Comte, de Vous l’exposer avec la franchise et la ­ confiance qui tient à son Caractère, autant qu’au prix infini et juste qu’Elle attaches à l’amitié de Sa Majesté le Roi de Wurttemberg. Je me felicite en mon particulier, qu’en me trouvant l’organe de ses sentimens j’aye trouvé une nouvelle occasion de réitérer à Votre Excellence les assurances de la très haute considération que je Lui ai vouèe. le Cte de Montgelas

3 Vgl. Dok. 24b. 4 Vgl. Dok. 24a.

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Buols „Entwurf der wesentlichsten Punkte für die vorbereitenden Conferenzen“ Nr. 30

30. Buols „Entwurf der wesentlichsten Punkte für die vorbereitenden Conferenzen und die förmliche Eröffnung der Bundesversammlung“

GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 232. Denkschrift. Reinschrift.1 Praes.: 28. August 1816.

Unterbreitet Vorschläge für die vorbereitenden Konferenzen und die förmliche Er­ öffnung der Deutschen Bundesversammlung: Zweck, Form und Teilnehmer der ­Präliminarkonferenzen, Skizzierung von Elementen einer provisorischen Geschäftsordnung der Bundesversammlung (u. a. Form und Turnus der Bundestagssitzungen, Abstimmungsordnung, Einholung von Instruktionen, Führung der Kuriatstimmen, Regulierung der Vorrechte der Bundestagsgesandtschaften), Festsetzung eines Termins für die förmliche Eröffnung des Deutschen Bundestags und die dabei zu beobachtenden Feierlichkeiten.

[Frankfurt am Main, 28. August 1816] Entwurf der wesentlichsten Punkte für die vorbereitenden Conferenzen und die förmliche Eröffnung der Bundes Versammlung2 Der Zweck der vorbereitenden Conferenzen ist, die wirkliche und förmliche Eröffnung des Bundestags definitiv festzusetzen, was dazu nothwendig ist, anzuordnen, und alles vorzubereiten, daß die Bundes Versammlung demnächst ihre Arbeiten ungestört beginnen könne. Form der vorbereitenden Conferenzen. Diesem Zweck ist sowohl die Form als der Inhalt der vorbereitenden Conferenzen genau anzupassen und vorher zu bestimmen. Sollen die vorbereitenden Conferenzen Plenar Versammlungen oder blos auf die 17 Mitglieder der engern Bundes Versammlung beschränkt seyn? Plenar Versammlungen in der Form gütlicher Berathungen. Zwar bildet für die förmliche Verhandlung der Bundes Angelegenheiten die engere Bundes Versammlung die Regel; und das Plenum nur die Ausnahme. Da aber in den vorbereitenden Conferenzen noch gar keine officielle Geschäfts Verhandlung statt findet; so ist auch diese Regel hier noch nicht anwendbar. Da ohnehin ein Hauptgegenstand der vorbereitenden Conferenzen seyn soll, den wirklichen Anfang des Bundestags einzuleiten und definitiv anzuordnen, die förmliche Eröffnung der Bundes Versammlung aber vornehmlich in der gegenseitigen Legitimation und Vorlegung der Vollmachten aller 1 Die Vorlage trägt oben den eigenhändigen Vermerk Humboldts: „Von Graf Buol mitgetheilt[,] erhalten den 28. Aug. 1816“. 2 Die in der linken Spalte der Vorlage befindlichen Betreffvermerke werden in den laufenden Text integriert und den jeweiligen Absätzen als Überschriften vorangestellt.

Nr. 30

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Bundes Gesandten bestehet, mithin das plenum voraussetzt; so scheint schon dieser Umstand dafür zu entscheiden, daß auch die vorbereitenden Conferenzen Plenar-Versammlungen seyn müsse[n]. Nämlich in dem Sinne, daß alle anwesenden Bundes Gesandten zugezogen werden, und jeder Beysitzende eine Stimme habe. Die Regel einer Stimmenmehrheit von 2/3, wie sie für das eigentliche Plenum der schon constituirten Bundes Versammlung festgesetzt ist, kann hier um so weniger schon anwendbar seyn, da diese vorbereitende Conferenzen noch ganz als politische Berathungen zu betrachten sind, in denen wohl jedes Bundes Mitglied das Recht hat, seine Meinung getrennt von jeder andern auszusprechen, wo aber natürlicher Weise die Beschlüsse per majora3 statt finden. Baden und Württemberg. Daß nebst allen andern Bundes Gesandten auch die von Baden und Würtemberg gleich zu der ersten vorbereitenden Conferenz eingeladen werden, scheint, nachdem beyde Staaten dem Bunde beygetreten sind, keinem Anstande zu unterliegen, sobald die übrigen Herrn Gesandten damit einverstanden sind. Zu Protokoll können aber die Accessions-Urkunden beyder Staaten4 wohl erst in der ersten förmlichen Sitzung bey der Auswechslung und Darlegung aller übrigen Vollmachten, gegeben und genommen werden. Registratur. Denn in den vorbereitenden Conferenzen wird es zwar sehr dienlich seyn, eine Art von vorläuffigem Protocoll oder sogenannte Registratur zu halten, damit die Discussion desto regelmäßiger auf das bestimmte Ziel gerichtet bleibe, und sich nicht in eine Mannigfaltigkeit von Gegenständen verliere, und weil selbst das Resultat der Besprechung, ohne schriftliche Niederzeichnung, sonst der gehörigen Sanction ermanglen würde. Ein eigentliches Protokoll aber von offiziellen Karakter kann in den vorbereiten[den] Conferenzen nicht statt finden, wenn ihnen die Form gütlicher Berathungen erhalten werden soll. Inhalt und Hauptgegenstände der vorbereitenden Conferenzen. Ein wesentliches Hauptgeschäft der vorbereitenden Conferenzen ist die Festsetzung des Tages der förmlichen Eröffnung der Bundes Versammlung und der dabey zu beobachtenden Feyerlichkeit. Feyerlichkeit bey der Eröffnung des Bundestages. Eine religiöse Feyerlichkeit bey der Eröffnung des Bundestages ist an sich unstreitig angemessen, und wird auch auf das übrige Deutschland einen gün3 Lat.: durch Stimmenmehrheit. 4 Vgl. Dok. 47 und 48.

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Buols „Entwurf der wesentlichsten Punkte für die vorbereitenden Conferenzen“ Nr. 30

stigen Eindruck machen; Es käme also nur darauf an, sich über die Art und Weise dieser Feyerlichkeit, über die Form derselben – die Einfachheit und Würde vereinigen muß – gegenseitig zu verstehen. Daß eine solche religiöse Feyerlichkeit dahier nur in dem Dom statt finden könne; liegt so sehr in der Natur der Sache, daß darüber wohl kein Zweifel obwaltet. Nächst der Fest­ setzung der Eröffnung des Bundestags und der dabey statt finden sollenden Feyerlichkeit ist es der vornehmste Zweck der vorbereitenden Conferenzen, die Hinderniße wegzuräumen und die Mittel vorzubereiten damit der Bundestag seine Arbeiten sofort ungestört beginnen könne. Vorläuffige Bestimmung der wesentlichsten Formalien. Dazu wird vor allem eine wenigstens vorläuffige Bestimmung über einige der wesentlichsten Formalien erfordert, welche schon gleich für den ersten Anfang der regelmäßigen Bundes Verhandlungen unentbehrlich sind. Ueber die Art und Weise, wie die Sitzungen durch den presidirenden Gesandten angesagt oder erforderlichen Falls abgesagt werden sollen wird man sich vorläufig leicht vereinbaren können, wenn gleich die nähere und definitive Bestimmung dieses und andrer ähnlichen Gegenstände einer demnächst zu entwerfenden ausführlichen Bundestags Ordnung vorbehalten bleibt. Der Presidirende Gesandte behält sich vor, gleich zu Anfange der förmlichen Bundesberathungen einen Entwurf dazu vorzulegen, da ihm nichts angelegener seyn kann, als diesen Gegenstand bald möglichst zur Berathung und Entscheidung zu bringen, damit den obliegenden Pflichten der presidirenden Gesandtschaft desto regelmäßiger Genüge geschehen könne. Eine vorläufige Bestimmung scheint gleich Anfangs über nachstehende Formalien vorzüglich erfordert zu werden. Protokoll Führung. Da eine getheilte oder alternirende Protocoll-Führung als auf das Geschäft nachtheilig wirkend erscheinet, so dürfte allerdings diese Führung einem Einzigen in dieser Eigenschaft und für diese Verrichtung dem gesammten Bunde verpflichteten, gleichwie es der Presidirende selbst ist, zu überlassen seyn. Ordnung der Abstimmung und Vermeidung aller Rangstreitigkeiten. Da nichts für den glücklich fortschreitenden Geschäfts Gang der Bundes Versammlung so störend seyn würde, als Ceremoniell Streitigkeiten und Discussionen über den Rang, so wird es ein Gegenstand von Wichtigkeit seyn, wenn die sämtlichen Bundes Gesandtschaften sich dahin einverstehen und gleich anfangs beschließen wollten: „daß wenn gleich unbeschadet des Rangs und mit Vorbehalt einer wie die Bundes Akte erwähnt, demnächst festzustellenden definitiven Ordnung bis dahin, bey der Abstimmung die in der Bundes Akte bey der Aufzählung der Mitglieder beobachtete Ordnung, für die engere Bun-

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des Versammlung die des Art. 45 für das plenum die in Art. 66 als einstweilige Norm angenommen und beobachtet werde.“ Sollte die Ordnung der Abstimmung dem Zufall überlassen bleiben so würde der ruhige Gang der Discussion dadurch ganz gestört und ungeregelt werden. – Zu wünschen ist, daß man übereinkommen möchte, selbst die Plätze der Stimmführenden nach jener Ordnung einzurichten, um allen Collisionen zuvorzukommen; so gerne man auch außerhalb der Sitzungen alles Ceremonielle bey Seite legen wird. Damit jedoch die Berathung desto sicherer zu dem Endbeschluß fortschreiten, und alle Gründe und Gegengründe zuvor gehörig ponderirt werden ­können; dürfte es zweckmäßig seyn, wenn die Discussion von der definitiven Abstimmung noch getrennt würde. Da ohnehin der Fall denkbar ist, daß ein Stimmführender bey nicht all zu eng beschränkten Instructionen, durch die Gründe oder Gegengründe der übrigen Stimmenden bey seiner Stimmgebung zu einer Veränderung sich bewogen fühle; so ist es auch zu diesem Ende nothwendig, daß vor der definitiven Abstimmung die Gründe und Gegengründe aller Stimmführenden vernommen werden. Es würde sonach eine zwey­ fache Umfrage statt finden. Die erste, welche die Discussion, oder die Entwickelung der Gründe und Gegengründe enthielte folgte unmittelbar auf die proposition, in der Ordnung der Bundes Akte von der 1ten bis zur 17ten Stimme. Dann würden von dem presidirenden Gesandten alle Gründe und Gegengründe und der ganze status causae7 reasumirt und unmittelbar darauf in der zweyten Umfrage zuerst von ihm, sodann von allen übrigen Stimmführenden nach der Ordnung der Bundes Akte von der 1ten bis zur 17ten Stimme die ­definitive Abstimmung gegeben. Einholung von Instructionen. Damit auch die nöthigen Instructionen um so eher eingeholt werden können, und darüber nicht etwa der Mangel derselben gleich anfangs ein lähmendes Hinderniß für die Fortsetzung der Bundes Verhandlungen werden möge, dürfte es zweckmäßig seyn, die wichtigsten Haupt Gegenstände, welche gleich nach Eröffnung des Bundestags in Berathung genommen werden sollen, wenigstens vorläuffig und im Allgemeinen schon in den vorbereitenden Conferenzen im Voraus anzukündigen. Da für den regelmäßigen Fortgang der Bundes Verhandlungen nichts so wichtig und unentbehrlich ist, als die baldmöglichst eintretende genauere Bestimmung aller Formalien und aller zu einer umfassenden Bundestags Ordnung gehörenden Gegenstände, und da anderntheils die Natur der Sache 5 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1509. 6 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1510 f. 7 Lat.: Stand der Angelegenheit bzw. Rechtssache. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 49 und 278.

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Buols „Entwurf der wesentlichsten Punkte für die vorbereitenden Conferenzen“ Nr. 30

und der erklärte Wunsch mehrerer Bundes Mitglieder die Organischen ­Gesetze über das Militär8 Wesen des Bundes zuerst an die Reihe bringt, so dürfte es zweckmäßig seyn, wenn alle Bundes-Gesandtschaften eingeladen würden, sich von allen über diese beyden höchst wichtigen Gegenstände ­sobald als möglich ganz umfassend und genau bestimmte Instructionen zu verschaffen. Sehr wünschenswerth und rathsam wäre es, in eben dieser Hinsicht, wenn alle Gesandschaften diejenigen Gegenstände, welche eine jede von Ihnen, gleich nach der Eröffnung des Bundestags zuerst in Vorschlag zu bringen gesonnen ist, noch im voraus mittheilen und zur allgemeinen Kenntniß bringen wollten. Offizielle Anzeige über die Art und den turnus, nach welchem die Gesammtstimmen in der engern Bundes Versammlung geführt werden sollen. Nächstdem dürfte es zweckmäßig seyn, wenn diejenigen Gesandtschaften, welche eine gemeinschaftliche Stimme in der engern Bundes Versammlung zu führen haben, officiell anzeigen wollten, welche Abrede sie unter sich getroffen und welchen turnus sie für die alternirend zu führende Gesamtstimme unter sich festgesetzt haben.9 Die bisher genannten Gegenstände scheinen die wesentlichen Formalien zu enthalten, die einiger vorläuffigen Bestimmung schon in den vorbereitenden Conferenzen und noch vor dem wirklichen Anfange des Bundestags selbst erheischen. Gesandtschaftliche Vorrrechte der Bundes Gesandten und ihres Personale. Bundes Polizey und Censur. Außerdem gibt es nur noch einen, die äußere Existenz der Bundes Versammlung betreffenden Gegenstand, welcher wohl auch schon sogleich berathen, und wenigstens im Allgemeinen bestimmt werden müßte. Dieß sind die mit dem Stadt Frankfurter Magistrat zu regulirenden Gesandtschaftlichen Vorrechte der sämtlichen Bundes-Minister und des zu ihren Gesandtschaften gehörenden Personale, nebst allen dahin einschlagenden oder auch sonst gleich bey Eröfnung des Bundestags in Anfrage kommenden Punkte, betreffend das Bedürfniß einer eignen Bundes-Polizey Verfügung. Besonders auch in Hinsicht auf die Censur dürfte sogleich eine Anordnung erfordert werden, daß wenigstens hier am Orte nichts über die Bundes Versammlung und Bundes Verhandlungen bekannt gemacht werden darf, was nicht authentisch und genehmiget ist. 8 Emendiert. Vorlage: Mititär. 9 Vgl. dazu Dok. 55, 56, 57, 58, 59 und 62.

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Zahl der vorbereitenden Conferenzen welche erforderlich seyn werden. Die bis dahin bezeichneten Gegenstände dürften wohl Stoff für mindestens vier bis fünf vorbereitende Conferenzen geben. Genau läßt sich dieses im Voraus nicht bestimmen, da sich vielleicht auch noch anderweitige Incidenz Punkte oder Anträge von Seiten der übrigen Gesandtschaften ergeben. Die Zahl der vorbereitenden Conferenzen, welche erforderlich sind, wird vorzüglich davon abhängen, ob man sich darauf beschränken will, blos die allerwesentlichsten und ganz unentbehrlichen Formalien im Allgemeinen vorläuffig zu bestimmen, oder ob man es angemessener finden wird, diese Materie schon in den vorbereitenden Conferenzen ausführlicher zu behandlen, wo nicht ganz zu erschöpfen. Wirkliche Eröffnung des Bundestages und erste Plenar Versammlung. Eröffnungsrede. Nächst der religiösen Feyerlichkeit, welche schon oben erwähnet ist, glaubt der Presidirende Gesandte die Erste förmliche Bundes Versammlung durch eine kurze Rede eröffnen zu müssen. In wiefern von Seiten aller oder einiger der andern Bundes Gesandtschaften die gleiche Absicht gehegt würde, wäre vielleicht diensam sich desfalls gegenseitig zuvor in Kenntniß und Einverständniß zu setzen. Das wesentliche Geschäft dieser ersten Sitzung besteht in der gegenseitigen Legitimation und Vorlegung der Vollmachten und Accessions Urkunden der neu hinzugekommenen Bundes Mitglieder, welche dann zum Protokoll genommen werden; ferner in der Bestimmung der nächsten und nachstehenden Sitzungen der engern Bundes-Versammlung. Andere eigentliche Geschäfte, oder zu machende Propositionen, können in der ersten Sitzung, ­welche eine Plenar Versammlung seyn muß, eben deswegen nicht weiter vorgenommen werden; da gemäß der Bundes Akte die Bearbeitung der Gegenstände in der Regel und zuerst in der engern Bundes Versammlung geschehen soll, mit deren Sitzungen sodann die förmliche Geschäfts-Verhandlung in den constitutionsmäßigen Formen beginnt. Regelmäßige Sitzungen. Ueber die bequemste Tages Zeit der Sitzungen wird man sich leicht vereinigen. Nicht rathsam dürfte es seyn, für den Anfang wenigstens, die regelmäßigen Sitzungen zu häufig und mehr als wöchentlich Eine anzuordnen, besonders wenn neben den regelmäßigen Sitzungen und alternirend mit jenen, auch noch vertrauliche Conferenzen ohne Protocoll statt finden sollen; da man ­ohnehin für die besondre[n] Commissionen, deren es für einige Gegenstände bedürfen wird, Zeit behalten muß, und man die Sitzungen wenn es nöthig scheinen sollte, leicht vermehren und verdoppeln kann, dagegen es einen ungünstigen Eindruck machen würde, wenn man sie Anfangs all zu zahlreich

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Humboldts „Über die vertraulichen Besprechungen“

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ansetzte, und dann in den Fall käme, sie seltner halten zu müssen. Auf diese Weise wird auch der Gang der Verhandlungen und Geschäfte vorzüglich im Anfang, wo alles noch neu ist, und erst eine angemessene Gestalt gewinnen soll, sich desto ruhiger entwickeln und fortschreiten. Vertrauliche Conferenzen. Die erwähnter Massen mit den regelmäßigen Sitzungen abwechselnden vertraulichen Conferenzen ohne Protocoll scheinen um so eher ein Bedürfniß zu seyn, da so manche Eingaben und petitionen für den Bundestag eingehen, welche förmlich in Proposition gebracht zu werden, gar nicht geeignet sind, welche der presidirende Gesandte aber doch die Verpflichtung hat, allen Mitgliedern der Bundes Versammlung zur Beurtheilung mitzutheilen. Diese für die Mittheilung und mündliche Berathung der nicht officiellen oder nur halb officiellen Gegenstände bestimmten Conferenzen können denn auch zu manchen andern confidentiellen Eröffnungen oder die Gegenstände der förmlichen Verhandlung vorbereitenden Anfragen und vorläufigen Besprechungen (Verlaßnehmungen) benutzt werden. Einige durch die Bundes Akte selbst zur baldigen Berathung angedeutete Gegenstände. Unter den currenten Berathungs-Gegenständen der Bundes Versammlung dürfte das in § 15 der Bundes-Akte10 berücksichtigte und regulirte Pensionswesen, als ein Gegenstand der individuellen Wohlfarth um so eher auf eine baldige Vornahme Anspruch machen, da für einen Punkt desselben in der Bundes Akte selbst die jetzt schon verlaufene Frist eines Jahres festgesetzt worden ist.

31. Humboldts „Über die vertraulichen Besprechungen, welche die Eröffnung des Bundestags vorzubereiten bestimmt sind“

StA Oldenburg, Best. 31−AB, Nr. B 2. Denkschrift. Reinschrift (= Anlage zum Bericht Bergs an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-Oldenburg, Frankfurt am Main, 30. September 1816, ebd.).

Unterbreitet Vorschläge für die vorbereitenden Konferenzen und die feierliche Eröffnung der Deutschen Bundesversammlung. Teilnehmer, Form und Gegenstände der vertraulichen Präliminarkonferenzen. Verhältnis des Bundestags zur Stadt Frankfurt. Gegenstände, die nach der Eröffnung der Bundeversammlung vordringlich zu er­ ledigen sind: Bundestagsordnung, Grundgesetze und organische Einrichtungen in Rücksicht auf die auswärtigen, militärischen und inneren Verhältnisse des Deutschen 10 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1515.

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Bundes, Bestimmung der Bundesgebiete Österreichs und Preußens und der Beiträge zu den Bundeskosten, Kuriatstimmen der Mediatisierten im Plenum des Bundestags, Sustentationswesen, bürgerliche Verbesserung der Juden, Pressefreiheit und Büchernachdruck, Handel und Schiffahrt. Weitere wichtige Materien: gemeinnützige Anordnungen, Bildung von Austrägalinstanzen, Grundsätze der Militärpflichtigkeit.

[Frankfurt am Main, September 1816] Über die vertraulichen Besprechungen, welche die Eröffnung des Bundestags vorzubereiten bestimmt sind Der Zweck dieser Besprechungen ist die Vorbereitung der Eröffnung des Bundestags und der Geschäfte, deren ungehemmter Gang unmittelbar mit der Eröffnung eintreten soll. Es ist daher zweckmäßig, sich in denselben blos auf das hiezu Nothwendige zu beschränken. Dasjenige, was sie von den künftigen Sitzungen unterscheidet, ist: daß, da die Versammlung sich noch nicht als förmlichbestehend erklärt hat, in den Besprechungen nichts für die Folge Bindendes ausgemacht werden kann. Form. Alle hier anwesende Bundestags Gesandte haben das Recht, den vertraulichen Besprechungen beizuwohnen, ohne Rücksicht auf einzelne oder Gesammtstimmen. Der Würtembergische und Badische werden wenn die übrigen Gesandten die gleiche Meinung theilen, unmittelbar und von Anfang dazu einzuladen seyn. Der k. k. Oestr. Bundestags Gesandte sezt als Vorsitzender die erste dieser Besprechungen an und ebenso die folgenden, wenn man sich nicht in jeder über die nächstfolgende vereinigt, oder, wenn eine solche Abrede eine zufällige Störung erleidet. Er giebt die Gegenstände der Berathung an, zu welcher jedoch jeder andere Gesandte auch andere in Vorschlag bringen kann, und er bestimmt die Ordnung der Berathung. Die Diskussion, scheint es übrigens angemessen, ohne allen Zwang und in völliger Freiheit, nach Art einer wirklichen vertraulichen Besprechung fortgehen zu lassen, nur daß natürlich der präsidirende Gesandte sie in der Ordnung erhält, welche zur Fassung eines Beschlusses führt. Wahre Unterwerfung unter eine Stimmen Mehrheit würde der Natur und dem Wesen vertraulicher Besprechungen entgegen laufen. Allein, da es wahrscheinlich ist, daß wohl Punkte vorkommen werden, über welche man verschiedener Meinung seyn wird, allein nicht solche, gegen welche irgend ein Mitglied es für nothwendig halten dürfte, sich schlechterdings zu erklären, so werden vermuthlich alle Mit-Glieder der Entscheidung nach einfacher Stim-

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Humboldts „Über die vertraulichen Besprechungen“

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men Mehrheit (da die durch 2/3 von Stimmen hier nicht an ihrem Platz seyn würde) beitreten. Bei der Abstimmung befolgt man die in der Bundes Akte für das Plenum festgesetzte Ordnung. In dem Protokoll werden blos die Resultate der Besprechung aufgezeichnet. Dasselbe wird ohne alle Formalität abgefaßt. Gegenstände der Besprechung. 1. Beitrit des Badischen und Würtemberg. Hofs zur Bundes Akte. 2. Vorzeigung der Original Vollmachten der Gesandten. Verlesung derselben. Die Auswechslung geschieht erst bei der förmlichen Eröffnung; die jetzige Vorzeigung hat nur zum Zweck, sich von der Richtigkeit der Vollmachten gegenseitig zu überzeugen oder etwa erfindliche Mängel noch bis zur Eröffnung abändern lassen zu können. 3. Übereinkunft über den Tag der feier. Eröffnung. 4. Verhältniß des Bundestags als Inbegriffs aller Bundestags Gesandten zur Stadt Frankfurt. Gesandten Rechte. Polizei. Es dürfte angemessen seyn, sich in der ersten vertraulichen Besprechung über eine Commission von etwa fünf Mitgliedern zu vereinigen welche bis zur zweiten, einen Entwurf über diesen Punkt zur Berathung vorlegen könnte. Dieser könnte sodann besprochen und endlich der Stadt mitgetheilt werden, um ihn ihrer Seits anzunehmen. Anm. Es kann vielleicht Einigen rathsamer scheinen, diesen Gegenstand erst nach der feierlichen Eröffnung vorzunehmen. Allein einige Punkte müssen nothwendig früher bestimmt seyn, und es ist überhaupt der Würde der Versammlung gemäs, daß ihr Verhältniß zu dem Ort, an welchem sie sich befindet, in dem Augenblick, in welchem sie sich für förmlich bestehend erklärt, bereits festgesetzt sei Die hier genannten Gegenstände dürften die erste Sitzung hinlänglich ausfüllen. 5. Verabredung des von der Eröffnung des Bundestags an bis zur vollendeten Ausarbeitung der Bundestags Ordnung zu befolgenden Geschäftsgangs.

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Frankfurt am Main, September 1816

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Die Abfassung der Bundestags Ordnung ist eines der wichtigsten Geschäfte der Bundes-Versammlung; sie kann nur nach der feier. Eröffnung begonnen und, mit Muße und Sorgfalt betrieben, und nach eingeholter Genehmigung der Höfe förmlich angenommen werden; da sie einen wesentlichen Theil der Grund Gesetze des Bundes ausmacht. Es ist selbst heilsam, daß die Bundestags Gesandten während der Zeit, daß sie sich damit beschäftigen, die Erfahrung der indessen vorkommenden Verhandlungen selbst dazu benutzen können. Die vorläufige Verabredung des Geschäfts Gangs, welche in den vertraulichen Besprechungen vorgenommen werden soll, darf daher nicht der Abfassung der künftigen Bundestags Ordnung vorgreifen wollen; sondern muß sich auf das Nothwendigste beschränken, mit dem Vorbehalt geschehen, sie, wo die Gelegenheit es erfordert, durch Zusätze zu erweitern und näher zu bestimmen, und im eigentlichsten Verstand vorläufig seyn; dh. der Versammlung die Freiheit bewahren, sie, wo man es für gut hält, wiederum ohne Umstände abzuändern. Da sie insofern nichts Bindendes enthält, bedarf sie auch nicht der besondern Genehmigung der Höfe. Es wird auch überdies sehr nützlich seyn, wenn die Bundes Versammlung, so lange sie über die Grundgesetze und organischen Einrichtungen, über die es so sehr wichtig ist, alle verschiedenen Meinungen von allen Seiten mit einander zu vergleichen, berathschlagt, großer Freiheit in ihrer Form genießt, und, nicht mehr bindend festgestellt wird, als nur, was die Erhaltung der Ordnung schlechterdings erfordert. Die Abstimmung über einzelne Gegenstände in der Folge, wo es nur darauf ankommt, sie nach den Bestimmungen der vollendeten Verfassung und nach den besondern Weisungen der Höfe zu entscheiden, erlaubt und erheischt viel mehr eine streng bindende regelmäßige Geschäftsform. 6. Vorläufige Bezeichnung der Gegenstände welche nach der Eröffnung zuerst werden vorgenommen werden müssen. Es ist hier nicht die Rede von denjenigen Gegenständen, welche in der Folge theils Bundesgesandte, theils Fremde, zur Berathung vorschlagen werden; sondern von denen, welche theils schon durch die Bundes-Akte angezeigt sind, theils von einzelnen Bundesgesandten vielleicht schon jetzt vorgeschlagen werden mögten. Der Zweck dieser vorläufigen Bezeichnung ist: daß die Mitglieder der Versammlung Zeit haben, sich mit den erforderlichen Weisungen ihrer Höfe über die bezeichneten Gegenstände zu versehen. Die, theils durch die Natur der Sache, theils durch die Stiftungs Urkunde ausdrücklich gegebenen Gegenstände sind folgende: I. Allgemein. 1. Die Bundestags Ordnung.

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Humboldts „Über die vertraulichen Besprechungen“

Nr. 31

2. Die Grundgesetze und organischen Einrichtungen in Rücksicht auf die auswärtigen, 3. militärischen, 4. inneren Verhältnisse. − Art 10. II. Einzelne. 1.  Bestimmung der Oestreichischen und der Preussischen Besitzungen, welche zum Bund gehören. − (Art. 1) − Hieran könnte man die vorläufige statistische Arbeit knüpfen, welche zur Bestimmung des Militär Contingents und der Beiträge zu den Bundeskosten nothwendig seyn wird, so wie die Berathung über die allgemeinsten Grundsätze solcher verhältnißmäßig festzusetzenden Leistungen. 2. Curiatstimmen der Mediatisirten im Pleno − Art. 6. 3. Beständige Stimmen Ordnung. − Art. 8. Soll erst nach Abfassung der organischen Gesetze in Berathung genommen werden. 4. Regulirung der Sustentations Casse und Pensionen für die überrheinischen Bischöfe und Geistlichen. − Art. 15. 5. Bürgerliche Verbesserung der Bekenner des Jüdischen Glaubens. − Art. 16. 6. Gleichförmige Verfügungen über Preßfreiheit und Nachdruck. − Art. 18. 7. Handel und Schifffahrt. − Art. 19. In diesem Verzeichniß sind nur diejenigen Fälle aufgeführt worden, die ausdrücklich einer ferneren Berathung aufbewahrt sind, oder solche ihrer ­Natur nach schlechterdings fordern, zugleich aber nicht schon unter den or­ ganischen Grundgesetzen begriffen sind. Von dieser letztern Art kommen noch vor: Art. 5. Die Ordnung der Zeit der einzelnen Berathungen. Art. 6. Die Bestimmung der gemeinnützigen Anordnungen, über die nur im Pleno verhandelt werden soll. Art. 7. Die Bestimmung; was jura singulorum sind. Art. 17. Die Bildung der Austrägal Instanzen. Welches alles zur Bundestags Ordnung gehört − endlich Art. 18. Die Grundsätze über die Militär-Pflichtigkeit, welche einen Theil der militärischen Grund Gesetze ausmachen. Nun alle hier aus der Stiftungs Urkunde ausgezogenen Gegenstände in den vertraulichen Besprechungen, als solche, über die Instruktionen einzuholen wären, auf einmal bezeichnen zu wollen; würde eben so unregelmäßig seyn, als, nach der Eröffnung alle auf einmal zur Berathung zu bringen. Es müssen daher zuerst einige heraus gehoben werden. Über die Wahl dieser können zwar die Meinungen sehr verschieden seyn; allein vielleicht dürften sich folgende als die nothwendigsten herausstellen: 1. Die Bundestags Ordnung.

Nr. 32

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Wien, 23. September 1816

2. Die Grundgesetze in Rücksicht der militärischen Verhältnisse. 3. Die Bestimmung der teutschen Bundesländer und die Vorarbeiten zur Vertheilung verhältnißmäßiger Leistungen. 4. Die Regulirung der Sustentations Casse. 5. Die Verfügungen über Preßfreiheit und Nachdruck. Die Berathschlagung über diese Gegenstände müßte, sei es durch Ausschüsse, oder in der Versammlung selbst, gleich nach der Eröffnung zu gleicher Zeit vorgenommen werden. Die unter § 5 und 6 genannten Gegenstände der vertraulichen Besprechungen könnten in der zweiten Sitzung im Allgemeinen zur Sprache gebracht, und die Berathung darüber, in dieser und den nächstfolgenden Sitzungen vollendet werden. Dann bliebe für eine letzte, kurz vor der Eröffnung zu haltende Sitzung nichts mehr übrig, als die Besprechung über: 7. Die feierliche Eröffnung des Bundestags durch eine allgemeine Versammlung.

32. Metternich an Buol

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Kart. 1, Weisungen 1816, fol. 211–212. Weisung. Behändigte Ausfertigung.

Anweisung an Buol, die Beratungen während der Präliminarkonferenzen dahin zu lenken, daß die Protokollführung als Teil der Geschäftsführung des Bundespräsidialgesandten anerkannt werde.

Wien, 23. September 1816 Hochgeborner Graf! Eurer Exzellenz glaube ich noch in Beziehung auf die Protokollsführung beim Bundestage einiges bemerken zu müssen. Hochdieselben kennen zwar aus wiederholten Eröffnungen meine Ansicht, daß ich die Protokollsführung beim Bundestage nicht als ein wesentliches Attribut der Präsidial-Gesandt­schaft anzusprechen gesonnen bin. Ich verkenne zugleich aber auch nicht, daß sich mehrere Gründe auch für die Meinung anführen lassen, solches als ein Attribut der Präsidial-Gesandtschaft zu betrachten; und insbesondere unterstützt dieses der Umstand, daß letztere die Stimmen zu sammeln und das conclusum zu ziehen hat, und daher auch nach den meisten Kollegial Verfassungen die Protokollsführung in der Regel als ein Ausfluß des Präsidiums erscheint.

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Metternich an Buol

Nr. 32

Unter diesen Umständen, und da es also sehr wohl möglich wäre, daß mehrere Gesandtschaften diese letztere Ansicht hätten, und zu erklären geneigt wären; so entspricht es zwar noch immer meinen Gesinnungen, daß Eure Exzellenz die Protokollsführung als Attribut der Präsidial Gesandtschaft nicht ausdrücklich und bestimmt ansprechen; indessen muß ich es Hochdero klugem Ermessen überlassen, die Berathungen bei den Präliminar-Konferenzen so zu leiten, daß vielleicht ohne einen ausdrücklichen Anspruch Ihrer Seits darauf zu machen, doch der darauf gerichtete Beschluß der Herrn Gesandten nicht sowohl als Wahl und freie Übertragung, sondern vielmehr als Aner­ kennung eines Theils der Präsidialgesandtschaftlichen Geschäftsführung erscheint. Ich empfehle also hiebei nur, dem Impulse der andern Gesandtschaften, wenn dieser weiter, als unser ausdrücklicher Anspruch gehen sollte, zu folgen, und ohne es zu vindiziren, solches nur auch nicht als Theil Hochdero Geschäftsführung abzulehnen. Es bedarf wohl nicht meiner Bemerkung, daß dieses in jedem Falle doch besser seyn würde, als eine auf den Hofrath von Handel1 fallende Wahl, die immerhin nur als freiwillig, folglich zufällig und veränderlich zu betrachten wäre. Es ist übrigens dieses nur Folge meines überhaupt mehrmals aufgestellten Grundsatzes, daß vieles an sich wünschenswerth ist, um – wenn es angetragen wird – angenommen zu werden, welches aber weder angesprochen, noch gesucht, wohl aber der Antrag dazu herbeigeführt werden kann. Empfangen Eure Exzellenz bei dieser Gelegenheit die erneuerte Versicherung meiner vollkommensten Hochachtung. F. v. Metternich

1 Paul Anton (seit 1819 Freiherr) von Handel (1776–1847), österreichischer Beamter, nach dem Studium in Erlangen zunächst 1797 Legationssekretär des Hoch- und Deutschmeisterordens in Mergentheim, 1799 Legationsrat ebd., 1800 Hof- und Regierungsrat ebd., 1810 Übertritt in österreichische Dienste als Regierungsrat, 1813 Militärintendant in Würzburg, 1815 wirklicher Hofrat, 1816–1834 Direktor der Bundeskanzlei in Frankfurt, 1816–1834 zugleich österreichischer Ministerresident bei der Stadt Frankfurt, in Wiesbaden und Darmstadt; 1840 Ruhestand. Vgl. DBA I, 468, 247–254; DBA II, 519, 374; NDB, Bd. 7, S. 605; Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, Bd. 7, S. 294−297.

Nr. 33

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Wien, 26. September 1816

33. Metternich an Buol

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Kart. 1, Weisungen 1816, fol. 233–234’. Weisung. Behändigte Ausfertigung.

Unterbreitet Vorschläge zur Instruktionseinholung der Bundestagsgesandten, um einen Stillstand der Bundestagsverhandlungen zu vermeiden.

Wien, 26. September 1816 Hochgeborner Graf! Ich finde es nicht nur zweckmässig, sondern selbst nothwendig, daß Eure Excellenz unter den mehreren zu den vorbereitlichen Besprechungen geeigneten Gegenständen, auch noch eine ebenso für die Geschäffts-Form als auch das erwünschte Resultat der Verhandlungen wesentliche Frage, in Anregung und zur Erörterung bringen, worüber ich daher Hochdenenselben meine Ansicht heute mittheilen werde. Es ist unvermeidlich, daß nach eröffneten Bundestag nicht jeder Gesandte über alle vorkommende Verhandlungen vorläufig instruirt seyn kann, und ebenso gewiß auch, daß nicht jeder Gesandte ohne spezielle1 Instruktion sich immerhin ausgesprochen, geneigt, oder authorisirt seyn dürfte. – Ich gehe ferner auch von der Uiberzeugung aus, daß man sich häufig bewogen finden wird, einzelne Geschäfte an einen Ausschuß zur Vorbereitung zu verweisen, um sich die unmittelbare Verhandlung erst über den Bericht des Ausschusses vorzubehalten. Die Einholung der Instruktionen, so wie die Verweisung einzelner Geschäffte zur Vorbereitung an einen Ausschuß würde daher häufig einen Stillstand der Berathungen des Bundestags veranlassen, wenn nicht doch theils diese Zwischen-Zeit einstweilen in andere[r] Weise gehörig ausgefüllt, theils und vorzüglich aber eine angemessene Ordnung wegen Einholung der nöthigen Instruktionen beliebt würde, so wie es eine wohlgeordnete Collegialische Geschäffts-Führung bei solchartigen Versammlungen mit sich bringt. Um nun in dieser Hinsicht eben sosehr alles ungeeignete Drängen der Anträge und Berathungen, als auch jene unnöthige Verzögerung oder gar Stillstand derselben zu verhüten, scheinen mir folgende Bestimmungen zweckmässig, worüber folglich Eure Excellenz mit den übrigen Herrn Gesandten sich vertraulich zu besprechen belieben. 1o. Es wäre eine bestimmte Zeit zur Instruktions-Einholung in der Art festzusetzen, daß nach deren Verlauf der nicht instruirte Gesandte, als der Mehrheit beistimmend anzusehen sey. Damit nun hierbei zugleich die Wichtigkeit der einzelnen betreffenden Berathungsgegenstände berücksichtigt werde, 1 Emendiert. Vorlage: spezieller.

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Bergs „Ideen über den Geschäftsgang der Bundesversammlung“

Nr. 34

wäre entweder überhaupt eine geräumige Frist, z. B. zwei Monathe festzusetzen, oder – was mir angemeßener scheint – man einigte sich nur über das Prinzip, daß der Verlauf der Verlaß-Zeit in erwähnter Art zu erklären sey; übrigens aber in jedem einzelnen Falle die spezielle Frist durch die StimmenMehrheit bestimmt werde. 2o. Wenn ein Gegenstand wegen nöthig erachteter Instruktions-Einholung oder vorläufige Verweisung an einen Ausschuß, noch zur Zeit also nicht zur unmittelbaren Geschäffts-Verhandlung des Bundestags kömmt, so wäre einstweilen ein anderer Gegenstand in Vortrag und Berathung zu bringen, damit nie ein Stillstand aus Mangel an Vorbereitung oder fehlerhafter organischer Collegial-Verfassung eintrete. Obschon diese zwei Gesichtspunkte in der von Eurer Excellenz bereits angeregten Bundestags-Ordnung2 ihre Bestimmung finden werden, so scheinen selbige mir jedoch insbesondere dazu geeignet, schon jetzt bei den vertraulichen Besprechungen in Anregung gebracht zu werden; damit die demnächst zu eröffnende Verhandlungen eben so sehr durch die Wahl der Geschäffte als auch durch deren planmässigen Gang, der gespannten Theilnehmer des Deutschen Publikums entsprechen, und selbige befriedigen Möge. Empfangen Eure Excellenz die Versicherung meiner vollkommensten Hochachtung. F. v. Metternich

34. Bergs „Ideen über den Geschäftsgang der Bundesversammlung bis zur Berichtigung einer förmlichen Bundestagsordnung“

HHStA Wien, St.  K., Deutsche Akten (neue Reihe), Kart. 85, Fasz. 115 (alt),, fol. 304−307’. Denkschrift. Abschrift (= Anlage zum Bericht Buols Nr. 85a an Metternich, Frankfurt am Main, 6. Oktober 1816, ebd. fol. 302−303’ und 308).

Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung des Geschäftsgangs der Bundesversammlung bis zur Verabschiedung einer förmlichen Bundestagsordnung. Beschränkung zunächst auf die wesentlichsten Materien: Festlegung von Anzahl, Tag und Zeitpunkt der Bundestagssitzungen; Einladung zu den Sitzungen; Form und Ablauf der Be­ ratungen; Protokollführung und Ausfertigung der Beschlüsse; Behandlung von Eingaben an die Bundesversammlung; Organisation von Kanzlei und Archiv; Bekanntmachung der Protokolle und Beschlüsse.

2 Vgl. Dok. 30.

Nr. 34

Frankfurt am Main, vor dem 6. Oktober 1816

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[Frankfurt am Main, vor dem 6. Oktober 1816] Ideen über den Geschäftsgang der Bundesversammlung biß zur Berichtigung einer förmlichen Bundestags-Ordnung Da der Geschäftsgang der Bundesversammlung nicht dem Zufalle überlassen werden kann biß eine förmliche Bundestags-Ordnung verfaßt ist, so muß man nothwendig die Art und Weise vorläufig verabreden, wie die Bundesversammlung in Thätigkeit gesezt und erhalten werden soll. Man wird sich aber dabey auf das wesentlichste beschränken können, und dieses mögte ungefähr folgendes seyn: 1. Zahl, Tage und Stunde der Sizungen. a) Wöchentlich eine ordentliche Sizung dürfte vorerst genügen. Der Tag und die Stunde würden nach der Bequemlichkeit der meisten H.ren Gesandten zu bestimmen seyn. b) Vertrauliche Besprechungen, vorläufige Erörterungen, ohne alle amt­ liche Form und Würkung, die bißweilen doch Verabredung gleichförmiger Berichtserstattung, und daher große Erleichterung der Geschäfte zur Folge haben könnten, scheinen empfehlens- oder wenigstens eines Versuchs werth, natürlich ohne alle Verpflichtung zur Fortsetzung. c) Die erste Sizung würde insoferne eine Plenar-Sizung seyn als alle hier anwesenden Gesandte dabey erscheinen. Die folgenden Sizungen würden wohl vorerst nur die engere Bundesversammlung vereinigen. 2. Ansage. a) Wird für die ordentlichen Sizungen ein gewißer Tag bestimmt, so bedarf es dafür keiner Ansage. b) Für vertrauliche Besprechungen oder außerordentliche Sizungen wird man öfters in den ordentlichen Sizungen Verabredung nehmen können. Ansage und, bey eintretender Verhinderung, Absage steht dem Präsidium zu. Die einfachste Form der Ansage wäre vielleicht diese: An die ……………..………….… Gesandtschaft Einladung zur (ordentlichen, außerordentlichen) Sizung der Bundesversammlung auf den ……….................. Frankfurt …….. Untersch. des präsid. Ministers oder der Bundes-Kanzley. Nur bey außerordentlichen Sizungen scheint die Angabe des Berathschlagungs-Gegenstandes, wenn er den Gesandtschaften nicht ohnehin schon bekannt ist, nothwendig.

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Bergs „Ideen über den Geschäftsgang der Bundesversammlung“

Nr. 34

Die Ansage zur ordentlichen Sizung würde nur statt finden, wenn eine Suspension vorhergegangen wäre. Die Absage würde, da sie nur selten vorkommen wird, durch schriftliche Billets geschehen können, natürlich allzeit mit bestimmter Anzeige der Ursache. 3. Sizungen. a) Ordnung der Sitzungen. Vorläufig nach dem Art. 4 der Bundesakte1. b) Eröffnung und Proposition. Durch das Präsidium. Die Zeit zur Proposition der Vorschläge von Bundesgliedern bestimmt die Bundesversammlung. Nöthigenfalls kann sie dieses auch in Ansehung der Anträge Dritter thun. Kein Vortrag wird in der Bundesversammlung gemacht, ohne das Präsidium vorher davon in Kentniß gesezt zu haben. c) Umfrage und Ziehung des Beschlußes durch das Präsidium. Lezte kann allenfalls biß zur nächsten Sizung verschoben werden. Der vom Präsidium verfaßte Entwurf eines Beschlußes wird zur Beurtheilung und Genehmigung der Versammlung vorgelegt. d) Gang der Berathschlagung. Die Stimmen werden nach der Ordnung der Size aufgerufen. Wenn, der zu wünschenden vorläufigen Besprechungen ungeachtet, noch Diskussionen eintreten, so daß einzelne Gesandten gegenseitige Erörterungen nöthig finden, so wird nur nach beendigter Umfrage von demjenigen, welcher Gründe gegen das eine oder andere Votum vorbringen will, um Aufschiebung der Schlußziehung ersucht, um alsdann die weitere Erörterung vorzunehmen. Das Präsidium kann, um Zweifel über den Sinn einzelner Abstimmungen zu heben, wie auch um die Zahl der Abstimmenden für eine oder die andere Meynung zu berichtigen, eine wiederholte Umfrage anstellen. c) Protokoll. Das Präsidium sorgt vorläufig für die Protokollführung. Die Form der Protokolle bedarf wohl keiner andern Bestimmung, als daß sie möglichst einfach sey. Inhalt: Proposition. Vota jedes Einzelnen, jedoch nur im wesentlichen. Ausführliche Vota werden schriftlich zum Protokoll gegeben. Von, im Laufe der Berathschlagung vorkommenden Diskussionen werden die Gründe und Gegengründe kurz zu Protokoll genommen. Vorlesung des Protokolls am Ende der Sizung; wo nöthig − Berichtigung. Signatur durch die Gesandten. Ausgefertigt vorgelegt in der nächsten Sizung. 1 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1509.

Nr. 34

Frankfurt am Main, vor dem 6. Oktober 1816

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f) Form der Beschlüße. Vorläufig vielleicht nur: Die deutsche Bundesversammlung hat beschloßen: etc. etc. Ort. Datum. Unterschrift. Bundeskanzley oder vorerst: Präsidial-Kanzley. Siegel: vorerst das der Kaiser. Oesterreich.en Gesandtschaft mit der Um­ schrift: der deutschen Bundesversammlung ­Präsidial-Kanzley. 4. Eingaben an die Bundesversammlung. a) Alle an die Bundesversammlung gerichteten Schreiben, Vorstellungen, Gesuche etc. etc. müßen dem Präsidium übergeben werden. Dieses wird sie mit dem Präsentatum versehen und nach Nummern, mit kurzer Anführung der Personen und des Gegenstandes, in ein Register eintragen lassen. b) Es dürfte zweckmäßig seyn bekannt zu machen, daß alles, was zur offiziellen Kentniß der Bundesversammlung gebracht werden soll, dem Kaiser. Oester.en H. Gesandten übergeben werden müße. c) Vielleicht wäre es gut, auch die Form der Vorstellungen an die Bundesversammlung zu bestimmen und bekannnt zu machen. 5. Diktatur. a) Alle Eingaben von Privatpersonen würden in der erforderlichen Anzahl von Exemplaren zu überreichen seyn, damit jede Gesandtschaft eines in ihr Archiv und eines zum einsenden an ihren Hof erhielte. In der Kanzley müßten überdies wenige Exemplare vorräthig bleiben. Die wesentliche Zahl wird hiernach 80−90 betragen. b) Diese Eingaben werden dann in der Kanzley distribuirt, und der Tag, wo dieses geschieht, wird darauf bemerkt. c) Die Protokolle und andere Aktenstücke werden in der Kanzley diktirt oder zur Abschrift vorgelegt. Beßer wäre es vielleicht, sich einer guten Preße zu diesem Ende zu versichern. 6. Kanzley und Archiv. a) Beyde erhalten vorläufig durch das Präsidium, mit Vorwißen der Bundesgesandtschaften, ihre Anwendung dergestalt, daß die Präsidial-Kanzley einstweilen die Funktionen der Bundeskanzley zugleich übernimmt. Ein sicheres Lokale zur Aufbewahrung der Urkunden und Akten wird vom Präsidium vorläufig angewiesen, und ordentliche sorgfältige Aufbewahrung verfügt. b) Die Aufsicht über beyde steht jederzeit dem Präsidium zu, − jedem Gesandten aber auch der Zutritt. Urkunden und Akten werden jedoch keinem Einzelnen ohne Verfügung der Versammlung überliefert. Abschriften zu verlangen steht jedem frey.

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Berg an Humboldt

Nr. 35

7. Bekanntmachung der Protokolle und Beschlüße. Die Bundesversammlung bestimmt in jedem besondern Falle, wie die Protokolle und Beschlüße bekannt zu machen, und insonderheit ob sie dem Drucke für’s Publikum zu übergeben seyen.

35. Berg an Humboldt

GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75  A, Nr. 232. Schreiben. Eigenhändige Ausfertigung. Praes.: 6. Oktober 1816.

Bedankt sich für die positive Aufnahme seiner Ideen über eine vorläufige Geschäftsordnung der Bundesversammlung. Hält Humboldts Bemerkungen und Zusätze für begründet und zweckmäßig, erläutert und bekräftigt jedoch einige seiner Vorschläge.

Frankfurt am Main, 6. Oktober 1816 Euer Excellenz danke ich ganz gehorsamst für die gütige und nachsichtsvolle Aufnahme ­meiner Skizze1, die natürlich keine andere Bestimmung haben kann, als die Übersicht des Nothwendigsten zu erleichtern. Überhaupt kann, wie mir deucht, jetzt nur von einer vorläufigen Verabredung der Gesandten unter sich die Frage seyn in Ansehung der Geschäftsordnung, welche sie einstweilen beobachten wollen, damit die Verhandlungen der Bundesversammlung einen regelmäßigen Gang nehmen. Euer Excellenz Bemerkungen und Zusätze2 finde ich vollkommen gegründet und zwekmäßig. ad 1.b. scheint mir nehmlich die Absicht Euer Excellenz bey der vorgeschlagenen Aufzeichnung eines Resultats der vertraulichen Besprechungen nur zu seyn, einige Bestimmtheit der Ansichten zu erhalten, worüber man sich vereinigt haben könnte. In sofern ist sie gewiß gut; aber aller Schein einer bindenden Verabredung müßte, wie mir deucht, sorgfältig vermieden werden. Daß das Geschäft der Aufzeichnung der gewöhnliche Protocollführer übernehme, würde ich vorziehen. Dieß würde nicht hindern, daß ein oder das 1 Vgl. Dok. 34. 2 Vgl. Dok. 31. Humboldt waren Bergs „Ideen“ durch den Präsidialgesandten Buol mitgeteilt worden. Vgl. Bergs Bericht No. 75 an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-Oldenburg, Frankfurt am Main, 7. Oktober 1816, StA Oldenburg, Best. 31−AB, Nr. B 2, sowie den Bericht Buols No. 85a an Metternich, Frankfurt am Main, 6. Oktober 1816, HHStA Wien, St. K., Deutsche Akten (neue Reihe), Kart. 85, Fasz. 115 (alt), fol. 302−303’ und 308.



Frankfurt am Main, 6. Oktober 1816

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andere Mitglied der Versammlung Entwürfe zu fassender Beschlüsse selbst aufsetzte u. vorlegte. ad 1.c. Daß, nach der ersten Sitzung, wenigstens die darauf folgende nur Sitzung der engern Bundesversammlung seyn könne, scheint mir unzweifelhaft, da diese überhaupt Regel ist, das Plenum aus ihr sich erst bilden soll, ja! da sie zu entscheiden hat, ob eine Sache vor’s Plenum gehöre oder nicht? und alle der Entscheidung des Pleni zu unterziehende Beschluß-Entwürfe von ihr vorbereitet werden müssen. In dieser Hinsicht habe ich es auch für wahrscheinlich gehalten, daß zunächst nur Sitzungen der engern Bundesversammlung Statt finden werden. Meine Meynung war indessen nicht, daß in der provisorischen Bundestags-Ordnung hierüber etwas zu sagen wäre. Wohl aber halte ich die Bestimmung für nöthig, daß, wenn Plenar-Sitzungen nothwendig befunden werden, eine geräumige Frist verabredet werde, damit die an Curiatstimmen Theil habenden Höfe zur Absendung eigener Gesandten, wenn sie diese für gut finden, Zeit gewinnen. Dieß dürfte um so unbedenklicher seyn, da Plenarsachen doch in der Regel von solcher Wichtigkeit sind, daß auch Zeit zur Instruction erforderlich seyn wird. ad 3.c. Es kann sehr verwickelte Fälle geben, wo die Vota vielartig ausfallen, und wo es in der That schwierig werden kann, sogleich die Majorität zu finden. In solchen Fällen hieß es am Reichstag: Directorium wolle sich aus dem Protocoll ersehn. Es versteht sich, daß dieses fest geschlossen und unabänderlich seyn muß. ad 4.a. Mir scheint es wenigstens bequemer, wenn die Eingaben nur dem Protocoll angefügt würden, welches die Berathungen über ihren Gegenstand enthält. Könnte das Journal nicht in jeder Sitzung zu Einsicht vorgelegt werden? ad 4.b.c. Sehr einverstanden. Meine Idee war, daß das Präsidium vielleicht bekannt machen könnte, was in Ansehung der Einzelen nützlich erachtet werden dürfte. Ich bin mit gröster Verehrung Euer Excellenz ganz gehorsamster Diener Berg

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Berg an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-Oldenburg

Nr. 36

36. Berg an Herzog Peter Friedrich Ludwig von HolsteinOldenburg1

StA Oldenburg, Best. 31-AB, Nr. B 2. Bericht. Behändigte Ausfertigung.

Buol hat Bergs „Ideen über den Geschäftsgang der Bundesversammlung bis zur Berichtigung einer förmlichen Bundestagsordnung“ an Humboldt übersandt, der dazu Bemerkungen verfaßt habe, auf die Berg mit einer Erwiderung an Humboldt geantwortet habe. Vertretung des in Wien weilenden bayerischen Bundestagsgesandten von Rechberg durch den Staatsrat von Gruben. Übergabe eines Schreibens des Landgrafen von Hessen-Homburg durch Freiherrn von Gerning betreffend dessen Aufnahme in den Deutschen Bund. Stand der Territorialausgleichsverhandlungen zwischen Mecklenburg-Strelitz und Preußen.

N. 75.



Frankfurt am Main, 7. Oktober 1816

Durchlauchtigster Herzog, Gnädigster Fürst und Herr! Der Graf von Buol Schauenstein hat es, nach weiterer Überlegung, vorgezogen, die mit meinem unterthänigsten Bericht N. 72 eingesandten Ideen über den Geschäftsgang der Bundes Versammlung bis zur Berichtigung einer förmlichen Bundestags Ordnung2, dem Minister von Humboldt, als von mir verfaßt, mitzutheilen, und dieser hat darüber die unterthänigst angefügten Bemerkungen3 gemacht, worauf ich nur, was die abschriftliche Anlage enthält, erwiedern zu müssen glaubte4. Der Graf von Buol-Schauenstein wird nun hienach eine interimistische Bundestags Ordnung entwerfen, und vielleicht schon in der nächsten Sitzung vorlegen. Der Graf von Rechberg wird auf einige Zeit zu den Vermählungsfeierlichkeiten nach Wien gehen. Seine Stelle wird einstweilen der Königlich Baiersche geheime Staatsrath, Freiherr von Gruben5, vertreten. 1 Peter Friedrich Ludwig (1755–1829), seit 1813 Herzog von Holstein-Oldenburg, 1777 Koadjutor des reformierten Fürstbischofs von Lübeck und Regierender Administrator des Herzogtums Oldenburg, 1785–1803 Fürstbischof von Lübeck, 1803 erblicher Fürst von Lübeck, 1810 Beschränkung auf das Fürstentum Lübeck infolge der Annexion Oldenburgs durch Napoleon und Emigration nach Rußland, 1813 Wiederantritt seiner Regentschaft in Holstein-Ol­den­­burg, 1815 Fürst von Birkenfeld, verzichtete auf die Führung des ihm seit 1815 zustehenden großherzoglichen Titels. Vgl. ADB, Bd. 25, S. 467–469; DBA I, 943, 135; DBE, Bd. 7, S. 612. 2 Vgl. Dok. 30. 3 Vgl. Dok. 31. 4 Vgl. Dok. 35. 5 Friedrich Ignaz Freiherr von Gruben (1736−1823), Beamter und Diplomat, 1752 kurkölnischer wirklicher Hof- und Regierungsrat, 1793 Reichskammergerichtsassessor, 1806 fürstprimatischer Geheimer Staatsrat und Landesdirektor der Fürstentümer Regensburg und Aschaffen-



Frankfurt am Main, 7. Oktober 1816

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Der Landgräflich Hessen-Homburgische geheime Rath von Gerning6 hat mir das anliegende verschlossene Schreiben zur Besorgung an Euer Herzog­ lichen Durchlaucht nebst einer Abschrift, zugestellt, woraus ich ersehe, daß die Aufnahme Sr Durchlaucht in den Teutschen Bund nachgesucht wird. Ich werde bei Gelegenheit der nächsten Conferenz zu erfahren suchen, aus welchem Gesichts Punkt man dieses Gesuch betrachtet, zugleich auch mündlich die Euer Herzoglichen Durchlaucht im Plenum beizulegende zweite Stimme in Anregung bringen und sodann weiter unterthänigst berichten. Dem Vernehmen nach hat Meklenburg Strelitz wegen des demselben in der Wiener Congreß Akte zugesicherten Gebiets7 einen Vertrag mit Preussen dahin abgeschlossen, daß dieses an Meklenburg Strelitz zwar einen Bezirk jenseit Rheins abtrit, jedoch denselben noch ein halbes, oder – was ich nicht gewiß weiß – gar ein ganzes Jahr im Besitz behält, und blos die Einkünfte berechnet und abliefert, damit in der Zwischenzeit über ein anderweites Arrangement unterhandelt werden könne8. Meklenburg Strelitz soll noch nicht alle Hoffnung aufgegeben haben, in der Nähe eine Gebiets Vermehrung zu erhalten; jedoch auch nicht abgeneigt seyn, mit Domainen im Preussischen Gebiet sich abfinden zu lassen. Ich ersterbe in tiefstem Respect Euer Herzoglichen Durchlaucht Unterthänigst − treu − gehorsamster von Berg

burg, 1811 großherzoglich frankfurtischer außerordentlicher Gesandter in Darmstadt, Karlsruhe, Stuttgart und Würzburg, 1815 Übertritt in bayerische Dienste als Geheimer Staatsrat, 15. Oktober 1816 bis 1. Januar 1817 interimistischer Bundestagsgesandter. Vgl. DBA I, 429, 90 u. 92; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 236 u. 239 f.; Schreib- und Geschäfts-Kalender für die Deutsche Bundes-Kanzlei 38, 1864, S. 150 f. 6 Johann Isaac (seit 1814 von, seit 1818 Freiherr von) Gerning (1767–1837), deutscher Dichter, Gelehrter und Diplomat, stand seit 1797 als Legationsrat in den Diensten des Königreichs Neapel und nahm als Gesandter am Rastatter Kongreß 1797/98 teil, 1804 hessen-homburgischer Geheimer Rat, 1815 Abgeordneter beim Deutschen Bundestag in Frankfurt. Vgl. Renkhoff, Nassauische Biographie, S. 227; Götting, Johann Isaac von Gerning, in: Nassauische Lebensbilder, Bd. 5, S. 114–131; DBE, Bd. 3, S. 653; DBA I, 590, 64−66. 7 Wiener Kongreßakte vom 9. Juni 1815. Vgl. Acte du Congrès de Vienne du 9 Juin 1815, avec ses Annexes, S. 44 (Artikel 49 und 50). 8 Vgl. Staatsvertrag zwischen Preußen und Mecklenburg-Strelitz, 18. September 1816, Rohrscheid, Preußen’s Staatsverträge, S. 431.

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Buol an den Senat der Freien Stadt Frankfurt am Main

Nr. 37

37. Buol an den Senat der Freien Stadt Frankfurt am Main

ProtDBV 1816, Beilagen zu den Registraturen über die vertraulichen Besprechungen der Herren Bundestags-Gesandten, Nr. 1 und 2, S. 1–5. a) Schreiben. Druckfassung; b) Aufsatz. Druckfassung. Weiterer Druck: CJCG, Bd. 2, S. 29–32.

[a) Schreiben] Übersendet in Anlage einen Aufsatz über die Grundsätze eines angemessenen und guten gegenseitigen Verhältnisses zwischen der Bundesversammlung und der Freien Stadt Frankfurt.

Frankfurt am Main, 23. Oktober 1816 Der Endesunterfertigte präsidirende Minister hat hiemit die Ehre, im Namen sämmtlicher Herren Bundesgesandten einem Hochedlen Rathe der freyen Stadt mittelst des hier neben gehenden Aufsatzes jene Grundsätze geziemend mitzutheilen, welche denselben die richtigsten zur Begründung eines angemessenen und durchaus guten gegenseitigen Verhältnisses geschienen haben. Die gerechte Voraussetzung einer gefälligen Würdigung des mit liberaler Sorgfalt genommenen Bedachtes zur thunlichsten Vermeidung aller Kollisionen begründet sonder Zweifel die volle Zuversicht, daß ein Hochedler Rath sich ganz gerne damit einverstanden erklären werde. Indem der Unterzeichnete dieser Erklärung entgegen sieht, benutzt Er mit Vergnügen diese Veranlassung, die Versicherung seiner ausgezeichneten Hochachtung zu erneuern. Graf v. Buol-Schauenstein

[b) Anlage: Aufsatz über das Verhältnis der Deutschen Bundesversammlung zur Freien Stadt Frankfurt] Die Bundestagsgesandten haben Grundsätze über das Verhältnis der Bundesversammlung zur Stadt Frankfurt beraten und festgesetzt, durch welche die Würde und Sicherheit der Bundesversammlung und die ungestörte Geschäftsführung des Bundestags gesichert werden: 1. Schutzvorkehrungen für die Bundesversammlung und ihr Archiv (permanente Schildwachen) sowie militärische Ehrenbezeugungen für die Bundestagsgesandten. 2. Vorkehrungen zur Sicherung einer wohltätigen Pressefreiheit und Bestrafung von Mißbräuchen durch den Senat, der auch Sorge trägt für die Publikation offizieller Artikel in den Frankfurter Zeitungen. 3. Gesandtschaftliche Rechte, welche den Bundestagsgesandten, ihrem Personal und ihren Familien zustehen (Exter­ritorialität der Wohnungen, Befreiung von der städtischen Jurisdiktion, Formen des amtlichen Verkehrs mit den städtischen Behörden). 4. Befreiung d­ ieses Personenkreises von städtischen Steuern und Abgaben, Einquartierungen und Abzugsgeldern. 5. Die Regulierung der Verhältnisse des Frankfurter Bundestagsgesand-

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ten bleibt der Stadt Frankfurt überlassen. Bei Bedarf b­ ehält sich die Bundesversammlung vor, noch weitere Bestimmungen hinzuzufügen.

[Frankfurt am Main, 23. Oktober 1816] Da durch die am 8. Juny 1815 zu Wien unterzeichnete deutsche Bundesakte1, die freye Stadt Frankfurt am Mayn zum Sitz der Bundesversammlung erwählt worden ist, so haben die allhier versammelten Bundestags-Gesandten es zu einem der ersten Gegenstände ihrer Berathung gemacht, die Grundsätze des Verhältnisses des Bundestags als Inbegriff aller Bundestags-Gesandten gegen die Stadt Frankfurt auf eine Weise festzusetzen, durch welche auf der einen Seite für die Würde und Sicherheit der gesammten Bundesversammlung und für die Bewahrung der den Bundestags-Gesandten für sich und für die ihrer Gesandtschaft angehörenden Personen zustehenden gesandtschaft­ lichen Rechte hinreichend gesorgt, auf der andern Seite aber der Stadt ein Beweis gegeben werde, wie bereit die Bundesversammlung sey, selbst ohne Rücksicht auf einige aus früheren Vorgängen ähnlicher Zusammenkünfte wohl in Anspruch zu nehmenden Vorrechte alle Collisionen zu entfernen. In diesen Rücksichten haben die versammelten Bundestags-Gesandten sich vereiniget, nachstehende Punkte, welche sie als zu diesen Zwecken geeigenschaftet ansehen, der Stadt Frankfurt mitzutheilen, mit welchen dieselbe um so mehr einverstanden seyn wird, als selbige zur Aufrechthaltung der Würde, der Sicherheit und ungestörten Geschäftsführung der Versammlung und ihrer Mitglieder dienen, mithin schon von der in der Bundesakte mit Zustimmung der Stadt Frankfurt getroffenen Wahl der Bundesstadt unzertrennlich sind, der größere und wichtigere Theil derselben sich daher schon als stillschweigend im voraus genehmiget ansehen läßt, und sie nur einer näheren Entwickelung bedürfen können. I. Da der Anstand und die Sicherheit der Bundesversammlung und ihrer Archive die Haltung permanenter Schildwachen vor dem Eingange zu dem Hotel der Bundesversammlung erfordert, so wird in Gemäßheit der dazu von dem Senat bereits bezeigten Bereitwilligkeit erwartet, daß derselbe die dazu erforderliche Mannschaft aus der hiesigen Stadtgarnison beordere. Da die Bundesversammlung es der Liberalität des Kaiserlich Oesterreichischen Hofes verdankt, daß vorerst in der Wohnung des Kaiserlich Oesterreichischen Gesandten zugleich ein sehr zweckmäßiges Lokal für die Bundesversammlung und deren Archiv zubereitet worden ist, so wird dermalen 1 Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815; vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1503–1518.

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für hinreichend angesehen, wenn zwey permanente Schildwachen vor dem Eingange des Hotels unterhalten werden. Sollte in der Folge das Lokal der Bundesversammlung und ihres Archives von der Wohnung des Kaiserlich Oesterreichischen Gesandten getrennt werden, so behält sich die Bundesversammlung vor, über den Punkt der Schildwachen weitere Eröffnungen zu machen. Eben dieser Vorbehalt hat auch im Allgemeinen in Hinsicht der MilitairEhrenbezeugun­gen für die Bundestagsgesandten statt. Auch behält die Bundesversammlung sich vor, bey eintretenden ausserordentlichen Feyerlichkeiten den Senat wegen Verstärkung der Wachen vor dem Hotel der Bundesversammlung und sonstigen militairischen Ehrenbezeugungen während solcher Feyerlichkeiten zu requiriren; wie denn auch der Senat sich bereits in Hinsicht der Feyerlichkeit der ersten Eröffnung des Bundestags dazu zuvorkommend erklärt hat. II. Da die in der Stadt Frankfurt erscheinenden Zeitungen und periodischen Blätter leicht als die zuverläßigsten öffentlichen Nachrichten über alles, was die Bundesversammlung betrifft, angesehen werden dürften, so erwartet dieselbe, daß der Senat der Stadt Frankfurt den Herausgebern dieser Schriften befehle, diejenigen Artikel, welche ihnen von der Bundeskanzley zum Einrücken eingesandt, oder sonst von ihr als officiell anerkannt worden, mit der Aufschrift „Officieller Artikel“ zu versehen, hingegen zur Zeit der Eröffnung des Bundestags und in der Folge von Zeit zu Zeit bekannt zu machen, daß alle mit dieser Aufschrift nicht versehenen Artikel für nicht officiell anzusehen seyen, und setzt voraus, daß auf die Beobachtung dieser Vorschrift mit Strenge werde gehalten werden. Im Uebrigen hegt die Bundesversammlung das gerechte Vertrauen, der Senat werde in Hinsicht der hieselbst erscheinenden Zeitungen, periodischen Blätter und sonstigen Druckschriften solche Anstalten treffen, welche eine erlaubte und wohlthätige Preßfreyheit so wenig beschränken als etwanige Mißbräuche derselben unbestraft lassen, wodurch sie denn in dem einen wie in dem andern Falle überhoben seyn wird, deßhalb etwas weiteres an den Senat gelangen zu lassen. III. Zufolge des Inbegriffs der gesandtschaftlichen Rechte, welche den Bundestagsgesandten und den sie begleitenden gesandtschaftlichen Personen für sich, ihre Familie und Dienerschaft zustehen, genießen: 1. Die Wohnungen gesandtschaftlicher Personen der völligen Exterritorialität. 2. Die Gesandten und gesandtschaftlichen Personen, nebst ihrer Familie und Dienerschaft, sind von aller städtischen Jurisdiction, mithin von aller

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­ ivil-, Criminal- und polizeylichen Gerichtsbarkeit der Stadt Frankfurt beC freyet. Diese Befreyung erstreckt sich auch auf die Obsignation bey Sterb­ fällen. 3. Keine Behörde der Stadt kann sich amtlicher Weise unmittelbar an die Bundesversammlung oder eine einzelne Gesandtschaft aus derselben wenden, sondern es wird dazu der Senat aus seiner Mitte eine Commission ernennen, welche in dieser Hinsicht die Stelle des an Höfen bestehenden Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten in dem Maaße zu vertreten hat, daß alle von der Polizey oder andern Behörden der Stadt an die Bundesversammlung, oder einzelne Gesandtschaften derselben zu machenden Anzeigen und Anträge allein durch diese Commission geschehe, und auch die Bundestagsgesandten, im Fall sie über einen zum Wirkungskreis der Stadt gehörenden Gegenstand Beschwerde zu führen haben sollten, sich an diese zu wenden haben. 4. Zu näherer Erläuterung dieser Grundsätze und zu möglichster Verhütung von Collisionen wird folgendes festgesetzt: a) Damit in Ansehung der Frage, ob eine Person zum gesandtschaftlichen Gefolge gehöre, keine Ungewißheit entstehe; so verpflichten sich die Bundestagsgesandten ein jeder ein Verzeichniß der zu seiner Gesandtschaft gehörenden gesandtschaftlichen Personen, so wie ihrer Familienglieder und Dienerschaften beyderley Geschlechts der Commission einzureichen, auch sie jedesmal von den dabey eintretenden Veränderungen sofort benachrichtigen.  Sie erklären sich jedoch, in diesem Verzeichnisse nur diejenigen Personen und deren Familie aufnehmen zu wollen, welche wirklich in ihren oder ihres Souverains Diensten stehen und ihrer Gesandtschaft angehören, wohingegen sie auf den in andern Fällen wohl statt gefundenen Gebrauch, auch andern nicht zu der Gesandtschaft gehörenden Unterthanen ihrer Souveraine oder Fremden, Schutzbriefe für den Aufenthalt oder für die Treibung eines Gewerbes zu ertheilen, hiemit aus Achtung für den Senat und zu Vermeidung beschwerlicher Collisionen keinen Anspruch machen, wie es sich denn auch von selbst versteht, daß sie den in ihren Diensten stehenden Personen nicht gestatten wollen, Handwerksarbeiten ausserhalb der Wohnung des Gesandten, oder für andere zu einer Bundesgesandtschaft nicht gehörige Person zu verfertigen.  Im übrigen wird die der gesammten Bundesversammlung zustehende Befugniß in dazu geeigneten Fällen einzelnen Personen Schutzbriefe für den hiesigen Aufenthalt zu ertheilen, als welche in der künftigen Bundestagsordnung ihre nähere Bestimmung erhalten wird, hiermit ausdrücklich vorbehalten. b) Wenn bey entstehenden Händeln oder Widersetzlichkeit gegen Polizeyverfügungen ein zu der Dienerschaft eines Bundestagsgesandten gehö-

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rendes, aber nicht sogleich dafür erkanntes Individuum verhaftet werden sollte, so ist die Polizey gehalten dasselbe, sobald es sich als zu dem Gefolge eines Gesandten gehörend ausgewiesen hat, in das Haus des Gesandten führen zu lassen. Die Gesandten versprechen in diesen Fällen, wenn sie nicht vorziehen das angeschuldigte Individuum ihres Dienstes zu entlassen, nicht allein auf die ihnen auf dem geeigneten Wege zukommenden Mittheilungen unverzüglich, besonders wo das Zeugniß einer solchen Person zur Aufklärung der Sache nöthig seyn sollte, alle nur erforderliche Auskunft zu ertheilen, sondern auch den gegen ein solches Individuum geführten Beschwerden dergestalt Folge zu geben, daß dasselbe von derjenigen Behörde, der es unterworfen ist, zur Untersuchung und wenn es schuldig befunden wird, zur Strafe gezogen und zur Genugthuung angehalten werde. c) In Fällen eines angeschuldigten oder erwiesenen Verbrechens eines solchen Individuums ist dasselbe, falls es wegen augenblicklicher Gefahr von der Polizey in Verhaft genommen seyn sollte, sofort an den Gesandten abzuliefern und ihm, so wie in andern Fällen dieser Art in welchen keine Verhaftung erfolgt ist, zu überlassen, ob er dasselbe dem Senate zur Untersuchung und Bestrafung ausliefern, oder in sichere Verwahrung in seiner Wohnung gebracht, an seine Regierung Behuf der Untersuchung und Bestrafung senden wolle. d) Eine Haussuchung in der Wohnung eines Bundestagsgesandten kann überall nur in dringenden dazu geeigneten Criminalfällen, und zwar erst nach vorhergehender gebührender Anzeige, und mit ausdrücklicher Genehmigung des Gesandten, und in seiner oder der dazu von ihm verordneten Person Gegenwart vorgenommen werden.  Es machen jedoch die Bundestagsgesandten keinen Anspruch auf eine Befugniß Personen, welche zu ihrer Gesandtschaft nicht gehören, und von der Polizey oder den Gerichten verfolgt werden, wissentlich in ihrer Wohnung einen Zufluchtsort zu ertheilen, verpflichten sich vielmehr, selbige auf die erste ihnen davon gebührend gemachte Anzeige der Behörde verabfolgen zu lassen. IV. Die Bundestagsgesandten genießen für sich und für alle ihrer Gesandtschaft angehörenden Personen einer gänzlichen Befreyung von städtischen Steuern und Abgaben aller Art, insbesondere von Sperr- und Chausseegeldern und von Abgiften von allen Consumtibilien und Mobilien, welche sie zu ihrem und der Ihrigen Gebrauch kommen lassen, so wie des Rechts, auch von Fremden verfertigte Mobilien selbst ausserhalb der Meßzeiten zu diesem Zweck einführen zu lassen.

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Sie verpflichten sich jedoch in Ansehung aller Consumtibilien und Mobilien, welche sie kommen lassen, erforderliche Certificate unter ihrer Unterschrift und Siegel dahin auszustellen, daß diese Gegenstände ihnen gehören und zu ihrem oder der Ihrigen alleinigem Gebrauch bestimmt sind. Sie genießen gleichmäßig einer völligen Befreyung von aller Einquartirung oder deren Reluition in Ansehung aller von ihnen oder von den ihnen angehörenden Personen bewohnten Häuser oder Wohnungen, in soweit solche von ihnen eigenthümlich oder miethweise besessen oder bewohnt werden. Bey der ohnehin schon durch die Bundesakte bestimmten Aufhebung des Abzugsrechts, bleiben die Erben eines Bundestags-Gesandten oder einer seiner Gesandtschaft angehörenden Person von aller Bezahlung des Abzugsrechts, und zwar diese Erben selbst in dem Falle befreyet, wenn auch die Erbschaft nach einem nicht zu dem deutschen Bunde gehörigen Staat ausgeführt werden sollte. V. Die Verhältnisse des jedesmaligen Bundestags-Gesandten der Stadt Frankfurt zu derselben, bleiben ihrer eigenen Bestimmung überlassen. Im übrigen stehen zwar die bisher erwähnten gesandtschaftlichen Vorrechte allen gegenwärtig ernannten Bundestags-Gesandten, selbst jedem unter ­ihnen zu, welcher sich noch in nexu civico2 befindet.3 Die Bundesversammlung giebt jedoch dem Senat bey dieser Veranlassung zu erkennen, daß sie es als einen Grundsatz ansehen zu müssen glaubt, daß in Zukunft kein in nexu civico dieser Stadt stehendes Individuum zum Bundestags-Gesandten, außer für die Stadt Frankfurt selbst, ernannt und angenommen werden könne. VI. Die Bundestags-Gesandten genießen das Recht, den Unterthanen ihres ­Souveräns in allen den Fällen Pässe zu ertheilen, oder selbige zu visiren, in welchen nach anerkannten Grundsätzen des Völkerrechts dieses Recht den an einem Staat accreditirten Gesandten zusteht. VII. Der Senat der Stadt Frankfurt wird dafür Sorge tragen, daß in den Kirchen der verschiedenen christlichen Confessionen anständige Plätze zum Gebrauch der Bundestags-Gesandten und ihres Gefolges, nach Maßgabe des dazu vorhandenen Bedürfnisses, angewiesen werden. 2 Lat.: bürgerliche Verbindung. 3 Anspielung auf den Bundestagsgesandten der 16. Kurie von Leonhardi, der das Bürgerrecht der Stadt Frankfurt besaß und dadurch in einen Konflikt zwischen seinen Rechten als Bundestagsgesandter und seinen Rechten und Pflichten als Frankfurter Bürger geriet.

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VIII. Sollten in der Folge noch Veranlassungen entstehen, zu Festsetzung des Verhältnisses der Bundesversammlung zu der Stadt Frankfurt noch einige besondere Bestimmungen hinzuzusetzen, so behält die Bundesversammlung sich die desfalls nöthigen ferneren Eröffnungen bevor.

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ProtDBV 1816, Beilagen zu den Registraturen über die vertraulichen Besprechungen der Herren Bundestags-Gesandten, Nr. 3 und 4, S. 5–8.

[a) Schreiben] Übersendet seine Erklärung über das Verhältnis der Deutschen Bundesversammlung zur Freien Stadt Frankfurt.

Frankfurt am Main, 25. Oktober 1816 Euerer Excellenz geben wir uns die Ehre, unsere Erklärung in Betreff des Verhältnisses des hohen Bundestags, als Inbegriffs der hohen Bundestags-Gesandtschaften, gegen die hiesige Stadt, hierbey zu übersenden. Wenn wir uns schmeicheln, den wohlwollenden Beyfall Euerer Excellenz und der gesammten Bundestags-Gesandtschaften nicht verfehlt zu haben, bitten wir um Erlaubniß, die Versicherung der verehrungsvollen Gesinnungen erneuern zu dürfen, in welchen wir zu verharren die Ehre haben. Euerer Excellenz

gehorsame Bürgermeister und Rath der freyen Stadt Frankfurt J. W. Metzler1

1 Johann Wilhelm Metzler (1755–1837), Frankfurter Jurist und Politiker, 1790 Ratsherr, 1792 Senator, 1816 Schöffe, 1816/17, 1819 und 1823 Älterer Bürgermeister. Vgl. NDB 17, S. 260; Koch, Grundlagen bürgerlicher Herrschaft, S. 398 f. u. 412 f.; Klötzer (Hrsg.), Frankfurter Biographie, Bd. 2, S. 48 f.; DBA I, 833, 64; DBA III, 621, 209–211.

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[b) Anlage: Erklärung über das Verhältnis der Deutschen Bundesversammlung zur Freien Stadt Frankfurt] Der Rat der Stadt Frankfurt wird alles tun, was zur Erhaltung der Würde, Sicherheit und ungestörten Geschäftsführung der Bundesversammlung beitragen kann. Zustimmung zu den Abschnitten I., II., III. und sowie den in IV. erwähnten Befreiungen der Bundestagsgesandten und des Gesandtschaftspersonals des von Buol übersandten Aufsatzes. Ernennung einer Senatskommission für sämtliche Bundestagsangelegenheiten. Erörterung der Probleme und Nachteile, die sich aus der vorgeschlagenen Befreiung der Bundestagsgesandten und des gesandtschaftlichen Personals von der hiesigen Jurisdiktion und den bürgerlichen Lasten für diejenigen Personen ergeben, die zugleich Bürger oder Schutzverwandte der Stadt Frankfurt sind. Zustimmung zu den Abschnitten VII. und VIII. des Aufsatzes.

[Frankfurt am Main, 25. Oktober 1816] Die, dem Senate der freyen Stadt Frankfurt in einem Aufsatze mitgetheilte Darstellung des Verhältnisses des hohen Bundestags, als Inbegriffs der hohen Bundestags-Gesandtschaften gegen die Stadt, war demselben um so mehr erfreulich, da die Stadt das Glück hat, in dieser Versammlung mit repräsentirt zu werden, und da das Entstehen von Anständen, Zweifeln und Collisionen, immer unangenehm ist, wenn diese gleich blos durch Mißverstand erzeugt sind. Der Senat bittet Eine hohe Bundesversammlung versichert zu seyn, daß er seiner Seits nichts versäumen wird, was zu Erhaltung der Würde, der Sicherheit und ungestörten Geschäftsführung der Versammlung und ihrer Mitglieder nur immer beytragen kann, und daß er es sich, so viel er vermag, stets angelegen seyn lassen wird, den allgemein verehrten Staats- und GeschäftsMännern, welche den erhabenen Beruf haben, in dieser Versammlung vereint, zum Wohl von Deutschland zu wirken, neben genauer Aufrechthaltung der gesandtschaftlichen Rechte, den hiesigen Aufenthalt angenehm zu machen. Der Senat glaubt Gesinnungen der achtungsvollesten Aufnahme und freundlichsten Bewahrung von der gesammten Bürgerschaft, die sich nicht leicht in der Anhänglichkeit an das, was Bezug auf das gesammte deutsche Vaterland hat, übertreffen läßt, versichern zu können: und sollte auch, in seltenen Fällen, eins oder das andere, auf das Gegentheil zu deuten scheinen, so würde doch hiervon immer der Grund nur in einem Mißverstande zu suchen seyn, der mildere Beurtheilung verdient, und von den Einsichten und der Denkungsart der verehrten Mitglieder dieser erhabenen Versammlung, denen bekannt ist, daß sich in kleinen republikanischen Staaten, wie überall, auch bey dem besten Willen der Gesammtheit, zuweilen Ueberschreitungen zarter ­Linien ereignen, die nur auf momentanem Irrthum, der eben so geschwind wieder gehoben ist beruhen, erwarten darf.

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Aus den beyden, in der Bundesakte enthaltenen Sätzen: Alle Bundesglieder haben, als solche, gleiche Rechte; die Bundesversammlung hat ihren Sitz zu Frankfurt am Mayn;2 folgt die Bestimmung des Verhältnisses jener zu dieser, nach Grundsätzen des Völkerrechts, leicht. Mit dem was Num. I., II., III. des Aufsatzes3 bemerkt ist, erklärt sich der Senat im Wesentlichen eben so einverstanden, wie mit der Num. IV. erwähnten gänzlichen Befreyung der Herren Bundestags-Gesandten für sich und für alle ihrer Gesandtschaft angehörenden Personen, von städtischen Steuern, öffentlichen Lasten und Prästationen, von Einquartirung, vom Zoll, von den Abgiften von Consumtibilien und andern Gegenständen, welche sie zu ihrem und der Ihrigen Gebrauch in die Stadt kommen lassen, vom Sperr- und Chausségeld; was das letztere betrifft, unter der billigen Voraussetzung, daß es in andern Bundesstaaten eben so gehalten wird. Eine Befreyung von Abzugsgeld kann gar keinem Zweifel ausgesetzt seyn, wenn auch eine Erbschaft nach einem zu dem deutschen Bunde nicht gehörigen Staate ausgeführt werden sollte. Und, nicht weniger, den Herren Gesandten frey gelassen wird, auch außer den Messen wie nach der hiesigen Verfassung sonst nicht erlaubt ist, fremde Handwerksarbeiten, zu ihrem und der Ihrigen Gebrauche, in die Stadt bringen zu lassen; so kann auf der andern Seite der Senat des sichern Vertrauens leben, daß gegen Unterschleife und Mißbrauch genaues Aufsehen werde gehalten, so wie daß alle Eingriffe in bürgerliche Nahrung und sogenannte Pfuscherey durch Handwerksarbeiten außerhalb der Wohnung der Herren Gesandten und für andere, als die Dienstherrschaft, von Seiten der zum gesandtschaftlichen Gefolge gehörigen Personen, gemessen werde untersagt und auf Anzeige alsbald werde remedirt werden. Zu der Num. III.3. des Aufsatzes gedachten Commission hat der Senat aus seiner Mitte ernannt: den Herrn Schöffen, Freyherrn von Günderrode4,

2 Vgl. Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815; vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1503–1518, hier S. 1509 (Artikel 3) u. 1512 (Artikel 9) 3 Vgl. Dok. 37b. 4 Friedrich Maximilian Freiherr von Günderrode (1753–1824), Frankfurter Politiker, Studium der Rechte in Göttingen, 1775 nassau-usingischer Hofgerichtsassessor in Wiesbaden, 1785 Mitglied des Rats der Stadt Frankfurt, 1787 Schöffe, 1789–1803 Gesandter beim Oberrheinischen Kreis, 1806 Gesandter in Paris, 1807 fürstlich-primati­scher Stadtschultheiß und Geheimer Rat, 1810 großherzoglich-frankfurtischer Präfekt des Departements Frankfurt, 1814 Stadtschultheiß, 1816 Präsident des Appellationsgerichts und der Gesetzgebenden Versammlung, 1816 Senator. Vgl. ADB, Bd. 49, S. 631 f.; NDB, Bd. 7, S. 260 f.; Klötzer (Hrsg.), Frankfurter Biographie, Bd. 1, S. 284 f.

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den Herrn Senator von Guaita5, und den Herrn Senator Dr. Thomas6. Ueber Num. V. des Aufsatzes oder vielmehr einen Theil desselben bittet der Senat um Erlaubniß folgendes bemerken zu dürfen, das auf dem Oertlichen beruht. Nach einem Gesetz der hiesigen Verfassung, dem ein besonderes Kaiser­ liches Rescript von 1732 nebst einer Stelle des Bürgereides entspricht, kann sich kein hiesiger Bürger, durch Annehmung von fremden Ehrenstellen, der hiesigen Jurisdiktion und der bürgerlichen Lasten entziehen, oder er muß den Schutz aufkündigen, und sich dem unterwerfen, was damit in Verbindung stehet. Dieses Verfassungsgesetz, welches auch der Fürst Primas7 ausdrücklich sanktionirt hatte, so lange er die ältere Verfassung beybehielt, ist – nachdem die Stadt wieder zu ihrer Selbstständigkeit gelangt ist, in seine volle Wirksamkeit zurück getreten. So wenig es Anstand finden kann, daß man einem verbürgerten Gesandten, wenn man sich dieses Ausdrucks bedienen darf, ­wegen des Staats den er repräsentirt, jura honorifica8, auch Befreyung von ­einigen öffentlichen Abgaben, z. B. von Chaussée- und Sperrgeld zugestehet, so wie daß man bey Handlungen der Gerichtsbarkeit und Policey immer die Mäßigung eintreten läßt, daß die Repräsentation damit bestehen kann; so greift doch eine Exterritorialität mit ihren Folgen so tief, selbst in das Privatleben, und in die Familienverhältnisse ein, daß einem Gesandten hiermit, 5 Georg Johann Friedrich (seit 1813) von Guaita (1772–1851), Frankfurter Politiker und Handelsmann, war zunächst königlich sardischer Gesandtschaftssekretär, 1807 Senator im fürstlichprimatischen Rat, 1810 großherzoglich-frankfurtischer Präfekturrat im Departement Frankfurt, 1817 Schöffe und Mitglied der Gesetzgebenden Versammlung, 1822, 1824, 1826, 1831, 1833, 1837 und 1839 Älterer Bürgermeister. Vgl. NDB, Bd. 3, S. 619; NDB, Bd. 8, S. 702; Koch, Grundlagen bürgerlicher Herrschaft, S. 400  f., 404 f. u. 412 f.; Roth, Stadt und Bürgertum in Frankfurt am Main, S. 232 f.; Klötzer (Hrsg.), Frankfurter Biographie, Bd. 1, S. 283. 6 Johann Gerhard Christian Thomas (1785–1838), Frankfurter Jurist und Politiker, Studium der Rechte in Gießen und Würzburg, 1807 Advokat in Frankfurt, 1809 fürstlich-primatischer zweiter Archivar, 1814 Ratsschreiber, 1816 Senator, 1816−1820 Vorstand des Polizeiamts, 1818−1831 Mitglied der Gesetzgebenden Versammlung, 1821−1826 Stadtgerichtsrat, 1824 und 1829 jüngerer Bürgermeister, 1831 Schöffe, 1833−1836 Syndikus, 1834 Appellationsgerichtsrat, 1832, 1835 und 1838 Älterer Bürgermeister, 1832–1837 Bundestagsgesandter. Vgl. ADB, Bd. 38, S. 91–93; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815–1963, S. 178 u. 180; Koch, Grundlagen bürgerlicher Herrschaft, S. 414 f.; Klötzer (Hrsg.), Frankfurter Biographie, Bd. 1, S. 474. 7 Karl Theodor Reichsfreiherr von Dalberg (1744–1817), 1800–1817 Bischof von Konstanz, 1802 Kurfürst-Erzbischof von Mainz und Reichserzkanzler sowie (bis 1817) Bischof von Worms, 1803 Kurfürst und erzbischöflicher Administrator von Regensburg, 1805–1817 Erzbischof von Regensburg und Metropolit der deutschen Kirche, 1806 Fürstprimas des Rheinbundes, 1810–1813 Großherzog von Frankfurt. Vgl. ADB, Bd. 4, S. 703–708; NDB, Bd. 3, S. 489 f.; DBE, Bd. 2, S. 432 f.; Gatz (Hrsg.), Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1785/1803 bis 1945, S. 110–113; Hömig, Carl Theodor von Dalberg. 8 Lat.: Ehrenrechte.

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b­esonders wenn er von mehreren Höfen zugleich bevollmächtigt ist – in ­welchem Falle überhaupt der positive Begriff der Exterritorialität, strenge ­genommen, schwer anzuwenden seyn möchte – bei allen daraus für ihn und die Seinigen entstehenden Verwickelungen sicher nicht genützt seyn kann. Was besonders die öffentlichen Abgaben betrifft, so hat man hier bis jetzt keine Grundsteuer, sondern neben andern von den ältesten Zeiten her hergebrachten Abgaben, eigentliche Vermögenssteuer, letztere als ordentliche Steuer, und eine außerordentliche Steuer zu Tilgung der übergroßen Kriegs-Communalschulden, für welche das Vermögen jedes einzelnen Bürgers, soweit die gewöhnlichen Abgaben und Einkünfte nicht zureichen, mit verhaftet ist; zu Erleichterung oder Verminderung dieser letzteren ausserordentlichen Steuer werden noch einige besondere Abgaben erhoben. Das Vermögen eines hier verbürgerten Gesandten, von welchem derselbe hier Steuern und Abgaben direkt oder indirekt bezahlt, befindet sich hier. Ist der Gesandte in einem andern Bundesstaate, in welchem Grundsteuern eingeführt sind, possessionirt, so kann er sich diesen nicht entziehen; warum sollte also, von jenem Verfassungsgesetze abgesehen, hier mit der Eigenschaft eines Bürgers eine Befreyung von hier eingeführten öffentlichen Abgaben vereiniget werden, welche mit die Stelle jener vertreten, und deren Abtragung dem Charakter eines Gesandten bey dem Bundestage, so wenig hier wie dort, Abbruch thun kann. Wie diese Sache nach Grundsätzen des Völkerrechts betrachtet werden müsse, das kann hier übergangen werden; das ist aber wohl der Betrachtung nicht ganz unwerth, auf der einen Seite, daß es nicht in der Gewalt der Stadt steht, die Aufnahme eines Gesandten an den Bundestag zu verhindern, wie dies wohl ein Hof thun kann, und daß es nicht in dem Willen und der Meynung einer dritten Regierung liegen kann, hiesigen Bürgern und Schutzverwandten durch Anstellung Exemtionen dieser Art zu verschaffen; auf der andern Seite, daß alles das, was man gegen die Fortdauer des Unterthanen-Nexus eines Gesandten, der an einem Hof accreditirt ist, einwendet, auf die Verhältnisse eines Gesandten bey dem Bundestage keine Anwendung findet, daß vielmehr die bürgerlichen Verhältnisse mit den gesandtschaftlichen, in diesem Falle, in jedem Betrachte vollkommen vereinbarlich sind. Was die Gegenwart belangt, so ist die Denkungsart des Herrn Gesandten, Freyherrn von Leonhardi9, zu bekannt, als daß hierüber einige Contestationen 9 Jacob Friedrich (seit 1794) Freiherr von Leonhardi (1778–1839), aus wohlhabender Kaufmannsfamilie stammender Frankfurter Bürger und Diplomat, ab 1796 Studium der Rechte in Marburg, 1799 Promotion in Gießen, 1805 kurhessischer Geheimer Legationsrat und außer-­ ordentlicher Gesandter in Stuttgart und Karlsruhe, zugleich 1805 hessen-darmstädtischer Gesandter in Karlsruhe, 1812 hessen-darmstädti­scher Geheimer Rat, 1813−1815 hessen-darmstädtischer Korrespondent bei der Stadt Frankfurt am Main, 1816–1839 Bundestagsgesandter der

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zu befürchten seyn sollten, während man von Seiten der Stadt für dessen gesandtschaftlichen Charakter immer die gebührende Aufmerksamkeit haben wird. Was die Zukunft betrifft, so läßt sich nicht in Abrede stellen, daß Beyspiele, die während der vorhinigen Reichsverfassung anderwärts bemerkbar waren, den von Einer Hohen Bundesversammlung geäußerten Grundsatz in der Regel vollkommen rechtfertigen; allein verdienten Männern, welche im hiesigen bürgerlichen Nexus stehen, ohne Ausnahme die leidige Perspective zu eröffnen, entweder diesen Nexus, der meist von ihren Voreltern auf sie vererbt worden ist, und in dem sie glücklich lebten, für sich und die Ihrigen aufzugeben, oder auf die Ehre zu verzichten, an der Behandlung der großen deutschen Nationalangelegenheiten, neben Staats- und Geschäftsmännern von der Würde und Einsicht, unmittelbar Theil zu nehmen; das kann doch auch, wie der Senat hofft, die Meynung dieser erhabenen Versammlung nicht seyn. Bey Bürgern und Schutzverwandten10 der untern Klasse, welche von einem Herrn Gesandten in Dienst möchten genommen werden, treten noch andere Umstände ein, welche besondere Berücksichtigung verdienen. Diese Leute sind gewöhnlich verheyrathet, oder verehelichen sich doch bald, und treiben dann zugleich bürgerliches Gewerbe. Hiermit stehen solche Exemtionen im Widerspruche; sie selbst würden in mehr denn einem Betrachte, gar nicht dabey bestehen können. Was soll aus einem Manne werden, der vielleicht schon nach einigen Monaten den Dienst wieder verläßt, tritt er dann ohne Weiters in den vorigen Nexus zurück, und kann es auf diese Weise der Willkühr eines Individuums überlassen seyn, bald den Nexus anzuerkennen, bald denselben abzuwenden? Wie würden hiesige öffentliche Anordnungen erhalten werden können, wenn sich ein Schutzverwandter, vielleicht gerade in dem Momente, durch einen solchen Dienstantritt denselben entziehen könnte? Welche Verwirrung würde in der Erhebung der öffentlichen Abgaben entstehen, und wie wäre es möglich, auch bey der genauesten Aufsicht, die größten Unterschleife und Mißbräuche zu verhüten? Endlich, mit welchem Scheine von Recht und Billigkeit könnten solche Individuen für sich und die Ihrigen auf hiesige öffentliche Anstalten Anspruch machen, welche bestimmte Eigenschaften, nach den Fundationsgesetzen, voraussetzen?

16. Kurie. Vgl. DBA  I, 755, 170–180; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 218, 224 f., 253, 255, 377, 419; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 191, 193, 208, 225 f., 346, 400, 470; Klötzer (Hrsg.), Frankfurter Biographie, Bd. 1, S. 452; Schreib- und Geschäfts-Kalender für die Deutsche Bundes-Canzlei 38, 1864, S. 158 f. 10 Bis ins 19. Jahrhundert, teilweise sogar bis nach 1918, Einwohner einer Gemeinde oder Stadt, die keine Vollbürger waren, sondern nur ein geringeres Bürgerrrecht (Beisassen-, Hintersassen- oder kleines Bürgerrecht) besaßen. Schutzverwandte waren vor allem diejenigen Einwohner, die über keinen Grundbesitz verfügten. Vgl. Haberkern/Wallach, Hilfswörterbuch für Historiker, S. 561.

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Die Herren Gesandten würden durch solche Exemtionen der Dienstleistung braver hiesiger Bürger und Schutzverwandter beraubt werden, während es ihnen gewiß auch unangenehm seyn würde, wenn man jenen den Eintritt in einen solchen Dienst bey Verlust des Bürgerrechts und der Schutzverwandtschaft untersagen, oder die Folgen, wie doch nicht wohl würde umgangen werden können, bekannt machen wollte. Es haben von jeher Minister und Gesandten von großen und kleinen Höfen, selbst zu Zeiten regierende Herren hier gewohnt; man hat immer die Mäßigung beobachtet, welche die Gesetze der Achtung und Höflichkeit gebieten, und so sind, bey billiger Erwiederung eines freundschaftlichen Benehmens, Collisionen vermieden, oder doch sehr geschwind gehoben worden. Viele gedachten noch in spätern Jahren ihres hiesigen Aufenthalts auf eine schmeichelhafte Weise: warum sollte sich gerade jetzt Stoff zu Zweifeln dabieten, bey einer Versammlung des Bundes, von welchem die Stadt ein Mitglied zu seyn das Glück hat? So viel die Num. VI. des Aufsatzes gedachte Ertheilung der Pässe von Seiten der Herren Bundestagsgesandten an Unterthanen ihrer Souveraine betrifft, so muß sich der Senat die Freyheit nehmen, nur dieses geziemend zu bemerken: bekanntlich ist jetzo fast in allen deutschen Staaten die Ertheilung und Visirung der Pässe, wenn die Reisenden nicht aufgehalten werden wollen, mit einer vorhin nicht gekannten Umständlichkeit oder Formalität verknüpft, die eigene Büreaus erfordert, und vielleicht, als eine allgemeine Angelegenheit, zur Beförderung der Communication in den Staaten des Bundes eine Reform verdient. Hier hat man bis jetzt auf vorgängige Legitimation Pässe ertheilt oder visirt, und den Reisenden überlassen, solche auch noch von dem hier anwesenden Gesandten des Staats, in welchen oder durch welchen sie reisen wollen, visiren zu lassen; und so konnte auch, wenn von fremden Polizeybehörden Nachfrage nach Individuen geschah, Auskunft ertheilet werden. Ob nun nicht gegen blos gesandtschaftliche Pässe hin und wieder aus Unbekanntschaft Schwierigkeiten werden erhoben werden, ob die mit den Pässen jetzt beobachtet werdende Manipulation hiermit bestehen kann, und ob nicht daher die Herren Gesandten das bloße Visiren in soferne dieses bey dem Eintritt in einen Staat nach dessen Polizeygesetzen erforderlich ist, vorziehen wollen; dies muß der Senat anheim stellen. Der Senat wird (ad Nro. VII.) mit Vergnügen dafür Sorge tragen, daß in den Kirchen anständige Plätze zum Gebrauche der Herren Bundestagsgesandten und ihres Gefolges angewiesen werden, auch (ad Nro. VIII.) den Wünschen einer hohen Bundesversammlung bey weitern Anträgen und Eröffnungen, so viel es nur immer die Umstände und Verhältnisse gestatten, mit der größten Bereitwilligkeit entgegen gehen.

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39. Marschall über die Ausübung des Stimmrechts in der Bundesversammlung

GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 118, XVIII, Nr. 1, fol. 22−23’. Zurückgezogenes Votum. Abschrift.1

Vorschlag, es den Höfen freizustellen, ob sie ihr Stimmrecht in der Bundesversammlung durch einen oder mehrere Gesandte ausüben lassen wollen. Bei geteiltem Stimmrecht (Kuriatstimmen) soll den nicht stimmführenden Bundestagsgesandten ein Recht auf Anwesenheit und Mitberatung in der Bundesversammlung eingeräumt werden, nicht jedoch auf eine Teilnahme an der Abstimmung und Beschlußfassung.

Frankfurt am Main, 29. Oktober 1816 Durch den 4ten Artikel der Bundesacte2 werden die Mitglieder der Bundesversammlung zwar bestimmt und die Stimmen vertheilt; über die Art der Ausübung des Stimmrechts, das den einzelnen Staaten eingeräumt wird, finden sich aber weder in diesem Artikel der Bundesacte, noch in den Uebrigen nähere Bestimmungen. Nur soviel geht noch insbesondere aus der Fassung des nachfolgenden 5ten Art.3 hervor, daß die Bundesacte weit davon entfernt, irgend ein Bundesglied von der Gegenwart in der Bundesversammlung wegen getheilten Stimmenrecht[s] auszuschließen, ausdrücklich und buchstäblich diese unterstellt, indem dieser Art. jedem Bundesgliede die Befugniß einräumt, bei der Bundesversammlung Vorschläge zu machen und in Vortrag zu bringen. Hieraus folgt, daß es jedem einzelnen Staate frei stehen muß, das ihm zustehende Stimmrecht auszuüben, wie er es seinem eigenen u. des Bundes Interesse für am angemessensten hält. Nur der Zweck des Bundes könnte dieses Recht sämtlicher Bundesglieder beschränken. Es muß daher jedem einzelnen Bundes-Staat unbenommen bleiben, ob er in der Bundesversammlung die Ablage seiner Stimme, und die Wahrnehmung seines u. des Bundes Interesse einem oder mehreren Gesandten anvertrauen, durch einen oder mehrere Gesandte sich vertreten lassen will. Daß einzelne Staaten durch zwei Gesandte ihre Stimme ablegen zu lassen, sich leicht u. zuweilen veranlaßt sehen können, beweißt neben andern, um das uns zunächst liegende Beispiel zu wählen, auch die Geschichte der Versammlung, welche die deutsche Bundesacte abfaßte. Zwei Oestereichische, zwei Preußische, zwei Dänische, zwei Hanöverische, zwei Kurhessische Gesandte führten damals die Stimme dieser Höfe. Kann einem einzelnen Staate die Befug1 Die Vorlage trägt oben den Vermerk von anderer Hand: „votum H. v. Marschall in der 6ten praeliminar Sitzung abgegeben, aber wieder zurükgenommen.“ 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1509. 3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1509.

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niß nicht abgesprochen werden, in der Versammlung seine Rechte durch zwey Gesandte ausüben zu lassen; so wird diese Befugniß (besonders wenn man noch das im 5ten Art. jedem Bundesgliede in der Bundesversammlung ausdrücklich eingeräumte Recht des Vortrags in Erwähnung zieht) noch weniger bei denjenigen zweifelhaft erscheinen, welchen der Artikel vier der Bundes-Acte getheilten Stimmen zuweißt, besonders wenn das Interesse dieser Staaten nicht schon durch ein gemeinschaftliches Haus oder FamilienBand enger vereinigt wird. Bereits, als die Bundesacte abgefaßt wurde, fühlte man, wie schwierig es einzelnen, zu einer Stimme vereinigten Staaten, besonders wenn sie sonst durch kein Band verbunden sind, werden würde, eine gemeinschaftliche Stimme auszuüben, deswegen wurde bekanntlich von dem Kaiser. Oest. und König. Preuß. Hofe darauf angetragen, die Zahl der Stimmen in der Bundesversammlung statt auf 17 auf 19 zu setzen, und den Häusern Braunschweig und Nassau eigene Stimmen zu bewilligen4, ein Vorschlag, der zwar von der Mehrheit der Gesandten deutscher Staaten nicht angenommen wurde, welcher jedoch beweißt, daß man weit davon entfernt war, die Staaten, die sich wie z. B. Braunschweig u. Nassau in diesem Fall befinden, auch noch in der Art der Wahrung ihres Interesse in der Bundesversammlung beschränken zu wollen. Man setzte vielmehr der Natur der Sache gemäß voraus, daß von Seiten des Bundes ihnen die Ausübung des gemeinschaft. Stimmrechts so wenig als möglich erschwert, oder mit für Sie weniger angenehmen Formen umgeben werden sollte; dieses würde aber geschehen, wenn man den Gesandten solcher Staaten, wenn sie sich über einen gewissen Turnus in der StimmenAblage vereinigt haben, die Befugniß abzusprechen, versuchte, durch ihren eigenen Gesandten in der Bundesversammlung zu jeder Zeit zu erscheinen. Denn dadurch würde nicht nur einem solchen Staat die Gelegenheit abgeschnitten, die ihm der 5te Artikel einräumt, Vorschläge zu machen u. in Vortrag zu bringen, auch die Gleichheit der Rechte aller Bundesstaaten als solche, nach Art. 2 aufgehoben, sondern auch ein solcher Staat verhindert, durch Mit­theilung seiner Ansichten über einen zur gemeinsamen Beschlußnahme ausgesetzten Gegenstand, darum, weil der Turnus der Stimmablage nicht an ihn ist, der Versammlung seine Ansichten mitzutheilen, mithin zwar nicht durch Ablegung eines ihm nicht zustehende[n] voti, wohl aber durch Mittheilung der Gründe seiner von dem mit ihm verbundenen Hof abweichenden oder auch übereinstimmenden Meinung auf die Beschlußfaßung zu würken. Wie wichtig eine solche Befugniß jedem Staat, der sich in dieser Lage ­befindet seyn muß, bedarf keiner weitern Ausführung. In dem zwischen Braunschweig u. Nassau über die gemeinschaft. Stimmführung abgefaßten 4 Vgl. QGDB I/1, Dok. 236, S. 1372 f.

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Receße5 ist daher auch für den Fall eines Dissenses in der Meinung beider Höfe es ausdrücklich gewahrt worden, daß es, der Vollgültigkeit der abzulegenden Stimme unbeschadet, den dissentirenden frei bleiben müsse, die Gründe für seine Meinung ebenfalls in der Bundesversammlung anzuführen; und daß dieses durch ein fremdes Organ nothwendig geschehen sollte, dazu liegen keine Gründe vor. Da sich aus allem dieses ergiebt, daß die Bundesacte selbst den betheiligten Höfen die Befugniß nicht beschränkt durch einen oder mehrere Gesandte in der Versammlung zu erscheinen u. bei den Innhabern getheilter Stimmen zwar das Recht ihrer Stimmführung, nicht aber ihrer Einwürkung auf die Beschluß­nahme durch Mittheilung ihrer Ansichten über die Gegenstände der Verhandlungen normirt; so könnte nur dadurch eine Einschränkung dieses Rechts motivirt werden, wenn die Ausübung desselben mit dem Zweck des Bundes in Widerspruch stünde. Ein solcher Widerspruch ist aber nicht nur nicht vorhanden, sondern es läßt sich leicht zeigen, daß der Zweck des Bundes durch die Ausübung dieses Rechts gerade befördert wird. Zweck der Bundesversammlung in dem ihr durch die Bundesacte bezeichneten Wirkungskreise ist Beförderung des gemeinsamen Wohl[s] aller verbündeten Staaten u. jedes einzeln verbündeten Staats insbesondere durch den Bund. Diesen wichtigen Zweck wird die Bundesversammlung in ihren verfassungsmässigen Attributen nur dann in der möglich größten Vollkommenheit zu erreichen im Stande seyn, wenn sie alle ihr zu Gebot stehende Mittel benützt die vollständigste Kenntniß von den Gegenständen ihrer Berathung und der Rückwürkung ihrer Beschlüße auf die einzelnen verbündeten Staaten zu erlangen. Je vielseitiger, je umfassender, je vollständiger ihre Berathungen sind, je mehr die Gegenstände von allen Seiten beleuchtet werden, um so mehr wird sie den gespannten Erwartungen der deutschen Staaten entsprechen. Die Bundesversammlung darf also nicht regulative über den innern Geschäftsgang in der Versammlung beschließen, welche die Vielseitigkeit der Discussionen bringen und es einzelnen deutschen Staaten oder Bundesgliedern unmöglich machen, durch eigene Organe, wenn sie es für nötig finden, an den Verhandlungen der Versammlung Theil zu nehmen, u. dadurch auch dann, wenn ihnen das Recht der Abstimmung nicht zusteht, auf die Beschlüsse der Versammlung zu würken. Ein solches Regulatif wäre aber der Ausschluß der momentan nicht stimmführenden Bundes Tags Gesandten einzelner Staaten von den Arbeiten der Versammlung. Indem die Versammlung dadurch den Betheiligten ein ihnen zustehendes Recht zu entziehen versuchte, u. den Umfang ihrer Verhandlungen, sowie das 5 Vgl. Dok. 59.

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Zutrauen, daß jeder einzelne deutsche Staat, u. das ganze deutsche Publicum in dieselben setzen muß, beschränkte, gienge daraus kein anderer Vortheil für die Versammlung hervor, als etwa eine Verkürzung ihrer Sitzungs-Stunden, ein Vortheil, der, wenn man ihm anders diesen Namen geben darf, gewiß bei den Opfern, die er von den einzelnen Staaten voraussetzte, nicht in Anschlag gebracht werden könnte. Nach Allem diesem würde es überflüßig seyn noch anzuführen, daß durch die Theilnahme der nicht stimmführenden an den Arbeiten der Versammlung, der Geschäftsgang der Bundesversammlung darum an Leichtigkeit u. Schnelligkeit gewinnen wird, weil die Rücksprachen, die der Ablage der einfach getheilten Stimmen nach einzelnen darüber bestehenden Recessen zwischen den Gesandten der theilnehmenden Höfe vorausgehen müssen, während der Discussionen wenn beide Gesandte gegenwärtig sind, von sich selbst vor sich geht, wodurch ein, sonst unvermeidlicher Auffenthalt in der Stimmablage, in allen den Fällen, wo während der Discussionen sich die Ansichten ändern, befestigt wird. Mein Antrag geht daher dahin, daß die Versammlung in Ueber­ einstimmung mit den durch die Bundesacte selbst in dieser Hinsicht nicht ­beschränkten Befugnißen der einzelnen Bundesstaaten ausspreche: Daß es den Höfen unbenommen bleibt, ihr Stimmrecht in der Bundesversammlung durch einen oder mehrere Gesandte auszuüben, daß bei getheiltem Stimmrecht die Bundestags Gesandten der betreffenden Höfe auch, wenn die Stimmablage, nach besondern Verabredungen zwischen ihnen, nicht an ihnen ist, gegenwärtig seyn, u. an den Berathungen Theil­nehmen können, unter der aus dem Art. 4 der Bundesacte fließenden Beschränkung, daß sie der Theilnahme an der Abstimmung sich zu enthalten haben, wenn durch das Präsidium zur Abstimmung u. Ziehung des Conclusi geschritten wird. [Marschall]

40. Humboldt über die Erklärung des Senats der Stadt Frankfurt

ProtDBV 1816, Beilagen zu den Registraturen über die vertraulichen Besprechungen der Herren Bundestags-Gesandten, Nr. 5, S. 9–11. Gutachtliche Bemerkungen. Druckfassung.

Stellungnahme zur Erklärung des Senats der Stadt Frankfurt: Ad 5) Die Bundestagsgesandten befinden sich in einer anderen Lage als die Gesandten an einem Hof. Genießt der Bundestagsgesandte nicht die nötige Immunität, ist davon die ganze Versammlung als Korpus betroffen. Alle Mitglieder des Bundestags müssen in jeder Hinsicht gleiche Rechte genießen, und jeder Bundestagsgesandte darf nur von seiner Regierung abhängig sein. Jeder Bundestagsgesandte, der mit der Stadt Frankfurt in

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einer bürgerlichen Verbindung stehe, müsse also durch seine Akkreditierung ent­weder völlige Exterritorialität genießen oder aber seine bürgerliche Verbindung aufgeben. Frankfurter Bürger seien dadurch nicht vom Amt des Bundestagsgesandten ausgeschlossen, müßten sich aber zwischen inkompatiblen Vorzügen entscheiden. Ad 6) Die einfache Regel ist, daß der Bundestagsgesandte nur an Untertanen seiner Regierung Pässe selbst erteile, während er bei Fremden, die in die eigenen Staaten reisen, deren Pässe nur visiere. Spricht die Empfehlung aus, der Präsidialgesandte möge im Auftrag der Bundesversammlung dem Senat der Stadt Frankfurt zu erkennen geben, daß man sich freue, daß er mit den aufgestellten Grundsätzen einverstanden sei, und man sich vorbehalte, über die Anwendung einzelner Punkte, namentlich in Paßan­ gelegenheiten, mit der ernannten Senatskommission besondere Feststellungen zu ­treffen.

Frankfurt am Main, [30. Oktober 18161] Wenn man, wie billigerweise geschehen muß, voraussetzt, daß die Worte: „Daß der Senat mit dem Inhalte der Abschnitte 1., 2., 3. der ihm mitge­ theilten Erklärung im Wesentlichen einverstanden sey;“2 keinen Vorbehalt oder Einwand in einzelnen Nebenpunkten ausdrücken sollen, so hat der Senat nur über den Abschnitt 5. und 6. einige Vorstellung gemacht. Bey dem 5. Abschnitt ist es um so nothwendiger, die wahre Lage der Sache klar auseinander zu setzen, als gewiß jedem Mitgliede der Bundesversammlung daran gelegen ist, daß die Stadt Frankfurt sich überzeuge, daß das in diesem Abschnitt Gesagte, nur eine Folge unverkennbarer und nicht aufzugebender Grundsätze, und wesentlich in das Geschäft des Bundestages eingehender Betrachtung ist. Die Bundesgesandten befinden sich durchaus in einem andern Falle, als die Gesandten an einem Hofe. Bey diesen hat die Frage der Exterritorialität nur für die Regierung Interesse, welche sie absendet, und wenn daher zum Beyspiel ein Hof einen Oesterreichischen Unterthan in Wien zu seinem Gesandten macht, so treffen die Folgen, wenn dieser Gesandte nicht der nöthigen Immunität genießt, nur ihn und er setzt sich freiwillig denselben aus. Bey ­einem Bundesgesandten ist die ganze Versammlung als Korpus, nicht blos ­wegen ihrer Würde, sondern auch noch wegen anderer möglicher Nachtheile interessirt, daß unter ihren Mitgliedern, die in allen Stücken gleicher Rechte genießen sollen, nicht in Absicht der Immunität eine Ungleichheit eintrete, sondern jeder von niemanden, als seiner Regierung, der Preußische von der Preußischen, der Baierische von der Baierischen, der Stadt Frankfurtische 1 Verlesen in der 6. Präliminarkonferenz vom 30. Oktober 1816; vgl. ProtDBV 1816, Registratur über die sechste Besprechung der Herren Bundestags-Gesandten, S. 11. 2 Vgl. Dok. 38b, S. 156.

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von dem Senat der Stadt abhängig sey. Von diesem Grundsatz der völligen allein auf die gerechteste und liberalste Weise auszulegenden Exterritorialität (welche aber gar nicht Freyheit von Abgaben auf Grundstücke und bürger­ liche Nahrung in sich begreift) hätte die Versammlung nicht einmal ein Recht abzugehen, und kein einzelner Hof kann für sich und seinen Gesandten darauf Verzicht leisten; weil nicht er allein, sondern die ganze Versammlung ­dabey betroffen ist. Um aber diesem Grundsatze getreu zu bleiben, hatte die Bundesversammlung nur eine zweyfache Wahl, entweder festzusetzen, daß jeder mit der Stadt in nexu civico stehende Gesandte unmittelbar durch seine Akkreditirung der völligen Exterritorialität theilhaftig sey; oder zu bestimmen, daß die Fortdauer des nexus civici mit der Eigenschaft eines Bundesgesandten unverträglich sey. Das erste hat die Bundesversammlung aus billigen Rücksichten gegen den Senat und die Stadt für die Zukunft nicht thun wollen; es bleibt ihr also nur das letzte übrig. Die Nothwendigkeit dieser Bestimmung wird durch die jetzige Erklärung des Senats noch mehr in die Augen fallend. Denn es wird in derselben aus sehr triftigen Gründen auseinander gesetzt, daß eine eigentliche und wahre Exterritorialität sich mit den bürgerlichen Verhältnissen auf keine Weise verträgt, und selbst in Absicht auf Jurisdictions und polizeyliche Handlungen heißt es nur, daß der Senat, immer eine solche Mäßigung eintreten lassen werde, daß die Repräsentation damit bestehen könne. Diese nur sie allein angehende Beurtheilung kann aber die Bundesversammlung auf keine Weise dem Senat überlassen. So lange der nexus civicus3 nicht ganz aufgelößt ist, hat dieselbe schlechterdings keine hinreichende Bürgschaft, daß der in nexu civico stehende Bundesgesandte der gleichen Exterritorialität, als die übrigen Gesandten genieße; eine Gleichheit, von der nie abgegangen werden kann. Die Bemerkung des Senats, daß der Begriff der Exterritorialität auf Gesandten, welche Curiatstimmen führen, schwer anwendbar ist, ist vollkommen gegründet. Sie ist es aber nur gewiß immer dann, wenn ein mit Frankfurt in nexu civico stehender Gesandter eine Curiatstimme führt. Ausserdem aber dürfte schwerlich je ein Fall vorkommen, wo sich diese Bemerkung anwenden ließe; denn in der Regel wird gewiß derjenige, der eine Curiatstimme führt, ursprünglich in Diensten eines darin begriffenen ­Hofes seyn, und von den übrigen nur die Aufträge angenommen haben. Er ist daher in allen seinen persönlichen Verhältnissen natürlich als der besondere Gesandte jenes Hofes, dessen Stimme er dann auch in Pleno führen wird, anzusehen. Man braucht nur die gegenwärtige Besetzung der Curiatstimmen durchzusehen, um sich hievon zu überzeugen. So fließt nach dieser Auseinandersetzung die Bestimmung des 5. Abschnittes, meiner Meynung nach, schon nothwendig aus dem Begriff und dem Wesen der Bundesversammlung und 3 Lat.: bürgerrechtliche Verbindung (hier zur Stadt Frankfurt).

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ihrer Rechte her, und man braucht kaum noch die wichtige, schon in den letzten Sitzungen berührte Betrachtung anzuführen, daß es rathsam ist zu verhindern, daß der zufällige Umstand, daß die Bundesversammlung in dieser oder jener Stadt ihren Sitz haben muß, Anlaß gebe, daß dieselbe zu viele Mit­ glieder aus dieser Stadt erhalte, und dadurch der Vortheil verloren gehe, daß die individuellen, aus der Kenntniß ihrer eigenen Lage geschöpften Ansichten der verschiedenen Staaten Deutschlands sich hier wie in einem Punkt vereinigen; eine Betrachtung, welche der Stadt Frankfurt selbst, da sie das Allge­ meine angeht, ganz vorzüglich wichtig seyn muß. Es scheint mir auch eine durchaus irrige Ansicht, wenn man in dem 5. Abschnitt eine Ausschließung der Einwohner Frankfurts findet. Die Einwohner Frankfurts werden nicht ausgeschlossen, sondern es wird nur festgesetzt, daß sie zwischen dem nexu civico mit der Stadt und der Qualität eines Bundesgesandten wählen müssen, eine Wahl zwischen inkompatibeln Vorzügen, welche das bürgerliche Leben sehr oft mit sich bringt. Alle deutschen Länder befinden sich in gleichem ­Falle, denn ein Hannöverischer und Baierischer Unterthan z. B. kann nur durch Auswanderung, das ist: durch Auflösung wenigstens aller persönlichen bürgerlichen Bande, Bundesgesandter fremder Höfe werden. Wenn Frankfurt besonders genannt ist, so geschieht es also nur, weil durch den Umstand, daß Frankfurt der Sitz der Bundesversammlung ist, nur bey einem Frankfurter Bürger Collision zwischen seiner Bürger- und Gesandtenqualität entstehen kann. Es kann hierbey so wenig von einer Schmälerung der Ansprüche der Stadt Frankfurt die Rede seyn, daß sie vielmehr, wenn sie die Bestimmung des 5. Abschnittes bestritte, eine Ausnahme zu ihren Gunsten, mithin eine Prärogative verlangte. Denn sie forderte, daß die Bundesversammlung allein zu Gunsten ihrer Bürger, Gesandte mit entweder nicht völliger, oder nicht durch sich selbst gesicherter Exterritorialität annehmen sollte. Wenn ich hier die vorliegende Frage an sich und im Ganzen erörtert habe, so ist es indeß keineswegs nöthig, daß die Versammlung sich jetzt mit derselben weiter und noch weniger in Mittheilungen an die Stadt beschäftige; daß letzte würde um so weniger rathsam seyn, als die Erklärung des Senats über diesen Punkt Mehreres enthält, das schlechterdings nur für die Beurtheilung der Bundesversammlung, nicht eines Dritten gehört. Ob ein in nexu civico mit der Stadt stehender Bundesgesandter für einen andern Staat, als die Stadt, zugelassen werden könne, oder nicht? muß definitiv durch die künftige Bundestagsordnung entschieden werden. Vorläufig hat die Bundesversammlung mit sehr überwiegender Stimmenmehrheit sich für die Negative erklärt. In die Mittheilung an den Senat wurde dieser Punkt nur aufgenommen, weil es ­billig und gerecht war, dem Senat die beruhigende Versicherung zu geben, daß die Versammlung jeden Eingriff verhüten wolle, welchen die GesandtenQualität hätte in die bürgerlichen Bande und Verhältnisse hervorbringen

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k­ önnen. Uebrigens bedurfte dieser Punkt als ein innerer Beschluß der Versammlung keiner äußern Anerkennung. Ich glaube daher, daß er in der zu entwerfenden Antwort ganz wird mit Stillschweigen übergangen und nur im Protokolle kurz, warum dies geschehe? bemerkt werden müssen. Was in der Erklärung des Senats bey dieser Gelegenheit von Bürgern und Schutzverwandten der untern Klasse gesagt ist, gehört eigentlich nicht zum 5. Abschnitt, welcher ausdrücklich nur der Gesandten selbst erwähnt. Es bedarf auch in dieser Rücksicht keiner neuen Bestimmung. Die Gesandten werden von selbst nicht leicht Bürger in Dienste nehmen, oder wenn sie sich auch ihrer Dienste bedienen, so doch mehr als Fremde ansehen, und sie nicht in das dem Senat zu übergebende Verzeichniß bringen. Geschähe es aber, so wird bey entstehendem Collisionsfall das Interesse des betreffenden Individuums, nicht seiner bürgerlichen Rechte verlustig zu gehen, von selbst machen, daß dasselbe seine Entlassung fordere und erhalte. Die in der Erklärung des Senats über die Pässe enthaltene Aeußerung ist mir nicht recht klar gewesen. Daß Gesandte im allgemeinen blos Pässe visiren, und nicht selbst ausstellen, läßt sich, so weit meine Erfahrung reicht, durch gar keinen gesandtschaftlichen Gebrauch rechtfertigen. Die einfache Regel ist, daß ein Gesandter sich mit Pässen überhaupt nur für Unterthanen seiner Regierung und für die in die Staaten derselben gehenden Fremden beschäftige, gewöhnlich nur im ersten Falle selbst Pässe ertheile, im letztern dagegen visire. Noch weniger deutlich ist der Ausdruck: „gegen blos gesandtschaftliche Pässe“; da damit gewiß nicht hat gesagt werden sollen, daß es rechtmäßig gegebenen Pässen wirklich bestellter Gesandten an irgend einer Art der Vollgültigkeit mangeln könne. Das Recht, wie es der 6. Abschnitt feststellt, muß nothwendig bestehen bleiben, über die Modalitäten der Ausübung muß man sich aber mit der angeordneten Commission verstehen, und natürlich dabey auf die Polizey-Einrichtungen der Stadt, in Betreff der Fremden und ihrer Paß-Berichtigung die gleiche Rücksicht nehmen, als jeder bey einer Regierung akkreditirte Gesandte es zu thun verpflichtet ist. Hiernach würde ich nun dahin stimmen, daß der vorsitzende Herr Gesandte im4 Auftrag der Versammlung, dem Senat in allgemeinen verbindlichen Ausdrücken zu erkennen gäbe, daß man sich freue, aus seiner Erklärung zu sehen, daß er mit den angestellten Grundsätzen einverstanden sey, und sich vorbehalte, wo bey einzelnen Punkten die Anwendung dieser Grundsätze, wie namentlich bey den Pässen, noch besonderer Feststellungen bedürfte, dieselben mit der von dem Senat ernannten Commission auf das schleunigste vorzunehmen. 4 Emendiert. Vorlage: in.

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41. Buol an den Senat der Freien Stadt Frankfurt am Main

ProtDBV 1816, Beilagen zu den Registraturen über die vertraulichen Besprechungen der Herren Bundestags-Gesandten, Nr. 6, S. 11. Schreiben. Druckfassung.

Bringt seine Zufriedenheit mit der in der Erklärung des Frankfurter Senats vom 25. Oktober 1816 bezeugten Zustimmung zu den mitgeteilten Ansichten über das Verhältnis der Bundesversammlung zu der Freien Stadt Frankfurt zum Ausdruck. Über die Anwendung derselben in einzelnen Punkten werde man besondere Feststellungen mit der zuständigen Senatskommission treffen.

Frankfurt am Main, 30. Oktober 1816 Es kann dem unterfertigten präsidirenden Minister nur ausnehmend angenehm seyn, im Namen der sämmtlichen Bundesgesandten, wie es hiermit geschieht, einem Hochedlen Rath das aufrichtige Vergnügen derselben über das in der Erklärung vom 25. d.1 ausgedrückte Einverständniß mit den mitge­ theilten Ansichten2 ihrer Verhältnisse zu der freyen Stadt zu bezeugen. Sie freuen sich, im Wesentlichen durchaus keine andere aufgestellt zu haben, als welche den von Einem Hochedeln Rath selbst als Verfassungsgesetz aus­ gesprochenen genau entsprechen, und behalten sich demnach nur vor, über die Anwendung derselben bey einzelnen Punkten, als namentlich bey den Pässen, die erforderlich werden mögenden besonderen Feststellungen mit der von dem Senate so vorzüglich wohl gewählten Commission vorzunehmen. Der Unterzeichnete erneuert bey diesem Anlasse die Versicherung seiner ausgezeichneten Hochachtung. Graf v. Buol-Schauenstein

42. Rede des österreichischen Präsidialgesandten Buol bei Eröffnung der Deutschen Bundesversammlung

ProtDBV 1816, 1. Sitzung vom 5. November 1816, § 4, S. 5–9. Rede. Druckfassung. Weiterer Druck: Frankfurter Ober Postamts Zeitung Nr. 315 vom 11. November 1816 und Nr. 316 vom 12. November 1816; ProtDBV(Q), Bd. 1, 1817, S. 12−19; CJCG, Bd. 2, S. 20−24.

Hoher Stand von Bildung, Kunst und Wissenschaft in Deutschland. Die Völker sind das Werk der Zeit; kein Volk kann die Form seines öffentlichen Lebens nach bloßen Abstraktionen schaffen, sondern dieses ist das Resultat verschiedenartigster Einwirkungen (Nationalcharakter, geographische Lage, Sitten, Religion, Beschäftigungsstruktur etc.). Es ist ein Grundzug der deutschen Geschichte, daß Deutschland schon 1 Vgl. Dok. 38b. 2 Vgl. Dok. 37b.

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Rede des österreichischen Präsidialgesandten Buol

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seit frühester Zeit in mehrere Staaten zerlegt, aber vereint war im großen Band der Nationalität, deren sichtbares Symbol die deutsche Kaiserkrone war. Nach dem Unter­gang des Deutschen Reichs 1806 existierten nur noch getrennte Staaten ohne irgendein Nationalband. Seit Gründung des Deutschen Bundes erscheint Deutschland wieder als ein Ganzes, als eine politische Einheit und Macht in der Reihe der Völker. Deutschland war im Laufe der Zeit weder berufen, die Form einer Einherrschaft oder eines wahren Bundesstaats zu gewähren noch ein bloßes Schutz- und Trutzbündnis zu schließen, sondern es ist jetzt dazu bestimmt, einen zugleich die Nationalität sichernden Staatenbund zu bilden. Aufgabe der Bundesversammlung wird sein, die einzelnen Volksstämme und die freie Wirksamkeit der Regierungen zu achten und zugleich das alle umfassende Nationalband zu entwickeln. Die zu schaffende Ordnung soll wohltätig für den Einzelnen wie auch ehrenvoll für die Nation im Staatenverein von Europa sein. Zwei Hauptverirrungen seit der Französischen Revolution gelte es aber zu ­vermeiden: demokratische Auswüchse in Ansehung der Staatsverfassungen und Verhöhnung des Systems des politischen Gleichgewichts freier Völker. Österreich leitet aus dem Vorsitz in der Bundesversammlung kein politisches Vorrecht oder eigenmächtige Erweiterung seines Einflusses ab, sondern übernimmt lediglich die vertraute Geschäftsleitung. Betont die Deutschheit seiner Gesinnungen und die Absicht, zum Besten des gemeinsamen Vaterlands wirken zu wollen. Gegenseitiges Vertrauen, Offenheit und wahrhaft deutscher Sinn werden zu den schönsten Erfolgen führen.

Frankfurt am Main, 5. November 1816 Der 1. August 1806 bezeichnet das Ende des ersten der Reiche Europens.1 Der Rheinbund trat in die Stelle eines deutschen Kaiserreichs; und ließen sich Nationen so wie Staaten erlöschen, auch dieses wäre der Deutschen Verhängniß gewesen. Deutschland zerfiel in mehrere freye Staaten, und bildete einen Bund, tributär dem Lande2, gegen das es seit Jahrhunderten im Kampf war, und mit dem es erst versöhnt ist, seitdem beyde Völker sich gegenseitige Achtung ihres Heldenmuths auf fester Bahn des öffentlichen Rechts und der nationellen Würde zollen. Die Geschichte der Menschheit, oder richtiger, die Geschichte des einzelnen Menschen unter allen Zonen lehrt uns, auch ohne allen Aufwand von Gelehrsamkeit im einfachen Blicke, der Menschen hohe Bestimmung, und durch sie der Staaten und der Völker hohes Ziel. Beyde richtig aufgefaßt, und ohne Künsteley nach ihren Aeußerungen unter den mannigfaltigsten Formen beobachtet, so wie es dem individuellen Charakter des einzelnen Menschen und des Menschen im Verein als Staat und als Volk entspricht; dieses führt uns am 1 Am 1. August 1806 erklärten die 16 Rheinbundstaaten vor dem Reichstag zu Regensburg den Austritt ihrer Monarchen aus dem Reichsverband. Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 69. 2 Frankreich.

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Abb. 1: Johann Rudolf Graf von Buol-Schauenstein (1763–1834)

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sichersten auf den Punkt der Geschichte, wo der Staaten und Völker größter Gipfel ist, wo aber auch derselben Bahn zum Sinken sich neiget. Im Deutschen als Menschen, auch ohne alle willkührliche Staatsformen, liegt schon das Gepräge und der Grundcharakter desselben als Volk; aber auch umgekehrt, die Eigenthümlichkeit der öffentlichen bürgerlichen Verhältnisse, worin sich der Deutsche befindet, ist sichtbar im Wesen und Privatleben der Einzelnen. So will es die Natur, die große Erzieherin der Menschen, der Staaten und Völker. Bey dieser Wechselwirkung ist die Form des öffent­ lichen Lebens und bürgerlichen Vereins die beste, die dauerhafteste, und verbürget also der Gesammtheit wie dem Einzelnen die sicherste Annäherung zum höchsten Ziel auf der Bahn des Menschen- und Völkerlebens, welche nur den Ausdruck des individuellen enthält. Kurz, das Nationalbedürfniß sey die Schöpferin und der Leitstern bey allen nationellen Formen; und alsdann geht man verbürgt zum wahren, zum höchsten Ziel. Im Deutschen als Menschen liegt Liebe zu den Wissenschaften, zu den abstrakten, zu den streng gelehrten, so wie zu denjenigen Erfahrungs- und positiven Wissenschaften, deren praktische Anwendung unmittelbar sich im Verkehr der Menschen zeigt. Er liebt die Künste, er ist erfinderisch, gewerbsam, auch Handelsgeist führt ihn selbst in die entferntesten Gegenden der Erde. Wollte ich hier gegen meinen Zweck eine Gelehrten- oder Kunst- eine Erfindungs-Gewerbs- oder Handelsgeschichte liefern; wo ist der Zweig derselben, wo ich nicht zum großen, unsterblichen Ruhm, Deutsche zu nennen hätte? Es sey einem andern vorbehalten, diesen reinen Tribut der Wissenschaft, der Kunst, der Gewerbe und des Handels, den Deutschen zu zollen! Auch macht nicht einmal die Zahl der einzelnen ausgezeichneten großen Männer in den verschiedenen Fächern der Wissenschaft und Kunst, den Gipfel der litterarischen und Kunsthöhe der Nationen aus; nein, den einzig richtigen Höhemesser gewährt uns in dieser Hinsicht die allgemeinere Verbreitung von Kenntnissen im Gesammtkreise der Nation. Fern sey von mir, irgend einer Nation auch in dieser Beziehung zu nahe treten zu wollen; aber eben so soll auch nicht falsche Bescheidenheit mich hindern, meine Ueberzeugung mit hohem Gefühle zu bekennen: daß Deutschland auch von dieser Seite sich wenigstens gleichzeitig mit andern Nationen in die erste Reihe der litterarischen, der Kunst- und praktischen Lebensbildung stellen kann. Der forschende Beobachter in den verschiedensten Gebieten unsers deutschen Vaterlands wird selbst nach einem Zahlenverhältnisse kein ungünstiges Gleichgewicht in der Gesammtheit finden. Wem sind unsere Universitäten nicht ein stolzes Denkmal deutscher Entwicklung? selbst Ausländer, nicht immer gerecht gegen uns mit der Wagschale des Verdienstes, räumen der Form dieser unserer wissenschaftlichen Institute, schon wegen ihrer – die Wissenschaft, alle einzelne Haupt- und Hülfszweige als ein Ganzes – berücksichtigenden Umfassung

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e­ inen großen Vorzug ein. Wem sind unbekannt die vielen in den einzelnen deutschen Gebieten bestehenden Akademieen der Künste, und Institute der Gewerbe als eben so viele Pflanzschulen der Kunstpflege und der Künsteverbreitung in Deutschland? Wer kennt nicht die vielen Sammlungen, Gallerien und Museen in den einzelnen Gebieten, welche in Eins vereint, das erste Nationalmuseum der Welt bilden würden? Wer sollte alsdann jetzt noch Bedenken finden, den Deutschen den Tribut hoher Achtung im Gebiete der Cultur in der ersten Reihe der Nationen zu zollen! Nur ungern entsage ich der erhebenden Arbeit, dieses nur skizzirte Gemälde in größeren Zügen darzustellen. Mein Zweck ist erreicht; ich wollte den Deutschen ohne Beziehung auf seine bürgerliche Formen betrachten. Nur des einzigen, des höchsten sey noch erwähnt, daß nicht bloßes Wissen denselben auszeichnet; nein, mit Ehrfurcht sey es gesagt: hoher religiöser Sinn liegt auch zugleich im Grundcharakter des Deutschen. Wende ich mich nun aber zu den bürgerlichen Formen; so erkenne ich hierin die sichtbarste Wechselwirkung mit obigem Gemälde. Es würde mich zu weit führen, wenn ich auch dieses in allen einzelnen Beziehungen so entwickeln wollte, wie es sich dem denkenden Beobachter zeigt. Im Resultate sey es daher mit Wahrheit ausgesprochen: würden die Deutschen im Reiche der Wissenschaft, der Kunst, der Erfindungen, der Gewerbe und des Handels, würden sie im Besitze des ersten Nationalmuseums der Welt seyn, wie sie es jetzt sind, wenn nur Eine Hauptstadt wäre, nur Ein Fürst über diese Bevölkerung von mehr als 30 Millionen Menschen regierte? Ist nicht jenes eben so Folge von diesem? Die größere Regsamkeit und Mannichfaltigkeit im Privatleben, ist sie nicht eben so Folge der verschiedenen freyen politischen Formen, so wie hingegen auch diese ihre große Stütze in jenem freyern Charakter der Deutschen finden? Führte nicht jene Liebe zu Wissenschaft und Kunst auch zu der Eigenthümlichkeit desselben, daß er im Reiche des Wissens keine Nationalität erkennt? Der Deutsche achtet und ehrt, er strebt nach dem, und eignet sich an, was er für gut und wissenswerth hält, es komme aus welcher Zone, von welchem Volke es wolle. Er ist gerecht gegen jedes Verdienst; und so wie auch diese Eigenschaft desselben in den verschiedenen bürgerlichen Formen ihre Stütze findet, so führt auch selbige zu jener Eigenheit, daß in dieser Hinsicht die Bescheidenheit sich oft in ihrer größten Ausartung, der Selbstverläugnung zeigt. Bey dieser sichtbaren Wechselwirkung zwischen dem Charakter und der Bildungsstufe des Deutschen und Deutschlands bürgerlichen Formen, sey es weit von mir, das Lob der letztern in sofern anstimmen zu wollen, als es fast zur Erlöschung aller Nationalität führte. Nein, dieses ist gerade der schlüpfrige Gipfel der Höhe, wo ein schmaler Pfad zur sinkenden Bahn und Auflösung des deutschen Volksthums führt. Dem von mir noch zu versuchenden Ge­

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mälde unserer neuesten gegenwärtigen politischen Form sey es demnächst vorbehalten, auch darüber meine beurtheilende Ansicht, als Minister eines großen deutschen Hofes, in dieser Versammlung deutscher Männer mit Freymüthigkeit vorzulegen. Für jetzt aber fahre ich fort den Weg zu verfolgen, wohin mich der berührte neigende Gipfel geschwächter Nationalität führt. Die Völker sind in ihren menschlichen, so wie in ihren bürgerlichen Verhältnissen das Werk der Zeit; kein Volk, ja ich wage es mit allgemeiner Bestimmtheit zu sagen, kein Volk vermag sich die Form seines öffentlichen Lebens nach bloßen Abstractionen zu schaffen, sondern auch selbst unwillkürlich wird diese, wenn sie nicht unnatürlich und daher nur ein Schattenbild des Augenblicks seyn soll, das Resultat der verschiedenartigsten Einwirkungen seyn; Nationalcharakter, geographische Lage, sonstige örtliche Verhältnisse, Sitten, Religion, vorzügliche Beschäftigung des Volks, und meistens auch äußere zufällig scheinende Ereignisse schaffen die Formen der Staaten und die nationellen Verhältnisse der Völker. So waren die Deutschen ein Urstamm in der Reihe der Nationen, der aber nur kurze Zeit einen einigen wahren Staat bildete; die älteste Urabtheilung in mehrere Volksstämme auf Germaniens Gesammtboden führte schon im ersten Keime zum spätern Bilde. Ich berühre kaum die einzelnen Stufen der Ausbildung, so wie solche sich im Alterthume des deutschen Mittelalters verlieren; die 3Einwirkung des3 sogenannten traurigen Zwischenreichs des 13ten Jahrhunderts4, dem – wir nennen wohl alle den Namen mit hoher Ehrfurcht – Rudolph von Habsburg5 zum ewigen Dank und Heil des deutschen Vaterlandes ein Ende machte; ich erwähne nur der Kriege auf unhei­ 3−3 Emendiert. Vorlage: Einwirkungdes. 4 Gemeint ist die Zeit des sogenannten Interregnums (lat.: Zwischenherrschaft) zwischen dem Erlöschen der staufischen Dynastie und der Wahl Rudolfs I. von Habsburg zum deutschen König (1754−1273), die mit den Worten Friedrich Schillers oft auch als „kaiserlose (schreckliche) Zeit“ poetisch charakterisiert wurde, da das Kaisertum von 1245/50 bis 1312 nicht besetzt war. Wenngleich das deutsche Königtum in dieser Zeit nie lange vakant blieb, konnten die Reichsfürsten den Verfall der Königsmacht zur Stärkung ihrer Territorialherrschaft nutzen und die Städte ihre bündischen Zusammenschlüsse betreiben. Das deutsche Königtum wurde nach dem Ende der Staufer weitgehend auf die Regionen nördlich der Alpen beschränkt und sah sich gegen die aufstrebenden Landesherrn wesentlich auf die eigene Hausmacht verwiesen. Mit den Königswahlen von 1257 formierte sich zudem das seit 1198 hervortretende Kurfürstenkollegium als alleiniger Wahlkörper zur Nachfolge im Reich, dessen Rechte in der Goldenen Bulle von 1356 geregelt wurden, die auch Bestimmungen zur Wahrung der Kontinuität der Reichsverwaltung während eines Interregnums enthielt. Vgl. Taddey (Hrsg.), Lexikon der deutschen Geschichte, S. 572; Meyers Taschenlexikon Geschichte, Bd. 3, S. 130; Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, Sp. 468 f. 5 Rudolf I., Graf von Habsburg (1218−1291), seit 1273 römisch-deutscher König. Vgl. NDB, Bd. 22, S. 167−169; ADB, Bd. 29, S. 478−493; DBE, Bd. 8, S. 436 f.

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mischem Boden, des Einflusses geistlicher und weltlicher Macht, welcher hierbey so folgenreich, so wirksam war; ich erwähne eben so nur der innern Religions- und bürgerlichen Kriege des sechszehnten und siebenzehnten ­Jahrhunderts und des Westphälischen Friedens, der das Bild zur beynahe höchsten Stufe vollendete; ich berühre ferner auch hierbey nur der mannichfaltigsten Einwirkung fremder Macht bey deutscher Zwietracht, um seit dem 16ten Jahrhundert bis zum 18ten das Gemälde des Sinkens und der Auflösung in unaufhaltbarer Schnelle zu verfolgen. Ich müßte mich in Erinnerungen verlieren, die der deutsche Vaterlandsfreund mit dem Schleier der versöhnten Vergessenheit bedeckt, wenn ich hierbey alle einzelne Züge und alle Stufen der Geschichte dieser Zeit auch nur berühren wollte. Als Zeitgenossen sind diese uns Allen bekannt; und am Tage der Feyer deutscher Eintracht erwähnt und erinnert man sich nur der Vergangenheit, um sich des Glückes der Gegenwart im Kreise deutscher Männer zu freuen. Das Resultat sey nur gesagt: Deutschland schon seit der frühesten Zeit in mehrere Staaten zerlegt, aber vereint im großen Bande der Nationalität, deren sichtbares Symbol die deutsche Kaiserkrone war, erreichte in dieser Art kaum den Anfang des 19ten Jahrhunderts. Die Beendigung des Kriegs mit dem revolutionären Frankreich durch den Lüneviller Frieden, die großen Opfer, wozu das Ende des gerechtesten der Kriege Deutschland nöthigte, der Reichsschluß von 18036, welcher im Innern von Deutschland Entschädigungen für das schaffen sollte, was man an eine fremde Macht abgetreten hatte; der endlich geschlossene Rheinbund und dadurch bewirkte Niederlegung der deutschen Kaiserkrone7, die hierauf sodann gefolgte Gestaltung im Innern des deutschen Gesammtgebiets; dieses sind allein die Epochen, welche ich namentlich auszuheben, und als überlebte große Schicksale des deutschen Volks bestimmt anführen zu müssen glaube. 6 Der Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803 regelte die Entschädigung der durch die Abtretung des linken Rheinufers an Frankreich betroffenen weltlichen Reichsfürsten. Mehr als einhundert Reichsstände wurden aufgehoben, darunter fast alle geistlichen Territorien und die Reichsstädte bis auf sechs. Vor allem Preußen, Bayern, Baden und Württemberg erlangten dadurch erhebliche Gebietsgewinne. Frankreich gewann damit Verbündete in den süddeutschen Staaten, und Preußen erfuhr eine Stärkung gegenüber Österreich. Der Reichsdeputationshauptschluß trug mit zur großen Flurbereinigung der deutschen Landkarte bei, veränderte aber auch die Grundlagen und das innere Machtgefüge des Heiligen Römischen Reichs. Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 42−61; Abdruck des Reichsdeputationshauptschlusses in Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 1−28. 7 Als Reaktion auf den Austritt der Rheinbundstaaten aus dem Reichsverband legte Kaiser Franz II. am 6. August 1806 die Kaiserkrone nieder und erklärte das „reichsoberhauptliche Amt“ für erloschen. Vgl. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S.  37 f.

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So stand nun Deutschland da, und nur in gelehrter Abstraction konnte man darin noch eine Nation finden wollen, während es in der Wirklichkeit unter sich getrennte Staaten ohne alles Nationalband als jenes in sich faßte, welches es zur gemeinsamen tributären Abhängigkeit eines fremden Reichs verband. Diese tiefste Erniedrigung8, die ein Volk zu ertragen haben kann, diese war also für dasjenige bestimmt, welches geeignet war, in der ersten Reihe der Nationen zu glänzen, wenn es das eigentliche Band der Nationalität auch so zu ehren verstanden hätte, wie es auch bey Zerlegung in mehrere Staaten, und selbst mit Beachtung der eigentlichen Vorzüge dieses Verhältnisses, hätte möglich seyn dürfen. Uns Allen ist auch dieser Zustand unserer Nation noch in wehmütiger Erinnerung, wir Alle kennen aber auch den Heldenmuth, der ganz Deutschland zum treuen Bunde vereinte, um Freyheit und Unabhängigkeit von außen zu erkämpfen, und eines neuen Nationalbandes sich wieder würdig zu zeigen. Dieser hohe Preis ward verdient; der 8. Juny 1815 vereinte alle deutsche Staaten zu einem Bund, den wir mit Ehrfurcht und mit Stolz den deutschen nennen. So also erscheint Deutschland wieder als ein Ganzes, als eine politische Einheit; wieder als Macht in der Reihe der Völker. Deutschland war im Laufe der Zeit weder berufen, die Form einer Einherrschaft oder auch nur eines wahren Bundes-Staats zu gewähren, eben so wenig aber entsprach es dem Bedürfnisse der allwaltenden Stimme der Zeit, ein ­bloßes politisches Schutz- und Trutzbündniß zu schließen; sondern in der Zeit­geschichte ist Deutschland dazu berufen, einen zugleich die Nationalität sichernden Staatenbund zu bilden. Dieses ist Deutschlands Bestimmung, ­dieses der Standpunkt der deutschen Nation in der Reihe der übrigen Völker Europens. Unsere Obliegenheit wird es seyn, diesen doppelten heiligen Zweck: Achtung für die mehreren Volksstämme und mehreren selbstständigen deutschen Regierungen, und gleiche Achtung für das uns Alle umfassende große Band der Nationalität zu entwickeln, zu erstreben. Wir wollen uns zum Ziel unserer Bestimmung setzen: Die Heiligkeit der Bundesakte in ihren Grundbegriffen mit unbeirrter innern freyen Wirksamkeit der einzelnen Regierungen nach Lokal- und Zeitbedürfniß; hingegen aber auch gleich heilig zu halten auf jene Bestimmungen und jenen Geist der Bundesakte, wodurch dieselbe Ausdruck und Sicherung des großen Nationalbandes bezweckt. In dieser Art halten wir uns fest auf dem Gipfel, wo ein großes Volk in der 8 Anspielung auf die 1806 anonym erschienene Flugschrift „Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung“, für deren Verbreitung der Erlanger Buchhändler Johann Philipp Palm (1766− 1806) am 26. August 1806 von französischen Truppen standrechtlich erschossen wurde. Vgl. NDB, Bd. 20, S. 20 f.

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­ annichfaltigkeit seiner bürgerlichen Formen, der großen Bestimmung der M Menschheit und seiner Entwickelung frey entgegengeht; zugleich aber ein einziges Ganzes in nationeller Beziehung ausmacht. In meinem nach Eröffnung des Bundestags abzulegenden ersten Geschäftsvortrag9 werde ich es versuchen, die praktische Anwendung dieser meiner Ansicht zu entwickeln; hier genüge der Ausspruch des Grundsatzes, der uns allen unverletzbar seyn soll. So wird es unsere Sache seyn, die Deutschen in der Erkenntniß zu befestigen, daß mit Annahme einer geeigneten Ordnung, ein solcher Staatenbund eben so wohlthätig für den Einzelnen, als ehrenvoll für die Nation im Staatenvereine von Europa seyn könne. Bey diesem erhebenden Bilde unserer dermaligen politischen Gegenwart sey mir jetzt nur noch auch zugleich ein Seitenblick in die Vergangenheit für ganz Europa erlaubt, um auch darin die rechten Zeichen der Zeit im Kreise der Staatsmänner zu finden. Zwey große Hauptverirrungen erkennt man in den Meinungen des öffentlichen Rechts und der Politik, entstanden vorzüglich mit und genährt durch die französische Revolution! Diese sind einseitige demokratische Auswüchse in Ansehung der Staatenverfassungen, und Verhöhnung des Systemes des politischen Gleichgewichts im gegenseitigen Verkehr freyer Völker. Jene führten einzelne Staaten zum Untergang; dieses mußte im äußern großen Völkerleben zum Despotismus führen. Keines von Beyden, – so wie es zum Heil der Menschheit kein wahrer Irrthum ist – war von bleibender Dauer. Während die Völker und Fürsten das letztere im Resultate bekämpften, verlor sich beydes von selbst auch als Theorie im geläuterten Strome der Zeit. Beydes gehört jetzt nur noch zu jenen ephemeren Erscheinungen, welche der Cultur- und Staatengeschichte zur warnenden Lehre der nachkommenden Geschlechter angehören. Mache ich nun von den dermaligen Resultaten dieser beyden auf alle Staaten von Europa mehr oder weniger sich beziehenden Verirrungen eine besondere Anwendung auf Deutschland, auf den deutschen Bund; so erkennen wir wohl Alle wiederholt in der gegenwärtig berichtigten Wendung die ahnungsvolle Versicherung, daß alle deutschen Regierungen die wahren Interessen ihrer Staaten ehren, und mit Entfernung aller revolutionären Einwirkung, die Unterthanen in den Bundesstaaten sich der Garantie einer vernünftigen, öffentlichen Ordnung zu erfreuen haben werden; wir erkennen ferner in Be­ ziehung auf das große Band der Gesammtheit die gesicherte Freyheit und ­Unabhängigkeit der Nation im deutschen Bunde vereint. Auch hier also ist wieder lohnend und erhebend die Gegenwart in Würdigung der erlebten Vergangenheit. 9 Vgl. Dok. 100.

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Bey dieser jetzt versuchten Skizze des Grundcharakters des deutschen Bundes darf ich aber auch am Schlusse nicht das Verhältniß desjenigen Hofes unberührt lassen, dessen Haupt einst die deutsche Krone trug. Die Bundesakte beruft Se. Majestät den Kaiser von Oesterreich zum Vorsitze des deutschen Bundestags. Allerhöchst Dieselben erkennen hierin das erneuerte Vertrauen der deutschen Bundesstaaten, wohin Oesterreichs Regenten von jeher strebten. Keine Furcht, kein Mißtrauen soll dieses fernerhin stören; denn wer kennt nicht jene glückliche, zum gegenseitigen Vertrauen berechtigende Lage, daß Oesterreich auf deutschem Boden eben so wenig eine Eroberung, als eine eigenmächtige Erweiterung seines Standpunkts im deutschen Bunde beabsichtigen will, oder auch nur beabsichtigen kann! Der Kaiser, mein Herr, ehrt den erklärten Ausdruck des öffentlichen Willens, und folgt diesem jetzt wie immer. Feyerlich soll ich hier, nach ausdrücklichem Auftrag Sr. Majestät des Kaisers, die Versicherung niederlegen: Se. Majestät betrachten sich als vollkommen gleiches Bundesglied, Sie erkennen in dem eingeräumten Vorsitze beym Bundestag kein wahres, politisches Vorrecht, sondern ehren darin nur die schöne Bestimmung einer Ihnen vertrauten Geschäftsleitung. Die Macht der österreichischen Monarchie kömmt hierbey nicht in Anschlag, diese kann und wird sich nie äußern gegen den deutschen Bund, oder einzelne Bundesstaaten; aber ganz auf deren volle Kraft möge jeder derselben, so wie die Gesammtheit zur Erhaltung der Unabhängigkeit jeder politischen Art fest vertrauen. Se. Majestät schmeicheln sich daher, auf volles Vertrauen sämmtlicher Bundesstaaten rechnen zu können, und dort wo es gelten muß, soll dieses sich im gegenseitigen schönsten Lichte bewähren. Die Verdienste der Vorfahren Sr. Majestät um Deutschland sollen immer nur deshalb Allerhöchst Denenselben gegenwärtig bleiben, um auch künftighin dieses Erbtheil Allerhöchst Ihres Hauses mit Achtung zu bewahren. Mir sey jetzt in der Bestimmung, der Gesandte des K. K. österreichischen Hofes bey diesem Bundestag zu seyn, die Versicherung erlaubt, wie sehr ich die hohe Wichtigkeit, die Schwere meines Berufs erkenne, wie sehr ich aber auch das Glück zu schätzen weiß, mich im Vereine so biederer deutscher Männer zu befinden, die nur eine Stimmung beseelt. Die Deutschheit meiner Gesinnungen soll nie bezweifelt werden, der Ernst, einzig zum Besten unsers gemeinsamen Vaterlandes fortwährend zu wirken; diese Betheuerung wäre ich Ihnen, hochverehrte Herren, schuldig, wenn Sie nicht insgesammt meiner reinsten Gesinnungen im Voraus versichert wären. Erlauben Sie mir daher nur Ihr ganzes Vertrauen in Anspruch zu nehmen, und trauen Sie der Versicherung meiner Ihnen Allen gewidmeten Verehrung und unbedingten Vertrauens. In der nächsten oder ersten Geschäftsversammlung werde ich es versuchen, den Umfang unserer Geschäfte in einem eigenen

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Vortrag zu Ihrer Beurtheilung zu entwickeln und sämmtliche hohe Gesandtschaften zu überzeugen, wie zugleich auch eine zweckmäßige Einleitung unserer Geschäftswirksamkeit eine meiner angelegentlichen Sorgen ist. Gegenseitiges Vertrauen, Offenheit und wahrhaft deutscher Sinn; und wir können eben so gewiß des schönsten Erfolgs unserer Bemühung, als des bleibend dankvollen Andenkens unserer spätesten deutschen Nachkommen seyn.

43. Rede des preußischen Staatsministers Humboldt1 bei Eröffnung der Deutschen Bundesversammlung

ProtDBV 1817, 1. Sitzung vom 5. November 1816, § 4, S. 9–10. Rede. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 1, 1817, S. 19 f.; CJCG, Bd. 2, S. 24 f.

Preußen teilt die Gesinnungen des österreichischen Hofs. Das Wesen des Bundesvertrags ist nach Außen und Innen sichernd, bewahrend und erhaltend, und er regelt das Zusammenwirken selbständiger, unabhängiger und in ihren Rechten gleicher Staaten zum gemeinschaftlichen Wohl durch gemeinschaftlich festgestellte Formen und Einrichtungen. Der Deutsche Bund steht in wohltätigen Beziehungen zu dem europäischen Staatensystem und bildet aufs neue Länder zu einem politischen Ganzen, die durch gemeinsame Abstammung, Sprache, Andenken und eine ehemalige ehrwürdige Verfassung unauflösbar verbunden sind. Ziel ist die Bewahrung der Selbständigkeit, Unabhängigkeit und Sicherheit sowohl des gemeinsamen Vaterlandes als auch der einzelnen Bundesstaaten sowie die Erhaltung und Erweiterung jedes Vorzugs, auf dessen Achtung durch die anderen europäischen Nationen Deutschland Anspruch macht. Preußen wird mit allen seinen Kräften auf den gemeinschaftlichen Zweck hinarbeiten.

Frankfurt am Main, 5. November 1816 Die so eben von dem vorsitzenden Herrn Gesandten im Namen des Kaiserlich Königlich Oesterreichischen Hofes bezeugten Gesinnungen müssen dem Königlich Preußischen um so mehr erwünscht und erfreulich seyn, als Se. Majestät der König von Preußen dieselben vollkommen theilen. Die Stiftung des deutschen Bundes fügt zu der Gewährleistung der Ruhe und Eintracht, welche sonst durch einzelne, nicht immer von zufälligen ­Umständen unabhängige Verträge erreicht wird, für die deutschen Staaten noch diejenige hinzu, welche aus einem allgemeinen und beständigen Gesammtvertrage hervorgeht, dessen Wesen nach Außen und Innen hin sichernd, 1 Humboldt vertrat den bereits in Frankfurt eingetroffenen, aber unpäßlichen Bundestagsgesandten Graf von der Goltz. Vgl. ProtDBV 1816, 1. Sitzung vom 5. November 1816, S. 1, und Dok. 46.

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bewahrend und erhaltend ist, und welcher das Zusammenwirken selbstständiger, unabhängiger und in ihren Rechten gleicher Staaten, zum gemeinschaft­ lichen Wohl durch gemeinschaftlich festgestellte gesetzliche Formen und Einrichtungen möglich macht. Indem der deutsche Bund auf diese Weise in wohlthätigen, allgemeinen Beziehungen mit dem europäischen Staatensysteme steht, bildet er zugleich aufs Neue Länder zu einem politischen Ganzen, deren Bewohner durch gemeinsame Abstammung, Sprache, Andenken, und eine ehemalige ehrwürdige Verfassung unauflösbar verbunden sind. Seine Königlich Preußische Majestät finden, nach den von Allerhöchst Ihnen bey jeder Veranlassung bewährten, auf die Unabhängigkeit und das Wohl des ­gesammten deutschen Vaterlandes gerichteten Gesinnungen, in jeder dieser beyden, Ihre deutschen und übrigen Staaten umfassenden Betrachtungen die beruhigendste Genugthuung, und die Ihrem Herzen erwünschtesten Beweggründe, zu dem gemeinschaftlichen Zweck an Ihrem Theil beyzutragen und auf das kräftigste dazu mitzuwirken, daß die daraus entspringenden wohlthätigen Folgen vollständig und allgemein genossen und empfunden werden. So enge auch schon die Bande sind, welche Seine Königliche Majestät an Seine Majestät den Kaiser von Oesterreich und die übrigen in dem Bunde begriffenen hohen Höfe und Staaten anschließen, so ungemein erwünscht und angenehm ist es Ihnen doch, dieselben durch die gegenwärtige Vereinigung noch enger geknüpft zu sehen. Allerhöchst Dieselben haben mir ausdrücklich aufgetragen, dies bey der heutigen feyerlichen Eröffnung der Bundesversammlung – einem Tage, den Seine Majestät auch an Ihrem Theil, so folgen- und segensreich als möglich für Deutschland zu machen wünschen – in Ihrem ­Namen zu bezeugen, und in dem Laufe der nunmehr beginnenden Geschäfte, jedes einzelnen, unter dem Vorsitze, welchen Seine Königliche Majestät mit unbedingtem Vertrauen dem K. K. Oesterreichischen Hofe übergeben sehen, gemeinschaftlich mit den Gesandtschaften Ihrer hohen Mitstände, ohne irgend eine einseitige und einengende Rücksicht, dergestalt wahrzunehmen, daß dadurch die Bewahrung der Selbstständigkeit, Unabhängigkeit und ­Sicherheit, sowohl des gemeinsamen Vaterlandes, als der einzelnen Bundesstaaten, so wie die Erhaltung und Erweiterung jedes Vorzuges, durch welchen Deutschland auf die Achtung der andern europäischen Nationen Anspruch macht, vollständig und sicher erreicht werden. Mir persönlich hätte nichts erfreulicheres begegnen können, als den ehrenvollen Beruf zu erhalten diese Gesinnungen hier und an diesem Tage auszusprechen und einer Versammlung, wenn auch nur augenblicklich anzugehören, welcher meine innige Verehrung und mein lebhaftes Bestreben, nach allen meinen Kräften mit Ihr zu dem gemeinschaftlichen Zweck hinzuarbeiten gewidmet ist, und deren gütiges und geneigtes Vertrauen ich mir angelegentlich erbitte.

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44. Gagerns „Gedanken bei der feierlichen Eröffnung des Bundestags“

HStA München, Gesandtschaft Bundestag, Nr. 174. Druckschrift.

Der Tag der Eröffnung der Deutschen Bundesversammlung wird als Beginn einer neuen Epoche in die deutsche Geschichte eingehen. Dem gemeinsamen deutschen Vaterland soll eine neue Gestalt gegeben werden, wodurch Sicherheit und Schutz nach außen, Ruhe, Frieden und Eintracht im Innern begründet werden und der Geist zeitund rechtmäßiger Tätigkeit geweckt wird. Die Bundestagsgesandten sind berufen und bevollmächtigt, das in der Bundesakte in seinen Grundlinien vorgezeichnete neue Gebäude zu ergänzen, zu erweitern und zu vollenden. Dankt den europäischen Mächten für die beispiellosen Anstrengungen zur Wiederherstellung des vernichteten tausendjährigen Reichs der Deutschen und allen Souveränen, die sich dem heiligen Bund zur Bekämpfung des Despotismus und der Wiedererlangung der Freiheit und Selbständigkeit angeschlossen haben. Der Weg ist nun geebnet zur Herstellung einer dauerhaften beglückenden Verfassung des deutschen Vaterlandes. Die Gerechtsame und Wünsche der Fürsten werden sich dabei mit den gerechten Wünschen und Forderungen der deutschen Völkerschaften vereinigen. Empfiehlt die Ablegung der Abhängigkeit vom Ausland in Sprache, Sitten und Gebräuchen zugunsten des einheimischen Guten, um eine Nationaleinheit in ihren schönsten Formen zu verwirklichen. Das wiedergeborene Deutschland wird dadurch seinen ihm gebührenden Rang in Europa einnehmen und das deutsche Volk sowohl in seinen einzelnen Staaten als auch im gemeinsamen Verband wiederhergestellt werden. Die Bundeskette nach außen ist geschlossen und das innere Band zwischen dem Einzelnen und dem Ganzen so eng geknüpft, daß die verbundenen Teile nicht ausein­andergerissen werden können. Mut und Beharrlichkeit, Billigkeit und Gerechtigkeit sind die Bedingungen zur Erreichung des vorgesteckten Ziels. Einigkeit in der Bundesversammlung wird positive Wirkungen hervorbringen.

Frankfurt am Main, 5. November 1816 Gedanken eines Mitgliedes der teutschen Bundesversammlung bei der feierlichen Eröffnung des Bundestages in Frankfurt am 5ten November 1816. Der Tag ist erschienen, welcher die edle teutsche Nation für gemeinschaftliche, das Gesammtwohl bis zur spätesten Zeit sichernde, Maasregeln vereinigen soll. Dieser große Tag wird in den Annalen Germaniens eine unvergeßliche Epoche bilden, wichtiger, als irgend eine andere in dem ganzen Ablaufe seiner merkwürdigen Geschichte. Dem gemeinsamen teutschen Vaterlande soll, nach ruhmvoller Beendigung eines langen beispiellosen Krieges, in welchem der blühende Zustand seiner Bewohner überall herabgesetzt – oder gänzlich vernichtet wurde; grausamer Frevel die ehrwürdigsten Denkmäler weisester Umsicht der Vorfahren zerstörte; freche Willkühr die Stelle der Gerechtigkeit einnahm; ungezügeltes

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Laster die Sittlichkeit verdrängte; Spott und Hohn das köstlichste Eigenthum der Nation, ihre Religion und ihren Glauben entehrte; die Bosheit in tausendfachen Gestalten ungestraft wüthete, und teutsche Redlichkeit zum Gespötte wurde – eine neue Gestaltung gegeben werden, wodurch Sicherheit und Schutz nach Aussen – Ruhe, Friede und Eintracht im Innern – Glück und Wohlstand der Völker unter dem Schutze gesetzmäßiger Freiheit – auf eine unerschütterliche Grundlage gebaut – und der Geist wohlthätiger, zeit- und rechtgemäßer Thätigkeit geweckt wird. Eine wichtige Aufgabe! Wir sind von unsern Allerhöchsten und Höchsten Souveränen berufen und bevollmächtiget, dieses wichtige Geschäft in Ihrem Namen zu besorgen, und nach den, in der Bundesakte vorgezeichneten, Grundlinien das neu aufzuführende Gebäude in seinen einzelnen Theilen zu ergänzen, zu erweitern und zu vollenden. In Absicht auf den glücklichen Fortgang unserer Arbeiten rechnen wir zuförderst auf den höheren Beistand der ewigen Vorsicht, die sich in der Entwickelung unsrer gemeinsamen Schicksale so augenscheinlich verherrlicht hat, so wie insbesondere auf die weisen und gemäßigten Grundsätze unsrer erhabenen Kommittenten, die sie bei jeder Gelegenheit deutlich aus­ gesprochen haben, und endlich auf die, durch edle Freimüthigkeit und un­ umwundene Rücksichtslosigkeit in gemeinschaftlichen Berathungen sich ergebende, Aufklärung der wichtigen zu verhandelnden Gegenstände, und die, nach dem patriotischem Sinne aller Berathschlagenden, nicht zu erschütternde Eintracht der hohen Bundesversammlung. Ohne ein Zusammentreffen ausserordentlicher Begebenheiten, welche einen mehr als zwanzigjährigen Zeitraum unsrer neuesten Geschichte auf so jammervolle Art berühmt gemacht – aber die letztverflossenen Jahre auch auf eine desto glänzendere und ruhmvollere Weise verherrlicht haben, würden wir in diesem Heiligthume nicht versammelt seyn. Der flüchtigste Rückblick auf den traurigen Zustand unsers Vaterlandes und seine ausgestandenen Leiden, wird geeignet seyn, die gegenwärtige Lage desselben, mit jenem verglichen, nach ihrem wahren Werthe zu schätzen, und die unermeßlichen Wohlthaten zu würdigen, welche, mit dem ganzen Europa, insonderheit unser Vaterland den beispiellosen Anstrengungen der hohen ­verbündeten Mächte – ihren dargebrachten ungeheuern Opfern für die Ruhe der Welt – ihrer preiswürdigen Großmuth und Mäßigung – ihrem aufrichtigen ­festen Willen, das vernichtet gewesene tausendjährige Reich der Teutschen wieder herzustellen – und allen anderen Souveränen, welche sich dem heiligen Bunde zur Bekämpfung des Despotismus und Wiedererlangung der verlohrnen Freiheit und Selbstständigkeit anschlossen, zu danken hat. Jenen erhabenen Mächten, die zuerst das Signal zum Kampfe gaben, ihn so glücklich fortsetzten und glorreich endigten, so wie den sämmtlichen Kampfgenossen, welche die Sache des Vaterlandes, als Mitverbündete, mit größter Kraftan-

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strengung unterstützten, und allen edlen Teutschen jedes Standes, welche zur Vollendung des großen Kampfes durch That und Rath mitgewirkt haben, ­gebührt ewiger Ruhm, Preis und Dank. Die ganze Menschheit zollt ihnen in hoher Begeisterung diesen Tribut – Teutschland wird es nie vergessen, was es ihnen Allen schuldig ist. Das Größte, Wichtigste und Schwierigste ist geschehen. Der Weg ist geebnet, der zum endlichen Ziele einer dauerhaften beglückenden Verfassung des teutschen Vaterlandes führen soll. Das particulare Interesse wird sich nun dem allgemeinen anschließen – die Gerechtsame und Wünsche der Fürsten werden sich mit den gerechten Wünschen und Forderungen der teutschen Völkerschaften schwesterlich vermählen; wir müssen mit kühner Kraft über das Vorhandene zum Besseren und Besten streben, und uns durch Feinde geehrt finden, die unserm kräftigen Hochwillen auf den Bahnen der Gerechtigkeit und Wahrheit begegnen; unsere Abhängigkeit vom Auslande in Sprache, Sitten und Gebräuchen wollen wir ablegen, das Fremde nicht mehr ausserordentlich finden, weil es fremd ist, sondern das zahllose heimische Gute aussuchen, nützen und ausbilden. So wird, durch gemeinschaftliche treue Bemühung, eine Nationaleinheit in ihren schönsten Formen verwirklicht werden, welche für Gegenwart und Zukunft das Glück der Fürsten und Völker begründet, und von Stufe zu Stufe vermehret und erhöhet. Mit dieser unbezwingbaren Bundesfestung wird das wiedergebohrne Teutschland in der Reihe der europäischen Staaten den ihm gebührenden Rang einnehmen, und sowohl in seinen einzelnen Staaten, als im gemeinsamen Verbande, das alte, durch Treue und Glauben ehrwürdigste, Volk wiederhergestellet seyn, welches in der Vorzeit seinen Nachbarn Achtung gebot, und als ein, in der Kraft seiner Einheit mächtiger, Koloß von andern Völkern geehret wurde. Dann mögen die Feinde Germaniens und seines neuen unwidersprechlichen Ruhmes in verhaltnem Grimme auf unsre schöne und fruchtbare Gauen herüber schauen – dann mögen Feinde der öffentlichen Ruhe, angeb­ liche Freunde des Volks, unter Larven aller Art ihr betrügliches Spiel treiben. Die Bundeskette nach Aussen ist geschlossen, die der kühnste Feind nicht sprengen kann; das Band, welches innerhalb des geheiligten Kreises das Einzelne mit dem Einzelnen und dem Ganzen verschlingt, ist so enge zusammen gezogen, daß weder Gewalt noch Verführung die verbundenen Theile wird auseinander reißen können. Unsere Bestimmung ist, zur Erreichung dieses schönen und erhabenen Zieles thätigst zu wirken; und in dem Bewußtseyn unsers erfüllten Berufs genießen wir des Lebens und aller Arbeit schönste Belohnung. Wir werden zwar von Unvollkommenheiten, dem Loose aller Sterblichen, nicht frei seyn. Die zum Theil aufs höchste gespannten Erwartungen der Völker werden wir nicht sämmtlich befriedigen – Unmöglichkeiten nicht, wie

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Offizieller Artikel in der Frankfurter Oberpostamtszeitung

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leicht auszuführende Dinge, behandeln – und nicht alle unerfüllte Hoffnungen abtragen können. Keinen von uns soll indessen der Vorwurf des Mangels eines wahrhaft teutschen Sinnes – des treuesten Bemühens zur Beförderung jedes Guten – und einer auf Rath achtenden weisen Besonnenheit – der Vorwurf der Partheilichkeit und der Menschenfurcht treffen. Dem Ewigen wollen wir für unser Sinnen und Handeln, für unser Wollen und Wirken in den geheimsten Beziehungen verantwortlich seyn. Muth und Beharrlichkeit, Billigkeit und Gerechtigkeit – und die göttliche Eintracht in den Kabinetten und in unsern Berathschlagungen, ohne welche nichts Großes zu Stande kommt, sind die Bedingungen, unter welchen wir das vorgesteckte Ziel zu erreichen hoffen dürfen. Stets das Eine, den großen Zweck, im Auge habend, werden wir bei verschiedenen Ansichten über die Wahl der Mittel, die zum Ziele führen, mit sorglichster Umsicht jedes Für und Wider prüfen und uns leicht vereinigen1, ohne in Partheien zu ver­ fallen. Wir wollen ohnausgesetzt den geharnischten Mann mit dem goldnen Pfeilenbündel2 und dessen mystische Bedeutung – auch den goldnen Spruch, mit unauslöschbarer Flammenschrift geschrieben, vor Augen haben: Concordia res parvae crescunt – Discordia maximae dilabuntur.3

45. Offizieller Artikel in der Frankfurter Oberpostamtszeitung über die Eröffnung der Deutschen Bundesversammlung

Frankfurter Ober Postamts Zeitung, Nr. 310 vom 6. November 1816. Artikel. Druckfassung.

Offizieller Bericht über die feierliche Eröffnung der Deutschen Bundesversammlung: Ehrenbezeugungen des Rats der Stadt Frankfurt am Vorabend und Eröffnungstag; Auffahrt der Bundestagsgesandten am Thurn und Taxis Palais; konstituierende Sitzung des Bundestags (Eröffnungsrede des Präsidialgesandten und Reden einzelner Bundestagsgesandter; Verlesung sämtlicher Vollmachten und einiger Ratifikationsurkunden; Bestimmung der nächsten Sitzung auf den 11. November 1816). 1 Emendiert. Vorlage: vereiuigen. 2 Darstellung auf dem holländischen Golddukaten: auf dessen Hauptseite ist ein geharnischter Mann mit einer Feldbinde, der in der Rechten ein Schwert und in der Linken ein Pfeilbündel hält, abgebildet, daneben die Jahreszahl und die Umschrift „Concordia Res Parvae Crescunt“. Vgl. Schellenberg (Hrsg.), Gemeinnütziges Handlexikon, Bd. 1, S. 212. 3 Sallust, De bello Iugurthino 10,6: „[D]urch Einigkeit wächst auch Unbedeutendes, durch Zwietracht hingegen zerfallen selbst die größten Dinge“. Hier zit. nach Sallust, Werke. Lateinisch und deutsch, S. 90 f.

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Frankfurt am Main, 5. November 1816 (Offizieller Artikel) Nachdem am gestrigen Abend die Feyer des kommenden Tages durch den Donner der Kanonen und ein festliches Glockengeläute war verkündet worden, hatte heute die feierliche Eröffnung des Bundestages Statt, eines Tages der Erwartung und der Feyer für die gesammte deutsche Nation. Bei der Auffahrt der Herren Bundesgesandten zu der um 11 Uhr Vormittags beginnenden Sitzung war das Taxische Palais, die Wohnung des präsidirenden Herren ­Gesandten, als Sitz der Konferenzen, am Eingange mit einer von dem dahiesigen hochlöbl. Magistrate bereitwillig dargebotenen zahlreichen Ehrengarde, so wie auch die Vorzimmer des geschmackvoll eingerichteten Conferenzsaales mit Schildwachen besetzt. Der präsidirende Herr Gesandte, Graf von Buol-Schauenstein Exzell. eröffnete die Sitzung mit einer angemessenen Rede1, worauf der königl. Preussische2, königl. Sächsische, königl. Baierische, königl. Hannöversche, königl. Niederländische3, großherzogl. Mecklenburgische, so wie auch die übrigen Herren Gesandten den in dem Vortrage des Präsidirenden, Namens Sr. kaiserl. Majestät von Oesterreich, dargelegten patriotischen Gesinnungen und National-Grundsätzen, theils in kürzeren Anreden, theils auch mit reichhaltiger Entwickelung beistimmten. Hierauf wurden die sämmtlichen Vollmachten vorgelegt und die Ratifikationen der Bundesakte, als die Sr. Maj. des Kaisers von Oesterreich, II. MM. des Königs von Preussen, des Königs von Sachsen und der übrigen hohen Bundes-Mitglieder verlesen. Die nächste Sitzung der Bundesversammlung ward auf den kommenden Montag, den 11. d. festgesetzt. Während der Sitzung wurde dieses große Ereignis abermals durch den Donner der Kanonen verkündigt.

46. Gruben an König Maximilian I. Joseph von Bayern

HStA München, MA 1332. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 11. November 1816.

Bericht über die feierliche Eröffnung der Deutschen Bundesversammlung: Ehrenbezeugungen des Rats der Stadt Frankfurt am Vorabend und Eröffnungstag (Glockengeläut, Kanonenschüsse, Fahnenwache des regulären und Bürgermilitärs); konstituierende Sitzung des Bundestags: Erscheinen aller Bundestagsgesandten in Gala, die 1 Vgl. Dok. 43. 2 Vgl. Dok. 44. 3 Vgl. ProtDBV 1816, § 1, S. 23–25, und Dok. 45.

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Gruben an König Maximilian I. Joseph von Bayern

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meisten in Begleitung ihres Legationssekretärs, jedoch Fehlen eines württembergischen Vertreters; Eröffnungsrede des österreichischen Präsidialgesandten Buol sowie einige gegen frühere Verabredungen gehaltene Reden anderer Bundestagsgesandten (u. a. Humboldt, Goertz, Gruben, Gagern); Verlesung einiger Ratifikationsurkunden; Vorlage einer Spezialvollmacht des erkrankten Bundestagsgesandten von Eyben für Lauenburg, woraufhin Plessen und Berg Verwahrungen über die Anspüche beider Mecklenburg und der anhaltischen Höfe auf Lauenburg abgaben; Diner am Nachmittag und großer Cercle am Abend beim Grafen Buol.

Frankfurt am Main, 6. November 1816 Allerdurchlauchtigster Grossmächtigster Koenig Allergnädigster König und Herr. Eröffnung des Bundestages betr. Euer Koenigl. Majestaet hatte ich schon in meinen letztern Berichten die Gnade allerunterthänigst anzuzeigen, daß die feierliche Eröffnung des Bundestages auf den 5t[en] November festgesetzt war. Diesem zufolge waren schon am Abend vorher, so wie Gestern Morgen frühe, sowohl allgemeines Glockengeläute, als die Zahl von 101 Kanonenschüsse von dem Rath der hiesigen Stadt angeordnet worden. Gegen 9 Uhr Morgens zog eine sehr ansehnliche Fahnenwache von mehreren Kompagnien regulairen und Bürgermilitairs bei dem Taxisschen Palais, als der Wohnung des vorsitzenden Hrn. Gesandten, auf. Die Stunde der Vereinigung sämmtlicher Gesandten war auf eilf Uhr Vormittags verabredet, und alle erschienen in Galla, die mehrsten in Begleitung ihres Legations-Sekretairs, jedoch ausser dem Königl. Württembergischen Gesandten, Freiherrn von Linden, welcher Abends vorher abberufen ward, dergestalt, daß er auch nicht mit der Eröffnung des Bundestags beiwohnen durfte. Zwar erwartete man am nemlichen Abend noch den an seine Stelle ernannten Minister Grafen von Mandelslohe1. Er traf aber auch gestern nicht ein, und so eben macht er den ersten Besuch bei mir, so wie bei allen Gesandten. Er wird sich also wohl in der ersten Sitzung legitimiren; es fiel jedoch auf, 1 Ulrich Leberecht Freiherr (seit 1808 Graf) von Mandelsloh (1760–1827), württembergischer Staatsmann, Studium der Forst- und Rechtswissenschaften an der Hohen Karlsschule in Stuttgart, 1783 Regierungsrat ebd., 1793 Direktorialgesandter des Schwäbischen Kreises, 1796 bevollmächtigter Minister in Paris, 1797/98 Bevollmächtiger auf dem Rastatter Kongreß, 1799 Geheimer Rat, 1806 Minister der geistlichen Angelegenheiten, 1808 Finanzminister, 1816 Entlassung als Finanzminister, jedoch weiterhin Vorsitz im Staatsministerium, 1816–1818 Bundestagsgesandter, 1819 Gesandter in Wien, 1820 Versetzung in den Ruhestand. Vgl. ADB, Bd. 20, S. 173 f.; NDB, Bd. 16, S. 11; DBA  I, 800, 50–58; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 477, 479 f. u. 482.

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daß von Seiten Württembergs durchaus Niemand, auch nur als Stellvertreter, der Eröffnung des Bundestages beiwohnte. Nachdem alle Gesandten ihre Plätze eingenommen, und die verschiedenen Legations Sekretairs sich hinter denselben auf dazu bereiteten Stühlen, jedoch ohne eine besondere Ordnung, gesetzt hatten, verlas der präsidirende Herr Gesandte die hier allerunterthänigst angefügte, und, wie er selbst mir bemerkte, ihm von Wien wörtlich eingesandte Rede, die er allen Herren Gesandten mittheilte. Merkwürdig ist darin die fol. 7 befindliche Stelle: „wonach Teutschland nicht für berufen erklärt wird, die Form einer Einherrschaft oder eines wahren Bundesstaates zu gewähren, sondern eine[n] zugleich die Nationalität ­sichernden Staatenbund zu bilden.“2 Oesterreich verspricht zu diesem heiligen Zwecke hinzuarbeiten, und es erklärt sich fol. 9 als vollkommen gleiches Bundesglied, und in dem eingeräumten Vorsitz kein wahres politisches Vorrecht.3 Nachdem auch der Königl. Preussische4 und Königl. Sächsische Ge­ sandte5 gegen die frühern Abreden dennoch einiges zu sagen sich veranlaßt fanden, so hat auch der Unterzeichnete mit wenigen Worten die Grundsätze bezeichnen zu müssen geglaubt, welche Euer Königl. Majestaet in Beziehung auf den deutschen Bund anerkannten: daß nemlich die Selbstständigkeit des Bundes, so wie die eines Jeden einzelnen Mitgliedes desselben, als Grund­ veste der Bundes-Konstitution anzusehen seien.6 Die einzelnen kleinen, meist unvorbereitet gehaltenen Reden werden mit in das Protokoll aufgenommen werden.7 Nur hatte der K. Niederländische Gesandte, Freihr. von Gagen, sich mit einer weitläuftigen Rede8 vorgesehen, die aber auch mancherlei, mitunter nicht ungegründeten Kritiken keineswegs entgieng. Der Unterzeichnete hat ihm in freundschaftlichem Zutrauen zu erkennen gegeben, es dürfte besser gewesen sein, an Polens Schicksal nicht jenes von Hofer9 zu reihen, der doch 2 Vgl. Dok. 42, Zitat S. 176. 3 Vgl. Dok. 42, S. 178. 4 Vgl. Dok. 43. 5 Vgl. ProtDBV 1816, 1. Sitzung vom 5. November 1816, § 4, S. 10 6 Vgl. ProtDBV 1816, 1. Sitzung vom 5. November 1816, § 4, S. 10. 7 Vgl. ProtDBV 1816, 1. Sitzung vom 5. November 1816, § 4, S. 10−13. 8 Vgl. ebd. S. 11 f. und Dok. 44. 9 Andreas Hofer (1767−1810), Tiroler Freiheitskämpfer, leitete die Vorbereitungen für eine Erhebung gegen die seit 1805 bestehende bayerische Herrschaft über Tirol und vertrieb im Mai 1809 in zwei Schlachten am Berg Isel die bayerischen und französischen Truppen. Nach seinem dritten Sieg am Berg Isel (13. August) wurde er Regent und Oberkommandant in Tirol. Als im Frieden von Schönbrunn (14. Oktober 1809) Österreich auf Tirol verzichten mußte, setzte Hofer seinen Kampf fort, wurde nach Verrat jedoch durch die Franzosen aufgespürt und am 20. Februar 1810 in Mantua hingerichtet. Vgl. NDB, Bd. 9, S. 378 f.; ADB, Bd. 12, S. 559−563; DBE, Bd. 5, S. 109.

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Gruben an König Maximilian I. Joseph von Bayern

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offenbar Rebell gegen seinen neuen Landesherrn gewesen sei. Freihr. von Gagern gestand, daß seine Absicht nur dahin gegangen, das Grausen vor der Willkühr eines Despoten zu schildern. 2. Nach abgehaltenen Reden schritt man zur Verlesung der RatifikazionsUrkunden10, wenigstens einiger derselben, um, da sie schon in der letzten Sitzung vorgekommen, nicht zuviele Zeit zu verwenden. Hiernach hielt sich die Versammlung nun als förmlich konstituirt. 3. Der wegen Unpäßlichkeit noch immer abwesende Freiherr von Eyben produzirte durch seinen Stellvertreter eine Spezialvollmacht wegen des von seinem Hofe nun vergebenen Herzogthums Lauenburg, als welches er für ein eignes deutsches Fürstenthum anzusehen sich befugt hält. Der Herzogl. Mecklenburgische Gesandte Freiherr von Plessen, verwahrte deshalb die Ansprüche seiner Höfe auf Lauenburg; das nemliche that der Gesandte von Berg für die Anhaltischen Höfe. 4. Wegen der Unpäßlichkeit des Hrn. Grafen von der Golz11 supplirte nach meinen frühern Berichten noch Heute der Freihr. von Humboldt, und wird solches bis zur Genesung des erstern fortsetzen. 5. Die nächste Sitzung ward auf Montag den 11t[en] Nov. festgesetzt und hierauf gieng die Versammlung auseinander. Jedem der Hrn. Gesandten wurden bei der Ankunft und dem Weggehen die militärischen Ehren bezeugt, hiernach zog die Fahnenwache wieder ab. 6. Nachmittags 4 Uhr gab der vorsitzende Gesandte den sämmtlichen ­Ministern des Bundestages und der auswärtigen Mächte eine grosses Dinée12, wobei der Englische Gesandte, Lord Clancarty, auf das Wohl der Bundesversammlung, so wie der Hr. Graf von Buol auf jenes der hohen alliirten Mächte Toaste ausbrachte; auch während der Tafel feuerte man aus Kanonen. Abends war grosser Cercle, dem auch mehrere hohe Herrschaften, die Herzogin von

10 Vgl. ProtDBV 1816, 1. Sitzung vom 5. November 1816, § 5, S. 14. 11 August Friedrich Ferdinand Graf von der Goltz (1765–1832), preußischer Staatsmann, nach dem Studium der Rechte in Frankfurt an der Oder und Leipzig 1787 Eintritt in den diplomatischen Dienst als Legationsrat, 1790/91 Geschäftsträger in Warschau, 1792 außerordentlicher Gesandter in Kopenhagen, 1794 bevollmächtigter Minister in Mainz, 1797 Spezialgesandter in Stockholm, 1802 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in St. Petersburg, 1807–1814 Außenminister, 1814 Oberhofmarschall, 1816–1824 Bundestagsgesandter in Frankfurt, 1824–1832 Oberhofmarschall. Vgl. ADB, Bd. 9, S. 351–353; NDB, Bd. 6, S. 628 f.; DBE, Bd. 4, S. 92; DBA I, 407, 304–309; DBA II, 464, 309; DBA III, 307, 65–67; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 323, 332, 336 f., 340; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 314. 12 Diner.

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Sachsen-Meiningen13, Ihr Herr Sohn, der regierende Herzog14 u. Ihre Töchter, insbesondere die an den Herzog Bernhard von Weimar15 verheirathete Prinzessin Ida von Sachsen-Meiningen16, dann die Herzogin von Nassau17 u. viele andere Personen höheren Ranges beiwohnten. Der Unterzeichnete war einer der Gesandten, die mit der Herzogin von Sachsen die Spielpartie machten. Erst gegen eilf Uhr Abends fuhr man nach Hause. In allertiefster Ehrerbietung, Eurer Koenigl. Majestaet allerunterthänigst treu gehorsamster Freiherr von Gruben

13 Luise Eleonore Herzogin von Sachsen-Meinigen (1763−1837), 1803−1821 Regentin für ihren minderjährigen Sohn Bernhard II. Vgl. ADB, Bd. 19, S. 639 f. 14 Bernhard II. (1800−1882), seit 1803 Herzog von Sachsen-Meiningen, 1821−1862 regierender Herzog. Vgl. ADB, Bd. 46, S. 409−426. 15 Bernhard Prinz von Sachsen-Weimar-Eisenach (1792−1862), niederländischer General. Vgl. ADB, Bd. 2, S. 450−453. 16 Ida Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach (1794−1852), geborene Prinzessin von Sachsen-Meiningen, seit 1816 verheiratet mit Bernhard Prinz von Sachsen-Weimar-Eisenach. Vgl. ADB, Bd. 19, S. 639 f. 17 Luise Herzogin von Nassau (1794−1825), geborene Prinzessin von Sachsen-Hildburghausen, seit 1813 verheiratet mit Wilhelm Herzog von Nassau. Vgl. Renkhoff, Nassauische Biographie, S. 564 f.

II. Der Deutsche Bund und sein beständiges Organ

1. Mitglieder und Territorium des Deutschen Bundes

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Karlsruhe, 26. Juli 1815

47. Badische Beitrittsurkunde zur Deutschen Bundesakte

BA Berlin-Lichterfelde, DB 1-U/9. Beitrittsurkunde. Behändigte Ausfertigung. Druck: ProtDBV 1816, 1. Sitzung vom 5. November 1816, Beilagen, S. 31; CJCG, Bd. 1, S. 16; Neumann, Recueil des traités et conventions, Vol. 3, S. 13; Martens, Nouveau Recueil de Traitès, Vol. 2, S. 368; Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 1, S. 612.

Unbedingter und vollkommener Beitritt Badens zur Deutschen Bundesakte.

Karlsruhe, 26. Juli 1815 Wir Carl1 von Gottes Gnaden, Grosherzog zu Baden, Herzog zu Zähringen, Landgraf zu Nellenburg, Graf zu Hanau etc. erklären hiermit Unsern unbedingten und vollkommenen Beytritt zu dem Innhalt der deutschen Bundes-Akte2, welche zu Wien von den Bevollmächtigten der übrigen theilnehmenden Höfe verabredet, und am 8ten Juny d. J. unterschrieben worden ist. Zu Urkund dessen haben Wir gegenwärtiges eigenhändig unterzeichnet und mit Unserm grössern Staats Siegel versehen lassen. Carlsruhe, den 26ten Julius1815. Carl Vdt. Fh. von Hacke3

L. S. Auf Sr Königlichen Hoheit besondern höchsten Befehl Weiß4

1 Karl Ludwig Friedrich (1786–1818), seit 1811 Großherzog von Baden. Vgl. DBE, Bd. 5, S. 442; ADB, Bd. 15, S. 248−250. 2 Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815; vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1503–1518. 3 Karl Theodor Freiherr von Hacke (1775–1834), badischer Staatsmann, 1803 Hofrichter in Mannheim und Geheimer Rat, 1808/09 Innenminister, 1810–1813 und 1814/15 Gesandter in Wien, Juni–Dezember 1814 Bevollmächtigter auf dem Wiener Kongreß, 1815–1817 Außen­ minister, 1817/18 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Wien. Vgl. Badische Biographien, Bd. 1, S. 326; DBA I, 452, 62 f. u. 65; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 10 u. 12 f.; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 19. 4 Wilhelm Franz Weiß († 1834), badischer Beamter, 1805 Geheimer Kabinettssekretär, 1817 Ge­heimer Kabinettssekretär und Regierungsrat, 1824 Geheimer Hofrat, 1829 Geheimer Rat. Vgl. Kur-Badisches Regierungsblatt 1805, S. 102; Großherzoglich-Badisches Staats- und Regierungs-Blatt 1817, S. 6; ebd. 1824, S. 18; ebd. 1829, S. 101; Schimke (Bearb.), Regierungsakten des Kurfürstentums und Großherzogtums Baden 1803−1815, S. 809.

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Württembergische Beitrittsurkunde zur Deutschen Bundesakte

Nr. 48

48. Württembergische Beitrittsurkunde zur Deutschen Bundesakte

BA Berlin-Lichterfelde, DB 1-U/3. Beitrittsurkunde. Behändigte Ausfertigung. Druck: ProtDBV 1816, 1. Sitzung vom 5. November 1816, Beilagen, S. 29; CJCG, Bd. 2, S. 15 f.; Neumann, ­Recueil des traités et conventions, Vol. 3, S. 13 f.; Martens, Nouveau Recueil de Traitès, Vol. 2, S. 369; Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 1, S. 612 f.

Unbedingter und vollkommener Beitritt Württembergs zur Deutschen Bundesakte.

Ludwigsburg, 1. September 1815 Wir Friderich, von Gottes Gnaden König von Württemberg, Souverainer Herzog in Schwaben und von Teck, Herzog von Hohenlohe, Landgraf zu Tübingen, Fürst von Mergentheim, Ellwangen und Zwiefalten, Oberherr der Fürstenthümer Buchau, Waldburg, Baldern, Ochsenhausen und Neresheim, Graf zu Gröningen, Limpurg, Montfort, Tettnang, Hohenberg, Biberach, Schelcklingen und Egloffs, Oberherr der Herrschaften Aulendorf, Scheer-Friedberg, Roth, Baindt und Isny, Herr zu Altdorf, Leutkirch, Heidenheim, Justingen, Crailsheim, der Donau-Städte, Ulm, Rottweil, Heilbronn, Hall und Wiesensteig etc. etc. etc. Urkunden und bekennen hiemit: Nachdem Wir von dem Bundes-Vertrage1, welcher von den Bevollmächtigten der souverainen Fürsten und freyen Städte Teutschlands in Folge des 6ten Artikels des Pariser Friedens vom 30te]n May 18142 auf dem Congresse in Wien verhandelt und am 8ten Juny 1815 unterzeichnet worden ist, Einsicht genommen und Uns darauf entschloßen haben, dieser Acte sowohl nach den in den ersten eilf Articeln enthaltenen Bestimmungen, welche den Bundes-Verein im Sinne des obenangeführten Pariser Friedens-Tractats feststellen; als auch nach den weiteren, der Bundes-Acte in den folgenden Articeln 12 bis 20 durch besondere Uebereinkunft der verbündeten Mitglieder beigefügten Bestimmungen, welche, wenn sie zwar zum Zwecke des durch den Pariser Frieden festgesetzten Bundes-Vereins nicht erfordert werden, jedoch mit Unsern verfaßungsmäßig ausgesprochenen Grundsätzen vereinbarlich sind, beizutretten; als erklären Wir hiemit diesen Unsern unbedingten und vollkommenen Beitritt zu der mehrerwähnten Bundes-Acte und versprechen, dieselbe ihrem ganzen Innhalt nach zu vollziehen und vollziehen zu lassen. 1 Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815; vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1503–1518. 2 Erster Pariser Frieden vom 30. Mai 1814; vgl. QGDB I/1, Dok. 27, S. 153–168, hier S. 158 (Art. 6).

Nr. 49

Frankfurt am Main, 5. November 1816

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Zu dessen Bekräftigung haben Wir gegenwärtige Beitritts-Urkunde unter Unserer höchst eigenhändigen Unterschrift ausfertigen und derselben Unser größeres Königliches Innsiegel beydrucken lassen. Gegeben in Unserer Königlichen Residenz-Stadt Ludwigsburg den Ersten September im Jahr Christi Eintausend Achthundert Fünfzehen und Unserer Königlichen Regierung im Ze­henten. Friderich L. S.

Staats- und Conferenz-Minister, Minister der auswärtigen Angelegenheiten Graf von Wintzingerode Ad Mandatum Sacrae Regiae Majestatis proprium3 In Abwesenheit des Minister Staats Secrétaire der Staats Rath, Freyherr von Maucler4

49. Dänisch-holsteinische Erklärung über den Beitritt SachsenLauenburgs zum Deutschen Bund

ProtDBV 1816, 1. Sitzung vom 5. November 1816, § 3, S. 4−5. Erklärung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 1, 1817, S. 11−12; CJCG, Bd. 2, S. 16−17.

Erklärung des Königs von Dänemark, daß er neben dem Herzogtum Holstein auch mit dem Herzogtum Sachsen-Lauenburg dem Deutschen Bund beitrete.

Frankfurt am Main, 5. November 1816 Der königl. dänische, herzogl. holsteinische Herr Gesandte, Freyherr von ­Eyben1, übersendet der hohen Bundesversammlung seine neue, von Sr. Maje3 Lat.: Auf Spezialbefehl Seiner Heiligen Königlichen Majestät. Vgl. Schuler, Historisches Abkürzungslexikon, S. 246. 4 Paul Friedrich Theodor Eugen Freiherr von Maucler (1783–1859), württembergischer Staatsmann, 1803 Assessor und 1804 Rat bei der Oberlandesregierung in Ellwangen, 1806 Mitglied des Oberjustizkollegiums, 1808 Kreishauptmann in Ludwigsburg, 1810 Rat beim Obertribunal in Tübingen, 1811 Landvogt in Calw, 1812 Direktor des Kriminaltribunals in Esslingen, 1816 Hofkammerpräsident und Oberhofintendant, 1817 Geheimer Rat, 1818 Justizminister, 1831– 1848 Präsident des Geheimen Rats. Vgl. ADB, Bd. 20, S. 687 f.

1 Friedrich (Frederik) Freiherr (seit 1817 Graf) von Eyben (1770–1825), dänischer Diplomat, 1799 Geschäftsträger und 1804–1806 Komitialgesandter am Reichstag in Regensburg, 1805/06

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Bundesbeschluß über die Aufnahme des Landgrafen von Hessen-Homburg

Nr. 50

stät dem Könige von Dänemark unterfertigte Vollmacht vom 11. Oktober 1815 und zeigt schriftlich an: Daß Se. Majestät der König von Dänemark, seitdem Sie für das Herzog­ thum Holstein dem deutschen Bunde beygetreten seyen, den größten Theil des Herzogthums Sachsen-Lauenburg und dessen herzoglichen Titel erworben hätten. Allerhöchst Dieselben betrachten dieses seit den ältesten Zeiten zu dem deutschen Reichsverbande gehörende Land auch fortdauernd als ein eigenes deutsches Herzogthum, und hätten daher beschlossen, mit demselben gleich ihrem Herzogthume Holstein dem deutschen Bunde sich anzuschließen, beyde Herzogthümer mithin an allen Rechten und Vortheilen so wie an allen Lasten und Pflichten, die aus dieser Verbindung hervorgehen könnten, gleichen Antheil nehmen zu lassen. – Da nun einer der ersten Vorzüge deutscher Lande der sey, auf dem deutschen Bundestage repräsentirt zu werden, so hätten Allerhöchst Dieselben ihn auch für das Herzogthum Sachsen-Lauenburg zu bevollmächtigen geruht, und demselben anbefohlen, eine hohe Bundesversammlung zu ersuchen, ihn nicht allein auch in dieser Eigenschaft anzuerkennen, sondern auch hinführo die von ihm zu führende Stimme als für Holstein und Sachsen-Lauenburg abgegeben zu betrachten, und solche die holsteinische und sachsen-lauenburgische zu benennen.

50. Bundesbeschluß über die Aufnahme des Landgrafen von Hessen-Homburg in den Deutschen Bund

ProtDBV 1817, Plenarversammlung vom 7. Juli 1817, S. 611−614. Bundesbeschluß. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 3, S. 385−388; Sammlung der im Gebiete der inneren Staats-Verwaltung des Königreichs Baiern bestehenden Verordnungen, Bd. 20, S. 44; CJCG, Bd. 2, S. 51; Kotulla, Deutsches Verfassungs­recht 1806−1918, Bd. 1, S. 613 f.

Aufnahme des Landgrafen von Hessen-Homburg in den Deutschen Bund; das Stimmenverhältnis desselben in der Bundesversammlung wird einer weiteren Anordnung vorbehalten.

Frankfurt am Main, 7. Juli 1817 Präsidium: In Folge des der hohen Bundesversammlung bekannten Schreibens Seiner Durchlaucht des regierenden Herrn Landgrafen zu Hessen-Hom zugleich nassau-usingischer und nassau-weilburgischer Geschäftsträger ebd., 1810–1813 und 1814–1816 außerordentlicher Gesandter in Berlin, 1816–1825 Bundestagsgesandter in Frankfurt. Vgl. Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815–1963, S. 66; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 42–45, 52, 59, 255–257, 287; SBA I, 76, 143; Kneschke (Hrsg.), Neues allgemeines Deutsches Adels-Lexicon, Bd. 3, S. 178 f.

Nr. 50

Frankfurt am Main, 7. Juli 1817

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burg1, wodurch Ihr das angelegentliche Ersuchen dieses ehrwürdigen Herrn um seine wirkliche − ihm bereits von den souverainen Fürsten und freien Städten zugesicherte Aufnahme in den deutschen Bund geziemend vorgelegt worden ist, kann ich nur eine sehr angenehme Verpflichtung darin finden, sämmtliche vortreffliche Herren Gesandte hiemit zu ersuchen, Sich darüber zum Protokoll gefällig erklären zu wollen. Umfrage. [Es folgen die Abstimmungen der anwesenden Bundestagsgesandten] Präsidium zog aus den vorliegenden einhelligen Stimmen dieser PlenarVersammlung den Beschluß: Daß Seine Durchlaucht der regirende Herr Landgraf von Hessen-Homburg und das Landgräfliche Haus in den deutschen Bund aufgenommen, das ­Stimmenverhältniß desselben aber einer weiteren Anordnung vorbehalten werde.2

1 Fehlt in den Akten. 2 Das geschah erst durch Bundesbeschluß vom 17. Mai 1838 (ProtDBV 1838, 8. Sitzung vom 17. Mai 1838, § 113, S. 304−307, hier S. 306 f.). Hessen-Homburg erhielt danach im Plenum der Bundesversammlung eine Stimme und, unbeschadet seines Ranges, den Platz vor den Freien Städten zugewiesen. Der Landgraf von Hessen-Homburg wurde zugleich aufgefordert, sich im Engeren Rat den Fürsten der 16. Kurie anzuschließen, d. h. um Aufnahme in diese Kurie zu bitten und mit den anderen Kurienmitgliedern die notwendigen Abmachungen über deren innere Organisation zu treffen. Da eine solche Übereinkunft erst am 25. Juli 1842 stande kam, erschien Hessen-Homburg erstmals im Protokoll der Sitzung vom 9. September 1842 in der Liste der Staaten des Deutschen Bundes (ProtDBV 1842, 25. Sitzung vom 9. September 1842, § 268, S. 596 f.). Die Selbstüberschätzung der Landgrafen, die mit Hilfe der beiden deutschen Großmächte einen vorderen Rang unter den kleineren alt- und neufürstlichen Häusern zu erringen gehofft und sich deshalb lange Zeit standhaft geweigert hatten, einen Aufnahmeantrag in die 16. Kurie zu stellen, führte im Zusammenspiel mit Versuchen Österreichs und Preußens, durch eine herausgehobene Plazierung Hessen-Homburgs in der 16. Kurie Einfluß auf deren Abstimmungsverhalten zu nehmen, zu der kuriosen Situation, daß Hessen-Homburg erst 25 Jahre nach seiner Aufnahme in den Deutschen Bund seinen Platz im Engeren Rat der Bundesversammlung einnehmen konnte. Vgl. dazu ausführlich, wenn auch etwas weitschweifig Thomsen, Die Bemühungen Hessen-Homburgs um Sitz und Stimme im Bundestag, der allerdings die Einflußnahmen des Wiener und Berliner Hofs fast vollständig ausblendet, weil er die einschlägigen Aktenbestände nicht berücksichtigt hat. Vgl. dazu v. a. GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 118, I, Nr. 2 und III, Nr. 2; GStAPK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 1950; HHStA Wien, St. K., Deutsche Akten (alte Reihe), Kart. 151, Fasz. 76 (alt), Konv. 1.

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Österreichische Erklärung über die zum Deutschen Bund gehörenden Provinzen Nr. 51

51. Österreichische Erklärung über die zum Deutschen Bund gehörenden Provinzen und Gebiete der österreichischen Monarchie

ProtDBV 1818, 15. Sitzung vom 6. April 1818, § 77, S. 202−203. Erklärung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 5, 1818, S. 122−123; CJCG, Bd. 2, S. 62−63.

Beschränktere Anwendung des Artikels 1 der Deutschen Bundesakte: Verzicht auf die Einbeziehung der Lombardei in den Deutschen Bund trotz ihrer staatsrechtlichen Verhältnisse zum vormaligen deutschen Reich, um die Verteidigungslinie des Bundes nicht über die Alpen ausdehnen zu müssen. Auflistung der zum Deutschen Bund gehörenden Länder und Provinzen der österreichischen Monarchie. Eingedenk des seit Jahrhunderten bewiesenen Interesses am Gesamtwohl Deutschlands werde Österreich auch als europäische Macht von den freundschaftlichsten Gesinnungen für den Deutschen Bund beseelt bleiben.

Frankfurt am Main, 6. April 1818 Da es bei der jetzt zu entwerfenden Matrikel des deutschen Bundes nothwendig ist, daß die Länder, welche zum Bunde gehören, namentlich angeführt werden, so ist die Kaiserlich-Oesterreichische Gesandtschaft beauftragt, die folgende Erklärung zu Protokoll zu geben: Seine Majestät der Kaiser finden die, Ihre Länder betreffende Entscheidung in dem Artikel I der deutschen Bundesakte1 (dem Artikel LIII der Congreßacte2). Er enthält: „daß des Kaisers von Oesterreich Majestät für Ihre gesammten, vormals zum deutschen Reich gehörigen Besitzungen dem deutschen Bunde beitreten.“ Allerhöchstdieselben stellen demnach vermöge dieses Artikels und unter Beziehung auf den Artikel LI3, in so ferne die in ihm begriffenen Besitzungen nicht durch spätere Verträge von Seiner Majestät abgetreten worden sind, diejenigen Provinzen und Theile der Oesterreichischen Monarchie zum deutschen Bunde, welche vormals eingekreiste oder nicht eingekreiste Reichslande waren, und sich jetzt in Allerhöchstdero tractatenmäsigen Besitz befinden. Obgleich seine Majestät in Berücksichtigung des bekannten staatsrechtlichen Verhältnisses der vormaligen Lombardei4 zum damaligen Reiche, auch diese, in strenger Folge des Artikels I der Bundesacte, in die Reihe der jetzt zum deutschen Bunde gehörenden Theile der Oesterreichischen Monarchie aufnehmen könnten; so ziehen jedoch Seine Majestät vor, den erwähnten ­Artikel I nicht in dieser streng begründeten Ausdehnung aufzufassen. Seine 1 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508. 2 Vgl. Acte du Congrès de Vienne du 9 Juin 1815, avec ses annexes, S. 45 f. 3 Vgl. ebd. S. 45. 4 Emendiert. Vorlage: Lombardie.

Nr. 51

Frankfurt am Main, 6. April 1818

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Majestät wünschen andurch dem deutschen Bunde zu bewähren, wie wenig es in Ihrer Absicht liege, dessen Vertheidigungslinie über die Alpen auszudehnen. Der Kaiser hält sich daher nur an die beschränktere Anwendung des Artikels I der Bundesacte; auf diese Grundlage gestützt, sehen Seine Majestät folgende Provinzen und Theile der Oesterreichischen Monarchie eben so zum deutschen Bunde gehörend an, als Allerhöchstdieselben das gesammte übrige Gebiet der Monarchie als ausser dem Bunde betrachten. Die Oesterreichischen Länder und Provinzen, welche Seine Majestät zu dem deutschen Bunde rechnen, sind demnach die folgenden: 1. das Erzherzogthum Oesterreich; 2. das Herzogthum Steiermark; 3. das Herzogthum Kärnten; 4. das Herzogthum Krain; 5. das Oesterreichische Friaul, oder der Görzer Kreis (Görz, Gradiska, Tolmein, Flitsch und Aquilea); 6. das Gebiet der Stadt Triest; 7. die gefürstete Grafschaft Tyrol, mit den Gebieten von Trient und Brixen, dann Vorarlberg, mit Ausschluß von Weiler; 8. das Herzogthum Salzburg; 9. das Königreich Böhmen; 10. das Markgrafthum Mähren; 11. der Oesterreichische Antheil an dem Herzogthume Schlesien, mit Inbegriff der Böhmisch-Schlesischen Herzogthümer Auschwitz und Zator; 12. Hohen-Geroldseck. Seine Majestät ergreifen mit Vergnügen diese Veranlassung, dem Bunde die Versicherung zu erneuern, wie AllerhöchstSie – im treuen Andenken des von Ihrem Kaiserhause durch Jahrhunderte bewiesenen Interesse an dem Gesammtwohl Deutschlands – auch als Europäische Macht stets von den freundschaftlichsten Gesinnungen für den Bund beseelt bleiben werden.

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Himly an Hardenberg

Nr. 52

52. Himly1 an Hardenberg

GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 360. Bericht. Paraphiertes Reinkonzept.2

Die österreichische Erklärung über die zum Deutschen Bund gehörenden Provinzen der Monarchie bietet keine Stütze für die geplante Einbeziehung Schlesiens in den Bund. Die ausgeschlossenen lombardischen Provinzen, die vormals mit Deutschland verknüpft waren, sind kein zur deutschen Nation gehöriges Land, während eine Ausscheidung Schlesiens aus dem Deutschen Bund in der Bevölkerung mit Befremden registriert werden würde.

Frankfurt am Main, 16. April 1818 Die im Protokoll der 15ten Sitzung enthaltene3 Oesterreichische Erklärung über die zum Bunde zu rechnenden Oestreichischen Provinzen4 giebt, näher betrachtet, eine Vergleichung mit der diesseits beabsichtigten Einbegreifung Schlesiens an die Hand, nach welcher, sobald dieselbe aufgefaßt wird, diese Absicht gerade nicht als begünstigt erscheinen möchte, welcher Vergleichung jedoch mit sehr wesentlichen Gründen begegnet werden kann. Die Oestreichische Erklärung zählt zwar zu den Bundestheilen stillschweigend auch ihrerseits ein kleines vormals gallizisches Gebiet5; sie benennt es aber als böhmisch-schlesisch; eine Bezeichnung, nach welcher dieses kleine Gebietsstück als ein nichtdeutsches gar nicht erscheint, da Oestreich seinen schlesischen Antheil stets als durch Böhmen mit dem Reiche verbunden betrachtet hat. Dagegen wird die Entsagung auf Mitbegreifung der Lombardischen Provinzen und auf Erstreckung der Defensionslinie über die Alpen, als eine Gunst der Entschließung geltend gemacht, nach welcher man schlechthin bei der zu Wien geschehenen Zusage: nur vormals deutsche Bestandtheile 1 Johann Friedrich Wilhelm Himly (1769−1831), preußischer Beamter und Pädagoge, Studium in Helmstedt und Göttingen, 1793−1795 Legationssekretär beim preußischen Gesandten von Dohm in Köln, 1795 Übersiedlung mit Dohm nach Halberstadt, 1800 Geheimer expedierender Sekretär mit dem Titel eines Kriegsrats im Kabinettsministerium bzw. Außenministerium in Berlin, später Geheimer Kriegsrat ebd., ab 1810 zugleich Mitglied des Lehrkörpers der Berliner Universität und erster Privatdozent für Pädagogik, 1809−1813 Zensor im Außenministerium, 1813 Mitarbeiter der Regierungskommission, 1815 Geheimer Legationssekretär, 1817 Geheimer Legationsrat bei der Bundestagsgesandtschaft in Frankfurt, 1820−1825 Ministerresident bei der Stadt Frankfurt, 1825 Pensionierung. Vgl. DBA  I, 539, 212−220; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 315; Kemnitz, Johann Friedrich Himly, S. 20−22. 2 Die Vorlage trägt auf der ersten Seite oben rechts den Kanzleivermerk von anderer Hand: „Mundirt und abgegangen, den 18ten April 1818.“ 3 Emendiert. Vorlage: enthaltenen 4 Vgl. Dok. 51. 5 Auschwitz und Zator. Zu beiden Territorien vgl. Köbler, Historisches Lexikon der deutschen Länder, S. 29 u. 744.

Nr. 52

Frankfurt am Main, 16. April 1818

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zum Bunde geben zu wollen, verbleibe, und dieselbe „mit dem Ausschluß jener im weiteren Sinne mit Deutschland verbunden gewesenen Provinzen“ noch in vermehrtem Maaße befolge. Es ist aber dagegen zu sagen, daß, wie hinreichend bekannt, schon eine Reihe von Jahrhunderten, von der vormaligen Verknüpfung Deutschlands mit Italien nichts übrig gelassen hat, worauf Oestreichischer Seits eine dermalige Einbegreifung Italiänischer Provinzen irgend zu gründen gewesen wäre, so wie dieselbe denn auch dem dermalen bezweckten nicht bloß äußern und formellen, (altpublizistischen) sondern innern und materiellen Verbande durch gemeinsame Nationalität, völlig widersprochen haben, und etwas ganz Unstatthaftes verlangt seyn würde, wenn eine Mitaufnahme Italienischer Provinzen hätte begehrt werden wollen. Unter diesen Umständen kann man sich also zwar einerseits nicht verhehlen, daß, die Oestreichische Entschließung, näher betrachtet, gerade zu keiner Stütze der diesseitigen Absicht, Schlesien mit einzubegreifen, dienen kann. Eben so wenig ist aber auch die diesseitige Absicht: ein deutschnationales Land mit einzubegreifen, mit der Oestreichischen Entsagung auf Einbegreifung eines fremd-nationalen Landes in reelle Vergleichung zu stellen. Und da freilich Preussen seit der Erwerbung Schlesiens die früher, und unter Oestreich durch Anschluß an Böhmen stattgehabte formelle Verbindung seinerseits abgebrochen, und Schlesien als völlig souverain behauptet hat; so sind diejenigen Beweggründe, die sich aus jener offenliegenden Natur der Sache und der Verhältnisse ergeben, auch ohne Zweifel die entscheidenden. Und es mag nach ihnen wohl dreist behauptet werden, daß die Ausscheidung Schlesiens von dem jetzt zu consolidirenden, ganz neu gearteten und nationell-deutschen Verein, ein Ereigniß wäre, welches die Provinz Schlesien, in der Masse denkender und urtheilender Bewohner, in gleicher Art, wie das übrige Deutschland sehr befremden, vielleicht selbst beunruhigen würde. So wie übrigens die hier bereits früher Stattgehabte commissarische Matrikular-Arbeit in ihrer niemals näher angezeigten doppelten Einrichtung auf Mitbegreifung und Nichtmitbegreifung Schlesiens, den Beweis davon ablegt, wird auch eine auf erstere beschränkte diesseitige Absicht schwerlich noch irgend einer Schwierigkeit ausgesetzt seyn. Und was ich so eben über die tiefe Natürlichkeit einer solchen Verbindung bemerkt habe, und über das Befremdliche der Scheidung, scheint von Anfang an auch hier vollkommen empfunden, und kann nur durch wenig begründete Reminiscenzen aus dem veralteten Stande deutscher Verhältnisse verdunkelt werden. H[imly]

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Hardenberg an Goltz

Nr. 53

53. Hardenberg an Goltz

GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 360. Weisung. Behändigte Ausfertigung.

[a) Weisung] Entscheidung des Königs über die zum Deutschen Bund gehörigen Provinzen der preußischen Monarchie. Abgabe einer entsprechenden Erklärung in der Bundesversammlung durch Goltz. Übersendung eines Bevölkerungsverzeichnisses der deutschen Provinzen des preußischen Staats zur Regulierung der Bundesmatrikel.

Berlin, 24. April 1818 Gleich nach meiner Rückkunft in Berlin habe ich die Bestimmung Seiner Majestät des Königs in Ansehung derjenigen Provinzen der Preußischen Monarchie welche zum Deutschen Bunde, nach dem 1sten Artikel der BundesActe1 gehören sollen, eingeholt, und übersende Ew. Excellenz demzufolge das beikommende Verzeichniß, in welchem die Bevölkerung nach polizeylichen Zählungen vom Jahr 1816 angenommen ist. Es ist in diesem Verzeichniß sowohl Schlesien mit der Grafschaft Glatz als auch der an uns abgetretene Theil der Lausitzen mit inbegriffen, nachdem Seine Majestät der König Sich hierüber gegen mich auszusprechen geruhet haben. Ich ersuche nunmehr Ew. Excellenz, auf den Grund des gedachten Verzeichnißes, Ihre Erklärung behufs der Regulirung der Bundes-Matrikel, an die Bundes-Versammlung gefälligst abzugeben.2 C. F. Hardenberg [b) Anlage] Verzeichnis3 der Bevölkerung der deutschen Provinzen des Preussischen Staats Pommern . . . . . . . . . Brandenburg . . . . . . . Schlesien . . . . . . . . . Sachsen . . . . . . . . . . Westphalen . . . . . . . . Kleve-Berg . . . . . . . . Niederrhein . . . . . . . Summa 1 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508. 2 Vgl. Dok. 54. 3 Emendiert. Vorlage: Verzeichnitz.

671 361 1 254 176 1 914 125 1 180 413 1 057 659 912 554 933 151 7 923 439

Nr. 54

Frankfurt am Main, 4. Mai 1818

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54. Preußische Erklärung über die zum Deutschen Bund gehörenden Länder der preußischen Monarchie

ProtDBV 1818, 22. Sitzung vom 4. Mai 1818, § 105, S. 265−266. Erklärung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 5, 1818, S. 215−216; CJCG, Bd. 2, S. 63 (Teildruck).

Beratungen und Beschluß über die allgemeinen Grundsätze der künftigen Militärverfassung des Deutschen Bundes. Um die Entwicklung der inneren Kraft des Bundes zu fördern, will sich Preußen mit allen seinen nachfolgend aufgeführten deutschen Provinzen, die schon im Reichsverband standen und durch Sitte, Sprache und Gesetze, überhaupt durch Nationalität mit Deutschland verknüpft sind, dem Deutschen Bund anschließen: Pommern, Brandenburg, Schlesien, Sachsen, Westfalen, Kleve, Berg und Niederrhein.

Frankfurt am Main, 4. Mai 1818 Seine Majestät der König haben mit dem lebhaftesten Interesse aus der einmüthigen Annahme des in der 16. Sitzung vorgelegten Beschlusses über die allgemeinen Grundsätze der künftigen Militär-Verfassung des deutschen Bundes1, die Ueberzeugung entnommen, daß die Wichtigkeit eines auf sicheren, politisch und militärisch wohlberechneten Grundlagen errichteten Vertheidigungs-Systems, von allen Bundesstaaten gleichmäßig anerkannt wird, – und gründen hierauf die Hoffnung, daß auch die nur in einzelnen Beziehungen vielleicht noch obwaltende Verschiedenheit der Ansichten, rücksichtlich der näheren Entwickelung und Anwendung dieser ersteren Grundzüge, nicht minder durch den so zweckmäsig eingeleiteten Zusammentritt eines zu Erörterung dieses Gegenstandes von der Bundesversammlung ernannten Ausschusses, unter Zuziehung des ihm beigeordneten Militär-Comité’s2, zu dem erfreulichen Resultate einer, die allgemeine Erwartung möglichst befriedigenden Einigung geführt werden wird. Seine Majestät der König lassen der wohlwollenden Absicht, in welcher Seine Majestät der Kaiser von Oesterreich den erwünschten Erfolg dieser Berathungen zu begünstigen beweisen, dankvolle Gerechtigkeit widerfahren, – und mit Allerhöchstdenenselben über die Dringlichkeit der zweckmäßigsten Ausbildung einer dem Interesse der einzelnen Bundesstaaten, so wie dem Be1 Vgl. ProtDBV 1818, 16. Sitzung vom 9. April 1818, § 84, S. 219−221. 2 Das aus elf Mitgliedern bestehende Militärkomitee der Bundesversammlung erhielt im April 1818 den Auftrag, den Bundestagsausschuß für Militärangelegenheiten bei der Ausarbeitung der Bundeskriegsverfassung in militärisch-technischen Fragen zu beraten. Nach Beendigung seiner Tätigkeit wurde es am 12. Oktober 1818 aufgelöst. An seine Stelle trat durch Bundesbeschluß vom 15. März 1819 die Bundesmilitärkommission als ständige Einrichtung. Vgl. Angelow, Von Wien nach Königgrätz, S. 51; Keul, Die Bundesmilitärkommission (1819−1866) als politisches Gremium, S. 27 u. 77−79.

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Preußische Erklärung über die zum Deutschen Bund gehörenden Länder

Nr. 54

dürfnisse und der Sicherheit der Gesammtheit derselben entsprechenden Militär-Verfassung vollkommen einverstanden, haben auch Seine Königliche Majestät denen zuletzt von der hohen Bundesversammlung gefaßten, dahin abzweckenden Beschlüssen gern Ihre unbedingte Zustimmung ertheilt. Allerhöchstdieselben glauben, daß Sie Ihre fernere aufrichtige Theilnahme an Allem, was Deutschlands künftige Ruhe zu begründen und die höchste Entwickelung seiner inneren Kraft zu befördern verspricht, nicht besser ­bethätigen können, als indem Sie Sich zu diesem Zwecke dem deutschen Staatenvereine mit allen denen deutschen Provinzen Ihrer Monarchie anschlie­s­sen, welche ursprünglich schon im Reichs-Verbande standen, und durch Sprache, Sitten und Gesetze, überhaupt durch Nationalität mit Deutschland verknüpft sind, – und haben mich daher ermächtigt, bei der jetzt vor­ liegenden Veranlassung der Festsetzung der Bundes-Matrikel hierdurch zu erklären: daß seine Majestät der König nachstehende Provinzen der Preussischen Monarchie, Pommern, Brandenburg, Schlesien, Sachsen, Westphalen, Cleve, Berg und Niederrhein, als zum deutschen Bunde gehörend, betrachten und demselben damit beitreten.

2. Organisation und Arbeitsweise der Deutschen Bundesversammlung

Nr. 55

Ludwigslust, 6. Oktober 1815

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55. Vertrag zwischen Mecklenburg-Schwerin und MecklenburgStrelitz über die Stimmführung am Deutschen Bundestag

LHA Schwerin, 1.2: Land und Haus, Strelitzisches Archiv, Nr. 157c. Vertrag. Behändigte Ausfertigung.

Modalitäten der Führung der gemeinsamen Stimme im Engeren Rat sowie im Plenum der Deutschen Bundesversammlung. Form der Berichterstattung sowie Aufteilung der Kosten der gemeinschaftlichen Bundestagsgesandtschaft.

Ludwigslust, 6. Oktober 1815 Zwischen den dazu bevollmächtigten unterzeichneten Ministern der beiden Allerdurchlauchtigsten Großherzöge von Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz, dem Geheimen Raths Präsidenten von Brandenstein1 und dem Minister von Plessen2 einer-, und dem Minister von Oerzen3 anderer Seits, ist wegen des gegenseitigen Verhältnisses beider Allerdurchlauchtigsten Großherzoglichen Häuser gegen einander in Bezug auf den deutschen Bundes 1 August Georg von Brandenstein (1755–1836), mecklenburg-schwerinischer Staatsmann, Studium der Rechte in Göttingen, 1774 Hofjunker, 1778 Auditor bei der Justizkanzlei in Schwerin, 1780 Kanzleirat, 1782 Justizrat, 1785 Kammerherr, 1788 Rat bei der Regierung und Lehenkammer ebd., 1800 Geheimer Rat und zweiter Staatsminister, 1808 Erster Staatsminister, Präsident des Geheimen Rats und des Regierungskollegiums. Vgl. DBA I, 134, 120–126; Grewolls, Wer war wer in Mecklenburg-Vorpommern, S. 64. 2 Leopold Engelke Hartwig von Plessen (1769–1837), mecklenburg-schwerinischer Staatsmann, 1785–1789 Studium der Rechte in Rostock und Göttingen, 1790 Referendar bei der preußischen Kriegs- und Domänenkammer in Berlin, 1793–1797 Auditor bei der Landeskam­mer in Schwerin mit dem Titel eines Drosten, 1796 Kammerherr, 1802–1806 Gesandter MecklenburgSchwe­rins und Mecklenburg-Strelitz’ beim Reichstag in Regens­burg und Ernennung in dieser Zeit zum Geheimen Rat, 1807 Wirklicher Geheimer Rat und dritter Staatsminister, 1808 zweiter Staatsminister, 1814/15 Bevollmächtigter Mecklenburg-Schwerins auf dem Wiener Kongreß, 1815–1820 Bundestagsgesandter beider Mecklenburg in Frankfurt am Main, 1819/20 Bevollmächtigter beider Mecklenburg bei den Karlsbader und Wiener Ministerialkonferenzen, 1820 Staatsminister, 1836 Präsident des Geheimen Rats und Erster Staatsminister. Vgl. ADB, Bd. 26, S. 272–276; DBE, Bd. 7, S. 694; DBA I, 965, 94–115; Hirschfeld, Ein Staatsmann der alten Schule; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 267; Grewolls, Wer war wer in Mecklenburg-Vorpommern, S. 334. 3 August Otto Ernst von Oertzen (1777–1837), mecklenburg-strelitzscher Staatsmann, ab 1796 Studium der Rechte in Göttingen und Jena, 1798 Kammerjunker und Auditor bei der Justizkanzlei in Neustrelitz, 1800 wirklicher Kanzleirat und Referendar bei der Landesregierung, 1804 Regierungsrat, 1807 zugleich Lehnrat bei der Lehnkammer, 1810 wirklicher Staatsminis­ ter und Regierungspräsident, 1814/15 Bevollmächtigter Mecklenburg-Strelitz’ auf dem Wiener Kongreß, 1831 Präsident des Kammer- und Forstkollegiums. Vgl. NDB, Bd. 19, S. 453; DBA I, 913, 3–7; Selle, Matrikel der Georg August-Universität Göttingen 1737–1837, Nr. 17643; Grewolls, Wer war wer in Mecklenburg-Vorpommern, S. 312; Pettke (Hrsg.), Biographisches Lexikon für Mecklenburg, Bd. 4, S. 199−202.

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Vertrag zwischen Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz

Nr. 55

Tag, unter Voraussetzung der allerhöchsten Genehmigung und Bestätigung ihrer allergnädigsten Herren Königlichen Hoheiten, folgendes verabredet und festgesetzt. § 1. Im festen Vertrauen auf die bisherige Freundschaft beider so nahe verwandten Großherzoglichen Häuser, und in der Ueberzeugung, daß ihr beiderseitiges Interesse nicht verschieden seyn kann, wollen sich beide über die Person eines zum Bundes Tage abzusendenden gemeinschaftlichen Gesandten vereinbaren. § 2. So wie auch dessen Instruction, nach welcher er sich bey Abgabe, sowohl der gemeinsamen Stimme im Engern Rath; als der einzelnen Stimmen für jedes Großherzogliche Haus, im Pleno, nach vorkommenden Umständen zu verhalten hat, gemeinschaftlich verabredet werden soll, wobey MecklenburgSchwerin den Entwurf tempestive4 vorlegt, und nach getroffener Vereinbahrung die Instruction von jedem Hofe gleich lautend ausgefertigt wird. § 3. Steht nun gleich, nach vorgesagtem, mit Zuversicht zu hoffen, daß nicht leicht eine nicht zu hebende Verschiedenheit, oder gar eine entgegengesetzte Meinung beider Höfe, bey den in speciellen Fällen erfordert werdenden besondern Instructionen entstehen wird; dennoch aber die Möglichkeit eines solchen Falles vorkommen könnte; so ist auf solchen Fall verabredet und hiermit festgesetzt, daß alsdenn ein Turnus eintrit, nach welchem zweymal hinter einander die Meinung des Großherzoglich Mecklenburg-Schwerinschen, und einmal die Meinung des Großherzoglich-Strelitzschen Hofes entscheiden, und ietzt die beiden ersten Fälle für den erstern, der dritte aber allemahl für letztern seyn sollen, nach Verhältniß der Vertheilung der drey Stimmen unter beiden Häusern, wenn die Bundes Versammlung sich zu einem Pleno constituirt. § 4. Nach eben dem Verhältniß werden von beiden Höfen die Kosten der gesammten Mißion getragen, nemlich von Mecklenburg-Schwerin 2/3 und von Mecklenburg-Strelitz 1/3 des Ganzen. 4 Tempestiv (von lat. tempestivum): rechtzeitig. Vgl. Campe, Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen Ausdrücke, S. 583.

Nr. 56

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Frankfurt am Main, 2. April 1816

Diesem zu Urkund haben alle drey genannte Minister diese Vereinbahrung eigenhändig unterschrieben und besiegelt, und versprechen, die Auswechselung der Ratificationen ihrer allergnädigsten Herren binnen acht Tagen zu ­bewürken.

A. G. Brandenstein (L. S.)

L. H. Plessen (L. S.)

A. v. Oertzen (L. S.)

56. Vertrag über die Einrichtung und Stimmführung der 16. Kuriatstimme in der Bundesversammlung

(a) StA Bückeburg, L 3. Bg. Nr. 1a, fol. 143–146’. Vertrag. Behändigte Ausfertigung. – (b) GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 118, I, Nr. 6. Von Wiese1 beglaubigte Abschrift.

Die fürstlichen Häuser Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern Sigmaringen, Liechtenstein, Reuß älterer Linie, Reuß jüngerer Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe und Waldeck sind zur Führung einer gemeinschaftlichen Stimme in der Bundesversammlung vereinigt worden und nehmen hieran mit gleichen Rechten teil. Ablehnung eines alternierenden Direktoriums, da dies die Gleichheit der Mitglieder aufheben würde. Instruktionen für den gemeinschaftlichen Bundestagsgesandten: Form der Berichterstattung, der Bildung und Ablegung des Gesamtvotums in der Bundesversammlung; Vorkehrungen zur Auflösung interner Pattsituationen (u. a. alternierendes Votum decisivum der Kurienmitglieder); Verhaltensmaßregeln für den Fall, daß aus zeitlichen Gründen eine Instruktionseinholung nicht möglich ist; Abgabe von Sondervoten einzelner Kurienmitglieder im Bundestag. Bestimmungen über die Auswahl und Ernennung des gemeinschaftlichen Bundestagsgesandten und des Legationssekretärs. Aufteilung der Gesandtschaftskosten zu gleichen Teilen unter den acht Mitgliedsstaaten. Entwurf einer gleichlautenden Vollmacht für den gemeinschaftlichen Bundestagsgesandten.

Frankfurt am Main, 2. April 1816 Da die Fürstlichen Häuser Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Siegmaringen, Lichtenstein, Reuß älterer Linie, Reuß jüngerer Linie, SchaumburgLippe, Lippe und Waldeck, durch die deutsche Bundesacte vom 8ten Juny

1 Georg Walther Vinzenz (seit 1807) von Wiese (1769–1824), reußischer Staatsmann, ab 1786 Studium der Rechte in Rostock und Göttingen, 1791 Privatdozent in Göttingen, 1793 zweiter Hof- und Justizrat in Gera, 1800 erster Hofrat ebd., 1806 Vizekanzler der reußischen Gesamtregierung in Gera, 1814/15 Bevollmächtigter des Gesamthauses Reuß sowie Liechtensteins auf dem Wiener Kongreß, 1822 Geheimer Rat, Kanzler und Konsistorialpräsident in Gera. Vgl. ADB, Bd. 42, S. 429 f.; DBA I, 1367, 43–52; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 347; Frank, Stan­des­erhebungen und Gnadenakte, Bd. 5, S. 218.

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Vertrag über die Einrichtung und Stimmführung der 16. Kuriatstimme

Nr. 56

18152 zu Führung einer gemeinschaftlichen Stimme in der Bundesversammlung vereinigt worden und alle hieran mit gleichen Rechten Theil nehmen, ein, auch alternirendes Directorium aber nicht nur diese Gleichheit aufheben, sondern auch die schleunigen Instructionen des anzustellenden gemeinschaftlichen Bundesversammlungs-Gesandten hemmen, und indem das Directo­ rium lediglich in der Zusammenstellung der einzelnen Abstimmungen wirksam werden könnte, den einzelnen Häusern nur lästig und durch die nöthigen ­Correspondenzen die Geschäfte unnöthig vermehrend seyn würde; so haben obengenannte Fürstliche Häuser vorläufig und bis die Erfahrung darüber die etwa nöthigen Abänderungen an die Hand geben wird, sich vereinigt, dem gemeinschaftlich bey der Bundesversammlung anzustellenden Gesandten künftig ihre Stimme-Äusserungen Jedes unmittelbar über alle einzelne Bera­ thungs-Gegenstände zugehen zu lassen, und denselben über die Führung ihrer gemeinschaftlichen Stimme in der Bundesversammlung mit nachfolgender gemeinschaftlicher Instruction als Richtschnur seines Verhaltens zu versehen: 1. Hat der gemeinschaftliche Gesandte über alle bey der Bundesversammlung vorkommende Anträge, Vorschläge und Ereigniße jederzeit sogleich, insonderheit aber alsdann, wenn Instructionen zu ertheilen sind, aufs schleunigste zu berichten, und im letztern Fall sein motivirtes Gutachten beyzufügen, nicht weniger die Protocolle der Bundesversammlung mit ihren Beylagen, merkwürdige Erklärungen einzelner Bundesglieder, Deductionen u. d. m. promt einzuschicken. Demnächst hat derselbe den Eingang der einzelnen Fürstlichen Stimm-Äus­serungen jedesmal so lange, als das Protocoll zur Ablegung der Stimme offen erhalten werden kann, abzuwarten. 2. Hat derselbe sodann nach der Stimmenmehrheit der empfangenen einzelnen Instructionen, ohne Rücksicht auf die etwa rückständig verbliebenen die gemeinschaftliche Stimme zur Ablegung in der Bundesversammlung auszuarbeiten. 3. Dabey hat derselbe soviel möglich den Wortausdruck der empfangenen einzelnen Instructionen beyzubehalten, und zu vereinigen, und jedesmal nach abgelegter Stimme in der Bundesversammlung dieselbe mit abschriftlicher Beyfügung aller empfangenen Instructionen, unter Bemerkung der Empfangszeit an alle einzelne Fürstliche Häuser einzusenden. 4. Wenn eine Stimmengleichheit erfolgt seyn sollte; so hat derselbe soferne die Sache und der Beschluß der Bundesversammlung Aufschub leidet, sich pro non instructo3 zu erklären, und unter abschriftlicher Beylegung der ein­ gegangenen Instructionen allen einzelnen Fürstlichen Häusern dieses schleunigst, und nach den Umständen durch Stafette einzuberich­ ten, und zum 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1503−1518, hier S. 1509 (Art. 4). 3 Lat.: für nicht instruiert.

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­ ehuf einer baldigen Vereinigung um unverweilte anderweite Instruction zu B ersuchen. 5. Soferne die Sache und der Beschluß der Bundesversammlung keinen Aufschub leidet und bey eingetretener Stimmengleichheit die eine Hälfte der Stimme mit der in der Bundesversammlung schon geäusserten Stimmenmehrheit übereinstimmend ist; so hat derselbe durch die gemeinschaftliche Stimme sich majoribus zu conformiren. 6. Dasselbe hat er auch zu beobachten wenn in dem § 4 gedachten Fall die wiederholt eingehenden Instructionen der einzelnen Fürstlichen Häuser die Stimmengleichheit nicht ändern und dadurch unter ihnen keine Stimmenmehrheit bewirkt wird. 7. Sollte in der Bundesversammlung keine Stimmenmehrheit sich zeigen, und auch unter den in dieser Curie sich vereinigten Fürstlichen Häusern eine Stimmengleichheit fortdauernd eintreten; so soll nach der Reihefolge, in welcher die einzelnen Fürstlichen Häuser im Eingange dieses Vertrags aufgeführt sind, ein votum decisivum4 unter denselben alterniren, welches der Gesandte aus den eingegangenen Instructionen sofort zu entnehmen und darnach das Gesammt votum abzugeben. 8. Sollte aus den einzelnen Fürstlichen Instructionen sich mehr als zwey divergirende, unter sich unvereinbarliche Meynungen ergeben, gleichwohl eine absolute Majorität von fünf votis vorhanden seyn; so hat er derselben, ohne weitere Berücksichtigung der abweichenden Stimm-Äusserungen sofort lediglich nachzugehen; fehlt es aber solchenfalls an einer absoluten StimmenMehrheit, so hat er zwar hier auch die Vorschriften der §§ 4, 5, 6 zu beobachten; fehlt es aber in der Bundesversammlung an einer schon entschiedenen Stimmen-Mehrheit und bey dieser Curie selbst wegen drey- oder mehrfältiger Divergenz der Stimmäusserungen an einer Parität der Stimmen so soll zuvörderst die relative Majorität von Vier harmonirenden votis gegen die übrigen auf 2 oder 3 abweichende Äusserungen antragenden Vota entscheiden; falls aber solche Majorität auch nicht zu erzielen stände, das alternirende votum decisivum (§ 7) soferne in Kraft treten, als es bey mangelnder absoluter oder obenbestimmter relativer Majorität, wenigstens noch von 2 Fürstlichen Votis unterstützt wird. Sollte der Hof, welchem nach dem Turnus das Votum decisivum vorkommenden Falls zusteht, nicht sofort solche Majorität formiren, also nur noch eine Stimme für sich haben, und die übrigen Fürstlichen Häuser sich je zu 3 in zwey gleiche Meynungen theilen; so hat derselbe sich für Eine der von 3 andern Höfen placidirten Meynungen zu entscheiden und derselbe also den Ausschlag zu geben, oder sein votum decisivum dem im Turnus 4 Lat.: entscheidende Stimme. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 302.

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Vertrag über die Einrichtung und Stimmführung der 16. Kuriatstimme

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nachfolgenden jedoch nicht mit ihm stimmenden Hofe für dasmal zu überlassen. 9. Sollte der Fall eintreten, welchen jedoch der Gesandte nach Vermögen abzulehnen und zu verhindern hat, daß von Seiten der Bundesversammlung, eine so schleunige Berathung und Beschlußnahme nöthig gefunden würde, daß eine Instructions-Einholung selbst bey allen übrigen Gesandten unmöglich bliebe; so hat der gemeinschaftliche Gesandte hiebey zwar nach seinen besten Einsichten und Gewissen sich zu äußern, jedoch dabey so viel möglich zu berücksichtigen, daß bey den zu fassenden Beschlüssen Alles vermieden und gehindert werde, wodurch a) die äußere Sicherheit und politische Existenz des Bundes im Ganzen, oder der einzelne Bundesstaaten in Gefahr kommen und beeinträchtiget, oder b) die Gleichheit der Rechte und Pflichten der einzelnen Bundesstaaten und ihre gegenseitige Unabhängigkeit beschränkt, oder c) sonst den ihm bekannten Special-Interessen Eines oder Mehrerer der hier verbundenen Fürstlichen Häuser besonders nachtheilige Verfügungen beliebt werden könnten. 10. Soferne ein einzelnes Fürstliches Haus den Vortrag seiner Stimmäusserung, oder einzelner Abschnitte derselben in der Bundesversammlung auch für den Fall, daß dieselbe nicht mit der Stimmenmehrheit der übrigen Fürst­ lichen Häuser übereinstimmen sollten, in seiner speciellen Instruction ausdrücklich fordert, so hat der Gesandte diese Stimmäusserung ganz, oder in dem bezeichneten Abschnitt, mit namentlicher Benennung des abstimmenden Hauses, dem nach der Stimmenmehrheit abgefaßten voto communi5 beyzufügen. 11. Soferne ein Fürstlich Haus namentlich besondere Anträge, oder dessen eigenthümliches Interesse betreffende Reclamationen bey der Bundesversammlung anzubringen sich veranlaßt findet, hat der gemeinschaftliche Gesandte, wenn diese nur nicht dem gemeinschaftlichen oder speciellen Interesse aller übrigen hier verbundenen Fürstlichen Häusern nachtheilig, oder entgegen sind, oder Streitigkeiten derselben unter sich betreffen, deren Anbringung und weiterer Verhandlung ohne besondere Vergütung, jedoch auch ohne Verpflichtung zu eignen ausführlichen Ausarbeitungen, sich zu unterziehen, deshalb besondere pflichtmäßige Berichte zu erstatten und weitern Instructionen gemäß sich zu verhalten, auch dabey nur den etwa speciell erwachsenden Verlag dem committirenden Fürstlichen Hause besonders zu berechnen und dessen ungesäumten Ersatz von denselben zu gewärtigen. Im Fall der Gesandte wegen obwaltender Collisionen, oder sonst bey Übernahme 5 Lat.: gemeinschaftlichen Votum.

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solcher Aufträge Bedenken haben sollte, hat er solches ungesäumt dem committirenden Hofe anzuzeigen. Zugleich haben die Eingangs genannten Fürstlichen Häuser hiebey sich noch über nachfolgende Puncte vereinigt, und deren Erfüllung und Beobachtung gegenseitig zugesagt: A. Der Gemeinschaftliche Gesandte soll künftig durch Stimmenmehrheit ernannt werden, wozu nach dem obengedachten Turnus (§ 7) unter den Fürstlichen Häusern in den einzelnen künftigen Ersetzungsfällen jedesmal ein Präsentationsrecht eintreten und ausgeübt werden soll, so daß das Fürstliche Haus, dem bey einem Erledigungsfall die Reihefolge trifft, dazu binnen 6 Wochen nach erfolgtem Abgange des bisherigen Gesandten, zwey durch Studien und guten Ruf gehörig qualificirte Personen Jedem der übrigen verbundenen Fürstlichen Häuser benennen und vorschlagen, und dessen Abstimmung darüber erfordern wird. Jedes derselben soll diese seine Abstimmung binnen 4 Wochen vom Empfang, an das vorschlagende Haus gelangen lassen und dieses dann nach der Mehrheit der nach Ablauf eines Vierteljahrs vom Abgang des Gesandten 6an gerechnet6, eingegangenen einzelnen Abstimmungen (indem die sodann etwa nicht eingegangenen vota für dasmal ausgeschlossen bleiben sollen) oder im Fall eintretender Stimmengleichheit, nach der ihm sodann zukommenden Stimme den Schluß fassen und den übrigen Fürstlichen Häusern den hiernach ernannten gemeinschaftlichen Gesandten namentlich bekannt machen, und zugleich die gemeinschaftlich, dem Vorstehenden gemäs zu entwerfende Instruction zur individuellen Vollziehung der einzelnen regierenden Fürsten mittheilen, dieselben auch zu Aufstellung und Einsendung der erforderlichen Vollmachten nach dem placidirten gleichförmigen Formular (E.) einladen, demnächst dem neu ernannten Gesandten diese Urkunden aushändigen und ihn wegen instructionsmäßiger Erfüllung ­seiner Pflichten im Namen aller hier verbundenen Fürsten förmlich in Eid und Pflicht nehmen, welches auch durch Aufstellung einer schriftlichen Eides­notul7 bewirkt werden kann, und endlich zu sofortiger Antretung seines Gesandschaftspostens anweisen, damit indeß die Gesammtstimme nach dem Abgange des Gesandten nicht völlig ruhen dürfe, soll das am Turnus stehende Fürstliche Haus kraft dieses Vertrags berechtigt seyn, einen andern bey der Bundesversammlung stehenden Gesandten einstweilen zu Führung der 16ten Gesammtstimme Namens Aller zu bevollmächtigen. B. Dem gemeinschaftlichen Gesandten soll ein Legationssecretär beygegeben werden, welcher auf dieselbe Weise wie der Gesandte, durch die Stim6−6 Emendiert. Vorlage: angerechnet. 7 In einen Diensteid eingeschobene kurze Amtsanweisung (Instruktion), Amtseidesformel. Vgl. Heyse, Allgemeines verdeutschendes und erklärendes Fremdwörterbuch, S. 582.

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Vertrag über die Einrichtung und Stimmführung der 16. Kuriatstimme

Nr. 56

menmehrheit der verbundenen Fürsten ernannt werden wird. Zu der demselben zu ertheilenden Instruction und Bestallung, welche der an die Präsentation stehende Fürst jedesmal im Namen aller verbundenen Fürsten kraft des gegenwärtigen Vertrags allein zu vollziehen haben wird, soll der jetzt zu ernennende, oder künftig angestellte gemeinschaftliche Gesandte die fortwährend gleichförmig beyzubehaltenden Formulare und Entwürfe abfassen, den einzelnen Fürstlichen Häusern mit seinen etwanige Bemerkungen vortragen, nach den darauf binnen 6 Wochen eingehenden Erinnerungen solche secundum majora einrichten und verbessern, und dem präsentirenden Fürsten zur Vollziehung einsenden, welcher bey deren Aushändigung zugleich den neuen Legationssecretär im8 Namen aller übrigen Fürsten darauf verpflichten laßen wird. Der gemeinschaftliche Legationssecretär sowohl als alle andere bey dieser Gesandschaft zu verwendende Personen sollen auf die Geheimhaltung der einzelnen Fürstlichen Stimmäusserungen bey Cassationsstrafe namentlich verpflichtet werden. C. Sowohl im Dienst als Privatangelegenheiten sollen sowohl der Gesandte, als das übrige Gesandschaftspersonale der gemeinschaftlichen Gerichtsbarkeit unterworfen seyn, welche nöthigenfalls durch eine gemeinschaftliche Commission ausgeübt werden wird. Sollte aber der Gesandte oder eine gesandschaftliche Person wegen ihres gewöhnlichen Wohnorts oder Grundeigenthums in besondere Jurisdictionsverhältnissen stehen; so sollen nach den persönlichen Verhältnissen besondere Einrichtungen getroffen werden. D. So wie die verbundenen Fürstlichen Häuser über die dem gemeinschaftlichen Gesandten, dem Legationssecretär, und Legations-Canzlisten zu be­ willigenden jährlichen Gehalte den Umständen nach sich zu vereinbaren ­vorbehalten, so versprechen sie sich auch in Rücksicht der angenommenen gegenseitigen Rechtsgleichheit zu diesen Besoldungen und allen durch die Führung der Gesammtstimme sonst erwachsenden gemeinschaftlichen Aufwand, Jedes ein Achttheil in vierteljährigen Ratis an die angestellten Individuen jederzeit prompt und zur jedesmaligen Verfallzeit unfehlbar entrichten und auszahlen zu lassen. Obgleich kein Fürstliches Haus hierin für den ­Beytrag der übrigen haftet, so soll doch dasjenige, an welchem das votum decisivum nach dem Turnus steht, berechtigt seyn, dem Gesandten, auf dessen Ansuchen bey einem etwan in Rückstand verbleibendem Gliede9 dieser Curie mit Intercessionalien an die Hand zu gehen.

8 Emendiert. Vorlage: in. 9 Emendiert nach Vorlage (b). Vorlage (a): Glieder.

Nr. 56

Frankfurt am Main, 2. April 1816

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E. Endlich soll dem gemeinschaftlichen Gesandten von allen interessirten Höfen, nach anliegendem Entwurf10 eine gleich lautende Vollmacht ertheilt, und derselbe auf alle Fälle auch für das Plenum bevollmächtigt werden, wofür er eine besondere Belohnung zu fordern nicht berechtigt ist. Urkundlich ist dieser Vertrag in acht gleichlautenden Urschriften aus­ gefertigt und von den, zur Eröffnung der Bundesversammlung von den Eingangs genannten Fürstlichen Häusern abgeordneten Bevollmächtigten kraft erhaltenen speciellen Auftrags und mit Vorbehalt der förmlichen Ratificationen, welche von allen höchsten Committenten binnen 8 Wochen, oder wo möglich noch früher gegenseitig sich zu übermachen seyn werden, eigenhändig unterschrieben und besiegelt worden, so geschehen Frankfurt den 2ten April 1816. (L. S.) Fr. von Frank11 (L. S.) D. Georg von Wiese Bevollmächtigter des Bevollmächtigter der Fürstlichen Hauses Fürstlichen Häuser Hohenzollern Hohenzollern Sigmaringen, Liechtenstein, Reuß Hechingen älterer und Reuß jüngerer Linie (L. S.) Helwing12 (L. S.) von Berg Bevollmächtigter der Fürstlich Lippescher Fürstl. Häuser Schaum- Bevollmächtigter burg Lippe und Waldek

10 Fehlt in den Akten. 11 Franz Anton (seit 1806) Freiherr Frank von Fürstenwerth (1761−1840), hohenzollern-hechingenscher Staatsmann, ab 1777 Studium der Rechte in Heidelberg, 1783/84 Praktikant am Reichskammergericht in Wetzlar, 1784 gräflich Dachstuhl’scher Rat, 1786 hohenzollern-hechingenscher Hofrat, 1800 Geheimer Rat und Kanzler, 1806−1841 Regierungspräsident, 1814/15 Bevoll­mächtigter auf dem Wiener Kongreß. Vgl. Hundt (Hrsg.), Quellen zur kleinstaatlichen Verfassungspolitik, S. 660; GGT F 1897, S. 256; Kneschke (Hrsg.), Neues allgemeines Deutsches Adels–Lexicon, Bd. 3, S. 314; Kallenberg, Die Fürstentümer Hohenzollern am Ausgang des Alten Reiches, S. 126−128. 12 Friedrich Wilhelm Helwing (1758–1832), lippischer Beamter, war 1814/15 Regierungsrat und Bevollmächtigter auf dem Wiener Kongreß, 1829–1832 Leitender Regierungsdirektor. Vgl. Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte, Rh. B, Bd. 16, S. 201; Truhart, Regents of Nations, Part 3/1, S. 2475; Truhart, International Directory of Foreign Ministers, S. 59.

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Provisorische Übereinkunft zwischen Lübeck, Frankfurt, Bremen und Hamburg Nr. 57

57. Provisorische Übereinkunft zwischen Lübeck, Frankfurt, Bremen und Hamburg über die Führung der 17. Stimme im Engeren Rat der Bundesversammlung

StA Bremen, 2-M.3.b.3.a. Konvention. Behändigte Ausfertigung.1

Modalitäten der Führung der 17. Stimme im Engeren Rat der Deutschen Bundesversammlung. Vierteljährlicher Wechsel der Stimmführung zwischen den Bevollmächtigten der vier Städte. Bestellung eines gemeinschaftlichen Legationssekretärs.

Frankfurt am Main, 8. April 1816 Da den vier freyen Städten Deutschlands Lübeck, Frankfurt, Bremen und Hamburg als Mitgliedern des deutschen Bundes, nach dem Grundvertrage über denselben vom 8ten Juny 1815, in der engern Bundesversammlung eine Gesammtstimme zusteht2, so haben die unterzeichneten Bevollmächtigten gedachter Städte, über die Art und Weise der zweckmäßigsten Führung solcher Gesammtstimme, gemeinschaftlich berathen, und sind in der Erwägung, daß zum förmlichen Abschlusse einer desfalsigen definitiven Uebereinkunft, die nach wirklicher Eröffnung der Bundesversammlung in der Geschäfts­ führung selbst zu machende Erfahrung, noch manches Nähere an die Hand geben dürfte, unter ausdrücklichem Vorbehalt der Genehmigung ihrer Committenten, über folgendes Provisorium übereingekommen: § 1. Die den freyen Städten in der engern Bundesversammlung zustehende Gesammtstimme wird von einem Syndicus oder Senator einer der gedachten vier freyen Städte geführt, welcher zu solchem Zweck von den Senaten aller vier Städte hinreichend bevollmächtigt wird. Es hat derselbe in solcher Versammlung auch das Partikular-Interesse jeder einzelnen Stadt wahrzunehmen, und nach Auftrag zu besorgen. § 2. Alles, was bey der engern Bundesversammlung vorkommt, oder in Beziehung auf dieselbe eingeht, desgleichen alles, was die Berathung in besonderen Commissionen betrifft, wozu der Stimmführer der freyen Städte ernannt werden möchte, hat solcher den Bevollmächtigten der andern Städte ohne Zeitverlust mitzutheilen. Ist hierauf zum Behuf der Abstimmung ein Beschluß 1 Die Vorlage trägt auf der ersten Seite folgenden Kanzleivermerk von anderer Hand: „Provisorische Convention der Bundestagsgesandten der freien Städte über die Stimmführung am Bundestage, sowie über die Anstellung eines Legations-Secretärs“. 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1503–1518, hier S. 1509 (Art. 4).

Nr. 57

Frankfurt am Main, 8. April 1816

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zu fassen, so treten die anwesenden Bevollmächtigten der Städte zusammen, und vereinigen sich entweder über die abzugebende Gesammtstimme, oder es wird hierüber nach der Mehrheit ein Schluß gefaßt. § 3. Sollte von einer oder der andern der vier freyen Städte kein eigener Bevollmächtigter anwesend, auch für solche Stadt kein andrer substituirt seyn, so erstattet der Stimmführer ohne Aufschub dem Senate der abwesenden Stadt über alle diese Gegenstände Bericht, und begehrt dessen Instruction, deren Resultat er bey ihrer Ankunft den anwesenden Bevollmächtigten mitzutheilen hat. § 4. Wurde die Instruction einer der Städte dergestalt verspätet, daß die Stimme vor deren Eingang abgegeben werden müßte, oder die commissarischen Berathungen nicht darnach aufgehalten werden könnten, und geben auch die etwa vorhandenen allgemeinen Instructionen jener Stadt das vorauszusetzende Urtheil derselben darüber nicht an die Hand, so wird auf solchen Abgang keine Rücksicht genommen. § 5. Der Stimmführer wird von derjenigen Stadt, die ihn zu ihrem Bevollmächtigten ernannt hat, honorirt und unterhalten. Jeder einzelnen Stadt wird nur das für dieselbe ausgelegte Porto berechnet. § 6. Damit eine jede der vier freyen Städte baldthunlichst aus eigner Erfahrung den Geschäftsgang kennen lerne, und an den wichtigen Verhandlungen während der Organisationszeit durch ihren Bevollmächtigten directen Antheil nehme, ist provisorisch ein dreymonatlicher Wechsel der Stimmführung beliebt, welcher mit dem Augenblicke anfängt, wo die engere Bundesversammlung wirklich in Thätigkeit tritt. Bey solchen drey Monaten werden die etwanigen Ferien der Bundesversammlung nicht mit gerechnet. Jedoch bleibt es einer jeden Stadt unbenommen, unbeschadet des Rechts der übrigen für ihre Reihenfolge, mit einer oder der andern Stadt, in Betreff des ihr zustehenden Zeitraums der Stimmführung, zu tauschen, oder den Bevollmächtigten derselben für die ganze Frist oder für einen Theil derselben, substituiren zu dürfen. § 7. Während der drey ersten Monate führt Lübeck die Stimme, dann folgen die andern drey Städte, von drey Monaten zu drey Monaten, in der Ordnung, wie sie in der Bundesacte genannt sind, nemlich Frankfurt, Bremen und Hamburg.

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Provisorische Übereinkunft zwischen Lübeck, Frankfurt, Bremen und Hamburg Nr. 57

§ 8. Die vier freyen Städte werden sich zur Wahl eines gemeinschaftlichen Lega­ tionssecretärs vereinigen, welcher der Aufsicht und Direction des jedesmaligen Stimmführers untergeordnet ist, und eine von den Bevollmächtigten näher zu vereinbarende Instruction erhält. Ueber den Gehalt desselben werden sie weitere Beschlüse fassen. § 9. Die gemeinschaftlichen Acten werden in einem von der freyen Stadt Frankfurt unentgeldlich einzuräumenden Archive aufbewahrt. Gegenwärtige Uebereinkunft ist von den Bevollmächtigten der vier freyen Städte eigenhändig unterzeichnet. So geschehen Frankfurt d. 8ten April 1816 Hach    Danz3    Smidt4    Gries5

3 Johann Ernst Friedrich Danz (1759–1838), Frankfurter Jurist und Staatsmann, Dr. jur., 1785– 1792 wied-neuwiedischer Regierungsrat in Neuwied, 1793 Kanzleirat in Frankfurt am Main, 1793 Ratssyndikus, 1806–1813 fürstprimatischer bzw. großherzoglich frankfurtischer Appellationsgerichtsrat, 1814 Ratssyndikus, 1814/15 Bevollmächtigter Frankfurts auf dem Wiener Kongreß, 1816–1832 Bundestagsgesandter, daneben auch Appellationsgerichtsrat, Syndikus und Schöffe, 1834–1837 Gerichtsschultheiß. Vgl. ADB, Bd. 4, S. 751 f.; DBA I, 221, 140– 146; DBA  III, 163, 201−202; DBE, Bd. 2, S. 444; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1816–1963, S. 180. 4 Johann Smidt (1773–1857), bremischer Staatsmann, 1792–1795 Studium der Theologie in Jena, 1797 Ordination zum Prediger, 1798 Professor am Gymnasium in Bremen, seit 1800 Senator, 1814/15 Bevollmächtigter Bremens auf dem Wiener Kongreß, 1816–1848 und 1851– 1857 Bundestagsgesandter in Frankfurt, 1821–1849 und 1852–1857 Bürgermeister. Vgl. ADB, Bd. 34, S. 488–494; DBA  I, 1191, 29−31; DBA  II, 1231, 249−269; DBA  III, 859, 118−147; DBE, Bd. 9, S. 353; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1816–1963, S. 58; Bip­pen, Johann Smidt; Lührs, Johann Smidt. 5 Johann(es) Michael Gries (1772–1827), hamburgischer Jurist und Staatsmann, Studium der Rechte in Göttingen, 1795 Dr. jur. ebd., 1800 Syndikus und Mitglied des Senats der Hansestadt Hamburg, nach der Annexion Hamburgs durch Frankreich 1810–1813 Generalsekretär der Präfektur Hamburg, 1814 erneut Syndikus, 1814/15 Bevollmächtigter Hamburgs auf dem Wiener Kongreß, 1816–1827 Bundestagsgesandter in Frankfurt. Vgl. ADB, Bd. 9, S. 656–658; DBA I, 421, 87–99; DBA II, 478, 6; DBA III, 318, 311−312; DBE, Bd. 4, S. 163. Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 183 Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1816–1963, S. 206.

Nr. 58

Frankfurt am Main, 1. Juni 1816

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58. Vertrag zwischen Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg über die Führung der 15. Stimme in der Deutschen Bundesversammlung

StA Rudolstadt, Geheimes Ratskollegium Rudolstadt, D IX 6, Nr. 1, fol. 166–172. Behändigte Ratifikationsurkunde Fürst Friedrich Günthers von Schwarzburg-Rudolstadt, Rudolstadt, 14. Oktober 1816.

Modalitäten der Führung der 15. Stimme im Engeren Rat und Plenum der Bundesversammlung: u. a. Vorschlagsrecht Holstein-Oldenburgs für die Ernennung des gemeinschaftlichen Bundestagsgesandten; Form der internen Entscheidungsfindung; Berichterstattung und Instruktion des Gesandten; Aufteilung der Kosten; Anstellung des Gesandtschaftspersonals.

Frankfurt am Main, 1. Juni 1816 Nachdem in dem vierten Artikel der am 8ten Junius zu Wien errichteten deutschen Bundes-Akte1 den Hochfürstlichen Häusern Holstein-Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg eine gemeinschaftliche Stimme in der engern BundesVersammlung beygelegt und dadurch die Nothwendigkeit herbeygeführt worden ist, wegen der Ausübung des gemeinsamen Stimm-Rechts angemessene Einrichtungen zu treffen und zu verabreden, auch zu diesem Ende von gedachten hohen Häusern Bevollmächtigte ernannt sind, nemlich: von Seiner Hochfürstlichen Durchlaucht, dem regierenden Herzoge und Landes-Administrator von Holstein-Oldenburg, Fürsten zu Lübeck pp. Ihr Oberappellationsgerichts-Präsident Günther Heinrich von Berg2, von Seiner Hochfürstlichen Durchlaucht, dem regierenden Herzoge zu Anhalt-Dessau, für sich und als Regierungs-Vormund des minderjährigen Herzogs zu Anhalt-Köthen Durchlaucht, und von Seiner Hochfürstlichen Durchlaucht, dem regierenden Her­ zoge zu Anhalt-Bernburg, der Herzoglich-Anhalt-Dessauische geheime Rath und Regierungs-Präsident Wolf Carl August von Wolfframsdorf3, von Seiner 1 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1509 (Art. 4). 2 Günther Heinrich von Berg (1765–1843), Jurist und Staatsmann, 1783–1786 Studium der Rechtswissenschaften in Tübingen, 1786/87 Praktikant am Reichskammergericht in Wetzlar, 1787–1792 Privatsekretär des regierenden Grafen von Neipperg, 1794 außerordentlicher Professor der Rechtswissenschaften in Göttingen, 1800–1810 Hof- und Kanzleirat in Hannover, 1810–1815 schaumburg-lippischer Regierungspräsident, 1814/15 Bevollmächtigter Schaumburg-Lippes und Waldecks auf dem Wiener Kongreß, 1815–1829 holstein-oldenburgischer Oberappellationsgerichtspräsident, 1816–1821 zugleich Bundestagsgesandter in Frankfurt, 1823 zugleich Geheimer Rat und Mitglied des Staatsministeriums, 1842 Staats- und Kabinettsminister. Vgl. ADB, Bd. 2, S. 363 f.; DBA I, 84, 100–115 und 1424, 288 f.; Sellmann, Günther Heinrich von Berg. 3 Wolf Carl August von Wolframsdorff (1769–1831), anhalt-dessauischer Wirklicher Geheimer Rat, Regierungs- und Konsistorialpräsident (bis 1831), 1814/15 Bevollmächtigter des Gesamt-

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Vertrag zwischen Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg

Nr. 58

Hochfürstlichen Durchlaucht, dem regierenden Fürsten zu Schwarzburg-Sondershausen Ihr geheimer Rath und Canzler, Adolf von Weise4, und von Seiner Hochfürstlichen Durchlaucht, dem regierenden Fürsten zu SchwarzburgRudolstadt, Ihr Canzler und Präsident Friedrich Wilhelm von Ketelhodt5 –; so haben diese Bevollmächtigten, nach geschehener Auswechselung ihrer richtig befundenen Vollmachten, über folgende Artikel sich vereinigt. Art. I. Die gemeinschaftliche Stimme der hohen Häuser Holstein-Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg in der engern Bundes-Versammlung soll dergestalt ausgeübt werden, daß an derselben dem Herzoglichen Hause Holstein-Oldenburg vier, den Herzoglich-Anhaltschen Häusern drey, den Hochfürstlich-Schwarzburgischen Häusern zwey Stimmen-Antheile für immer zustehen, und demnach die gemeinschaftliche Stimme in der engern Bundes-Versammlung, alsdann, wenn die Instructionen der theilhabenden Höfe nicht übereinstimmen, nach der aus denselben sich ergebenden Stimmen-Mehrheit abzulegen ist. Art. II. Zur Führung der fünfzehnten Stimme in der engern Bundes-Versammlung wird von sämtlichen theilhabenden Höfen ein gemeinschaftlicher Gesandter ernannt, wobey der jedesmalige Vorschlag Seiner Hochfürstlichen Durchlaucht, dem jezt regierenden Herzoge von Holstein-Oldenburg von den hohen Häusern Anhalt und Schwarzburg überlassen ist. hauses Anhalt auf dem Wiener Kongreß, 1815/16 Bundestagsgesandter des Gesamthauses Anhalt. Vgl. Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 2 f.; Kneschke, Deutsches Adels-Lexikon, Bd. 9, S. 600; Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815–1945, Rh. B, Bd. 16, S. 156. 4 Ludwig Wilhelm Adolph (seit 1803) von Weise (1751–1820), schwarzburg-sondershausischer Staatsmann, 1775 Eintritt in schwarzburg-sondershausische Dienste, um 1810 Wirklicher Geheimer Rat und Chef des Geheimen Consiliums in Sondershausen, 1814/15 Bevollmächtigter Schwarzburg-Sondershausens auf dem Wiener Kongreß. Vgl. Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 403; Schwabe (Hrsg.), Die Regierungen der deutschen Mittelund Kleinstaaten, S. 282 f. 5 Friedrich Wilhelm Freiherr von Ketelhodt (1766–1836), schwarzburg-rudolstädtischer Staatsmann, 1781–1785 Studium der Rechte in Jena und Göttingen, 1785 Kammerjunker und Regierungsassessor, 1789 Regierungsrat, 1790 Hof- und Legationsrat, 1792 Vizedirektor der Regierung und des Konsistoriums in Frankenhausen mit dem Titel eines Landeshauptmanns, 1793 Regierungsdirektor ebd. unter Beilegung des Titels eines Vizekanzlers und Vizekonsistorialpräsidenten, 1805 Kanzler und Konsistorialpräsident ebd., 1814/15 Bevollmächtigter Schwarzburg-Rudolstadts auf dem Wiener Kongreß, 1827–1836 Geheimer Rat, Kanzler und Konsistorialpräsident in Rudolstadt, 1829 Leiter des Geheimen Ratskollegiums ebd. Vgl. DBA I, 643, 272–277; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 403; Schwabe (Hrsg.), Die Regierungen der deutschen Mittel- und Kleinstaaten, S. 270; Heß, Geschichte der Staatsbehörden in Schwarzburg-Rudolstadt, S. 180.

Nr. 58

Frankfurt am Main, 1. Juni 1816

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Art. III. Seine Herzogliche Durchlaucht von Holstein-Oldenburg werden bey jedem eintretenden Falle ohne Aufenthalt den übrigen betheiligten Höfen einen gehörig qualificirten Mann in Vorschlag bringen, diese darüber ihre Abstimmungen Seiner Herzoglichen Durchlaucht, so wie einander gegenseitig, eröffnen, und die Stimmen-Mehrheit wird die Annahme oder Nicht-Annahme des Vorgeschlagenen entscheiden. Im leztern Falle wird sogleich von Seiner Herzoglichen Durchlaucht ein neuer Vorschlag erfolgen. Art. IV. Der also erwählte gemeinschaftliche Gesandte wird eine gemeinschaftliche Vollmacht, nach der unter A anliegenden Form6, erhalten, und in Gemäsheit der gegenwärtig verabredeten Grundsätze für seine allgemeine Geschäfts­ führung gemeinschaftlich instruirt werden. Die zur fünfzehnten Stimme vereinigten hohen Höfe können ihm, wenn sie es für gut finden, eine besondere Bestallung ertheilen. Art. V. Der Gesandte wird für die betheiligten hohen Häuser in Eid und Pflicht genommen, dergestalt, daß er jedem Hofe eine gleichförmige Eidesnotel7, in der unter B bemerkten Art8, einsendet. Er steht unter der gemeinschaftlichen Gerichtsbarkeit der theilhabenden Höfe. Er soll überhaupt und insonderheit bey öffentlichen Verhandlungen sich nicht anders nennen als: HerzoglichHolstein-Oldenburgischer, Herzoglich-Anhaltischer und Fürstlich-Schwarzburgischer bevollmächtigter Gesandter. Art. VI. Er wird von den theilhabenden Höfen nach dem Verhältniß ihres Antheils an der Curiatstimme besoldet, welche sich über die Festsetzung eines ange­ messenen jährlichen Gehalts, wie er, nach den zu machenden Erfahrungen, zu einer anständigen Existenz erforderlich seyn wird, demnächst vereinbaren werden. Art. VII. Der gemeinschaftliche Gesandte soll angewiesen werden, über das, was bey der Bundes-Versammlung vorgeht, wenigstens wöchentlich einen Bericht in 6 Beilage A, StA Rudolstadt, Geheimes Ratskollegium Rudolstadt, D IX 6, Nr. 1, fol. 172’–173. Nicht abgedruckt. 7 Eidesformel. Vgl. Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. 2, Sp. 1315. 8 Beilage B, StA Rudolstadt, Geheimes Ratskollegium Rudolstadt, D IX 6, Nr. 1, fol. 173’–174. Nicht abgedruckt

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Vertrag zwischen Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg

Nr. 58

drey vollkommen gleichlautenden Ausfertigungen an das hohe Haus Holstein-Oldenburg und an die beyden jedesmaligen hohen Seniorat-Häuser von Anhalt und Schwarzburg zu erstatten, und, im Fall von einer bey der BundesVersammlung abzulegenden Stimme die Rede ist, zugleich eine ausführliche Erörterung des in Proposition befindlichen Gegenstandes nebst seinem Gutachten und einem Entwurf des Voti, wie es seiner Meynung nach abgelegt werden könnte, beyzufügen. Von diesen Berichten soll der Gesandte zu gleicher Zeit den andern hohen Häusern von Anhalt und Schwarzburg beglaubigte Abschriften einsenden. Art. VIII. Um den mit allzuhäufigen Communicationen verbundenen Zeitverlust zu vermeiden, kann jedes einzelne hohe Haus, sobald es von dem Inhalt eines gesandtschaftlichen Berichts Kenntniß hat, seine Meynung über dessen Gegenstand dem Gesandten unmittelbar eröffnen und ihn danach mit Instruction versehen, wobey sich übrigens von selbst versteht, daß hierdurch die Verhältnisse in den hohen Häusern nicht geändert werden. Auch sollen in diesem Falle von der unmittelbar ertheilten Instruction die übrigen hohen Häuser, und zwar von Anhalt und Schwarzburg die Senioren, zu gleicher Zeit benachrichtiget werden. Der Gesandte soll, wenn er aus den, solchergestalt an ihn eingegangenen einzelnen Willensmeynungen ersieht, daß nach dem im Art. I festgesezten Stimmen-Verhältniß, die Mehrheit der Stimmen über einen Gegenstand vorliegt, befugt seyn, sofort das hiernach einzurichtende Votum bey der Bundes-Versammlung abzulegen, ohne den Eingang der übrigen Abstimmungen, welche in diesem Falle doch nur die Minorität ausmachen würden, abzu­ warten. Art. IX. Diese Bestimmung erleidet jedoch alsdann eine Ausnahme, wenn von höchst wichtigen oder bedenklichen Gegenständen, insonderheit Krieg oder Frieden, oder von dem speciellen Interesse eines bey dieser Stimm-Führung concur­ rirenden hohen Hauses die Rede ist. In diesem Fall hat der Gesandte den ­Eingang aller Abstimmungen abzuwarten, und wenn sich darin wesentliche Verschiedenheiten finden, unter deren Auseinandersetzung, nochmaligen gutachtlichen Bericht zu erstatten, hierauf aber, da am Ende, wenn die Sache nicht für das Plenum gehört, die Mehrheit doch entscheiden muß, in Folge der auf diesen wiederholten Bericht an ihn eingehenden einzelnen Anweisungen und der aus denselben sich ergebenden Stimmen-Mehrheit das gemeinschaftliche Votum zu verfassen und abzulegen.

Nr. 58

Frankfurt am Main, 1. Juni 1816

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Art. X. In den Fällen, da sich die Bundes-Versammlung nach der Bundes-Akte zu einem Pleno bildet9, steht es jedem hohen Hause frey, seine in dem Pleno habende Stimme entweder dem gemeinschaftlichen Gesandten oder einem andern Abgeordneten durch besondere Vollmacht zu übertragen. Die hohen theilhabenden Häuser verpflichten sich aber im leztern Falle, entweder eigne Bevollmächtigte abzuordnen, oder doch ihre Stimme im Pleno dem Gesandten eines, in Beziehung auf den Bund in gleichen oder ähnlichen Verhältnissen stehenden Hofes zu übertragen. Art. XI Dem gemeinschaftlichen Gesandten wird die Verbindlichkeit auferlegt werden, mit den bey der Bundes-Versammlung etwa anwesenden besonderen Gesandten der betheiligten Höfe vertrauliche Communication zu unterhalten, sie von den Vorgängen in der engern Bundes-Versammlung zu unterrichten, und darüber überhaupt, vorzüglich aber wenn es das besondere Interesse ihrer Höfe betreffen sollte, mit ihnen Rücksprache zu nehmen. Art. XII. Den zur fünfzehnten Stimme vereinigten hohen Höfen steht es frey, den gemeinschaftlichen Gesandten auch mit ihren besondern Angelegenheiten, welche bey der Bundes-Versammlung, oder am Sitz des Bundestages, oder in dessen Nähe zu besorgen sind, sofern solches ohne Nachtheil des gemeinschaftlichen Dienstes geschehen kann und nicht Gegenstände, wobey einzelne betheiligte Höfe gegeneinander in Collision kommen, betrifft, zu beauftragen, und derselbe soll sich dem Geschäft, ohne Anspruch auf besondere Belohnung, zu unterziehen verbunden seyn. Art. XIII. Damit bey dem Abgang des gemeinschaftlichen Gesandten bis zur Wahl eines neuen, die Führung der gemeinschaftlichen Stimme nicht in Stillstand gerathe, sind die theilhabenden Häuser übereingekommen, zur interimistischen Stimmführung den Gesandten eines befreundeten Hofes zu bevollmächtigen und darüber sofort unter sich zu communiciren. Art. XIV. Die Legations-Secretaire werden von jedem hohen Hause nach Gefallen ­besonders ernannt und unterhalten, jedoch alle an den gemeinschaftlichen 9 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1510 f. (Art. 6).

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Braunschweigisch-nassauische Punktation

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Gesandten als ihren Vorgesezten gewiesen. Von diesem werden Vorschläge wegen Anstellung der Canzlisten oder Copisten, und der Einrichtung der gesandtschaftlichen Canzley gefordert werden. Art. XV. Gegenwärtige Uebereinkunft wird von den hohen contrahirenden Theilen ratificirt und die Ratifications-Urkunden werden binnen sechs Wochen oder noch eher, wenn es seyn kann, ausgewechselt werden. Dessen zu Urkund haben die obbenannten Bevollmächtigten diesen Vertrag eigenhändig unterschrieben und mit ihren Siegeln versehen. So geschehen Frankfurt am Mayn den ersten Junius eintausendachthundertundsechzehn. (L. S.) Günther Heinrich von Berg (L. S.) Wolf Karl August von Wolfframsdorff (L. S.) Ludwig Wilhelm Adolph von Weise (L. S.) Friedrich Wilhelm Freiherr von Ketelhodt

59. Braunschweigisch-nassauische Punktation über die Führung der gemeinschaftlichen Stimme im Engeren Rat der Deutschen Bundesversammlung

HStA Wiesbaden, 210/10704. Punktation. Behändigte Ausfertigung.

Vereinbarung über die Modalitäten der Führung der 13. Stimme im Engeren Rat der Bundesversammlung: die Ausübung der gemeinschaftlichen Stimme geschieht mit gleichem Recht und zu gleichen Teilen. Wechsel der Stimmführung alle drei Monate, ­wobei Braunschweig den Anfang macht. Die Bundestagsgesandten beider Höfe sind gehalten, sich auf ein gemeinschaftliches Votum zu einigen; gelingt das nicht, gibt die Stimme dessen den Ausschlag, der zum Zeitpunkt der Umfrage die gemeinschaftliche Stimme führt. In Fällen, in denen der Dissentierende über keine Instruktion verfügt, ist der Stimmführende gehalten, das Protokoll so lange offenzuhalten, wie es die Bundes­verfassung gestattet.

Frankfurt am Main, 30. September 1816 Nachdem in dem 4[te]n Artikel der am 8[te]n Juny 1815 zu Wien errichteten deutschen Bundes­acte1 den Hochfürstlichen Häusern Braunschweig und Nassau eine gemeinschaftliche Stimme in der engeren Bundesversammlung 1 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1509.

Nr. 59

Frankfurt am Main, 30. September 1816

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beygelegt und dadurch die Nothwendigkeit herbeygeführt worden ist, wegen der Ausübung des gemeinsamen Stimmrechts angemessene Einrichtungen zu treffen und zu verabreden, so haben die Endesunterzeichneten zu Führung der Braunschweigischen und Nassauischen Stimmen bevollmächtigte Bundestagsgesandte unter dem Vorbehalt der Ratification ihrer höchsten Committenten zu vorläufiger Regulirung dieses Gegenstandes sich über folgende Artikel vereiniget. Art. I. Die gemeinschaftliche Stimme der Häuser Braunschweig und Nassau wird von ihnen mit gleichem Rechte und zu gleichen Theilen ausgeübt. Art. II. Die Ablegung der gemeinschaftlichen Stimme geschieht alternando vorerst von drey zu drey Monaten von dem Gesandten eines der beiden Höfe und bewilliget Nassau daß der Anfang damit von Braunschweig gemacht werde. Art. III. Diese drey Monate werden ordentlicher Weise vom ersten Tage des Monats bis zum letzten ohne Rücksicht auf den Unterschied der Länge der CalenderMonate gerechnet und fangen mit dem 1[te]n Tage des Monats an worinn die förmliche Eröffnung des Bundestags erfolgt, sofern diese in die erste Hälfte des Monats fällt, träte sie aber nach dem 15[te]n des Monats ein so werden die 3 Monate diesesmahl erst von dem Anfange des nächsten Monats 2an ge­ rechnet2. Allgemeine Ferien des Bundestags während welcher die Ablegung der Stimme gar nicht eintreten kann werden wenn sie ganze Monate oder über die Hälfte eines Monats betragen bei Berechnung der oben berührten 3 Monate nicht mit eingerechnet; eben so wird die Zahl der Tage der zu Anfang und Ende der Ferien laufenden Monate wenn solche zusammen nicht mehr als 15 Tage beträgt bey Computation der drei Monate nicht in Anrechnung gebracht, bey längerer Dauer aber für einen vollen Monat gerechnet. Art. IV. Wenn Gegenstände am Bundestage zur Berathung gestellt sind; so wird die abzulegende gemeinschaftliche Stimme zuvörderst zwischen den Gesandten der beiden Höfe oder den von ihnen dazu substituirten Bevollmächtigten concertiert und wo möglich sich eines gemeinsamen Voti zu vergleichen. 2 Emendiert: Vorlage: angerechnet.

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Braunschweigisch-nassauische Punktation

Nr. 59

Art. V. Sollten sie sich aber in einzelnen Fällen über ein gemeinsames Votum nicht vereinigen können alsdann praevalirt die Stimme dessen der am Tage wo der Gegenstand zuerst in Umfrage gestellt wird nach Maaßgabe der Art. II, III die Stimme abzulegen hat. Der dissentirende Gesandte oder der von ihm dazu substituirte Bevollmächtigte kann jedoch ohne der Vollgültigkeit der abzulegenden Stimme zu praejudiciren die Gründe seiner dissentirenden Meinung ebenfalls anführen und auf diese Weise sein Interesse wahren. Der abstimmende Gesandte ist selbst gehalten dies in seinem Nahmen zu thun wenn er darum von ihm ersuchet wird. Art. VI. In Fällen wo der dissentierende durch Mangel erwarteter Instruction verhindert wird, sich mit dem die Stimme ablegenden Gesandten zu vereinigen, ist letzterer gehalten das Protocoll so lange offen zu behalten als es die Bundesverfassung gestattet. In diesem Falle bleibt jedoch die Stimmen-Ablegung und das damit verbundene Recht dem Gesandten welcher zur Zeit der ersten Umfrage dazu berechtiget war, wenn auch durch die Offenhaltung des Protocolls die Zeit der 3 Monate seiner Stimmführung überschritten würde. Art. VII. Nach den vorstehenden Grundsätzen soll schon von jezt an provisorisch die gemeinsame Stimme abgelegt werden falls auch die nachzusuchende Ratificationen der beiden Höfe zur Zeit der Eröffnung des Bundestags noch nicht eingegangen seyn sollten. Art. VIII. Erfolgen die Ratificationen so soll die gegenwärtige Vereinbarung so lange gültig bleiben bis man über eine neue Revision derselben sich vereiniget haben wird. (L.S.)    Geo. Fried. von Martens3    F. v. Marschall 3 Georg Friedrich (seit 1789) von Martens (1756–1821), Völkerrechtler und Diplomat, 1783 ­außerordentlicher und 1784–1808 ordentlicher Professor des Natur- und Völkerrechts an der Universität Göttingen, 1808 Präsident der Finanzsektion des westfälischen Staatsrats in Kassel, 1814 Geheimer Kabinettsrat in Hannover, 1814/15 Mitglied der hannoverschen Gesandtschaft auf dem Wiener Kongreß, 1815–1821 hannoverscher und braunschweigischer Bundestagsgesandter in Frankfurt. Vgl. ADB, Bd. 20, S. 461–467; NDB, Bd. 16, S. 269–271; DBE, Bd. 6, S. 633; DBA I, 807, 292–310; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 32 u. 186; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815–1963, S. 55 u. 208.

Nr. 60

Frankfurt am Main, 9. Oktober 1816

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60. Berstett an Humboldt

GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75  A, Nr. 264. Konfidentielle Note. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 12. Oktober 1816.

Begründet die Ansprüche Badens auf eine vierte Stimme im Plenum der Bundesversammlung: Größe und Bevölkerungszahl des Landes, die den Königen und Großherzögen gemeinschaftlich eingeräumten Prärogative sowie der Beitrag und die Verdienste Badens in den beiden letzten antinapoleonischen Kriegen rechtfertigen eine Gleichstellung Badens mit den königlichen Häusern.

Frankfurt am Main, 9. Oktober 1816 Confidenzielle Note die Begründung der Ansprüche Badens auf die vierte Stimme in der Plenar-Versammlung betreffend. Der achte Artikel der Bundes-Akte besagt, bezüglich auf die Art. 6 derselben Akte „mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der Größe der einzelnen Bundes-Staaten verabredete Berechnung und Vertheilung der Stimmen im Plenum“1 wörtlich folgendes: „Die Abstimmungs-Ordnung der Bundesglieder betreffend wird festgesetzt; daß so lange die Bundesversammlung mit Abfassung der organischen Geßetze beschäftigt ist, hierüber keinerley Bestimmung gelte, und die zufällig sich fügende Ordnung keinem der Mitglieder zum Nachtheil gereichen, noch eine Regel begründen soll.“2 „Nach Abfassung der organischen Gesetze“, heißt es weiter, „wird die Bundes-Verßamm­lung, die künftige, als beständige Folge, einzuführende Stimmenordnung in Berathung nehmen, und sich darin, so wenig als möglich von der ehemals auf dem Reichstage und nahmentlich in Gemäßheit des Reichsdeputations-Haupt-Schlusses3 beobachteten Ordnung entfernen.“ „Auch diese Ordnung kann aber“ – wird schließlich hinzugesetzt, „auf den Rang der Bundes-Glieder überhaupt, und ihren Vortritt, ausser den Verhältnissen der Bundesversammlung, keinen Einfluß ausüben.“4 – Wenn schon die Fassung der hier angeführten Artickel, die wohlbegründeten Ansprüche Badens auf die Vierte Stimme im Plenum der deutschen Bundes-Versammlung, unterstützt; so wird aus der nachfolgenden Zusammenstellung der Gründe, welche diese Ansprüche motiviren, hervorgehen; daß ihr Gewicht und Haltbarkeit nicht zu verkennen sey. Das Grosherzogthum Baden, welches nach den neuesten statistischen Berechnungen eine in runder Summe auf – 1 015 000 Seelen – sich belauffende 1 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1510 (Art. 6). 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511 (Art. 8). 3 Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803. 4 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511 f. (Art. 8).

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Berstett an Humboldt

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Bevölkerung zählte, hat kaum einen Drittheil weniger Einwohner, als das auf – 1 3000 000 Seelen, – in runder Summe, geschätzte Königreich Württemberg. Dahingegen ist dießem Staate, ebenfallß nach den neuesten Berechnungen, ein Übergewicht an Umfang und Bevölkerung über das gleichfallß Vier Stimmen führende Königreich Hanover (mit 975 196 Seelen) nicht abzu­ sprechen. Bezüglich auf das mit Baden in gleiche Stimmenzahl geßetzte Gros­ herzogthum Luxemburg mit 203 500 Seelen, – dann Hollstein mit – 330 000 Einwohnern (mit Einschluß des erst nach Abfassung der Bundes-Akte hinzugekommenen Lauenburgischen, zu 35 000 Seelen, demnach 365 000 Einwohnern) ist die Bevölkerung Badens mehr als zwey-drittheile stärker, als die der erwähnten gleich bedachten Staaten, nach ihrem Verhältniß zum Bundes-Verein. Hierbei kann überdieß nicht unbemerkt bleiben, daß die ebenfalls drey Stimmen führende, unmittelbar nach Baden folgende beyden Hessischen Häußer eine beinahe um die Hälfte geringere Bevölkerung, als jenes zählen; indem Kurhessen nach seinem neuesten Bestande nicht mehr, denn 550 000, Hessen Darmstadt aber auch nur 592 968 Einwohnern umfaßt. Wenn daher der durch die Bundesacte selbst ausgesprochene Maaßstab der Größe und Bevölkerung, für die Stimmenvertheilung in entsprechende Anwendung gebracht wird; so kann Baden mit einer jedenfalls über eine Million Menschen sich belaufenden Bevölkerung doch unbezweifelt auf die vierte Stimme gleiche Ansprüche, als Württemberg und Hannover begründen; indem es seiner Größe und Bevölkerung, auch übrigen politischen Verhältnißen zu Folge sich bestimmt an die mit Vier Stimmen bedachten Königlichen Häußer anschließet, während die auf dasselbe folgenden Fürsten, ihm an Umfang und Bevölkerung ihrer Bundes Staaten weit nachstehen. Außer dießen zunächst liegenden Erörterungen in Hinsicht auf Größe und Bevölkerung kömmt aber auch die in dem angeführten achten Artikel der Bundes-Ackte erwähnte „auf dem Reichstage und nahmentlich in Gemäßheit des Reichs-Deputations-Haupt-Schlusses beobachtete Ordnung“ – hier für Baden in Betracht. Denn, abgesehen davon, daß die vormah­ ligen Markgrafen von Baden allein schon, von wegen der Markgrafschaften Baden und Hochberg bey der ehehinigen Reichs-Versammlung zu drey Stimmen in dem Fürsten Rathe, demnach vorzüglich berechtigt waren, ist dem in Gemäßheit des § 5 des Reichs-Deputations-Hauptschlusses entschädigten, und vor Württenberg aufgeführten, nach § 31 desselben Schlusses, gleichzeitig mit Würtemberg zur Kur-Würde erhobenen Hauß Baden, durch § 32 des mehrerwähnten Hauptrezesses, die Bestimmung der neuen Viril Stimmen in dem Reichsfürsten-Rathe, nach Maaßgabe seiner neuen Acquissitionen, ausge­ mittelt, und dasselbe, als mit Würtemberg alternierend eingeführt worden.5 In Erlangung Königlicher Ehren und Prärogative steht demnach Baden mit 5 Vgl. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 13–16.

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­ ürtemberg durchaus gleich, und der in der Perßönlichkeit des letzt verstorW benen Grosherzogs Carl Friedrich6, höchst milden Angedenkens, allein begründete und allgemein bekannte Umstand der Nicht-Annahme der auch Ihm angebotenen Königswürde, kann bey den vorliegenden Verhältnißen den dermaligen Ansprüchen auf die Vierte Stimme im Plenum der Bundes Versammlung durchaus nicht präjudiziren. Dieß ist um so mehr der Fall, als mit der Ablehnung der Königs-Würde, die fortdauernde Ausübung der den Grosherzogen mit den Königen gemeinschaftlich eingeräumten Prärogative, bey Annahme des Grosherzoglichen, statt des Königs-Titels, verbunden war.7 Wird nun aber schließlich noch, der gewiß erhebliche Umstand in Erwegung gezogen, daß Baden, dessen Umfang, Seelenzahl, Civil und MilitairBestand an sich schon beträchtlicher, als jener der übrigen Grosherzoge des dermahlichen deutschen Bundes-Vereins ist, in den zwey letzten glorreichen Feldzügen, zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit und Ruhe Europas nicht nur seiner geographischen Lage nach, unverhältnißmäßige Opfer zur Erreichung des gemeinschaftlichen Bundeszwecks gebracht, sondern unbezweifelt in jeder Hinsicht mehr geleistet hat, als wozu es sich Vertragsmäßig verpflichtet hatte, so wird die Anerkennung des rühmlichen Antheils, welchen Baden an dießen allgemeinen Anstrengungen hatte, demselben Wohl auf keine passendere und für dasselbe erwünschtere Art von seinen Mitverbündeten an den Tag gelegt werden können, als durch die geneigte Unterstützung seiner Ansprüche auf die Vierte Stimme in der Plenar Bundes Versammlung. Um dießen zulezt berührten Umstand des entschiedenen Antheils an den Leistungen und Erfolgen der Verbündeten Streitkräften, – dessen Belege die Zeitgeschichte gewürdigt und aufbewahrt hat, – näher zu begründen, bedarf es nur der Erwähnung; daß Baden, durch Aufbietung seiner geßammten Streitkräfte nicht nur mit anerkannter Schnelligkeit, gegen 20 000 Mann wohlgeübter Krieger ins Feld stellte, sondern durch Errichtung der Activ- und Reserv-Landwehr dieße Streitkräfte so sehr verstärkte, daß es bis 27 000 Mann zur Erreichung des gemeinsammen Zwecks, gleichzeitig unter den Waffen zählte. Dieße Anzahl, mit der Geßammtzahl der Einwohner von nicht viel über eine Million Menschen, zusammengehalten, giebt sicher den entsprechendsten Maasstab zur Würdigung dießer wahrhaft unverhältnißmäßigen, nur durch außerordentliche allgemeine und freywillige Beyträge der Geßammtheit und energische Maasregeln der Regierung, erreichbaren Anstrengungen ab. 6 Karl Friedrich (1728–1811), seit 1738 Markgraf von Baden-Durchlach, 1746 Regierungsantritt, seit 1771 Markgraf von Baden, seit 1803 Kurfürst und seit 1806 Großherzog von Baden. Vgl. NDB, Bd. 11, S. 221–223. 7 Vgl. Rheinbundakte vom 12. Juli 1806, abgedr. in: Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 28–34, hier S. 29 (Art. 5).

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Metternich an Buol

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Hiernach hat Baden, wenigstens ebensoviel als Würtemberg und verhältnißmäßig selbst mehr als Sachsen, auch in dießer Beziehung, geleistet. Indem dieße Betrachtungen hiermit, als confidentielle Mittheilung und Erklärung der Ansprüche Badens auf Erlangung der Königlichen Stimmenzahl in der Plenar-Versammlung, Sr Excellenz dem Königlich Preußischen Staats Minister und ausserordentlichen Bundestags Geßandten Herrn Freyherrn von Humbold von dem unterzeichneten Grosh. Badischen wircklichen Geheimen Rathe und Bundestags Geßandten persönlich übergeben und zu geneigter Aufnahme und Unterstützung bey dessen Höchsten Hofe, sodann bey ­Gelegenheit der Anbringung desselben, nach förmlicher Eröffnung des Bundestags angelegentlich empfohlen werden, ergreift derselbe mit besonderem Vergnügen, dieße Veranlassung die erneuete Versicherung seiner Ausgezeichnetsten Hochachtung beyzufügen. Freih. von Berstett

61. Metternich an Buol

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Kart. 1, Weisungen 1816, fol. 261–263’ und 276 (a) und 266–274’ (b). a) Weisung. Behändigte Ausfertigung; b) Instruktion. Reinschrift.

[a) Weisung] Übersendet Instruktionspunkte für den Bundespräsidialgesandten, die er auch dem preußischen Staatskanzler Hardenberg mitgeteilt habe, und gibt dazu noch ergänzende Anweisungen: Buol soll ein freundschaftliches Einvernehmen mit dem preußischen Bundestagsgesandten pflegen, ohne dadurch die Besorgnis geheimer Einverständnisse bei den anderen Bundestagsgesandten zu erregen. Im Falle der Anregung einer Erneuerung der deutschen Kaiserwürde soll auf die Notwendigkeit eines angemessenen Wirkungskreises des Kaisers hingewiesen werden. Beobachtung der Berichterstattung der Frankfurter Zeitungen über die Bundestagsverhandlungen. Ermächtigung Buols, in speziellen Bundesangelegenheiten nach eigenem Ermessen zu entscheiden. Erteilt diesem die Erlaubnis, auch anderen Bundestagsgesandten Einsicht in die übersandten Instruktionspunkte zu gewähren.

Hochgeborner Graf!

Wien, 28. Oktober 1816

Eurer Exzellenz habe ich die Ehre in der Anlage zu übersenden: 1. Die Instructions-Puncte für Hochdieselben, so wie ich selbige auch mit dem gleichfalls abschriftlich hier beygefügten Schreiben18 dem k. Preußi1 Vgl. HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Kart. 1, Weisungen 1816, fol. 264–266 (Abschrift). Die Ausfertigung des Schreibens von Metternich an Hardenberg,

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schen Staatskanzler auf sein wiederholt geäußertes Verlangen mitgetheilt habe, und beziehe mich auch noch auf die bereits bey Ihren Papieren sich befindenden Ansichten des deutschen Bundes2.9 2. Sodann folgt in Erledigung Eurer Exzellenz Berichts vom 29. September No 83 b310eine mit der Substitutions-Clausel versehene neue Vollmacht für Hochdieselben, und so wie ich es ganz Ihnen überlasse, nach eigenem Er­ messen einen Substituten aus den übrigen Herrn Bundestags-Gesandten zu wählen; so genehmige ich auch die angetragene Substitution des Hannövrischen Gesandten, ohne jedoch Sie gerade an diesen binden zu wollen. Ich muß übrigens Eurer Exzellenz anheimstellen, ob Hochdieselben diese neue mit der Substitutions-Clausel versehene Vollmacht gleich itzt vorlegen wollen, oder aber bis zum Augenblick der Anwendung dieser Clausel rückzubehalten angemessen erachten. So wie nun jene dem k. Preußischen Staatskanzler in Erfüllung seines Wunsches mitgetheilte Instructions-Puncte im Allgemeinen die Gesinnungen und Ansichten ausdrücken, welche für die Aeußerungen und das Benehmen des kk. Bundestagsgesandten als Anhaltspuncte zu dienen haben; so sehe ich mich noch zu folgenden für Euren Exzellenz Privat-Wissenschaft gehörenden Nachtrags-Bestimmungen bewogen: a) Obschon das freundschaftliche Benehmen mit dem k. Preußischen Gesandten den Gesinnungen Sr Majestät des Kaisers entspricht, so beabsichtigen Allerhöchstdieselben jedoch kein solches, welches bey den übrigen Bundestags Gesandten Eifersucht und Mißtrauen und Besorgniß geheimer Einverständnisse erregen möchte. – Eure Exzellenz kennen zu gut die Stimmungen und Neigungen der sämmtlichen teutschen Höfe und Bundesstaaten, um nicht auch ohne meine besondere Erinnerung sehr wohl die mit wahrhafter Anhänglichkeit ergebene von den scheinbaren Freunden zu unterscheiden, und hiernach die einzeln Modalitäten Ihres individuellen Benehmens zu regeln. b) Es ist daher nur eine Folge dieser allgemeinen Bemerkung, daß Eure Exzellenz sich zwar in geeignete vertrauliche Rücksprache mit dem k. Preußischen Bundestags-Gesandten erhalten; jedoch in Rückerinnerung des vereitelten Strebens nach Theilnahme an der Geschäftsleitung411alles vermeiden, wodurch der k. Preußische Gesandte versucht werden könnte, ein besonderes Nebengewicht in der Verhandlung der einzeln Geschäfte zu bezielen und zu

Wien, 24. Oktober 1816, befindet sich in GStAPK Berlin, III. HA, MdA  I, Nr. 1838, fol. 245−245’. Die „Instruktionspunkte“ für Buol-Schauenstein ebd. fol. 246−252’. 2 Vgl. Dok. 4b. 3 Vgl. HHStA Wien, St. K., Deutsche Akten (neue Reihe), Kart. 85, Fasz. 115 (alt), fol. 299−299’. 4 Vgl. Dok. 6, 12, 13, 15 und 16.

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erlangen. – Es ist in Beachtung der deutschen Bundesacte512die Absicht Seiner Majestät des Kaisers, daß Preußen eben so wenig in der Wirklichkeit als in dem Nahmen und äußern Formen eine Geschäftsleitung oder überwiegende Einwirkung hierbey erhalte. Ich wünsche vielmehr, daß Eurer Exzellenz bereits erworbenes Vertrauen durch die wirksamste Geschäftsleitung zur ­offenkundigen Anerkennung gelange, und dadurch zugleich das Vertrauen auf die ernste theilnehmende Einwirkung des kk. Hofes in die Angelegenheiten des deutschen Bundes bestärke. c) Da es möglich wäre, daß im Verlaufe der Zeit von einem oder dem andern die deutsche Kaiserkrone in erneuerte Anregung gebracht würde; so ersuche ich Eure Exzellenz in dieser Beziehung sich auf die allgemeine Erklärung zu beschränken, daß Seine Majestät nur nach dem lauten Andringen der Mehrheit der deutschen Fürsten im J. 1806 die Krone niedergelegt6,13und sich überhaupt zum Prinzip genommen hätten, nur dem öffentlichen Gesammtwillen in jeder Art möglichst zu entsprechen, welcher daher auch nur als dann einen Kaiser wünschen könne, wenn dieser zugleich einen seiner Würde und dem wichtigen Standpuncte angemessenen Wirkungskreis habe. Übrigens werden Eure Exzellenz mir ohnehin von solchartigen Aeußerungen oder Eröffnungen jederzeit Nachricht geben. – Bey diesen Veranlassungen kann auch immer in geeigneter Art angeregt werden, daß Seine Majestät das gesammte Reichshof­raths- und Reichskanzley-Personale auch nach abgelegter Krone in Besoldung erhalten haben. d) Eurer Exzellenz kann ich nicht genug empfehlen, sich die schon in meinem Schreiben vom 10.714und 16ten vor. M.815bemerkte Erfahrungs-Wahrheiten immer gegenwärtig zu halten, daß Seine Majestät zwar mit Zuversicht jede Aeußerung der öffentlichen Meinung erwarten können, eben daher aber auch diese nicht gleichgültig berücksichtiget werden sollte; und daß, so wie Wahrheiten oft wiederholt, endlich Wurzel fassen, dieses auch, wenigstens vorübergehend, – bey verbreiteten Irrthümern eintritt. Mit Beziehung auf jene zwey Schreiben und darin berührte Einwirkung auf Zeitschriften und Zei­ tungen, glaube ich dieses nochmals mit der Bemerkung empfehlen zu sollen, solches als einen wesentlichen Theil Ihrer öffentlichen Wirksamkeit zu betrachten. 5 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1503–1518. 6 Vgl. Erklärung vom 6. August 1806 zur Niederlegung der Kaiserkrone durch Kaiser Franz II., in: Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 37 f. Zur Reichsauflösung vgl. allgemein Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 68−74. 7 Vgl. HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Kart. 1, Weisungen 1816, fol. 173–178’. 8 Vgl. ebd. fol. 179.

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Obschon ich ferner in meinem Schreiben vom 10. vor. M. der Meinung war, und noch diese Ansicht habe, daß dem Magistrate in Frankfurt die eigentliche Censursgeschäfte überlassen werden könnten; so versteht es sich jedoch von selbst, daß dieser als ein Beweis des Vertrauens des Bundestags, vom Magistrate zu ehren, und hierbey vorausgesetzt sey, daß demselben auch entsprochen werde. – Namentlich kann ich nicht ganz unbemerkt lassen, daß die seither in den Frankfurter Zeitungen sichtbare Übergehung oder ganz kurze Berührung aller Artikel vom Bundestage an Unanständigkeit gränzt, und es steht der überlassenen Censur ohnerachtet nichts entgegen, daß Eure ­Exzellenz auch die Frankfurter Zeitungen in den Kreis Ihrer angemessenen Beobachtung und Einwirkung mit Vorsicht und Vermeidung allen Anscheins aufnehmen. e) Mit Beziehung auf die in meinen frühern Schreiben, vorzüglich vom 2. July9,16 4. July10,172. August11,1812. August12,1910. September13,2016. September1421ertheilte generelle Anweisungen, und mit Wiederholung der bestimmten Gesinnungen Sr Majestät einen ganz correcten Gang nach Grundlage der Bundesacte und des darin bezeichneten Standpunctes des kk. Hofes beob­ achten zu wollen, versteht es sich von selbst, daß wenn also manche Attribute und Einwirkungen nicht gefordert werden, weil selbige nicht schon in der Bundes-Acte begründet sind, der kk. Bundestags Gesandte jedoch sich den Grundsatz gegenwärtig zu halten hat, daß Se Majestät in jeder Art dem Vertrauen zu entsprechen, immerhin bereit seyn werden, welches die BundesStaaten demselben zu bezeigen geneigt seyn sollten. f) Eure Exzellenz werden zwar in den allgemeinen Instructions-Puncten nebst gegenwärtiger Ergänzung, und der hieraus erhaltenden allgemeinen ­Ansicht des kk. Hofs über die Angelegenheiten des deutschen Bundes sich hinreichend im Stande finden, spezielle Vorkommenheiten auch ohne Anfragen zu erledigen, indessen werde ich bey sich ergebenen Fällen Hochdenenselben die erforderlich erachtete spezielle Instructionen noch immerhin zeitig zukommen lassen, und empfehle nur bey Ihren berichtlichen Anfragen mir so viel möglich auch die etwaige Ansichten der vorzüglicheren Herrn Bundestags-Gesandten gleichzeitig zu bemerken. g) Es steht nichts entgegen, daß Eure Exzellenz jene oben angeführte – dem k. Preußischen Staatskanzler nach seinem Wunsche mitgetheilte Instruc9 Vgl. Dok. 16. 10 Vgl. HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Kart. 1, Weisungen 1816, fol. 83−83’ und 103−103’. 11 Vgl. ebd. fol. 106−111’ und 117−117’. 12 Vgl. ebd. fol. 120−120’ und 123. 13 Vgl. Anm. 7. 14 Vgl. Anm. 8.

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tions-Punkte auch andern Gesandten zur Bewährung gleicher freundschaftlichen Gesinnungen einsehen lassen. Empfangen Eure Exzellenz die Versicherung meiner vollkommensten Hochachtung. F. v. Metternich [b) Anlage: Instruktionspunkte für den österreichischen Präsidialgesandten beim Deutschen Bundestag] Zweck und Beschaffenheit des Deutschen Bundes. Grundtendenz der Bundesgeschäfte. Vordringliche Aufgaben der Bundesversammlung: Bundesmilitärverfassung, Organisation der Bundestagsverhandlungen. Verhältnis Österreichs zum Deutschen Bund: Wahrung der Unabhängigkeit der deutschen Staaten, Motive für die Ablehnung der Kaiserwürde. Wirkungskreis des ­Bundespräsidialgesandten: Uneigennützigkeit der österreichischen Bundespolitik, bundespolitische Absichten Preußens.

Wien, 24. Oktober 1816 Instructions-Puncte für den kk. Oesterreichischen vorsitzenden Gesandten beym deutschen Bundestage Der deutsche Bund ist eine in seiner Art einzige Erscheinung; weder die alte, noch neuere Geschichte gewährt einen gleichen Staaten-Verein. Damit daher der kk. Oesterreichische vorsitzende Gesandte beym Bundestag einen festen Richtpunct seines ganzen Benehmens habe, wird es angemessen seyn, Demselben gewisse Hauptgrundsätze, welche jedoch das ganze Gebieth seiner ­öffentlichen Wirksamkeit umfassen müßen, festzustellen, und übrigens sodann in Folge des demselben zu widmenden Vertrauens in einzelnen An­ wendungen, so wie bey Behandlung der unter mancherley Modificationen denkbaren Formen möglichst freyen Spielraum der eigenen individuellen Würdigung zu überlassen, oder etwa in einzelnen Fällen die Berichts-Er­ stattung vorzubehalten. Diese größere freye Regsamkeit des zu der wichtigen Bestimmung eines kk. vorsitzenden Gesandten berufenen Ministers nach vorläufiger Festsetzung allgemeiner Grund-Directiven entspricht hier eben so dem einzig richtigen Standpuncte, als hingegen eine in alle Einzelheiten1522der denkbaren Geschäftsbeziehungen im voraus eingehende allgemeine Instruction lähmend,

15 Emendiert. Vorlage: Einzeleheiten.

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und zugleich auch gewiß in den meisten Fällen nicht einmal unbedingt anwendbar seyn würde. Von diesem Gesichtspuncte ausgegangen glaubt man die Instruction auf folgende Anweisungen beschränken zu können und zu sollen: I. Allgemeine Directiv-Grundsätze; II. Besondere Bestimmungen. I. Allgemeine Directiv-Grundsätze. In dieser Hinsicht kömmt zu bestimmen: A. Ansicht des deutschen Bundes; B. Geschäfte und deren Behandlung bey eröffnetem deutschen Bundestag; C. Form des weitern Benehmens. A. Ansicht des deutschen Bundes. § 1. Begriff und Beschaffenheit desselben. Durch die deutsche Bundes-Acte sollte kein neues deutsches Reich, sondern eine Vereinigung der deutschen Staaten gestiftet werden. Die Elemente des ehemaligen deutschen Reichs giengen unter in der Zeit; es gibt keinen Kaiser, keine Stände, keine unmittelbare Reichsangehörige, kein eigentliches Staatsband in allen seinen Formen mehr. – Ohne neue Gewalt, ohne neue Umwälzungen kann das Alte, wäre auch die Vortrefflichkeit desselben in allen einzelnen Instituten bewährt, nicht mehr hergestellt werden. – So ist daher nur die Rede von dem, was dem Bedürfniß der Zeit, dem veränderten Zustande der Dinge selbst angemessen ist. Deutschland ist kein Bundesstaat mehr, sondern ein Staatenbund. – Es stellt eine Gesellschaft großer und kleiner Staaten vor, in welcher sich keiner gegen den andern in dem Verhältniß einer gesetzlichen Abhängigkeit befindet. Die Bundesacte zieht zwischen ihnen keinen andern Unterschied, als daß die kleineren Staaten nur mit Gesammt-Stimmen auf dem Bundestage er­ scheinen.1623Selbst die Auszeichnung des Vorsitzes, welche Oesterreich eingeräumet worden, ist nur materiell, ohne irgend ein politisches Vorrecht oder eine Art von Suprematie zu begründen. § 2. Zweck des Bundes und Richtung seiner öffentlichen Wirksamkeit. Die Bundes-Acte selbst Art. II gibt bestimmt den Zweck dieses Staatenbundes an. Er bezweck[t] nemlich äußere und innere Sicherheit Deutschlands, so

16 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1509 (Artikel 4).

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wie die Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzeln deutschen Staaten.1724 Da also der Zweck des Bundes bloß schützend und folglich defensiv ist; so darf auch die öffentliche Wirksamkeit desselben, so wie des Bundestags keine andere Richtung, als jene der Erhaltung und des Schutzes haben. – Die Gleichheit der Rechte der Bundesstaaten muß unangetastet bleiben, und jedes Eingreifen in die Rechte der Einzelnen sorgfältig vermieden werden. – Der Mächtigere darf keinen andern Einfluß gewinnen, als jenen, alles zu verhindern, was dem Zweck entgegen wäre. – Hierin liegt die Garantie und Sicherheit des Bundes. § 3. Verhältniß des deutschen Bundes zu Oesterreich. Die gegenwärtigen Verhältnisse der Oesterreichischen Monarchie zu Deutschland sind allerdings sehr von jenen verschieden, welche einige Jahrhunderte hindurch diese beiden Länder-Massen unter einem Oberhaupt vereinigten; allein sie sind nichts destoweniger noch immer vortheilhaft, und vielleicht mehr auf gegenseitige Interessen gegründet, als jemals. – Die Politik des Oesterreichischen Hofs in Hinsicht Deutschlands kann heut zu Tage weder Furcht noch Mißtrauen erregen. Oesterreich hat nicht die mindeste Eroberungs-Absicht auf einen deutschen Staat, und kann solches schon in seiner geographisch-politischen Lage vernünftiger Weise nicht haben. Das wechselseitige Vertrauen zwischen Oesterreich und den deutschen Fürsten ergeht demnach aus der Wesenheit selbst der politischen Verhältnisse beider Theile. – Oesterreich erkennt in Deutschland eine schützende Staaten-Verbindung, während Deutschland zugleich in Oesterreich jederzeit einen vorzüglichen Schutz finden soll. Das wichtigste Interesse aber, welches fernerhin Oesterreich mit Deutschland verbinden wird, besteht darin, daß der deutsche Staatenbund in der möglichsten Unabhängigkeit erhalten werde, und es kann wohl nie ein gemeinschaftlicheres und aufrichtigeres Interesse bestanden haben, wie ­dieses. Bey dieser Beschaffenheit der Umstände wollen Seine Majestät der Kaiser selbst nur als ein einfaches Mitglied ohne die Vorrechte, welche Ihnen die Größe Ihrer Macht und der Umfang Ihres Schutzes gewähren könnten, als gleiches Bundesglied auf dem Bundestag erscheinen. Sie wollen alles vermeiden, was Collisionen der Eitelkeit und eine schädliche Eifersucht erregen könnte. Sie ehren den Ihnen vertrauten Vorsitz beym Bundestag als ein Merkmal des Vertrauens sämmtlicher Bundes-Staaten, und werden solches als bloß auf die Geschäftsführung gerichtet, und weit entfernt als ein eigentliches 17 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508.

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p­ olitisches Vorrecht betrachten. – Der kk. Gesandte beym Bundestag kann das Verhältniß seines Hofes nicht richtiger fassen, als in der Versicherung, daß Oesterreich für Deutschland und sämmtliche Bundes-Staaten alles zu übernehmen bereit ist, wozu Deutschlands Wohl und Regierungen Oesterreich auffodern, und übrigens in heiliger Beobachtung der Bundes-Acte die treue Erfüllung übernommener Verpflichtung erkennt. Bey diesen – alle Bundes Staaten im wahren Geiste eines Staaten-Bundes umfassenden Gesinnungen ist es daher der bestimmte Wille Seiner Majestät, daß dessen Gesandter beym Bundestag alles vermeide, was die Form einer Trennung in Partheyen annehmen und demnach einen Bund im Bunde stiften dürfte; Oesterreichs Gesandter wird mehr bemüht seyn müßen, die Gesinnungen und Anhänglichkeit der Bundesglieder zu dem festgesetzten Zweck hinzuleiten, als sie im eigentlichen und engherzigen Sinne des Worts gleichsam für seinen Hof zu lenken. Sein ganzes Streben muß nur dahin gerichtet seyn, durch ein solchartiges Benehmen dem Einflusse jeder Macht, welche gegen Erwarten deutsche Höfe zu ihrem an sich schon untrennbaren, dem Bunde entgegengesetzten Privat-Vortheil zu gewinnen versuchen möchte, zu begegnen. Dieser letztere wird am sichersten dadurch erzielt werden, wenn der Oesterreichische Hof durch das Beyspiel seiner eigenen Correctheit und seines rein deutschen Sinnes, den andern den Muth und die Luft einflößt, von der in der Bundesacte vorgezeichneten Bahn nicht eigenmächtig abzugehn. § 4. Unverletzbarkeit der Bundes-Acte. Die Bundesacte vom 8ten Juny 1815 sey dem kk. Oesterreichischen Gesandten eine in ihren Grundbegriffen unverletzbare Urkunde, als der vereinte Ausdruck des Willens sämtlicher Bundesstaaten. Es ist daher vorzüglich nur eine ergänzende und deren allgemeine Anordnungen oder bloße Ausdeutungen ­näher bestimmende Bearbeitung statthaft; heilig und unverletzbar mit einer ruhigen und besonnenen Berücksichtigung der Bedürfnisse der Zeit muß deren Grundlage bleiben. Dieses führt zu B. Geschäfte und deren Behandlung bey eröffnetem deutschen Bundestage. Die Geschäfte beym deutschen Bundestag nach bereits oben bezeichneter allgemeinen Richtung dessen öffentlichen Wirksamkeit sind am richtigsten abzutheilen theils nach eigner Anleitung der Bundesacte, theils nach den im Verfolg der Zeit unbestimmbar sich ergebenen Veranlassungen. Es lassen sich selbige daher unter folgende drey Directiv-Grundsätze klassifiziren. 1. Geschäfte, welche aus dem eigentlichen Character des deutschen Bundes abzuleiten sind, welcher eben so wenig ein Bundesstaat, als ein bloßes

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politisches Schutz- und Trutzbündniß, sondern ein zugleich die Nationalität sichernder1825Staatenbund ist. 2. Geschäfte, welche ohne diese unmittelbare Richtung vorzüglich als Folgen der vergangenen Zeit durch die Bundesacte dem Bundestag zur Geschäftsbehandlung zugewiesen sind. 3. Geschäfte, welche unbestimmbar im Verfolge der Zeit zum Bundestage kommen. Nach Eröffnung des Bundestag[s] wird der kk. Oesterreichisch-vorsitzende Gesandte einen Vortrag ablegen19,26worin nach diesen Directiv-Grundsätzen und zugleich nach den einzeln Artikeln der Bundesacte selbst, sämmtliche Geschäfte genauer angedeutet werden sollen. Während man sich daher in dieser Hinsicht der vereinzelten Anwendung obiger allgemeinen Abtheilungs-Normen auf jenen ersten Vortrag bezieht, wird nur noch insbesondere bemerkt, daß so wie jener Vortrag unter andern auch die Einleitung zur Bearbeitung der organischen Gesetze überhaupt bezweckt, man insbesondere zur Erleichterung der Vorarbeiten der militärischen Verhältnisse des deutschen Bundes wegen der dazu erforderlichen militärischen Kenntnisse einen General nach Frankfurt abordnen wird. In eben jenem Vortrage soll übrigens auch nach vorgängiger Darstellung der zu verhandelnden Geschäfte selbst, zugleich als diesseitige gutachtliche Ansicht angegeben werden, wie etwa selbige in Berathung und Verhandlung zu nehmen seyn dürften, insofern man nicht schon bey den gegenwärtig angefangenen Präliminar-Conferenzen auch darüber eine hinreichende Verabredung getroffen haben sollte. Zu C. Form des weitern Benehmens. In den itzt entwickelten Grundsätzen wird der kk. Oesterreichische vorsitzende Gesandte beym deutschen Bundestage hinreichenden Anhalts-Punct seines Benehmens im Allgemeinen finden, und während spezielle Geschäftsverhältnisse, (immerhin jedoch nach Grundlage der vorausgesetzten unabänderlichen Directiv-Grundsätze) nöthigen Falls zur Berichtserstattung vorbehalten bleiben, übrigens auch eine weitere Instruction erst nach erfolgter Abstimmung über den ersten Vortrag der vorsitzenden Gesandtschaft statt finden kann, überläßt man dem kk. Gesandten insbesondere in allen bloß formellen Geschäftsbeziehungen ganz freye Wirksamkeit für einzelne verwendbare ­Modificationen nur mit beständigem Rückblicke auf die entwickelten Haupt-

18 Emendiert. Vorlage: sicherender. 19 Vgl. Dok. 100.

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grundsätze. Hierauf beschränkt man daher die allgemeine[n] Directiv-Grundsätze. II. Besondere Bestimmungen. Der kk. Oesterreichische vorsitzende Gesandte hat nach seiner zweyfachen Eigenschaft, als vorsitzender und als kk. Oesterreichischer Stimmführender Gesandte noch folgende besondere Bestimmungen sich immerhin gegenwärtig zu halten: 1. Seine Majestät des Kaisers freundschaftliche Verhältnisse mit allen deutschen Bundes-Staaten, und der glückliche Umstand, daß Seine Majestät weder in Ansehung Ihres Verhältnisses zum deutschen Bunde eine eigenmächtige Erweiterung deren gegenwärtigen Standpunctes beabsichten, noch auch irgend ein deutscher Bundes-Staat Besorgnisse wegen Gebieths-Ausdehnungen gegen den kk. Oesterreichischen Hof zu hegen, Ursache hat; kurz der Umstand, daß nicht der leiseste Privat-Vortheil in den Gesinnungen Seiner Majestät liegt; dieses setzt den kk. Gesandten beym Bundestage in die angenehme Lage mit sämmtlichen Gesandten der deutschen Bundes-Staaten im offenen und vertraulichen Benehmen zu stehen; so wie solches auch ganz den persönlichen Gesinnungen Seiner Majestät entspricht. 2. Die Zeiten der Eifersucht zwischen Oesterreich und Preußen sind vorüber, und vielmehr hat der k. Preußische Hof wiederholt den Wunsch zum gegenseitigen communicativen freundschaftlichen Benehmen mit der kk. Gesandtschaft beym Bundestag geäußert. – Es ist daher die erneuert erklärte Absicht Seiner Majestät, daß der kk. Gesandte beym Bundestage, diesem ebensosehr den persönlichen freundschaftlichen Gesinnungen der beyden Monarchen, als auch der wahren Politik beyder Cabinete entsprechendem Wunsche bereitwilligst entgegen kommen. 3. Da Seine Majestät in dem Allerhöchst denenselben übertragenen Vorsitze beym Bundestag nicht sowohl ein wahres politisches Vorrecht, oder eine Art von Suprematie20, 27als vielmehr eine auf die nöthige Geschäfts-Ordnung gerichtete Bestimmung erkennen; so wird die kk. Oesterreichische vorsitzende Gesandtschaft sich jedes Anscheins von ersterm eben so sehr enthalten, als auch in den Formen der Geschäftsleitung sich leicht, und den Wünschen der Bundestags-Gesandten willfährig bezeigen; übrigens wird auch in dieser Hinsicht die zu entwerfende Bundestags-Ordnung2128alle etwaige anfängliche Unbestimmtheit haben, wobey Seine Majestät jeder – dem Zweck entsprechend erachteten Modalität mit Vergnügen beytretten werden. 20 Emendiert. Vorlage: Supermatie. 21 Vgl. Dok. 65.

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Provisorische Übereinkunft wegen der sachsen-ernestinischen Kuriatstimme

Nr. 62

62. Provisorische Übereinkunft wegen Führung der sachsenernestinischen Kuriatstimme am Bundestag

(a) HStA Weimar, Gemeinschaftliche Ernestinische Bundestagsgesandtschaft – Spezialakten, Nr. 5, fol. 69–70’. Vertrag. Beglaubigte Abschrift; (b) HStA Weimar, C 2256, fol. 537−539’. Abschrift.

Form der Korrespondenz des Bundestagsgesandten mit und zwischen den fünf beteiligten Höfen. Modalitäten der internen Entscheidungsfindung. Fristen für die Instruierung des Bundestagsgesandten und Modalitäten für die Abgabe der Gesamtstimme. Aufteilung der Kosten für den Unterhalt der gemeinschaftlichen Bundestagsgesandtschaft. Gültigkeit der provisorischen Übereinkunft zunächst bis zum 1. Januar 1818.

Jena, 31. Oktober 1816 Provisorische Uebereinkunft wegen Führung der Sachsen Ernestinischen Curiat-Stimme am Bundestag. 1. Der gemeinschaftliche Gesandte zu Frankfurt a/M. erstattet seine Berichte gleichzeitig an alle 5 Höfe, mithin fünffach. 2. Jeder Hof sendet hierauf sein Votum ohnverweilt dem Gesandten unmittelbar zu, und theilt den übrigen Vier Höfen zugleich Abschrift davon mit.

3. Der Gesandte entnimmt von selbst die Mehrheit der Stimmen aus den ihm zugegangenen Votis und giebt nach dieser Mehrheit seine Erklärung in der Bundes-Versammlung ab, von welcher Er an alle 5 Höfe gleichzeitige Meldung macht. 4. Bey Ausziehung dieser Stimmen-Mehrheit verfährt der Gesandte nach folgenden Regeln: a) Wenn Weimar und Gotha auf der einen, und die 3 jüngern Herzog. Linien auf der andern Seite zusammenstimmen, so geht das einemal die Weimar-Gothaische − und das nächstemal die Meinung der 3 jüngern Linien vor. b) Wenn Weimar und Gotha jedes eine andere Meinung und jedes nur einen der 3 jüngern Höfe für sich hat, so geht einmal die Weimarische, und das anderemal die Gothaische Stimme vor. c) Wenn zwey der jüngern Linien zusammenstimmen, die 3 übrigen Höfe aber jeder eine andere Meinung haben, so prävalirt das erstemal die der zwey jüngern gleichstimmigen Linien, das zweytemal die Gothaische und das drittemal die Weimarische Stimme.

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Jena, 31. Oktober 1816

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d) Wenn jeder der 5 Höfe anderer Meinung ist, so entscheidet diejenige Weimarische oder Gothaische Stimme, welcher eine der Stimmen der 3 jüngern Linien sich am meisten nähert, oder wenn dieß bey keiner der­ selben der Fall seyn sollte, das erstemal die Weimarische Stimme, und das nächstemal die Gothaische Stimme. e) In allen übrigen 1hier nicht nahmentlich bemerkten1 Fällen wird die Weimarische und die Gothaische Stimme jede doppelt gezählt, die der drey jüngern Linien aber nur einfach, und hiernach die Stimmenmehrheit entnommen. 5. Der Gesandte hat über jede Gattung der Sub a. b. c. und d. bestimmten Fälle ein besonderes Register zu führen, um immer gleich ersehen zu können, welche Stimme in jeder Gattung der einzelnen fraglichen Fälle das letztrerige Mal prävalirt habe, indem2 die Alternation nur in Fällen der nämlichen Art eintritt, nicht aber von einer Gattung solcher besonders bestimmten Fälle auf die andern überspringt. 6. Jede Stimme muß dem Gesandten innerhalb längstens Vierzehn Tagen nach wirklicher Absendung seines Berichts zugehen. Am 15ten Tage nach dieser Absendung zieht Er aus den bis dahin eingegangenen Stimmen das Resultat der Mehrheit aus, ohne auf die noch fehlenden weiter zu reflectiren. Ueberhaupt kann er auch schon früher die Gesammt-Stimme abgeben, sobald aus bereits eingegangenen Stimmen, nach den § 4 gegebenen Regeln, schon eine unzweifelhafte Stimmen-Mehrheit vorliegt, so daß die abgängigen Stimmen ohnehin keine Änderung machen könnten. 7. Die Besoldung des Gesandten und alle übrigen Gesandtschaftskosten werden zu 1/3 von Weimar, zu 1/3 von Gotha und zu 1/3 von den drey jüngern Linien dergestalt getragen, daß Meiningen 5/16 ª Hildburghausen 4/16 ¬ dieses Drittheils und Coburg 7/16 º bezahlt. 1–1 Vorlage (b): gedenkbaren. 2 Vorlage (b): und um.

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Promemoria mediatisierter Reichsstände an die Deutsche Bundesversammlung Nr. 63

8. Gegenwärtige Uebereinkunft soll vom 1[te]n Januar 1817 in Wirksamkeit treten, jedoch vorerst nur bis zum 1[te]n Januar 1818 verbindlich seyn und im Laufe des Jahrs 1817 entweder definitiv bestätigt, oder abgeändert werden. Von jetzt bis zum 1. Januar 1817 bleibt das dermalen bestehende Provisorium in Wirksamkeit. L. S.

Die Uebereinstimmung dieser Abschrift mit ihrem Originale bezeugt pflichtmäßig Gotha den 3. Februar 1817 Karl Wüstemann3 Geheimer Registrator

63. Promemoria mediatisierter Reichsstände an die Deutsche Bundesversammlung

GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 1117, fol. 12−12’. Promemoria. Behändigte Druckschrift. Druck: Nachträgliche Aktenstücke der deutschen Bundes-Verhandlungen, Bd. 1, S. 28–30; CJCG, Bd. 2, S. 19−20.

Durch die Vernichtung des Rheinbundes ist der vormalige Rechtszustand in Deutschland wiederhergestellt worden. Bereitschaft der Mediatisierten zur Einwilligung in diejenigen Opfer, die für das allgemeine Wohl Deutschlands notwendig seien, sofern eine Änderung ihres ehrwürdigen Rechtszustandes durch freiwillige Übereinkunft begründet werde. Da nur durch eine Repräsentation der Mediatisierten in der ­ ­Bundesversammlung eine solche Übereinkunft erzielt werden könne, bitten sie um die Verleihung von Kuriatstimmen in der Bundesversammlung gemäß Artikel 6 der Deutschen Bundesakte.

3 Karl Christian (seit 1830) von Wüstemann (1795−1863), sachsen-altenburgischer Staatsmann, Studium der Rechte in Jena und Göttingen, 1816 Geheimer Registrator beim Geheimratskollegium in Gotha, 1820 Geheimer Kanzleisekretär ebd., 1825 assistierendes Mitglied und Legationsrat im Geheimen Ratskollegium in Hildburghausen, nach der Landesteilung 1826 Geheimer Legationsrat und Mitglied des Geheimen Ministeriums in Altenburg (bis 1848), 1830 Geheimer Konferenzrat ebd. und Vizepräsident des Konsistoriums, 1835 Geheimer Rat und Konsistorialpräsident (bis 1840), 1844 Wirklicher Geheimer Rat und Minister, 1848 Dienstentlassung auf eigenen Wunsch, Februar−Mai 1853 Minister und Chef des Finanzdepartements. Vgl. ADB, Bd. 44, S. 369−371; Pierer’s Universal-Lexikon, Bd. 19, S. 442; Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 418.

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Frankfurt am Main, 1. November 1816

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Frankfurt am Main, 1. November 1816 Pro Memoria. Die Unterzeichneten beehren sich bey Gelegenheit der nahen Eröffnung Einer hochansehnlichen teutschen Bundes-Versammlung in dem Hochderselben gewidmeten Vertrauen, Folgendes vorzutragen. Durch die von den höchsten Verbündeten proclamirte Vernichtung des Rheinischen Bundes, welche alle Souveraine Teutschlands durch feyerlichen Beytritt anerkannten, ward die Herstellung des vormaligen Rechtszustandes in Teutschland überhaupt, und damit der nur durch Gewalt, und ohne gesetzmäßige Veranlassung, mitten im Frieden unterdrückten Mehrzahl teutscher Reichsstände ausgesprochen. Der damalige Drang der Kriegsereignisse hinderte die Vollstreckung dieses gerechten Ausspruchs, welchen jene Stände nach erfolgtem Frieden in Paris1 und London2, später bey dem hohen Monarchen-Congresse3, an welchen Sie hingewiesen wurden, zu erwirken suchten. Die Gerechtigkeit Ihrer Forderungen und Erwartungen ward durchaus anerkannt, während neue Ereignisse in Frankreich4 die volle und sachgemäße Prüfung, ernste Berathung und Wiederbestimmung Ihres so ganz zerrütteten Rechtsverhältnisses vereitelten. Indessen gab die Bundesakte5 die Grundlage einer neuen Form, und zog die Hauptlinien in einzelnen Rechten, deren Vollendung und gänzliche Bestimmung der höchsten teutschen Bundes-Versammlung anvertraut wurden. Die Gefühle der Ehre, des Rechts und der Pflicht forderten die oft erwähnten Stände gebieterisch auf, Ihre angestammten Rechte, in so fern sie in diesen Hauptlinien noch nicht bezeichnet waren, und überhaupt Ihr durch Rechtstitel begründetes, durch den Besitz von Jahrhunderten geheiligtes, constitutionelles, und von allen europäischen Mächten anerkanntes Eigen­ thum feyerlich zu verwahren, in der Ueberzeugung, daß ohne Ihre Einwilligung der ihnen abgedrungene Besitz stets ohne Rechtmäßigkeit seyn würde. Indessen haben Sie auch bey dieser feyerlichen Veranlassung erklärt, daß Sie 1 Erster Pariser Frieden vom 30. Mai 1814. Vgl. QGDB I/1, Dok. 27, S. 153−168. 2 Anfang Juni 1814 kamen in London die Regierungsvertreter sowie die meisten Monarchen der Staaten der siegreichen antinapoleonischen Koalition zu einer vorbereitenden Konferenz für den Wiener Kongreß zusammen, auf der unter anderem die Quadrupelallianz von Chaumont (1. März 1814) erneuert wurde. Vgl. Erbe, Revolutionäre Erschütterung und erneuertes Gleichgewicht, S. 343; Taddey (Hrsg.), Lexikon der deutschen Geschichte, S. 195. 3 Der Wiener Kongreß 1814/15. 4 Napoleons Rückkehr nach Frankreich am 1. März 1815 und seine ‚Herrschaft der hundert Tage‘. Vgl. Erbe, Revolutionäre Erschütterung und erneuertes Gleichgewicht, S. 349 f. 5 Die Deutsche Bundesakte vom 9. Juni 1815. Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1503−1518.

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Promemoria mediatisierter Reichsstände an die Deutsche Bundesversammlung Nr. 63

bereit seyen, in diejenigen Opfer zu willigen, welche für das allgemeine Wohl Teutschlands nöthig seyen, und als Resultat freywilliger Uebereinkunft eine rechtliche Aenderung Ihres ehrwürdigen Rechtszustandes begründen würden. Mit dieser Erklärung haben Sie in gleichem Gefühl des Vertrauens auf ­National-Gerechtigkeit und Ehre Ihre Appellation an die hohe Bundes-Versammlung eingelegt, wo der Teutsche den Teutschen richten, und wo von Ständen Gerechtigkeit gegen Mitstände ausgesprochen und geübt werden wird. Dieser erhabnen Versammlung nun wurde auch der Ausspruch über Ihren Beysitz, Ihr Stimmrecht und eine dem Alter, der Würde und Bedeutenheit Ihrer Häuser entsprechende Repräsentation bey derselben in dem 6ten Artikel der Bundesakte vorbehalten6, nachdem sie von der fast ganzen Gesammtheit des hohen Congresses zu Wien als gerecht anerkannt, und auf dieselbe an­ getragen worden war. Da nur durch diese Repräsentation eine freywillige Uebereinkunft in Folge gemeinschaftlicher Verhandlungen erzielt, und nur in ihr das Prinzip der Rechtmäßigkeit der künftigen Verhältnisse dieser Stände gegründet werden kann; da sie der Billigkeit entspricht, in jeder Hinsicht unverfänglich, der teutschen Verfassung analog und mit dem Begriff der Ebenbürtigkeit verbunden ist, so glauben die Unterzeichneten die ehrerbietige Bitte um den gerechten Ausspruch dieser hohen Versammlung um so mehr jetzt vortragen zu müssen, als derselbe nach dem erwähnten Artikel zugleich mit der Berathung über die organischen Gesetze erfolgen, diese hingegen nach dem 10. Artikel das erste Geschäft der hohen Versammlung nach Ihrer Eröffnung ausmachen wird7. Die Unterzeichneten haben die Ehre, diese Angelegenheit zu geneigter Beschleunigung in der ausgezeichnetsten Verehrung zu empfehlen. Im Namen und Auftrag der Fürstlichen und gräflichen Häusser von Colloredo-Mannsfeld, Diedrichstein, Fugger Babenhausen, LöwensteinWertheim-Freudenberg, beider Linien, Metternich-Winneburg-Ochsenhausen, Oettingen-Oettingen und Wal­ lerstein, Oettingen-Spielberg, Salm-Reifferscheid-Dyck auf Schussenried, Salm-Reifferscheid-Kraut­ heim, Sinzendorf, Solms-Braunfels, Solms-Lich, Waldburg-Wolf­ egg, 6 Artikel 6 der Deutschen Bundesakte bestimmte: „Ob den mediatisirten vormaligen Reichsständen auch einige Curiatstimmen in Pleno zugestanden werden sollen, wird die Bundes-Versammlung bey der Berathung der organischen Bundes-Gesetze in Erwägung nehmen.“ Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511. 7 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512.

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Frankfurt am Main, 1. November 1816

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Waldburg-Zeil, Windischgraetz, dann Erbach-Erbach, -Fürstenau, -Schönberg, und -Wartemberg-Roth, Fugger-Glöt, Isenburg, KönigseggAulendorf, Ortenburg, Pucklar, Quadt-Isny, Schäsberg-Thannheim, Solms-Laubach, -Rödelheim, und Wildenfels, Stollberg-Gedern, Stollberg-Rosla und Ortenburg, und für sich als Graf zu Limpurg-Gaildorf Georg Graf zu Waldeck und Pyrmont8 K. Württemberg. wirk.er Geheimer Rath Im Namen, u. aus höchstem Auftrag Sr. Hochfürstlichen Durchlaucht der verwittibten Frau Fürstin zu Leiningen, gebohrnen Herzogin zu Sachsen Coburg Saalfeld Schmitz9 wirklicher geheimer & Cabinets Rath Im Namen des fürstlichen Hauses Löwenstein Wertheim jüngerer Linie v. Jagemann10 Regierungsrath

 8 Georg Friedrich Karl Graf zu Waldeck und Pyrmont und Limpurg-Gaildorf (1785–1826), württembergischer Standesherr, Studium in Göttingen und Heidelberg, zunächst Geheimer Rat und Präsident der Armen- und Wohltätigkeitskommission in Arolsen, 1811 Geheimer Rat und Landvogt in Heilbronn und ab 1812 in Stuttgart, 1815 Mitglied des Landtags, auf dem er die oktroyierte Verfassung König Friedrichs I. entschieden ablehnte und für eine Wiederherstellung der altwürttembergischen Verfassung sowie die Ansprüche der Mediatisierten eintrat, deren Sache er später wiederholt auch beim Bundestag in Frankfurt vertrat, daraufhin Ent­ fernung aus dem Staatsdienst und 1817 Ausweisung aus Stuttgart nach der Ablehnung des Verfassungsentwurfs König Wilhelms I., später Annäherung an die königliche Politik, 1819 Mitglied des verfassungberatenden Landtags, 1820 Mitglied der Ersten Kammer der Ständeversammlung. Vgl. NDB, Bd. 6, S. 232; ADB, Bd. 40, S. 667 f.; DBE, Bd. 3, S. 630.   9 Caspar Schmitz (1759–1835), Mitglied des Franziskanerordens, 1789 außerordentlicher Professor für Kirchenrecht in Heidelberg, 1794 ordentlicher Professor für Kirchengeschichte ebd., 1798 Wirklicher Geistlicher Rat, 1804 fürstlich leiningenscher Schulrat, später Ge­ heimer und Kabinettsrat, 1809 zugleich Pfarrer in Walldürn, 1814/15 leiningenscher Bevollmächtigter auf dem Wiener Kongreß. Vgl. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 6, S. 603; DBA II, 811, 170 f.; Drüll, Heidelberger Gelehrtenlexikon 1803−1932, S. 240. 10 Franz Christian von Jagemann (1776–1866), löwenstein-wertheim-rosenbergischer Beamter, 1814/15 Regierungsrat und Bevollmächtigter auf dem Wiener Kongreß, später Geheimer Justiz­rat in Wertheim. Vgl. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 6, S. 604; GGT B 1929, S. 300 f.; NDB, Bd. 10, S. 293; Emde (Hrsg.), Selbstinszenierungen im klassischen Weimar: Caroline Jagemann, Bd. 1, S. 332.

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Metternich an Buol

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64. Metternich an Buol

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Kart. 1, Weisungen 1816, fol. 293–293’. Weisung. Behändigte Ausfertigung.

Die Entscheidung über die Gewährung von Kuriatstimmen an die mediatisierten Reichsstände in der Bundesversammlung soll den Beratungen über die Rechtsstellung der Mediatisierten gemäß Artikel 14 Deutsche Bundesakte vorangehen. Zeigt sich zuversichtlich, daß eine Mehrheit im Bundestag für die Gewährung von Kuriatstimmen an die Mediatisierten stimmen werde. Für einen solchen Beschluß werde aber Einstimmigkeit erforderlich sein. Bis sich dazu ein günstiger Augenblick ergebe, solle Zurückhaltung sowohl von seiten der Mediatisierten als auch von anderen Bundestagsgesandten geübt werden.

Wien, 11. November 1816 Hochgeborner Graf! Der Graf von Waldeck hat das gegen Rückstellung im Original hier anliegende Schreiben111an mich erlassen, wodurch er die Berichtigung der etwaigen Curiat-Stimmen der mediatisirten Reichsstände beabsichtet. – Ich bin vor allem ganz mit der Ansicht des Grafen von Waldeck einverstanden, daß es zweckmäßig seyn dürfte, die Anordnung wegen des Stimmen-Verhältnisses der Mediatisirten den Berathungen über deren eigentliches Territorial-Verhältniß vorausgehen zu lassen; ich bin ferner auch versichert, daß die entschiedene Mehrheit beym deutschen Bundestage sich beystimmend dafür erklären werde; allein es dürfte wohl die Behauptung aufgestellt werden, daß Stimmen-Mehrheit nicht entscheide, sondern nach dem Art. 7212Einhelligkeit erforderlich sey. – Um daher eines günstigen Erfolgs versichert zu seyn, würde eine Unterhandlung vorausgehen müßen, um entweder überhaupt eine Modification dieser Bestimmung des Art. 7 zu erwirken, oder aber die Angelegenheit wegen der Cu­­riat-Stimmen der Mediatisirten selbst vorher bey denjenigen Höfen günstig einzuleiten, von denen die Beystimmung zweifelhaft wäre. Unter diesen Umständen scheint es mir rathsam zu seyn, daß die Bevollmächtigten der Mediatisirten noch solang mit einem auf die Curiat-Stimmen gerichteten Antrage rückhalten möchten, bis in einer oder der andern der beyden erwähnten Hinsichten ein günstiger Erfolg vorbereitet wäre. Ich wünsche daher, daß Eure Exzellenz die Bevollmächtigten, jedoch nur mündlich, aufmerksam machten, daß man nur einige Zeit noch mit einem be1 Vgl. Schreiben des Grafen Georg von Waldeck an Metternich, Frankfurt am Main, 19. Oktober 1816; HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Kart. 1, Weisungen 1816, fol. 294–301’. 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511.

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stimmten Antrage beym Bundestag rückhalten möchte, und überlasse es Hochdero Gewandheit nach Umständen die angeführten Gründe als Bedenklichkeiten anzudeuten, jedoch so, daß keiner der Bevollmächtigten selbige als Hochdero Ansicht den Committenten berichten könne. Eure Exzellenz belieben übrigens über diesen Gegenstand auch andere Bundestags-Gesandte zu sprechen, um auch deren Ansicht darüber als dann zu bemerken, und nach Umständen sodann mit der Eröffnung an Grafen v. Waldeck rückzuhalten. Empfangen Eure Exzellenz die Versicherung meiner vollkommensten Hochachtung. F. v. Metternich

65. Vorläufige Geschäftsordnung der Deutschen Bundesversammlung

ProtDBV 1816, Beilagen zu den Registraturen über die vertraulichen Besprechungen der Herren Bundestags-Gesandten, Nr. 7, S. 12–15. Geschäftsordnung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 1, 1817, S. 66−72; CJCG, Bd. 2, S, 32−36; Droß (Hrsg.), Quellen zur Ära Metternich, S. 48–54; Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 1, S. 640−645.

Vereinbarungen über den Ablauf und die Ordnung der Sitzungen, über die Beratungsgegenstände und Abstimmungsmodi sowie über die Protokollführung, Archivierung und Publikation der Verhandlungen und Beschlüsse der Deutschen Bundesversammlung.

Frankfurt am Main, 14. November 18161 I. Ordnung der Sitzungen. Die Sitzungen der Bundesversammlung werden vorläufig im Taxischen Pallaste, mindestens wöchentlich zweymal, und zwar regelmäßig Montags und Donnerstags, Vormittags 10–1 Uhr gehalten. 1 Die vorläufige Geschäftsordnung war in der Präliminarkonferenz vom 30. Oktober 1814 verabredet worden und wurde in der 3. Sitzung der Deutschen Bundesversammlung vom 14. November 1814, „vorbehaltlich der sich im Verfolge als nothwendig und nützlich darstellenden Modificationen, bis zur Annahme einer förmlichen Bundesordnung“ durch einstimmigen Beschluß des Plenums angenommen. Vgl. ProtDBV 1816, § 12, S. 50–52, Zitat S. 51. Auf Antrag des österreichischen Bundespräsidialgesandten Buol-Schauenstein erging im Engeren Rat ebenfalls am 14. November 1814 der Beschluß, nach Prüfung der Praktikabilität der vorläufigen Geschäftsordnung frühestens in drei Monaten „die Abstimmung über eine förmliche Bundestags-Ordnung anzugehen“. Vgl. ProtDBV 1816, 2. Protokoll der 3. Sitzung vom 14. November 1816, § 2, Zitat S. 54.

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Vorläufige Geschäftsordnung der Deutschen Bundesversammlung

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Bey gehäuften Geschäften, oder in besondern Fällen, finden außerordent­ liche Sitzungen, in Gemäßheit desfallsiger Verabredungen, oder einer Ansage des Präsidii, statt. Aus der Beschaffenheit der jedesmaligen Gegenstände der Verhandlung geht hervor, ob sich nach Maßgabe der Bundesakte, bloß die engere Bundesversammlung oder auch das Plenum mit denselben zu beschäftigen habe. Die Sitzungen sind theils förmlich, theils vertraulich. Die vertraulichen Sitzungen dienen zum Zweck vorläufiger Erörterung und Austauschung der Ansichten. Sie sind ohne amtliche Form und Wirkung. Es wird während derselben deshalb kein Protokoll von dem gewöhnlichen Protokollführer aufgenommen. Jeder Gesandte bemerkt nach seinem Belieben das Vorgekommene, oder alle vereinigen sich freywillig zu gleichlautenden Bemerkungen, an welche jedoch bey der künftigen ordentlichen Abstimmung keiner gebunden ist. Mit förmlichen und vertraulichen Berathungen kann den Umständen nach, auch in der nämlichen Sitzung abgewechselt werden. Die Ansage und, bey eintretender Verhinderung, die Absage der Sitzung steht dem Präsidio zu, durch welches solche in der Regel am Tage vor der Sitzung mittelst Umsendung von Zetteln verfügt wird. Die Ansagezettel enthalten die Adresse der Gesandten, und Zeit und Form der Versammlung. Der Gegenstand der Berathschlagung wird auf denselben nur dann angegeben, wenn ohne deshalb in einer früheren Sitzung getroffene Verabredung, eine Beschlußnahme beabsichtigt wird, wozu die Bundesakte Einstimmigkeit vorschreibt. Für die beyden regelmäßigen wöchentlichen Sitzungen findet nur, wenn dieselben unterbrochen werden, eine Ansage statt. Jeder Gesandte, der einer Sitzung beyzuwohnen verhindert wird, ist verpflichtet, dem Vorsitzenden solches, so wie auch den Namen desjenigen Gesandten, welcher etwa seine Stellvertretung übernommen hat, wo möglich Tags zuvor, schriftlich anzuzeigen. Zu einer gültigen Beschlußnahme gewöhnlicher Art wird in der engern Bundesversammlung die Abgabe von wenigstens neun, sowie in einer Plenarversammlung von wenigstens sechs und vierzig einverstandenen Stimmen erfordert. Wo es indeß auf Annahme oder Abänderung der Grundgesetze, auf organische Bundes-Einrichtungen, auf jura singulorum, oder Religionsangelegenheiten ankommt, muß sowohl in der engern Bundesversammlung, als im Pleno die Abgabe sämmtlicher Stimmen einverstanden erfolgt seyn, um eine gültige Beschlußnahme zu bewirken. Jedoch soll in dem einen, wie in dem andern dieser Fälle, wenn bey nicht vollzähliger Versammlung abgestimmt worden, den Abwesenden, welche kei-

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ne Vertreter bestellt, zwar das Protokoll zur Nachbringung ihrer Stimmen in der nächsten Versammlung offen gehalten werden, indessen, wenn auch diese Frist von ihnen versäumt, und nicht etwa ein weiterer Aufschub aus erheblichen Gründen bey der Versammlung nachgesucht und bewirkt worden, die Zuzählung ihrer Stimmen zur Vervollständigung der Mehrheit oder Einstimmigkeit ohne weiteres, statt finden. Bey etwanigem Todesfalle eines Gesandten, in welchem, in Ermangelung einer sonstigen gesandtschaftlichen Person, oder ihr geschehenen Substitution, die Obsignation von dem Präsidio zu besorgen ist, wird von der Bundesversammlung die Frist bestimmt, in welcher sie von der Regierung des Verstorbenen die Ernennung seines Nachfolgers oder Vertreters erwarten will, und diesem bis zum Ablauf solcher Frist für alle Gegenstände, worüber seit dem Todesfalle abgestimmt worden, das Protokoll offen behalten. Bey vertraulichen Berathungen bedarf es keiner bestimmten Anzahl abzugebender Stimmen. Der Präsidirende ist befugt, die Sitzungen zu eröffnen, sobald die bestimmte Stunde geschlagen hat. Die vorläufige Ordnung der Sitze und der Abstimmungen richtet sich in der engern Bundesversammlung nach der Reihenfolge, in welcher die Bundesstaaten im vierten Artikel der Bundesakte aufgeführt sind, so wie bey den Plenarsitzungen nach derjenigen, welche der sechste Artikel derselben angiebt. Jeder Gesandte, welcher die Plenarstimmen mehrerer Bundesstaaten führt, hat solche einzeln und in der gedachten Ordnung abzugeben. Die Gesandten derjenigen Bundesstaaten, welche in der engern Bundesversammlung zu einer Gesamtstimme vereinigt sind, und unter denen gegenwärtig ein Turnus in der Stimmführung statt findet, dürfen in den Sitzungen der engern Bundesversammlung gegenwärtig seyn, obgleich daselbst jede Gesammtstimme nur von Einem solcher Gesandten geführt werden darf; wobey sich jedoch die Bundesversammlung für künftige ähnliche Fälle die Entscheidung lediglich vorbehält. II. Ordnung der Gegenstände der Verhandlung, des Antrags und der Berathung derselben. Die Gegenstände der Verhandlungen der Bundesversammlung sind entweder A. bereits durch die Bundesakte vorgeschrieben; B. d er Antrag und Vorschlag derselben geschieht durch einzelne Bundesstaaten; oder C. sie werden durch sonstige Anträge an die Versammlung veranlaßt. Die Gegenstände, über deren Berathung und Beschlußnahme die Bundesakte bereits Vorschriften ertheilt, sind bey Eröffnung der Bundesversamm-

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lung als an dieselbe gelangt zu betrachten. Sie beschäftigt sich mit ihrer Erledigung nach der Reihenfolge, welche im Allgemeinen durch die Bundesakte vorgeschrieben ist, und im Besonderen auf den Antrag des Präsidii durch desfallsige weitere Beschlüsse der Versammlung näher bestimmt werden wird. Die Anträge und Vorschläge der einzelnen Bundesstaaten werden durch deren Stimmführer selbst an die Versammlung gebracht und derselben schriftlich übergeben, nachdem solche wenigstens Tags vor der Sitzung, in welcher solches stattfinden soll, dem Präsidio schriftlich mitgetheilt worden. Von diesem geschieht der Antrag zur Berathung derselben, sodann innerhalb vierzehn Tagen von der Anbringung an gerechnet; falls die Bundesversammlung eine frühere oder spätere Vornahme solches Gegenstandes nicht bereits bey der ersten Anzeige beschlossen haben sollte. Sonstige Anträge, so wie überhaupt alle an die Bundesversammlung eingehenden Schreiben, gelangen zunächst in die Hände des Präsidirenden. Dieser wird dieselben mit der Bemerkung der Empfangszeit versehen, sie nach Nummern mit kurzer Anführung der Personen und des Gegenstandes in ein Register eintragen lassen, und davon in der nächsten ordentlichen Sitzung die Anzeige und Verzeichnung ins Protokoll verfügen. Sollten jedoch Form oder Gegenstand gänzlich unstatthaft gefunden werden, so geschieht solche Anzeige blos in der nächsten vertraulichen Sitzung. Die Berathung solcher Anträge oder Schreiben wird, wenn nicht deshalb schon bey der ersten Anzeige von der Versammlung eine andere Bestimmung getroffen worden, innerhalb drey Wochen nach derselben von dem Präsidio in Vorschlag gebracht. Sobald ein zur Berathung gekommener Gegenstand hinreichend erörtert worden, wird von der Versammlung der Beschluß gefaßt, daß derselbe zur Abstimmung reif sey, und die Zeit festgesetzt, wo solche Abstimmung vorzunehmen ist. Bedarf es zum Zwecke derselben der Einholung einer Instruk­ tion, so wird dafür zugleich die Frist bestimmt, welche in der Regel einen Zeitraum von sechs bis acht Wochen nicht übersteigen darf. III. Allgemeine Ordnung des Geschäftsgangs in den Sitzungen der Bundesversammlung. 1. Den Anfang jeder Sitzung macht die Verlesung, etwanige Berichtigung und Unterschrift des Protokolls der letzten Versammlung. 2. Hierauf folgen die Anzeigen der bey dem Präsidio von einzelnen Bundesstaaten oder sonst gemachten Eingaben. 3. Sodann die Umfrage und vorläufige Abstimmung über jede einzelne derselben, wobey zugleich bestimmt wird:

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a) ob der Gegenstand sich Ausnahmsweise sofort, oder vor der gewöhnlichen Frist, zur Berathung und Beschlußnahme eigne? b) ob eine ausführliche Erörterung desselben nöthig sey? c) ob diese in einer förmlichen oder vertraulichen Berathung vorzunehmen? d) im ersten Falle deshalb eine vorgängige Prüfung und Berichtserstattung erforderlich geachtet werde? e) wer solchenfalls deshalb zu ersuchen sey? Die Bestimmung der Anzahl, so wie die Wahl des oder der Berichterstatter erfolgt durch Vereinbarung, oder in Ermanglung derselben, durch desfallsige Abstimmung. 4. Anzeige der Gegenstände, welche in der jedesmaligen Versammlung, dem Antrag des Präsidii gemäß, weiter zu verhandeln sind. 5. Vornahme solcher Gegenstände, eines nach dem andern, sey es zur Berichtserstattung, vorläufigen Abstimmung, Erörterung, Beschlußnahme daß der Gegenstand zur Abstimmung reif sey, Vorbereitung desselben für etwanige Behandlung im Pleno, Fristbestimmung zur Abgabe der Stimmen und Instruktionseinholung, endlichen Abstimmung oder zur Schlußziehung und deren Genehmigung, auch Bestimmung über etwanige Bekanntmachung derselben. 6. Verabredung der nächsten Zusammenkunft, über die Form derselben, und vorläufige Anzeige der Gegenstände, welche darin vorkommen dürften. 7. Kurze Wiederaufnahme des Vorgekommenen und Rückerinnerung an die, in der jedesmaligen Sitzung getroffenen Vereinbarungen, durch den Vorsitzenden, damit der Protokollführer nichts auslassen möge. Als allgemeine Bestimmungen über den Geschäftsgang gelten noch folgende Regeln: a) Die Hauptstufen, welche die Behandlung eines jeden Gegenstandes anzunehmen sind, nämlich: der erste Antrag, die Erörterung, und die endliche Abstimmung darüber werden allemal in zwey, und wenn der Vorschlag nicht bey der ersten Umfrag einstimmig angenommen oder verworfen wird, in drey Sitzungen ver­ theilt, wozu denn, den Umständen nach, eine vierte zur Schlußziehung kommt. b) Das Präsidium kann, um Zweifel über die einzelnen Abstimmungen zu heben, wie auch um die Zahl der Abstimmenden für die eine oder andere Meynung zu berichtigen, eine wiederholte Umfrage anstellen. c) Desgleichen kann ein Mitglied, welches bereits gestimmt hat, sey es, daß etwa in spätern Abstimmungen neue Gründe vorgebracht worden, die bey der Erörterung nicht vorgekommen, und von denen es sich überzeugt fühlt, oder wenn es solches sonst zur Aufklärung von Mißverständnissen

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Vorläufige Geschäftsordnung der Deutschen Bundesversammlung

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rathsam glaubt, nach beendigter Umfrage um Aufschub der Schlußziehung ersuchen, nach dessen Bewilligung sodann die weitere Erörterung vorgenommen wird. d) Die endlichen Abstimmungen über einen Gegenstand werden, sobald zu solchen eine Frist festgesetzt worden, schriftlich eingegeben oder zum Protokoll diktirt. e) Die Bundesversammlung bestimmt in jedem besondern Falle, wie die Protokolle bekannt zu machen, und besonders, ob sie dem Druck fürs Publikum zu übergeben seyen.2 f) Auf Eingaben und Schreiben, welche der Bundesversammlung, ausser den Anträgen ihrer Mitglieder, zukommen, wird durch Zusendung von Auszügen aus dem Protokolle geantwortet, welche den desfallsigen Beschluß, den Umständen nach, mit oder ohne Hinzufügung der Gründe enthalten. g) Die Form solche Beschlüsse ist folgende: Auszug des Protokolls der deutschen Bundesversammlung vom * * * Die deutsche Bundesversammlung hat beschlossen u.s.w. Frankfurt den * * * (L. S.) Die Bundes-Präsidialkanzley h) Das Siegel, dessen sich die Bundesversammlung vorläufig bedienen wird, ist das der Kaiserlich Oesterreichischen Gesandtschaft mit der Umschrift: Kaiserlich Oesterreichische Bundes-Präsidialkanzley Die Adresse der Bundesversammlung ist: An die Hohe deutsche Bundesversammlung IV. Ordnung der Protokollführung, Diktatur, Kanzley und des Archivs. Das Präsidium schlägt der Bundesversammlung den Protokollführer vor, welche solchen, wenn gegen dessen Person nichts zu erinnern ist, annimt, worauf der Vorsitzende ihn dem Bunde verpflichtet. Das Protokoll enthält die Anzeige der bey einer Sitzung anwesenden Gesandten, die Gegenstände der Erörterung, mit Bemerkung der vorgetragenen Hauptgründe, ohne namentliche Anführung desjenigen, welcher dieselben vorgebracht, die Abstimmung jedes Einzelnen, die Beschlüsse. 2 Auf Antrag des luxemburgischen Bundestagsgesandten von Gagern wurde durch Beschluß des Plenums vom 14. November 1816 der vage Passus von Abschnitt III.7.e der vorläufigen Geschäftsordnung dahin gehend präzisiert, daß die „Bekanntmachung der Bundestags-Verhandlungen durch den Druck als Regel festzusetzen sey, die der Publicität nicht zu übergebenden Verhandlungen hingegen jedesmal besonders auszunehmen wären“. Vgl. ProtDBV 1816, § 12, S. 50–52, Zitat S. 51 f. Das betraf vor allem die vertraulichen Sitzungen des Bundestags, die nicht in den Protokollen der Bundesversammlung dokumentiert wurden.

Nr. 66

Frankfurt am Main, 14. November 1816

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Schriftlich übergebene oder diktirte Abstimmungen werden wörtlich zum Protokoll genommen, die Anträge einzelner Bundesglieder, einen Gegenstand in Berathung zu nehmen, so wie die an die Bundesversammlung sonst gelangten Schreiben und Eingaben werden dem Protokolle derjenigen ordentlichen Versammlung, in welcher solche zur Anzeige gebracht, angeheftet. Sobald das Protokoll gehörig geordnet ist, und spätestens am Tage vor der nächsten Sitzung, wird dasselbe zur Einsicht der verschiedenen Gesandtschaften in der Kanzley niedergelegt. Die Diktatur oder Vertheilung abgedruckter Protokolle findet spätestens am Tage nach der Sitzung, wo das Protokoll genehmigt und unterzeichnet worden, in der Kanzley statt, woselbst auch die der Versammlung etwa in hinreichender Anzahl zugesandten gedruckten Eingaben, sobald sie in einer Sitzung zur Anzeige gebracht, ausgetheilt werden. Die Kanzley und das Archiv erhalten vorläufig ebenfalls durch das Präsidium mit Vorwissen der Bundesgesandtschaften ihre Anordnung dergestalt, daß die Präsidialkanzley einstweilen die Funktionen der Bundeskanzley zugleich übernimmt, und das Personale, nach einem der Versammlung mitzutheilenden Gutachten des Präsidii, von solchem angestellt, demselben auch die Befugniß übertragen wird, die Individuen, im Fall nicht gehörig erfüllter Amtspflicht, wieder zu entlassen, und nicht minder die der Bundesversammlung zustehende Jurisdiktion über die gemeinschaftlichen Beamten auszuüben. Ein sicheres Lokal zur Aufbewahrung der Urkunden und Akten, wird vom Präsidio 3vorläufig3 angewiesen, und ordentliche und sorgfältige Aufbewahrung verfügt. Die Aufsicht über beyde steht jederzeit dem Vorsitzenden zu, jedem Bundesgesandten aber auch der Zutritt und die Verabfolgung begehrter Abschriften. Urkunden und Originalakten werden jedoch keinem, ohne desfallsige Verfügung der Versammlung, überliefert.

66. Martens’ Vorschlag über die Ernennung einer Kommission zur Begutachtung eingehender Reklamationen

ProtDBV 1816, 5. Sitzung vom 21. November 1816, Beilage 5, S. 71. Vorschlag. Druckfassung.

Ausscheidung derjenigen Eingaben, die nicht vor den Bundestag gehören, von den übrigen, um den Bundestag zu entlasten. Über einen Teil der verbleibenden Gegenstände kann erst nach Verabschiedung der organischen Gesetze entschieden werden. Tritt dem Antrag Buols auf Ernennung einer Kommission zur Begutachtung eingehender Reklamationen bei. 3−3 Emendiert. Vorlage: vor läufig.

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König Wilhelm I. von Württemberg an Mandelsloh

Nr. 67

Frankfurt am Main, 14. November 1816 Er sey zwar mit dem Königlich Baierischen Voto1 darin einverstanden, daß die bisherige Zahl einzelner Reclamationen sich bald bedeutend häufen werde; allein um so nothwendiger scheine es ihm, sobald wie möglich diejenigen Gegenstände, welche nicht für den Bundestag gehören, von den übrigen zu unterscheiden, und eben dadurch die zu große Anhäufung nicht hieher gehöriger Gegenstände zu vermindern. Auf einer andern Seite seyen unter den schon eingekommenen Vorstellungen manche, über die der Bundestag nicht eher werde absprechen können, bis man zu den erforderlichen organischen Gesetzen gelangt seyn werde. Allein er verstehe auch den Antrag des präsidirenden Herrn Gesandten nur so, daß um die Zeit zu schonen, welche nothwendig vergehen müsse, wenn diese zum Theil nur in wenigen Exemplaren übergebenen Vorstellungen von allen einzelnen Gesandten gelesen werden und zu dem Ende cirkuliren müßten, eine Commission von Fünfen ernannt werde, welche unter sich die Akten vertheile, so das Jeder von Ihnen übernehme, der Versammlung über die ihm zugetheilten Aktenstücke einen Vortrag zu machen, der hauptsächlich zum Zwecke habe, das Faktum klar darzustellen, um die Versammlung in den Stand zu setzen, ihre Meinung über die Zulässigkeit des Antrags zu fassen, und sofern es die Umstände mit sich bringen, in den für den Bundestag geeigenschafteten Sachen entweder, sofern sie dazu schon reif sind, zu entscheiden, oder sich möglichst über gleichförmige desfalls an die Höfe zu sendende Berichte zu vereinigen, damit nach eingegangenen Instructionen das Nöthige verfügt werden könne. In diesem Sinne trete er daher dem Antrage des Präsidii2 auf die Ernennung einer Commission von fünf Mitgliedern der engeren Versammlung bey. Martens für Braunschweig und Nassau, wie für Hannover

67. König Wilhelm I. von Württemberg an Mandelsloh

HStA Stuttgart, E 65, Bü 110, Nr. 1 und ad Nr. 1. a) Weisung. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 22. November 1816. b) Gutachtliche Bemerkungen. Reinschrift. Praes.: 22. November 1816.

[a) Weisung]

Das übersandte Promemoria der Mediatisierten wegen Sitz und Stimme auf dem deutschen Bundestag ist eingesehen worden. Wenngleich die Angelegenheit noch nicht zur Beratung ansteht, werden Mandelsloh in Anlage gutachtliche Bemerkungen 1 Vgl. Dok. 101. 2 Vgl. ProtDBV 1816, 3. Sitzung vom 14. November 1816, § 5, S. 55.

Nr. 67

Stuttgart, 19. November 1816

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übersandt, die dieser bei Unterredungen mit anderen Gesandten, besonders bei vertraulichen Besprechungen mit den Vertretern Bayerns, Badens und Hessen-Darmstadts über diesen Gegenstand benutzen soll.

Num. 2



Stuttgart, 19. November 1816

Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Württemberg.

Lieber Getreuer! Wir haben das mit eurem Bericht vom 13. d. M. N. 5 eingesandte Pro memoria der Mediatisirten1, wegen Erlangung von Sitz und Stimme auf dem teutschen Bundestage eingesehen. Wenn gleich diese Angelegenheit noch nicht zur Berathung in der Versammlung vorkommt, auch auf den Fall hin bereits euere Instruction eine vorläufige Weisung enthält; So finden Wir Uns doch in Hinsicht auf die Wichtigkeit der Sache bewogen, euch noch die anliegende Bemerkungen in der Absicht zugehen zu lassen, um solche als Momente bei eueren Unterredungen mit anderen Gesandten, besonders bei den vertraulichen Besprechungen mit den Gesandten von Baiern, Baden und Darmstadt über den Gegenstand benutzen zu können. Wir sehen übrigens über alles, was in Betreff dieser Angelegenheit sich weiter ergeben und entwickeln wird, euern ferneren Berichten an das K. Cabinets Ministerium entgegen. Ad Mandatum Sacr. Reg. Majestatis2 Gr. von Zeppelin3 v. Arand4 1 Vgl. Dok. 63. 2 Ad Mandatum Sacrae Regiae Majestatis (lat.): Auf Spezialbefehl seiner Heiligen Königlichen Majestät. Vgl. Schuler, Historisches Abkürzungslexikon, S. 291. 3 Ferdinand Ludwig (seit 1806) Graf von Zeppelin (1772–1829), 1788–1801 im österreichischen Militär­dienst, zuletzt im Rang eines Rittmeisters, 1801 Übertritt in württembergische Dienste als Kammerherr, Major und Flügeladjudant, 1803 Oberstleutnant, 1804 Oberst und Kommandeur der Gardes du Corps, 1805 Reisemarschall des Kurfürsten und späteren Königs Friedrich, 1808 Wirklicher Geheimer Rat, 1808–1810 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Paris, 1810 Landvogt an der Donau in Ulm, 1811 Landvogt am Rothenberg und Mitglied des Staatsrats, 1811–1814 Staats- und Kabinettsminister und Minister der auswärtigen Angelegenheiten, 1814 Staats- und Konferenzminister und Minister des Königlichen Hauses, 1814/15 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Paris, 1816 Oberstkammerherr, 1816–1819 Staatsminister des Königlichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten, 1820 lebenslängliches Mitglied der Ersten Kammer der Ständeversamm­lung, 1826–1829 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Wien. Vgl. ADB, Bd. 45, S. 79– 83; DBA I, 1409, 106 f. u. 109; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S.  480 f.; Truhart, International Directory of Foreign Ministers 1589–1989, S. 76. 4 Franz Anton Arand (seit 1798) Edler von Ackerfeld (1773–1840), württembergischer Beamter, Studium der Rechte in Freiburg, um 1804 Syndikus in Mundingen, später württembergischer

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König Wilhelm I. von Württemberg an Mandelsloh

Nr. 67

[b) Anlage: Vorläufige Bemerkungen betreffend die Schritte der Mediatisierten wegen Sitz und Stimme bei der Bundesversammlung] Die mediatisierten Fürsten und Grafen sind nach den völkerrechtlichen Verträgen und selbst nach der Deutschen Bundes- und Wiener Kongreßakte wahre Untertanen ihrer gegenwärtigen Regierungen, wenngleich mit gewissen Vorrechten ausgestattet, welche die Bundesakte für sie bestimmt und die mit ihrem Untertanenstatus vereinbar sind. Gründe, die es in dieser Frage zu berücksichtigen gilt: 1. Ein Sitz- und Stimmrecht der Media­tisierten in der Bundesversammlung würde die Anomalie herbeiführen, daß sie sowohl Glieder des Bundes als auch Untertanen einzelner Bundesstaaten seien. 2. Ihre Repräsentation am Bundestag würde dem Wortlaut und Geist der Bundesakte widerstreiten, wonach der Deutsche Bund ein Bund souveräner Fürsten und freier Städte ist. 3. Durch ihre Aufnahme in die Bundesversammlung würden Gefahren für die innere Ordnung der Bundesstaaten entstehen und ihnen zugleich ein überwiegender Einfluß verschafft, außerdem würde ihnen ein bundesmäßiger Weg zu Umtrieben eröffnet, denen die Regierungen kaum wirksam entgegentreten könnten. 4. Auch die nicht unmittelbar betroffenen Staaten müssen daran interessiert sein, daß kein Keim der Unordnung und Kollisionen in den Organismus des Bundes eingepflanzt wird. Die Frage, ob den Mediatisierten eine oder mehrere ­Kuriatstimmen zu gewähren sei, gehört in die Beratungen über die organischen Bundesgesetze. Da hier gemäß Artikel 7 der Bundesakte weder in der Engeren Versammlung noch im Plenum ein Beschluß durch Stimmenmehrheit gefaßt werden kann, liege darin eine Schutzwehr gegen alle widrigen Bestrebungen der Mediatisierten. Dies zu vereiteln, erfordert, daß die daran interessierten Staaten (Württemberg, Bayern, Baden, Darmstadt, Nassau) an den bisher gegeneinander ausgesprochenen Grundsätzen festhalten.

Justizassessor, 1815 Geheimer Legationssekretär im Departement der auswärtigen Angelegenheiten, 1817 Legationsrat ebd., 1819 Mitglied der Retardenkommission. Vgl. Königl. Württembergisches Hof- und Staatshandbuch auf das Jahr 1815, S. 142; Königlich Württembergisches Staats- und Regierungs-Blatt für das Jahr 1817, S. 613 und ebd. 1819, S. 835; BTB 1888, S.  13 f.; Waller (Bearb.), In Vorderösterreichs Amt und Würden. Die Selbstbiographie des Johann Baptist Martin von Arand (1743−1821). Stuttgart 1996, S. 113, 135, 152, 220, 234; Becke-Klüchtzner (Hrsg.), Der Adel des Königreichs Württemberg, S. 322.

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Stuttgart, 19. November 1816

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Stuttgart, 15. November 1816 Vorläufige Bemerkungen über den Bundestags-gesandtschaftl. Bericht No 5 dd. Frankfurt 13[te]r Nov. 1816. Die Schritte der Mediatisirten wegen Sitz und Stimme bei der Bundes-Versammlung betr. Die Schritte, welche die ehemaligen Reichsfürsten und Grafen wegen Erlangung eines Sitz-Stimmrechts bei der Bundes-Versammlung nunmehr machen, können 1. nach dem, was schon in Wien geschehen ist, nicht unerwartet seyn, aber auch 2. nicht wohl verhindert werden, da sie etwas nachsuchen, worüber bei der Bundes-Versamm­lung noch Berathung gepflogen werden soll. Es möchte aber auch 3. nicht einmal politisch räthlich seyn, sie in diesen Schritten directe verhindern zu wollen. Die Regierungen dürften sie unbedenklich gehen lassen, so lange sie ihren Unterthanen-Verhältnissen sich durch die That fügen. Was nun aber A. die Sache selbst betrift; so drängen sich hierüber vorläufig folgende Bemerkungen auf: Die sogenannten mediatisirten Fürsten und Grafen sind a) nach den vorliegenden völkerrechtlichen Verträgen und selbst nach der Bundes- und der Wiener-Congreß Acte wahre Unterthanen ihrer gegenwärtigen Regierungen, jedoch mit gewissen5 Vorrechten, welche die Bundes-Acte besonders für sie bestimmt, und welche mit ihren Unterthanen Verhältnissen vereinbarlich sind. Aber b) denselben Vorrechte zu verstatten, welche mit diesen Verhältnissen im Widerspruch stehen, dieses ist in jeder Hinsicht unzulässig. Hierhin aber würde c) ein Sitz- und Stimmrecht in der Bundesversammlung, das sie so angelegentlich nachsuchen, offenbar gehören. Denn hierdurch würde 1. diese Classe von Unterthanen in der Versammlung des Staatenbundes neben ihren Regenten in einer Linie stehen, mit ihr gleiche Rechte ausüben, den sie in dem Staate, welchem sie angehören, als ihren Souverain zu respectiren haben. Eine wahre Anomalie in Hinsicht auf den Bund selbst und auf 5 Emendiert. Vorlage: gewiesen.

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König Wilhelm I. von Württemberg an Mandelsloh

Nr. 67

die Verhältnisse der einzelnen Staaten. Entweder würden die Mediatisirten durch das Sitz- und Stimmrecht Glieder des Bundes – oder nicht. Ist jenes, so wären Regent und Unterthan zugleich Verbündete eines und desselben Bundes, der nach dem 6[te]n Artikel des Pariser Tractats vom 30. Mai 18146 – als der Basis der Bundes-Acte – doch nur unter den unabhängigen teutschen Staaten statt finden soll; ist aber lezteres, so übten Personen ein Stimmrecht in der Versammlung des Bundes aus, dessen Glieder sie nicht sind. Man führt gegen diese Anomalie an, daß im ehemaligen teutschen Reiche auch Unterthanen, z. B. des Hauses Oesterreich, Sitz und Stimme auf dem teutschen Reichstage hatten. Allein hierauf ist zu antworten: einmal war in der alten Reichs-Verfassung manches, was reinen Begriffen entgegen war. Bei einem neuen rein völkerrechtlichen Bunde wird dieses aber anders seyn müssen, und nichts eingeführt werden, was nicht nach völkerrecht. Begriffen bestehen kann, und am wenigsten solche Einrichtungen, welche Verwiklungen und Kollisionen nothwendig herbeiführen und sie bundesmäsig machen. Sodann waren zweitens diese Unterthanen entweder Besizer von Reichsterritorien, oder die Acquisition derselben war ihnen zur Obliegenheit gemacht, und sie erschienen also – wenigstens im ersten Falle, in einer doppelten Eigenschaft, das bei den Mediatisirten der Fall nicht ist. Würde aber – ein solcher Mediatisirter – Regent eines teutschen Bundesstaats werden; so würde ihm in dieser Eigenschaft das Sitz- und Stimmrecht durchaus nicht bezweifelt werden können, und dieses ist der Fall, welcher den früheren Vorgängen in der teutschen Reichs-Verfassung entspricht, wovon aber hier die Rede nicht ist. 2. Die Aufnahme der Mediatisirten in die Bundesversammlung mit Sitz und Stimme widerspricht aber auch geradezu den Worten und dem Geiste der Bundes-Akte, denn nach dem 1[te]n Artikel derselben sind es „die souverainen Fürsten und freien Städte Teutschlands“ welche sich „zu einem beständigen Bunde, welche[r] der teutsche Bund heissen soll“ vereinigen.7 Es ist also ein Bund der souverainen Fürsten und der freien Städte, und von diesem Grund Begriffe gehen die wesentlichen Einrichtungen der Bundes-Acte aus. Wie kann es damit bestehen, daß auch in dem Bunde der souverainen Fürsten und freien Städte Teutschlands, oder wie es der Pariser Friedens Tractat 6 Emendiert. Vorlage: 1. Mai 1814. – Gemeint ist folgende Bestimmung des Artikels 6 des Ersten Pariser Friedens vom 30. Mai 1814: „Les Etats de l’Allemagne seront indépendans et uni par un lien fédératif“; vgl. QGDB I/1, Dok. 27, S. 158. 7 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508.

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Stuttgart, 19. November 1816

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nennt, der unabhängigen Staaten Teutschlands einzelne Unterthanen als mitberathende und mitbeschliessende Theilnehmer erscheinen sollen. Aber abstrahirt man auch von diesen Betrachtungen; so tritt 3. eine – für die einzelne Staaten, denen diese Mediatisirten angehören, noch viel wichtigere Betrachtung ein. Sie liegt in den nicht zu mißkennenden Gefahren für die innere Ordnung, Ruhe und Unabhängigkeit dieser Staaten. Denn a) dadurch, daß die Mediatisirte in der Bundes-Versammlung erscheinen können, ist ihnen der Weg geöfnet, sich einen überwiegenden Einfluß in diesen Staaten – zumalen da nach der Bundes-Acte Art. 13 in allen Bundes-Staaten eine landesständische Verfassung statt haben soll8, – zu verschaffen, der für die Regierungen gefährlich werden kann. Man weiß, was die Meinungen wirken; b) würden sie durch Verleihung von Sitz und Stimme in der Bundesversammlung in den Fall kommen, sich in Bundes-Angelegenheiten – und diese erstreken sich nach der Bundes-Acte weit – in Opposition mit ihren Regierungen zu setzen. Wer an der Wirklichkeit dieser Besorgnisse zweifelt, der kennt die Menschen nicht, der hat die bisherige Schritte der Mediatisirten nicht beobachtet, und der lese nur ihr Promemoria v. 1[te]n Novbr. an den Bundestag. Man wird hiergegen einwenden, durch eine – oder einige Curiat-Stimmen unter 70 oder etlich und 70 in dem Pleno der Versammlung ist der Einfluß auf die Beschlüsse derselben unbedeutend. Es ist dieses wahr, allein darauf kommt es nicht an; das Gefährliche liegt darinn, daß ihnen durch ihre Stellung am Bundestag ein bundesmässiger Weg offen stünde, zu Umtrieben, welche die Regierungen alsdann nicht wirksam verhindern können. Dagegen ist c) nicht einzusehen, welch reellen Nutzen das Sitz und Stimmrecht auf dem Bundestag für sie selbst haben kann. Wenn sie mit Ruhe die gegenwärtige Lage der Dinge und ihr eigenes wahres Interesse betrachten; so sollten sie – statt Ideen von Mittelgeschöpfen, die nirgendshin passen, zu verfolgen, sich mit Ernst und Aufrichtigkeit an die Staaten, denen sie einmal angehören, und ihre landständischen Verfassungen enger und allein anschliessen: dieses erfordert ihr u. noch vielmehr ihrer Hintersassen Wohl. Wenn man nun 4. noch auf dasjenige, was die Bundesacte wegen ihres Gesuchs festsezt, zurükgeht; so heißt es am Ende des 6[te]n Artikels: 8 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513.

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König Wilhelm I. von Württemberg an Mandelsloh

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„Ob den mediatisirten vormaligen Reichsständen auch einige CuriatStimmen in pleno zugestanden werden sollen, wird die Bundes-Versammlung bei der Berathung der organischen Bundes-Geseze in Erwägung nehmen.[“]9 Kommt nun dieser Gegenstand wirklich in Berathung, so stehen a) jenen teutschen Bundes-Gliedern, welche unmittelbar bei der Sache interessirt sind, die oben bemerkten Gründe zur Seite, und es ist weder Eigensinn noch Eigenmacht, noch Begierde, den Mediatisirten zu schaden, wenn sie sich mit Nachdruck einem solchen Bestreben entgegensetzen, sondern wichtige Rüksicht auf das Wohl, die Ordnung und Ruhe in ihren Staaten. Aber auch b) die nicht unmittelbar dabei interessirte Staaten, die vielleicht aus Rücksichten gegen den ehemaligen Stand der Mediatisirten geleitet, ihnen mehr oder weniger günstig sich zeigten, werden aus Gründen der völkerrecht. Verhältnisse – also aus Gründen des Rechts – und aus Gründen höherer Politik wider diese Staaten die Mediatisirten in einer Angelegenheit, welche mehr ihrer Eitelkeit, als ihrem wahren Interesse entspricht, zu begünstigen nicht geneigt seyn, wenn sie alle Verhältnisse ohne Privat Absichten in Betrachtung ziehen. Sie werden nicht geneigt seyn, jezt, da durch ein gemeinschaft. Bestreben der Versammlung der Bund immer mehr consolidirt werden soll, sogleich in den Organismus desselben einen Keim zu legen, der nothwendig in seinen Folgen Unordnungen und Collisionen herbeiführen muß, und der also gerade dem Zweke des Bundes entgegen wirken wird. Die von dem vorsizenden Kaiser. Oestreich. Gesandten in der 2[te]n Sitzung abgelegte Proposition über die Geschäfte der Bundes-Versammlung10 ist über diesen Punkt, so wie über das Ganze nach dem erklärten System des Kais. Oesterreich. Hofs so gefaßt, daß sie nirgend vorgreift. Sollten aber auch bei den nicht interessirten Höfen andere Gründe (und dieses ist allerdings denkbar) zu Gesinnungen vorwalten, welche den Mediatisirten günstig sind; so liegt schon in der Bundes Acte selbst eine Schwierigkeit, welche sich dem Bestreben der Mediatisirten entgegenstellt. Die Frage: ob den Mediatisirten eine oder einige Curiatstimmen zu verstatten seien, gehört in die Berathung wegen der organischen Bundes-Geseze; wohin sie auch die obenangeführte Stelle des 6[te]n Artikels verweist. Nun sagt aber der 7[t]e Artikel, daß da, wo es auf Annahme oder Abänderung der Grundgeseze, auf organische Bundes Einrichtungen, auf jura singulorum oder Religions-Angelegenheiten ankommt, weder in der engern Versamm  9 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511. 10 Vgl. Dok. 100.

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Frankfurt am Main, 25. November 1816

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lung, noch in Pleno ein Beschluß durch Stimmen Mehrheit gefaßt werden könne.11 Hier liegt nun eine Schuzwehre für die betreffenden Staaten gegen alle widrige Einwirkungen und Bestrebungen in der Stimmen-Angelegenheit der Mediatisirten. Und dieses führt nun B. auf die Mittel, alle diese Versuche zu vereiteln, und diese bestehen darinn, daß die Staaten, welche dabei interessirt, Württemberg, Baiern, Baden, Darmstadt (Nassau) festhalten an den Grundsäzen, die sie bisher gegeneinander ausgesprochen haben, und wornach ihre Gesandten in Frankfurt instruirt sind.

68. Eingabe der Häuser Hohenlohe, Castell und LimpurgSpeckfeld-Rechtern um Erteilung von Kuriatstimmen an die ehemaligen Reichsstände in der Deutschen Bundesversammlung

GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 1117, fol. 17−17’. Eingabe. Druckschrift. Druck: Nachträgliche Aktenstücke der deutschen Bundes-Verhandlungen, Bd. 2, S. 3−4; CJCG, Bd. 2, S. 28−29.

Eingabe der Häuser Hohenlohe, Castell und Limpurg-Speckfeld-Rechtern um beschleunigte Feststellung des in Artikel 14 der Deutschen Bundesakte verheißenen gleichförmigen Rechtszustandes für die mediatisierten vormaligen Reichsstände sowie um die Verleihung einiger Kuriatstimmen im Plenum der Deutschen Bundesversammlung an die ehemaligen Reichsstände; die Stimme der deutschen Völkerschaften werde damit in den Bundestag gelangen.

Frankfurt am Main, 25. November 1816 Nach nunmehr erfolgter Eröffnung des hohen deutschen Bundestags wird es den mediatisirten vormaligen Reichsständen vergönnt seyn, den angelegentlichen Wunsch laut werden zu lassen, daß die in der deutschen Bundesacte verheißene, „nähere Bestimmung ihrer Befugnisse zur weitern Begründung und Feststellung eines in allen deutschen Bundesstaaten übereinstimmenden Rechtszustandes für die selben,“1 nach Möglichkeit beschleunigt werden möchte.

11 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511.

  1 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1514 (Artikel 14).

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Eingabe der Häuser Hohenlohe, Castell und Limpurg-Speckfeld-Rechtern

Nr. 68

Das anerkannte höchste Gut der Menschheit ist der Zustand des Rechts und der Ordnung; der Wunsch, zu diesem Zustande zu gelangen, rechtfertigt sich daher von selbst, ohne daß es im vorliegenden Falle weiterer Anführungen der Thatumstände bedürfte, die dessen Entstehung hier veranlassen. Die verbündeten großen Monarchen und erhabenen deutschen Souveraine werden gewiß jenem unglücklichen Theile des hohen Adels in Deutschland, − dieß hofft derselbe mit Zuversicht von Ihrer Großmuth und Humanität, − seinen gerechten Schmerz über das in der deutschen Bundesacte über ihn ausgesprochene Verhängniß dadurch zu lindern geruhen, daß Sie ihn über seinen künftigen Rechtszustand und dessen Erfüllung nicht länger in Ungewißheit schmachten lassen. Die bekannten Erfahrungen müßten die mediatisirten vormaligen Reichsstände mit den bangsten Besorgnissen für die Zukunft erfüllen, wenn ihnen nicht ihr unerschütterliches Vertrauen auf die Weisheit der erhabenen deutschen Bundesversammlung die beruhigende Aussicht entgegen hielte, daß ihr künftiger Rechtszustand, der „bleibend“ seyn soll2, mit der erforderlichen Sicherstellung werde begleitet seyn. Da diese nicht wohl anders denkbar ist, als dadurch, daß ein Weg zur Auswirkung des verfassungsmäßigen Schutzes eröffnet werde, so hoffen die mediatisirten vormaligen Reichsstände, solche in den, ihnen schon vorläufig zugedachten Curiatstimmen bey der hohen deutschen Bundesversammlung in Wirklichkeit gesetzt zu finden. Mit jenen Curiatstimmen wird alsdann, in so fern die Häupter der in die vorliegende Kategorie gehörigen deutschen Fürsten- und Grafenhäuser die ersten Standesherren in den Staaten, zu welchen sie gehören, seyn sollen, zugleich die Möglichkeit hergestellt, daß die Stimme der deutschen Völkerschaften zu der erhabenen Bundesversammlung gelange. Und dieser Stimme auf einem angemessenen verfassungsmäßigen Wege einen Zugang zu ge­ statten, kann in Rücksicht auf Handhabung der allgemeinen Ordnung, auf Erhaltung der allgemeinen Zufriedenheit, und auf Nährung eines lebendigen Patriotismus, nur die beachtenswerthesten glücklichsten Folgen haben, und ein hierauf gerichteter Wunsch kann mithin den Zwecken der erhabenen Bundes­versammlung unmöglich fremd seyn. In unerschütterlichem Vertrauen sehen daher die mediatisirten vormaligen Reichsstände der baldigen Erfüllung einer Hoffnung entgegen, welche ihnen bereits die Bundesacte zeigt, − einer Hoffnung, welche mit der Sicherheit und Dauer ihres künftigen Rechtszustandes unzertrennlich zusammen hängt, − der Hoffnung nämlich, 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513 (Artikel 14).

Nr. 69

Frankfurt am Main, 25. November 1816

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daß die hohe deutsche Bundesversammlung ihnen bey der Berathung der organischen Bundesgesetze einige Curiatstimmen zuzugestehen geruhen werde.3 Der Unterzeichnete, beauftragt, vor jener erhabenen Versammlung im ­Namen des fürstlichen Gesammthauses Hohenlohe und der gräflichen Häuser zu Castell und Limpurg-Spekfeld-Rechtern, obige ehrerbietige Wünsche und Hoffnungen geziemend auszusprechen, entledigt sich hiermit des erhaltenen Auftrags in denjenigen Gesinnungen ausgezeichnetster Verehrung, welche seine hohen Committenten nebst ihm dieser hochansehnlichen Versammlung zu widmen die Ehre haben. Edler von Braun4, fürstlich hohenlohischer Hofrath

69. Goltz an König Friedrich Wilhelm III. von Preußen1

GStAPK Berlin, III. HA, MdA III, Nr. 14865. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 3. Dezember 1816.

Eingabe der Mediatisierten um Bewilligung des Stimmrechts und einer ihrem Alter, ihrer Würde und ihrer Bedeutung entsprechenden Repräsentation in der Bundesversammlung. Die Mehrheit der Bundestagsgesandten scheine dahin zu tendieren, nur eine Kuriatstimme an diejenigen Häuser zu verleihen, die Sitz und Stimme auf dem ehemaligen Reichstag gehabt hätten, und sei der Ansicht, daß ein solcher Beschluß nur einmütig gefaßt werden könne. Desinteresse Bayerns, Württembergs, Badens und Hessen-Darmstadts, die nachgesuchten Vorrechte zu bewilligen. Gibt dem König anheim, sich für die Sache der Mediatisierten einzusetzen. Einvernehmen zwischen Goltz und Buol, die Angelegenheit zunächst zur Berichterstattung an die Regierungen zu empfehlen sowie gemeinsam auf diplomatischem Wege die Höfe von München, Stuttgart, Karlsruhe und Darmstadt zur Bewilligung wenigstens einiger Kuriatstimmen für die Mediatisierten zu bewegen. Erbittet baldige Instruktionen in dieser Angelegenheit.

3 Bezugnahme auf Artikel 6 der Deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815: „Ob den mediatisirten vormaligen Reichsständen auch einige Curiatstimmen in Pleno zugestanden werden sollen, wird die Bundes-Versammlung bey der Berathung der organischen Bundes-Gesetze in Erwägung ziehen.“ Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511. 4 Ludwig Wolfgang Hiskias (seit 1808) Edler von Braun (1755–1831), hohenlohischer Beamter, zuletzt Wirklicher Geheimer Rat und Regierungsdirektor zu Ingelfingen und Öhringen. Vgl. Cast (Bearb.), Adelsbuch des Königreichs Württemberg, S. 424; GGT B 1908, S. 114; Kneschke (Hrsg.), Neues allgemeines Deutsches Adels-Lexicon, Bd. 2, S. 28. 1 Friedrich Wilhelm III. (1770–1840), seit 1797 König von Preußen. Vgl. ADB, Bd. 7, S. 700– 729; NDB, Bd. 5, S. 560–563; Stamm-Kuhlmann, König in Preußens großer Zeit.

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Goltz an König Friedrich Wilhelm III. von Preußen

Postscriptum ad relationem humillimam nr. 6

Nr. 69

Frankfurt am Main, 26. November 1816

Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König, Allergnädigster König und Herr. Ich sehe mich verpflichtet Ew. Königlichen Majestät heute auch noch allerunterthänigst anzuzeigen, daß vielleicht schon in der nächsten Sitzung die Sache der mediatisirten ehemahligen Reichsstände, durch Veranlaßung der hier originaliter beiliegenden Eingabe2, zur vorläufigen Berathung der Versammlung gezogen werden dürfte. Die Meinungen sind über diesen Gegenstand sehr getheilt, denn wenn im 6ten Artikel der Bundesacte der Bundes Versammlung vorbehalten ist, die ­Frage, ob diesen vormahligen Reichsständen auch einige Curiat Stimmen in Pleno zugestanden werden sollen? in Erwägung zu ziehen, so scheint sich die Mehrheit dahin auszusprechen, 1o daß diese Curiat Stimmen nicht der Gesammtheit der Mediatisirten, sondern höchstens nur den Häusern zugestanden werden könnten, die bei dem ehemahligen Reichs Verbande Sitz und Stimme beim Reichs­ tage gehabt hätten. o 2 daß in dieser Beziehung, wenn man sich darüber einigen sollte, nicht einige sondern nur eine Curiat Stimme zu bewilligen sein würde, und 3o daß der Beschluß über diesen Gegenstand, als unter die jura singulorum oder doch zum wenigsten mit mehrerem Rechte unter die organischen Bundes Einrichtungen gehörig, nach Ausspruch des 7ten Artikels der Bundes Akte3, nicht anders als per unanimia4 gefaßt werden könnte. Diese letzte Meinung, die nicht ganz bestritten werden kann, giebt wenig Hofnung, die Sache zur Zufriedenheit der Intereßenten durchzuführen, da die südlichen Höfe, Bayern, Würtemberg, Baden und Darmstadt ein besonderes Intereße daran haben, den mediatisirten Häusern die nachgesuchten Vorrechte nicht zu bewilligen; die von ihrer Seite auch wirklich wieder zu weit gehen, wenn sie, in ihrer Eingabe vom 1ten Novbr. dieses Jahrs55, nächst dem Stimmen Recht, noch den Beisitz der Versammlung und eine dem Alter, der Würde und Bedeutenheit ihrer Häuser entsprechende Repräsentation in Anspruch nehmen, und sich dadurch fast über das Prinzip der Ebenbürtigkeit ganz in die Klasse der regierenden Häuser erheben. 2 Vgl. Dok. 63. 3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511. 4 Lat.: durch Einmütigkeit. 5 Vgl. Dok. 63.

Nr. 69

Frankfurt am Main, 26. November 1816

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In wie fern es politisch dem Intereße Preußens entspricht, sich dieser mediatisirten Häuser mit ganz besonderem Nachdrucke anzunehmen, wage ich nicht zu entscheiden. Denn obgleich es mir scheint daß die vielleicht dabei zu Grunde liegende geheime Absicht der Verstärkung eines nützlichen Einflußes in Deutschland, dadurch daß Preußen, indem es sich nicht regierende aber ehrwürdige Häuser und Familien Deutschlands verbindet, zugleich auch ­regierende fürstliche Häuser, die durch Wiederherstellung dieser Rechte in ihren Privat Regierungs Beziehungen bewilligte Vortheile wieder aufgeben müßen, entfernt, nicht ganz ebenmäßig abgewogen seyn dürfte; so ist es auf der anderen Seite eine, Ew. Königlichen Majestät erhabenen Caracter so würdige Rolle, sich dieser unschuldig durch politische Ereigniße unterdrückten Mitglieder des ehemahligen deutschen Reichs anzunehmen, daß, bei dem geringeren Vortheil der daraus für Ew. Königlichen Majestät als für Oestreich, in Bezug auf die mehr oder geringere Wichtigkeit derer in den gegenseitigen Staaten befindlichen mediatisirten Fürstlichen und Gräflichen Häuser, entspringt, Ew. Königlichen Majestät hohe Verwendung dadurch in einem noch schönerem Lichte erscheinen muß. Ich bin mit dem Grafen Buol Schauenstein, der so wie ich Befehl hat diese Sache zu unterstützen, übereingekommen, diese Angelegenheit jetzt nur vorläufig, zu beßerer Sondirung der Mehrheit der Meinungen der Versammlung, zu bloß eventueller Erwägung zu empfehlen, darüber Berichts Erstattung vorzuschlagen, und unsern respectiven hohen Höfen unterthänigst vorzutragen, so wie ich mir dies schon heute ehrfurchtsvoll erlaube, daß allerhöchstdie­ selben, auf diplomatischem Wege, bei den benannten Bayerschen, Würtembergischen, Badenschen und Darmstädtischen Höfen es dahin einzuleiten ­geruhen möchten, daß den6 Repräsentanten derselben bei der Bundes Versammlung nachgiebigere Instructionen zugefertigt werden möchten, um doch zum ­wenigsten, unter vorschläglichen Modificationen, dem Haupt-Wunsche der Mediatisierten ehemaligen Reichsstände, dem der Bewilligung einiger Curiat Stimmen entsprechen zu können. Auch über diesen Gegenstand muß ich Ew. Königlichen Majestät um baldige gnädige Bescheidung allerunterthänigst bitten. Ich ersterbe in tiefster Ehrfurcht Ew. Königlichen Majestät allerunterthänigst treu beflißener Goltz

6 Emendiert. Vorlage: die.

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Hardenberg an Goltz

Nr. 70

70. Hardenberg an Goltz

GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 264. Weisung. Behändigte Ausfertigung.

Weist den Anspruch Badens auf eine vierte Stimme im Plenum der Bundesversammlung als unbegründet zurück. Die existierende Stimmenverteilung in der Bundesversammlung sei auf dem Wiener Kongreß unter großen Mühen und sorgfältiger Überlegung zustande gekommen. Gebe man dem badischen Antrag statt, würden andere Bundesglieder ähnliche Forderungen erheben. Am Wiener Hof denke man genauso. Weisung an Goltz, mit Buol eine einvernehmliche Ablehnung des Antrags zu verab­ reden.

Berlin, 30. November 1816 Nach Inhalt eines Berichts des Herrn Staats Ministers Freiherrn von Humboldt vom 29[te]n October d. J.1 hat der Großherzoglich Badensche Bundes Gesandte Freiherr von Berstett dem Herrn Freiherrn von Humboldt persönlich eine confidentielle Note2 überreicht, welche den Zweck hat, Ansprüche Badens auf eine vierte Stimme in der Plenar-Versammlung, zu begründen, anstatt daß bisher, nach Inhalt der Bundes Acte Artikel 6 in dem pleno, nur Oesterreich, Preußen, Sachsen, Baiern, Hannover, Würtemberg, jedes vier Stimmen, dagegen Baden, gleich Churhessen, dem Großherzogthum Hessen, Holstein und Luxemburg, jedes nur drei Stimmen im pleno hat.3 Die confidentielle Note hat der Herr p. von Humboldt abschriftlich eingereicht, und Ew. Excellenz werden demnach das Original in den dortigen Acten der Gesandtschaft finden. Eben dieselbe Note hat der Badensche Gesandte auch dem Herrn Grafen von Buol-Schauenstein überreicht, welcher solche seinem Hofe, ohne Hinzufügung einer eigenen Meinung, zugeschickt hat, jedoch für sich nicht dafür ist, daß der Antrag gewährt werden müsse. Diese Sache erfordert nun eine sehr sorgfältige Behandlung. An und für sich ist es klar, daß die Gewährung des Antrages in jeder Hinsicht ein sehr nachtheilig wirkendes Beispiel aufstellen würde. Die Stimmenvertheilung ist zu Wien mit vieler Mühe und mit sorgfältiger Ueberlegung gemacht. Nur der Kaiserlich Oesterreichische Hof und die fünf Königlichen Höfe haben jeder vier Stimmen im pleno. Der vermeintliche Grund der Bevölkerung kann gar nicht entscheiden, und alle Badenschen Argumente würden sehr leicht zu widerlegen seyn, wenn es darauf ankäme, und wenn es rathsam wäre, sich in das Detail einer solchen Widerlegung einzulaßen. 1 Vgl. GStAPK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 1949, fol. 1. 2 Vgl. Dok. 60. 3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1510.

Nr. 71

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Wien, 4. Dezember 1816

Schon allein und hinlänglich entscheidend ist der Grund, daß wenn man nachgäbe, und wider den richtigen Grundsatz, daß Baden hierunter den Königen nicht gleich gestellt werden kann, dem Badenschen Hof eine vierte Stimme im pleno erlaubte, andere dadurch aufgemuntert werden würden, ähnliche Forderungen zu machen, und alle ohne Ausnahme, besonders aber Churhessen, das Großherzogthum Hessen, Holstein und Luxemburg, sich gegen Baden zurükgesezt fühlen würden. Ueberhaupt würde es kein gutes Symptom seyn, wenn die souverainen Fürsten Deutschlands anstatt harmonisch zum Wohl des Ganzen zu wirken, nur auf Vorzüge des einen vor dem andern sinnen wollten. Ich weiß durch Mittheilungen des Oesterreichischen Hofes, daß die Ansichten desselben völlig mit dem Vorstehenden übereinstimmen, und gebe Ew. Excellenz daher anheim, sich mit dem Herrn p. Grafen von Buol-Schauen­stein über die Ablehnung des Antrags einzuverstehen. C. F. v. Hardenberg

71. Metternich an Buol

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Kart. 1, Weisungen 1816, fol. 345−345’. Weisung. Behändigte Ausfertigung.

Hält eine Änderung der Stimmenverhältnisse in der Bundesversammlung gleich nach Eröffnung des Bundestags für nicht angemessen und lehnt den badischen Wunsch nach einer vierten Stimme im Plenum der Bundesversammlung ab. Grundlage für die Verleihung von vier Stimmen ist nicht die Bevölkerung, sondern die königliche Würde, da sonst Österreich und Preußen wohl nicht auch nur mit vier Stimmen hätten aufgeführt werden können. Baden hat versäumt, seine Forderung zur rechten Zeit bei den Schlußkonferenzen über die deutsche Bundesverfassung in Wien vorzubringen. Der preußische Staatskanzler Hardenberg teilt die Ansicht Metternichs in dieser Frage. Weisung an Buol, die österreichische Position möglichst geräuschlos zu eröffnen und vorsichtige Rücksprache mit den Bundestagsgesandten Preußens, Hannovers usw. zu nehmen, wenn dieser Gegenstand erneut in Anregung kommen sollte.

No 6



Wien, 4. Dezember 1816

Hochgeborner Graf! Eurer Exzellenz Berichtschreiben vom 12. Oktober No 86 b1 setzte mich in Kenntniß von dem Wunsche des Großherzoglich-Badischen Hofes zur Erlangung von vier Stimmen2. 1 Vgl. HHStA Wien, Deutsche Akten (neue Reihe), Kart. 85, Fasz. 115 (alt), fol. 350. 2 Vgl. Berstett an Buol, Frankfurt am Main, 9. Oktober 1816, HHStA Wien, Deutsche Akten (neue Reihe), Kart. 85, Fasz. 115 (alt), fol. 329 sowie die in Anlage übersandte Abschrift der konfidentiellen Note Berstetts an Humboldt vom gleichen Tag (= Dok. 60).

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Metternich an Buol

Nr. 71

Vor Allem gehe ich von der Überzeugung aus, daß wohl vorzüglich nicht gleich im Anfange der Eröffnung des Bundestags eine Aenderung des festgesetzten Stimmen-Verhältnisses angemessen seyn dürfte. Übrigens aber möchte auch das vom Großherzoglichen Hofe zur Unterstützung seines Antrags angeführte Bevölkerungs-Verhältniß mit Würtemberg, Hannover, Sachsen und mehreren anderen Bundesstaaten deshalb nicht anwendbar seyn, weil man bey Verleihung von 4 Stimmen nicht die Bevölkerung sondern die ­königliche Würde jener Höfe berücksichtigte. Es ward auch das Verhältniß der Bevölkerung um so weniger hierbey zum entscheidenden Anhaltspuncte genommen, da sonst Oesterreich und Preußen wohl nicht auch nur mit 4 Stimmen in der Plenar-Versammlung gleich den übrigen Königen hätten aufgeführt werden können. Ohne daher auch zu erwähnen, daß Se K. H. der Großherzog sich selbst zuschreiben mag, keinen Gesandten ordentlich zu den − in Wien über den Entwurf der Bundes-Acte − gehaltenen Conferenzen bevollmächtigt und ­instruirt3, daher alldort seine Wünsche zur rechten Zeit vorbracht zu haben, glaube ich, dürfte dieser Antrag für jetzt nicht zu unterstützen seyn. Ich habe darüber in Berlin die Ansicht des Staatskanzlers zu erfahren gesucht, und aus dem abschriftlich hier anliegenden Bericht des Grafen von ­Zichy4 vom 13. November d. J. No 79 lit. B5 entnehmen Eure Exzellenz dessen ganz gleiche Ansicht. Ich wünsche zwar nicht, daß Hochdieselben diesen Gegenstand und die ungünstige Meinung darüber ganz laut eröffnen; aber zur vorsichtigen Rücksprache mit dem K. Preußischen Gesandten, mit dem Hannövrischen, u.s.w., und um − wenn dieser Gegenstand wieder in Anregung kommen sollte, − solches in höflicher angemessener Art abzulehnen, glaube ich, Eure Exzellenz mit meiner Ansicht darüber bekannt machen zu sollen. Empfangen Eure Exzellenz die Versicherung meiner vollkommensten Hochachtung. F. v. Metternich 3 Baden war bei den sogenannten zweiten deutschen Konferenzen zwar durch den Freiherrn von Berstett als Beobachter vertreten, der allerdings nur bis zur 6. Sitzung am 1. Mai 1815 an den Verhandlungen teilnahm, da er sich mangels Instruktion „in keine weitere Abstimmung einlassen“ könne. Berstett bekundete lediglich die Bereitschaft seines Monarchen, sich allen Schritten Bayerns und Württembergs anschließen zu wollen. Vgl. QGDB I/1, Dok. 243, S. 1428 und Anlage 1, S. 1429 (Zitat). 4 Stephan Graf von Zichy und von Vásonykeö (1780−1853), österreichischer Diplomat, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister 1805−1809 in Dresden und 1811−1827 in Berlin, 1827−1829 Botschafter in St. Petersburg. Vgl. DBA I, 1410, 146 und 176−180; Wurzbach, Biographisches Lexikon, T. 60, S. 30−32; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 90 u. 280 f.; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 288. 5 Vgl. HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Kart. 1, Weisungen 1816, fol. 346−346’ (Abschrift).

Nr. 72

Frankfurt am Main, 13. Januar 1817

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72. Bundestagsbeschluß betreffend die Reklamation mehrerer mediatisierter vormaliger Reichsstände um Verleihung einiger Kuriatstimmen

ProtDBV 1817, 1. Sitzung vom 13. Januar 1817, § 5, S. 4−5. Gutachten und Bundestagsbeschluß. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 1, 1817, S. 245; CJCG, Bd. 2, S. 38−39.

Die Behandlung des Gesuchs der mediatisierten vormaligen reichsständischen Häuser Hohenlohe, Kastell und Limpurg-Speckfeld-Rechtern um Verleihung einiger Kuriatstimmen in der Bundesversammlung wird bis zur Beratung der organischen Bundesgesetze zurückgestellt.

Frankfurt am Main, 13. Januar 1817 Ebenderselbe1: legt die (Z. 66 und 73) eingereichten Vollmachten einiger mediatisirten vormaligen reichsständischen Häuser, nämlich: Hohenlohe, Kastell2, Rechtern und Limpurg, für den Fürstlich Hohenlohischen Hofrath von Braun; dann eine von letzterm unterzeichnete, (Z. 67) übergebene Note3 vor, deren Hauptzweck dahin gerichtet ist, daß die Bundesversammlung den Mediatisirten bey Berathung der organischen Gesetze einige Curiatstimmen zugestehen möge.4 Der vortragende Herr Gesandte äußerte sein Gutachten dahin: daß wohl für jetzt auf diese Exhibita nichts weiter verfügt werden könne, als was in der 7. Sitzung vorigen Jahres, laut Protokoll § 31, auf ähnliche Reclamationen anderer Mediatisirten5 beschlossen worden wäre: Daß diese Reclamationen vor der Hand noch zu reponiren seyen, bis nach der Geschäftsfolge der Hauptgegenstand, den sie beträfen, zur Sprache kommen werde.6 Sämmtliche Herren Gesandten waren damit einverstanden, daher Beschluß: Daß die Reclamationen der mediatisirten vormaligen reichsständischen Häuser Hohenlohe, Kastell, Rechtern und Limpurg, wegen Verleihung einiger Curiatstimmen bey Berathung der Organischen Bundesgesetze, vor der Hand noch zu reponiren seyen, bis nach der Geschäftsfolge der Hauptgegenstand, den sie beträfen, zur Sprache kommen werde. 1 Der hannoversche Bundestagsgesandte Georg Friedrich von Martens. 2 Castell. 3 Dok. 68. 4 Grundlage des Gesuchs bildete Artikel 6 der Deutschen Bundesakte: „Ob den mediatisirten vormaligen Reichsständen auch einige Curiatstimmen in Pleno zugestanden werden sollen, wird die Bundes-Versammlung bey der Berathung der organischen Bundes-Gesetze in Erwägung nehmen.“ Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511. 5 Dok. 63. 6 Vgl. ProtDBV 1816, 7. Sitzung vom 28. November 1816, § 31, S. 108.

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Hardenberg an Goltz

Nr. 73

73. Hardenberg an Goltz

GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 264. Weisung. Behändigte Ausfertigung.

Bringt seine Zufriedenheit zum Ausdruck, daß Goltz mit Buol übereingekommen sei, den badischen Hof dazu zu bewegen, seinen Antrag auf eine vierte Stimme für Baden im Plenum des Bundestags zurückzunehmen.

Berlin, 31. Januar 1817 Es ist mir sehr angenehm gewesen, aus Ew. Excellenz Bericht in der Badenschen Angelegenheit, v. 13t[e]n d. v. M.1, zu ersehen, daß der Kaiserlich Oestreichische Hof das Badensche Begehren wegen einer vierten Stimme in der Plenarversammlung, aus eben dem Gesichtspunkte betrachtet, aus welchem mein Schreiben an Ew. Excellenz vom 30ten November d. v. J.21solches ansieht, nehmlich als völlig unzulässig. Ew. Excellenz haben daher sehr wohl gethan, mit dem Herrn Grafen Buol von Schauenstein übereinzukommen, in einer dem Groß-Herzoglich Badenschen Gesandten zu machenden mündlichen Eröffnung, denselben zu ersuchen, seinen Hof dahin zu bewegen, daß er den Antrag, wegen einer ihm zu ertheilenden vierten Stimme in der PlenarVersammlung, als nicht erfolgt, gänzlich zurücknehme. Vom Erfolg dieses Schrittes, sehe ich Ew. Excellenz ferneren Bericht entgegen. C. F. v. Hardenberg

74. Martens an Prinzregent Georg von Großbritannien und Hannover1

HStA Hannover, Hann. 92, Nr. 1429, fol. 45 (a) und 46–53 (b). a) Postskriptum. Eigenhändige Ausfertigung. b) Gutachtliche Bemerkungen. Reinschrift.

[a) Postskriptum] Übersendet in Anlage Überlegungen zur Gewährung von Kuriatstimmen für die Mediatisierten in der Bundesversammlung, die er auf Aufforderung Metternichs verfaßt habe. 1 Vgl. GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 264 (Konzept). 2 Vgl. Dok. 70.

1 Georg IV. (1762–1830), seit 1820 König von Großbritannien und Irland sowie von Hannover, seit 1811 Regent für seinen geisteskranken Vater. Vgl. ADB, Bd. 8, S. 651–657; NDB, Bd. 6, S. 213 f.; ODNB, Vol. 21, S. 856−864; Wende (Hrsg.), Englische Könige und Königinnen, S. 242−259.

Nr. 74

Frankfurt am Main, 12. März 1817

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Frankfurt am Main, 12. März 1817 Ptum 2

Auch durchlauchtigster Prinz Regent gnädigster Fürst und Herr!

bin ich von dem Fürsten von Metternich durch den Herrn Grafen von Hardenberg2 aufgefordert worden meine Gedanken über die den Mediatisirten zu verschaffenden Curiatstimmen demselben mitzutheilen, und halte mich daher verpflichtet beigehend eine Abschrift von dieser Privat Arbeit zu überreichen. Ich beharre ut in relatione humillima3 Martens [b) Anlage: Bemerkungen über Kuriatstimmen der Mediatisierten] Die schwache Fassung des Artikels 6 der Deutschen Bundesakte erschwert die Durchsetzung von Kuriatstimmen für die Mediatisierten in der Bundesversammlung. Bayern, Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt, die die meisten und angesehensten Mediatisierten besitzen, lehnen die Gewährung von Kuriatstimmen an die Mediatisierten ab und werden unter Berufung auf Artikel 7 der Bundesakte auf einem einstimmigen Beschluß im Plenum des Bundestags bestehen. Um die voraussehbare Blockadesituation aufzulösen, werden alternative Lösungen zu bedenken gegeben: 1. Durch Mehrheitsbeschluß im Plenum des Bundestags könnte zumindest den Mediatisierten der zustimmenden Bundesstaaten ein Stimmrecht in der Bundesversammlung bewilligt werden; 2. Gewährung eines Votum consultativum sowohl im Engeren Rat als auch im Plenum der Bundesversammlung; damit wäre den Ansprüchen der Mediatisierten auf Ebenbürtigkeit mit den regierenden Häusern und auf Mitwirkung an den Bundesangelegenheiten Rechnung getragen, ohne daß sie durch ihren Widerspruch die Tätigkeit der Bundesversammlung hemmen könnten. Keiner dieser Vorschläge sei jedoch so beschaffen, daß er sogleich an den Bundestag gebracht werden 2 Ernst Christian Georg August Freiherr (seit 1778 Graf) von Hardenberg (1754–1827), hannoverscher Staatsmann, 1774 Auditor in Hannover, 1775 Kabinettsrat ebd., 1790–1792 außerordentlicher Ge­sandter und bevollmächtigter Minister in Dresden, 1792 Geheimer Kabinettsrat; 1793–1805 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Wien, 1806 Geheimer Rat, 1814 Kabinetts­minister, 1814/15 zweiter hannoverscher Bevollmächtigter auf dem Wiener Kongreß, 1814–1825 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Wien. Vgl. Allge­meine hannover­sche Biographie, Bd. 2, S. 539; DBA I, 472, 283 f.; DBA II, 523, 98; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 186–190; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 211. 3 Lat.: wie in dem untertänigsten Bericht.

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Martens an Prinzregent Georg von Großbritannien und Hannover

Nr. 74

könne; vielmehr müsse die Sache bei den interessierten Höfen gehörig vorbereitet werden.

Bemerkungen über Curiatstimmen der Mediatisirten Nach dem einmal im 6[te]n Artikel der Bundesacte4 der Punct der Curiatstimmen für mediatisirte so schwach gefaßt worden, daß darinn 1. noch erst die Frage ob solche Curiatstimmen zugestanden werden sollen noch erst zur Erwägung der Bundesversamlung verstellet worden; 2. dieses auf die Mediatisirten vormaligen Reichsstände beschränkt auch 3. nur der Curiatstimmen in pleno gedacht worden und 4. die Sache erst bey Berathung der organischen Gesetze erwogen werden soll. So wird es wohl im allgemeinen schon sehr schwer halten solche CuriatStimmen in der Bundesversammlung durchzusetzen, noch schwerer aber ihnen concentrirte eigene Stimmen im engeren Ausschuß zu verschaffen oder andren Curiatstimmen zuzutheilen. Denn wenn auch die Mehrheit der Stimmen zu ihrem Vortheil ausfiele so ist doch vorauszusehen, daß die dissentirenden insbesondre Bayern darauf sich berufen, daß selbst 2/3 der Stimmen nicht hinreichend seyn, weil nach dem 7[te]n Artikel5 in Fällen wo es auf organische Bundes-Einrichtungen und auf jura singulorum ankomme keine Mehrheit der Stimme gelte und beides hier zusammen trete indem theils selbst nach dem 6ten Artikel dies bey Bera­ thung organischer Gesetze erörtert werden solle theils bey der unleugbaren Verschiedenheit das Interesse der Bundesstaaten von denen manche gar keine Mediatisirte besitzen die Zulassung der einem oder dem andren Staat untergeordneten Mediatisirten ad jura singulorum gehöre, wenn sich6 auch wider dieses Letztere manches einwenden läßt. Insonderheit scheint mir was das Letztere betrift, noch ein Unterschied zu seyn 1. ob z. B. Bayern wider seinen Willen durch die Mehrheit gezwungen werden könne seine eigenen Mediatisirten zuzulassen. 2. ob Bayern sich der Zulassung der Mediatisirten der übrigen Bundesstaaten widersetzen könne wenn diese durch die Mehrheit oder Einstimmigkeit der übrigen Bundes-Mitglieder bewilliget wird. Denn in Ansehung dieses lezteren ist eigentlich kein jus singulorum vorhanden und wenn der geringe Einfluß den die Mediatisirten durch diese Stimmen auf die Geschäfte gewinnen ein Opfer der übrigen genannt werden kann, so ist dies ein Opfer welches so gut die Mitglieder trift die gar keine Mediatisirten besitzen, als diejenigen 4 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511. 5 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511. 6 Emendiert. Vorlage: sie.

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welchen eine große Zahl derselben unterworfen worden. Und allemal wäre schon etwas gewonnen wenn auch nur diese Zulassung durch eine Mehrheit selbst nur von 2/3 gültig beschloßen werden könnte. Und diese in pleno wo von 69 Stimmen nur 46 erfordert werden, dürfte nicht schwer halten, wenn man dahin: Oesterreich mit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Preußen ” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Sachsen ” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Hannover ” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Churhessen ” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Holstein ” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Luxemburg ” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Braunschweig ” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Mecklenburg ” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 die Sächsischen Häuser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Mecklenburg Strelitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Anhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Schwarzburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Hohenzollern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Lichtenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Waldeck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Reuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Lippe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 die 4 Städte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

Summa 49 rechnet

und wahrscheinlich wird auch Nassau dem nicht entgegen seyn. Dadurch allein würde nun zwar in der Hauptsache der Zweck noch nicht erreicht, weil die hier als dissentirend angesehenen Staaten Baiern, Würtemberg, Baden und Großherzogthum Hessen die mehresten und angesehensten der Classe besitzen der man zu Hülfe zu kommen wünscht; allein wenn dieser erste Schritt gethan wäre; so würde es vielleicht weniger schwer seyn wo nicht alle doch mehrere der dissentirenden für die Zulassung ihrer Mediatisirten zu stimmen als wenn man jezt darauf gerade zu den Antrag richten wollte. Da nun bey allen Gegenständen dieser Art in der Politik weniger von einer großmütigen Resignation als von dem eigenen Interesse zu erwarten steht; so ist wohl eine der nächsten Fragen welche Erörterung verdient, welche Gründe kan man den Fürsten welche Mediatisirte besitzen anführen, um sie zu bewegen ihren eigenen Mediatisirten den Zugang zu der Bundesversamlung nicht zu verschließen.

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Und da das Gefühl der tiefen unverdienten Kränkung welche sie ihren ehemaligen Mitständen zufügen, wenn sie sie nicht für würdig halten ihre Stimmen neben der ihrigen abzulegen wohl wenig bey Gouvernements wirken möchte denen Napoleon einen Geist eingehaucht hat, der nicht mit ihm verschwunden ist, so dürfte vielleicht der Hauptgrund mehr auf sie wirken als laut und öffentlich ausgesprochen werden können. Daß die Gewährung einer unmittelbaren Theilnahme der mediatisirten Reichsstände der einzige Weg sey auf welchem sie eine freywillige und unwiderrufliche Anerkennung ihrer Souverainetäts-Rechte von ihnen erwarten können. Sofern auf einer andren Seite ein Hauptgrund des Widerspruchs an Seiten der souverainen Fürsten darinn gesetzt wird, daß es eine Anomalie sey wenn Unterthanen neben ihren Fürsten sitzen, und [neben] ihn[en] abstimmen können, sofern verdient vielleicht erwogen zu werden ob nicht hier ein Mittelweg gedenkbar sey der das Interesse beider Theile näher vereinigen könne. In dem engeren Rath den Mediatisirten eine entscheidende Stimme zu verschaffen, halte ich unter keinerley Form ausführbar da die Bundesacte selbst nur von Stimmen in pleno redet; die entscheidende Stimme in pleno aber ist, wenn sie, wie wohl vorauszusehen ist, nur ein paar Stimmen erhalten, auf der einen Seite in den mehresten Fällen so wenig bedeutend, daß sie nicht den wahren Hauptgrund enthalten kann um dessenwillen die Mediatisirten auf ihre Zuziehung einen so hohen Werth legen, zumal der engere Rath die Fälle möglichst beschränken wird, welche er als für das plenum geeigenschaftet erklärt und auf der andren Seite könnte sie in einem einzelen Falle wo die Bundesacte unanimia7 erfordert so wichtig werden, daß auch die Billigstgesinnten Bedenken tragen müßten einer einzigen Stimme der Mediatisirten das Recht bey zulegen die Beschlüße aller übrigen durch ihren Widerspruch zu hemmen. Die wahren und statthaften Hauptgründe aus welchen die Mediatisirten nach einer unmittelbaren Theilnahme an den Geschäften der Bundesversamlung streben sind wohl 1. daß dieses den Glanz ihrer Familien ihre Ebenbürtigkeit und ihren Vorzug vor dem übrigen Adel in Deutschland mehr sichern würde. 2. daß sie vor Abfassung der Beschlüße von den Verhandlungen der Bundesversamlung in Kenntniß gesetzt werden und Gelegenheit haben, ihre Rechte in derselben zu vertheidigen und ihre Beschwerden anzubringen. Zu beiden Zwecken wird nicht wesentlich erfordert, daß ihnen eine entscheidende Stimme zustehe wenn sie nur in den Versamlungen zugelassen 7 Lat.: Einträchtigkeit, d. h. Einstimmigkeit.

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werden und Gelegenheit erhalten mit ihren Vorstellungen gehört zu werden, oder ihnen allenfalls ein Votum consultativum8 eingeräumt würde. Erhielten sie vollends ein paar solche vota in pleno9 und eine aus diesen gebildete Curiat-Stimme in der engeren Versamlung so würde dadurch besser für sie gesorgt seyn als wenn sie blos eine oder 2 vota decisiva10 nur in pleno erhielten, und doch vielleicht die Sache bey den Souverainen weniger Anstand finden. Gewißermaßen ist hiezu schon ein Weg gebahnt indem den nicht Stimmführenden Mitgliedern der Curiatstimmen schon bisher nachgegeben worden in den Versamlungen des engeren Raths gegenwärtig zu seyn ohne zu stimmen, obgleich diese Verwilligung die man wohl bey Abfassung der Congreßacte nicht beabsichtigte, nicht auf eine unwiderrufliche Weise festgesezt worden. Wie man aber auch den Mediatisirten einen Antheil an der Bundesversamlung einräumen will so entsteht noch erst eine wichtige Hauptfrage: wie sollen diese Curiatstimmen gebildet werden. Ich glaube 1. daß überhaupt nur diejenigen Mediatisirten daran einen Antheil nehmen können die vormals am Reichstage eine viril oder Antheil an einer Curiatstimme gehabt haben. 2. daß unter diesen ein Unterschied gemacht werde, scheint allerdings billig und rathsam; billig, weil doch vormals der Unterschied nicht unbedeutend war; rathsam weil alsdenn nicht die gesamten Mediatisirten welche zugelassen werden ein corpus ausmachen, welches doch gewiß bey einer so bedeutenden Seelenzahl berücksichtiget zu werden verdient zumal man sich nicht verheelen kan, daß unter den Mediatisirten manche montirte Köpfe sind. Ob nun etwa den viril-Stimmen zusammen eine und den übrigen eine oder den einen mehr als den andren einzuräumen sey, dürfte erst von näherer Würdigung der Population und anderer Umstände abhängen. Ich würde dabey immer geneigt seyn der kleineren Zahl der vormaligen viril-Stimmen verhältnißmäßig lieber mehr hingegen 3. die Mediatisirten nach den jetzigen Ländern welchen sie angehören mit Curiatstimmen zu begünstigen scheint mir, wenn dies gleich auch seine empfelenden Seiten hätte nicht ausführbar weil11 a) der Curiatstimmen zu viele werden würden   8 Lat.: beratende Stimme. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 302.   9 Lat.: Stimmen im Plenum. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 144 u. 302. 10 Votum decisivum (lat.): entscheidende Stimme. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 302. 11 Emendiert. Vorlage: wird.

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Martens an Prinzregent Georg von Großbritannien und Hannover

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b) einige Staaten zu wenig Mediatisirte haben und daher eine zu große Ungleichheit entstünde c) mehrere mediatisirte zugleich verschiedenen Fürsten angehören. 4. Die Mediatisirten nach den ehemaligen Craysen12 oder nach den Grafen Curien13 zusammen zu stellen, würde auch noch entweder die Zahl der Curiatstimmen über das hinaus erstrecken was man zu erreichen hoffen kan, oder wiederum Combinationen und Trennungen veranlassen bey welcher der Nutze[n] jener Basis sich sehr vermindern würde, wenn gleich, im Fall mehrere Curiatstimmen erlangt würden, auf selbige so wie überhaupt auf die geographische Lage mit Rücksicht zu nehmen seyn dürfte. 5. Wenn man in den Vorschlag einginge den Mediatisirten überall nur consultatio Stimmen einzuräumen und, was nur in diesem Falle möglich scheint, aus diesen Stimmen in pleno eine oder 2 consultatio Stimmen in dem engeren Rath zu bilden, so würden bei nur einer Stimme freilich auch die nicht ausgeschloßen werden können die am Reichstage nur Curiatstimmen gehabt haben bey 2 Stimmen aber wiederum eine separation und dadurch ein Vorzug für die viril-Stimmen möglich und wünschenswerth seyn. Keiner der von mir gemachten Vorschläge scheint mir aber der Art zu seyn, daß es rathsam schiene ihn sogleich an den Bundestag zu bringen ehe er bey den am mehresten interessirten Höfen gehörig vorbereitet worden und bey einigen Eingang gefunden und nur wenn dieses nicht oder nur unvollständig erreicht werden könnte, ließe sich auf den früher gemachten Vorschlag zu12 Die im Zuge der Reichsreform von Kaiser Maximilian I. im Jahr 1500 geschaffenen zunächst sechs, dann ab 1512 zehn Reichskreise (Fränkischer, Bayerischer, Schwäbischer, Rheinischer [später Oberrheinischer], Niederrheinisch-Westfälischer [später Westfälischer], Sächsischer [später Niedersächsischer], Kurrheinischer, Obersächsischer, Österreichischer und Burgundischer Reichskreis), die bis zum Ende des Alten Reichs im wesentlichen unverändert fortbestanden. An deren Spitze stand der vom Kreistag gewählte Kreishauptmann (seit 1555 Kreis­ oberst). Der Kreistag wurde vom Kreisausschreibenden Fürsten einberufen, der später den Kreishauptmann verdrängte. Zu den Aufgaben der Reichskreise zählte ursprünglich die Delegation eines Beisitzers für das Reichsregiment, seit 1507 auch die Wahl der Beisitzer zum Reichskammergericht, dessen Urteile seit 1555 auch von den Reichskreisen vollstreckt wurden. 1559 kam schließlich noch die Aufsicht über das Münzwesen sowie seit 1681 die Aufstellung und der Unterhalt des Reichsheeres hinzu. Vor allem in dem territorial zersplitterten südwestdeutschen Raum entwickelten die Reichskreise zahlreiche weitere Aktivitäten und schlossen sich mehrfach zu Kreisassoziationen zusammen. Vgl. Taddey (Hrsg.), Lexikon der deutschen Geschichte, S. 998 f.; HRG, Bd. 4, Sp. 681−687. 13 Die reichsständischen Grafen, die im 15. Jahrhundert noch im Reichsfürstenrat vertreten waren, dort aber kaum Einfluß ausüben konnten, organisierten seit 1512 ihr Stimmrecht in eigenen „Bänken“. Bis 1653 entstanden vier Kollegien (Schwäbisches, Wetterauisches, Fränkisches und Westfälisches Reichsgrafenkollegium), die jeweils eine Kuriatstimme auf dem Reichstag ausübten. Vgl. Taddey (Hrsg.), Lexikon der deutschen Geschichte, S. 460; HRG, Bd. 1, Sp. 1775−1795, hier Sp. 1793.

Nr. 75

Frankfurt am Main, 24. März 1817

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rückkommen für einen Theil Deutschlands die Sache durch Mehrheit der Stimmen durchzusetzen um dann zu erwarten, ob sich die übrigen nicht allmählig biegsamer zeigen.

75. Österreichische Punktation über die Vertagung des deutschen Bundestags

ProtDBV 1817, 28. Sitzung vom 12. Mai 1817, § 167, S. 316–318. Punktation. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 3, 1817, S. 7−10.

Recht des deutschen Bundestags sich zu vertagen. Festsetzung eines bestimmten Zeitraums, der höchstens vier Monate betragen darf. Anordnungen über die Besorgung dringender Geschäfte während der Zeit der Vertagung: Notwendigkeit einer Substituierung des abwesenden Bundespräsidialgesandten; Bildung eines dreiköpfigen Ausschusses (Präsidialgesandter bzw. dessen Stellvertreter und zwei weitere Bundestagsgesandte), der bei Gefahr im Verzug provisorische Anordnungen beschließen darf; Fortsetzung der Arbeiten von bereits gewählten Bundestagskommissionen.

[Frankfurt am Main, 24. März 18171] Oesterreichische Punctation über die Vertagung des deutschen Bundestags. Um über die Frage der Vertagung des deutschen Bundestags eben so dem Standpuncte dieser Versammlung und der ihr obliegenden Besorgung der Bundes-Angelegenheiten, als auch der Berichtigung der einzelnen alldort zu verhandelnden Geschäfte gehörig entsprechende Anordnungen zu treffen, glaubt man vor Allem folgende drei aus der Bundesacte entnommene HauptGrundsätze aufstellen zu sollen; I. Das Recht der Bundesversammlung sich zu vertagen, ist in dem Art. VII der Bundesacte begründet.2 – Zugleich aber wird auch darin bestimmt, daß die Vertagung erst eintreten könne, wenn die ihrer Berathung unterzogene Gegenstände erledigt seyen. 1 Laut Aussage des Bundespräsidialgesandten in der 28. Sitzung vom 12. Mai 1817 war die Österreichische Punktation über die Vertagung des Bundestags in der letzten vertraulichen Sitzung der Deutschen Bundesversammlung, also in der 21. Sitzung vom 24. März 1817, eingebracht worden. Vgl. ProtDBV 1817, § 167, S. 316 und ProtDBV 1817, S. 191. 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511.

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Österreichische Punktation über die Vertagung des deutschen Bundestags

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II. Im Falle der Vertagung soll selbige immer auf eine bestimmte Zeit beschlossen werden, welche jedoch höchstens vier Monate betragen darf. III. Aus dem Schlusse des Art. VII erhellet endlich noch, daß während der Vertagung dringende Geschäfte besorgt werden sollen, und darüber Bestimmungen getroffen werden müssen. Diese aus der Bundesacte und zwar aus dem Art. VII entnommenen Grundbestimmungen vorausgesetzt – scheinen mir folgende Anträge angemessen und als Folgerungen derselben betrachtet werden zu können: 1) Nach dem wörtlichen Inhalte der Bundesacte scheint zwar in diesem Jahre, oder vielmehr im nächsten Sommer noch keine Vertagung eintreten zu können, da nicht nur die der Berathung des Bundestags unterzogene Gegenstände noch nicht erledigt sind, sondern nicht einmal diejenige, welche in dem Art. X als die ersten Geschäfte desselben bezeichnet wurden3, ohne auch nur des Art. XVIII lit. D zu erwähnen4. – Da jedoch durch die Kriegsereignisse des Jahres 1815 die Verschiebung der Eröffnung des Bundestags um mehr als ein Jahr veranlaßt wurde, wie es die Bundesacte festsetzte; sehr viele Herren Gesandten aber schon früher mit Berücksichtigung des ersten und zweiten verschobenen Eröffnungs-Termins am Sitze des Bundestags erschienen; da ferner dieser lange Aufschub und verlängerte Aufenthalt in Frankfurt ausser ihrem Kreise lag; so scheint es mir nach einer solchen geraumen Zwischenzeit billig zu seyn, (wenn die Herren Gesandten es wünschen) die Vertagung auf einige Zeit eintreten zu lassen, deren bestimmte Festsetzung man der vertraulichen Besprechung mit Berücksichtigung der Geschäftslage überläßt. Eine sehr lange Vertagung möchte aber gerade jetzt, wo noch sehr Vieles zu thun ist, gleich Anfangs also nicht angemessen seyn. Zugleich aber würde sodann wegen entsprechender Erfüllung der übrigen Bestimmungen der Bundesacte, und zwar insbesondere – soviel möglich – mit Geschäftsbeförderlicher Benutzung der Vertagungszeit etwa in folgender Art Vorsorge zu treffen seyn. 2) Der präsidirende Gesandte muß jederzeit, wenn er abgeht, so wie also auch bei der Vertagung des Bundestags, einen andern Bundes-Gesandten zu den Präsidial-Geschäften substituiren; hinsichtlich der Oesterreichischen Stimme treten gleiche Verhältnisse wie bei den übrigen Herren Gesandten ein. Das Präsidium ist folglich eben so, wie die Präsidial-Canzley als fortwährend im Amte; daher auch das Einreichungs-Protokoll immer als eröffnet zu betrachten. Dieses erfordert die Erhaltung der keinem gänzlichen Stillstande und solcher Stockung zu unterwerfenden Geschäfts-Ordnung, so wie es dem Zwecke der Schlußbestimmung des Artikels VII. angemessen ist. 3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512. 4 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1517.

Nr. 53

Frankfurt am Main, 24. März 1817

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3) Es ist als Grundsatz festzusetzen, daß nebst dem Präsidial-Gesandten, oder dessen Stellvertreter, auch jederzeit zwei Bundes-Gesandten sich am Sitze des Bundestags befinden, welche jedoch nur einzig dazu im Vereine mit dem Präsidial-Gesandten sich zu versammeln haben: a) um in Kenntniß der Eingaben und Geschäftslage erhalten zu werden; b) um mit dem Präsidium zu ermessen, ob ein dringender Fall vorhanden sey, welcher die frühere Einberufung der Herren Gesandten erheische; c) um im Falle der Verzugs-Gefahr etwa nothwendig erachtende provisorische Maasregeln zu beschließen, und das Erforderliche zu veranlassen. Einzig diese drei Attribute wären dem aus dem Präsidium oder dessen Stellvertreter, und den zwei Bundes-Gesandten bestehenden Ausschusse zu übertragen. 4) Es scheint am geeignetesten, daß die Auswahl der zu diesem Ausschusse zu bestimmenden Bundes-Gesandten nicht dem Loose, sondern der vertraulichen Einigung derselben unter sich überlassen werde, wobei jedoch – wenn es gegen Erwartung nothwendig seyn sollte – die Stimmenmehrheit den Ausschlag gäbe. Nur die einzige Bestimmung wäre billig, daß keiner der Herren Gesandten gegen seinen Willen zweimal unmittelbar nach einander verbunden wäre, während der Vertagung bei dem Ausschusse zu bleiben. 5) Man muß es dem Resultate der Besprechung anheim geben, ob und in wie fern etwa die Vertagung zur Berichtigung von Einleitungen und Vorarbeiten bei mehreren Geschäften benutzt werden könnte. 6) Wenn vor der Vertagung vorbereitende Commissionen ernannt sind, so versteht es sich von selbst, daß die Vertagung des Bundestags die ungehinderte Fortsetzung ihrer Arbeiten nicht hindere. 7) Nach wieder eröffnetem Bundestag hat der ernannt gewesene Ausschuß eine Anzeige seiner seitherigen etwaigen Geschäftigkeit zu übergeben. Nach diesen sämmtlichen Bemerkungen sind folglich die in der Conferenz vom 3. März d. J. verabredeten Anordnungen über die Vertagung der Bundesversammlung5 ganz angemessen; nur könnten sie etwa nach den jetzt bemerkten Puncten, noch etwas näher bestimmt und erweitert werden. Da ­übrigens aber die Vertagung des Bundestags wesentlich in den äussern Organismus des Bundes eingreift, so sind auch die in dieser Hinsicht zu treffende Anordnungen in gleicher Art wie die Geschäfts-Ordnung nur als provisorisch bis zur Herstellung einer Bundestags-Ordnung, wovon es einen wesentlichen Bestandtheil auszumachen hat, ausdrücklich [für] gültig zu erklären.

5 Vgl. Dok. 116, Abschnitt III.

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Österreichische Punktation über die Entwerfung einer Bundesmatrikel 

Nr. 76

76. Österreichische Punktation über die Entwerfung einer Bundesmatrikel

ProtDBV 1817, 31. Sitzung vom 29. Mai 1817, Anlage nach S. 401 (Loco dictaturae, 3 unpaginierte Seiten). Punktation. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV 1817, 31. Sitzung vom 29. Mai 1817, § 203, S. 381−383; ProtDBV(Q), Bd. 3, 1817, S. 92−95.

Entwerfung einer Bundesmatrikel, die ein Verzeichnis sämtlicher Bundesstaaten und für diese die Anschläge zur Erfüllung der gemeinsamen Verpflichtungen enthält. Der Beitrag zu den Gesamtverpflichtungen wird geleistet durch die Stellung von Mannschaften zum Bundesmilitär und durch Geldbeiträge zu den sonstigen gemeinsamen Bedürfnissen. Bei der Verteilung der Gesamtlasten soll auf den Gebietsumfang, die Bevölkerungsgröße und die Höhe der Einkünfte der Bundesstaaten Rücksicht genommen werden. Aufgrund der noch nicht überall vollzogenen Territorialausgleichungen und ungenauer statistischer Grundlagen wird vorgeschlagen: Wahl einer Kommission des Bundestags zur Berechnung und Aufstellung einer ersten Bundesmatrikel, deren Gültigkeit zunächst auf fünf Jahre befristet wird. Nach Ablauf von vier Jahren Bestimmung des definitiven Matrikularanschlags. Wichtigkeit der Regulierung dieses Gegenstandes für die Festsetzung der Militärverhältnisse des Deutschen Bundes.

Frankfurt am Main, 29. Mai 1817 Oesterreichische Punctation die Entwerfung einer Matrikel betreffend. Es ist ein gerechtes Verlangen, daß in Entwickelung des Artikels X der Bundesacte1, und namentlich der organischen inneren und militärischen Verhältnisse des deutschen Bundes vorgeschritten werde. Es dient aber nicht nur zur wesentlichen Vorbereitung dieser organischen Anordnungen, sondern beide erhalten auch ihre Grundlage durch Entwerfung einer Matrikel des Bundes. Diese muß enthalten: 1) Ein Verzeichniß sämmtlicher einzelnen Bundesstaaten, und zugleich auch 2) für diese, die Angabe der Anschläge zur Erfüllung aller gemeinsamen Verpflichtungen. Dieser Beitrag zu den Gesammtverpflichtungen aller vereinten Bundesglieder wird geleistet, theils durch Mannschafts-Stellung zu dem Militär-Stande des Bundes, theils durch Geldbeiträge zu dessen sonstigen gemeinsamen Bedürfnissen. Für beide Rücksichten muß die Matrikel die Quote für jedes Bundesglied, nach einem richtigen Verhältniß, im Allgemeinen nach Procenten festsetzen.

1 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512.

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Bei Herstellung dieser Matrikel und der also bezweckten verhältnißmä­ sigen Vertheilung aller Gesammtlasten müßte man zwar auf die QuadratGrösse des Gebiets, auf die Bevölkerung und auf die Einkünfte desselben Rücksicht nehmen; allein die Schwierigkeiten lassen sich nicht verkennen, welche vorzüglich für die letzte Rubrick bei allen Bundesstaaten aus politischen oder administrativen Gründen eintreten dürften, so daß in dieser dritten Hinsicht das Resultat nicht einmal approximativ richtig seyn möchte. Es wird daher um so mehr ein Gegenstand reifer Erwägung seyn müssen, ob und in wie fern jene drei Gesichtspuncte, einzeln oder vereint, den Maasstab zur Festsetzung des zweifachen Matrikular-Anschlags gewähren sollen. Bei den vielfältigen früheren und neuesten in Deutschland vorgekommenen, zum Theil noch nicht, oder kaum vollzogenen Territorial-Ausgleichungen, folglich bei dem noch fast nirgends gehörig consolidirten Territorial-Besitz, ist vorauszusehen, daß eine bezweckte genaue Herstellung aller Bundesstaaten in jenen dreifachen statistischen Verhältnissen doch eben so un[zu]verlässig seyn würde, und seyn müßte, als es notorisch seither auch nicht einmal in der Möglichkeit der öffentlichen Verwaltungen lag, ganz genaue statistische Notitzen in sämmtlichen Beziehungen zu haben. Es kann ­sodann auch nicht unbeachtet bleiben, ob und in wie fern jede deutsche Regierung geneigt seyn dürfte, den Quadrat-Umfang, Bevölkerungsstand, ­ und Staats-Einkünften-Betrag offiziell mit Bestimmtheit anzugeben. Um nun bei dieser Lage der Dinge, und bei der unverkennbaren Nothwendigkeit mit möglicher Berücksichtigung der erwähnten Inhaltspuncte eine Matrikel zu entwerfen, zum Zweck zu kommen, möchten etwa folgende Anträge, gestützt auf die angeregte Geschäfts-Verhältnisse, der Erwägung des Bundestags zu übergeben seyn: 1) Der Bundestag wählt eine Commission, welche die erste Herstellung der Matrikel zu besorgen hat. 2) Diese Commission hat vor allem sämmtliche Bundesstaaten, nach ihren zum deutschen Bund gehörenden Gebieten, in ein Verzeichniß aufzunehmen. Von Seiten des Kaiserlich-Königlichen Hofes ist man erbietig, zur genauern Anwendung des Artikels I der Bundesacte2, die etwa gewünschte bestimmte Erklärung und Bezeichnung darüber abzugeben. 3) Sodann hat diese Commission nach Durchschnittsberechnungen der ­verschiedenen statistischen Hülfsquellen sich darauf zu beschränken, approximative Berechnungen und Ausweise etwa über die drei Verhältnisse auf­ zustellen. 4) Diesemnach muß es sodann vor allem ein Gegenstand eigener Bera­ thung und Begutachtung von Seiten dieser Commission ausmachen: ob und 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508.

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Österreichische Punktation über die Entwerfung einer Bundesmatrikel 

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in wie fern für die bemerkten zweifachen Bedürfnisse – nämlich Mannschafts-Stellung und Geldbeiträge – jene angeführte drei berechenbare Anhaltspuncte, einzeln oder vereint, die Grundlage der Matrikular-Anschläge für die einzelnen Bundesstaaten gewähren sollen. – Nach dem Resultate dieser Berathung und nach dem Beschlusse derselben wäre sodann der zweifache Matrikular-Anschlag für alle einzelne Bundesstaaten gutachtlich als approximativ richtig anzusetzen. 5) Sobald nun diese Commissionsarbeit als Anschlags-Entwurf vollendet ist, wird selbige allen deutschen Regierungen mitgetheilt, um sich zu erklären, ob und in wie fern sie diese Anschläge für sich und Andere gelten lassen wollen, oder aber, was etwa dabei zu bemerken seyn dürfte. 6) Die auf solche Art hergestellte Matrikel wäre vorläufig für eine bestimmte Reihe von Jahren anzunehmen, und zwar, da gerade jetzt alle statistischen Anschläge noch so wenig eine feste Grundlage haben können, nicht auf eine zu lange Zeitfrist, etwa auf fünf Jahre. – Bis dorthin werden nicht nur die sämmtlichen Bundesstaaten im Innern genauer consolidirt und geregelt seyn, sondern auch eigene oder berichtigte statistische Bearbeitungen die Bundesversammlung in Stande setzen, zu berathen, ob jene erste vorläufige Matrikel noch beibehalten, oder welche sonstige Einleitungen und Aenderungen man in dieser Hinsicht angemessener erachten dürfte. 7) Mit dem Ende des vierten Jahres müßte die definitive Matrikular-Bestimmung erfolgen, welche sodann nach verstrichenem fünften Jahre in definitive Anwendung kommt. 8) So wie übrigens diese Commission die Entwerfung der Matrikel zu begutachten hat, so würde auch in dem organischen Gesetzentwurfe aufzunehmen seyn: a) ob und in wie fern während dieser Frist eine Veränderung des Matrikular-Anschlags nachgesucht werden könne; b) ob und in wie fern aber auch, selbst bei angebrachten Gesuchen um Minderung des Matrikular-Anschlags, einstweilen noch bis [auf] Weiteres nach der festgesetzten Matrikel sich zu richten sey. Da dieser Gegenstand der Herstellung einer Matrikel des deutschen Bundes, wodurch also die geographisch-politische Charte des Gebietsumfangs und Inhalts desselben begründet, und ein Maasstab zur verhältnißmäsigen Vertheilung aller Gesammtlasten wenigstens approximativ bewirkt werden soll, für mehrere den Bund im Ganzen betreffende Anordnungen, und namentlich für die Berichtigung dessen militärischen organischen Verhältnisse, nicht nur von wesentlichem Einflusse ist, sondern selbst als die erste unentbehrliche Vorarbeit anzusehen seyn dürfte; so bin ich angewiesen der hohen Versammlung anheim zu geben, ob sich nicht etwa noch vor dem Beginnen der Ferien mit der ersten Einleitung dieses weit umfassenden Gegenstandes

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zu befassen, sich so fort darüber zu besprechen, und somit der weitern Bera­ thung nach geendigten Ferien vorzuarbeiten seyn wolle. Diese Geschäftsvorbereitung scheint mir um so wünschenswerther, als hierauf, nach den Ferien, die mit Recht sehnlich gewünschte Festsetzung der Militär-Verhältnisse des deutschen Bundes ihrem Resultate angeknüpft werden könnte.

77. Bundesbeschluß über die Vertagung der Bundesversammlung

ProtDBV 1817, 38. Sitzung vom 26. Juni 1817, § 267, S. 532–533. Bundesbeschluß. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 3, 1817, S. 304−305.

Während der Vertagung der Bundesversammlung bleiben das Bundestagspräsidium und die Präsidialkanzlei fortwährend im Amt. Neben dem Präsidialgesandten bzw. dem von ihm ernannten Stellvertreter bilden wenigstens zwei andere in Frankfurt verbleibende Bundestagsgesandte einen Ausschuß, der Kenntnis von den Eingaben und der Geschäftslage erhält, bei Gefahr im Verzuge provisorische Anordnungen trifft und gegebenenfalls den Präsidialgesandten und alle übrigen Mitglieder der Bundesversammlung vorzeitig nach Frankfurt zurückberuft. Weitere in Frankfurt verbleibende Bundestagsgesandte sind berechtigt an den Arbeiten des Ausschusses teilzunehmen. Während der Zeit der Vertagung können bereits ernannte Kommissionen ihre Arbeit fortsetzen. Vor eintretender Vertagung wird der Termin der nächsten förm­ lichen Bundestagssitzung festgesetzt.

Frankfurt am Main, 26. Juni 1817 Die deutsche Bundesversammlung hat für den Fall einer zu beschliessenden Vertagung, einstweilen, bis zur Herstellung einer Bundestags-Ordnung, folgende provisorische Anordnungen, als ihrem Standpuncte und der ihr obliegenden Besorgung der Bundesangelegenheiten, auch der Berichtigung der einzelnen bei ihr zu verhandelnden Geschäfte entsprechend, beschlossen: 1) Das Bundestags-Präsidium und die Präsidial-Canzlei werden als fortwährend im Amte – daher auch das Einreichungs-Protokoll immer als eröffnet betrachtet. 2) Der präsidirende Gesandte muß jederzeit, wenn er abgeht, also auch bei eintretender Vertagung des Bundestags, einen andern Bundesgesandten zu den Präsidial-Geschäften substituiren. 3) Nebst dem Präsidial-Gesandten, oder dessen Stellvertreter, müssen jederzeit zum wenigsten zwei Bundesgesandte sich am Sitze des Bundestags befinden, welche jedoch nur einzig dazu im Vereine mit dem Präsidial-Gesandten sich zu versammeln haben – a) um in Kenntniß der Eingaben und Geschäftslage erhalten zu werden; um

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Kommissionsbericht über die Entwerfung einer Bundesmatrikel

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b) mit dem Präsidium zu ermessen, ob ein dringender Fall vorhanden sey, welcher die frühere Einberufung der Herren Gesandten erheische. Tritt dieser Fall der Eile ein, so wird die Einberufung durch den präsidirenden Gesandten geschehen; und wäre der Präsidirende selbst abwesend, so hat dessen Stellvertreter ihn, er selbst aber die Bundesgesandten von dem Orte aus, wo er sich aufhält, alsbald zur Rückkehr einzuladen; c) um im Falle der Verzugsgefahr die etwa zur Instruction eines Geschäfts nothwendigen provisorischen Einleitungen zu treffen, alles andere aber der Bundesversammlung zu überlassen. Es versteht sich übrigens von selbst, daß alle in Frankfurt anwesende ­Herren Bundesgesandten an diesen Geschäften des sonach aus dem Präsidio, oder dessen Stellvertreter, und sämmtlichen anwesenden, allerwenigstens aber aus zwei zu wählenden Bundesgesandten bestehenden Vereine oder Ausschusse, Theil zu nehmen berechtiget sind, somit von selbst zu demselben gehören. 4) Die Auswahl derjenigen zwei Bundesgesandten, welche bei diesem Ausschusse zu verbleiben sich verbindlich zu machen hätten, geschieht durch vertrauliche Einigung derselben unter sich, wobei jedoch, erforderlichen Falls, die Stimmenmehrheit entscheidet. Keiner der Bundesgesandten kann gegen seinen Willen zweimal unmittelbar nach einander dazu verbunden seyn. 5) Wenn vor der Vertagung vorbereitende Commissionen ernannt sind, so kann jene die ungehinderte Fortsetzung ihrer Arbeiten nicht hindern. 6) Nach wieder eröffnetem Bundestage hat der Ausschuß eine Anzeige seiner seitherigen etwaigen Geschäftsthätigkeit zu übergeben. 7) Vor eintretender Vertagung wird jedesmal der Zeitpunct der ersten förmlichen Sitzung festgesetzt, in welchem sich der Bundestag wieder zu versammeln hat.

78. Kommissionsbericht über die Entwerfung einer Bundesmatrikel

ProtDBV 1817, 43. Sitzung vom 14. Juli 1817, Beilage 74, S. 667–689. Kommissionsbericht. Druckfassung.

Die Kommission hat die österreichische Punktation über die Entwerfung einer Bundesmatrikel zum Leitfaden ihrer Arbeit genommen. Notwendigkeit einer doppelten Bearbeitung wegen der noch fehlenden Angaben über die zum Deutschen Bund gehörenden Staaten Österreichs und Preußens. Auffassung der Kommission, daß die Bevölkerungsgröße die Grundlage für die Berechnung der Mannschaftsstellung und Geldleistungen bilden soll und die Staatseinkünfte nur bei großen Abweichungen ergänzend berücksichtigt werden sollen. Da bislang fast keine Regierung die nötigen

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statistischen Angaben vorgelegt hat, mußten publizierte Quellen die Grundlage der Berechnungen bilden. Entwerfung mehrerer Tabellen auf der Grundlage statistischer Hilfsmittel unter Berücksichtigung der Bevölkerung sowie der Staatseinkünfte, um den tatsächlichen Zuständen näher zu kommen. Darlegung des Berechnungsmodus für die vorgelegten statistischen Aufstellungen. Beifügung eines auf Durchschnittswerten basierenden Vorschlags zu einer Bundesmatrikel (Tabelle VII), der zur Grundlage der Instruktionseinholung und Abstimmung dienen könnte. Anträge der Kommission zur möglichst schleunigen Erledigung dieses dringenden Gegenstandes (u. a. Aufforderung an Österreich und Preußen, ihre zum Deutschen Bund gehörenden Staaten definitiv zu bezeichnen).

Frankfurt am Main, 14. Juli 1817 Commissions-Bericht, die Entwerfung einer Bundes-Matrikel betreffend. § 1. Der unterzeichneten Commission wurde von der hohen Bundesversammlung in der XXXI. Sitzung aufgegeben, die Vorarbeiten zur Entwerfung einer Bundes-Matrikel herzustellen1, damit sodann hierüber die Erklärungen der Höfe und Regierungen eingeholt werden könnten, um hierauf eine vor der Hand gültige Matrikel zu gründen. Zu diesem Ende hat die Commission die Oesterreichische Abstimmung über die Entwerfung einer Matrikel2 zum Leitfaden ihrer Arbeiten genommen, und geglaubt, den Gesinnungen der hohen Versammlung dadurch am Besten zu entsprechen, daß sie folgendes Verfahren beobachtete. § 2. Das allgemeine Verzeichniß der Bundesstaaten wurde nach der Bundesacte verfaßt und demselben noch Hessen-Homburg beigefügt. Die speciellen Angaben der zum Bunde gehörenden deutschen Staaten von Oesterreich und Preussen konnten aus dem Grunde nicht bestimmt aufgenommen werden, weil hierüber die definitiven Erklärungen der beiden allerhöchsten Höfe noch zur Zeit fehlen.3 Es blieb daher nichts übrig, als die Matrikel unter den zweierlei Voraussetzungen doppelt zu bearbeiten, einmal für den Fall, wenn Oesterreich mit der Seeküste und Oesterreichisch-Schle­ sien, und Preussen mit Schlesien und der Lausitz dem Bunde beitreten, das 1 Vgl. ProtDBV 1817, 31. Sitzung vom 29. Mai 1817, § 203, S. 384. 2 Vgl. Dok. 76. 3 Die österreichische Erklärung erfolgte am 6. April 1818 (vgl. Dok. 51) und die preußische ­Erklärung am 4. Mai 1818 (vgl. Dok. 54).

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anderemal für den Fall, daß diese Länder als nicht zum Bunde gehörig angesehen werden. Die Provinzen Steiermark, Kärnthen und Krain rechnete man in jedem F ­ alle dazu, als ehemalige Bestandtheile des Reichs und Oesterreichischen Kreises. Bei Preussen glaubte man Neufchatel nicht einrechnen zu können, und Geldern namentlich nicht ausdrücken zu müssen, da es in der Provinz Niederrhein eingeschlossen und mit dieser ohnehin in Anschlag gebracht ist. Zur leichtern Uebersicht des Bestandes für beide Voraussetzungen hat man eine eigene Tabelle entworfen, welche unter Ziffer VIII dem gegenwärtigen Commissions-Berichte beigefügt ist. § 3. Von dem dreifachen Anhaltspunct, welchen der Flächen-Inhalt, der Bevölkerungsstand, und die Staatseinkünfte der Bundesstaaten für die Auffindung eines Verhältnisses zwischen denselben gewähren, glaubte man den ersten ganz unberücksichtigt lassen zu müssen, da die grös­sere Zahl von Quadratmeilen an sich weder für die Mannschaftsstellung noch für Geldleistungen grössere Hülfsmittel sichert, und oft, wie bei Gebirgslanden, eher ein ungünstiges Verhältniß veranlaßt. Als Hauptbasis gründete man die Arbeit auf den Bevölkerungsstand, auf welchen mehr oder minder immer die Verhältnisse in der Hauptsache wieder zurückführen, und welcher auch in den Angaben der Wahrheit näher gebracht werden kann, als es bei Staatseinkünften möglich wäre. Da es jedoch bei grössern Abweichungen allerdings billig ist, daß auf die Staatseinkünfte eine vergleichende Rücksicht genommen werde, so hat die Commission nicht unterlassen, ihre Arbeiten auch auf diesen Gegenstand zu erstrecken, und die Berechnungen auch in dieser Hinsicht auszuarbeiten; so weit die Quellen dazu hinreichten. Die Vergleichung beider Verhältnisse hat für die meisten Fälle eine so nahe Zusammenstimmung gezeigt, daß sich hieraus ein weiterer Grund für die vorzügliche Berücksichtigung des Bevölkerungs-Maasstabes ergiebt. § 4. Als Quellen zu sämmtlichen Berechnungen hat man sich vorzüglich auf die literärischen beschränken müssen, da bisher fast von keiner Regierung die nöthigen statistischen Angaben vorgelegt wurden, solche noch in langer Zeit nicht erwartet werden dürften, und zu einer approximativen Uebersicht jene auch allerdings genügen. Damit aber, wenn es schon nur auf möglichst annähernde Angaben ankommt, doch kein Mittel versäumt werde, dem wahren Zustande näher zu kommen, und das Schwankende einzelner Angaben mehr in das Gleichge-

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wicht zu bringen, hat die Commission geglaubt, mehrere statistische Hülfsmittel nebeneinander stellen und sie unter sich vergleichen zu müssen. Sie hat dafür folgende als die zweckmäsigsten angesehen: a) Das im Verlage des geographischen Instituts in Weimar im vorigen Jahre erschienene Werk: „Europa nach seinen politisch-geographischen Veränderungen seit Ausbruch der französischen Revolution.“ Gr. Folio, dritte Lieferung.4 b) Hassels statistische Tabellen, verglichen mit dessen Staats- und AddreßHandbuch der deutschen Bundesstaaten für das Jahr 1816.5 c) Endlich einzelne Quellen aus offiziellen Angaben, handschriftlichen Nachrichten und Special-Statistiken der besondern Staaten. Aus diesen dreierlei Quellen hat man mit einer Summe von 150 000 in der einfachen Aufstellung für jede der oben erwähnten beiden Voraussetzungen drei Tabellen entworfen, und solche hernach unter sich auf verschiedene Art in Beziehung auf Bevölkerung und Einkünfte verglichen, um hierauf einen endlichen Antrag zu gründen, wie die nachfolgenden Beilagen näher darstellen. § 5. Die Erste Tabelle No. I A enthält die Berechnung eines Matrikular-Anschlags nach den Angaben von Bertuchs6 Europa7, unter der Voraussetzung, daß die 4 Vgl. Europa nach seinen politisch-geographischen Veränderungen seit Ausbruch der französischen Revolution dargestellt in Charten und statistischen Tabellen. Dritte Lieferung von drei Charten und statistischen Tabellen für die Periode vom Mai 1812 bis zu Anfange des Jahres 1816. Europa nach den vorzüglichsten Hülfsmitteln und seiner neuesten politischen Eintheilung, entworfen und gezeichnet von C. F. Weiland. Weimar 1816. 5 Vgl. Georg Hassel, Statistischer Umriß der sämmtlichen europäischen Staaten in Hinsicht ihrer Größe, Bevölkerung, Kulturverhältnisse, Handlung, Finanz- und Militärverfassung und ihrer außereuropäischen Besitzungen. Braunschweig 1805; ders., Staats- und Adreßhandbuch der Teutschen Bundesstaaten für das Jahr 1816. Genealogie, historische und statistische Uebersicht, Staatsverfassung und Verwaltung. Weimar 1816. 6 Friedrich Justin Bertuch (1747−1822), Weimarer Verleger und Schriftsteller, Studium der Theologie und Jurisprudenz in Jena, 1775 sachsen-weimarischer Kabinettssekretär und Verwalter der herzoglichen Privatschatulle, 1786 Legationsrat, 1796 Rückzug ins Privatleben, um sich seinen schriftstellerischen und verlegerischen Interessen ungeteilt widmen zu können, verlegte seit 1782 u. a. literarische und politische Zeitschriften. Vgl. DBE, Bd. 1, S. 489; DBA  I, 93, 342−356; DBA  II, 113, 250−261; DBA  III, 74, 9−16; NDB, Bd. 2, S. 171−173; ADB, Bd. 2, S. 552; Schmidt-Funke, Auf dem Weg in die Bürgergesellschaft. 7 Vgl. Sammlung aller bekannten geographischen Ortsbestimmungen. Zum Gebrauche der Geographie-Freunde gesammelt von A. Stieler u. Fr. W. Streit und aus den Allgemeinen Geographischen Ephemeriden besonders abgedruckt und herausgegeben von F. J. Bertuch. Bd. 1: Europa und Einiges von Asien. Bd. 2: Asien, Afrika, Amerika, Australien u. noch Nachträge zu Europa und den übrigen Welttheilen. Weimar 1811/13.

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Seeküste, Oesterreichisch- und Preussisch-Schlesien, dann die Lausitz, zum deutschen Bunde gerechnet werden. In der ersten Rubrik ist das Verzeichniß der Bundesstaaten, in der zweiten die Angaben des Bevölkerungsstandes nach der angeführten Quelle, in der dritten die Berechnung eines halben Procents der vorigen Summen enthalten, um auszuweisen, wieviel jedes Bundesglied an Mannschaft zu stellen hätte, wenn zu dem Contingente in einfacher Aufstellung je auf 200 Menschen Ein Soldat gerechnet würde. Da aber hierdurch nicht die volle Summe von 150 000 herauskommt, welche man zum einfachen Maasstabe annahm; so wurde in der vierten Rubrik jeder einzelne Betrag verhältnißmäsig, jedoch in runden Summen, um soviel erhöht, als nothwendig ist, die Gesammtsumme bis auf 150 000 zu bringen. Die in dieser vierten Rubrik enthaltenen Zahlen zeigen nun den Matrikular-Anschlag, wie er sich nach Bertuch in der ersten Voraussetzung berechnet. In der fünften Rubrik hat man zur Uebersicht und allenfallsigen Vergleichung nach derselben Quelle die Staatseinkünfte eingetragen. § 6. Die zweite Tabelle No. I B enthält nach der nämlichen Quelle und nach gleicher Bearbeitung, wie die vorige, die Beträge, so wie sie sich in der zweiten Voraussetzung stellen, wenn die Seeküste, Schlesien und Lausitz als nicht zum Bunde gehörig, angesehen werden. § 7. Die dritte Tabelle No. II A zeigt in gleichen Rubriken die Berechnungen nach Hassel unter der ersten, so wie die vierte Tabelle N. II B unter der zweiten Voraussetzung. § 8. Die fünfte Tabelle und die sechste No. III A und III B enthalten in derselben Ordnung der Rubriken das Resultat der einzelnen Angaben, deren Quellen in der letzten Spalte angezeigt sind, unter den beiderlei Voraussetzungen. § 9. Die siebente Tabelle No. IV A zeigt eine Vergleichung dieser drei verschiedenen Matrikular-Anschläge nebst einer Durchschnitts-Berechnung unter der ersten Voraussetzung, so wie die achte Tabelle No. IV B ebendasselbe für den Fall, wenn die zweite Voraussetzung angenommen wird. Auffallend dürfte es hiebei in dem ersten Augenblicke seyn, daß Oesterreich in der zweiten Voraussetzung, wenn sein Schlesien und die Seeküste nicht zum Bunde gerechnet werden, mit einer höhern Summe erscheint, als wenn diese Lande dem Bunde zugezählt werden.

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Wenn man aber erwägt, daß Preussisch-Schlesien und die Lausitz einen Unterschied von ungefähr zwei Millionen bewirken, welcher durch erhöhte Beiträge der übrigen ausgeglichen werden muß; so erklärt sich dieses Verhältniß, da die Minderung in diesem Falle für Oesterreich nicht soviel beträgt, als auf der andern Seite die Erhöhung in Anspruch nimmt. § 10. Die neunte und die zehnte Tabelle No. V A und V B liefert eine Vergleichung der Staatseinkünfte der einzelnen Staaten nach den drei verschiedenen Angaben unter beiderlei Voraussetzungen mit den hiernach berechneten Mitteldurchschnitts-Summen. § 11. Obschon die Commission der Meinung ist, daß eigentlich der Bevölkerungsstand als gemeinschaftliche Grundlage für die Mannschaftsstellung und Geldbeiträge aufzustellen, und auf die Staatseinkünfte nur bei grossen Ab­ weichungen vergleichende Rücksicht zu nehmen sey; so hat sie doch nicht unterlassen, auf alle Fälle, und wenn etwa eine andere Ansicht vorgezogen werden wollte, auch einen auf die Staatseinkünfte berechneten MatrikularAnschlag zu entwerfen. Zu solchem Ende zeigen die eilfte und zwölfte Tabelle No. VI A und VI B für die zweierlei Voraussetzungen nach gleichen Rubriken folgende Angaben: Die erste Rubrik enthält das Verzeichniß der Bundesstaaten, die zweite den Mitteldurchschnitt der Staatseinkünfte, so wie er sich aus den Tabellen V A und V B ergiebt. In der dritten ist der Betrag eines halben Procents der Staatseinkünfte nach diesem Mitteldurchschnitte berechnet. Da aber hierdurch eine bei weitem grössere Summe sich ergiebt, als die zum allgemeinen Maasstabe angenommenen 150 000; so hat man zur Herstellung einer Matrikel nach den Einkünften in der vierten Rubrik die einzelnen Summen in jenem Verhältnisse, aber in möglichst runden Zahlen, bis auf die Beträge vermindert, welche nothwendig sind, um im Ganzen die Gesammtzahl von 150 000 herzustellen. Die fünfte Rubrik enthält sonach den Matrikular-Anschlag nach der Volkszahl, so wie er sich aus dem in den Tabellen No. IV A und IV B berechneten Mitteldurchschnitt darstellt. In der sechsten Rubrik endlich, hat man zwischen diesen beiden Matrikular-Anschlägen wieder einen Durchschnitt berechnet, welcher also dazu dient, die beiden Rücksichten auf Bevölkerung und Einkünfte miteinander zu ver­ einigen. Die nähere Ansicht dieser verschiedenen Angaben wird zeigen, daß die Verschiedenheit unter denselben nicht so bedeutend sey, als man sonst wohl glauben möchte.

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§ 12. Durch diese verschiedenen Berechnungen und Zusammenstellungen dürfte nun jedes Bundesglied in den Stand gesetzt seyn, sich für den einen oder den andern Maasstab zu entschliessen, oder wenigstens die Erinnerungen vorzubringen, welche man dagegen machen zu können glaubt. Indessen hält8 die Commission hierdurch ihre Arbeiten noch nicht für geschlossen, sondern dafür gehalten, daß es für das Geschäft beförderlich, und zur Erhaltung einer allgemeinen Uebereinstimmung angemessen wäre, wenn ausser diesen Berechnungen noch ein endlicher Commissions-Vorschlag für eine Bundes-Matrikel hergestellt würde, welcher zur Grundlage der Instructions-Einholungen, und der hierauf folgenden Abstimmungen dienen könnte. Es läßt sich nämlich nicht verkennen, daß ausserdem, wenn schon die Verschiedenheiten an sich nirgend sehr bedeutend sind, doch leicht eine solche Divergenz der Ansichten, rücksichtlich der verschiedenen Maasstäbe, sich ergeben könnte, welche es schwer machen würde, zu einem gemeinschaftlichen Abschlusse zu gelangen. § 13. Die Commission hat daher in der dreizehnten Tabelle, mit No. VII bezeichnet, einen endlichen Vorschlag einer für Mannschaftsstellung und Geldbeiträge (in so fern hierüber nicht in einzelnen Fällen etwas anders bekannt wird) gleichgeltenden Bundes-Matrikel aufzustellen für nöthig gefunden, in welcher auf die einzelnen Verhältnisse allenthalben möglichste Rücksicht genommen ist. Man hat hiebei zwar die Mitteldurchschnitts-Summe der Volkszahl zur Hauptgrundlage angenommen, aber bei grössern Abweichungen immer auf die am richtigsten scheinenden Angaben der Tabelle III A und III B rücksichtlich des Bevölkerungsstandes und auf die Staatseinkünfte einen vergleichenden Blick geworfen. Daß man hiebei keine minutiöse Bruchrechnung vorgelegt, sondern die Beträge auf möglichst runde Summen gestellt hat, wird kaum einer Rechtfertigung bedürfen. § 14. Die Commission hat übrigens gesucht, hiebei das möglichste Verhältniß durch genaue Berechnung aufzufinden, indessen bescheidet sie sich gerne, daß diese Arbeit, bei welcher es auch nur auf möglichst annähernde Angaben und auf billige Bestimmungen ankömmt, nicht jenen Grad der Vollkommen8 Emendiert. Vorlage: hat.

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heit bezeichne, welcher sich erreichen liesse, wenn man von allen Bundesstaaten vollkommen richtige, nach durchaus gleichen Ansichten und Bestimmungen verfaßte, zur gleichen Zeit hergestellte, vollständige Angaben über Bevölkerungsstand und Staatseinkünfte erhalten könnte. Da aber dieses vielleicht ein frommer Wunsch bleiben würde; so wird man sich mit einer leichter zu erreichenden, wenn schon minder vollkommenen Aufstellung um so mehr begnügen müssen, als jeder Regierung ohnehin offen bleibt, sowohl rücksichtlich der eigenen Ansätze als jener der übrigen Bundesglieder, die nöthig findenden Erinnerungen vorzubringen. Indessen hält sich die Commission für überzeugt, daß unter den gegebenen Voraussetzungen in keinem Falle sehr bedeutende Abweichungen statt finden können. Die noch weiters beigefügte vierzehnte Tabelle No. VIII wurde oben schon angeführt. § 15. Der endliche Antrag der Commission geht demnach dahin, daß: 1) gegenwärtiger Commissions-Bericht nebst den demselben beigefügten vierzehn Tabellen loco dictaturae gedruckt, und 2) den Regierungen durch die Gesandtschaften zu dem Ende zugesendet werde, damit sich dieselben erklären wollen, ob und in wie fern sie diese Anschläge für sich und Andere vorläufig auf fünf Jahre gelten lassen wollen, oder was etwa dabei zu bemerken seyn dürfte. 3) Als Grundlage der hierüber zu erholenden Instructionen wäre der in der Tabelle N. VII enthaltene Matrikel-Vorschlag zu empfehlen, und 4) darauf anzutragen, daß die Erklärungen der einzelnen Regierungen während der Ferienzeit zur Reife gebracht werden wollen; so wie man 5) voraussetzen zu können glaubt, daß insbesondere von Oesterreich und Preussen in dieser Zwischenzeit die definitiven Erklärungen, welche Staaten dieselben als zum deutschen Bunde gehörig ansehen, einkommen werden, damit 6) gleich nach den Ferien dieser dringende und für so vielerlei Verhältnisse als Grundlage zum Voraus nothwendige Gegenstand seine endliche Erledigung finden möge. Graf von Buol-Schauenstein Goltz Aretin Martens Plessen

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Matrikular-Anschlag nach den Angaben des III. Heftes von Europa (gr. Fol. Weimar 1816) unter Voraussetzung, daß von Seiten Oesterreichs die Seeküste und OesterreichischSchlesien, dann von Seite Preus­sens, Schlesien und Lausitz zum deutschen Bunde gerechnet werden. Nro. I. A. Fortlaufende Nr. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39.

Bundesstaaten

Volkszahl

½ MatrikularProcent Anschlag

Oesterreich 9 115 900 45 580 Preussen 7 616 500 38 083 Baiern 3 344 400 16 722 Sachsen 1 182 800 5 914 Hannover 1 292 900 6 465 Württemberg 1 337 800 6 689 Baden 1 001 700 5 009 Kurhessen 551 200 2 756 2 948 Großherzogthum Hessen 589 600 Holstein 360 700 1 804 Luxemburg 203 500 1 018 Braunschweig 209 600 1 048 Mecklenburg-Schwerin 332 200 1 661 Nassau 285 000 1 425 Sachsen-Weimar 194 200 971 Sachsen-Gotha 190 100 951 387 Sachsen-Coburg 77 300 Sachsen-Meiningen 54 400 272 165 Sachsen-Hildburghausen 33 000 Mecklenburg-Strelitz 69 600 348 Oldenburg 200 200 1 001 266 Anhalt-Dessau 53 100 Anhalt-Bernburg 35 200 176 144 Anhalt-Cöthen 28 900 Schwarzburg-Sondershausen 44 100 220 Schwarzburg-Rudolstadt 54 600 273 70 Hohenzollern-Hechingen 14 000 Liechtenstein 5 100 25 192 Hohenzollern-Sigmaringen 38 500 239 Waldeck 47 900 Reuß, ältere Linie 19 910 99 274 Reuß, jüngere Linie 54 800 Schaumburg-Lippe 23 700 118 337 Lippe-Detmold 67 300 Hessen-Homburg 16 900 84 Lübeck 41 600 208 235 Frankfurt 47 000 Bremen 47 700 238 618 Hamburg 123 700 Summa 29 006 610 145 033

48 000 39 000 17 250 6 000 6 650 6 880 5 140 2 830 3 030 1 850 1 080 1 100 1 700 1 500 1 000 970 400 270 160 350 1 030 260 170 140 220 270 70 25 190 245 100 270 120 340 80 210 230 240 630 150 000

StaatsEinkünfte

Gulden rhein. 63 500 000 47 000 000 19 000 000 6 800 000 9 500 000 9 500 000 5 500 000 3 800 000 3 690 000 1 900 000 800 000 1 671 000 1 780 000 1 760 000 1 500 000 1 500 000 525 000 350 000 150 000 700 000 1 260 000 510 000 390 000 230 000 275 000 220 000 80 000 50 000 240 000 480 000 130 000 420 000 215 000 467 000 200 000 375 000 625 000 400 000 1 100 000 188 593 000

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Matrikular-Anschlag nach den Angaben des III. Heftes von Europa (gr. Fol. Weimar 1816) unter der Voraussetzung, daß Oesterreichischer Seits die Seeküste und Oesterreichisch-Schlesien, dann Preussischer Seits Schlesien und Lausitz nicht zum Bunde gerechnet werden. Nro. I. B. Fortlaufende Nr. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39.

Bundesstaaten

Volkszahl

½ MatrikularProcent Anschlag

Oesterreich 8 355 880 41 779 Preussen 5 120 900 25 605 Baiern 3 344 400 16 722 Sachsen 1 182 800 5 914 6 445 Hannover 1 292 900 Württemberg 1 337 800 6 689 Baden 1 001 700 5 009 2 756 Kurhessen 551 200 Großherzogthum Hessen 589 600 2 948 1 804 Holstein 360 700 Luxemburg 203 500 1 018 Braunschweig 209 600 1 048 1 661 Mecklenburg-Schwerin 332 200 Nassau 285 000 1 425 971 Sachsen-Weimar 194 200 Sachsen-Gotha 190 100 951 Sachsen-Coburg 77 300 387 272 Sachsen-Meiningen 54 400 Sachsen-Hildburghausen 33 000 165 348 Mecklenburg-Strelitz 69 600 Oldenburg 200 200 1 001 Anhalt-Dessau 53 100 266 176 Anhalt-Bernburg 35 200 Anhalt-Cöthen 28 900 144 220 Schwarzburg-Sondershausen 44 100 Schwarzburg-Rudolstadt 54 600 273 Hohenzollern-Hechingen 14 000 70 25 Liechtenstein 5 100 Hohenzollern-Sigmaringen 38 500 192 240 Waldeck 47 900 Reuß, ältere Linie 19 910 100 Reuß, jüngere Linie 54 800 274 118 Schaumburg-Lippe 23 700 Lippe-Detmold 67 300 336 84 Hessen-Homburg 16 900 Lübeck 41 600 208 Frankfurt 47 000 235 238 Bremen 47 700 Hamburg 123 700 619 Summa 25 750 990 128 755

48 000 30 500 20 000 6 800 7 400 7 600 5 800 3 200 3 400 2 100 1 200 1 230 1 900 1 650 1 120 1 100 450 330 200 400 1 150 310 200 170 250 320 80 30 220 280 120 320 140 390 100 240 270 280 750 150 000

StaatsEinkünfte

Gulden rhein. 58 175 000 34 500 000 19 000 000 6 800 000 9 500 000 9 500 000 5 500 000 3 800 000 3 690 000 1 900 000 800 000 1 671 000 1 780 000 1 760 000 1 500 000 1 500 000 525 000 350 000 150 000 700 000 1 260 000 510 000 390 000 230 000 275 000 220 000 80 000 50 000 240 000 480 000 130 000 420 000 215 000 467 000 200 000 375 000 625 000 400 000 1 100 000 170 768 000

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Kommissionsbericht über die Entwerfung einer Bundesmatrikel

Nr. 78

Matrikular-Anschlag nach Haßels Tabellen und Staats-Handbuch, mit der Seeküste, Schlesien und Lausitz. Nro. II. A. Fortlaufende Nr. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39.

Bundesstaaten

Volkszahl

½ MatrikularProcent Anschlag

Oesterreich 9 283 000 46 415 Preussen 7 708 600 38 543 Baiern 3 344 400 16 722 Sachsen 1 232 644 6 163 6 465 Hannover 1 292 958 Württemberg 1 303 365 6 517 5 008 Baden 1 001 603 2 693 Kurhessen 538 505 Großherzogthum Hessen 592 968 2 965 1 825 Holstein 364 938 Luxemburg 203 500 1 018 Braunschweig 209 527 1 048 1 757 Mecklenburg-Schwerin 351 308 Nassau 285 300 1 427 964 Sachsen-Weimar 192 871 Sachsen-Gotha 190 100 951 Sachsen-Coburg 77 366 387 281 Sachsen-Meiningen 56 269 Sachsen-Hildburghausen 33 000 165 430 Mecklenburg-Strelitz 86 000 Oldenburg 213 285 1 066 265 Anhalt-Dessau 53 013 176 Anhalt-Bernburg 35 200 Anhalt-Cöthen 28 900 145 220 Schwarzburg-Sondershausen 44 050 Schwarzburg-Rudolstadt 55 000 275 Hohenzollern-Hechingen 14 000 70 25 Liechtenstein 5 010 Hohenzollern-Sigmaringen 38 490 192 240 Waldeck 47 900 Reuß, ältere Linie 19 850 99 Reuß, jüngere Linie 54 731 274 118 Schaumburg-Lippe 23 684 Lippe-Detmold 72 500 362 84 Hessen-Homburg 16 900 Lübeck 43 127 215 Frankfurt 47 372 236 231 Bremen 46 270 Hamburg 129 800 649 Summa 29 337 304 146 686

48 000 39 000 17 000 6 200 6 600 6 700 5 120 2 750 3 050 1 860 1 050 1 080 1 800 1 470  990  970 400 290 165 440 1 100 270 180 145 220 280 70 25 195 240 100 275 120 375 85 225 245 235 680 150 000

StaatsEinkünfte

Gulden rhein. 63 500 000 47 000 000 19 000 000 8 000 000 9 500 000 10 000 000 5 500 000 3 900 000 3 690 000 1 900 000 800 000 1 900 000 1 800 000 1 760 000 1 500 000 1 500 000 425 413 350 000 200 000 500 000 1 200 000 510 000 450 000 230 000 275 000 220 000 80 000 50 000 240 000 400 000 130 000 420 000 215 000 466 500 200 000 400 000 750 000 400 000 1 200 000 190 561 913

Nr. 78

Nro. II. B. Fortlaufende Nr. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39.

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Frankfurt am Main, 14. Juli 1817

Matrikular-Anschlag nach Haßel, ohne die Seeküste, Schlesien und Lausitz. Bundesstaaten

Volkszahl

½ MatrikularProcent Anschlag

Oesterreich 8 522 980 42 615 Preussen 5 213 000 26 065 Baiern 3 344 400 16 722 Sachsen 1 232 644 6 163 6 465 Hannover 1 292 958 6 517 Württemberg 1 303 365 5 008 Baden 1 001 603 2 693 Kurhessen 538 505 Großherzogthum Hessen 592 968 2 965 1 825 Holstein 364 938 1 018 Luxemburg 203 500 1 048 Braunschweig 209 527 1 757 Mecklenburg-Schwerin 351 308 Nassau 285 300 1 427 964 Sachsen-Weimar 192 871 951 Sachsen-Gotha 190 100 387 Sachsen-Coburg 77 366 281 Sachsen-Meiningen 56 269 Sachsen-Hildburghausen 33 000 165 430 Mecklenburg-Strelitz 86 000 1 066 Oldenburg 213 285 265 Anhalt-Dessau 53 013 176 Anhalt-Bernburg 35 200 Anhalt-Cöthen 28 900 145 220 Schwarzburg-Sondershausen 44 050 275 Schwarzburg-Rudolstadt 55 000 70 Hohenzollern-Hechingen 14 000 25 Liechtenstein 5 010 Hohenzollern-Sigmaringen 38 490 192 239 Waldeck 47 900 Reuß, ältere Linie 19 850 99 274 Reuß, jüngere Linie 54 731 118 Schaumburg-Lippe 23 684 Lippe-Detmold 72 500 363 84 Hessen-Homburg 16 900 Lübeck 43 127 215 236 Frankfurt 47 372 231 Bremen 46 270 Hamburg 129 800 649 Summa 26 081 684 130 408

48 000 30 500 20 000 6 800 7 400 7 400 5 800 3 150 3 420 2 120 1 200 1 200 1 950 1 650  1 120  1 100 450 330 190 480 1 200 310 200 170 250 320 80 30 220 280 120 320 140 420 100 250 280 270 780 150 000

StaatsEinkünfte

Gulden rhein. 58 175 000 34 500 000 19 000 000 8 000 000 9 500 000 10 000 000 5 500 000 3 900 000 3 690 000 1 900 000 800 000 1 900 000 1 800 000 1 760 000 1 500 000 1 500 000 425 413 350 000 200 000 500 000 1 200 000 510 000 450 000 230 000 275 000 220 000 80 000 50 000 240 000 400 000 130 000 420 000 215 000 466 500 200 000 400 000 750 000 400 000 1 200 000 172 736 913

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Kommissionsbericht über die Entwerfung einer Bundesmatrikel

Nr. 78

Matrikular-Anschlag nach Angaben aus einzelnen Quellen, mit Einrechnung der Seeküste, ­Schlesien und Lausitz. Nro. III. A.  1  2  3 Fortlaufende Nr.

Bundesstaaten

Volkszahl

½ Pro­cent

Matri­ kularAnschlag

1. 2. 3.

Oesterreich Preussen Baiern

8 822 500 44 113 7 764 000 38 820 3 575 000 17 875

45 000 39 300 18 400

4. 5.

Sachsen Hannover

1 232 644 1 350 000

6 163 6 750

6 320 6 920

6. 7. 8. 9.

Württemberg Baden Kurhessen Großherzogthum Hessen

1 340 000 1 003 600 538 505 625 000

6 700 5 018 2 693 3 125

6 870 5 150 2 760 3 200

StaatsEinkünfte

Bemerkungen

Gulden rhein. 50 000 000 nach Lichtenstern.1 54 000 000 ” Demian.2 25 000 000 ” Kaiser3 und handschriftlichen Nachrichten. 9 000 000 ” Hassel. 10 000 000 ” handschriftlichen Nachrichten. 11 000 000 ” eben so. 7 000 000 ” eben so. 3 900 000 ” Hassel. 4 000 000 ” handschriftlichen Nachrichten. 1 900 000 ” Hassel. 1 200 000 ” handschriftlichen Nachrichten. 1 670 550 ” Hassel. 2 000 000 ” Hassel.

10. 11.

Holstein Luxemburg

364 938 210 000

1 825 1 050

1 870 1 080

12. 13.

209 600 351 308

1 048 1 757

1 080 1 800

14.

Braunschweig MecklenburgSchwerin Nassau

301 000

1 505

1 550

1 557 784

15.

Sachsen-Weimar

201 000

1 005

 1 040

1 426 974

16.

Sachsen-Gotha

195 000

975

 1 020

1 500 000

17.

Sachsen-Coburg

79 350

397

410

550 000

” handschriftlichen Nachrichten. ” officieller Angabe. ” handschriftlichen Nachrichten. ” eben so.

1 Vgl. Joseph Marx Freiherr von Liechtenstern, Grundlinien einer Statistik des österreichischen Kaiserthums, nach dessen gegenwärtigen Verhältnißen betrachtet. Neue Ausgabe. Wien 1817. 2 Vgl. [Johann Andreas] Demian, Historisch-diplomatische Uebersicht des Länder- und Volksbestandes der Preussischen Monarchie von dem Jahr 1740 bis 1817. Berlin 1817. 3 Vgl. Georg Heinrich Keyser, Handbuch der Statistik des Königreichs Baiern. Bd. 1. Erlangen 1814.

Nr. 78

Fortlaufende Nr.

299

Frankfurt am Main, 14. Juli 1817

Bundesstaaten

Volkszahl

½ Pro­cent

Matri­ kularAnschlag

StaatsEinkünfte

Bemerkungen

Sachsen-­ Meiningen Sachsen-Hildburghausen

56 269

281

300

Gulden rhein. 350 000

36 000

180

190

210 000

MecklenburgStrelitz Oldenburg Anhalt-Dessau

86 000

430

450

500 000

213 285 55 000

1 066 275

1 100 290

1 200 000 700 000

Anhalt-Bernburg Anhalt-Cöthen SchwarzburgSondershausen Schwarzburg-­ Rudolstadt Hohenzollern-­ Hechingen

37 650 34 000 48 000

188 170 240

200 180 250

450 000 250 000 360 000

” eben so. ” handschriftlichen Nach­ richten. ” eben so. ” eben so. ” eben so.

55 000

275

290

220 000

” Hassel.

14 500

72

75

90 000

Liechtenstein Hohenzollern-­ Sigmaringen Waldeck

5 000 38 490

25 192

25 200

17 930 240 000

50 000

250

260

320 000

21 000 54 731

105 274

110 290

119 106 420 000

23 684

118

130

215 000

” eben so.

34. 35.

Reuß, ältere Linie Reuß, jüngere Linie SchaumburgLippe Lippe-Detmold Hessen-Homburg

” handschriftlichen Nachrichten. ” eben so. ” Hassel.

72 500 18 286

362 91

380 100

466 500 140 000

36. 37.

Lübeck Frankfurt

43 127 50 000

216 250

230 260

400 000 800 000

38. 39.

Bremen Hamburg    Summa

” eben so. ” handschriftlichen Nachrichten. ” Hassel. ” handschriftlichen Nachrichten. ” eben so. ” Hassel.

18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33.

240 250 400 000 48 000 129 800 650 670 1 200 000 29 353 767 146 769 150 000 194 773 844

” Hassel. ” handschriftlichen Nachrichten. ” Hassel.

” handschriftlichen Nachrichten. ” eben so. ” Hassel.

300

Kommissionsbericht über die Entwerfung einer Bundesmatrikel

Nr. 78

Matrikular-Anschlag nach Angaben aus einzelnen Quellen, ohne Einrechnung der Seeküste, Schlesien und Lausitz. Nro. III. B. Fortlaufende Nr.

Bundesstaaten

Volkszahl

½ Pro­cent

1. 2. 3.

Oesterreich Preussen Baiern

8 060 480 40 302 5 333 000 26 665 3 575 000 17 875

4. 5.

Sachsen Hannover

1 232 644 1 350 000

6 163 6 750

6. 7. 8. 9.

Württemberg Baden Kurhessen Großherzogthum Hessen

1 340 000 1 003 600 538 505 625 000

6 700 5 018 2 693 3 125

Matri­ kularAnschlag

StaatsEinkünfte

Gulden rhein. 47 400 46 000 000 nach Lichtenstern. 30 000 40 500 000 ” Demian. 20 000 25 000 000 ” Kaiser und handschriftlichen Nachrichten. 7 000 9 000 000 ” Hassel. 7 600 10 000 000 ” handschriftlichen Nachrichten. 7 550 11 000 000 ” eben so. 5 670 7 000 000 ” eben so. 3 040 3 900 000 ” Hassel. 3 550 4 000 000 ” handschriftlichen Nachrichten. 2 100 1 900 000 ” Hassel. 1 200 1 200 000 ” handschriftlichen Nachrichten. 1 200 1 670 550 ” Hassel. 2 000 2 000 000 ” Hassel.

10. 11.

Holstein Luxemburg

364 938 210 000

1 825 1 050

12. 13.

209 600 351 308

1 048 1 757

14.

Braunschweig MecklenburgSchwerin Nassau

301 000

1 505

1 750

1 557 784

15.

Sachsen-Weimar

201 000

1 005

  1 150

1 426 974

16.

Sachsen-Gotha

195 000

975

  1 100

1 500 000

17. 18.

Sachsen-Coburg Sachsen-Meiningen Sachsen-Hildburghausen

79 350 56 269

396 286

450 330

550 000 350 000

36 000

180

200

210 000

MecklenburgStrelitz Oldenburg

86 000

430

480

500 000

213 285

1 066

1 220

1 200 000

19. 20. 21.

Bemerkungen

” handschriftlichen Nachrichten. ” officieller Angabe. ” handschriftlichen Nachrichten. ” eben so. ” Hassel. ” handschriftlichen Nachrichten. ” Hassel. ” eben so.

Nr. 78

Fortlaufende Nr.

301

Frankfurt am Main, 14. Juli 1817

Bundesstaaten

Volkszahl

½ Pro­cent

Matri­ kularAnschlag

StaatsEinkünfte

Bemerkungen

22.

Anhalt-Dessau

55 000

275

310

Gulden rhein. 700 000

23. 24. 25.

Anhalt-Bernburg Anhalt-Cöthen SchwarzburgSondershausen SchwarzburgRudolstadt HohenzollernHechingen

37 650 34 000 48 000

188 170 240

210 190 270

450 000 250 000 360 000

” handschriftlichen Nachrichten. ” eben so. ” eben so. ” eben so.

55 000

275

310

220 000

” Hassel.

14 500

72

75

90 000

Liechtenstein HohenzollernSigmaringen Waldeck

5 000 38 490

25 192

25 215

17 930 240 000

50 000

250

290

320 000

21 000 54 731

105 273

115 310

119 106 420 000

23 684

118

130

215 000

” eben so.

34. 35.

Reuß, ältere Linie Reuß, jüngere Linie SchaumburgLippe Lippe-Detmold Hessen-Homburg

” handschriftlichen Nachrichten. ” eben so. ” Hassel.

72 500 18 286

362 91

420 110

466 500 140 000

36. 37.

Lübeck Frankfurt

43 127 50 000

215 250

250 280

400 000 800 000

38. 39.

Bremen Hamburg    Summa

” eben so. ” handschriftlichen Nachrichten. ” Hassel. ” handschriftlichen Nachrichten. ” eben so. ” Hassel.

26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33.

48 000 240 270 400 000 129 800 649 730 1 200 000 26 160 747 130 804 150 000 177 373 844

” handschriftlichen Nachrichten. ” eben so. ” Hassel.

302

Kommissionsbericht über die Entwerfung einer Bundesmatrikel

Nr. 78

Vergleichung der drei Matrikular-Anschläge nebst einer Durchschnitts-Berechnung, unter der Voraussetzung, daß die Seeküste, Schlesien und Lausitz zum Bunde gerechnet werden. Nro. IV. A. Fortlaufende Nr. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39.

Matricular- Matricular- MatricularAnschlag Anschlag Anschlag Nr. III. Nr. II. Nr. I. Oesterreich 48 000 48 000 45 000 Preussen 39 000 39 000 39 300 Baiern 17 250 17 000 18 400 Sachsen 6 000 6 200 6 320 6 600 6 920 Hannover 6 650 6 700 6 870 Württemberg 6 880 5 120 5 150 Baden 5 140 2 750 2 760 Kurhessen 2 830 3 050 3 200 Großherzogthum Hessen 3 030 1 860 1 870 Holstein 1 850 1 050 1 080 Luxemburg 1 080 1 080 1 080 Braunschweig 1 100 1 800 1 800 Mecklenburg-Schwerin 1 700 1 470 1 550 Nassau 1 500  990  1 040 Sachsen-Weimar 1 000  970  1 020 Sachsen-Gotha 970 Sachsen-Coburg 400 400 410 Sachsen-Meiningen 270 290 300 Sachsen-Hildburghausen 160 165 190 Mecklenburg-Strelitz 350 440 450 1 100 1 100 Oldenburg 1 030 Anhalt-Dessau 260 270 290 Anhalt-Bernburg 170 180 200 Anhalt-Cöthen 140 145 180 Schwarzburg-Sondershausen 220 220 250 Schwarzburg-Rudolstadt 270 280 290 Hohenzollern-Hechingen 70 70 75 Liechtenstein 25 25 25 Hohenzollern-Sigmaringen 190 195 200 Waldeck 245 240 260 Reuß, ältere Linie 100 100 110 Reuß, jüngere Linie 270 275 290 Schaumburg-Lippe 120 120 130 Lippe-Detmold 340 375 380 Hessen-Homburg 80 85 100 Lübeck 210 225 230 Frankfurt 230 245 260 Bremen 240 235 250 Hamburg 630 680 670 150 000 150 000         Summa 150 000 Bundesstaaten

MittelDurchschnitt 47 000 39 100 17 550 6 174 6 724 6 817 5 137 2 780 3 094 1 860 1 070 1 087 1 767 1 507 1 010 987 403 286 171 413 1 077 273 183 155 230 280 71 25 195 248 103 278 123 365 88 222 245 242 660 150 000

Nr. 78

Frankfurt am Main, 14. Juli 1817

303

Vergleichung der drei Matrikular-Anschläge nebst einer Durchschnitts-Berechnung, unter der Voraussetzung, daß die Seeküste, Schlesien und Lausitz nicht zum Bunde gerechnet werden. Nro. IV. B. Fortlaufende Nr. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39.

Matricular- Matricular- MatricularAnschlag Anschlag Anschlag Nr. III. Nr. II. Nr. I. Oesterreich 48 000 48 000 47 100 Preussen 30 500 30 500 30 000 Baiern 20 000 20 000 20 800 Sachsen 6 800 6 800 7 000 7 400 7 600 Hannover 7 400 7 400 7 550 Württemberg 7 600 5 800 5 670 Baden 5 800 3 150 3 040 Kurhessen 3 200 3 420 3 550 Großherzogthum Hessen 3 400 2 120 2 100 Holstein 2 100 1 200 1 200 Luxemburg 1 200 1 200 1 200 Braunschweig 1 230 1 950 2 000 Mecklenburg-Schwerin 1 900 1 650 1 750 Nassau 1 650 1 120 1 150 Sachsen-Weimar 1 120 1 100 1 100 Sachsen-Gotha 1 100 Sachsen-Coburg 450 450 450 Sachsen-Meiningen 330 330 330 Sachsen-Hildburghausen 200 190 200 Mecklenburg-Strelitz 400 480 480 1 200 1 220 Oldenburg 1 150 Anhalt-Dessau 310 310 310 Anhalt-Bernburg 200 200 210 Anhalt-Cöthen 170 170 190 Schwarzburg-Sondershausen 250 250 270 Schwarzburg-Rudolstadt 320 320 310 Hohenzollern-Hechingen 80 80 75 Liechtenstein 30 30 25 Hohenzollern-Sigmaringen 220 220 215 Waldeck 280 280 290 Reuß, ältere Linie 120 120 115 Reuß, jüngere Linie 320 320 310 Schaumburg-Lippe 140 140 130 Lippe-Detmold 390 420 420 Hessen-Homburg 100 100 110 Lübeck 240 250 250 Frankfurt 270 280 280 Bremen 280 270 270 Hamburg 750 780 730 150 000 150 000         Summa 150 000 Bundesstaaten

MittelDurchschnitt 47 700 30 334 20 268 6 868 7 468 7 518 5 758 3 130 3 457 2 107 1 200 1 210 1 950 1 684 1 130 1 100 450 330 196 453 1 190 310 203 176 256 316 78 28 218 283 118 316 136 410 103 246 276 273 753 150 000

304

Kommissionsbericht über die Entwerfung einer Bundesmatrikel

Nr. 78

Berechnung der Staats-Einkünfte nach den dreierlei Angaben, unter der Voraussetzung, daß die Seeküste, Schlesien und Lausitz als zum Bunde gehörig angesehen werden. Nro. V. A. Fortlaufende Nr. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39.

StaatsEinkünfte Nr. I. Gulden rhein. Oesterreich 63 500 000 Preussen 47 000 000 Baiern 19 000 000 Sachsen 6 800 000 Hannover 9 500 000 Württemberg 9 500 000 Baden 5 500 000 Kurhessen 3 800 000 Großherzogthum Hessen 3 690 000 Holstein 1 900 000 Luxemburg 800 000 Braunschweig 1 671 000 Mecklenburg-Schwerin 1 780 000 Nassau 1 760 000 Sachsen-Weimar 1 500 000 Sachsen-Gotha 1 500 000 Sachsen-Coburg 525 000 Sachsen-Meiningen 350 000 Sachsen-Hildburghausen 150 000 Mecklenburg-Strelitz 700 000 Oldenburg 1 260 000 Anhalt-Dessau 510 000 Anhalt-Bernburg 390 000 Anhalt-Cöthen 230 000 Schwarzburg-Sondershausen 275 000 Schwarzburg-Rudolstadt 220 000 Hohenzollern-Hechingen 80 000 Liechtenstein 50 000 Hohenzollern-Sigmaringen 240 000 Waldeck 480 000 Reuß, ältere Linie 130 000 Reuß, jüngere Linie 420 000 Schaumburg-Lippe 215 000 Lippe-Detmold 467 000 Hessen-Homburg 200 000 Lübeck 375 000 Frankfurt 625 000 Bremen 400 000 Hamburg 1 100 000         Summa 188 593 000 Bundesstaaten

StaatsStaatsEinkünfte Einkünfte Nr. III. Nr. II. Gulden Gulden rhein. rhein. 63 500 000 50 000 000 47 000 000 54 000 000 19 000 000 25 000 000 8 000 000 9 000 000 9 500 000 10 000 000 10 000 000 11 000 000 5 500 000 7 000 000 3 900 000 3 900 000 3 690 000 4 000 000 1 900 000 1 900 000 800 000 1 200 000 1 900 000 1 670 550 1 800 000 2 000 000 1 760 000 1 557 784 1 500 000 1 426 974 1 500 000 1 500 000 425 413 550 000 350 000 350 000 200 000 210 000 500 000 500 000 1 200 000 1 200 000 510 000 700 000 450 000 450 000 230 000 250 000 275 000 360 000 220 000 220 000 80 000 90 000 50 000 17 930 240 000 240 000 400 000 320 000 130 000 119 106 420 000 420 000 215 000 215 000 466 500 466 500 200 000 140 000 400 000 400 000 750 000 800 000 400 000 400 000 1 200 000 1 200 000 190 561 913 194 773 844

MittelDurchschnitt Gulden rhein. 59 000 000 49 333 300 21 000 000 7 933 300 9 666 600 10 166 600 6 000 000 3 866 000 3 793 300 1 900 000 933 300 1 757 100 1 860 000 1 692 500 1 475 600 1 500 000 500 000 350 000 186 600 566 600 1 220 000 573 300 430 000 236 600 303 300 220 000 83 300 39 300 240 000 400 000 126 300 420 000 215 000 466 600 180 000 391 600 725 000 400 000 1 166 600 191 317 700

Nr. 78

305

Frankfurt am Main, 14. Juli 1817

Berechnung der Staats-Einkünfte nach den dreierlei Angaben, unter der Voraussetzung, daß die Seeküste, Schlesien und die Lausitz als nicht zum Bunde gezählet werden. Nro. V. B. Fortlaufende Nr. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39.

Bundesstaaten

StaatsEinkünfte Nr. I.

Gulden rhein. Oesterreich 58 175 000 Preussen 34 500 000 Baiern 19 000 000 Sachsen 6 800 000 Hannover 9 500 000 Württemberg 9 500 000 Baden 5 500 000 Kurhessen 3 800 000 Großherzogthum Hessen 3 690 000 Holstein 1 900 000 Luxemburg 800 000 Braunschweig 1 671 000 Mecklenburg-Schwerin 1 780 000 Nassau 1 760 000 Sachsen-Weimar 1 500 000 Sachsen-Gotha 1 500 000 Sachsen-Coburg 525 000 Sachsen-Meiningen 350 000 Sachsen-Hildburghausen 150 000 Mecklenburg-Strelitz 700 000 Oldenburg 1 260 000 Anhalt-Dessau 510 000 Anhalt-Bernburg 390 000 Anhalt-Cöthen 230 000 Schwarzburg-Sondershausen 275 000 Schwarzburg-Rudolstadt 220 000 Hohenzollern-Hechingen 80 000 Liechtenstein 50 000 Hohenzollern-Sigmaringen 240 000 Waldeck 480 000 Reuß, ältere Linie 130 000 Reuß, jüngere Linie 420 000 Schaumburg-Lippe 215 000 Lippe-Detmold 467 000 Hessen-Homburg 200 000 Lübeck 375 000 Frankfurt 625 000 Bremen 400 000 Hamburg 1 100 000         Summa 170 768 000

StaatsEinkünfte Nr. II.

StaatsEinkünfte Nr. III.

Gulden Gulden rhein. rhein. 58 175 000 46 000 000 34 500 000 40 500 000 19 000 000 25 000 000 8 000 000 9 000 000 9 500 000 10 000 000 10 000 000 11 000 000 5 500 000 7 000 000 3 900 000 3 900 000 3 690 000 4 000 000 1 900 000 1 900 000 800 000 1 200 000 1 900 000 1 670 550 1 800 000 2 000 000 1 760 000 1 557 784 1 500 000 1 426 974 1 500 000 1 500 000 425 413 550 000 350 000 350 000 200 000 210 000 500 000 500 000 1 200 000 1 200 000 510 000 700 000 450 000 450 000 230 000 250 000 275 000 360 000 220 000 220 000 80 000 90 000 50 000 17 930 240 000 240 000 400 000 320 000 130 000 119 106 420 000 420 000 215 000 215 000 466 500 466 500 200 000 140 000 400 000 400 000 750 000 800 000 400 000 400 000 1 200 000 1 200 000 172 736 913 177 173 844

MittelDurchschnitt

Gulden rhein. 54 116 700 36 500 000 21 000 000 7 933 300 9 666 600 10 166 600 6 000 000 3 866 600 3 793 300 1 900 000 933 300 1 747 000 1 860 000 1 692 500 1 475 300 1 500 000 500 000 350 000 186 600 566 600 1 220 000 573 300 430 000 236 600 303 300 220 000 83 300 39 000 240 000 400 000 126 300 420 000 215 000 466 600 180 000 391 600 725 000 400 000 1 166 600 173 591 000

306

Kommissionsbericht über die Entwerfung einer Bundesmatrikel

Nr. 78

Vergleichung der Matrikular-Anschläge nach Staats-Einkünften und nach der Volkszahl, in der Voraussetzung, daß die Seeküste, Schlesien und Lausitz zum deutschen Bunde gerechnet werden. Nro. VI. A. Fortlaufende Nr. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39.

Bundesstaaten

Oesterreich Preussen Baiern Sachsen Hannover Württemberg Baden Kurhessen Großherzogthum Hessen Holstein Luxemburg Braunschweig Mecklenburg-Schwerin Nassau Sachsen-Weimar Sachsen-Gotha Sachsen-Coburg Sachsen-Meiningen Sachsen-Hildburghausen Mecklenburg-Strelitz Oldenburg Anhalt-Dessau Anhalt-Bernburg Anhalt-Cöthen Schwarzburg-Sondershausen Schwarzburg-Rudolstadt Hohenzollern-Hechingen Liechtenstein Hohenzollern-­ Sigmaringen Waldeck Reuß, ältere Linie Reuß, jüngere Linie Schaumburg-Lippe Lippe-Detmold Hessen-Homburg Lübeck Frankfurt Bremen Hamburg        Summa

Mittel½ Procent Matricular- MatricularMittelDurchschnitt der Anschlag Anschlag Durchschnitt der StaatsStaatsnach nach der aus beiden Einkünfte Einkünfte Einkünften Volkszahl Anschlägen Gulden rhein. 59 000 000 295 000 47 000 47 000 47 000 49 333 300 246 667 37 750 39 100 38 425 21 000 000 105 000 16 700 17 550 17 125 7 933 300 39 667 6 200 6 174 6 187 9 666 600 48 330 7 560 6 724 7 142 10 166 600 50 833 8 000 6 817 7 409 6 000 000 30 000 4 700 5 137 4 919 3 866 000 19 330 3 040 2 780 2 910 18 967 3 000 3 094 3 047 3 793 300 1 900 000 9 500 1 475 1 860 1 668 933 300 4 667 730 1 070 900 1 757 100 8 786 1 370 1 087 1 229 1 860 000 9 300 1 440 1 767 1 604 1 692 500 8 463 1 280 1 507 1 394 1 475 600 7 378 1 160 1 010 1 085 1 500 000 7 500 1 180 987 1 084 500 000 2 500 390 403 397 350 000 1 750 270 286 278 186 600 933 145 171 158 566 600 2 833 445 413 429 6 100 1 026 1 220 000 975 1 077 573 300 2 867 273 362 450 430 000 2 150 183 261 340 185 236 600 1 183 155 170 303 300 1 517 235 230 232 220 000 83 300 39 300 240 000

1 100 417 197 1 200

180 65 30 190

280 71 25 195

230 68 27 192

400 000 126 300 420 000 215 000 466 600 180 000 391 600 725 000 400 000 1 166 600 191 317 700

2 000 632 2 100 1 075 2 333 900 1 953 3 625 2 000 5 833 956 586

315 100 335 165 360 140 310 570 320 900 150 000

248 103 278 123 365 88 222 245 242 660 150 000

281 101 306 144 362 114 266 407 281 780 150 000

Nr. 78

307

Frankfurt am Main, 14. Juli 1817

Vergleichung der Matrikular-Anschläge nach Staats-Einkünften und nach der Volkszahl, in der Voraussetzung, daß die Seeküste, Schlesien und Lausitz nicht zum Bunde gezählt werden. Nro. VI. B. Fort laufende Nr. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39.

Bundesstaaten

Oesterreich Preussen Baiern Sachsen Hannover Württemberg Baden Kurhessen Großherzogthum Hessen Holstein Luxemburg Braunschweig Mecklenburg-Schwerin Nassau Sachsen-Weimar Sachsen-Gotha Sachsen-Coburg Sachsen-Meiningen Sachsen-Hildburghausen Mecklenburg-Strelitz Oldenburg Anhalt-Dessau Anhalt-Bernburg Anhalt-Cöthen Schwarzburg-Sonders­ hausen Schwarzburg-Rudolstadt Hohenzollern-Hechingen Liechtenstein Hohenzollern-­ Sigmaringen Waldeck Reuß, ältere Linie Reuß, jüngere Linie Schaumburg-Lippe Lippe-Detmold Hessen-Homburg Lübeck Frankfurt Bremen Hamburg        Summa

Mittel½ Procent Matricular- MatricularMittelDurchschnitt der Anschlag Anschlag Durchschnitt der StaatsStaatsnach nach der aus beiden Einkünfte Einkünfte Einkünften Volkszahl Anschlägen Gulden rhein. 54 116 700 270 584 46 500 47 700 47 100 36 500 000 182 500 31 800 30 334 31 067 21 000 000 105 000 18 000 20 268 19 134 7 933 300 39 667 6 850 6 868 6 859 9 666 600 48 330 8 350 7 468 7 909 10 166 600 50 833 8 840 7 518 8 179 6 000 000 30 000 5 200 5 758 5 479 3 866 600 19 333 3 320 3 130 3 225 18 967 3 285 3 457 3 371 3 793 300 1 900 000 9 500 1 645 2 107 1 876 933 300 4 667 810 1 200 1 005 1 747 000 8 735 1 525 1 210 1 368 1 860 000 9 300 1 615 1 950 1 783 1 692 500 8 463 1 465 1 684 1 575 1 475 300 7 377 1 285 1 130 1 208 1 500 000 7 500 1 300 1 100 1 200 500 000 2 500 450 440 430 350 000 1 750 330 316 300 165 196 180 186 600 933 566 600 2 833 485 453 469 1 220 000 6 100 1 060 1 190 1 125 573 300 2 867 310 405 500 430 000 2 150 203 289 375 236 600 1 183 176 190 205 303 300 1 517 270 256 263 220 000 83 300 39 000 240 000

1 100 417 195 1 200

190 70 30 210

316 78 28 218

253 74 29 214

400 000 126 300 420 000 215 000 466 600 180 000 391 600 725 000 400 000 1 166 600 173 591 000

2 000 632 2 100 1 075 2 333 900 1 953 3 625 2 000 5 833 867 952

350 110 365 190 405 155 350 630 350 1 015 150 000

283 118 316 136 410 103 246 276 273 753 150 000

316 114 340 163 407 129 298 453 311 884 150 000

308

Kommissionsbericht über die Entwerfung einer Bundesmatrikel

Nro. VII. Fortlaufende Nr. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39.

Nr. 78

Antrag zu einer Bundes-Matrikel für die beiden Voraussetzungen. Bundesstaaten

Oesterreich Preussen Baiern Sachsen Hannover Württemberg Baden Kurhessen Großherzogthum Hessen Holstein Luxemburg Braunschweig Mecklenburg-Schwerin Nassau Sachsen-Weimar Sachsen-Gotha Sachsen-Coburg Sachsen-Meiningen Sachsen-Hildburghausen Mecklenburg-Strelitz Oldenburg Anhalt-Dessau Anhalt-Bernburg Anhalt-Cöthen Schwarzburg-Sondershausen Schwarzburg-Rudolstadt Hohenzollern-Hechingen Liechtenstein Hohenzollern-Sigmaringen Waldeck Reuß, ältere Linie Reuß, jüngere Linie Schaumburg-Lippe Lippe-Detmold Hessen-Homburg Lübeck Frankfurt Bremen Hamburg              Summa

MatrikularAnschlag in der ersten Voraussetzung A. 46 200 38 400 17 800 6 200 7 000 7 000 5 200 2 850 3 120 1 850 1 000 1 100 1 800 1 500 1 050 1 050 410 290 170 420 1 100 300 200 170 240 270 70 25 190 275 100 290 130 370 100 270 400 280 780 150 000

MatrikularAnschlag in der zweiten Voraussetzung B. 47 400 30 100 20 000 7 000 7 700 7 700 5 700 3 130 3 430 2 050 1 100 1 240 1 980 1 650 1 160 1 160 450 320 185 460 1 210 330 220 185 275 300 75 25 210 300 110 320 145 410 110 300 440 310 810 150 000

Nr. 78

309

Frankfurt am Main, 14. Juli 1817

Angabe der Oesterreichischen und Preußischen Provinzen nach den beiden Voraussetzungen. Nro. VIII. A. Oesterreich mit Schlesien und der Seeküste Nach Hassel.

Nach Lichtenstern.

Bemerkungen

Nieder-Oesterreich

1 686 700

Inner-Oesterreich Ober-Oesterreich Böhmen Mähren mit Schlesien            Summa

1 881 900 802 300 3 203 300 1 708 800 9 283 000

1 070 000 630 000 1 544 000 716 500 3 150 000 1 712 000 8 822 500

unter der Enns ob der Enns

Preussen mit Schlesien und Lausitz Nach Hassel. Brandenburg Pommern Schlesien Sachsen Westphalen Cleve-Berg Niederrhein            Summa

1 167 300 636 300 2 029 600 1 183 500 943 500 758 500 989 900 7 708 600

Nach Demian. 1 145 000 633 000 1 875 000 1 148 000 990 000 903 000 980 000 7 674 000

Bemerkungen

310

Kommissionsbericht über die Entwerfung einer Bundesmatrikel

Nr. 78

Nro. VIII. B.

Oesterreich Deutsche Lande Lit. B, ohne Schlesien und die Seeküste Nach Hassel.

Nach Lichtenstern.

Bemerkungen

Nieder-Oesterreich

1 686 700

Inner-Oesterreich, ohne Seeküste Ober-Oesterreich Böhmen Mähren, ohne Schlesien            Summa

1 465 896 802 300 3 203 300 1 364 784 8 522 980

1 070 000 630 000 1 125 996 716 500 3 150 000 1 367 984 8 060 480

unter der Enns ob der Enns

Preussen ohne Schlesien und Lausitz

Brandenburg Pommern Sachsen Westphalen Cleve-Berg Niederrhein            Summa Hiervon ab, die Lausitz bleibt

Nach Hassel.

Nach Demian.

1 167 300 636 300 1 183 500 943 500 758 500 989 900 5 679 000 466 000

1 145 000 633 000 1 148 000 990 000 903 000 980 000 5 799 000 466 00

5 213 000

5 333 000

Bemerkungen

Nr. 79

Frankfurt am Main, 24. November 1817

311

79. Kommissionsgutachten über die Bestellung von Agenten bei der Bundesversammlung

ProtDBV 1817, 51. Sitzung vom 24. November 1817, Beilage 77, S. 767–773. Kommissionsgutachten. Druckfassung.

Jedem Deutschen muß der Weg an die Bundesversammlung jederzeit offenstehen, wenngleich die Beschreitung dieses Wegs für die Untertanen der Bundesstaaten die Ausnahme von der Regel bleiben muß. Abwägung der Vor- und Nachteile einer Bestellung von Agenten bei der Bundesversammlung, die dafür Sorge tragen sollen, daß Privatvorstellungen an den Bundestag in Form und Inhalt in angemessener Weise abgefaßt werden. Unterbreitung von Vorschlägen zur Art und Weise der Einreichung von Vorstellungen an die Bundesversammlung sowie zum Geschäftskreis und den persönlichen Verhältnissen der zu bestellenden Agenten. Deren Beaufsichtigung durch eine permanente Kommission des Bundestags. Bereitschaft einiger Frankfurter Rechtsgelehrter zur Übernahme dieser Funktion.

Frankfurt am Main, 24. November 1817 Commissarisches Gutachten, die Bestellung von Agenten bei der Bundesversammlung betreffend. Da die Bundesversammlung nach den ihr obliegenden Pflichten nicht umhin kann, auch auf Vorstellungen, welche das Interesse von Privatpersonen betreffen, Rücksicht zu nehmen, die Erfahrung aber gezeigt hat, daß dergleichen Vorstellungen öfters 1) auf eine unangemessene, undeutliche, unbestimmte, ja selbst unschickliche Weise abgefaßt, manchmal auch 2) von Personen verfaßt, unterzeichnet oder eingereicht sind, an die es schwer fällt1, die Resolutionen der Bundesversammlung gelangen zu lassen; so hat es natürlicherweise wünschenswerth erscheinen müssen, ein Mittel aufzufinden, um solchen Inconvenienzen vorzubeugen. Die 41. Sitzung d. J.2, welche hauptsächlich dem Vortrage mehrerer PrivatReclamationen gewidmet war, bot in diesen selbst eine sehr gegründete Veranlassung zur Aeusserung eines solchen Wunsches dar, und es wurde dafür gehalten, daß dessen Erfüllung in der Anstellung eigner Agenten bei dieser hohen Versammlung zu finden seyn möchte. Wir sind deßhalb beauftragt worden, über die Bestellung solcher Agenten, ihre Wirksamkeit, Verpflichtung und Berechtigung gutachtlich zu berichten3. 1 Emendiert. Vorlage: hält. 2 Vgl. ProtDBV 1817, 41. Sitzung vom 7. Juli 1817, S. 597−607. 3 Auf Antrag des Stimmführers der 16. Kurie von Leonhardi, „ob es nicht räthlich wäre, eigene Agenten von Seiten einer hohen Bundesversammlung zu bestellen, welche für alle Formalien der Eingaben zu sorgen hätten“, wurden die Bundestagsgesandten Berg, Leonhardi und Smidt beauftragt, diese Angelegenheit zu begutachten. Vgl. ProtDBV 1817, 41. Sitzung vom 7. Juli 1817, § 315, S. 606 f., Zit. S. 606.

312

Kommissionsgutachten über die Bestellung von Agenten

Nr. 79

Nach dem § 315 des dießjährigen Protokolls4 dürfen wir zwar annehmen, daß diese hohe Versammlung den Vorschlag überhaupt gebilligt hat: wir halten uns jedoch verbunden, die Gründe für und wider deren Ausführung näher zu entwickeln. Wenn wir von dem zweifachen Grundsatze ausgehen, daß jedem Deutschen der Weg an die Bundesversammlung jederzeit offen stehen muß, daß aber die Betretung dieses Weges für die Unterthanen der Bundesstaaten immer eine Ausnahme von der Regel bleibt, und daher eben so sehr eine Erschwerung, als selbst der Schein einer Aufforderung zu vermeiden ist; so glauben wir den Hauptgesichtspunct aufgefaßt zu haben, nach welchem Zweifels- und Entscheidungsgründe, in Beziehung auf die vorgeschlagene Anstalt, zu beurtheilen seyn möchten. Wenn rechtschaffene, tüchtige Männer bestellt werden, welche nicht nur für eine angemessene Form der für die Bundesversammlung bestimmten Vorstellungen Sorge tragen, sondern auch in Ansehung des Inhalts denjenigen, welche bei derselben etwas zu suchen haben, mit ihrem Rathe beizustehen, auf ihr Begehren bereit sind; so sollte man billig hoffen dürfen, daß die gerügten Inconvenienzen künftig würden vermieden werden. Indessen läßt sich, selbst in dieser Hinsicht, nicht läugnen, daß bei der Neuheit der Anstalt, und da unser Geschäftsgang sich in dem Zustande der Entwickelung und Ausbildung befindet, neue Schwierigkeiten entstehen können, zu deren Entfernung wir jedoch einige, uns zweckmäsig scheinende Vorschläge machen werden. Dahingegen haben wir uns nicht verbergen können, daß wenn die Anstellung von Agenten auf der einen Seite für eine Erschwerung und Belästigung erachtet werden sollte, man in ihr auf der andern Seite, wo nicht eine Aufforderung zu Privat-Reclamationen, doch eine zweckwidrige Erleichterung derselben finden möchte. Allein, wenn diese hohe Versammlung bereits Beweise genug gegeben hat, daß sie fest entschlossen ist, sich aufs strengste innerhalb der Grenzen ihrer Bestimmung zu halten; so wird man ihr vielleicht eine Erleichterung in demjenigen Theile ihres Berufs gern gönnen, der gewiß nicht der erfreulichste desselben ist, und wobei durch unangemessene und unschickliche Vorstellungen nicht bloß die Würde der Versammlung, sondern auch die ihrer hohen Committenten, nur zu leicht compromittirt werden kann. Für Privatpersonen aber, die an die Bundesversammlung sich wenden wollen, ist es keinesweges lästig, sondern vielmehr vortheilhaft, wenn ihnen Männer von Sach- und Geschäftskenntniß angewiesen werden, durch welche sie ihre Angelegenheiten anbringen und betreiben lassen können. Daß sie dieses mit dem Beistande solcher Männer auch persönlich oder durch eigne Bevollmächtigte zu thun befugt sind, bedarf kaum einer Erinnerung. Nur würde der 4 Vgl. ProtDBV 1817, 41. Sitzung vom 7. Juli 1817, S. 606 f.

Nr. 79

Frankfurt am Main, 24. November 1817

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Zweck, ohne die Nothwendigkeit dieses Beistandes, bei eignem Erscheinen der Parteien oder besonderer Bevollmächtigten, höchst wahrscheinlich verfehlt werden. Wenn es hiernach scheinen möchte, daß die vorgeschlagene Anstalt den angezeigten Zwecken völlig entsprechen werde, so dürften doch noch folgende Gegengründe in nähere Erwägung zu ziehen seyn. Genau genommen geht das Bedürfniß, welches sich durch die bisherige Erfahrung ausgesprochen, dahin: a. daß die Bundesversammlung der Existenz und Identität derjenigen Personen, mit deren Namensunterschriften Eingaben an dieselbe gelangen, versichert sey; b. daß sie ihre Beschlüsse mit Sicherheit und Leichtigkeit an diese Personen gelangen lassen könne; c. daß diese Eingaben auf eine, Form und Inhalt nach, angemessene Weise verfaßt seyen. Wollte man die zu treffende Einrichtung nicht über dieses Bedürfniß hinaus ausdehnen, so dürften vielleicht schon folgende Anordnungen genügen: 1)  Alle Eingaben von Privatpersonen sind der Canzlei der Bundesversammlung durch dazu besonders Bevollmächtigte einzureichen, welche entweder in Frankfurt ihren Wohnsitz haben, oder sich doch bis zur ­Erledigung einer solchen Sache daselbst aufhalten. 2)  Diese Bevollmächtigten haben sich bei der Canzlei der Bundesversammlung gehörig zu legitimiren. 3) Sie sind für jede Unanständigkeit der Form und des Inhalts einer solchen Eingabe verantwortlich. 4) Deßgleichen für die Existenz und Identität der Personen, mit deren Namensunterschriften die von ihnen überreichten Eingaben versehen sind; 5) Nicht minder für die prompte und richtige Beförderung der auf solche Eingaben erfolgenden und ihnen gegen Empfangschein von der Bundes-Canzlei einzuhändigenden Beschlüsse. Weniger das Bedürfniß der Bundesversammlung, als die Sorge für die Erleichterung und Bequemlichkeit solcher, welche derselben etwas einzugeben haben, könnte eine Bekanntmachung der Namen derjenigen Personen rathsam machen, welche sich mit der Ueberreichung solcher Eingaben zu befassen geneigt sind, sich deßhalb ein für allemal bei der Bundesversammlung zu legitimiren wünschen, und von dieser für besonders qualificirt erachtet werden, über Anständigkeit oder Unanständigkeit der Eingaben ein richtiges Ur­ theil fällen, und die Einreichung, so wie die Beförderung der Antwort mit Ordnung und Sorgfalt besorgen zu können. Es dürfte mithin unter dieser Voraussetzung a) keine geschlossene Anzahl solcher Agenten zu bestellen, und

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b) kein Ausschluß solcher Bevollmächtigten, die nicht in Frankfurt ansässig sind, auszusprechen seyn. Ist die Bundesversammlung gesetzmäsig dazu bestimmt und angeordnet, daß in gewissen Fällen wohlbegründete Beschwerden bei ihr angebracht werden dürfen, und soll sie pflichtmäsig eine Abstellung derselben veranlassen helfen; so muß sie auch in den Stand gesetzt werden, Gegenstände der Art auf eine klare und lebendige Weise anschauen und auffassen zu können. Diese individuelle und lebendige Anschauung wird aber dann am sichersten erreicht werden, wenn die Beschwerde in der Regel, wo nicht von dem Betheiligten selbst, doch an dem Orte, wo sie Statt findet, niedergeschrieben wird, − und es kann dagegen schwerlich fehlen, daß wenn die Schilderung derselben in der Regel einigen wenigen in Frankfurt ansässigen Individuen in die Hände fallen sollte, Darstellungen der Art bald mehr oder minder gleichförmig und einseitig ausfallen dürften, und daß sich nur gar zu frühzeitig ein Schlendrians- und Formelwesen dabei gestalte, welches in unserer frühern Geschichte so vielen Tadel erfahren, und die öffentliche Theilnahme an manchen allgemeinen Instituten noch vor der Zeit wirklicher Antiquirung so sehr vermindert hat. Die Sollicitationen dieser Agenten und bei diesen Agenten, ihre Aufforderungen und Warnungen, ihre Consilia5 und Responsa6 könnten überhaupt, sobald sie einmal als geschlossenes Corps da stehen, bald einen gewissen bestimmten Charakter annehmen, und schwerlich dürfte dieser von einem heilsamen Einflusse seyn. Es ist nämlich nicht zu läugnen, daß wenn künftig keine Eingabe an die Bundesversammlung gelangen kann, ohne vorher durch die Hände eines Mitgliedes, einer, der Zahl nach sehr beschränkten Anstalt gegangen zu seyn, und dadurch ein directes Verhältniß mit dem Beschwerdeführer eröffnet worden, auf diese Weise zugleich die Möglichkeit gegeben ist, von jeder Eingabe, noch ehe sie an die Bundes-Canzlei7 abgegeben wird, Kunde zu erhalten, und eine Menge von Mitteln in Bewegung zu setzen, um die Eingabe zu hintertreiben, ohne daß die Bundesversammlung das Mindeste davon erfährt. Wird die Anzahl der Agenten auf einige Wenige beschränkt, so ist sehr zu besorgen, daß sie mehr oder minder aus Personen bestehen werden, welche dieß Geschäft zu einem Gegenstande des Erwerbs machen, und wenigstens einen Beitrag zu ihrem Unterhalt daraus zu beziehen hoffen, die sich mithin um Protection und Empfehlung bemühen, und wo ihnen diese [zuteil] wird, wieder gefällig und erkenntlich zu seyn sich bestreben werden. Läuft man aber dabei nicht Gefahr in der Vorhalle der Agenten Umtriebe mancherlei Art

5 Consilium (lat.): Rat, Gutachten. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 72. 6 Responsum (lat.): Belehrungsurteil. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 261. 7 Emendiert. Vorlage: Bundens-Canzlei.

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sich gestalten zu sehen, durch welche das Vertrauen zu der Bundesversammlung nur zu leicht geschwächt werden könnte? Und werden diese, wenn auch nicht nothwendigen, doch nicht unwahrscheinlichen Folgen einer solchen Einrichtung in Deutschland verkannt werden? Wird man nicht sofort aufmerksam darauf machen, und der nur zu sehr vorherrschenden Neigung alles zum Bösen auszulegen, gemäß, in dieser ganzen Einrichtung ein Mittel erblicken wollen, den bisher so leichten Zugang zu der Bundesversammlung zu erschweren, und der Publicität ihres Verfahrens Hindernisse in den Weg zu legen? Bei einer beschränkten Anzahl solcher Agenten wird ein näherer Verkehr derselben mit dem Personal der Gesandten fast nicht zu vermeiden seyn, und so könnte nach und nach unter dieser Agenten-Zunft eine vorherrschende Meinung über die persönlichen Ansichten der einzelnen Gesandten, diesen oder jenen Gegenstand betreffend, und am Ende über ihre politische Ge­ sinnung überhaupt sich ausbilden, welche dann durch ganz Deutschland verbrieft würde, und nach der man Lob und Tadel auf eine Weise vertheilte, die weder der bisher so glücklich erhaltenen Eintracht, noch der Wirksamkeit der Versammlung überhaupt frommen dürfte. Ob die Möglichkeit dieser nachtheiligen Folgen, den Vortheilen, welche mit der Anstellung einer bestimmten Anzahl von Agenten, und mit der Anordnung detaillirter Vorschriften für dieselben, verbunden seyn möchten, die Waage halte, müssen wir der weitern Prüfung dieser hohen Versammlung lediglich anheim stellen. Es bleibt uns nur noch übrig, auf den Fall, daß solche Anstellung von der Mehrheit rathsam gefunden werden sollte, über das Detail der weitern Einrichtung, einige nähere Vorschläge aufzustellen. Was zuvörderst die Auswahl und Ernennung solcher Agenten selbst betrifft, so sind wir der unvorgreiflichen Meinung, daß es am besten zum Ziele führen würde, wenn man die am Sitze der Bundesversammlung wohnhaften Individuen, welche dazu Neigung haben möchten, durch das Protokoll auf­ forderte, binnen vier Wochen schriftlich deßfalls bei der Versammlung ein­ zukommen, Beweise eines tadellosen Lebenswandels vorzulegen, so wie zu beurkunden, daß es ihnen nicht an den nöthigen Kenntnissen fehle, sich einer solchen Agentie zu unterziehen. Die Bundesversammlung würde alsdann vorerst eine Auswahl von etwa sechs unter ihnen treffen, und die Namen der Designirten, wie den Termin, wann ihre Geschäftsführung beginnen soll, gleichfalls in ihrem Protokolle bekannt machen. Daß alle Gegenstände, welche bereits bei der Bundesversammlung schon anhängig oder eingereicht sind, ehe die Agenten ihre Agentie antreten, auf die vor Ernennung derselben jetzt bestehende Art und Weise weiter betrieben und behandelt werden dürfen, versteht sich wohl von selbst. Wir halten es übrigens zweckdienlich, den zu begutachtenden Gegenstand noch unter zwei Gesichtspuncten in genauere Erwägung zu ziehen, deren Re-

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sultat den anzustellenden Agenten vor der Hand und unter Vorbehalt fernerer Erläuterungen, Berichtigungen, Abänderungen und Zusätze – zugleich als Instruction dienen könnte. Es sind demnach näher zu berücksichtigen: Zuvörderst diejenigen, welche eine Vorstellung bei der Bundesversammlung einreichen wollen, und weiter diejenigen, durch welche die Einreichung in Zukunft besorgt werden soll. Die Bestimmungen in Betreff derer, welche etwas an die Bundesversammlung gelangen lassen wollen, könnte man auf folgende Weise angeben: a. Jede Privatperson oder Corporation, (im Gegensatz von Bundesgliedern oder Gesandten bei der Bundesversammlung) welche irgend einen, das Privat-Interesse betreffenden Antrag, − der Gegenstand desselben sey der Bundesversammlung schon durch die Bundesacte selbst übertragen oder nicht, − an die Versammlung gelangen lassen will, ist gehalten, diesen Antrag von einem der bestellten Agenten unterschreiben und einreichen zu lassen; geschieht solches nicht, so hat der Einsender es sich selbst beizumessen, wenn auf seine Eingabe kein Beschluß erfolgt. b. Eine Ausnahme von der eben ausgesprochenen Regel findet alsdann Statt, wenn Privatpersonen sich über pflichtwidriges Benehmen einzelner oder sämmtlicher Bundestags-Agenten, als solcher, mit Grund zu beschweren für berechtigt halten. c. Es bleibt einem Jeden unbenommen, eine bei der Bundesversammlung einzureichende Vorstellung, von wem es ihm beliebt, ausarbeiten zu lassen, wofern er dieses Geschäft nicht einem der Agenten übertragen will. Die Unterschrift eines solchen, zum Beweis, daß Form und Inhalt nach dem vorliegenden Zwecke von ihm geprüft worden, so wie die Einreichung durch einen der Agenten, ist aber jederzeit nöthig. d. Von wohlhabenden Personen wird gewünscht, daß sie ihre Anträge gedruckt in 80facher Zahl einreichen lassen, in einem solchen Falle ist nur ein Exemplar für das Bundesarchiv von dem Agenten zu unterzeichnen. e. Man hegt zu den angestellten Agenten das billige Zutrauen, daß sie dürftigen Personen bei Einreichung ihrer etwanigen Vorstellungen an die Bundesversammlung sich auch unentgeldlich hülfreich beweisen werden. f. Jedem steht die Wahl unter den Agenten ganz frei; wollten jedoch sämmtliche Agenten sich irgend eines in den Geschäftskreis der Agentie beim Bundestage einschlagenden Geschäftes, sobald nur das Formale gewahrt ist, nicht unterziehen, so wird für einen solchen Fall eine gewisse Reihefolge unter den Agenten selbst festgesetzt, und derjenige, welchen auf diese Weise die Reihe trifft, (worüber die Bundes-Canzlei auf Erfordern Auskunft geben wird,) ist zur Uebernahme des Geschäfts unweigerlich verbunden. g. Jede Person oder Corporation, welche einem Agenten ein Geschäft bei dem Bundestage, es sey zur Ausarbeitung oder bloßen Einreichung überträgt,

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hat denselben immer dazu gehörig zu bevollmächtigen, und die Vollmacht wird nebst der Eingabe in dem Bundesarchive niedergelegt, dem Agenten aber auf Verlangen eine beglaubte Abschrift der Vollmacht von der BundesCanzlei ertheilt. h. Einem Agenten, dem eine Sache zur Betreibung bei dem Bundestage übertragen ist, kann solche vor Beendigung des Geschäfts, von dem Mandanten nur dann abgenommen werden, wenn der Agent für Honorar und Auslagen gehörig befriedigt worden. In Hinsicht derer, durch welche die Einreichung der Eingaben künftig besorgt werden soll, dürften folgende weitere Bestimmungen rathsam scheinen: A. Den Geschäftskreis der Agenten betreffend. 1) Bei allen, den Agenten zur weitern Besorgung anvertrauten Eingaben, haben sie auf eine anständige Form und Schreibart sorgfältig zu achten, und sich solcher, so wie einer kurzen und deutlichen Darstellung nicht minder, selbst zu befleißigen, falls ihnen auch die Abfassung anvertraut werden sollte. 2) Die Eingabe selbst haben die Agenten in der Bundes-Canzlei persönlich einzureichen, und dabei zugleich ihre Bevollmächtigung zu übergeben. 3) Die einzureichenden Eingaben müssen in deutscher Sprache abgefaßt seyn. Sind den Agenten Beilagen in fremden Sprachen zur Einreichung zugekommen, so müssen sie eine deutsche Uebersetzung derselben beilegen. 4) Der Agent hat jede Vorstellung, welche von ihm eingereicht wird, zu unterschreiben. 5) Wird ihm solche bloß zur Einreichung an die Bundesversammlung zugefertigt, so muß diese jederzeit innerhalb acht Tagen von ihm verfügt werden. 6) Alle, auf die Eingaben erfolgenden Resolutionen werden dem Agenten unter seiner Adres­s­e, und zwar wie solches bei der Ausfertigung aller Beschlüsse der Bundesversammlung der Fall ist, unentgeldlich zugestellt, und derselbe hat die Verpflichtung der baldigsten Beförderung an seinen Mandanten. B. Der Agenten persönliches Verhältniß betreffend. 1) Die Agenten sind bloß Privatpersonen, und es stehen ihnen daher auf keine Weise die den gesandtschaftlichen Personen zustehenden Gerechtsame und Befreiungen zu. 2) Die Anzahl der Agenten, ihre Annahme, Abdankung, Vermehrung oder Verminderung bleibt ganz dem Ermessen der Bundesversammlung überlassen, und wird darüber in der engern Bundesversammlung, jederzeit durch Mehrheit der Stimmen, entschieden. 3) Die Angenommenen leisten dem Canzlei-Director, welcher ex commissione8 des Herrn Präsidial-Gesandten ein für allemal dazu bestellt wird, ein Handgelöbniß: 8 Lat.: im Auftrag. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 112.

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die durch die Agentie zu übernehmenden Pflichten getreulich zu er­ füllen; in allen die Bundesversammlung wie die Privatpersonen, welche ihrer Dienste begehren, betreffenden Angelegenheiten, Verschwiegenheit zu beobachten, und versprechen, sich das Beste derer, die sich an sie als Agenten wenden, in jeder Hinsicht angelegen seyn zu lassen. 4) Die Agenten werden vom Bunde nicht bezahlt, sie dürfen aber von den sie requirirenden Personen – mit Ausnahme der Armen – sich honoriren lassen. In Betreff dieses Honorars sollen noch nähere Bestimmungen ergehen, und es haben die vor der Hand zu ernennenden Agenten gemeinschaftlich darüber bei der Bundesversammlung alsbald Vorschläge einzureichen. 5) Zur Zeit der Ferien oder Vertagung der Bundesversammlung haben die Agenten eine gemeinschaftliche Verabredung zu treffen, damit jederzeit zwei von ihnen in Frankfurt gegenwärtig sind, und auch von ihrer deßfallsigen Verabredung dem Bundes-Canzlei-Director Anzeige zu machen. 6) Ein Agent, der eine Sache angenommen, ist, wenn es von seinem Mandanten begehrt wird, gehalten, sich derselben bis zu deren Beendigung zu unterziehen. 7) Den Agenten und ihren Erben stehet, mit Ausnahme der für Bedürftige unentgeldlich übernommenen Geschäfte, das beneficium retentionis actorum9 zu, bis sie für Honorar und Auslagen befriedigt worden. 8) Wenn ein Agent stirbt, hat der, nach der Zeit der Verpflichtung jedesmalige Aelteste unter den Uebrigen, die Anzeige davon bei der Bundesversammlung zu machen, und ein Verzeichniß der laufenden Agentien des Verstorbenen in der Bundes-Canzlei einzureichen, zugleich bei den Mandanten desselben sofort anzufragen, auf wen sie fernerhin ihre Vollmachten stellen wollen. 9) Bei vorkommenden Vernachläßigungen oder Uebertretungen dieser Vorschriften steht der Bundesversammlung die Suspension oder Remotion der von ihr ernannten Agenten zu. Schließlich halten wir es für räthlich, daß ein solches Institut zugleich unter die specielle Aufsicht einer permanenten, in den Personen zuweilen ­wechselnden Commission gesetzt würde, welche von Zeit zu Zeit allenfalls nöthige Verbesserungen dieses ersten Entwurfs der Bundesversammlung vorzulegen, wie auch über den ganzen Fortgang dieses Instituts zu wachen und zu berichten, nicht weniger die Agenten in zweifelhaften Fällen mit Anweisung über die von ihnen zu beobachtende Form zu versehen hätte. Diese Commission könnte vielleicht die nämliche seyn, welche zum Vortrage über die Privat-Reclamationen von Zeit und Zeit ernannt zu werden pflegt. In der Ueberzeugung, daß ein ganz neu zu errichtendes Institut dieser Art, wenn es sich in der Anwendung als nützlich bewähren sollte, noch manche 9 Lat.: Privileg der Zurückbehaltung der Akten. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 41 u. 263.

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nähere Bestimmungen, die Zeit und Umstände herbeiführen werden, mit sich bringen wird, haben wir uns mit dem Entwurfe dieser Grundlinien, wonach bei Annahme solcher Agenten von der Bundesversammlung verfahren werden könnte, beschränken zu müssen geglaubt. Sollten indeß die vorher angeführten Zweifelsgründe gegen die Anstellung solcher Agenten, als eines gewissermaßen geschlossenen Corps auch überwiegend gefunden werden, so halten wir es deßungeachtet nicht für unräthlich, wenn diejenigen in Frankfurt ansäßigen Personen, welche zu Geschäften dieser Art sich willig bezeugt haben, falls gegen die Individualität derselben nichts einzuwenden ist, gelegentlich im Protokolle der Bundesversammlung, als solche, namhaft gemacht würden, die sich zur Besorgung solcher Eingaben bereit erklärt, und zu denen die Bundesversammlung das Zutrauen hege, daß sie sich derselben auf eine angemessene Weise unterziehen, und sowohl in Beobachtung der schicklichen Form, als bei Beförderung der Eingaben und Beschlüsse mit Sorgfalt und Ordnung verfahren dürften, wobei denn auch die oben bemerkten allgemeinen Bestimmungen unter 1–5 (Seite 768 f.10) anzuführen seyn würden. Die in Frankfurt ansäßigen Individuen, welche sich bis jetzt bei der ­Commission gemeldet haben, und gegen welche, den eingezogenen Erkun­ digungen gemäß, nichts zu erinnern seyn dürfte, sind die hiesigen Rechts­ gelehrten, Dr. Alef11, Dr. Ehrmann12, Dr. Hiepe13, Dr. Kappes14, Dr. Römer15 und Dr. J. F. Schlosser16. 10 Vgl. oben S. 313. 11 [Emmanuel?] Alef, Frankfurter Jurist. Vgl. DBA I, 15, 81. 12 Johann Peter Ludwig Ehrmann, Advokat in Frankfurt. Vgl. Staats-Calender der Freien Stadt Frankfurt 1819, S. 22. 13 Siegismund Paul Hiepe (1770−1845), Frankfurter Jurist und Stadtgerichtsrat, 1825−1845 Mitglied des Rats der Stadt Frankfurt, 1825 Senator, 1834 Jüngerer Bürgermeister, 1836 Schöffe, 1838 Syndikus. Vgl. Koch, Grundlagen bürgerlicher Herrschaft, S. 416 f.; Roth, Stadt und Bürgertum in Frankfurt am Main, S. 126; Demeter, Die Frankfurter Loge zur Einigkeit 1742−1966, S. 195 ff.; DBA I, 535, 457. 14 Johannes Kappes (1773−1837), Frankfurter Jurist, 1822−1837 Mitglied des Rats der Stadt Frankfurt, 1822 Senator, 1833 Jüngerer Bürgermeister, 1834 Schöffe. Vgl. Koch, Grundlagen bürgerlicher Herrschaft, S. 416 f.; Frankfurter Ober-Postamts-Zeitung, Beilage zu No. 260 v. 20. September 1837. 15 Jacob Benedict Römer (gen. R.-Büchner) (1792−1863), Frankfurter Jurist und Historiker, 1818 Land­amts- und Gerichtsschreiber. Vgl. ADB, Bd. 29, S. 125 f.; Klötzer, Frankfurter Biographie, Bd. 2, S. 205; DBA I, 1047, 403; DBA III, 759, 67 u. 142. 16 Johann Friedrich Heinrich Schlosser (1780–1851), Frankfurter Jurist, Sammler, Mäzen und Schriftsteller, Dr. jur. 1803, danach Advokat in Frankfurt, 1806 Mitglied des Bürgerausschusses und fürstprimatischer Stadt- und Landgerichtsrat ebd., später Rat in der Oberschul- und Studienkommission und 1812 Direktor des Lyzeums, übte nach dem Ende der großherzog­ lichen Zeit (1813) kein öffentliches Amt mehr aus, setzte sich aber nach seinem Übertritt zum

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Bundesbeschluß über die Abfassung und Einreichung von Privatreklamationen Nr. 79

Indem wir hiemit unsern Vortrag schließen, empfehlen wir denselben der hohen Bundesversammlung zu einer nachsichtsvollen Aufnahme. Berg  Leonhardi  Smidt

80. Bundesbeschluß über die Abfassung und Einreichung von Privatreklamationen bei der Bundesversammlung

ProtDBV 1817, 55. Sitzung vom 11. Dezember 1817, § 412, S. 813–814. Bundesbeschluß. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 4, 1817, S. 95−96.

Anordnungen über die angemessene Abfassung und Einreichung von Privatreklamationen bei der Bundesversammlung und deren Nichtannahme bei Zuwiderhandlungen. Zur Betreibung solcher Angelegenheiten können dazu geeignete und in Frankfurt bekannte Bevollmächtigte bestellt werden.

Frankfurt am Main, 11. Dezember 1817 Nach den in der Folge des § 390 der 51. Sitzung gepflogenen Berathungen1 in der letzten vertraulichen Sitzung22 wurde von dem Präsidio der Entwurf des Beschlusses, in Betreff der in Privat-Reclamations-Gegenständen von der Bundesversammlung aufzustellenden Bevollmächtigten, verlesen und der von der Stimmenmehrheit ausgedrückten Absicht vollkommen angemessen gefunden, sonach genehmigt, und beschlossen: Nachdem die Bundesversammlung mehrmals die Erfahrung hat machen müssen, daß an sie gerichtete Vorstellungen, welche das Interesse von Privatpersonen betreffen, theils auf eine unangemessene, undeutliche und selbst unschickliche Weise abgefaßt, theils von Personen aufgesetzt, unterzeichnet oder eingereicht worden sind, an die es nachher schwer hielt, die Resolutionen der Versammlung gelangen zu lassen; so findet sie dafür nöthig, zu verfügen, 1) daß diejenigen Privatpersonen, welche ihre an die Bundesversammlung gehörigen Angelegenheiten bei derselben selbst betreiben wollen, nicht nur, sofern sie nicht ohnehin bekannt sind, sich gehörig an der Bundes-Präsidialkatholischen Glauben (1814) für die Rechte der Frankfurter Katholiken ein und war als Jurist mit Reklamationen an den Deutschen Bundestag befaßt, 1819 Mitbegründer der Monumenta Germaniae Historica (Mitglied der Zentralredaktion bis 1851), 1823 Aufgabe der juristischen Praxis und Rückzug ins Privatleben. Vgl. ADB, Bd. 31, S. 541 f.; DBA III, 802, 398–401; Klötzer (Hrsg.), Frankfurter Biographie, Bd. 2, S. 292 f.; NDB, Bd. 23, S. 102 f. 1 Vgl. ProtDBV 1817, 51. Sitzung vom 24. November 1817, § 390, S. 764 f. 2 Vgl. ProtDBV 1817, 54. Sitzung vom 4. Dezember 1817, S. 803 (kein Protokoll).

Nr. 81

Frankfurt am Main, 20. August 1818

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Canzlei zu legitimiren, sondern auch ihre Vorstellungen auf eine angemessene, deutliche und schickliche Weise zu verfassen oder verfassen zu lassen, auch zum Voraus, auf den Fall ihrer Entfernung von hier, einen bekannten Bevollmächtigten, der die zu erwartenden Resolutionen in Empfang nehmen könne, zu bestellen und in der Canzlei anzuzeigen, widrigenfalls aber zu gewärtigen haben, daß sie mit ihren Gesuchen nicht zugelassen, sondern diese, ohne weiters, zurückgelegt werden; 2) daß eigene Abgeordnete zur Betreibung von Privat-Angelegenheiten nur wenn sie sich ihrer Person halber überhaupt, und insonderheit als zur Führung solcher Geschäfte tüchtige Männer legitimiren, anzunehmen und von ihnen, unter gleicher Verwarnung, die obigen Vorschriften zu beobachten seyen; sodann 3) daß wenn Privatpersonen weder selbst, noch durch eigene Abgeordnete ihre an die Bundesversammlung gehörigen Angelegenheiten besorgen wollen, sie zur Uebergabe ihrer Vorstellungen und weiterer Betreibung solcher Angelegenheiten dahier bekannte und dazu geeignete Männer zu Bevollmächtigten und Geschäftsführern zu bestellen, diese aber gleichfalls dasjenige, was den beteiligten Personen und ihren Abgeordneten zur Pflicht gemacht ist, genau zu befolgen haben. 4) Es soll gegenwärtiger Beschluß durch die öffentlichen Blätter bekannt gemacht werden.

81. Bundesbeschluß über die vorläufige Matrikel des Deutschen Bundes

ProtDBV 1818, 43. Sitzung vom 20. August 1818, § 210, S. 434–435. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 6, 1818, S. 137−139; CJCG, Bd. 2, S. 68 f. (Teildr.); Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 1, S. 664−666.

Provisorische Bundesmatrikel für die nächsten fünf Jahre. Berechnung der Truppenkontingente und Geldleistungen auf der Basis der Bevölkerungszahlen der Bundesstaaten mit Ausnahme der anders aufgeteilten Bundeskanzleikosten.

Frankfurt am Main, 20. August 1818 Beschluß: 1) Die von den Bundesmitgliedern angegebene Volkszahl ihrer Bundesstaaten wird auf die nächsten fünf Jahre provisorisch als Bundes-Matrikel angenommen, und zwar nach der provisorisch bestehenden Stimmordnung in Pleno, mit Vorbehalt weiterer Bestimmung für Hessen Homburg.

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Bundesbeschluß über die vorläufige Matrikel des Deutschen Bundes 

Bundesstaaten

Oesterreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Preussen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Baiern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hannover . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Baden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurhessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Großherzogthum Hessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Holstein und Lauenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Luxemburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Braunschweig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mecklenburg-Schwerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nassau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachsen-Weimar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „ Gotha . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „ Coburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „ Meiningen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachsen-Hildburghausen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mecklenburg-Strelitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Holstein Oldenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhalt-Dessau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „ Bernburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „ Cöthen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwarzburg-Sondershausen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „ Rudolstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hohenzollern-Hechingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Liechtenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hohenzollern-Sigmaringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Waldeck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reuß, ältere Linie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „ , jüngere Linie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schaumburg-Lippe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lippe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hessen-Homburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lübeck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frankfurt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bremen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Nr. 81

Seelenzahl 9 482 227 7 923 439 1 200 000 3 560 000 1 305 351 1 395 462 1 000 000 540 000 619 500 360 000 214 058 209 600 358 000 302 769 201 000 185 682 80 012 54 400 29 706 71 769 217 769 52 947 37 046 32 454 45 117 53 937 14 500 5 546 35 560 51 877 22 255 52 205 24 000 69 062 20 000 40 650 47 850 48 500 129 800

Summa . . . . . . . . . . . . . 30 094 050

Nr. 82

Frankfurt am Main, 20. April 1819

323

2) Diese Matrikel gilt als Regel sowohl für Mannschaftsstellungen als Geldleistungen, mit alleiniger Ausnahme der anders vertheilten BundesCanzleikosten. 3) Die Grundsätze, wornach die definitive, nach fünf Jahren einzuführende Matrikel bearbeitet werden soll, wird eine demnächst eigends zu wählende Commission begutachten; die Bundesversammlung wird solche noch vor Ablauf der fünfjährigen Frist erörtern, und durch weitere Beschlußnahme sich über eine definitive Matrikel vereinigen.

82. Kommissionsvortrag über den Entwurf einer Geschäftsordnung für die Kommissionen des Bundestags

ProtDBV 1819, 14. Sitzung vom 22. April 1819, Beilage 10, nach S. 174 (7 unpaginierte Seiten). Kommissionsvortrag. Druckfassung.

Allgemeine Bestimmung aller Bundestagskommissionen ist die Vorbereitung und Begutachtung solcher Gegenstände, die der Bundesversammlung zur Beschlußfassung vorzulegen sind. Deren Zahl hat sich beträchtlich vermehrt, so daß eine allgemeine Geschäftsordnung wünschenswert ist. Vorschlag zu einer Einteilung der Beratungsgegenstände in sechs Hauptabteilungen: 1. Vorbereitung allgemeiner Gesetze und organischer Einrichtungen; 2. Begutachtung solcher Angelegenheiten, wegen denen der Deutsche Bund aus früheren in Deutschland bestandenen Verhältnissen in Anspruch genommen wird; 3. Begutachtung der Reklamationen von Individuen, Korporationen und Klassen, für welche die Bundes- oder Wiener Kongreßakte ausdrückliche Bestimmungen enthält; 4. Vermittlung von Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander; 5. Auseinandersetzung von Ansprüchen, die von Privatpersonen gegen mehrere Regierungen zugleich erhoben werden; 6. Erörterung anderer bei der Bundesversammlung eingereichter Privateingaben aller Art, einschließlich Schriften, Zeichnungen, Erfindungen und Projekte. Überblick über die bislang gebildeten Kommissionen gegliedert nach den sechs Hauptabteilungen. Stand der Geschäftserledigung und Vorschläge zu deren Beschleunigung. Vorlage eines Entwurfs einer Geschäftsordnung für die Kommissionen des Bundestags.

Frankfurt am Main, 20. April 1819 Vortrag der in der dreizehnten dießjährigen Sitzung ernannten Commission, in Vor­legung eines Entwurfs einer Geschäftsordnung in Betreff der Commissionen. In der dreizehnten dießjährigen Sitzung wurde eine Commission beauftragt, einen Entwurf zu einer eigenen allgemeinen Geschäftsordnung und Vorschrift für die Commissionen, der Bundesversammlung vorzulegen.1 1 Vgl. ProtDBV 1819, 13. Sitzung vom 1. April 1819, § 49, S. 149 f.

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Kommissionsvortrag über den Entwurf einer Geschäftsordnung

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Die Unterzeichneten haben sich beeilt, den ihnen ertheilten Auftrag zu erfüllen, und beehren sich, der Bundesversammlung das Resultat ihrer Arbeit vorzulegen und ihrer Prüfung zu unterwerfen. Die allgemeine Bestimmung aller Bundestags-Commissionen ist die Vorbereitung und Begutachtung solcher Gegenstände, deren erste Behandlung nicht bequem in einer so zahlreichen Versammlung, wie die des vollen engeren Raths des Bundestags, vorgenommen werden kann, die aber nachmals der Bundesversammlung zu Fassung eines Beschlusses vorzulegen sind. Die Nothwendigkeit solcher Ausschüsse oder Commissionen wurde so ­frühe gefühlt, daß schon die allererste, vor der Eröffnung der Bundesversammlung gehaltene, vertrauliche Besprechung das erste Beispiel derselben darbietet. Seitdem hat sich stufenweise die Zahl solcher Commissionen beträchtlich vermehrt, von denen manche schon durch die Vorträge an die Bundesversammlung erlediget worden, manche aber noch nicht beendiget sind; auch läßt sich die fernere Vermehrung derselben noch in Zukunft voraussehen. Es ist daher gewiß wünschenswerth, wenn eine allgemeine Geschäftsordnung für selbige entworfen und darin manche, bisher unbestimmt ge­ lassene Puncte ­näher festgesetzt, auch nach Möglichkeit die Hindernisse entfernt werden, welche dem schnelleren Gange bei manchen derselben im Wege standen. Ihrem Hauptgegenstand nach, lassen sich diese Commissionen unter sechs Hauptabtheilungen bringen: 1) Commissionen zu Vorbereitung allgemeiner Gesetze und organischer Einrichtungen des Bundes. 2) Commissionen zu Erörterung und Begutachtung solcher Angelegenheiten, wegen welcher der Bund aus früheren, in Deutschland bestandenen Verhältnissen in Anspruch genommen wird. 3) Commissionen zu Begutachtung der Reclamationen derjenigen Individuen, Corporationen und Classen, für welche die Bundes- oder Congreßacte ausdrückliche Bestimmungen und Hinweisungen enthält. 4) Commissionen zu Vermittelung von Streitigkeiten der Bundesglieder unter einander; und, hiemit nahe verwandt, 5) Commissionen zu Auseinandersetzung der Ansprüche, welche von Privatpersonen gegen mehrere Regierungen zugleich erhoben werden, wegen welcher sie daher nicht an einzelne Regierungen gewiesen werden können, ehe nicht festgestellt ist, ob und in welchem Maase eine jede derselben zu ihrer Befriedigung beizutragen habe. 6) Commissionen zu Erörterung anderer an die Bundesversammlung gebrachten Privat-Eingaben aller Art, mit Inbegriff der bloß eingesandten Schriften, Zeichnungen, Erfindungen und Projecte.

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I. Commissionen zu Vorbereitung allgemeiner Gesetze und organischer Bestimmungen des Bundes. Dahin haben bisher gehört: 1) die über die Festsetzung der Verhältnisse der Bundesversammlung gegen die Stadt Frankfurt, 1816 Reg. I.2 2) die über die Reihefolge der Geschäfte, 1816 Sess. 3 § 113 u. Sess. 4 § 104. 3) über die Competenz, 1816 Sess. 13 § 555. 4) über die Bestellung von Agenten, 1817 Sess. 41 § 3156. 5) über den freien Verkehr mit Lebensmitteln, 1817 Sess. 29 § 1807. 6) über den Büchernachdruck, 1818 Sess. 34 § 1598, welche sämmtlich ihre Arbeiten durch Vorlegung des Resultats ihrer Bemühungen beendiget haben9; und wenn auch jetzt die Gegenstände, welche sie betreffen, noch nicht sämmtlich erlediget sind, vielmehr in Ansehung der sub No. 2, 3, 5, 6 berührten Puncte es wohl noch einer abermaligen Prüfung bedürfen könnte; ad 2) welche von den in dem Gutachten über die Reihefolge bezeichneten Geschäfte zunächst zu erörtern seyen, und wie fern dazu die Instructionen der Höfe nachzusuchen oder die schon nachgesuchten zu erinnern seyen; ferner wie die sub No. 3 berührte Competenz näher zu entwickeln; der sub No. 5 bezeichnete Gegenstand des freien Verkehrs zu einem Beschlusse zu bringen; sub No. 6 aber ein Termin zu Abstimmung über den Büchernachdruck nach bereits beschlossener Einholung der Instructionen festzusetzen sey: so gehört doch dieses alles nicht mehr zu den Geschäften der Commissionen, sondern man kann es vertrauensvoll dem Präsidium überlassen, daß dasselbe deßfalls die zweckmäsigsten Vorschläge thun werde. 7) Ueber die Militär-Angelegenheiten und zwar: a) über die Militärpflichtigkeit, 1817 Sess. 25 § 14710, welche ihre Arbeit mit dem Vortrag 1817 Sess. 30 § 186 geendiget hat11. b) über die Bundesmatrikel, 1817 Sess. 31 § 20312, welche ihre Arbeit mit dem Vortrag 1817 Sess. 43 § 338 vollendet hat13.   2 Vgl. ProtDBV 1816, Registratur über die 1. Präliminarkonferenz vom 1. Oktober 1816, S. 3.   3 Vgl. ProtDBV 1816, 3. Sitzung vom 14. November 1816, § 11, S. 49.   4 Vgl. ProtDBV 1816, 4. Sitzung vom 18. November 1816, § 10, S. 59 f.   5 Vgl. ProtDBV 1816, 13. Sitzung vom 19. Dezember 1816, § 55, S. 210.   6 Vgl. ProtDBV 1817, 41. Sitzung vom 7. Juli 1817, § 315, S. 606 f.   7 Vgl. ProtDBV 1817, 29. Sitzung vom 19. Mai 1817, § 180, S. 342–344.   8 Vgl. ProtDBV 1818, 34. Sitzung vom 22. Juni 1818, § 159, S. 370.   9 Vgl. Dok. 79, 114, 121, 172 und 196. 10 Vgl. ProtDBV 1817, 25. Sitzung vom 1. Mai 1817, § 147, S. 275–278. 11 Vgl. Dok. 205a. 12 Vgl. ProtDBV 1817, 31. Sitzung vom 29. Mai 1817, § 203, S. 381–384. 13 Vgl. Dok. 78.

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Kommissionsvortrag über den Entwurf einer Geschäftsordnung

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c)  über die Militär-Verfassung überhaupt und die Bundesfestungen, 1818 Sess. 17 § 8714, welche noch fortgeht. 8) über die Preßfreiheit, 1818 Sess. 51 § 23615. 9) über das Austrägal-Verfahren und die Executions-Ordnung, 1818 Sess. 1 § 216. 10) die gegenwärtige Commission, so fern sie eine Ergänzung der Geschäftsordnung, in dem, was die Commissionen anbetrifft, zum Zweck hat. Dahin kann auch noch 11) die in der 35. Sitzung 1817 angeordnete17 und auch nach ihrem, schon in der 40. Sitzung von 1817 abgestatteten Bericht18 noch bestehende Commission, über die Barbaresken gezählt werden, so fern dabei auf allgemeine Mittel zu Sicherung des deutschen Handels das Absehen gerichtet worden. Hieran schliessen sich II. die Commissionen, deren Zweck zwar nicht sowohl ein allgemeines ­Gesetz, aber doch eine Erörterung und Festsetzung der Verbindlichkeiten ist, wegen welcher der Bund aus den, vor dessen Entstehung bestandenen, Verhältnissen gemeinsam in Anspruch genommen wird. Dahin gehört: 1) die Commission wegen der transrhenanischen Sustentations-Angelegenheit, die, so viel die Uebertragung dieser Pensionen auf das linke Rheinufer anbelanget, als beendiget anzusehen ist, aber wegen einiger noch übrigen ­Reclamationen noch fortbesteht.19 2) die Commissionen wegen der Sustentation des Kammergerichts und was dem anhängig, welche 1816 Sess. 7 angefangen haben20, und wovon die ­erste, welche die Regulirung der Pensionen pro futuro21 angeht, als beendiget anzu-

14 Vgl. ProtDBV 1818, 17. Sitzung vom 13. April 1818, § 87, S. 228. 15 Vgl. ProtDBV 1818, 51. Sitzung vom 12. Oktober 1818, § 236, S. 538 f. 16 Vgl. ProtDBV 1818, 1. Sitzung vom 12. Januar 1818, § 2, S. 3. 17 Vgl. ProtDBV 1817, 35. Sitzung vom 16. Juni 1817, § 236, S. 481–485 sowie Beilage nach S. 486 (3 unpaginierte Seiten). 18 Vgl. ProtDBV 1817, 40. Sitzung vom 3. Juli 1817, Beilage 66, S. 577–580. 19 Zum Berichterstatter in der transrhenanischen Sustentationsangelegenheit wurde der hannoversche Bundestagsgesandte Martens gewählt; vgl. ProtDBV 1816, 6. Sitzung vom 25. November 1816, § 26, S. 88−90. Zu den weiteren Verhandlungen in dieser Sache vgl. die Übersicht in Alphabetisches Register über die Verhandlungen der deutschen Bundesversammlung 1816−1836, S. 443−447. 20 Vgl. ProtDBV 1816, 7. Sitzung vom 28. November 1816, § 30, S. 106–108 sowie Beilage 21, S. 111−142; ebd., 10. Sitzung vom 9. Dezember 1816, Anlage nach S. 189. Gegenstand ist die Regulierung der seit Auflösung des Reichskammergerichts aufgelaufenen Pensionsrückstände. 21 Pro futuro (lat.): für die Zukunft.

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sehen ist, die zweite aber ratione praeteriti22 1817 Sess. 47 § 380 ernannt worden23, und noch erst nächstens einige umfassende Vorträge zu machen hat. 3) die Commission über die Forderungen an die Reichsoperations-Casse, welche 1818 Sess. 17 § 88 ernannt worden24 und noch keinen Vortrag hat abstatten können. An diese Commission schliessen sich wiederum III. diejenigen an, welche zu Begutachtung der Reclamationen derjenigen Individuen, Corporationen und Classen ernannt werden, für welche die Bundes- oder Congreßacte ausdrückliche Bestimmungen und Hinweisungen enthält. Zu diesen dürfte zu zählen seyn: 1) die, in Folge der eingegangenen Reclamationen der Mediatisirten verschiedener Länder, in der 49. Sitzung vom Jahr 1818 ernannte Commission zu Feststellung des ihnen in der Bundesacte zugesicherten Rechtszustandes25. 2) die durch die Reclamationen der israelitischen Gemeinde in Frankfurt veranlaßte und in der 46.26 Sitzung vom Jahr 1818 ernannte AusgleichungsCommission27, wovon das Resultat nächstens erwartet wird. 3) die Commission zu Regulirung der Pensionen für den Deutschen und Johanniter-Orden, welche 1817 Sess. 43 § 335 u. 336 ernannt worden28, auch bereits einen Vortrag in der 55.29 Sitzung desselben Jahres abgestattet hat30, gleichwohl mit abermaliger Erörterung dieses Gegenstandes noch beauftragt worden ist. IV. Die vierte Gattung von Commissionen sind die, welche in Streitigkeiten einzelner Bundesglieder gegen einander ernannt werden, und deren Zweck es ist, den Versuch einer gütlichen Ausgleichung zwischen ihnen zu machen, in Entstehung dessen aber die Anordnung eines Austrägalgerichts, Behuf rechtlicher Entscheidung, zu veranlassen. Commissionen dieser Art sind ernannt worden a. In den Streitigkeiten zwischen Hessen-Darmstadt und Nassau, wegen der Schulden der abgetretenen Districte Epstein u. s.  f. in der 47. Sitzung de 1817 § 38331. 22 Ratio praeteriti (lat.): Erwägung der Vergangenheit. 23 Vgl. ProtDBV 1817, 47. Sitzung vom 10. November 1817, § 380, S. 749 f. 24 Vgl. ProtDBV 1818, 17. Sitzung vom 13. April 1818, § 88, S. 230. 25 Vgl. ProtDBV 1818, 49. Sitzung vom 1. Oktober 1818, § 225, S. 490. 26 Emendiert. Vorlage: 56. 27 Vgl. ProtDBV 1818, 46. Sitzung vom 10. September 1818, § 218, S. 460. 28 Vgl. ProtDBV 1817, 43. Sitzung vom 14. Juli 1817, § 335, S. 647–651 und § 366, S. 651. 29 Emendiert. Vorlage: 57. 30 Vgl. ProtDBV 1817, 55. Sitzung vom 11. Dezember 1817, Anlage 83, S. 819–836. 31 Vgl. ProtDBV 1817, 47. Sitzung vom 10. November 1817, § 383, S. 752–754.

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b. In der Schuldforderung des Kurfürsten von Hessen gegen den Fürsten von Waldeck, 1818 Sess. 6 § 1932. c. In der Streitigkeit der freien Stadt Bremen gegen den Herzog von Oldenburg, wegen des Elsflether Zolles, 1817 Sess. 58 § 41733. d. In der Streitigkeit von Sachsen-Meiningen gegen Coburg-Saalfeld, wegen der Eisenberg-Römhildischen Succession, 1818 Sess. 26 § 12834. e. In der Streitigkeit Sachsen-Weimars gegen die Herzogl. Sächsischen Häuser, wegen Ansprüche aus dem Rayon-Verbande von 1814. Ernannt 1818 Sess. 28 § 13435. f. In den Streitigkeiten Lippe-Schaumburgs contra Lippe-Detmold, wegen der Brackischen Succession und landständischen Verfassung, 1818 Sess. 30 § 14936. g. In dem Streit Lippe-Schaumburgs contra Lippe-Detmold, wegen der Pfändung in dem Amte Blomberg, 1818 Sess. 48 § 22137. In dieser letzteren Sache ist zwar ein Vortrag von der Commission in der 51. Sitzung 1818 gehalten38 und über die provisorische Erhaltung des Besitzstandes ein Beschluß von der Bundesversammlung gefaßt worden39, sonst aber weder in dieser noch in einer der übrigen eben genannten Commissionen zur Güte, der Zweck einer gütlichen Ausgleichung noch zur Zeit erreicht, oder auch nur das Verfahren der Commission der Bundesversammlung vorgelegt und auf die Errichtung einer Austrägal-Instanz gedrungen worden, wenn es gleich nicht an Beispielen fehlt, wo diese Commissionen der Bundesversammlung die Gründe dieser Zögerung vorgelegt und um Abstellung der Hindernisse gebeten haben. V. Mit den Commissionen dieser Art sind diejenigen nahe verwandt, welche zwar nicht durch die Beschwerde eines Bundesgliedes gegen das andere, sondern durch Reclamationen von Privatpersonen gegen eine oder mehrere Regierungen veranlaßt worden, die aber um deßwillen zur Kenntnißnahme der Bundesversammlung geeignet sind, weil die in Anspruch genommene Verbindlichkeit zwischen mehreren Bundesgliedern in Zweifel ist, und eben daher die Reclamanten sich an keines derselben ausschließlich wenden können, und die, wenn die Betheiligten nicht rechtlos gelassen werden sollen, entweder durch Vermittelung der Bundesversammlung zwischen diesen güt32 Vgl. ProtDBV 1818, 6. Sitzung vom 29. Januar 1818, § 19, S. 45. 33 Vgl. ProtDBV 1817, 58. Sitzung vom 22. Dezember 1817, § 417, S. 854–868. 34 Vgl. ProtDBV 1818, 26. Sitzung vom 25. Mai 1818, § 128, S. 303. 35 Vgl. ProtDBV 1818, 28. Sitzung vom 1. Juni 1818, § 134, S. 308 f. 36 Vgl. ProtDBV 1818, 30. Sitzung vom 8. Juni 1818, § 149, S. 349 f. 37 Vgl. ProtDBV 1818, 48. Sitzung vom 21. September 1818, § 221, S. 479 f. 38 Vgl. ProtDBV 1818, 51. Sitzung vom 12. Oktober 1818, § 235, S. 535 f. 39 Vgl. ProtDBV 1818, 51. Sitzung vom 12. Oktober 1818, § 235, S. 537 f.

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lich verglichen, oder in deren Ermangelung auf irgend eine Weise durch Einwirkung der Bundesversammlung zu einer rechtlichen Entscheidung befördert werden müssen, welches am wenigsten da in Zweifel gezogen werden kann, wo die Verbindlichkeit aus dem Reichsdeputations-Hauptschlusse von 180340 abzuleiten ist, der in dem, was das Schulden- und Pensionswesen betrifft, durch den 15. Art. der Bundesacte41 unter die Garantie der Bundesversammlung gestellt worden. Dahin gehören: a. die Commission über die Ansprüche der Mainzer Staatsgläubiger, 1817 Sess. 44 § 37042; b. über die Ansprüche der Rheinpfälzischen Staatsgläubiger aus den Obligationen Lit. D, 1817 Sess. 58 § 41843, welche beide zwar durch frühere ausführliche Vorträge bei der Bundesversammlung veranlaßt wurden, doch noch zur Zeit das Resultat ihrer Arbeiten der Bundesversammlung nicht haben vorlegen können. VI. Die sechste Gattung von Commissionen ist endlich die, welche für die Prüfung der bei der Bundesversammlung einkommenden Privat-Eingaben und Reclamationen epochenweise bald auf zwei, bald auf mehrere Monate ernannt worden, und deren letzter Termin mit Ostern dieses Jahres zu Ende geht. Sie unterscheidet sich dadurch von allen übrigen, daß, wenn man auf ihren Ursprung zurückgeht, sie 1) nur zu Vertheilung der reingekommenen Eingaben unter die Mitglieder, Behuf eines von einzelnen derselben bei der Bundesversammlung zu machenden Vortrags, 2) eigentlich auch nur zu Begutachtung der Frage: ob eine Sache für die Bundesversammlung gehöre, oder von selbiger sofort abzuweisen sey, angeordnet worden; wie jedoch dieses nicht ausschließt, daß in Fällen, wo eine gänzliche Abweisung nicht statt findet, der Referent Vorschläge über das, was von Seiten der Bundesversammlung darauf zu verfügen sey, mache, so lag es schon in der Natur der Sache, daß 3) diese Commissionen Eingaben, welche Angelegenheiten betreffen, für die von der Bundesversammlung schon besondere Commissionen ernannt worden, unmittelbar an selbige verweisen. Durch diesen letzteren Umstand hat in dem Maase, in welchem die Special-Commissionen sich vermehrt haben, die Zahl der unmittelbaren Vorträge 40 Vgl. Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803, abgedr. in: Huber (Hrsg.), Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 1–28, hier bes. S. 25–27 (§§ 77–84). 41 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1515. 42 Vgl. ProtDBV 1817, 44. Sitzung vom 17. Juli 1817, § 370, S. 715 f. 43 Vgl. ProtDBV 1817, 58. Sitzung vom 22. Dezember 1817, § 418, S. 868 f.

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der Mitglieder der Reclamations-Commission bei der Bundesversammlung sich bedeutend vermindern müssen, wenn nicht auch schon die Zahl der Eingaben selbst sich allmählich beträchtlich vermindert hätte, von welchen in den Monaten November und December 1816. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Im Jahr 1817. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 „ „ 1818. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 in den 3 Monaten von 1819. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   35 eingekommen sind, worunter denn wiederum eine große Zahl von Eingaben ist, die keine zu erörternde Beschwerden, sondern nur Ueberreichung von Schriften, Landcharten, Gedichten, Erfindungen, Projecten u. s. f. enthalten, die einer oft nur kurzen Anzeige bei der Bundesversammlung bedürfen können, so, daß z. B. bei Vertheilung der seit Anfang der letzten Ferien bis zu Ostern eingekommenen 50 Nummern kaum eine gefunden worden, die eines ausführlicheren unmittelbaren Vortrags bei der Bundesversammlung zu bedürfen geschienen hat. Unter den hier benannten sechs Gattungen der Commissionen scheinen die sub No. 4 und 5 bezeichneten Commissionen zur Güte, eine vorzügliche Aufmerksamkeit zu verdienen, und einige geschäftsbeförderliche Vorschläge, als Ergänzungen der Geschäftsordnung, rathsam zu machen. Insbesondere dürfte, was die Commissionen sub No. 5 betrifft, dahin zu rechnen seyn, daß auf irgend eine Weise dafür gesorgt werde, wie noch vor dem Versuch der Güte und nach den über das possessorium summarissimum44 geltenden Grundsätzen den Gläubigern der momentane Genuß der laufenden und rückständigen Zinsen verschafft werden könne, damit sie nicht verarmen, ehe ihnen durch Beilegung der Hauptstreitfrage zu Hülfe gekommen werden kann, und glaubt die unterzeichnete Commission, daß die zu Vorschlägen über das Austrägal-Verfahren und was dem anhängig ist, ernannte Commission zu ersuchen sey, auch darauf ihr Gutachten insbesondere mit zu richten. Daß die sub No. 4 und 5 bezeichneten Commissionen, ungeachtet viele von ihnen schon seit geraumer Zeit bestehen, noch kein endliches Resultat geliefert haben, scheint an zwei Hauptumständen zu liegen: 1) daß, da sowohl den Commissionen überlassen werden mußte, sich von den Parteien diejenigen Aufklärungen zu verschaffen, deren sie, oft um nur Vergleichsvorschläge machen zu können, bedürfen, als den Parteien offen stehen mußte, sich die Einreichung weiterer Aufklärungen vorzubehalten, die Unmöglichkeit, in der sich die Commission sieht, dazu peremtorische Termine anzusetzen, schon nothwendig eine nicht übersehbare Zögerung veranlassen muß, wie sich dieses fast in einer jeden der bestehenden Commissionen 44 Possessorium summarissimum (lat.): beschleunigter Besitzprozeß (gemeines Recht). Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 231.

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zur Güte gezeigt hat, und so lange zeigen wird, als deßfalls nicht von Seiten des Bundes zu Hülfe gekommen wird, und entweder allgemeine Vorschriften über diese Termine verabredet, oder in jeder einzelnen Sache zum voraus der Termin bestimmt wird, nach dessen Ablauf die Commission bei der Bundesversammlung, die Sache liege, wie sie wolle, ihren Vortrag abstatten muß. 2) Ein zweiter Grund des Hindernisses liegt darin, daß man bei Commissionen dieser Art angenommen hat, daß alle Mitglieder derselben beisammen seyn müssen, und daher, besonders während der Ferien, die Abwesenheit einzelner Mitglieder verhindert hat, in der Arbeit fortzuschreiten. Es würde auch wohl bei Commissionen dieser Art nicht ohne Bedenken seyn, wenn man als Regel festsetzen wollte, daß bei Commissionen von drei Mitgliedern zwei, oder bei denen von fünf schon drei oder vier Mitglieder fortfahren können, wenn dieses letztere auch aus der Analogie hergeleitet werden könnte, auch am Ende als Ausnahme wohl gestattet werden müßte. Allein man würde auf eine andere Weise zu Hülfe kommen können, wenn bei der Wahl der Commissionen durch die Mehrheit der Stimmen, der- oder diejenigen, welche nächst denen, per majora erwählten, ordentlichen Mitgliedern die mehresten Stimmen haben, als Stellvertreter bezeichnet würden, welche, in längeren Verhinderungsfällen der ordentlichen Mitglieder, mit gleichem Rechte zuzuziehen wären, und dürfte es hinreichen, wenn bei Commissionen von drei Mitgliedern ein solcher Stellvertreter, bei Commissionen von fünf aber zwei derselben bezeichnet würden. Bei den Reclamations-Commissionen scheint hierzu kein Grund vorhanden zu seyn, denn da, wie schon oben bemerkt worden, diese nicht zu Abfassung gemeinsamer Beschlüsse, sondern nur zu Vertheilung der Acten bestimmt sind, wenn gleich 45in dem45 Beschlusse vom 14. November 1816 Sess. III festgesetzt worden46, daß die Mitglieder sich das von jedem über die ihm zu Theil gewordenen Gegenstände zu verfassende Gutachten unter einander mittheilen sollen, so scheint doch, daß hierzu auch eine kleinere Zahl anwesender Mitglieder hinreichen könne, und vielleicht nur wünschenswerth, daß ausgesprochen werde, was auch dem bisherigen Verfahren angemessen ist, daß sowohl dem abwesenden Mitgliede seine Acten zugetheilt werden, als auch ein, jetzt nicht in der Commission begriffenes Mitglied eingeladen werden könne, Actenstücke in Vortrag zu nehmen, welche mit den früher von ihm vorgetragenen Acten in Verbindung stehen, und dieses selbst dann geschehen könne, wenn er auch in der Bundesversammlung jetzt nicht am Turnus der Stimmführung für die Curie ist, zu welcher er gehört. 45–45 Emendiert. Vorlage: ind em. 46 Vgl. ProtDBV 1816, 2. Protokoll der 3. Sitzung vom 14. November 1816, § 5, S. 55.

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Geschäftsordnung für die Kommissionen der Deutschen Bundesversammlung

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Da übrigens in dem Einreichungs-Protokoll immer in margine47 bemerkt wird, wann sie zum Vortrag gekommen und was darüber beschlossen worden, so läßt sich daraus schon herausfinden, welche Actenstücke schon referirt und welche noch zurück sind; inzwischen würde es vielleicht gut seyn, wenn bei Ablauf des für die Dauer dieser Commissionen bestimmten Termins die Commission der Bundesversammlung in vertraulicher Sitzung das Verzeichniß der in dieser Epoche eingekommenen und der davon referirten oder noch rückständigen Stücke vorlegte. In Hinsicht der Termine für diese Reclamations-Commission schlägt die Commission vor sie, dreimal im Jahre zu ernennen, zu Ostern bis zu den Sommerferien, von da, bei Wiedereröffnung der Bundesversammlung, bis zu Weihnachten und von da bis Ostern. Dieß hätte noch den Vortheil, daß, weil auf diese Schlußtermine kürzere oder längere Ferien folgen, die Commission noch die in den letzten Tagen des Schlußtermins eingekommenen Gegenstände bearbeiten und um so eher, vor der Wahl einer neuen Commission, die Erledigung aller Eingaben bewirken kann. In diesen verschiedenen Hinsichten schlägt die Commission beiliegenden Entwurf einer Geschäftsordnung für die Commissionen48 vor. Martens  Wangenheim  Berg  Danz

83. Geschäftsordnung für die Kommissionen der Deutschen Bundesversammlung

ProtDBV 1819, 14. Sitzung vom 22. April 1819, Beilage 11, S. [183–185]. Geschäftsordnung. Druckfassung.1 Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 7, 1819, S. 205−208; Klüber (Hrsg.), Quellen-Sammlung zum Oeffentlichen Recht des Teutschen Bundes, S. 272–278; CJCG, Bd. 2, S. 80−82; Droß (Hrsg.), Quellen zur Ära Metternich, S. 74–77 (gekürzt).

Bestimmungen über die Wahl, Zusammensetzung und Arbeitsweise der Kommissionen der Bundesversammlung: unterschiedliche Arten von Kommissionen; Anordnungen zur Sicherstellung einer zügigen Geschäftserledigung; Berichterstattung an die Bundesversammlung; Auflösung nach beendigter Tätigkeit.

47 Lat.: am Rande. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 143. 48 Vgl. Dok. 83.

  1 Die Vorlage trägt den hier weggelassenen Titel „Entwurf zu einer Geschäftsordnung in Betreff der Commissionen“.

Nr. 83

Frankfurt am Main, 29. April 1819

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Frankfurt am Main, 29. April 18192 § 1. Die Wahl aller Commissionen geschieht auf die bisher schon übliche Weise, durch die Mehrheit der Stimmen im engeren Rath, nachdem die Zahl der Mitglieder, welche dieselbe ausmachen sollen, bestimmt worden. § 2. Die Commissionen zu Begutachtung der Privat-Eingaben bestehen, der Regel nach, aus fünf Mitgliedern, und werden diese künftig dreimal im Jahr gewählt werden: 1) zu Ostern, für die Eingaben von Ostern bis zu den Sommerferien, 2) bei Wiedereröffnung des Bundestags, für die Eingaben von Anfang der Ferien bis zu Ende des Jahres, und 3) zu Neujahr, für die Eingaben von Neujahr bis Ostern. Findet sich bei der Zählung der Wahlstimmen eine Stimmengleichheit für zwei oder drei Mitglieder zu Besetzung der fünften Stelle, so werden diese ersucht, falls das Präsidium sich des, in Fällen der Stimmengleichheit, ihm zustehenden voti decisivi3 nicht bedienen will, sich unter einander zu vereinigen, wie sie unter sich in bestimmten Fristen wechseln wollen. Der Zweck dieser Reclamations-Commission ist, nach der schon in der dritten vertraulichen Sitzung vom Jahr 1816 § 5 enthaltenen Bestimmung4, dahin gerichtet, daß die Mitglieder 1) die Eingaben unter sich vertheilen, 2) sich das von jedem über die ihm zu Theil gewordenen Gegenstände zu verfassende Gutachten der Regel nach unter einander mittheilen, 3) ein jeder das seinige, nach vorläufiger Rücksprache mit dem Präsidio, der Versammlung vortrage. Zu Beförderung der Geschäfte wird jedoch hierbei festgesetzt: 1) daß in Fällen von Verhinderung eines oder zweier der ernannten Mitglieder die übrig bleibenden in ihren Arbeiten und zu verabredenden regelmäsigen Zusammenkünften fortfahren können, sofern nur drei der Mitglieder gegenwärtig sind; 2) daß die Commission befugt ist, offenbar unerhebliche oder unzulässige Eingaben sofort zu beseitigen, und davon nur in der nächsten vertraulichen 2 Der Entwurf zur Geschäftsordnung wurde eingebracht in der 14. Sitzung vom 22. April 1819 und genehmigt in der 15. Sitzung vom 29. April 1819; ProtDBV 1819, § 65, S. 193. Daraus ergibt sich freilich keine doppelte Datierung, wie Droß (Hrsg.), Quellen zur Ära Metternich, S. 74 f. Anm. 1, annimmt. 3 Votum decisivum (lat.): entscheidende Stimme. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 302. 4 Vgl. ProtDBV 1816, 2. Protokoll der 3. Sitzung vom 14. November 1816, § 5, S. 55.

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Geschäftsordnung für die Kommissionen der Deutschen Bundesversammlung

Nr. 83

Sitzung der Bundesversammlung die Anzeige zu machen, damit dieses in den Registern eingetragen werde; 3) daß die Commission sich bei Vertheilung der Acten unter sich vereinigen könne, welche Sachen ihr erheblich genug scheinen, um erst die Mittheilung des Vortrags in der Commission zu begehren, welche Sachen hingegen ihr so wenig erheblich oder so wenig zweifelhaft scheinen, daß der Referent, auch ohne weitere Rücksprache mit ihr, sie in der Bundesversammlung zum Vortrag bringen könne; 4) daß bei Vertheilung der Acten solche Actenstücke, welche mit einem schon früher ausgetheilten oder referirten in genauer Verbindung stehen, dem vorigen Referenten selbst dann zugeschrieben werden können, wenn er für den Augenblick kein Mitglied der Commission wäre, und dermalen in dem engern Rath die Stimmführung für die Curie, zu welcher er gehört, nicht an ihm wäre. Nach Endigung des für diese Commission bestimmten Zeitraums hat dieselbe der Bundesversammlung in der nächsten vertraulichen Sitzung ein Verzeichniß der in diesem Zeitraum eingekommenen und referirten Actenstücke, mit Bemerkung derer, wovon der Vortrag noch zurück ist, unter Anführung der Gründe dieser Verzögerung, vorzulegen. § 3.

Bei Commissionen, welche 1) zu Vorbereitung allgemeiner Gesetze des Bundes, oder 2) zu Erörterung und Festsetzung der Verbindlichkeiten, welche dem Bunde aus den, vor Entstehung des Bundes, in Deutschland bestandenen Verhältnissen gemeinsam zur Last fallen können, oder auch 3) zu Begutachtung der Reclamationen derjenigen Individuen, Corporationen und Classen, für welche die Bundes- oder Congreßacte ausdrücklich Bestimmungen und Hinweisungen enthält, ernannt werden, läßt sich zwar weder die Zahl der Mitglieder, noch die bestimmte Zeit, für welche sie ernannt werden, allgemein zum voraus festsetzen, vielmehr ist dieses in jedem einzelnen Falle nach Maasgabe der Wichtigkeit und des Umfangs der Geschäfte zu beurtheilen; jedoch wird in Ansehung derselben zum voraus festgesetzt: 1) daß keine derselben in eine permanente Commission zu verwandeln sey; 2) daß, zu Beförderung des Geschäfts, einzelnen Mitgliedern in Verhinderungsfällen frei stehe, ein anderes Mitglied der Commission an ihrer Stelle zu substituiren, sofern nur bei Commissionen von drei Mitgliedern zwei, bei Commissionen von einer größeren Zahl aber mindestens die Mehrzahl der Mitglieder gegenwärtig ist; 3) daß die Commission, wo nicht früher, doch mindestens jedesmal nach Ablauf von zwei Monaten, die Bundesversammlung von den von ihr gemachten Fortschritten in Kenntniß zu setzen habe.

Nr. 83

Frankfurt am Main, 29. April 1819

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§ 4. Bei Commissionen, welche zum Versuch der Güte in Streitigkeiten der Bundesglieder unter einander oder in Fällen ernannt werden, wo es auf die Vollziehung des unter die Garantie des Bundes gestellten ReichsdeputationsSchlusses von 1803 und auf die Regulirung des aus selbigem hervorgehenden Schulden- und Pensionswesens der Bundesglieder ankommt5, ist zwar auch die Zahl der Mitglieder und die Dauer der Commission mit Rücksicht auf die Wichtigkeit und den Umfang des Geschäfts anzuordnen. Um jedoch, soviel thunlich ist, die Erfüllung des dabei beabsichtigten Zwecks zu befördern, wird festgesetzt: daß 1) eine jede Commission dieser Art in der nächsten, auf ihre Ernennung folgenden förmlichen Bundestags-Sitzung ihre erfolgte Constituirung der Versammlung anzuzeigen habe; 2) daß in Fällen, wo sie noch Aufklärungen von dem einen oder anderen Theile zu begehren hat, oder diese von einem der Parteien angeboten oder vorbehalten werden, die Commission zu Beibringung derselben eine den Umständen angemessene, möglichst kurze Frist dazu bestimmen, nach deren erfolglosen Ablauf sie die Bundesversammlung davon in Kenntniß setze, damit diese sich für die Wegräumung dieses Hindernisses verwenden könne. Überhaupt aber 3) die Commission, wo nicht früher, mindestens nach Ablauf von zwei Monaten seit ihrer Ernennung, die Bundesversammlung von der Lage, in welcher die Sache sich befindet, in Kenntniß setze, damit auch so lange fortfahre, bis sie entweder von der zu Stande gebrachten gütlichen Vereinbarung, oder von der vereitelten Hoffnung, diese zu bewirken, ihren Vortrag bei der Bundesversammlung abstatten könne. 4) Da auch bei Commissionen dieser Art um so mehr dahin zu trachten ist, daß durch Verhinderungen einzelner Mitglieder der Commission das Geschäft nicht in Stockung gerathe, als nach der Natur der Sache hier eine Substitution eines anderen Mitgliedes nicht wohl statt findet, so wird festgesetzt, daß bei der Wahl von Commissionen dieser Art, nachdem die vorgeschriebene Zahl der Mitglieder durch Mehrheit der Stimmen ernannt worden, der, oder diejenigen, welche nächst diesen die mehresten Stimmen haben, notirt und als Stellvertreter dieser Commissionen in längeren Verhinderungsfällen eines einzelnen ordentlichen Mitgliedes in der Reihe, welche sich aus der Zahl der Stimmen, die sie gehabt haben, ergiebt, eintreten, unter der Voraussetzung, daß auch sie nicht durch ihre Verhältnisse an eine[r] Theilnahme an diesem Geschäft verhindert werden. 5 Vgl. Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803, abgedr. in: Huber (Hrsg.), Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 1–28, hier bes. S. 25–27 (§§ 77–84).

336

Geschäftsordnung für die Kommissionen der Deutschen Bundesversammlung

Nr. 83

Es sind jedoch bei Commissionen von drei nur ein, bei Commissionen von fünf nur zwei solcher Stellvertreter zulässig, damit die Mehrheit der Commission aus den zunächst erwählten Mitgliedern bestehe. Sollte aber, bei eintretendem Hinderniß dieser Stellvertreter, die ursprünglich beabsichtigte Zahl der Commissions-Mitglieder nicht ergänzt werden können, so ist die Commission dennoch in ihrem Geschäft fortzufahren befugt, so lange nur, ohne Beihülfe dieser Stellvertreter, die Mehrheit der ordentlichen CommissionsMitglieder anwesend ist. § 5. Die Reclamations-Commissionen endigen mit vollendetem Vortrag über sämmtliche, zu ihrer Erörterung verstellten Eingaben. Alle andern Commissionen endigen mit dem6 von ihnen an die Bundesversammlung abgestatteten Schlußbericht. Sollten alsdann die Umstände noch eine fernere commissarische Bearbeitung dieses Gegenstandes erfordern, so ist eine neue Commission zu ernennen oder die vorige ausdrücklich zu verlängern. Nach Beendigung einer Commission hat derjenige, der in selbiger den Vorsitz geführt hat, dafür zu sorgen, daß die Acten derselben zur Bundes-Canzlei abgeliefert werden. Ebenmäsig hat dieser dafür Sorge zu tragen, daß, im Fall ein Mitglied der Commission abgeht, die in dessen Händen befindlichen Actenstücke an die Commission zurück geliefert werden.

6 Emendiert. Vorlage: den.

3. Abstimmungsmodalitäten in der Deutschen ­Bundesversammlung

Nr. 84

Frankfurt am Main, 29. März 1819

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84. Kurhessischer und hessen-darmstädtischer Antrag auf genaue Bestimmung, wann Stimmenmehrheit in der Bundesversammlung entscheide

ProtDBV 1819, 12. Sitzung vom 29. März 1819, § 40, S. 131−132. Antrag. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 7, 1819, S. 126−127.

Kritik beider Hessen am Bundesbeschluß vom 11. März 1819 über die Bildung des 8. und 9. Armeekorps, wodurch die kurhessischen und die hessen-darmstädtischen Bundestruppen unterschiedlichen Heeresabteilungen zugeordnet werden. Beide Monarchen erklären sich im Interesse der Eintracht des Bundes zwar bereit, diese Regelung einstweilen bis zu einem endgültigen Beschluß über die Bundesmatrikel anzunehmen, erachten es jedoch für dringend, baldmöglichst eine genaue Bestimmung darüber zu treffen, wann Stimmenmehrheit in der Bundesversammlung entscheide, um einen ähnlich gelagerten Konfliktfall in der Zukunft zu vermeiden.

Frankfurt am Main, 29. März 1819 Die beiden Hessischen Gesandten erfüllen die Befehle ihrer höchsten Höfe, indem sie die, in der Sitzung vom 11. März vorbehaltene Erklärung1 folgendermaßen zum Protocoll der Bundesversammlung geben: Es ist hinlänglich ausgeführt, daß Ihre Königliche Hoheiten ein Einschreiten der Mehrheit in einer Angelegenheit, wobei es vor Allem auf Erfüllung organischer Normen ankommt, keineswegs für bindend halten können. Und der, durch einhellige Zustimmung zum Bundesgesetz erhobene Beschluß vom 9. April 18182 hat die gehörige Beachtung geographi­scher und verwandtschaftlicher Verhältnisse bei der Bildung des Bundesheeres vorgeschrie­ben. In dieser gedoppelten Hinsicht haben die beiden Hessen ein vollständig ­erworbenes Recht, auf der Vereinigung ihrer Truppen in Einer Heeres­ab­ theilung fest zu bestehen; und daß eine Trennung derselben zum Besten des Ganzen nöthig sey, ist, mehr als genügend, widerlegt; so wie durch ihre Verbindung – unter andern nicht zur gehörigen Erörterung gekommenen ­ ­Gründen, der wichtigste – die Idee einer Scheidungslinie zwischen Nord- und Süd-Deutschland verschwinden würde. Ausserdem ist es der liebste und herzlichste Wunsch Ihrer Königlichen Hoheiten, die Contingente der beiden benachbarten stammverwandten Staaten in Eine Division vereiniget zu sehen. Mithin bedarf es keiner Schutzrede, daß Sie mehreren entgegengesetzten Wünschen, so sehr Sie solche achten, das Opfer ihres Rechts und Ihrer Ueberzeugung versagten, und es [als] ein hinlängliches Opfer erachteten, einer jeden Bestimmung beizutreten, welche in der Heeres­abtheilung die beiden Hessen vereinet. 1 Vgl. ProtDBV 1819, 9. Sitzung vom 11. März 1819, § 31, S. 105−108. 2 Vgl. ProtDBV 1818, 16. Sitzung vom 9. April 1818, § 84, S. 219−221, hier S. 220.

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Hardenberg und Bernstorff an Goltz

Nr. 85

Wenn dessen ungeachtet die Mehrheit der Stimmen sich für berechtiget gehalten hat, durch einen Beschluß die Hessischen Truppen zu trennen, so müssen Ihre Königliche Hoheiten Ihr innigstes Bedauern darüber aussprechen, daß dieß gegen zwei achtungswerthe Glieder des Bundes, vor den Augen von ganz Deutschland, geschehen konnte. Der Bundes-Eintracht allein, finden beide Regenten sich bewogen, ein patriotisches Opfer Ihrer Nachgiebigkeit zu bringen. Als solches hoffen Ihre Königliche Hoheiten es gewürdiget zu sehen, wenn Sie, der Mehrheit der Stimmen einstweilen beitretend, eine, von mehreren Seiten baldigst gewünschte Uebereinkunft durch den einmüthigen höchsten Beschluß möglich machen: daß Seine Königliche Hoheit der Kurfürst und Seine Königliche Hoheit der Großherzog, unter Vorbehalt des, nach Ihrer vollständigsten Ueberzeugung, verfassungsmäsigen Rechts zur zeitigen Wiedervereinigung Ihrer Contingente, den von der Mehrheit in der neunten Sitzung gefaßten Beschluß3, in Gemäßheit des daselbst gemachten Vorschlags der Königlich-Würtembergischen Gesandtschaft4, als einstweilen geltende Verfügung, und zwar bis zu dem Zeitpunct annehmen, wo auch über die jetzige Bundesmatrikel ein endlicher Beschluß gefaßt werden soll. Zugleich erachten es Ihre Königliche Hoheiten für dringend, daß baldmöglichst eine ganz genaue Bestimmung darüber entstehe, wann Stimmenmehrheit entscheide, auf daß nicht ferner ein ähnlicher Fall eintrete, da die betheiligten Glieder nicht immer geneigt seyn möchten, der Eintracht des Bundes ihr Recht zu opfern.

85. Hardenberg und Bernstorff an Goltz

GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 263. Weisung. Behändigte Ausfertigung.

Dem österreichischen Vorschlag, daß bei Beschlüssen über Modalitäten zu organischen Einrichtungen die Majorität entscheide, ist weder von preußischer Seite noch von anderen deutschen Höfen eine ausdrückliche Zustimmung erteilt worden und man müsse sich auch davor hüten, den von Österreich vorgeschlagenen Grundsatz formell auszusprechen und zu beschließen. In dem Beschluß über die Korpseinteilung sei im übrigen nicht gesagt, daß die Bundesversammlung durch die Mehrheit, sondern nur daß die Mehrheit beschließe. Gebe die Minderheit der Majorität nach, ende die Abstimmung faktisch so, als ob ein einmütiger Beschluß zustandegekommen sei. Bleibe die Minderheit jedoch bei ihrem Widerspruch gegen den Mehrheitsbeschluß, 3 Vgl. ProtDBV 1819, 9. Sitzung vom 11. März 1819, § 31, S. 110 f. 4 Vgl. ebd. S. 109.

Nr. 85

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Berlin, 30. März 1819

dann entstehe die Frage, welche Wirkung dieser in Beziehung auf die Minderheit habe. Durch den zwischenzeitlich erfolgten Beitritt Kurhessens zum Mehrheits­ beschluß über die Korpseinteilung sind die Schwierigkeiten im Hinblick auf den ­Abstimmungsmodus vorerst beseitigt.

Berlin, 30. März 1819 Ew. Excellenz machen in dem Berichte vom 22ten März d. J.1 womit Sie das Protokoll der 9ten Sitzung2 einreichen, auf die Folgen aufmercksam, welche der über die Corps Eintheilung gefaßte Beschluß und die dabei der Majorität beigelegte Entscheidung in künftigen ähnlichen Fällen äußern können. Ueber den von Oesterreich vorgeschlagenen Grundsaz, daß wegen der Modalitäten zu organischen Einrichtungen die Majorität entscheide3, ist weder von unserm, noch von den andern deutschen Höfen eine ausdrückliche Beistimmung erfolgt; es ist auch in dem gefaßten Beschluß in keiner Art eine Beziehung darauf geschehen, und man kann daher nicht sagen, daß die­jenigen Staaten welche an dem Beschluße der Majorität Theil genommen, deshalb den Grundsaz in der von Oesterreich vorgeschlagenen Art gebilligt haben. Es ist ferner auch in dem Beschluße nicht gesagt, daß die Bundesversammlung durch die Mehrheit, sondern daß die Mehrheit beschließe. Ueber die Verpflichtung der beiden Heßen dem Beschluße beizutreten, schweigt derselbe. Wenn sie bei ihrem Widerspruch gegen eine so große Majorität beharren, so entsteht nun erst die Frage, welche Wirckung dem Beschluße auch in Beziehung auf sie gegeben werden soll; verstehen sie sich aber dazu der Majorität nachzugeben, so endigt die Sache mit einem Resultate als wenn nun ein einmüthiger Beschluß zu Stande gekommen sey. In diesem Zusammenhange kann das gegebene Beispiel eines Beschlußes der Majorität für künftige Fälle nicht nachtheilig werden. Man muß sich nur hüten den von Oesterreich vorgeschlagenen Grundsatz formell auszusprechen und zu beschließen, wollte man der Majorität keine Entscheidung geben, so würde man, weil es bei keinem Punckte an Dißentirenden fehlen wird, mit der Bundes Militair-Verfaßung nie zum Schluße kommen. Auch fordert es eine kluge Erwägung, wann und unter welchen Bedingungen die Majorität so überwiegend und einflußreich anzusehen, daß man mit Sicherheit den Beschluß nach ihr ziehen kann, oder wenn eine fortgesezte Verhandlung vorzuziehen scheint, damit nicht eine Minorität entstehe, die zu einer Spaltung im Bunde führen könne. 1 Vgl. GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 93 (Konzept). 2 Vgl. ProtDBV 1819, 9. Sitzung vom 11. März 1819, § 31, S. 105–116. 3 Vgl. ebd. S. 110.

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Bernstorff an Goltz

Nr. 86

Durch die Erklärung welche die Heßischen Gesandten in ihrer gemeinschaftlichen Abstimmung in der 9t[en] Sitzung gegeben haben4, ist es endlich für sie, wie auch Ew. Excellenz in dem Berichte vom 23ten März bemercken, beinahe unmöglich geworden, ohne die größte Inkonsequenz der Entscheidung der Majorität über die Corps Eintheilung länger zu widerstreben. C. F. v. Hardenberg    Bernstorff P. S. Nach der Abfaßung des obigen Schreibens ward von dem Churheßischen Gesandten Herrn von Lorenz5 hieselbst die Nachricht mitgetheilt, daß der Churfürst seine Pro­ testation zurückgenommen habe, und der Mehrheit beigetreten sey. Alle Schwierigkeiten scheinen also vorerst gehoben. Hg    B.

86. Bernstorff an Goltz

GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 263. Weisung. Behändigte Ausfertigung.

Die Entscheidung der Frage, in welchen Fällen bei organischen Einrichtungen die Mehrheit entscheiden solle, bedeutet nicht, die Bestimmung von Artikel 7 der Bundesakte, wonach da, wo es auf organische Bundeseinrichtungen ankommt, weder im Engern Rat noch im Plenum des Bundestags ein Beschluß durch Stimmenmehrheit gefaßt werden könne, aufzuheben. Andererseits sei aber zu bedenken, daß jede organische Einrichtung einzelne Bestimmungen nötig mache, bei denen es so gut wie unmöglich sei, eine völlige Übereinstimmung aller herbeizuführen. Im Allgemeinen werde es zwar schwer sein, Grundsätze aufzustellen, wann bei organischen Einrichtungen einzelne Staaten sich dem Beschluß der Majorität unterwerfen sollen, doch werde man sich bald über folgende Punkte verständigen: 1. Jede organische Ein­ richtung erfordert, Mittel und Wege zu finden, wie die Idee am besten auszuführen ist. 2. Bei Einrichtungen, welche der Idee nach von der Bundesakte vorgeschrieben sind oder über die man sich im Allgemeinen einmütig geeinigt hat, kann deren Existenz 4 Vgl. ProtDBV 1819, 9. Sitzung vom 11. März 1819, § 31, S. 105−109. 5 Richard (seit 1811) von Lorentz (1759–1820), kurhessischer Geheimer Kriegsrat, 1803−1814 Ministerresident in London, 1816−1820 Gesandter und bevollmächtigter Minister in Berlin, 1818/19 zugleich Geschäftsträger in München. Vgl. Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 199 f.; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1863, S. 246 u. 248; BTB 1883, S. 322; GGT B 1907, S. 499.

Nr. 86

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Berlin, 20. April 1819

und Feststellung nicht von den Bedenken einzelner Bundesglieder abhängig gemacht werden. 3. Bleibt bei der Entwicklung und Ausführung einer organischen Einrichtung nach allgemeiner erschöpfender Diskussion nur ein einziger Vorschlag übrig, muß der dissentierende Staat seinen Widerspruch fallen lassen. 4. Diese Nachgiebigkeit ist für den Dissentierenden ohne alle Gefahr, da die Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der Bundesstaaten gewährleistet und die Nachgiebigkeit auf Konvenienzen beschränkt ist. 5. Anwendung dieser Punkte auf den aktuellen Fall der Korpseinteilung des Bundesmilitärs: Notwendigkeit, die Kontingente aller deutschen Staaten einem bestimmten Korps zuzuteilen; hätten sich beide Hessen nicht dem Mehrheitsbeschluß gebeugt, hätten sie sich in völligen Widerspruch zu dem Beschluß über die Gesamtheit der Bundesmacht und über die Einteilung in Korps gestellt und diesen außer Wirksamkeit gesetzt, was bei einem verfassungsmäßigen Beschluß nicht geschehen darf. Gibt Goltz anheim, sich im Sinne dieser Bemerkungen über den Gegenstand zu äußern.

Berlin, 20. April 1819 So sehr es zu wünschen gewesen wäre, wie auch Ew. Excellenz in dem ­Berichte vom 6ten April d. J. bemerken, daß eine Erörterung über die Frage, in welchen Fällen bei organischen Einrichtungen die Mehrheit entscheiden solle, zur Zeit noch hätte ausgesetzt bleiben können, so muß doch die Unsicherheit der Meynungen, welche sich neuerdings bei dem von Seiten der beiden Hessen gegen den Beschluß der Mehrheit über die Corps-Eintheilung eingelegten Widerspruch kund gethan hat1, das Bedürniß einer nähern Vereinigung über diesen Punkt bei sämtlichen Gesandtschaften zu einem gedeyhlichen Fortgang der weitern Berathung recht fühlbar gemacht haben. Ew. Excellenz haben den in der 12ten Sitzung gefaßten Beschluß, daß dem Antrage, zu bestimmen, wann die Stimmenmehrheit entscheide, Folge zu geben sey,2 in dem Berichte vom 10ten April d. J.3 mit Bemerkungen begleitet, welchen ich in allem Wesentlichen beystimme. Es kann zuvörderst nicht davon die Rede seyn, den Grundsatz, welchen die Bundes Akte im Artikel 7 enthält, daß, wo es auf organische Bundeseinrichtungen ankomme, weder in der engern Versammlung noch in pleno ein Beschluß durch Stimmenmehrheit gefaßt werden könne,4 aufzuheben. Von der andern Seite ist aber auch zu erwägen, daß, da jede organische Einrichtung eine Menge einzelner Bestimmungen nöthig macht, bei 1 Vgl. Dok. 84. 2 Vgl. ProtDBV 1819, 12. Sitzung vom 29. März 1819, § 40, S. 140. 3 Vgl. GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 263 (Konzept). 4 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511.

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Nr. 86

denen allen es so gut wie unmöglich ist, auf völlige Uebereinstimmung der Ansichten zu rechnen, man hiebei eine Auskunft finden oder die Bildung der organischen Einrichtungen ganz aufgeben muß. Ohne jene organischen Einrichtungen hat jedoch der Bund selbst weder Bestand noch Wirkung, die alle deutschen Staaten den Wunsch und das Interesse haben, ihm zu geben. Im Allgemeinen wird es schwer seyn, die Grundsätze aufzustellen, wann bei organischen Einrichtungen einzelne deutsche Staaten dem Beschlusse der Majorität ihre abweichenden Ansichten und Wünsche unterwerfen sollen. Doch wird man sich über folgende Punkte bald einverstehen: 1. Jede organische Einrichtung fordert eine Reihe von Gliedern, welche, von dem Allgemeinen zu dem Besondern mehr und mehr sich entwickelnd, bis zu dem Moment fortgehen, wo die Einrichtung selbst ihre beabsichtigte Existenz und Wirksamkeit erhält. Eine gemeinsame Idee, von welcher man ausgeht, und ein gemeinsamer Zweck, den man erreichen will, bestimmen die Aufgabe. Die Lösung derselben kann nichts anders wollen, als die Mittel und Wege zu finden, wie für das Interesse aller Bundesstaaten am besten die Idee auszuführen und der Zweck zu erreichen ist. 2. Bei Einrichtungen, welche der Idee nach von der Bundes Akte vorgeschrieben sind oder über welche man sich einmüthig für den Zweck des Bundes im Allgemeinen vereiniget hat, kann die Existenz und Feststellung der­ selben von Schwierigkeiten und Bedenken, welche sich von Seiten einzelner Staaten bei Entwickelung der Mittel und Wege äußern, absolut nicht abhängig gemacht werden. Wohl aber kann jeder Staat verlangen, daß das Interesse, welches er hat, und die Vorschläge, welche er darauf gründet, wohl erwogen werden; daß man einen Ausweg suche, wie ihm eine größere Aufopferung durch eine geringere Nachgiebigkeit von Seiten eines und des andern der ­übrigen Bundesstaaten zu ersparen sey; daß man Vorschläge mit Vorschlägen vergleiche, modificire und an einander passe, bis man sich überzeugt, man habe alle Mittel der Vergleichung und Vereinigung erschöpft, und nur eine Bestimmung, ein Grundsatz, ein Plan bleibe übrig, welcher, indem er die Interessen der Mehrheit zufrieden stellt, zur Erfüllung der Wünsche der Dissentirenden am wenigsten noch übrig läßt. 3. Wie erscheint unter diesen Umständen der Widerspruch der dissentirenden Staaten gegen den Beschluß der Majorität? Gegeben ist die Idee der organischen Einrichtung entweder durch die Bundes Akte selbst, oder durch einen spätern einmüthigen Beschluß der Bundesstaaten. Ist nun bei der Entwickelung und Ausführung derselben, indem man von dem Allgemeinen zu dem mehr und mehr Besondern fortschreitet, über eine oder die andere Bestimmung keine allgemeine Vereinigung zu bewirken, und es bleibt nur ein ­solcher Vorschlag als Resultat einer erschöpfenden Discussion übrig, als er vorhin unter 2. bestimmt ist, so lassen sich nur drei Fälle denken, wie der

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­ iderspruch der Dissentirenden zu beseitigen ist. Man kann nemlich zuerst W das Glied in der Reihe der Entwickelung, wobei keine Unanimität zu Stande gekommen, ganz ausfallen lassen. Wäre dies möglich gewesen, ohne die Idee der organischen Einrichtung und ihre Ausführung überhaupt aufs Spiel zu setzen, so würde man schon bei der unter 2. gedachten Operation des Vergleichens und Erwägens darauf gekommen seyn und man hätte einen Beschluß, wodurch eine Majorität einer Minorität gegenüber gestellt wird, ganz vermieden. So aber mußte man die Ueberzeugung fassen, daß ohne Nachtheil für das Interesse des Bundes im Ganzen irgend eine Bestimmung in der Reihe und an dem Ort, als der Widerspruch sich kund gethan, nicht unterbleiben darf. Wollte in einer solchen Collision ein dissentirender Bundesstaat verlangen, daß seinem besondern Interesse das Interesse des Bundes überhaupt aufgeopfert werde, so bewiese er dadurch, daß ihm das letztere geringer gelte, als der besondere Wunsch, welchen er gerade zu erreichen beabsichtiget, daß der Bund insoweit keinen Bestand und Wirkung haben solle, und wenn gleichwohl die Majorität ihm diesen Bestand und diese Wirkung zu geben für nöthig hält, daß er sich von den übrigen und von dem Bunde selbst absondern wolle. Durch den Eintritt in den Bund, welcher nach Artikel 1 der Bundes Akte „ein beständiger“ seyn soll5, ist aber eine solche Absonderung schon ausgeschlossen. Zweitens könnte der Widerspruch eines dissentirenden Bundesstaats dadurch gehoben werden, daß andere Bundesstaaten, mit Aufopferung ihres Interesse, sich in dessen Wünsche fügen. Nach der Voraussetzung, die man in Folge der gründlichen Discussion und Erwägung, wovon oben unter 2. die Rede gewesen ist, machen muß, wäre aber die Aufopferung, welche von einem oder dem andern Staat in diesem Falle gefordert wird, größer als die Nachgiebigkeit, welche es den dissentirenden Staat kosten kann, wenn er seinen Widerspruch fallen läßt. Ist der dissentirende billig und gerecht, so kann er unter solchen Umständen eine Aufopferung von andern Bundesgliedern nicht verlangen; einem unbilligen und ungerechten Verlangen können auch ebensowenig die übrigen Bundesstaaten das Wort reden. Es bleibt daher drittens zur Beseitigung des Widerspruchs in einem Falle, wo eine Bestimmung getroffen werden muß, kein anderer Ausweg übrig, als daß der dissen­ tirende Staat ihn fallen lasse. Durch die Erklärung, womit er sich zu einem beständigen Bunde vereiniget hat, ist von ihm eine Nachgiebigkeit in der­ gleichen Fällen zum voraus zugestanden. 4. Sie ist auch für ihn ohne alle Gefahr. Denn da der Bund zur Erhaltung der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten geschlossen ist, so darf keiner besorgen, daß in den Fällen, wovon allein die Rede ist, die Majorität ihm etwas anmuthen werde, wobei seine Unabhängig5 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508.

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Bernstorff an Goltz

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keit oder Unverletzbarkeit irgend gefährdet würde. Die Nachgiebigkeit wird immer in einer Cathegorie in Anspruch genommen werden, welche mehr oder minder die Natur der Convenienzen hat. Ist nur in allen Gliedern des Bundes das Gefühl und Interesse für ihn und sein Gedeyhen recht lebendig, so wird sich darüber kein langer und hartnäckiger Streit erzeugen. 5. Das Bisherige wird noch mehr Licht gewinnen, wenn man ihm auf den Streit eine Anwendung giebt, welcher jüngst wegen der Corps Eintheilung Statt gefunden hat. Man hatte sich allgemein über eine Gesammtheit der Kriegsmacht des Bundes vereiniget6; eine solche muß daher zur Ausführung gebracht werden. Eine gleiche Vereinigung war darüber geschehen, daß diese gesammte Macht in Corps eingetheilt werden sollte; die Contingente aller deutschen Staaten mußten daher zu bestimmten Corps gewiesen werden. Nachdem man mancherlei Vorschläge über die besondere Vertheilung discutirt und die meisten Staaten, besonders aber die größern, in Wünschen und Convenienzen aus ihrem Standpunkte sich nachgiebig bezeigt hatten, erkannte man am Ende, daß kein Plan die Interessen aller mehr vereinige, und keiner geringere Aufopferungen anmuthe, als welchen zuletzt eine so überwiegende Majorität angenommen hat. Hätten sich die beiden Hessen dem Beschluß derselben nicht gefügt, so konnten sie sich an gar kein Corps anschließen, weil sie nur zu demjenigen zugelassen wurden, welchem der Beschluß der Majorität sie zutheilte; ihre Contingente hätten gar nicht zur deutschen Bundesmacht gehört, weil sie in dieser nur mittelst einer bestimmten Corpsabtheilung begriffen seyn können; beide Staaten wären mit dem Beschluß über die Gesammtheit der Bundesmacht und über die Eintheilung in Corps, die sie mit allen andern deutschen Staaten gewollt, in völligen Widerspruch gerathen und hätten ihn für sich außer Wirksamkeit gesetzt, was mit einem verfassungsmäßigen Beschlusse nicht geschehen darf. Ew. Excellenz stelle ich ergebendst anheim, im Sinne dieser Bemerkungen über die wegen Entscheidung durch Stimmenmehrheit gestellte Frage sich erklären zu wollen. Bernstorff

6 Vgl. Bundesbeschluß über die Militärverhältnisse des Deutschen Bundes, Frankfurt am Main, 9. April 1818, ProtDBV 1818, 16. Sitzung vom 9. April 1818, § 84, S. 219−221, hier S. 220.

Nr. 87

Frankfurt am Main, 14. Juni 1819

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87. Österreichischer Vorschlag auf Entscheidung von Modalitäten organischer Bundeseinrichtungen durch Zweidrittelmehrheit

ProtDBV 1819, 21. Sitzung vom 14. Juni 1819, § 115, S. 370−371. Antrag. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 8, 1819, S. 80−81.

Antrag der hessischen Häuser auf genaue Bestimmung, wann Stimmenmehrheit in der Bundesversammlung entscheide. Vorschlag Österreichs, daß bei Entscheidungen über Modalitäten organischer Bundeseinrichtungen ein Beschluß mit Zweidrittelmehrheit im Engeren Rat der Bundesversammlung ausreichend sein solle, sofern eine solche verstärkte Mehrheit mehr noch als die absolute Majorität, mit der man vollkommen einverstanden sei, als dem Geist der Bundesakte und der in Artikel 7 aufgestellten Regel, wonach bei organischen Bundeseinrichtungen die Stimmenmehrheit zur Fassung eines Beschlusses nicht hinreichend sein solle, analoger betrachtet und vorgezogen werden sollte. Interesse des Kaisers am Gedeihen der ­Bundesverfasssung und an der Abwendung jeder Auflösung des Nationalbandes. Die Festsetzung organischer Einrichtungen von der Stimmeneinhelligkeit abhängig zu machen, würde bedeuten, gegen die Erfüllung der Bundesakte zu stimmen. Aufgabe des Bundestags, eine subsidiäre Basis zu finden, um wenigstens zur Feststellung jener organischen Einrichtungen zu gelangen, die durch die Bundesakte ausdrücklich vorgeschrieben sind. Wünschbarkeit einer genauen Festsetzung des Begriffs der jura singulorum.

Frankfurt am Main, 14. Juni 1819 In Gemäßheit des in der 12. dießjährigen Sitzung gefaßten Beschlusses1 liegt uns ob, dem in derselben Sitzung von den Kurfürstlich- und GroßherzoglichHessischen Höfen gemachten Antrage, auf „daß baldmöglichst eine ganz genaue Bestimmung darüber entstehe, wann Stimmenmehrheit ent­scheide“2, Folge zu geben. Nachdem nun seit diesem gefaßten Beschlusse bereits eilf Wochen abgelaufen sind, ohne daß über die demselben zu gebende Folge irgend eine Erklärung zu Protokoll zu geben verlangt worden wäre, so halte ich es für angemessen, anheim zu geben, auf welche Weise hierzu geschritten werden wolle? So viel die Ansichten meines allerhöchsten Hofes über diesen Gegenstand betrifft, so liegen sie schon in meiner ersten dießjährigen Abstimmung auf das klarste ausgesprochen vor; wenn sich indessen in derselben lediglich darauf beschränkt wird, die Stimmenmehrheit bei allen Fragen, wo es auf die Festsetzung von Modalitäten organischer Bundes-Einrich1 Vgl. ProtDBV 1819, 12. Sitzung vom 29. März 1819, § 40, S. 140: „daß es bei dem in der 9. Sitzung vom 11. März d. J. gültig gefaßten Beschlusse sein Verbleiben, und die Frage wegen der Corps-Eintheilung sonach ihre Erledigung erhalten habe; daß hingegen dem Antrage, zu bestimmen, wann die Stimmenmehrheit entscheide? Folge zu geben sey.“ 2 Vgl. Dok. 84.

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Badischer Antrag auf Wahl einer Kommission

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tungen ankommt, als entscheidend zu achten3, so wollten Seine Majestät damit nur andeuten, daß Allerhöchstsie Sich Ihrerseits auch mit der absoluten Majorität vollkommen beruhigen würden, keineswegs aber nur diese Entscheidungsart empfehlen; Sie würden Sich gewiß eben so gerne für eine auf ⅔tel der Stimmen der engern Versammlung verstärkte Mehrheit aussprechen, wenn man diese Weise − ausgehend von der im Artikel 7 der Stiftungsurkunde aufgestellten Regel, daß, wo es auf organische Bundes-Einrichtungen ankommt, die Stimmenmehrheit zur Fassung eines Beschlusses nicht hinreichend seyn solle − als dem Geiste der Bundesacte analoger betrachten, und daher vorziehen sollte. Dem Kaiser ist nur um das Gedeihen der Bundesverfassung und demnach um die Abwendung jeden Stoffes zur Auflösung des Nationalbandes zu thun; die Festsetzung organischer Einrichtung durchaus von der Stimmen-Einhelligkeit abhängig machen wollen, würde eben so viel heissen, als gegen die Erfüllung der Bundesacte stimmen, da wir uns nicht verbergen können, daß, wenn auch die Stifter des Bundes die Stimmen-Einhelligkeit wirklich vorausgesetzt hätten, es darum doch nicht weniger unsere theure Pflicht seyn würde, die gegen diese Voraussetzung gemachten Erfahrungen dazu zu benutzen, eine subsidiäre Basis aufzufinden, um zur Wesenheit, das ist, wenigstens zur Feststellung jener organischen Einrichtungen, zu gelangen, welche uns ausdrücklich vorgeschrieben ist. Es wird hier wohl am rechten Orte seyn, den Wunsch auszudrücken, daß man den mit den juribus singulorum zu verbindenden Begriff möglichst festsetze; sollte nicht zuvörderst eine unumwundene Nachweisung des wahrhaft Eigenthümlichen, welches die Behauptung begründen muß, daß es sich um ein solches Recht handle, erfordert werden?

88. Badischer Antrag auf Wahl einer Kommission zur Begutachtung der Frage, wann Stimmenmehrheit in der Bundesversammlung entscheide, und diesbezüglicher Beschluß

ProtDBV 1819, 21. Sitzung vom 14. Juni 1819, § 115, S. 372−373 und 375. Antrag und Beschluß. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 8, 1819, S. 80−81 und 86.

Artikel 7 der Deutschen Bundesakte spricht klar und deutlich aus, daß sowohl in der Engeren Versammlung als auch im Plenum bei zu fassenden Beschlüssen die Stimmenmehrheit im Normalfall entscheide und lediglich bei der Annahme oder Abänderung von Grundgesetzen, bei organischen Bundeseinrichtungen, Jura singulorum und Religionsangelegenheiten Stimmeneinhelligkeit erforderlich sei. Antrag Badens auf 3 Vgl. ProtDBV 1819, 12. Sitzung vom 29. März 1819, § 40, S. 132.

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Wahl einer Kommission zur Begutachtung der Frage, welche Gesetze als Grundgesetze zu betrachten seien, was unter organischen Bundeseinrichtungen zu verstehen sei und auf welche Berechtigungen unter den Jura singulorum das Einstimmigkeitsprinzip anzuwenden sei, und diesbezüglicher Beschluß.

Frankfurt am Main, 14. Juni 1819 Der Artikel 7 der deutschen Bundesacte1 spricht klar und deutlich, sowohl für die engere Versammlung, als für das Plenum, die Stimmenmehrheit als entscheidende Norm für die von der Bundesversammlung zu fassenden Beschlüsse aus, und nur aus zarter Schonung, um all’ und jeden Schein, als wolle die Bundesversammlung in die innern Administrations-Angelegenheiten der den Staatenbund bildenden souverainen Staaten sich einmischen, oder ­ihren, als solchen, zustehenden Gerechtsamen zu nahe treten, weichet er, bei Annahme oder Abänderung von Grundgesetzen, so wie, wo es auf organische Bundes-Einrichtungen, als auch auf jura singulorum, oder Religions-Ange­ legenheiten ankommt, von der angenommenen Regel ab, und scheinet die Uebereinstimmung aller Stimmen zu verlangen. Unumgänglich nöthig ist es also, daß diese hier so eben angeführten Ausnahmen von der Regel, die, ihrer nur generell bezeichneten Fassung wegen, noch so mancher verschiedenartiger Deutungen empfänglich sind, (so schwierig auch die doch immerhin lösbare Aufgabe seyn mag) eine nähere Bestimmung erhalten mögen, um nicht als eine, wo nicht schädliche, doch immerhin verzögernde Hemmkette, der Beförderung des allgemeinen Wohles zu entgegnen und als Vorwand, zur Behinderung der wohlthätigsten Einrichtungen in dem Bunde, gebraucht werden zu können. Wenn die hohen Stifter des deutschen Bundes in ihm ein Mittel erblickten, das, durch die eiserne Hand des Schicksals so hart geprüfte Deutschland aus seiner Zerrüttung wieder aufzurichten und durch die, in allen Artikeln der Bundesacte, dem gemeinsamen Vaterlande verhießene Wohlthaten, die ihm früher geschlagenen Wunden zu heilen, so gieng sicher eben so ihre Meinung dahin, daß der todte Buchstabe auch wirklich in das Leben trete. Dieser Uebergang nun scheinet, unter so manchen Berücksichtigungen, zum dringenden Bedürfnisse geworden zu seyn, in so fern diese hohe Versammlung den ihr, durch die Bundes­acte selbst, übertragenen Verbindlichkeiten Genüge leisten und den Standpunct mit Kraft und Würde behaupten will, der ihr angewiesen ist. Der Gesandte trägt demnach darauf an, ungesäumt eine Commission aus der Mitte dieser hohen Versammlung zu ernennen und ihr den Auftrag zu ertheilen, einen Vortrag (als vorbereitenden Leitfaden zur 1 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511.

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Instructions-Einholung von den respectiven höchsten Committenten) über folgende Gegenstände zu erstatten, als nämlich: 1) welche Gesetze als Grundgesetze des deutschen Staatenbundes zu betrachten sind, 2) was unter organischen Bundes-Einrichtungen zu verstehen seye, und 3) welche Berechtigungen unter den, von jeher zu so verschiedenartigen Ansichten Anlaß gebenden, juribus singulorum, als solche, hierbei anzunehmen wären. […] Beschluß. Daß die aus den Herren Bundesgesandten: Grafen von Buol-Schauenstein, Grafen von der Goltz, Grafen von Eyben, Freiherrn von Plessen und Herrn von Berg, gewählte Commission (zu welcher als Stellvertreter die Herren Gesandten von Martens und von Harnier2 hinzukommen) ersucht werde, die Frage, wie diejenigen Gegenstände, worüber nach dem Artikel 7 der Bundesacte (als Ausnahme von der sonstigen Regel) ein Beschluß durch Stimmenmehrheit nicht gefaßt werden kann, in Ermangelung der Stimmen-Einhelligkeit erledigt werden sollen, zu erörtern und ihr Gutachten, ohne übrigens die Commission in ihren Arbeiten beschränken zu wollen, vorzüglich über folgende Gegenstände: 1) welche Gesetze als Grundgesetze des deutschen Staatenbundes zu betrachten seyen? 2) was unter organischen Einrichtungen zu verstehen sey? endlich 3) welche Berechtigungen unter den, von jeher zu so verschiedenartigen Ansichten Anlaß gebenden, juribus singulorum, als solche, hierbei anzunehmen wären? zu verbreiten.

2 Heinrich Wilhelm Karl (seit 1810) von Harnier (1767–1823), deutscher Diplomat, 1795 preußischer Geschäftsträger in München, 1799–1808 Ministerresident ebd., 1804–1807 zugleich hessen-darmstädtischer Ministerresident ebd., 1808–1823 hessen-darmstädtischer außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister ebd., 1815–1823 zugleich Bundestagsgesandter in Frankfurt. Vgl. ADB, Bd. 50, S. 17; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 191 u. 322; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815–1963, S. 218 f.; DBA I, 475, 131; DBA III, 352, 20.

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89. Eyben an Rosenkrantz1

a) RA Kopenhagen, Departementet for udenlandske anliggender, Nr. 2775. Bericht. Behändigte Ausfertigung. b) Ebd. Gutachten. Reinschrift; c) HHStA Wien, St. K., Deutsche Akten (neue Reihe), Kart. 79, Fasz. 105 (alt), Konv. II: Beschlußfassung mit Stimmenmehrheit betr. 1819/20, fol. 107–115’. Gutachten. Abschrift.2

[a) Bericht] Übersendet in Anlage einen Aufsatz über den sechsten und siebten Artikel der deutschen Bundesakte.

No 182



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Unterthäniger Bericht. In dem unter No 181 Ew. Excellenz ehrerbiethigst erstatteten Bericht habe ich mir die gewogentliche Erlaubniß erbeten, über die bey der Bundesversammlung gegenwärtig zu verhandelnde Frage: welche Gegenstände durch die Stimmenmehrheit entschieden werden können, und welche die Unanimität erfordern; meine unzielsetzliche Meynung ehrerbiethigst vorlegen zu dürfen. Ich habe die Ehre dieses in der hiebey gehenden Anlage zu thun. Daß die Bundesacte über diesen Gegenstand nicht nur keine deutliche Bestimmung enthält, sondern sich selbst widerspricht, geht aus der Vergleichung des 6ten Artikels derselben mit dem 7ten unleugbar hervor. Diese Lücke muß ausgefüllt, diese Widersprüche gehoben werden, wenn der Bund gedeihen und nicht vielmehr seiner Auflösung entgegengeführt werden soll, wie dies in der ersten diesjährigen Östereichischen Abstimmung3 bestimmt ausgesprochen worden ist. Daß Erläuterung und Vervollständigung der Bundesacte nur von den höchsten Mitgliedern des Bundes selbst ausgehen kann, ist allgemein anerkannt; dennoch aber anzunehmen, daß die Vorarbeiten zu diesen Erläuterungen, die Vorschläge zu dieser Vervollständigung am zweckmäßigsten von der Bundesversammlung gemacht werden können, da diese, aus Dienern aller 1 Niels Rosenkrantz (1757−1824), dänischer Staatsmann, 1776−1782 Offizier im schleswigschen Ritterregiment, 1782 Übertritt in den diplomatischen Dienst, 1784 Geschäftsträger in Den Haag, 1787−1789 Ministerresident in Warschau, 1788−1790 Ministerresident in Wien, 1789 Geschäftsträger und 1790−1795 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in St. Petersburg, 1796−1800 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Berlin, 1797−1799 Bevollmächtigter auf dem Rastatter Kongreß, 1802/03 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Dresden, 1809 Geheimer Konferenzrat, 1810− 1824 Geheimer Staatsminister und Chef des Departements der auswärtigen Angelegenheiten. Vgl. SBA I, 272, 325−340; SBA II, 256, 254−255; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 48−53 u. 55; Dansk biografisk Leksikon, Bd. 20, S. 109−112. 2 Vorlage (c) trägt oben links den Vermerk von anderer Hand: „Votum v. Eyben“. 3 Vgl. Dok. 87.

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Bundesstaaten zusammengesetzt, am leichtesten das Interesse der Gesammtheit mit dem der einzelnen Regierungen in Uebereinstimmung wird bringen können. Dieses ist der Grund, der mich bestimmt hat zu der Wahl einer von der Versammlung hiezu zu ernennenden Commission, und zu dem derselben ertheilten Auftrag zu stimmen, diesen Vorarbeiten und Vorschlägen sich zu unterziehen.4 Zu diesen Vorarbeiten gehört aber vor allen Dingen eine genaue Entwickelung der hier zu berücksichtigenden staatsrechtlichen Fragen und die Be­ stimmung derjenigen Grundsätze, welche hier zum Grunde zu legen sind. Ist dieses geschehen, dann wird es auf die Anwendung derselben auf den vor­ liegenden Gegenstand ankommen, woraus die zu machenden Vorschläge leicht hervorgehen werden. Meine Ansicht über die hier anzuwendenden Grundsätze nehme ich mir die Ehre Ew. Excellenz in der Anlage vorzutragen, und hochdero Entscheidung um so mehr zu unterwerfen, als der Gegenstand für die Gesammtheit sowol, als für die einzelnen Staaten nothwendig von Folgen seyn muß, die Ansicht der Commissions Mitglieder einen bestimmten Einfluß haben wird, und die meinige, wenn gleich sie auf ausdrückliche Bestimmungen des Westphälischen Friedens, auf die historische Erläuterung desselben in Meyerns Acta pacis Westph.5 und auf die Lehren Pütter’s gestützt ist, vielleicht dennoch nicht von allen Bundestags Gesandten gebilligt werden könnte, namentlich nicht von denen, die das Privat Interesse ihrer Höfe mehr als die Gründe des Staatsrechts und die Gleichheit der Rechte vor Augen haben möchten. Da ich aber bereits in den ersten Commissions Sitzungen über diesen Gegenstand mich aussprechen muß, so habe ich keinen Augenblick verlieren dürfen, die Entwickelung meiner Ansicht Ew. Excellenz ehrerbiethigst vorzulegen, und ganz gehorsamst zu bitten, die Entscheidung über dieselbe mir baldmöglichst zugehen lassen zu wollen. Ich erlaube mir noch anzuführen, daß bey der Darstellung meiner Ansicht ich glaubte auf die Veranlassung Rücksicht nehmen zu müssen, welche überhaupt diesen Gegenstand zur Sprache brachte, und habe daher die irrige Behauptung der Hessischen Häuser, daß die Zutheilung ihrer Contingente nicht von der Mehrheit bestimmt werden könne6, beispielsweise angeführt. Eben so habe ich auf die nächsten Folgen Rücksicht genommen, welche die Ent-

4 Vgl. ProtDBV 1819, 21. Sitzung vom 14. Juni 1819, § 115, S. 374 f. und Dok. 88. 5 Vgl. Johann Gottfried von Meiern [Hrsg.], Acta pacis Westphalicae publica. Oder Westphälische Friedens-Handlungen und Geschichte. 6 Bde. Hannover 1734−1736, Ndr. Osnabrück 1969. 6 Vgl. Dok. 84.

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scheidung der Frage über die Befugnisse der Stimmenmehrheit haben wird, und daher des Festungswesens und der Austrägal Instanz erwähnt. Wenn die Grundsätze zur Arbeit von der Commission werden gelegt seyn, dann wird sie zur Ausmittelung der Vorschläge übergehen, um die Gränzen der Stimmenmehrheit und die Bestimmung der Grundsätze über die Unanimität festzusetzen. Hier werden allerdings neben den staatsrechtlichen Grundsätzen auch politische Rücksichten eintreten müssen; denn zu ungleich ist im Bunde der Einfluß der einzelnen Mitglieder auf die Entschließungen der Mehrheit, da es in der Natur der Sache liegt, daß der mächtigere Staat den größeren Einfluß besitzt, dem selbst durch die Persönlichkeit der Gesandten der mindermächtigen auch im glücklichsten Falle nur schwach und unbedeutend entgegengewirkt werden kann. Diese müssen also in dem Buchstaben und dem Geiste des Gesetzes ihre Stütze finden. Diese politische Berücksichtigung wird eintreten müssen, sobald der Begrif der iura singulorum festgesetzt, und die Frage, was unter Modalitäten zu verstehen ist, zur Sprache gebracht seyn wird. Ich erbitte mir die gewogentliche Erlaubniß, auch über diesen Gegenstand Ew. Excellenz meine unzielsetzliche Meinung zu seiner Zeit ehrerbiethigst vorlegen zu dürfen, und begnüge mich für jetzt auf dasjenige mich zu beziehen, was ich hierüber in meinem unterthänigen Bericht unter No 150 bey der Gelegenheit zu äußern die Ehre hatte, als ich der ersten diesjährigen Bundestags Sitzung und der darin abgegebenen vortreflichen Oestereichischen Abstimmung erwähnte. Mit der größten Hochachtung habe ich die Ehre zu seyn Ew. Excellenz ganz gehorsamster Diener F. Eyben [b) Anlage: Eybens „Bemerkungen über den 6. und 7. Artikel der Bundes­akte“] Stellt die Ausgangsfrage, was unter den im 6. und 7. Artikel der Deutschen Bundes­ akte erwähnten Grundgesetzen, unter organischen Bundeseinrichtungen, unter Beschlüssen, welche die Bundesakte betreffen, und unter jura singulorum zu verstehen ist? Die Grundgesetze des Deutschen Bundes sind diejenigen Gesetze, welche seine Verfassung nach seinem Zweck bestimmen; sie sind daher unabänderlich und müssen es sein. Organische Bundeseinrichtungen sind diejenigen, durch welche die Mittel und Anstalten bestimmt werden, die zur Erreichung des Zwecks, mithin zur Aufrechthaltung der Grundgesetze des Bundes wesentlich erforderlich sind; sie unterliegen damit den wandel­baren Verhältnissen. Um den Zweck eines Gesetzes durch die Anwendung nicht zu vereiteln, muß der Begriff der organischen Einrichtungen, über ­welche kein Beschluß durch Stimmenmehrheit stattfinden soll, enger gefaßt werden. Jura singulorum sind diejenigen Rechte, welche den Mitgliedern des Bundes ohne

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Rücksicht auf den Bund zustehen und damit auch nicht der gemeinschaftlichen Be­ ratung unterliegen. Notwendige Unterscheidung von ius singulorum (Recht der einzelnen), ius singulare (besonderes Recht) und ius quaesitum (wohlerworbenes Recht). Gegenstände, welche jura singulorum und jura singularia betreffen, gehören nicht vor das Plenum, sondern sind durch den Engeren Rat zu entscheiden. Aus der Widersprüchlichkeit der Deutschen Bundesakte geht die Notwendigkeit hervor, genau zu bestimmen, über welche Gegenstände mit Stimmenmehrheit entschieden werden kann.

Ad No 182



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Bemerkungen über den 6ten und 7ten Artikel der Bundesacte. § 1. In dem Artikel 6 der Bundesacte ist festgesetzt: Wo es auf Abfassung und Abänderung von Grundgesetzen des Bundes, auf Beschlüsse, welche die Bundesacte selbst betreffen, auf organische Einrichtungen und auf gemeinnützige Anordnungen ankommt, bildet sich die Versammlung zu einem Plenum.7 Der Artikel 7 enthält: In wie fern ein Gegenstand nach obiger Bestimmung für das Plenum geeignet sey, wird in der engeren Versammlung durch Stimmenmehrheit entschieden. Die der Entscheidung des Pleni zu unterziehenden Beschluß-Entwürfe werden in der engeren Versammlung vorbereitet, und bis zur Annahme oder Verwerfung zur Reife gebracht. Sowol in der engeren Versammlung als in Pleno werden die Beschlüsse nach der Mehrheit der Stimmen gefaßt, jedoch in der Art, daß in der ersteren die absolute, in letzterer aber nur eine auf zwey Drittheile der Abstimmung beruhende Mehrheit entscheidet. Bey Stimmengleichheit in der engeren Versammlung steht dem Vorsitzenden die Entscheidung zu.   Wo es aber auf Annahme oder Abänderung der Grundgesetze, auf ­organische Bundes Einrichtungen, auf jura singulorum oder Religions Angelegenheiten ankommt, kann weder in der engeren Versammlung noch in Pleno ein Beschluß durch Stimmenmehrheit gefaßt werden.8

7 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1510. 8 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511.

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§ 2. Hier werden Grundgesetze des Bundes von organischen Bundes Einrichtungen abgesondert. Beschlüsse, welche die Bundesacte selbst betreffen, werden im Art. 6 besonders benannt, im Art. 7 aber übergangen; es werden endlich iura singulorum von der Stimmenmehrheit ausgenommen. Es fragt sich daher: was ist unter Grundgesetzen, unter organischen Bundes-Einrichtungen, unter Beschlüssen, welche die Bundesacte selbst betreffen, und unter iura singulorum zu verstehen? Bey Auslegung der Bundesacte sowie der übrigen vertragsmäßigen Bestimmungen des Bundes ist auf Zweck und Geist Rücksicht zu nehmen, auf Ursprung und Veranlassung des Bundes, auf Zweckmäßigkeit und innere Güte, auf das Staatsrecht der Bundesstaaten, zuweilen auch auf ehemaliges Deutsches Reichs- und Territorial-Staatsrecht, und selbst auf das öffentliche Recht des Rheinischen Bundes. § 3. Grundgesetze eines Staates sind diejenigen, welche das Ganze des Staatsvereins, die Staatsgewalt, den Staat selbst als solchen betreffen, das Wesen, die Wirksamkeit und die Verhältnisse desselben festsetzen. Grundgesetze des Deutschen Bundes sind also diejenigen Gesetze, welche dessen Verfassung nach seinem Zwecke bestimmen. Der Deutsche Bund ist ein fortwährender, freier Staatenbund; die Bundes Gewalt ist eine politische Gesellschafts Gewalt; der Zweck ist Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands, und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen Deutschen Staaten. Alle Bestimmungen mithin, welche nach jenem Charakter und nach diesem Zweck die Gesammtheit des Bundes und die Rechte und Pflichten der einzelnen Bundesglieder betreffen, gehören zu den Grundgesetzen des Bundes. Die Bundesacte enthält die Grundzüge der Bundes-Verfassung; ausnahmsweise begreift dieselbe einige Einschränkungen und Normen, welche die ­eigene Staatsverfassung und Staatsverwaltung der Bundesglieder betreffen, die auch durch Bundes-vertragsmäßige Beschlüsse vermehrt werden können: nach jenen ist die Ausübung der Gesellschaftsrechte des Deutschen Bundes der Bundesversammlung anvertraut, welche der Stellvertreter der Gesammtheit und der Inhaber der Bundes Gewalt ist. § 4. Das Wort Organismus, organische Einrichtungen, ist in dem Staatshaushalt erst in neueren Zeiten, da Nothwendigkeit, zuweilen auch Reiz der Neuheit, das Constituiren, Constitutionen Machen an die Tagesordnung brachten, sehr gebräuchlich geworden.

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Es kann unter organischen Bundes Einrichtungen nichts anders verstanden werden, wie auch in dem Commissions Gutachten über die Reihenfolge bereits gesagt ist9, als die Anordnung der Mittel und Anstalten, welche zu Erreichung des Zweckes, mithin zu Aufrechthaltung der Grundgesetze des Bundes, erforderlich sind. So gehört z. B. zu den Grundgesetzen des Bundes die Bestimmung, daß und nach welchem Maaßstabe die gemeinsamen Lasten unter den Bundesgliedern gleich vertheilt werden sollen, d. h. die Bundes Matrikel. Die Art, wie das nach der Matrikel zu Entrichtende verwendet werden soll, gehört zu den organischen Einrichtungen. Daraus folgt, daß das Vertheidigungs System des Bundes nur in so weit zu den Grundgesetzen des Bundes gehört, als dasselbe auf der Verpflichtung der Bundesmitglieder beruht, durch Mannschafts Stellung und Geldbeiträge zum Zweck der Vertheidigung des Bundes und der einzelnen Bundesstaaten beizutragen, daß aber die militairische Verfassung, im strengen Sinne genommen, zu den organischen Einrichtungen gehört. So ist, um ein weiteres Beispiel anzuführen, es Grundgesetz des Bundes, daß die Bundesglieder einander unter keinerley Vorwand bekriegen oder ihre Streitigkeiten mit Gewalt verfolgen, sondern solche bey der Bundesversammlung anbringen sollen; in Entstehung der Güte soll die richterliche Entscheidung durch eine Austrägal Instanz bewirkt werden. Die Einrichtung einer solchen Austrägal Instanz, also die Bestimmung, ob sie eine permanente seyn soll oder nicht, gehört zu den organischen Einrichtungen. Darum wird in dem 10ten Art. der Bundesacte organischer Einrichtungen in Rücksicht auf auswärtige, militairische und innere Verhältnisse gedacht.10 § 5. Die wesentliche Verschiedenheit zwischen Grundgesetzen des Bundes und organischen Einrichtungen liegt darin, daß die Grundgesetze aus dem Charakter und dem Zwecke des Bundes hergeleitet werden müssen, daher, so ­lange der Bund als solcher besteht, unveränderlich seyn sollen; während bey den organischen Einrichtungen vieles zufälligen Verhältnissen, wandelbaren Umständen, der Willkühr, mithin auch der Veränderung überlassen werden kann und muß. Da nun jedes Gesetz so ausgelegt werden muß, daß der Zweck durch die Anwendung nicht vereitelt wird, und man nicht annehmen kann, die Bundesacte habe in jedem Fall und ohne Einschränkung durch abweichende Ansicht einer einzigen Stimme von 69 eine ganze Einrichtung hemmen wollen; so muß der Begrif der organischen Einrichtungen, über welche kein Beschluß   9 Vgl. Dok. 114. 10 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512.

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durch Stimmenmehrheit gefaßt werden soll, nicht in der größten Ausdehnung, sondern in begränzterem Sinne genommen werden. Es kann hier nicht entgegengesetzt werden, kein Bundesstaat werde in Nebensachen auf seiner Meinung bestehen, vielmehr immer gerne der Mehrheit beitreten; denn sobald das Recht zugestanden ist, ist auch die Möglichkeit, ja selbst die Wahrscheinlichkeit zugestanden; und ein Princip muß sich doch entwickeln lassen. Man spricht seit 10−12 Jahren vom Staats Mechanismus, Staats Organismus, organischen Einrichtungen bey Zweigen der Staatsverwaltung, wie man richtiger vom Mühlen-, Uhren-Mechanismus, oder uneigentlich Organismus spricht. In diesen giebt es Hauptbestandtheile, welche das Wesen der Maschine ausmachen, und Nebentheile, welche auf mannigfaltige Weise geordnet und gebildet seyn können, ohne daß das Wesen dadurch verändert wird. Eben so verhält es sich mit jenen. Es würde sich z. B. denken lassen, daß die Militair-Verfassung des Deutschen Bundes auf eine Eintheilung in Militair Kreise − wie es bey den Wiener Verhandlungen wirklich zum Vorschlag kam11 − gegründet worden wäre; man würde also in diesem Fall haben festsetzen müssen, wie viele Kreise gebildet werden sollten: dieses wäre der wesentliche Theil dieses Organismus. Ob aber dieser oder jener Bundesstaat zum 1ten oder 6ten Kreise gerechnet worden wäre, dies würde der außerwesentliche Theil gewesen seyn, da diese Ordnung auf das Verhältniß des Bundesstaats als Bundesstaat12, auf dessen Rechte und Obliegenheiten in der Gesammtheit, und auf diese selbst, indem das Bundesheer immer nur Ein Ganzes, Ein Heer bildet, keinen Einfluß hat, wenn jenem gleich besondere Rücksichten, die nur ihn, und nicht die Gesammtheit treffen, die Stelle in einem anderen Kreise wünschenswerth machen könnten. So verhält es sich auch, wie mir scheint, und noch weit mehr mit der Corps Eintheilung. Die Bestimmung der Stärke des Bundesheers, die Art der Be­ fehligung desselben sind wesentliche Theile der Militair-Verfassung; ich ­räume selbst ein, daß die Eintheilung in Armeecorps im allgemeinen, wie jene in Kreise, in diese Classe gehört, weil ohne dieselbe das Bundesheer nicht würde gebildet werden können: ob aber das Contingent dieses oder ­jenes Bundesstaats zu diesem oder jenem Corps geordnet wird, dies ist kein wesentlicher Theil, weil das Corps, und noch mehr das ganze Bundesheer dennoch Ein Corps und Ein Heer bleiben und als solches bestehen würde, wenn gleich eine andere Vertheilung angemessener befunden werden könnte.

11 Vgl. insbesondere QGDB I/1, Dok. 31, S. 179−189 (Hardenbergs „41 Artikel“, 1. Fassung), Dok. 34, S. 201−214 (Hardenbergs „41 Artikel“, 2. Fassung), Dok. 58, S. 365−370 („Zwölf Artikel“). 12 Emendiert. Vorlage: Bundesstaats.

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Bey der Militair-Verfassung sowie bey der des Innern giebt es aber eine Menge Einrichtungen, welche gewiß nicht für wesentliche Theile gehalten, und darum auch, wenn man an das Ziel kommen will, durch Stimmenmehrheit müssen erledigt werden können, oder, wie ich in verschiedenen Abstimmungen und noch in der 21ten Sitzung sagte13, man muß die Mittel wollen, wenn man den Zweck erreichen will. § 6. In der Bundesacte ist keine Bestimmung über die vollziehende Gewalt enthalten. Da aber alle Mitglieder des Bundes nach Gesellschafts Recht verbunden sind, die Grundverträge des Bundes und die diesem gemäßen Beschlüsse der Bundesversammlung genau zu erfüllen, wozu sie sich auch in dem Art. 3 der Bundesacte ausdrücklich verpflichtet haben; so fließt hieraus, nach völkerrechtlichen Grundsätzen, ein Zwangsrecht der übrigen Glieder des B ­ undes, welches durch eine Vollziehungs Ordnung in diesem Staatenvereine be­sonders geregelt und festgesetzt werden muß. Es handelt sich hiebey bey weitem nicht bloß von der Vollstreckung der Urtheile der Austräge, sondern auch, und zwar vorzüglich, von der Erfüllung der Bundesvertragsmäßigen Ob­ liegenheiten. Die erstere würde nur eine organische Einrichtung erfordern; der letzteren aber muß ein eigenes Grundgesetz vorausgehen, in welchem die Folgen der Nichterfüllung nach der Art und Beschaffenheit derselben in Rücksicht oder in Beziehung auf die Gesammtheit bestimmt würden. Es gehört daher dieser Gegenstand auch eigentlich zu dem Art. 10 der Bundesacte, nicht zu deren 11tem Art.14 § 7. Ob nach dem Naturrecht in gesellschaftlichen Verbindungen die Mehrheit der Stimmen, ohne besonderen Vertrag, entscheide, braucht hier nicht untersucht zu werden; denn der Grundvertrag des Bundes bestimmt schon selbst bey vielen Gegenständen, daß der Mehrheit der Stimmen das Entscheidungsrecht beiliege. Daß in der ehmaligen Deutschen Reichsverfassung in allen reichsständigen Versammlungen die Stimmenmehrheit nach dem Herkommen nicht nur, sondern auch nach mehreren ausdrücklichen Gesetzen in der Regel galt, ist keinem Zweifel unterworfen; nur über die Fälle, wo eine Ausnahme von dieser Regel seyn sollte, ward von den Ständen des Reichs bey vorkommenden Fällen heftig gestritten, und die Gelehrten des Deutschen Staatsrechts verwirrten die Begriffe noch mehr, weil weniger das Staatsrecht als das Interesse ihre Federn in Bewegung setzte. 13 Vgl. ProtDBV 1819, 21. Sitzung vom 14. Juni 1819, § 115, S. 373. 14 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512.

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Soll aber ein Gesetz gegeben werden, so muß zuvörderst das Rechtliche desselben genau entwickelt werden, und mir scheint, daß dieses durch nachstehende Bemerkung geschehen wird. Eine Gesellschaft verbindet sich zu einem gemeinschaftlichen Zwecke, und setzt fest sich alles dasjenige gefallen zu lassen, was durch Stimmenmehrheit der Mitglieder zu Erreichung dieses Zweckes beschlossen werden wird; alles was auf jenen Zweck Bezug hat, ist daher der Stimmenmehrheit unterworfen. Ist hingegen von Angelegenheiten die Rede, welche nicht in die Reihe gesellschaftlicher Rechte und Befugnisse gehören, nicht von Rechten, welche man hat in so fern man Mitglied einer Gesellschaft ist, sondern von Rechten, die einem jeden der Gesellschaft auch ohne Rücksicht auf dieselbe zustehen; so sind diese nicht Gegenstand gesellschaftlicher Berathung: wird eine solche dennoch gehalten, so kann die Mehrheit nicht entscheiden. Hieraus ergiebt sich nun, wie mir scheint, der einzig richtige Begrif der iura singulorum: sie sind Rechte, welche einem Mitgliede einer Gesellschaft, oder eines Bundes, ohne Rücksicht auf die gesellschaftliche Verbindung zustehen, und auf den Zweck dieser Verbindung keinen Bezug haben. Dieses ist auch der Begrif, der in dem Westphälischen Friedens Instrument von den vorzüglichsten und um das Deutsche Staatsrecht so hoch verdienten Männern angenommen ist, wo es heißt, sie sind negotia ubi status tanquam unum ­corpus considerari nequeunt15. § 8. Dieser Satz wird durch nachfolgendes Beispiel durchaus deutlich gemacht werden. Der Zweck des Deutschen Bundes ist Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands, und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen Deutschen Staaten. Zu Erreichung dieses Zweckes gehört das Ver­ theidigungs System des Bundes. Als Grundsatz ist hiebey durch die Matrikel festgesetzt, in welcher Maaße die Bundesstaaten zu Erhaltung der Sicherheit nach Gleichheit beitragen sollen; ob der sich hieraus ergebende Ansatz einfach oder mehrfach − wie es in der Reichsverfassung hieß, ob das Contingent in duplo, triplo − quintuplo16 ect. − in einzelnen Fällen geleistet werden soll, dies ist Gegenstand der gesellschaftlichen Berathung, weil die Mitglieder des Bundes hier nur in der Verbindung des Bundes betrachtet werden können: Die Stimmenmehrheit kann und muß also entscheiden. Wenn dagegen ein Bundesmitglied in seinem Lande in Militair Sachen sonstige Verfügungen oder Einrichtungen trift, durch welche der Bundeszweck nicht verändert, 15 IPO Art. V, § 52: „Geschäfte, wo die Stände nicht als einheitliche Körperschaft betrachtet werden können“. Vgl. Müller (Bearb.), Instrumenta Pacis Westphalicae, S. 129. 16 Lat.: doppelt, dreifach − fünffach.

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nicht verletzt wird, und welche vorhandenen allgemeinen Gesetzen nicht entgegen sind, so geschieht das ohne Rücksicht auf die gesellschaftliche Verbindung; der Bundesstaat kann alsdann nicht als Bundesmitglied betrachtet werden; es ist kein Gegenstand gemeinschaftlicher Berathung, sondern es ist von einem Rechte des einzelnen die Rede, über welches also die Stimmenmehrheit auch nicht entscheiden kann. § 9. Häufig ist aber von Staatsrechts Schrif[t]stellern, mehr noch von einzelnen Regierungen vermischt worden, was durchaus streng zu unterscheiden ist, ius singulorum (Recht der einzelnen), jus singulare (besonderes Recht) und ius quaesitum (wohlerworbenes Recht). Sehr bestimmt drückt sich darüber ­Pütter, der Vater des neueren Deutschen Staatsrechts, in den Inst. J. P. G. § 17517 so aus: neque ea pluralitati votorum recte tribui, quae generatim in imperio ­civili haud continentur, seu quae ne18 summus quidem imperans, ex iure publico universali vi supremae potestatis efficere potest, veluti19 ut conscientiis imperetur20, seu iura civium qua[e]sita e medio tollantur.21 Durch Verträge Europäischer Mächte ist einigen Bundesstaaten das Be­ satzungsrecht in Bundesfestungen eingeräumt22; diese haben hiedurch ein be17 Ioannis Stephani Puetteri Institutiones iuris publici Germanici. Editio IV. Passim auctior et emendatior. Göttingen 1787, Cap. VI, § 175, S. 192. 18 Emendiert nach Pütter (wie Anm. 17). Vorlage: in. 19 Emendiert nach Pütter (wie Anm. 17). Vorlage: velati. 20 Emendiert nach Pütter (wie Anm. 17). Vorlage: imperatur. 21 Lat.: „kann man die Mehrheit der Stimmen auch bey allen den Gegenständen nicht gelten lassen, welche in dem Umfange des Regierungsrechts überhaupt nicht begriffen sind, oder über welche auch der höchste Regent nach dem allgemeinen Staatsrechte, vermöge der höchsten Gewalt nichts vermag; hieher ist zu rechnen, wenn es auf Herrschaft über die Gewissen, Gewissenszwang, oder auf Verbannung wohl erworbenen Gerechtsame angesehen seyn sollte“. Vgl. Herrn Johann Stephan Pütters Anleitung zum Teutschen Staatsrechte. Aus dem ­Lateinischen übers. v. Carl Anton Friedrich Graf von Hohenthal. Mit einer Vorrede und einigen Anmerkungen von Friedrich Wernhard Grimm. T. 1 u. 2/1. Bayreuth 1791/92, hier T. 1, Kap. 6, § 175, S. 225. 22 Am Rande der Pariser Friedenskonferenz hatten die vier Siegermächte Österreich, Großbritannien, Preußen und Russland Mainz, Luxemburg und Landau zu Festungen des Deutschen Bundes bestimmt. Preußen und Österreich erhielten gemeinsam das Garnisonsrecht in der Festung Mainz, Preußen und der König der Niederlande als Großherzog von Luxemburg das Garnisonsrecht in der Bundesfestung Luxemburg und Bayern das Garnisonsrecht in der Bundes­festung Landau (vgl. „Protocole pour régler les dispositions relatives aux territoires et places cédées par la France, aux arrangemens territoriaux qu’il reste à faire en Allemagne et au système défensif de la confederation Germanique“, Paris, 3. November 1815, in: CJCG, Bd. 1, S. 291−295, hier S. 293 [Artikel 10]). Die Übernahme der drei Festungen durch den Deutschen Bund erfolgte aber erst durch Beschluß der Bundesversammlung vom 28. Juli

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sonderes Recht (ius singulare) erlangt, welches ihnen durch Stimmenmehrheit nach meiner Meinung nicht entzogen werden kann, und dennoch ist dieses durchaus kein ius singulorum. Ferner eine Dienstbarkeit kann niemanden ein solches Recht verschaffen, das der Eigenthümer nicht nebst oder zugleich mit jenem ausüben könnte, wenn nicht durch ausdrückliche verbindliche Erklärungen dem anderen ein ausschließliches Recht zugestanden worden ist. Würtemberg hat daher, wenn Ulm zu einer Bundesfestung gemacht wird, ein besonderes Recht (ein ius singulare) welches ihm durch Stimmenmehrheit nicht entzogen werden kann, und dennoch ist das Mitbesatzungs Recht kein ius singulorum. Das ius singulorum und ius singulare sind also wesentlich in sich verschieden, aber darin gleich, daß sie durch die Mehrheit nicht entschieden werden können § 10. In der Anwendung aber, ob ein Gegenstand zu wesentlichen organischen Einrichtungen, ad iura singulorum, ad iura singularia gehöre, kann allerdings ein großer Zweifel entstehen. Nach der Bundesacte soll, wenn es auf organische Einrichtungen ankommt, die engere Versammlung durch Stimmenmehrheit über die Vorfrage entscheiden, in wie fern der Gegenstand vor das Plenum geeignet sey. Gegenstände, welche iura singulorum und iura singularia betreffen, sind dem Plenum aber nicht anheim gestellt; bey diesen beschließt also die engere Versamlung sowol über die Vorfrage, als über die Hauptsache. Nach der Analogie muß man nun zwar annehmen, daß die engere Versammlung auch hier über die Vorfrage nach Stimmenmehrheit entscheiden könne, allein da man sich nicht verbergen kann, daß ein solcher Beschluß in den meisten Fällen den Beschluß über die Hauptsache selbst schon mit sich führen wird, wodurch aber der Disposition der Bundesacte, welche hier die Stimmenmehrheit für unzulässig erklärt, Abbruch geschehen würde, so geht daraus das Contradictorische der Bundesacte selbst hervor, und zugleich die Nothwendigkeit, das Contradictorische durch genauere Bestimmungen der Dispositionen, über welche die Mehrheit der Stimmen entscheiden kann, zu heben. § 11. Wenn Beschlüsse, welche die Bundesacte selbst betreffen, neben den Grundgesetzen des Bundes als vor das Plenum gehörig genannt werden, bey jenen aber die Stimmenmehrheit nicht ausgeschlossen ist, so werden

1825. Vgl. dazu Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 614−616; Angelow, Von Wien nach Königgrätz, S. 57 f.; Wienhöfer, Das Militärwesen des Deutschen Bundes, S. 65.

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unter denselben nur solche Dispositionen der Bundesacte verstanden ­werden, welche zu den eigentlichen Grundgesetzen nicht gehören, und nur ausnahmsweise, wie ich oben § 3 bemerkt habe, in die Bundesacte auf­ genommen worden sind.23

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HHStA Wien, St. K., Deutsche Akten (neue Reihe), Kart. 79, Fasz. 105 (alt), Konv. II: Beschlußfassung mit Stimmenmehrheit betr. 1819/20, fol. 37–38. Bericht. Behändigte Ausfertigung.

Unerwartet günstiger Verlauf der von den hessischen Höfen verlangten Beratung über die Frage, wann Stimmenmehrheit in der Bundesversammlung entscheide, da selbst der bayerische Gesandte Aretin die Wichtigkeit des Gegenstandes und Wünschbarkeit einer diesbezüglichen Norm ausgesprochen habe. Wahl einer Kommission zur Begutachtung der Angelegenheit (Buol, Goltz, Eyben, Plessen, Berg), die nach Ansicht Aretins höchstwahrscheinlich aber nichts Entscheidendes werde bewirken können. Absicht Buols, ein einhelliges Gutachten dieser Kommission herbeizuführen, das er dem Bundestag wie bei der Kompetenzbestimmung zur einstweiligen verbindlichen Annahme vorlegen werde. Der Beschluß über die Kompetenzbestimmung bestätige täglich mehr das Gute eines Provisoriums da, wo sich nichts Definitives erlangen lasse.

No 24 a-b.



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Durchlauchtig Hochgebohrner Fürst! In Verfolg meines jüngsten gehorsamsten Berichtes vom 12ten dieses No 23 b1 womit ich Eurer Fürstlichen Gnaden den Entwurf der Präsidial Proposition2 23 In Vorlage c) folgt folgende Passage: „Sind diese Ansichten die richtigen, so würde die Beantwortung der der Commißion aufgegebenen Fragen, sich vielleicht so faßen laßen können: 1. Grundgesetze des Bundes sind diejenigen Gesetze, welche deßen Verfaßung nach seinem Zwecke bestimmen, und daher unveränderlich sind und seyn müßen. 2. Organische Einrichtungen sind diejenigen, durch welche die Mittel und Anstalten bestimmt werden, die zur Erreichung des Zwecks, mithin zur Aufrechthaltung der Grundgesetze des Bundes wesentlich erforderlich sind, d. h. ohne deren Feststellung der Zweck nicht erreicht werden kann. 3. Jura singulorum sind diejenigen Rechte, welche den Mitgliedern einer Gesellschaft ohne Rücksicht auf die Gesellschaft zustehen; oder, wie es in den Inst. Pacis Osnabrügensis Art. V § 52 heißt: negotia ubi status tamquam unum corpus considerari nequeunt.“ 1 HHStA Wien, St. K., Deutsche Akten (neue Reihe), Kart. 79, Fasz. 105 (alt), Konv. II: Beschlußfassung mit Stimmenmehrheit betr. 1819/20, fol. 33–33’ und 36; die Anlage ebd. fol. 34–34’. 2 Vgl. Dok. 87.

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zur Eröffnung der von den Hessischen Höfen verlangten Berathung3 über die Frage, wann Stimmenmehrheit entscheide, zu unterlegen die Ehre hatte, erfülle ich hiemit die angenehme Pflicht Hochdenselben von dem vorläufigen über meine Erwartung vergnüglichen Resultate derselben in der letzten am 14ten dieses gehaltenen Sitzung4 pflichtschuldige Rechenschaft abzulegen; diese ist nemlich dadurch übertroffen worden, daß selbst der Baierische Gesandte Freiherr von Aretin seine vollkommene Anerkennung der Wichtigkeit des Gegenstandes so wie des Hochwünschenswerthen zu einer diesfälligen Norm zu gelangen, ausgesprochen und sich sofort gleich allen Uebrigen für die Wahl einer Commission von 5 Mitgliedern, welche auf den Preußischen Grafen Goltz, auf den Holsteinischen Grafen Eyben, auf den Meklenburgischen Freiherrn von Plessen, auf den Oldenburgischen von Berg und auf mich, als Stellvertreter aber auf den Hannöverischen von Martens und Großherzoglich Hessischen von Harnier gefallen ist, erklärt hat. Freiherr von Aretin wird sonder Zweifel erwogen haben, daß er seinen Hof und sich selbst in ein allzuunvortheilhaftes Licht gestellt haben würde, wenn er es ganz allein, wie es allerdings zu berechnen war, hätte unternehmen wollen, sich gegen den allgemeinen Wunsch aufzulehnen, er wird sich aber auch hiernächst höchstwahrscheinlich damit getröstet haben, daß die Commission vor der Hand höchstens nur zu einer gemeinsamen Berichtserstattung führen, im Grunde aber gleichwohl nichts entscheidendes bewirken dürfte; um das Gegentheil, so viel nur immer möglich, zu erreichen, werde ich vor allem trachten die Einhelligkeit in der Commission zu erhalten, und sodann die Stimmen der ordentlichen Mitglieder durch alsbaldige Zuziehung der Stellvertreter zu verstärken; auf diese Weise von der Majorität in der Versammlung selbst schon zum voraus völlig versichert, werde ich hoffentlich nicht vergebens den weitern Antrag machen, das Gutachten der Commission, gleich jenem in der 34ten Sitzung vom 12ten Juni 1817 über die Competenz der Bundesversammlung vorgelegten5, einsweilen schon als verbindlich anzunehmen; ich würde hiedurch auf alle Fälle das nicht zu mißkennende und sich durch die so eben berührten Competenz-Bestimmungen täglich mehr bestätigende Gute ­eines Provisorii, da, wo sich nichts definitives erlangen läßt, gestiftet, und bei der anerkannten Hinlänglichkeit der Stimmenmehrheit für ein Solches, wenigstens die Vermittlung des Ganzen unmöglich gemacht haben. Genehmigen Eure Fürstliche Gnaden die Versicherung meiner tiefen Ver­ ehrung Gr. Buol Schauenstein 3 Vgl. Dok. 84. 4 Vgl. ProtDBV 1819, 21. Sitzung vom 14. Juni 1819, § 115, S. 370–375. 5 Vgl. ProtDBV 1817, 34. Sitzung vom 12. Juni 1817, § 223, S. 448−453 (= Dok. 121).

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Goltz an Bernstorff

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91. Goltz an Bernstorff

GStAPK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 1952, fol. 12–15. Bericht. Behändigte Ausfertigung.1

Hält den österreichischen Vorschlag, daß über die Ausführung organischer Bundeseinrichtungen im Engeren Rat der Bundesversammlung mit Zweidrittelmehrheit entschieden werden solle, für problematisch, da die Vorschrift der Stimmeneinhelligkeit in der Bundesakte dann eigentlich gar keinen Sinn und Zweck mehr behalte, wenn jede Ausführungsfrage von Anfang an als Modalität betrachtet und darüber mit Stimmenmehrheit entschieden werden solle. Die Einstimmigkeitsvorschrift der Bundesakte bei der Ausführung oder dem „Wie“ organischer Bundeseinrichtungen ist zwar nicht zu bestreiten, doch erfordere die Natur der Verhältnisse die Feststellung eines allgemein anwendbaren Mittels, das der Bundesakte als Supplement beigefügt werden müsse, um eine Verzögerung oder gänzliche Vereitelung organischer Einrichtungen zu vermeiden. Schlägt deshalb folgende Proposition in der Bundestagskommission vor: Bei der Aufstellung der Haupt- und Grundidee der Ausführung einer organischen Einrichtung (z. B. die Korpsanordnung) soll, sofern diese durch die Bundesakte nicht schon vorgegeben ist, am Erfordernis der Einstimmigkeit festgehalten werden, während für die weitere Modalisierung einer solchen organischen Einrichtung (z. B. die Korpsbildung) eine verstärkte Mehrheit von 14:3 im Engeren Rat ausreichend sei. Betont seine Offenheit für andere geeignete Lösungsvorschläge. Die von Buol angemahnte genaue Festsetzung der jura singulorum steht in keinem inneren Zusammenhang mit der hier zu entscheidenden Frage.

Frankfurt am Main, 21. Juni 1819 Aus der meinem letzten vorläufigen Berichte angefügten Abschrift ist Ew. Excellenz bekannt, daß über die Ausführung organischer Bundes-Einrichtungen bey nicht zu erreichender Einstimmigkeit nunmehr ein förmlicher Präsidial-Antrag erfolgt und der hinzugefügte Oesterreichische Vorschlag auf zwei Drittheile der Stimmen im engern Rath als vielleicht zu wählendes Auskunftsmittel gestellt worden ist.2 Dieser Vorschlag gründet sich auf eine ausführliche Besprechung, zu ­welcher Ew. Excellenz mir unter dem 20ten April eröffnete Ansicht3 Anlaß und Sicherheit gab. Es war bei derselben leicht, dem p. Grafen von Buol ­bemerklich zu machen, wie in jedem Falle, daß man sofort jede Ausführungsfrage oder jedes Wie? der Gegenstände von Anfang der Ausführung an als Modalität ansehen und nach Mehrheit entscheiden wolle, die Vorschrift der Stimmen Einheit in der Bundes-Akte eigentlich gar keinen Sinn und Zweck behalte, indem das Ob? als durch die Akte selbst außer Frage gestellt, und 1 Die Vorlage trägt an der linken Seite den handschriftlichen Vermerk: „Zu den Akten, da ein neuerer Commissionsbericht erstattet ist. Berlin den 3. August 1819. E[ichhorn].“ 2 Vgl. Dok. 87. 3 Vgl. Dok. 86.

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durch die pflichtmäßige Beschäftigung mit der organischen Einrichtung schon an und für sich entschieden und von gar keiner Uebereinkunft abhängig zu betrachten sey. Wenn hernach aber die Vorschrift der Akte als allerdings auf Einstimmigkeit bei der Ausführung oder bei dem Wie? gestellt, einerseits nicht zu bestreiten ist; so fordert andrerseits die Natur der Verhältnisse und die schon gemachte Erfahrung auf, gegen den Gebrauch dieser Vorschrift zu endloser Verzögerung oder gänzlicher Vereitelung organischer Einrichtungen, ein ­entscheidendes, allgemein anwendbares, demnach bey künftiger Anwendung allem Widerspruch entnommenes Mittel im Voraus festzustellen, und auf ­diese Weise der Vorschrift der Bundes-Akte ein Supplement hinzuzufügen, welches sich als unentbehrlich gezeigt hat. In dem Bericht der diesseitigen Bundes-Gesandtschaft vom 10. April ist ein solches Mittel in der Begrenzung der Anwendung der Stimmen-Einheit durch eine zuvörderst zu suchende Hauptbasis angegeben, nach deren Er­ reichung und Feststellung, sodann das Uebrige, als fernere und letzte Moda­ lisirung der Einrichtung, der Stimmenmehrheit anheimgegeben würde. Eine andere Aushülfe lag aber in der Mitte zwischen den beyden Extremen, die sich ganz eigentlich, in der vorgeschriebenen Stimmen Einheit und in der durch eine einzige Stimme entschiedenen Mehrheit, d. i. in der größten Annäherung an eine absolute Stimmentheilung darstellen; Extreme, von welchen auch das letztere in Beziehung auf das zu wünschende Finden und Treffen des Richtigen und Besten oder des Allgemeingültigen sehr mißlich ist, wogegen die bey der Entscheidung nach Mehrheit überhaupt vorausgesetzte Wahrscheinlichkeit: daß das Richtige oder Beste nicht bey der Minorität sich finde, durch das Zurückbleiben nur von einem Drittheil der Stimmenden, demnach durch eine zur Entscheidung angenommene Majorität von zwey Drittheilen bedeutend gesteigert wird. Das hierauf hinausgekommene Resultat der Besprechung schien demnach allerdings weiterer Aufmerksamkeit werth und wenigstens zu einer Vorlegung als Proposition eher geeignet, als die früher beabsichtigte unbedingte Geltung der Mehrheit von Einer Stimme bei allen Ausführungs-Fragen organischer Einrichtungen. Ein Auskunftsmittel mit welchem hier überhaupt eben so wenig jemals durchzudringen gewesen seyn dürfte, als es überhaupt mißlich erscheint: Dasjenige, was die Bundes-Akte der Einstimmigkeit vorbehalten hat, jetzt dem andern Extreme d. i. dem stets von vielerley Zufällen und Einflüssen abhangenden Vorhandenseyn einer so geringen Mehrheit in ganz entgegengesetzter Art preiszugeben. In so weit liegt daher eine gewisse Annäherung der Ideen, dem von dem p. Grafen von Buol gemachten Vorschlage zum Grunde. Und da der Gegenstand

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nun fürs Erste zu einer commissarischen Vorbereitung gestellt ist, so entsteht die Frage: ob es zweckmäßig sey, in der Commissions-Discutirung bey diesem Vorschlage auch diesseits stehen zu bleiben, oder ob noch eine andere Proposition mit überwiegenderen Gründen empfehlungswürdig erscheint? Es scheint bey dieser Frage weniger darauf anzukommen, sich mit der Möglichkeit oder Angemessenheit einer allerdings gedenkbaren noch anderweitig modificirten Mehrheit zu beschäftigen, als vielmehr ganz allgemein zuvor noch die Frage aufzustellen, ob eine modificirte Mehrheit überhaupt, so wie der Oesterreichische Vorschlag auf eine solche sich beschränkt, allein schon zureiche, um der Mißlichkeit des Verfahrens abzuhelfen, die bey dem Aufgeben der Einstimmigkeit zu entstehen scheint, sobald dasselbe auch die ersten und allgemeinsten Ausführungsfragen befassen soll? Die Modificirung oder Verstärkung der Mehrheit könnte freylich noch weiter ausgedehnt werden, als sie jetzt vorgeschlagen ist. Bey den 17 Stimmen des engern Raths wird eine Mehrheit von 2/3 unbequem gezogen, da sie zwischen 11. und 12. Stimmen fällt. In jedem Falle würde jedoch der Stand von 12 zu 5 als der richtige einer Mehrheit von 2/3 anzunehmen seyn. So wie aber bey der Frage von der Corps-Anordnung in der Militair-Sache der Stand zuerst bis auf 14 zu 3 dann auf 15 zu 2 und zuletzt selbst auf 16 zu 1 wirklich wich; so wäre eine verstärkte Mehrheit von 12 Stimmen an, eigentlich auf fünferley Weise nämlich von 12 bis einschließ. 16 darzustellen. Indessen man jedoch abwarten könnte, welche von diesen Modificationen vielleicht schon in der Commission, oder auch nachher, wenn das Resultat zur Instructions Einholung gestattet worden, noch in Vorschlag kommen, und den meisten Beyfall finden dürfte; liegt mir vorerwähntermaßen die erheblichere Frage vor: ob die diesseitige Absicht der Begrenzung4 der Einstimmigkeit auf eine Hauptbasis oder eine Hauptidee der Ausführung (so wie derselbe Begriff in dem verehrtesten Erlaß vom 20ten April erscheint) gegen 5irgend eine5 verstärkte Mehrheit ganz aufgegeben werden soll? oder ob Gründe Statt finden, eine verstärkte Mehrheit vielmehr mit jener Begrenzung in Verbindung zu setzen? Eine solche Verbindung würde zwar allerdings weder die jetzige Fest­ stellung, noch die künftige Behandlung organischer Einrichtungen nach der4 Doppelt unterstrichen. 5–5 Doppelt unterstrichen.

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selben, so sehr erleichtern, als die bloße Annahme der verstärkten Mehrheit ohne dieselbe. Es dürfte jedoch in derselben allein das Mittel liegen, irgend eine Modifikation der fraglichen Bestimmung des Bundes-Akte hier durchzusetzen, und solche auch an und für sich der Bedenklichkeit ganz zu entnehmen, die selbst vom Beschließen nach einer verstärkten Mehrheit bey Gegenständen von so großer Wichtigkeit nicht ganz zu trennen scheint. In den Berichten der diesseitigen Bundes-Gesandtschaft sind seit Eröffnung des Bundes-Tages bey mehreren Gelegenheiten Geschäftswendungen bemerklich gemacht, wo durch angekündigte oder eingeleitete Formirung einer Mehrheit ein Zweck durchgesetzt werden sollte, bei welchem die diesseitige Zustimmung ermangelte. An offenen Aeusserungen oder Insinuationen dieser Art hat es hier zu keiner Zeit ermangelt, und dieselben sind nicht selten der begründetsten Richtigkeit diesseitiger Ansicht und der gerechten Behauptung eines diesseitigen, keine Bedrohung fremder Rechte mit sich führenden Interesses entgegengesetzt. Beispiele geben: die Errichtung einer permanenten Instanz6, in Beziehung auf welche die Berichte von 1817 einen für immer merkwürdigen Verhandlungsgang bezeichnen; und die Pensionierung des deutschen Ordens7, in Beziehung auf welche häufig die Einleitung versucht ist, eine in Beziehung auf jede dabey entgegentretende Parthey, durchaus ungerechte und unbillige diesseitige Belastung durch Herbeyführung eines Schlusses nach Mehrheit zu entscheiden. In derselben Erfahrung liegt auch die allerdings stattfindende Möglichkeit: daß selbst eine verstärkte Mehrheit dasselbe nachtheilige und bedenkliche ­Resultat gewähre. Ich glaube daher, durch Gründe dieser Art verpflichtet zu seyn, in meiner der Commission zu machenden Proposition, die Belassung des Erfordernisses der Einstimmigkeit für die Aufstellung der Haupt- und Grund Idee der Ausführung einer organischen Einrich6 Vgl. dazu ausführlich Kapitel III.1. 7 Den Mitgliedern des Deutschen Ordens war in Artikel 15 der Deutschen Bundesakte (vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1515) zugesichert worden, daß sie nach den im Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803 für die Domstifter festgesetzten Grundsätzen (§§ 51−59) Pensionen erhalten sollten, sofern diese noch nicht bewilligt worden waren, und daß diejenigen deutschen Bundesfürsten, die eingezogene Besitzungen des Deutschen Ordens erhalten hatten, diese Pensionen entsprechend ihrem Anteil an den ehemaligen Besitzungen zu bezahlen hatten. Wenngleich die Beratungen darüber in der Bundesversammlung schon im Dezember 1816 begannen, geriet die Angelegenheit nach 1820 ins Stocken. In der Folgezeit kam es zwar zu einigen Einzelregelungen, doch kam bis 1848 kein Bundestagsbeschluß in dieser Sache zustande. Vgl. Alphabetisches Register über die Verhandlungen der deutschen Bundesversammlung vom 1. October 1816 bis zum Schlusse des Jahres 1836, S. 102−104; Alphabetisches Hauptregister über die Protokolle der deutschen Bundesversammlung. Erste Fortsetzung, die Verhandlungen vom Jahr 1837 bis zum 2. Julius 1848 enthaltend, S. 54 u. 106 f.

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tung, (in sofern dieselbe nicht etwa durch die Akte selbst gegeben ist) festzuhalten; das Hinarbeiten auf einstimmige Gewinnung dieser Basis der Ausführung als erstes Erforderniß der Beschäftigung mit einer organischen Einrichtung aufzustellen; für die weitere Modalisirung aber eine verstärkte Mehrheit bis auf 14:3 vorzuschlagen. So wie der nähere Inhalt des Rescripts vom 20. April mir das fruchtbarste Material an die Hand giebt, die Ausführung eines solchen Vorschlags zu empfehlen; so werde ich mich auch des Beispiels der Militairsache erläuternd in solcher Art bedienen, daß ich die Bildung eines Bundesheeres als das durch die Akte vorgeschriebene Geschäft, die Corpsanordnung aber als die einmüthig gewonnene Grund Idee, die wirkliche Corpsbildung aber als diejenige fernere Modalisirung erkläre, welche durch eine verstärkte Mehrheit zu entscheiden gewesen sey. Indem ich Ew. Excellenz mit dieser Art meiner Einwirkung bey dem Commissions Geschäfte einverstanden hoffen darf, wird die anderweitig influirte Wendung der Sache, wenn nicht in der Commission doch in der künftigen Abstimmung noch immer die Möglichkeit übrig lassen; auch anders modificirten Ansichten nachzugeben, so daß das dermalen Geäußerte den Gegenstand so oder anders bestimmt zu entscheiden noch nicht zureichen oder geeignet seyn dürfte. Wenn übrigens von dem p. Grafen von Buol in derselben Proposition noch eine Berührung der jurium singulorum Statt gehabt hat, so ist solches ohne alle Verabredung geschehen, indem in keiner Art zur Erreichung des Zweckes: mit dem Haupt Inhalte der Proposition zum Schlusse zu kommen, diensam gehalten werden kann, denselben mit einem davon füglich zu trennenden, und noch schwierigern Gegenstande in Verbindung zu setzen. Da es nun auch mit Ew. Excellenz mir unter dem 20. April eröffneten Ansicht ganz stimmt, jedem übrigen Inhalt des hiebey berührten Abschnitts des 7ten Artikels der Bundes-Akte unberührt zu lassen; so werde ich in der Commission erklären, daß ich mich eben so wohl aus ermangelnder Instruirung ganz außer Stande fände, in dieser Beziehung eine den Ansichten meiner Regierung gemäße Aeußerung zu machen, als meine Ansicht überhaupt dahin ginge, daß, bey der unerkannten großen Schwierigkeit dieses Gegenstandes, durch dessen Verbindung mit der vorliegenden Frage bey gänzlichem Mangel eines inneren Zusammenhanges, der Erfolg des vorliegenden nächsten Zweckes nicht erschwert werden möchte. Goltz

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92. Goltz an Buol

HHStA Wien, St. K., Deutsche Akten (neue Reihe), Kart. 79, Fasz. 105 (alt), Konv. II: Beschlußfassung mit Stimmenmehrheit betr. 1819/20, fol. 58–58’ (a) und 52–57’ (b). a) Schreiben. Eigenhändige Ausfertigung; b) Votum. Behändigte Abschrift.

[a) Schreiben] Übersendet in Anlage einen Aufsatz über den sechsten und siebten Artikel der Deutschen Bundesakte.

Frankfurt am Main, 25. Juni 1819 Ew. Excellenz beehre ich mich – da die Frage welche wegen der Einstimmigkeit bei orga­ nischen Einrichtungen bis jezt vorlag, in der 21ten Sitzung sowohl in den ­Abstimmungen als in dem erfolgten Beschluße1, eine ganz unbestimte Aus­ dehnung über den gesammten Inhalt des dahin gehörigen Abschnitts des 7ten Artikel der Bundesacte2 erhalten hat – in Gemäßheit meiner Instructionen, die Ansicht meines Allerhöchsten Hofes über diesen äußerst wichtigen Gegenstand, in der hier anliegenden Entwickelung ergebenst mitzutheilen, und ersuche Hochdieselben zugleich diese Mittheilung unter den Hochverehrlichen Mitgliedern der Commission gefälligst circuliren zu laßen. Ich benutze übrigens diese Veranlaßung um Ew. Excellenz die Versicherung meiner ausgezeichnetesten Hochachtung zu erneuern. Goltz [b) Anlage: Votum zu Artikel 7 der Deutschen Bundesakte] Die Schwierigkeiten bei den Verhandlungen über die Korpsbildung des Bundesmilitärs haben zur Suche nach einem allgemeinen Ausweg geführt, um den nachteiligen Folgen des Einstimmigkeitsprinzips bei der Ausbildung einer o­ rganischen Einrichtung des Bundes vorzubeugen: Frage der notwendigen Begrenzung des Einstimmigkeitsprinzips bei der Ausbildung organischer Einrichtungen. Österreichs Position schien zunächst dahin zu gehen, daß bei jeder Ausführungsfrage einer organischen Einrichtung die Stimmenmehrheit entscheiden müsse. Vorschlag des Präsidialgesandten zu einer Verstärkung auf zwei Drittel der Stimmen im Engeren Rat bei allen Modalitäten organischer Einrichtung. Für Preußen stellt sich die grundsätzliche Frage: Soll Einstimmigkeit bei der Ausführung organischer Einrichtungen überhaupt und gänzlich oder nur dann und an dem Punkt der Verhandlung aufgegeben und durch die verstärkte Mehrheit ersetzt werden, wenn die Ausführung gewisse Haupt- oder Grundzüge erreicht hat? Goltz lehnt eine generelle Aufgabe des Einstimmigkeitsprinzips ab, da dies aus der Bundesakte nicht abgeleitet ­werden könne, ja der Vorschrift 1 Vgl. ProtDBV 1819, 21. Sitzung vom 14. Juni 1819, § 115, S. 369−375 und Dok. 88. 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511.

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des Artikels 7 der Bundesakte widerspreche. Notwendige Unterscheidung zwischen den Grundzügen und den Ausführungsdetails: Bei der Aufstellung der Grundzüge einer organischen Einrichtung müsse das Einstimmigkeitsprinzip gelten, während über die fernere Ausbildung oder das Ausführungsdetail mit einer verstärkten Mehrheit (maximal 14:3) entschieden werden könne.

Die in der Militair-Angelegenheit bey der Corpsbildung entstandene Schwierigkeit: daß nach dem 7ten Artikel der Bundesakte der Gegenstand einer organischen Einrichtung, als in seiner ganzen3 Verhandlung der Stimmenmehrheit nicht unterworfen, behauptet werden wollte, hat dahin geführt, daß ein allgemeines Auskunftsmittel gesucht worden, um den nachtheiligen Folgen vorzubeugen, welche eine solche Auslegung der fraglichen Vorschrift, als in erwähntem Falle gemacht ward, oder eine bis zur völligen Ausbildung einer organischen Einrichtung als erforderlich behauptete Einstimmigkeit, für diese Ausbildung auch in künftigen Fällen nothwendig mit sich bringen müßte. Dieser bestimmte einzelne Inhalt des hieher gehörigen Abschnittes des 7t[en] Artikels, oder die Frage von der nothwendigen Begrenzung4 des Princips der Einstimmigkeit bey der Ausbildung organischer Einrichtungen, schien allein, und an und für sich eben so wichtig und schwierig, als dieselbe, nach der vorbemerkten Erfahrung zunächst vorlag, und von jedem übrigen Inhalt des ganzen Abschnitts füglich zu trennen war. Diese Frage hat daher auch allen Erwägungen bey der König. Preußischen Bundes-Gesandtschaft bis dahin vorgelegen. Auch ist sie die einzige, über welche diese Gesandtschaft sich dermalen mit einiger Bestimmtheit zu äußern im Stande ist. Wenn daher derselbe Gegenstand in der 21. Sitzung sowohl in den Abstimmungen, als in dem erfolgten Beschluße eine ganz unbestimmte Ausdehnung über den gesammten Inhalt des fraglichen Abschnitts erhalten hat; so kann die Preußische Gesandtschaft zwar in keiner Art verhindern, daß in der ernannten Commission über diesen gesammten Inhalt Mittheilungen gemacht, oder Erwägungen angestellt werden. Da aber dieser gesammte Inhalt zum Theil in gar keiner innern Verbindung steht, da selbst die Beurtheilung der jurium singulorum wenigstens kein Präliminare einer Entscheidung über die Grenze der Einstimmigkeit bey Gegenständen organischer Einrichtung enthält, oder als ein solches irgend nützlich und zweckdienlich aufgestellt werden könnte; da ferner jene Entscheidung über die Grenze der Einstimmigkeit in jedem Falle als die nächst wichtige vorliegt; so scheint dieselbe auch we3 Doppelt unterstrichen. 4 Doppelt unterstrichen.

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nigstens die nächste und eine ausschließliche Erwägung für sich allein nicht nur zuzulaßen, sondern ganz eigentlich zu fordern; und es dürfte namentlich die auch an sich selbst und ohne Rücksicht auf den vorbemerkten, nur nach­ theiligen und verwirrenden Einfluß, so sehr schwierige Frage von den juribus singulorum eher aus der vorliegenden Beschäftigung zu entfernen, als in dieselbe mit aufzunehmen seyn. Demnach ist es wenigstens für jtzt nur die vorbemerkte Frage von jener Begrenzung des Princips der Einstimmigkeit, über welche man Preußischer Seits sich dermalen zu äußern beehrt; und unter Beschränkung auf welche man über andre zur Erwägung gebrachte Gegenstände sich in der Folge zu äußern vorbehalten müßte. Nach der ersten Kaiserlich-Oesterreichischen Eröffnung schien die dortseitige Meynung dahin zu gehen: Daß für jede5 Ausführungs-Frage einer organischen Einrichtung, für ein jedes Wie? bey Erwägung und Feststellung der Sache, die Stimmenmehrheit entscheiden müße. Auch wurde bey dieser Stimmenmehrheit damals keine Modification durch deren Verstärkung für diesen Gebrauch bemerkt. Die jtzt erfolgte Präsidial-Proposition6 enthält nun den Vorschlag einer ­solchen Verstärkung auf 2/3 der Stimmen in der engern Versammlung. Die Proposition läßt dabey aber dieses Entscheidungsmittel, als eintretend bey ­allen Modalitäten organischer Einrichtungen, demnach vom Beginn der Ausführung an, oder (nach obigem Ausdruck) bey jedem7 Wie? oder bey jeder8 Ausführungsfrage, im Antrage stehen. Preußischer Seits ist man inzwischen noch nicht ganz einverstanden mit einer solchen Anwendung selbst einer verstärkten Stimmenmehrheit, an der Stelle der Einstimmigkeit bey dem 9ganzen Geschäft9 der Ausbildung einer organischen Einrichtung, demnach auch in deren ersten Grundzügen10, oder vom Anfange11 der Ausbildung an12. Da die Erfahrung und der stattgehabte einzelne Fall den Vortheil bequemer Erläuterung durch ein Beispiel darbiethet, so will man sich dessen auch zuvörderst ihrer bedienen. 5 Doppelt unterstrichen. 6 Vgl. Dok. 87. 7 Doppelt unterstrichen. 8 Doppelt unterstrichen. 9–9 Doppelt unterstrichen. 10 Doppelt unterstrichen. 11 Doppelt unterstrichen. 12 Doppelt unterstrichen.

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Die Bundes Acte hatte eine militairische Einrichtung des Bundes, und damit die Bildung eines Bundesheeres vorgeschrieben. In Hinsicht derselben, d. h. in Hinsicht der Frage: ob13 ein Bundesheer gebildet werden solle? oder mit einem Wort, – in Hinsicht dieses Ob14? der Sache war 15gar keine15 ­weitere oder nochmalige Ubereinkunft, demnach, auch keine Einstimmigkeit erforderlich. Dagegen begann nunmehr das Wie? der Ausführung mit der ­Erwägung, ob nur Divisionen oder ganze Corps gebildet werden sollten? Hätte man nun dieses erste16 Wie? oder diese erste Ausführungs Frage bereits der Mehrheit anheimgeben, auch darin17 nicht fürs erste die Einstimmigkeit zu gewinnen suchen sollen? Die Discussion wegen Geltung der Stimmenmehrheit entstand wenigstens damals nicht an dieser Stelle des Geschäfts. Sie entstand bey einem zweiten, bei einem untergeordneten Wie? oder, bey einer untergeordneten Aus­ führungs-Frage, nachdem die erste18, – die Eintheilung nach Corps – ein­ stimmig entschieden war. Sie entstand, als ausserdem auch noch die DirectivNormen in gleicher Art angenommen waren, bey dem Detail der Corpsbildung, welche eben nun weiter ausgeführt werden sollte. Ohne Zweifel findet sich auch in dieser Art ein wesentlicher Unterschied überall tief begründet. Die ersten Grundzüge sind stets Gegenstände ein­ facherer Entscheidung. Nur bey ihrer Anwendung entsteht ein Detail der Möglichkeiten, welches die Ansichten weiter spaltet und zu vereinigen immer schwerer macht. Es entsteht demnach und zeigt sich auch nach Anleitung dieses Beyspiels die19 Frage: Soll die Einstimmigkeit bey der Ausführung organischer Einrichtungen überhaupt20 und gänzlich, oder soll sie 21nur dann21 und an dem22 Punkte der Verhandlung aufgegeben und mit der verstärkten Mehrheit ersetzt werden, wenn die Ausführung gewisse Haupt- oder Grundzüge erreicht hat?

13 Doppelt unterstrichen. 14 Doppelt unterstrichen. 15−15 Doppelt unterstrichen. Doppelt unterstrichen. 16 17 Doppelt unterstrichen. 18 Doppelt unterstrichen. 19 Doppelt unterstrichen. 20 Doppelt unterstrichen. 21–21 Doppelt unterstrichen. 22 Doppelt unterstrichen.

Nr. 92

Frankfurt am Main, 25. Juni 1819

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Man stellt diesseits nicht in Abrede, daß die letztere Feststellung nicht mit einer so großen Erleichterung der Ausführung organischer Einrichtungen verknüpft ist, als die erstere. Man ist aber auch ebenso bestimmt folgender Ansicht. Erstlich: Es kann einmal nicht behauptet werden, daß nur das Ob? einer organischen Einrichtung der Einstimmigkeit durch die Acte unterworfen sey; indem dann vorangeführtermaßen für die Einstimmigkeit kein Object übrig wäre, indem das Ob? als schon voraus entschieden betrachtet werden muß, und eine organische Einrichtung überhaupt nur durch ein schon entschiedenes23 Ob? zum Gegenstande der Beschäftigung zu werden vermag. Zweitens: Da eine stattfindende Verpflichtung24: die Einstimmigkeit für jede Ausführungsfrage oder für jedes Wie? aufzugeben – demnach aus der Bundesacte auf keine Weise abgeleitet werden kann, diese Behauptung der Vorschrift des 7t[en] Artikels vielmehr geradezu zu widersprechen scheint; so dürfte nie zu erwarten seyn, daß das Aufgeben der Einstimmigkeit 25in solchem Umfange25 zu erreichen stehe, indem, wenn auch, (was sehr zweifelhaft) die Mehrheit sich für eine solche Feststellung entschiede, die Minderheit sich doch niemals gefallen lassen wird, daß sie durch die Mehrheit zum Aufgeben einer von ihr 26verfaßungsmäßig in Anspruch zu nehmenden26 Einstimmigkeit verpflichtet werde! Drittens: Es steht sehr dahin, ob selbst, wenn diese Feststellung jtzt er­ halten würde, eine durch die Mehrheit (wenn auch durch eine verstärkte) erzwungene Entscheidung so wichtiger Gegenstände in den ersten Grund­ zügen, oder – mit andern Worten – ob eine in so wichtigen Beziehungen verfehlte27 wahre Vereinigung ein erwünschtes28 Verhältniß zu erzeigen geeignet seyn dürfte, wenn auch ein solcher Zwang verfaßungsmäßig eingeführt worden? oder ob, ganz entgegengesetzt, nicht nur der Geschäfts-Entwicklung bey organischen Einrichtungen ein heilsamerer Erfolg sowohl bey der gerade vorliegenden einzelnen Sache, als in allgemeinen Erwägungen gesichert seyn dürfte, wenn man von allen Seiten mit dem Zweck und Vorsatze ausginge:

23 Doppelt unterstrichen. Doppelt unterstrichen. 24 25–25 Doppelt unterstrichen. 26−26 Doppelt unterstrichen. 27 Doppelt unterstrichen. 28 Doppelt unterstrichen.

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Goltz an Buol

Nr. 92

die Grundzüge29 des Gegenstandes durch einmüthige Verhandlung zu er­ reichen, um sodann die Anwendung30 dieser Grundzüge oder die 31weitere Ausführung31 der Sache einem beschleunigten und endenden Verfahren nach Stimmenmehrheit anheimzustellen. Ein Gang der Sache, welcher auch bey der Gewinnung des vorbemerkten Grundzugs der Eintheilung in Corps, so wie auch ferner bey Annahme der Directiv-Normen dieser Eintheilung, statt gehabt hat; wogegen es allerdings sehr angemessen war, und zur fraglichen allgemeinen Feststellung als be­ lehrendes Beispiel dienen kann, und vorliegt, daß die Anwendung jenes Grundzugs und jener einstimmig angenommenen Normen, demnach die ­weitere Ausführung des Gegenstandes oder die wirkliche Corps Eintheilung in 32ihrem Detail32 der Stimmenmehrheit unterworfen ward. Viertens: Für einen sichern Gewinn einer solchen Unterscheidung der Grundzüge33 und des 34Ausführungs-Details34 wird man demnach auch immer halten müßen, daß, wenn auch diese Unterscheidung durch möglichst genaue vorgängige Bestimmung doch in der Anwendung35 nicht aller36 ­ ­Ansichtsverschiedenheit zu entnehmen wäre, wenigstens ein solches Aus­ führungs-Detail, als im vorbemerkten Falle in Frage stand, so kenntlich37 nicht mehr Grundidee oder Grundzug der Ausführung ist, daß dasselbe in künftigen Fällen wohl unfehlbar einer jtzt beschloßenen Geltung der Stimmenmehrheit mit Zuverläßigkeit zu unterwerfen seyn wird. Da man demnach Preußischer Seits der genau erwogenen Ansicht ist, daß auf diese Weise etwas Wesentliches für jetzt wirklich erreicht38 werden würde; und daß das für jetzt Erreichbare hierin beschlossen39 sey; so trägt man dahin an, und empfiehlt allseitiger Mit Erwägung: daß unter Belassung des Erfordernisses der Einstimmigkeit40 für die Aufstellung der Grundidee, oder der Grundzüge einer auszuführenden ­organischen Einrichtung, die 41Entscheidung nach einer verstärkten Mehrheit41 als allgemeines Entscheidungsmittel für die fernere Aus­ 29 Doppelt unterstrichen. Doppelt unterstrichen. 30 31–31 Doppelt unterstrichen. 32–32 Doppelt unterstrichen. 33 Doppelt unterstrichen. 34–34 Doppelt unterstrichen. 35 Doppelt unterstrichen. 36 Doppelt unterstrichen. 37 Doppelt unterstrichen. 38 Doppelt unterstrichen. 39 Doppelt unterstrichen. 40 Doppelt unterstrichen. 41–41 Doppelt unterstrichen.

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Florenz, 5. Juli 1819

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bildung oder für das Ausführungs-Detail beschlossen und festgestellt, und auf diese Weise Ein nothwendiges Supplement des hieher gehörigen Abschnitts des 7t[en] Artikels in diesem Einzelnen Punkte für’s Erste genommen werde. Weniger wichtig und schwierig als die Übereinkunft über die bisher behandelte Frage: von der absoluten Geltung einer Stimmenmehrheit bey Ausführung organischer Einrichtungen oder von einer Abgrenzung zwischen der Entscheidung durch Einstimmigkeit oder durch Mehrheit in der Behandlung und Entwickelung der Gegenstände erscheint die nähere Bestimmung über die Modificirung42 der Mehrheit für diesen Zweck oder über deren specielle Verstärkung für denselben. Die 2/3 würden allemal schon (obwohl ungenau) den Stand von 12:5 geben, da 11:6 noch keine 2/3 ausmachen. Da jedoch von einer hierunter zu treffenden ganz speciellen und freyen Bestimmung die Rede ist; so könnte auch immer noch eine größere Verstärkung der Mehrheit in Betracht kommen, und vielleicht aus allgemeinen Gründen noch mehr sich empfehlen, indessen sie doch das Verhältniß von 14:3 ohne Zweckverfehlung schwerlich übersteigen dürfte. Goltz

93. Metternich an Buol

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Kart. 3, Konv. I: Weisungen 1819 V–XII, fol. 317–319’. Weisung. Behändigte Ausfertigung.

Spricht sich im allgemeinen für die Anwendung des Prinzips der Stimmenmehrheit bei Entscheidungen in der Bundesversammlung aus und sieht jede beschränkende Modifikation nur als einen Ausweg an, um wenn nicht das Beste, so doch das Bessere zu erreichen. Notwendigkeit einer umfassenden Bearbeitung dieses Gegenstandes durch die zuständige Bundestagskommission, wobei folgendes zu bedenken sei: 1. Das monarchische Prinzip muß mit Kraft und Nachdruck aufrechterhalten werden, da sich der Demokratismus in gesteigerter Regsamkeit äußert. 2. Während demokratische Kräfte, zumal in den Ständeversammlungen der Bundesstaaten, einen großen Spielraum finden, kann es nur heilsam sein, wenn der Geist des Monarchismus sich ver­ einen kann. Zu diesem Zentralpunkt eignet sich der Deutsche Bund als Verein der deutschen Regierungen. 3. Da nicht alle deutschen Regierungen eine angemessene und kraftvolle Form der Geschäftsverhandlung in den Ständeversammlungen be­ obachten, könne dieser Geist leicht auf die Bundesbeschlüsse einwirken, wenn die 42 Doppelt unterstrichen.

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Metternich an Buol

Nr. 93

Minorität die Mehrheit zu lähmen vermöchte. Es liegt daher im wohlverstandenen Interesse der deutschen Regierungen, das Prinzip der Stimmenmehrheit als eines der kräftigsten Mittel gegen alle Gefahren von innen und außen einzusetzen.

Florenz, 5. Juli 1819 Hochgeborner Graf! Ich glaube als einen Großen Schritt zur wesentlichen organischen Ausbildung und Befestigung des teutschen Bundes ansehen zu können, daß, gemäß Eurer Exzellenz berichtlichen Anzeige vom 19ten v. M. No 24 a1, den vorausgegangnen Präsidial-Antrag die Folge hatte, eine Commißion zu wählen, um die Frage über die Entscheidung der Stimmen-Mehrheit in Bundes-Angelegenheiten zu erörtern. Von der bewährten Uiberzeugung ausgegangen, daß es schon den allgemeinen vernünftigen Gesellschaftsregeln entspricht, unter mehreren zu verhandelnden Angelegenheiten der Stimmenmehrheit das Entscheidungs-Prinzip beyzulegen, und bey politischen Geschäften diese Regel selbst ohne Ausnahme anwendbar seyn dürfte; in der Voraussetzung also, daß nach der eben so in kleinen gesellschaftlichen Vereinen, als in größeren berathenden Staats-Versammlungen bewährten Erfahrung, die Entscheidung durch Stimmenmehrheit als wesentliches Collegial-Princip gelten sollte; in dem fernern unbedingten Vertrauen auf die Stimmenmehrheit unter den vereinten teutschen Bundes-Gliedern bin ich schon im Allgemeinen für die Aufstellung und Anwendung dieses Grundsatzes und sehe jede beschränkende Modifikation nur als einen Ausweg an, um, wenn das Beste nicht durchzuführen ist, doch das Beßere zu erreichen. Ich erkenne übrigens sehr wohl, daß die umfaßende Bearbeitung dieses Gegenstandes, eine umsichtige Erörterung erfordert, vertraue aber auch in dieser Hinsicht auf die entsprechende Zusammensetzung der deshalb gewählten Kommission, und sehe im voraus mit Beruhigung einem angemeßenen Resultate entgegen. – Ich werde, wenn es meine Reise und Entfernung gestattet, Eurer Exzellenz gleichfalls meine Ansichten darüber mittheilen, wünsche aber gerade wegen dieser Ungewißheit in meiner disponiblen Zeit nicht die Berathungen der Kommißion zu verzögern. – Für heute finde ich mich bewogen Hochdenenselben einige Bemerkungen über diesen Gegenstand zu eröfnen, welche bey den eingeleiteten Bearbeitungen zur Berücksichtigung geeignet seyn dürften.

1 Vgl. Dok. 90.

Nr. 93

Florenz, 5. Juli 1819

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1tens. Unverkennbar ist es dringendes Bedürfniß, daß man, unbeschadet ­einer vernünftigen Liberalität das monarchische Prinzip2 mit Kraft und Nachdruck, so wie mit Würde und Klugheit aufrecht erhalte; dieses dringende ­Bedürfniß läßt sich um so weniger verkennen, da der Demokratism sich mit großer, täglich gesteigerter Regsamkeit, unter den verschiedensten Formen so wie unter den verschiedenen Klaßen der Staats-Bürger und ebenso in öffentlichen Verhandlungen als in geheimen Umtrieben, und endlich nicht nur durch Mißbrauch motivirter Begründung, sondern auch durch manche unwürdige Mittel wirksam zeigt. 2tens. Während nun die demokratische Secte einen großen Spielraum findet, und fortwährend finden wird bey den Berathungen der ständischen Versammlungen in den einzelnen Bundesstaaten, kann es für jetzt so wie für unerwartete entferntere Zeiten nur heilsam seyn, wenn der Geist des Monarchism sich vereinen, und ebenso vereint in Beschlüßen als in Kraft und That nach Bedürfniß aussprechen kann. – Ohne daher auch nur im geringsten den entferntesten Schein einer gleichsam constituirten formellen Opposition ­anzunehmen, und die entgegengesetzte Kraft dadurch zu stärken und zu ­beleben, enthält jedoch die eben so ganz unbefangene Erhaltung jener monarchischen Richtung, das sicherste Mittel ein gehöriges Ebenmaß festzu­ stellen, und der Gefahr eines ungeregelten Auswuchses des Demokratism zu begegnen. Zu diesem natürlichen Central-Punkt eignet sich aber der teutsche Bund und deßen Einheits-Punkt – die Bundesversammlung, als der Verein der teutschen Regierungen. Schon regt sich auch dieses Besorgniß in den ständischen Versammlungen und bey einzelnen Schriftstellern, wie theils aus dem von Eurer Exzellenz mit Bericht vom 19ten v. M. No. 24 g eingesandten Aufsatze des Professors 2 Kerngedanke des monarchischen Prinzips war der Grundsatz, daß trotz der Abtretung bestimmter Mitwirkungsrechte an eine landständische Vertretung das Staatsoberhaupt Träger der gesamten Staatsgewalt bleibe. Dem monarchischen Gedanken wurde damit der Vorrang vor allen Ansprüchen einer Volksvertretung eingeräumt. In Artikel 57 der Wiener Schlußakte vom 5. Mai 1820 wurde den Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes, die bereits eine landständische Verfassung besaßen, die Wahrung des monarchischen Prinzips zur Pflicht gemacht und durch Bundesbeschluß vom 8. Juli 1820 diese Bestimmung der Wiener Schlußakte ­bundesrechtlich verankert. Allen Versuchen einer einzelstaatlichen Verfassungsentwicklung in ­ liberaler Richtung waren damit enge Grenzen gesetzt. Vgl. Meyers Taschenlexikon ­Geschichte, Bd. 4, S. 140 f.; Fuchs/Raab, dtv Wörterbuch zur Geschichte, S. 534; HRG, Bd. 3, Sp. 625−630 (Art. „Monarchie“); Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 651−656; Müller, Der Deutsche Bund 1815−1866, S. 9 f.; Brunner, Vom Gottesgnadentum zum monarchischen Prinzip; Hintze, Das monarchische Prinzip und die konstitutionelle Verfassung; Meisner, Die Lehre vom monarchischen Prinzip im Zeitalter der Restauration und des Deutschen Bundes.

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Metternich an Buol

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­ aulus3 in Heidelberg, theils aus der gleichzeitig überschickten Rede des P ­Abgeordneten von Liebenstein4 erhellt. 3tens. Die seitherige Erfahrung zeigt uns, und ich besorge die Zukunft dürfte es noch mehr bestättigen, daß nicht alle teutschen Regierungen weder 5eine angemeßene5 Form der Geschäfts-Verhandlung mit den ständischen Versammlungen, noch jenen politischen Gang in ihrem Benehmen überhaupt beobachten, welcher allein geeignet seyn dürfte, unbeschadet einer freyen Berathung, Vertrauen und hohe Achtung gegen die Regierungen zu erregen, so wie Anstand und Ordnung in den Verhandlungen, Kraft und Würde in den landesfürstlichen Entschließungen zu bewähren; nur zu häufig sehen wir ein schwankendes Benehmen, ein besorgliches schüchternes Unterhandeln, oder gereitzte, aber nicht würdevoll sich bethätigende Empfindlichkeit von Seite der Regierung. So wie sich dieser Karakter bey der Geschäftsleitung in einzelnen Bundesstaaten zeigt, ebenso dürfte dieser Geist auch auf unsere Bundes-Beschlüße einwirken, wenn die leicht einzeln verwundbare Minorität den Beschluß der Mehrheit zu lähmen vermöchte; während hingegen die selbst in ihren unmittelbaren Territorial-Geschäfts-Verhandlungen furchtsamen Regierungen durch die Kraft des Beschlußes, oder die Vereinigung der Mehrheit bey der BundesVersammlung, sich gestärkt und ermannet finden könnte. In Erwägung dieser sämmtlichen Betrachtungen scheint es mir daher selbst in dem wohlverstandenen Interesse der teutschen Regierungen zu liegen, unter sich und für sich, Vertrauen der Stimmenmehrheit zu schenken und sich durch ihre vereint gefaßten Beschlüße ebenso gestärkt, als in ihrer isolirten Stellung gelähmt zu betrachten.

3

Heinrich Eberhard Gottlob Paulus (1761–1851), evangelischer Theologe und führender Vertreter des Rationalismus, 1789 Professor für orientalische Sprachen in Jena, 1793 o. Professor für Dogmatik und Exegese ebd., 1803 o. Professor für Theologie und Landesdirektionsrat in Würzburg, Kreis-, Kirchen- und Schulrat 1807 in Bamberg, 1808 in Nürnberg und 1810 in Ansbach, 1811−1844 Geheimer Kirchenrat und o. Professor für Exegese und Kirchengeschichte an der Universität Heidelberg. Vgl. ADB, Bd. 25, S. 287−295; NDB, Bd. 20, S. 135 f.; Drüll, Heidelberger Gelehrtenlexikon 1803–1932, S. 201 f. 4 Ludwig August Friedrich Freiherr von Liebenstein (1781–1824), badischer Staatsmann, Studium der Rechte in Jena, Göttingen und Heidelberg, 1807 Hofgerichtsassessor und 1808 Hofgerichtsrat in Mannheim, 1809 Versetzung als Kreisrat nach Wertheim und Ausscheiden aus dem Dienst, 1811 Oberamtmann zu Hornberg und 1812 in Lahr, 1819−1823 Mitglied und 1822/23 Vizepräsident der Zweiten Kammer des badischen Landtags, 1819 Oberhof­ gerichtsrat in Mannheim, 1821 Geheimer Referendar im Innenministerium, 1822 als Kreis­ direktor in Durlach. Vgl. ADB, Bd. 18, S. 564 f.; Badische Biographien, Bd. 2, S. 23−28; DBA I, 762, 381−386; DBA III, 564, 223 f. 5−5 Emendiert. Vorlage: einen angemeßenen.

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Frankfurt am Main, 10. Juli 1819

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Möchte ich nur dieses Selbstvertrauen der teutschen Regierungen auf die vereinte Mehrheit unter sich, als eines der dringendsten Bedürfniße, oder auch als eines der kräftigsten Mittel gegen alle Gefahren von innen und von außen lebhaft genug empfehlen, und die Wahrheit einleuchtend genug der Einsicht der Regierungen vorhalten können, daß, im Vertrauen auf die Mehrheit, und im treuen Verein dieser Mehrheit unsern Regierungen die Sicherung eben so des Ganzen als der sämmtlichen einzelnen Glieder gegen alle und jede Gefahr beruhe. – Einzig diese lebhafte Uiberzeugung, welche mich vollkommen durchdringt, kann in dieser wichtigen National-Angelegenheit zum angemeßenen Resultate führen. Eurer Exzellenz glaubte ich diese Bemerkungen eröfnen zu müßen, um bey gelegentlicher Unterredung selbige zu benützen und so auf die Fassung eines entsprechenden Beschlusses einzuwirken. Empfangen Eure Exzellenz die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung F. v. Metternich

94. Plessens „Votum zur Kommission wegen des Artikels 7 der Bundesakte“

a) HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 372, ad Nr. 1. Votum. Abschrift; b) HHStA Wien, St. K., Deutsche Akten (neue Reihe), Kart. 79, Fasz. 105 (alt), Konv. II: Beschlußfassung mit Stimmenmehrheit betr. 1819/20, fol. 107–115’. Abschrift.

Artikel 7 der Deutschen Bundesakte kann nur in Verbindung mit dem 6. Artikel eine richtige Deutung und praktische Anwendung gegeben werden. Da in Artikel 7 nicht bestimmt wird, wie verfahren werden soll, wenn organische Einrichtungen nicht die Zustimmung aller erhalten, stellt sich die Frage, wie die Bundesversammlung verfahren soll, damit sie ihrer Aufgabe, die Zwecke des Bundes gehörig zu erfüllen, genügen kann. Artikel 7 schreibt eine Vorbereitung solcher Beschlüsse im Engeren Rat der Bundesversammlung vor, so daß im Plenum nur noch mit Ja oder Nein abgestimmt werden kann. Um zu verhindern, daß die Bundesversammlung durch einzelne Widersprüche daran gehindert wird, bei der Ausbildung des Deutschen Bundes fortzuschreiten, bieten sich zwei Wege an: 1. Die überwiegende Mehrheit befolgt diejenigen Gesetze und Einrichtungen, für deren Annahme sie im Plenum gestimmt hat, unbeschadet des Widerspruchs der Minderzahl. 2. Durch provisorische Beschlüsse mit bloßer Stimmenmehrheit, die solange in Kraft bleiben, bis eine definitive Entscheidung mit Stimmeneinhelligkeit getroffen wird. Im Falle schon bestehender Grundgesetze und organischer Einrichtungen des Bundes sollen Abänderungen gemäß Artikel 7 allerdings nicht mit bloßer Stimmenmehrheit erfolgen können. Notwendigkeit, diejenigen jura singulorum, welche nach Artikel 7 keinen Beschluß nach Stimmenmehrheit zulassen, eindeutig durch die Bundesversammlung zu bestimmen. Diesbezügliche Vorschläge Plessens, der für eine enge Fassung der jura singulorum eintritt und die

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Plessens „Votum zur Kommission wegen des Artikels 7 der Bundesakte“

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Pflicht aller Bundesmitglieder betont, Beiträge und Leistungen zu erbringen, die zur Erfüllung der Bundeszwecke für notwendig befunden werden. Das Ziel wäre eine nähere Bestimmung, die dem Inhalt und Sinn der Bundesakte gemäß mit dem Bestand und der Erhaltung des Bundes vereinbar wäre.

Frankfurt am Main, 10. Juli 1819 Votum zur Commission wegen des Artikels 7 der Bundes Acte. Um dem Artikel 7 der Bundes Akte, worüber von der nach dem Bundesbeschluß in der 21ten vorjährigen Sitzung angeordneten Commission1 ein erörterndes Gutachten gefordert wird, sowohl eine richtige Deutung, als haltbare practische Anwendung zu geben; so wird man denselben nur in Verbindung mit dem vorhergegangenen 6ten Artikel zu setzen und zu verstehen haben. Dieser stellt den Grundsatz auf: daß da „wo es auf Abfassung und Abän­ derung von Grundgesezen des Bundes, auf Bundesbeschlüsse, welche die Bundes Akte selbst betreffen, auf organische Bundes Einrichtungen und auf ­gemeinnüzige Anordnungen sonstiger Art ankommt“ die Versammlung sich zu einem Plenum bildet, dessen Einrichtung dabey näher bestimmt wird.2 Hiedurch ist also so viel festgesezt, daß die genannten Gegenstände in dem Pleno verhandelt und abgemacht werden sollen. Der folgende 7te Artikel sagt weiter, „die der Entscheidung des Pleni zu unterziehenden Beschluß Entwürfe werden in der engeren Versammlung vorbereitet und bis zur Annahme oder Verwerfung, zur Reife gebracht“ und er giebt hierauf die Stimmenmehrheit an, wornach in beyden Versammlungen die Beschlüsse gefasst werden können. Hätte man nun es hiebey belassen, so würde alles klar gewesen seyn und seinen ­unzweifelhaften Gang gehabt haben. Wenn am Ende aber noch der Zusatz gemacht wird, daß gerade da „wo es auf Annahme oder Abänderung der Grundgeseze, auf organische Bundes Einrichtungen[,] auf jura singulorum oder Religions-Angelegenheiten ankommt, weder in der engeren Versammlung noch im Pleno ein Beschluß durch Stimmenmehrheit gefaßt werden kann[“]3; so wird diese verfaßungsmäßige Vorschrift auch allerdings so lange zu befolgen seyn, als sie nicht, wie unthunlich befunden, mit Einhelligkeit aufgehoben worden. Allein bis dahin wird ihr Sinn und ihre Anwendung doch nur so verstanden und aufgefaßt werden können, um mit der vorhergegangenen eben so constitutiven Regel wornach die ganze Gesezgebung und nöthige Entwiklung 1 Zu Mitgliedern dieser Kommission wurden gewählt Buol, Goltz, Eyben, Plessen und Berg. Vgl. ProtDBV 1819, 21. Sitzung vom 14. Juni 1819, § 115, S. 374 f. und Dok. 88. 2 Vgl QGDB I/1, Dok. 250, S. 1510 f., Zit. S. 1510. 3 Vgl QGDB I/1, Dok. 250, Zitate S. 1511.

Nr. 94

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Abb. 2: Leopold Engelke Hartwig von Plessen (1769–1837)

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des Bundes geschehen soll, zusammen zu stimmen. Es wird also kein wirklicher Widerspruch in sich anzunehmen, vielmehr der dem Worte nach scheinbare, unter einen solchen höhern Begriff und Gesichtspunct zu stellen seyn, daß immer eine Verhandlung und ein Verfahren im Bund eintreten muß, um die Aufgabe und die Zweke seines Bestandes nothwendig zu erfüllen. Der Bundesversammlung aber ist hiebey das Feld zu weiteren Beschlüssen offen gelassen, um ergänzend einzuschreiten, die Erhaltung des Bundes zu sichern und nach Art. 44 die Angelegenheiten desselben zu besorgen. Der Art. 7 hat es indessen noch unbestimmt gelassen, wie es nachher weiter gehalten werden kann, wenn z. B. organische Einrichtungen, die doch immer mehr oder minder nöthig sind, nicht alle Stimmen für sich vereinigen. Und die eigentliche Frage scheint also die zu seyn: welch ein Verfahren die Bundes-Versammlung alsdann eintreten zu lassen berechtiget und verpflichtet seyn kann, um der ihr obliegenden Fürsorge zur Erfüllung der Zwecke des Bundes gehörig zu genügen? Zunächst kommt die beschränkende Bestimmung des Artikels 7 selbst in Betracht, um ihr keine anderweitige Ausdehnung zu geben, als welche die genauen Worte besagen. Es soll nehmlich bey den bezeichneten Gegenständen nicht „ein Beschluß durch Stimmenmehrheit gefaßt werden.“ Zu unterscheiden wäre demnach, daß hiemit noch keinesweges aufgegeben ist: als ob die vorhabende Berathung nur mit Stimmeneinhelligkeit zu einem Beschluß zu gelangen vermöchte; sondern nur, daß das Resultat der Stimmenmehrheit, als solches, die abstimmigen Bundesglieder noch nicht verbinden kann. Nun ist aber anzunehmen, daß Grundgeseze und organische Einrichtungen, welche in der Art verhandelt werden, etwas Wesentliches und unentbehrliches für den Bestand des Bundes feststellen sollen, und was mithin nicht auf’s ungewisse ausgesezt bleiben darf. Die Gründe und Ansichten welche Einzelne oder die nur geringe Minorität, einer bedeutenden Majorität, da solche wenigstens aus 2/3t[eln] der Versammlung bestehen muß, entgegen zu setzen haben, müssen auch bereits nach der im Art. 7 bestimmten Vorbereitung im Engeren Rath hinlänglich erörtert und erwogen seyn; und es ließe sich hiebey gegenwärtig nach dem kaiser. Oestreichischen Antrag5 noch weiter festsetzen: daß, in wie ferne ein Gegenstand nicht blos geeignet (wie nach Art. 7 im Anfange) sondern auch hinlänglich discutirt und gereift sey, um nun an das Plenum gebracht zu werden, gleichfalls in der engeren Versammlung nur6 durch eine Stimmenmehrheit von 2/3tel entschieden werden solle. 4 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1509. 5 Vgl. Dok. 87. 6 Emendiert gemäß Vorlage (b). Vorlage (a): mus.

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Allein es ist auch wohl anzunehmen, daß alsdann die Berathung so weit beendigt und abgemacht ist, daß sich von einer weiteren Verhandlung darüber kein andres oder ausgleichendes Resultat mehr erwarten läßt, weil dieses schon früher bey der im Engeren Rath sich zeigenden Verschiedenheit der Meynungen und Abstimmungen versucht und erläutert seyn muß. Das kann auch der alleinige und wahre Nutzen seyn, weshalb der Art. 7 die gereifte Vorbereitung solcher Beschluß Entwürfe in der Engeren Versammlung bis zur Annahme oder Verwerfung vorschreibt; und woraus denn von selbst folgt: daß im Pleno nachher weiter nicht anders als mit ja und nein, annehmend oder verwerfend gestimmt werden kann. Wenn nun die wenigeren Stimmen von 1/3tel, vielleicht häufig nur einzelne Stimmen, den Entwurf verworfen haben, wodurch doch die bey weitem größeste Majorität eine zu ihrem Bestande oder zu ihrer Sicherheit nöthig befundene Gesezgebung oder Einrichtung im Bunde zu treffen beabsichtigt; so wird, nachdem auch die Gründe und etwanigen Ansprüche solchergestalt von allen Seiten vorher genugsam discutirt worden, die geringe Minderzahl weder verlangen wollen, daß darum die Mehrzahl die eigene Meynung und Vorschläge aufgeben und die der andern befolgen, noch daß sie die, von ihr nöthig beachteten Vorkehrungen, ungewiß und ausgesezt lassen sollte. Schon diese Betrachtung und der unverrükte Hinblik auf die fortgehende Entwiklung des Bundes, wird diejenigen Bundesglieder, welche sonst bei der vorherigen Discussion im Engeren Rath mit den Anträgen und Abstimmungen der Majorität auch nicht völlig einverstanden waren, schon sehr wahrscheinlich veranlassen und bewegen, nachher wenn entschieden über den ganzen Beschluß Entwurf nur durch Annahme oder Verwerfung im Pleno, gestimmt werden muß, nicht auf einzelnen Meynungen zu beharren und die Sache auf die Spize zu stellen. Hoffentlich wird ein solcher Fall also nur sehr selten eintreten. Indessen scheint es allerdings rathsam, selbst darüber zum voraus feste Bestimmung bey der Bundesversammlung zu treffen, und dieselbe erwartet solche auch von dieser Commission. Damit immer die Bundes Versammlung bei jener Lage der Sache durch einzelne Einwendungen und Widersprüche nicht gehindert werde, in denjenigen nöthigen und nützlichen Einrichtungen zur Ausbildung der gemeinsamen Verbindung fortzuschreiten, möchten sich dazu nur zwey Wege darbieten: 1tens Die überwiegende Mehrheit befolgt diejenigen Gesetze und Einrichtungen für welche sie durch Annahme des Beschluß Entwurfes im Pleno sich erklärt hat, indem sie wiederum ihrer Seits durch den Widerspruch der Minderzahl hieran nicht verhindert werden kann; und es würde dabey nur zu unterscheiden seyn: a) in wie weit dergleichen organische Einrichtungen es zulassen, daß einzelne Bundes Staaten sich davon ausschliesen können, ohne dadurch diesel-

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ben zu stören oder gänzlich zu hindern. In diesem Fall, und nachdem die Mehrheit solches geprüft, ist kein Grund vorhanden, den, wiewohl zu wünschenden Beytritt der Minderzahl erzwingen zu wollen; dagegen auch die ­zustimmende Mehrzahl sich nicht von Einführung der angenommenen Maßregel abhalten lassen dürfte. b) Sind aber die organischen Einrichtungen, wie wohl die meisten, von der Art, daß sich einzelne Bundes Glieder, ohne Nachtheil aller übrigen, nicht davon ausschließen dürfen, oder daß sonst die Maßregel im Ganzen nicht durchzuführen steht; so sähe die Mehrzahl der Bundes Glieder sich freilich in die Lage gesezt, nicht sowohl die Minderzahl, durch einen Beschluß nach Stimmenmehrheit verbindlich zu machen, wohl aber sie zur Erfüllung der Bundeszwecke und zu den nöthigen desfallsigen Einrichtungen, wie auch zu ihrer verhältnißmäßigen Theilnahme und Mitwirkung daran aufzufordern. Letztere aber läßt sich immer nicht verweigern, sobald man nicht, wenn auch indirecte, aufhören will, Bundes-Mitglied zu seyn. 2tens Um mithin die Bundeszwecke zu erfüllen, und die zu deren Sicherung und Erhaltung dienlichen Mittel und nöthigen Anstalten zu befördern, können nur provisorische Einrichtungen durch Beschlüße nach gewöhnlicher Regel der Stimmenmehrheit so lange getroffen und so dem dringenden Bedürfniß abgeholfen werden, dieselben auch nur einstweilen gelten, bis man über die weitere Abfassung von Grundgesezen, so wie über die Entwürfe zu den ­definitiven organischen Einrichtungen sich anders gemeinsam vereinbaren können, und wozu bereits vorher der Versuch angestellt und verfehlt seyn müßte, so daß die provisorischen Bestimmungen nur als einstweilige Aus­ hülfe eintreten dürften. Bey den Beschlüßen dieserhalb kann auch nur Stimmenmehrheit als die Regel gelten; und die seitherige Praxis bey der Bundes Versammlung hat bey mehreren wichtigen Gegenständen, unter andern bey der Competenzbestimmung, ein solches provisorisches Verfahren schon eingeführt.7 In Ansehung der schon bestehenden Grundgesetze und organischen Einrichtungen, wird man nur die angezogene normirende Stelle des Art. 7 genau zu befolgen haben, wornach eine Abänderung also auch jede Einschränkung, Ausdehnung, Aufhebung oder sonstige Abweichung davon, nicht durch einen Beschluß nach bloser Stimmenmehrheit zu bewirken steht. Einer strengen Begriffs Bestimmung zur Unterscheidung von eigentlichen Grundgesetzen und organischen Einrichtungen, wird es nach den aufgestellten Ansichten hier kaum bedürfen. Denn der Art. 7 stellt beyde gleichmäßig als Ausnahme auf, bey denen keine Stimmenmehrheit beschließen könne; bey beyden wird also auch jene Vorschrift zu beobachten und dem Bedürfniß 7 Vgl. Dok. 121.

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nöthigenfalls nur provisorisch abzuhelfen seyn. Im allgemeinen nimmt man sonst gewöhnlich an: daß Grundgesetze sich auf das eigentlich Constituirte oder die Verfassung selbst beziehen, die organischen Einrichtungen aber, die Mittel und Anstalten (Organe) sind, welche für die Ausführung und Verwaltung davon sorgen; diese können aber gleichfalls früher oder später mit in den Grundvertrag oder in die Verfassungs Urkunde aufgenommen und als deren Bestandtheile dann auch Grundgeseze werden, wie dieses häufig geschehen ist. In dem Commissions Gutachten über die Reihenfolge8 zu Anfange der Bundestag-Verhandlun­gen, sind indessen auch einige nähere Bezeichnungen über beyde Arten und Formen von Gesetzen angegeben, deren Wiederholung hier also wohl keinen Plaz zu finden brauchte. Der Bundesbeschluß vom 14ten vorigen Monats9 verlangt aber noch in dem Gutachten dieser Commission zugleich die Frage erörtert: welche Berechtigungen unter den juribus singulorum, als solche, hiebey anzunehmen wären? Bekanntlich ist zu jeder Zeit viel Streit geführt worden, um den Begriff von denjenigen Rechten einigermaßen zu erklären, welche die Mitglieder irgend eines Verbandes auch daneben und über denselben hinaus, in so ferne sie dabey nicht als solche, sondern wie Einzelne zu betrachten sind, noch behaupten können; und es sind darauf oftmals sehr verschiedene und ausgedehnte Ansprüche gebauet, je nachdem man politisch mehr oder minder dem Verbande sich anzuschließen geneigt fand. Die bloße juridische Bedeutung der Rechte des Einzelnen im Staatsverbande ist indessen schon weniger ungewiß, da sie nie gegen denselben und dessen Zweck gerichtet seyn können, jedoch immer dabey den Staat wiederum zu einer Schadloshaltung verpflichten, die, wenn nach positiven Gesetzen bestimmt, in jedem vorkommenden Fall durch richterlichen Ausspruch leicht ihre Anwendung und Ermäßigung findet. Die berühmte Stelle des Westphälischen Friedens (V. 52 „ubi status, tanquam unum corpus considerari nequeunt[“])10 hat bekanntermaßen eine Erklärung von den juribus singulorum gegeben, welche in der Theorie und in der Anwendung jene verschiedenartigsten Auslegungen veranlaßt hat, wiewohl sie unstreitig in diesen wenigen Zügen, das wesentlichste Merkmal davon sehr richtig bezeichnet hat. Da, wo das Ganze, als solches, eine Leistung von seinen Mitgliedern erheischt, können diese nicht wie Einzelne (ut singuli) sich betrachten: und wieder umgekehrt. Allein man erinnert sich hiebey   8 Vgl. Dok. 114.   9 Vgl. ProtDBV 1819, 21. Sitzung vom 14. Juni 1819, § 115, S. 375 und Dok. 88. 10 IPO Art. V, § 52: „wo die Stände nicht als einheitliche Körperschaft betrachtet werden können“. Vgl. Müller (Bearb.), Instrumenta Pacis Westphalicae, S. 129.

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Plessens „Votum zur Kommission wegen des Artikels 7 der Bundesakte“

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ebenfalls wie die ganze Stelle im Zusammenhange so lautet: „In Religions­ sachen und allen andern Geschäften, worin die Stände nicht als ein corpus angesehen werden können, wie auch wenn die katholischen und evangelischen Stände in zwey Theile gehen, so soll allein gütliche Vergleichung den Streit entscheiden, ohne die Mehrheit der Stimmen zu achten.“11 Der damalige Stand der genannten beyden Religionstheile, in der Fürsorge für ein ungehindertes Religions-Bekenntniß, und in den politischen Beziehungen welche die Ausübung davon sichern sollten, hat ersichtlich, auch nach der Geschichte der Verhandlungen, diese ganze Bestimmung veranlaßt, und es ist nicht zu übersehen, daß dieselbe nicht sowohl die besonderen Rechte einzelner Stände, oder die Minderzahl aufrecht halten, als vielmehr ein gemeinsames Intresse gegen das andere in Schutz nehmen, soll, wo nehmlich katholische und evangelische Stände, als solche, sich trennen und in zwey Theile gehen. Auch hat hauptsächlich die andere Anwendung hievon über die eigentlichen Religions Gegenstände hinaus zu der Zeit die meisten Zweifel und Streitigkeiten über die Frage entstehen lassen: wann und warum beyde Stände demnach zwey Partheien bilden dürften. Das Contributionswesen kam beym Westphälischen Frieden auch noch zur Sprache, und es ward von mehrern protestantischen Reichsständen darauf angetragen, daß zu Steuerbewilligungen die mehreren Stimmen, die übrigen nicht wider ihren Willen nöthigen sollten. Doch hatte dieser Punct so vielen Anstand gefunden, um nicht im Friedensschluß mit aufgenommen, sondern zur Entscheidung des nächsten Reichstages ausgesezt zu werden. Er ist indessen während der ganzen vormaligen Reichsverfassung unerledigt und unausgemacht geblieben, und dadurch manche Ungewißheit und Übelstand verursacht worden. Indeßen war damit nirgends anerkannt oder ausgesprochen: als ob zur Bewilligung von Reichssteuern Einhelligkeit der Stimmen erforderlich gewesen. Vorstehende Ausführungen mögen nur zeigen, wie eigentlich die besondern Rechte einzelner Reichsstände auch in dem vorherigen Reichs Verhältniß und durch den Westphälischen Frieden nicht im Gegensaz mit der allgemeinen Verfassung gestellt oder begründet worden. Die Schwierigkeiten aber, welche dergleichen Behauptungen schon im vorigen Reichsverbande hervorgebracht haben, ertheilen allerdings dem jezigen deutschen Bund die warnende Lehre, über diejenigen jura singulorum, welche nach Art. 7 der Bundes Acte, keinen Beschluß durch Stimmenmehrheit zulassen, einige feste und sichere Bestimmungen zu treffen. Zu diesem Ende möchten folgende Vorschläge dienen: 1. eine allgemeine Bezugnahme auf besondere Rechte der Einzelnen als Vorbehalt oder Widerspruch, könnte nicht Statt finden, sondern es wäre immer vorher genau nachzuweisen und zu erörtern: wie und wodurch dieselben 11 Ebd.

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für den einzelnen Bundes Staat, als solchen begründet würden, um von einem gemeinsamen Beschluß eine Ausnahme zu machen, oder dagegen Vorbehalt oder Widerspruch einzulegen, und so eine nähere Prüfung derselben von Bundes wegen noch herbeyzuführen. 2. Zur Norm der Beurtheilung wäre dabey anzunehmen: a) in allen Rechten und Befugnissen, welche den Staaten außer ihrem Verhältniß zum Bunde, aus andern Beziehungen zustehen und die mit demselben nicht im Widerspruch sind, können sie unstreitig nur wie Einzelne betrachtet und gleichsam über die Gränze des Bundes hinaus nicht gehalten seyn. b) als Mitglieder des Bundes haben unbestritten alle deutsche Staaten, nach dem bestimten Verhältniß die gleichmäßigen Leistungen und Beyträge zu entrichten, welche zu Erfüllung des Bundes, und als Mittel zu dessen Zwecken für nöthig gefunden und beschlossen werden. Nur in so weit näher dargelegt werden könnte, daß jenes richtige Verhältniß bey der Anwendung auf den einzelnen Staat überschritten oder verlezt wäre, würde wegen eines solchen Übermaßes von dem einzelnen Mitglied Einwendung gegen den Gesammtbeschluß gemacht werden können, um eine richtige Vertheilung zu verlangen. Es ist jedoch einleuchtend, wie hiebey nicht der eigentliche Bundesbeschluß selbst als das Mittel zu den angenommenen Zwecken angefochten werden, noch besondere Rechte der Einzelnen vorhanden seyn können, um sich ohne Trennung vom Ganzen denjenigen Verbindlichkeiten zu entziehen, die in gleichem Verhältniß von den übrigen Mitgliedern zur Erfüllung der Bundes Zwecke übernommen werden. Aus diesem Gesichtspunct wird also auch die Beitragspflichtigkeit und die Steuerbewilligung der Bundesglieder nur zu beurtheilen seyn. c) Von den einzelnen Mitgliedern des Bundes als solchen könnte endlich aber auch etwas Anderes oder Besonderes, als von allen übrigen Bundes Staaten, zum Wohl oder zur Erhaltung und Sicherheit des Ganzen verlangt werden, und dabey läßt es sich wohl nicht verkennen, daß in so weit diese Forderungen auf einem gültigen Beschluß beruhen, und daß ein Mitglied zu einer solchen einzelnen Leistung oder Aufopferung verbunden seyn soll, vorher oder zugleich auch die Rechte desselben durch Schadloshaltung, oder durch sonstige Befriedigung, da wo demselben daraus erwiesener Nachtheil erwächst, oder ein eigener Beytrag zugemuthet wurde, zu beseitigen sind, und so lange solches noch nicht geschehen, könnte freilich dem Beschluß durch Stimmenmehrheit, in so weit, das Recht des Einzelnen entgegengesezt werden. Aus der bemerkten Unterscheidung möchte sich mithin die nähere Bestimmung derjenigen jura singulorum ergeben, welche dem Innhalt und Sinn der Bundes Akte gemäß, als vereinbarlich mit dem Bestand und der Erhaltung des Bundes anzunehmen wären. (unterz.) Plessen

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Blomberg an Wintzingerode

Nr. 95

95. Blomberg1 an Wintzingerode

HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 372, Nr. 1. Schreiben. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 22. Juli 1819.

Die Kommission zur Begutachtung der Frage, worüber nach Artikel 7 der Bundes­ acte als Ausnahme von der Regel ein Beschluß durch Stimmenmehrheit nicht gefaßt werden kann, hat ihre Arbeit aufgenommen. Bemühungen Blombergs, die Ansichten der Kommissionsmitglieder zu erforschen, damit frühzeitig eine württembergische Instruktion vorbereitet werden könne, die auch als Leitfaden für diejenigen Bundestagsgesandten dienen könne, die später in der Bundesversammlung abstimmen. Übersendet in Anlage zwei Voten, die Plessen und Goltz in der Kommission abgegeben haben. Überlegungen Buols, in der Kompetenzfrage eine provisorische Regelung ohne Mitwirkung der Höfe zu beschließen. Erbittet für diesen Fall entsprechende Instruktionen.

Frankfurt am Main, 16. Juli 1819 Euer Excellenz habe ich die Ehre zu benachrichtigen, daß die Commißion, welche über die Frage von der Entscheidung durch Stimmen-Mehrheit niedergesetzt ist, ihre Arbeiten begonnen hat und mit ihrem Berichte bald hervortreten wird. Je wichtiger mir dieser Gegenstand erscheint, desto angelegentlicher habe ich die Ansichten der Commißionsmitglieder zu erforschen gesucht, damit es Euerer Excellenz möglich werde, für mich eine Instruction vorzubereiten, damit eine wohlerwogene Abstimmung vor den Ferien für diejenigen einen Leitfaden abgeben könne, welche später abstimmen werden. Ich bin durch vertrauliche Mittheilung, welche Graf Golz (Himly) und Freyherr von Pleßen in der Commißion gemacht haben2, in den Stand gesezt, Euer Excellenz früher, als ich selbst es dachte die Richtung zu bezeichnen, welche der Sache von verschiedenen Seiten gegeben werden soll. Graf Buol geht mit dem Gedanken um, auch diese Frage, wie es mit der über die Competenz der Bundesversammlung geschehen, ohne Mitwirkung 1 Ludwig Heinrich August Freiherr von Blomberg (1790−1857), württembergischer Diplomat, war bis 1815 Geheimer Kabinettssekretär, 1815 Versetzung an die Gesandtschaften in Den Haag und Hannover, danach Legationssekretär bei der Bundestagsgesandtschaft in Frankfurt, 1819−1825 Ministerresident bei der Stadt Frankfurt am Main, 1823−1825 Geschäftsträger in Darmstadt, 1825−1829 Legationssekretär in Berlin, Geheimer Legationsrat, 1830−1841 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Wien, 1841−1848 Bundestagsgesandter in Frankfurt. Vgl. Königl. Württembergisches Hof- und Staatshandbuch auf das Jahr 1815. Stuttgart 1815, S. 135; HStA Stuttgart, E 65, Bü 1, fol. 234; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 423 (unrichtige Angabe) u. 427; Schreib- und Geschäfts-Kalender für die Deutsche Bundes-Canzlei 38, 1864, S. 152 f. 2 Vgl. Dok. 92b und 94.

Nr. 96

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der Höfe, durch ein Provisorium, zu entscheiden, und ich bitte Euer Excellenz dringend, mich für den Fall, daß ein solcher Versuch in der Versammlung gemacht werden sollte, gemeßenst zu instruiren. Ich benutze diesen Anlaß mit Vergnügen, Euerer Excellenz die Versicherung meiner ausgezeichnetesten Hochachtung zu wiederhohlen. Für den K. St. Minister von Wangenheim in dessen Abwesenheit Frhr. von Blomberg

96. Buol an Metternich

HHStA Wien, St. K., Deutsche Akten (neue Reihe), Kart. 79, Fasz. 105 (alt), Konv. II: Beschlußfassung mit Stimmenmehrheit betr. 1819/20, fol. 105–106’ und 123. Bericht. Behändigte Ausfertigung.

Schleppender Fortgang der Kommissionsarbeiten über die Frage, wann Stimmenmehrheit in der Bundesversammlung entscheide. Vorliegende Voten von Goltz (un­ befriedigend), Eyben und Plessen; letzteres wird als Grundlage des Kommissions­ gutachtens dienen. Auftrag an Plessen und Berg, einen diesbezüglichen Entwurf auszuarbeiten. Der Vorschlag Plessens, zunächst eine verbindliche provisorische Regelung herbeizuführen, liegt ganz in der eigenen Absicht. In der Regel soll eine absolute Mehrheit und nicht, wie Preußen es wünsche, in vielen Fällen eine verstärkte Mehrheit von zwei Dritteln entscheiden. Falls ein solches Provisorium verabschiedet werde, wird es von den Bundestagsgesandten abhängen, dasselbe zu benutzen, um es zu einem Grundgesetz zu erheben. Bei Annahme des Provisoriums wäre eine Weisung an Buol wegen Abänderung des Artikels 7 der Bundesakte folgerichtig. Es könne nicht die Absicht der Stifter des Bundes gewesen sein, daß eine einzelne Stimme alle anderen überstimmen könne, obwohl die undeutliche Fassung des Artikels 7 eine solche Auslegung zulasse. Die Aufrechterhaltung des monarchischen Prinzips erfordert die Wegräumung eines solchen Einspruchsrechts, das Bayern in die Bundesakte gesündigt habe. Der Bundestag müsse dem Eindruck entgegenwirken, daß er keine ­Gesetze machen könne. Kritik an einer frechen Auslegung des Artikels 13 der Bundes­ akte, wonach die Bundestagsgesandten von den Fürsten nur mit vorläufiger Genehmigung der Landstände instruiert werden dürfen.

No 28 c.



Frankfurt am Main, 17. Juli 1819

Durchlauchtig Hochgebohrner Fürst! Indem ich hiemit die Ehre habe den Empfang Eurer Fürstlichen Gnaden hohen Weisung vom 5ten dieses die Frage über die Entscheidung der Stimmenmehrheit betreffend1, gehorsamst zu bestätigen, kann ich nur bedauern, daß 1 Vgl. Dok. 93.

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Buol an Metternich

Nr. 96

ich seit der in der 14ten Sitzung statt gehabten Wahl der zur diesfälligen Begutachtung berufenen Commission2 nur eine einzige Commissions-Sitzung halten konnte, indem stets das Ein- oder andere Mitglied derselben abwesend war, welches vom Anbeginn der Badecurzeit gar nicht zu verhindern ist; in dieser Sitzung wurde das Hochdenselben bereits unterm 26ten v. M. No 25 d3 eingesandte in keiner Rücksicht befriedigende und auch von Niemand so befundene Votum des Preußischen Gesandten Grafen Goltz4 verlesen welchem die hier anliegenden in jedem Anbetracht würdigeren des Dänischen Grafen von Eyben5 und des Meklenburgischen Freiherrn von Plessen6 folgten; ich bewirkte, daß dieses Letztere pro basi7 angenommen und derselbe gemeinschaftlich mit dem Herrn von Berg ersuchet worden ist, sich über einen Entwurf zu dem der Bundesversammlung vorzulegenden Gutachten zu vereinigen; ich schmeichle mir, daß Hochdieselben in der Plessen’schen Abstimmung eine der in meinem gehorsamsten Berichte vom 19t[en] v. M. No 24 a8 unterlegten Absicht, daß vors erste ein alsbald verbindliches Provisorium, gleich dem über die Competenz herangeführten9, zu Stande kommen möge, ganz entsprechende Tendenz finden werden; auch habe ich dafür gesorgt, daß die in meiner Präsidial Proposition, in Folge des unterm 22t[en] Mai d. J. No 20 i10 angezeigten Preußischen Andringens aufgenommene Erwähnung von einer auf 2/3 verstärkten Mehrheit, die Hinlänglichkeit der absoluten, ja selbst der respectiven in solchen Fällen nicht verbanne, wo die 2/3 nicht zu erreichen seyn sollten, und daher möglichst für die Aufstellung des reinen Grundsatzes der Mehrheit vorgearbeitet; Gelingt dieses Provisorium, so wird es gewiß nur von uns abhangen, dasselbe zu benutzen, um es zu einem Grundgesetze erheben zu machen. Wollte man schon jetzt aussprechen, daß es sich wirklich um die Abänderung eines Grundgesetzes handle, so würde, nach dem Art. VII der Bundesacte11 für diese Abänderung selbst, die Stim  2 Die Kommission (Buol, Goltz, Eyben, Plessen, Berg) wurde in der 21. Sitzung vom 14. Juni 1819 gewählt. Vgl. ProtDBV 1819, § 115, S. 374 f.   3 Vgl. Buol an Metternich, Frankfurt am Main, 26. Juni 1819, HHStA Wien, St. K., Deutsche Akten (neue Reihe), Kart. 79, Fasz. 105 (alt), Konv. II: Beschlußfassung mit Stimmenmehrheit betr. 1819/20, fol. 51.   4 Vgl. Dok. 92b.   5 Vgl. Dok. 89b.   6 Vgl. Dok. 94.   7 Lat.: als Grundlage.   8 Vgl. Dok. 90.   9 Vgl. Dok. 121. 10 Vgl. Buol an Metternich, Frankfurt am Main, 22. Mai 1819, HHStA Wien, St. K., Deutsche Akten (neue Reihe), Kart. 79, Fasz. 105 (alt), Konv. II: Beschlußfassung mit Stimmenmehrheit betr. 1819/20, fol. 25−27. 11 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511.

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meneinhelligkeit verlangt, und auf alle Fälle die Entscheidung auf eine nicht zu bestimmende Zeit hinausgeschoben werden; beschränkt man sich hingegen für jetzt auf ein Provisorium, welches seiner Natur nach durch die blose Stimmenmehrheit angenommen werden kann, so gewinnt man für den Augenblick das Wesentliche, und selbst für die Zukunft die beßte Vorbereitung; es würde gewiß eben so folgerecht als der Würde unseres Allerhöchsten ­Hofes angemessen befunden werden müssen, wenn ich angewiesen würde, unmittelbar nach dem erhaltenen Provisorio den bestimmten Antrag auf die nothwendige Abänderung des Art. VII zu machen. Es kann unmöglich die Absicht der Stifter des Bundes gewesen seyn, daß eine einzelne Stimme, z. B. die des Fürsten von Liechtenstein, dessen Population sich nur auf 5546 Seelen beläuft, alle übrige, deren Population 30 157 942 Seelen (ohne die Liechtenstein.) beträgt, sollte überstimmen können; ungeachtet der augenfälligen Unmöglichkeit einer solchen Absicht läßt gleichwohl die höchst bedauerliche Undeutlichkeit der Fassung des VII. Art. diese Auslegung zu, wie die tägliche Erfahrung beweißt; die Unzulässigkeit dieser Zulassung über allen Zweifel zu erheben, kann dem darauf antragenden Hofe nur Ehre bringen. So wie ganz sicherlich, nach Eurer Fürstlichen Gnaden gerechtesten und von allen gutgesinnten Gesandten tief gefühlten Bemerkung, nichts dringender seyn kann, als daß das Monarchische Prinzip mit Kraft und Nachdruck aufrecht erhalten werde, eben so gewiß muß vor allem der Weg zu dieser Aufrechthaltung durch die Wegräumung dessen gebahnt werden, was ihr so diamétralement entgegengesetzt ist, als das liberum veto12 welches die Baiern in die Bundesacte gesündiget haben. Meine tiefe Trauer über das bald nicht mehr sinken könnende Ansehen der Bundesversammlung ist um so peinlicher als nur die Regierungen und nicht die Regierten angeklagt werden können, daß diese gar kein Vertrauen mehr in den Bundestag haben; – woher sollte es auch kommen, da nach drei Jahren einerseits dieses Veto noch bestehet, und andererseits keiner jener Gegenstände, mit Ausnahme der auswärtigen Verhältnisse, auch nur einigermaßen erlediget ist, welche der 10te Art.13 als die ersten Geschäfte der Bundesversammlung verkündiget, und hiernächst bisher unwidersprochen gedruckt werden darf, daß die Bundesversammlung keine Gesetze machen könne? 12 Liberum Veto (lat.): Einspruchsrecht im polnischen Parlament. Im 17. und 18. Jahrhundert hatte dort jeder Abgeordnete die Möglichkeit, durch einen einzelnen Einspruch (Veto) einen Beschluß zu verhindern oder zu Fall zu bringen, da Entscheidungen einstimmig gefällt werden mußten. Vgl. Thiele, Regeln und Verfahren der Entscheidungsfindung innerhalb von Staaten und Staatenverbindungen, S. 39 f. 13 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512: organische Einrichtung des Bundes in Rücksicht auf seine auswärtigen, militärischen und inneren Verhältnisse.

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Kommissionsgutachten über die Stimmenmehrheit

Nr. 97

Es kann wohl nicht leicht eine frechere petitio principii14 geben, als daß der XIIIte15 denen Landesständen in der Art die gesetzgebende Gewalt einräume, daß die Fürsten in dieser Beziehung ihre Gesandten nicht ohne vorläufige Genehmigung der Landstände sollten instruiren können, während durch diesen Artikel die gesetzgebende Gewalt des Fürsten eigentlich gar nicht beschränkt ist, wohl aber die Souverainität der Fürsten selbst rücksichtlich des ganzen Bundes in einem gewissen Sinne beschränkt ist und bleiben muß. Genehmigen Eure Fürstliche Gnaden die Versicherung meiner tiefen Verehrung. Gr. Buol Schauenstein

97. Kommissionsgutachten über diejenigen Gegenstände, worüber nach Artikel 7 der Bundesakte als Ausnahme von der Regel ein Beschluß durch Stimmenmehrheit nicht gefaßt werden kann

ProtDBV 1819, 26. Sitzung vom 22. Juli 1819, Anlage nach S. 464 (10 Seiten, unpaginiert). Kommissionsgutachten. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV 1819, 27. Sitzung vom 29. Juli 1819, § 155, S. 466−475; ProtDBV(Q), Bd. 8, 1819, S. 162−174.

Artikel 7 der Bundesakte bestimmt, daß bei Gegenständen, die vor das Plenum der Bundesversammlung gehören, im Engeren Rat ein Beschluß mit absoluter Stimmenmehrheit gefaßt werden muß, während im Plenum eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Davon ausgenommen sind lediglich Beschlüsse über die Annahme oder Abänderung der Grundgesetze des Bundes, organische Bundeseinrichtungen, Jura singulorum und Religionsangelegenheiten, in denen weder im Engeren Rat noch im Plenum ein Beschluß durch Stimmenmehrheit gefaßt werden kann. Auftrag an die Kommission und deren Vorschläge: I. Bei der Annahme von Grundgesetzen im engeren Sinne sowie der Schaffung organischer Bundeseinrichtungen ist Stimmeneinhelligkeit erforderlich; in allen Fällen, wo es auf die Anwendung, Vollziehung und praktische Entwicklung bestehender Grundgesetze oder organischer Bundeseinrichtungen ankommt, findet eine Entscheidung mit Stimmenmehrheit statt. II. Damit die Bundesversammlung durch Einwendungen und Widersprüche einzelner nicht an der Erfüllung des Bundeszwecks und der nötigen Entwicklung des Bundes gehindert werde, können zwei Wege beschritten werden: 1) Die Mehrheit befolgt diejenigen Gesetze und Einrichtungen, für deren Annahme sie sich im Plenum erklärt hat; das ist jedoch nur bei solchen Materien und Einrichtungen möglich, die einen Ausschluß einzelner Bundesstaaten gestatten. 2) Es werden provisorische Einrichtungen durch Mehrheits14 Lat.: Erschleichung des Beweisgrundes, Benutzung eines ungewissen Satzes als Beweisgrund (Logik). Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 227. 15 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513.

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beschluß getroffen, die so lange in Kraft bleiben, bis über die weitere Abfassung von Grundgesetzen und definitiven organischen Einrichtungen Einvernehmen erzielt worden ist − ein Verfahren, das sich schon bei der Kompetenzbestimmung als nützlich erwiesen habe. Weitere Empfehlungen der Kommission: a) Für organische Bundeseinrichtungen soll grundsätzlich eine definitive Entscheidung durch Zweidrittelmehrheit festgesetzt werden; b) das vorliegende Gutachten möge unter Vorbehalt noch zu beschließender Modifikationen als Provisorium in Anwendung gebracht werden.

Frankfurt am Main, 21. Juli 1819 Commissions-Gutachten in Beziehung auf diejenigen Gegenstände, worüber nach dem Artikel 7 der Bundesacte, als Ausnahme von der Regel, ein Beschluß durch Stimmenmehrheit nicht gefaßt werden kann. In dem 7. Artikel der Bundesacte1 ist für die der Bundesversammlung übertragene Besorgung der Angelegenheiten des Bundes die Entscheidung durch Stimmenmehrheit als Regel aufgestellt, jedoch mit dem Unterschiede, daß in der engern Versammlung zur Fassung gültiger Beschlüsse die absolute Mehrheit hinreichen, in Ansehung der nach dem 6. Artikel2 vor das Plenum gehörigen Gegenstände aber dazu eine auf zwei Drittheilen der Abstimmungen beruhende Mehrheit erforderlich seyn soll. Von dieser Regel ist sowohl für die engere Versammlung, als für das Plenum die Ausnahme, daß durch Stimmenmehrheit kein Beschluß gefaßt werden kann, in Ansehung folgender Gegenstände gemacht worden: 1) Annahme oder Abänderung der Grundgesetze, 2) Organische Bundeseinrichtungen, 3) Jura singulorum, 4) Religions-Angelegenheiten. Die beiden letztern Gegenstände sind durch den 6. Artikel der Bundesacte dem Plenum nicht vorbehalten, können also in der engern Bundesversammlung in vorkommenden Fällen ihre Erledigung erhalten, so fern sie nicht, auf irgend eine Art, mit einem der beiden erstern Gegenstände in wesentlicher Verbindung stehen. Dahingegen sind andere Gegenstände, welche der Art. 6 der Bundesacte an das Plenum verweiset, jener Ausnahme von der Regel nicht, sondern vielmehr lediglich der Entscheidung durch die im Plenum geltende relative Stimmenmehrheit unterworfen. Diese Gegenstände sind: Beschlüsse, welche die Bundesacte selbst betreffen, und gemeinnützige Anordnungen. 1 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511. 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1510 f.

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Kommissionsgutachten über die Stimmenmehrheit

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Daß Beschlüsse, welche die Bundesacte selbst betreffen, keine Abänderung dieses Grundvertrages, dieses ersten Grundgesetzes des Bundes bezwecken können, bedarf wohl kaum einer Bemerkung. Was aber die gemeinnützigen Anordnungen betrifft; so geht die Absicht, weßhalb in der Bundesacte deren gedacht wird, aus den Wiener Verhandlungen, und zum Theil aus jenem Grundvertrage selbst deutlich hervor. Eine nähere Erwägung der Bestimmungen der Bundesacte in Ansehung aller dieser Gegenstände führt auf das Bedürfniß weiterer Entwickelung, wie dann überhaupt die Acte nur Grundzüge enthalten sollte, die Ausbildung der Bundesverfassung aber der Bundesversammlung überlassen wurde, weßwegen auch der 10. Art. der Bundesacte3 ihr die Abfassung der Grundgesetze des Bundes und dessen organische Einrichtung in Rücksicht auf seine auswärtigen, militärischen und innern Verhältnisse überträgt. Die Grundgesetze des Bundes können nur allein aus dem Grundvertrage desselben abgeleitet werden; seine organische Einrichtung ist durch den Bundeszweck und das Bedürfniß der zu dessen Erreichung nöthigen Mittel geboten. Hierüber hat sich der Vortrag über die Reihefolge der Geschäfte der Bundesversammlung ausführlich verbreitet4, weßhalb man glaubt, sich darauf beziehen zu können, indem daselbst dasjenige, was der Bundesversammlung, nach dem Begriffe und Umfang der verschiedenen Gegenstände, zu thun obliegen kann, sowohl im Allgemeinen, als im Besondern, erörtert und bezeichnet ist. Daß aber die nach der Natur der Sache für gewisse Fälle unvermeidliche Ausnahme von der Entscheidung durch Stimmenmehrheit in die Geschäfts­ thätigkeit der Bundesversammlung manchmal hemmend einwirken könne, ist auch der Aufmerksamkeit der Stifter des Bundes nicht entgangen. Die Verhandlungen über die Abfassung der Bundesacte beweisen dieses; sie beweisen aber auch, daß man sich auf die allgemeine Andeutung der ausgenommenen Gegenstände beschränken mußte. Es ist nun nicht zu verkennen, daß in vorkommenden Fällen die Fragen: ob ein Beschluß der Bundesversammlung zu den Grundgesetzen zu rechnen sey? ob er eine organische Bundeseinrichtung beziele? wie weit in Ansehung ­solcher Einrichtungen die Ausnahme von der Regel sich erstrecke? welches besondere Verhältniß eines Bundesgliedes als jus singulorum geltend gemacht werden könne? große Schwierigkeiten veranlassen, und diejenigen nach­ theiligen Folgen haben können, welche der Präsidial-Vortrag und mehrere Abstimmungen in der 21. Sitzung dieses Jahres bezeichnen.5 3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512. 4 Vgl. Dok. 114. 5 Vgl. ProtDBV 1819, 21. Sitzung vom 14. Juni 1819, § 115, S. 370−374 und Dok. 87.

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Willkührlichen Berufungen auf das Plenum hat die Bundesacte durch die im Eingange des 7. Artikels befindliche Vorschrift: daß die engere Bundesversammlung durch Stimmenmehrheit zu entscheiden habe, in wie fern ein Gegenstand, nach der Bestimmung des 6. Artikels, für das Plenum geeignet sey? vorzubeugen gesucht. Eine ähnliche Vorschrift zur Abwendung unzulässiger Berufungen auf die Ausnahme von der Regel, nach der Bestimmung des 7. Artikels, konnte nicht statt finden, weil dadurch die Ausnahme von selbst aufgehoben worden wäre. Um demnach diesen Zweck zu erreichen, scheint nichts übrig zu seyn, als der willkührlichen Deutung der Bundesacte durch scharfe Begriffsbestimmungen Grenzen zu setzen. Wenn aber auch die gesetzliche Ausnahme von der Regel wirklich anwendbar ist und durch ihre Anwendung die Fassung eines Beschlusses verhindert wird; so können doch nicht in allen Fällen die Folgen hiervon gleich seyn: es wird nicht immer möglich seyn, das Nothwendige zu unterlassen, weil die Art, wie es geschehen sollte, nicht einstimmigen Beifall findet. In allen diesen Hinsichten hat die hohe Bundesversammlung eine gutachtliche Erörterung durch eine Commission für zweckmäsig erachtet, und demnach den Unterzeichneten aufgetragen: „die Frage, wie diejenigen Gegenstände, worüber nach dem Artikel 7 der Bundesacte (als Ausnahme von der sonstigen Regel) ein Beschluß durch Stimmenmehrheit nicht gefaßt werden kann, in Ermangelung der Stimmen-Einhelligkeit erledigt werden sollen, zu erörtern und ihr Gutachten, ohne übrigens die Commission in ihren Arbeiten beschränken zu wollen, vorzüglich über folgende Gegenstände: 1) welche Gesetze als Grundgesetze des deutschen Staatenbundes zu betrachten seyen? 2) was unter organischen Einrichtungen zu verstehen sey? endlich 3) welche Berechtigungen unter den, von jeher zu so verschiedenartigen Ansichten Anlaß gebenden, juribus singulorum, als solche, hierbei anzunehmen wären?“6 zu verbreiten. Die Commission hat also die Aufgabe: A) durch Bestimmung der Begriffe Irrungen in der Anwendung des 7. Artikels der Bundes­acte vorzubeugen; und B) Vorschläge zu machen, wie alsdann zu verfahren sey, nicht nur wenn solche Irrungen dennoch entstehen, sondern auch wenn die Statthaftigkeit der gesetzlichen Ausnahme von der Regel nicht zu bezweifeln ist, der Gegenstand aber, worauf es ankömmt, ohne allgemeinen Nachtheil nicht unerledigt gelassen werden kann? 6 Vgl. Dok. 88.

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Kommissionsgutachten über die Stimmenmehrheit

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Es kann hierbei keine andere Absicht seyn, als Hindernisse der Wirksamkeit des Bundesvereins im Geiste der Bundesacte selbst aus dem Wege zu räumen, nicht aber eine Abänderung der Vorschrift dieses Grundvertrages zu veranlassen. Was nun A) die Grundgesetze und organischen Einrichtungen des Bundes betrifft; so begründet die Möglichkeit, nach verschiedenen theoretischen Ansichten die hier in Frage stehende Vorschrift der Bundesacte gegen ihren Zweck entweder auszudehnen oder zu beschränken, den Wunsch, daß gewisse bestimmte Begriffe von den Bundesgliedern anerkannt werden möchten, um darnach in vorkommenden zweifelhaften Fällen ohne weitere Erörterung einen Beschluß fassen zu können. Nach der Natur des deutschen Staatenbundes sind nun als Grundgesetze desselben diejenigen vertragsmäsigen Bestimmungen zu betrachten, welche die Errichtung des Bundes, den Verein seiner Glieder, die Festsetzung seines Zweckes, so wie der Rechte der Gesammtheit, der Theilnahme der einzelnen Bundesglieder an deren Ausübung, der Verpflichtungen derselben gegen den Bund, und der Verbindlichkeiten dieses gegen sie, endlich des Rechts, die Bundesangelegenheiten zu besorgen, betreffen. Durch diese vertragsmäsigen Bestimmungen wird die Bundesverfassung gebildet. Da aber zur Erreichung des Bundeszweckes, zur Ausübung der Bundesrechte, zur Besorgung der Bundesangelegenheiten Anstalten und Mittel nothwendig sind, ohne welche die Wirksamkeit des Bundes nicht möglich wäre; so muß dieser die dem Zwecke entsprechenden Einrichtungen treffen, welche der Grundvertrag organische nennt, weil durch sie der Bundeskörper gleichsam die Werkzeuge erhält, durch welche er seine Thätigkeit zu äussern in den Stand gesetzt wird. Die Beschlüsse, welche der Bund zu diesem Ende, als beständige, allgemeine Normen, faßt, können mit Recht den Grundgesetzen beigezählt werden. Diesen stellt auch der 7. Artikel der Bundesacte die organischen Bundeseinrichtungen in Ansehung der Ausnahme von der Entscheidung durch Stimmenmehrheit gleich, und es wäre daher überflüssig, in eine nähere Erörterung eines Unterschiedes einzugehen, der ohnehin nur in dem Gegenstande, und nicht in der Form, welche den Charakter der Grundgesetzgebung andeutet, zu finden ist. Wollte man nun, im Gegensatz von Grundgesetzen, die übrigen Bundesgesetze näher bezeichnen; so ist es einleuchtend, daß hier in Beziehung auf die Gegenstände nur eine negative Beschreibung möglich wäre, und daß man e­ igentlich als Gesetze des Bundes, die nicht Grundgesetze sind, diejenigen Beschlüsse anzusehen hat, welche nach der Stimmenmehrheit gefaßt werden können. Die Unterzeichneten müssen übrigens gestehen, daß sie eine so scharfe und durchgreifende Begriffsbestimmung, welche in vorkommenden Fällen jede

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Meinungs-Verschiedenheit und jede Verwicklung auszuschliessen oder doch sogleich niederzuschlagen fähig wäre, nicht für möglich halten, und daß sie es daher dahin gestellt seyn lassen müssen, wie fern auf diesem Wege Schwierigkeiten, welche häufiger aus der Verschiedenheit der Interessen, als aus der Verschiedenheit der Meinungen, entstehen, mit glücklichem Erfolge vorgebeugt werden könne, ob sie gleich nicht in Abrede stellen, daß dadurch wenigstens eine Verminderung jener Schwierigkeiten erreicht werden kann. Sie gehen mit nicht geringerer Besorgniß nunmehr zu der Frage über, welche die jura singulorum7 betrifft, eingedenk des langen, nie erledigten Streits, welcher vormals im deutschen Staatsrechte über die Bedeutung jener Worte geführt wurde. Wenn man indessen den Grund ­erwägt, aus welchem die Bundesacte jura singulorum von der Entscheidung durch die Stimmenmehrheit nur allein ausgenommen haben kann; so wird der Wunsch sich als gerechtfertigt darstellen, daß durch Bezeichnung der Fälle, wo diese Ausnahme statt finden soll, aller Zweideutigkeit ein Ende gemacht werde. Der Grund dieser Ausnahme aber kann kein anderer seyn, als die Gleichheit der Rechte und Pflichten der Bundesglieder auch dann, wo nicht von Grundgesetzen die Rede ist, gegen eine mögliche Verletzung durch Ueber­stimmung zu bewahren. Daß Rechte, welche Bundesgliedern ausser ihrem Verhältnisse zum Bunde zustehen, überhaupt kein Gegenstand einer Abstimmung im Bunde seyn können, bedarf keines Beweises, und es scheint nur auf die Frage anzukommen: welche Rechte in diese Classe zu rechnen seyen? Es ist aber nicht zu bezweifeln, daß dahin alle diejenigen gehören, in Ansehung deren die Uebernahme einer Verpflichtung gegen den Bund, weder aus dem Grundvertrage, noch aus andern Bundesgesetzen, nachgewiesen werden kann. Es scheint demnach, daß künftigen Streitigkeiten über den Begriff des Ausdrucks: jura singulorum, durch die Erklärung vorgebeugt werden könne, wie die Aufnahme desselben in die Bundesacte nur bezwecke, daß keinem 7 Lat.: „die Rechte der Einzelnen“. Es handelt sich hier um eine Variante des Einstimmigkeitserfordernisses nach IPO V, § 52 („wo die Stände nicht als einheitliche Körperschaft betrachtet werden können“). Der Westfälische Friedensvertrag trifft allerdings keine eindeutige Aussage, wann ein solcher Fall eintrat, und auch die spätere Reichsstaatslehre konnte darüber nie völlige Einigkeit erzielen. Zwei Positionen standen sich hier gegenüber: die eine, restriktivere, verstand darunter nur Religionssachen, während die andere alle Angelegenheiten dazu zählte, die ein Reichsstand als sein „Privatinteresse“ reklamierte. Eine mittlere Position, die sich bis zum Ende des Alten Reichs herausbildete, verstand unter „jura singulorum“ − modern gesprochen − die Rechte der Gliedstaaten eines Reiches bzw. Bundes, welche außerhalb der Kompetenz des Reiches bzw. Bundes liegen. „Mit dieser Formel ist aber nicht recht weiterzukommen“, wenn „die Kompetenz des Reiches [bzw. Bundes] nirgends eindeutig festgelegt ist“, wie das im Deutschen Bund der Fall war. Vgl. Knecht, Der Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803, S. 100; Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte des Heiligen Römischen Reiches nach 1648, S. 182−185, Zitat S. 183.

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einzelnen Bundesgliede durch die Stimmenmehrheit und ohne seine freie Einwilligung etwas soll auferlegt werden, was nicht Alle zugleich und verhältnißmäsig in gleicher Art übernehmen. Von dem, was man jura singulorum nennt, sind nun wohlerworbene Rechte wesentlich verschieden, und da ihr Begriff nicht streitig, der Grundsatz aber, daß darüber durch Stimmenmehrheit der Bundesglieder nicht verfügt werden kann, unzweifelhaft ist; so wäre in der Bundesacte deßfalls ein Vorbehalt ganz überflüssig gewesen, und es wird auch jetzt keine ausdrückliche Erklärung nöthig seyn, um einer Verwechslung der Begriffe vorzubeugen. Die berühmte Stelle des westphälischen Friedens (V. 52. ubi status tanquam unum corpus considerari nequeunt8) hat bekanntermaßen eine Erklärung von den juribus singulorum gegeben, welche in der Theorie und in der Anwendung die verschiedenartigsten Auslegungen veranlaßt hat, wiewohl sie unstreitig in diesen wenigen Zügen das wesentliche Merkmahl davon sehr richtig bezeichnet hat. Da, wo das Ganze, als solches, eine Leistung von seinen Mitgliedern erheischt, können diese nicht wie Einzelne (ut singuli) sich betrachten, und wieder umgekehrt. Allein man erinnert sich hiebei ebenfalls, wie die ganze Stelle im Zusammenhange also lautet: „In Religionssachen und allen andern Geschäften, worin die Stände nicht als ein Corpus angesehen werden können, wie auch, wenn die katholischen und evangelischen Stände in zwei Theile gehen, soll allein gütliche Vergleichung den Streit entscheiden, ohne die Mehrheit der Stimmen zu beachten“.9 Der damalige Stand der ­genannten beiden Religionstheile, in der Fürsorge für ein ungehindertes Religionsbekenntniß und in den politischen Beziehungen, welche die Ausübung davon sichern sollte, hat ersichtlich, auch nach der Geschichte der Verhandlungen, diese ganze Bestimmung veranlaßt, und es ist nicht zu übersehen, daß dieselbe nicht sowohl die besondern Rechte einzelner Stände, oder der Minderzahl aufrecht halten, als vielmehr ein gemeinsames Interesse gegen das andere in Schutz nehmen sollte, wo nämlich katholische und evangelische Stände, als solche, sich trennen und in zwei Theile gehen. Auch hat hauptsächlich die andere Anwendung hievon über die eigentlichen Religionsgegenstände hinaus zu der Zeit die meisten Zweifel und Streitigkeiten über die Fra8 IPO V, 52: „wo die Stände nicht als einheitliche Körperschaft betrachtet werden können“. Vgl. Müller (Bearb.), Instrumenta Pacis Westfalicae, S. 129. 9 IPO V, 52: „In causis religionis omnibusque aliis negotiis, ubi status tanquam unum corpus considerari nequeunt, et etiam catholicis et Augustanae confessionis statibus in duas partes euntibus, sola amicabilis compositio lites dirimat non attenta votorum pluralitate.“ Vgl. APW, Serie 3, Abt. B: Verhandlungsakten. Bd. 1: Die Friedensverträge mit Frankreich und Schweden, 1: Urkunden, S. 126. Vgl. dazu auch TRE, Bd. 26, S. 26 f. (Art. „Parteien. 1.2. Religionspartei“).

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ge entstehen lassen: wann und warum beide Stände demnach zwei Parteien bilden durften? Das Contributionswesen kam bei dem westphälischen Frieden auch noch zur Sprache, und es ward von mehreren protestantischen Reichsständen ­darauf angetragen, daß zu Steuerbewilligungen die mehrern Stimmen die ­übrigen nicht wider ihren Willen nöthigen sollten. Doch hatte dieser Punct so vielen Anstand gefunden, um nicht im Friedensschluß mit aufgenommen, sondern zur Entscheidung des nächsten Reichstages ausgesetzet zu werden. Er ist indessen während der ganzen vormaligen Reichsverfassung unerledigt geblieben und dadurch manche Ungewißheit und mancher Uebelstand ver­ ursacht worden. Indessen war damit nirgends anerkannt oder ausgesprochen: als ob zur Bewilligung von Reichssteuern Einhelligkeit der Stimmen erforderlich gewesen.10 Vorstehende Ausführungen mögen nur zeigen, wie eigentlich die besondern Rechte einzelner Reichsstände, auch in dem vorherigen Reichsverhältniß und durch den westphälischen Frieden, nicht in Gegensatz mit der allgemeinen Verfassung gestellt oder begründet worden. Die Schwierigkeiten aber, welche dergleichen Behauptungen schon im vorigen Reichsverbande hervorgebracht haben, ertheilen allerdings dem jetzigen deutschen Bunde die warnende Lehre, über diejenigen jura singulorum, welche nach Art. 7 der Bundesacte keinen Beschluß durch Stimmenmehrheit zulassen, einige feste und sichere Bestimmungen zu treffen. Die Unterzeichneten sollen nun B) in dieser Beziehung sowohl, als auch in Ansehung der Grundgesetze und organischen Einrichtungen des Bundes, Vorschläge machen, wie den Nachtheilen des Mangels einer Ueber­einstimmung aller Bundesglieder vor­ zubeugen, oder abzuhelfen sey? Es ist aber I) nach der Natur der Grundgesetze, im engern Sinne, nicht anders anzunehmen, als daß diese nur allein durch gemeinsame Uebereinkunft vertragsmäsig zu Stande gebracht werden können. Wenn es also auf Errichtung eines neuen, authentische Erklärung oder ­Abänderung eines bestehenden Grundgesetzes ankömmt; so bleibt, bei dem Mangel der Einhelligkeit unter den Bundesgliedern, nichts übrig, als einen günstigeren Zeitpunct abzuwarten, um den von der Mehrheit gewünschten Act der Gesetzgebung zur Wirklichkeit zu bringen, indem ein dahin gerichteter Antrag zu jeder Zeit wiederholt werden kann. Da übrigens der 7. Art. nur die Annahme, also die Errichtung, so wie die Erklärung oder Abänderung der Grundgesetze von der Entscheidung durch Stimmenmehrheit ausnimmt; so 10 Vgl. Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 184 f.

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versteht es sich von selbst, daß diese in allen Fällen statt findet, wo es auf die Erfüllung, Anwendung, Vollziehung und practische Entwickelung eines bestehenden Grundgesetzes ankömmt. In dieser Hinsicht hätte insonderheit II) bei organischen Einrichtungen, von welchen die Verfolgung des Bundeszweckes und die Wirksamkeit des Bundes für denselben wesentlich abhängt, die Zulässigkeit einer Ausnahme von der gesetzlichen Regel als sehr zweifelhaft erscheinen können. Auch darf man mit Recht voraussetzen, daß es bei der Abfassung des 7. Art. der Bundesacte die Absicht keinesweges gewesen ist, in die Verfassung des Bundes Mittel zu legen, durch welche die Erreichung seines Zweckes selbst gehemmt oder vereitelt werden könnte. Wenn indessen jener 7. Art. die Beschlüsse, wo es auf Annahme oder Abänderung der Grundgesetze, auf organische Bundeseinrichtungen, auf jura singulorum oder Religions-Angelegenheiten ankömmt, von der Regel der Stimmenmehrheit ausnimmt; so ist diese verfassungsmäsige Vorschrift allerdings so lange zu befolgen, als sie nicht unausführbar befunden und einhellig aufgehoben oder doch modificirt wird. Allein inzwischen wird ihr Sinn und ihre Anwendung doch nur so verstanden und aufgefaßt werden können, um mit der vorhergegangenen, eben so constitutiven Regel, wornach die ganze Gesetzgebung und nöthige Entwickelung des Bundes geschehen soll, zusammen zu stimmen. Es wird also kein wirklicher Widerspruch in sich anzunehmen, vielmehr der dem Worte nach scheinbare, unter einen solchen höhern Begriff und Gesichtspunct zu stellen seyn, daß immer eine Verhandlung und ein Verfahren im Bunde eintreten muß, um die Aufgabe und die Zwecke seines Bestandes nothwendig zu erfüllen. Der Bundesversammlung aber ist hierbei das Feld zu weitern Beschlüssen offen gelassen, um ergänzend einzuschreiten, die Erhaltung des Bundes zu sichern und nach Art. 411 die Angelegenheiten desselben zu besorgen. Der Art. 7 hat es indessen noch unbestimmt gelassen, wie es nachher weiter gehalten werden kann, wenn z. B. organische Einrichtungen, die doch immer mehr oder minder nöthig sind, nicht alle Stimmen für sich vereinigen. Und die eigentliche Frage scheint also die zu seyn: welch ein Verfahren die Bundesversammlung alsdann eintreten zu lassen, berechtiget und verpflichtet seyn kann, um der ihr obliegenden Fürsorge zur Erfüllung der Zwecke des Bundes gehörig zu genügen? Zunächst kömmt die beschränkende Bestimmung des Art. 7 selbst in Betracht, um ihr keine weitere Ausdehnung zu geben, als welche die Worte des Gesetzes besagen. Hierbei ist dann 11 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1509.

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1) zu bemerken, daß, wenn die der Entscheidung des Pleni zu unterziehenden Beschluß-Entwürfe in der engern Bundesversammlung vorbereitet, und bis zur Annahme oder Verwerfung zur Reife gebracht werden sollen, dieses unmöglich allezeit vorschriftsmäsig geschehen könnte, wenn nicht die Regel der Stimmenmehrheit dabei in Ausübung gebracht würde. 2) Ein nach allen seinen einzelnen Theilen in der engern Bundesversammlung erörterter und durch Stimmenmehrheit zu Stande gebrachter BeschlußEntwurf kann allerdings, wenn er die ausgenommenen Gegenstände betrifft, im Plenum verworfen werden; allein er wird nicht leicht in allen seinen Bestandtheilen und Bestimmungen Gegenstand des Dissenses seyn, und es dürfte in vorkommenden Fällen nicht selten möglich werden, durch Aussetzung des einen oder des andern Punctes zur weiteren Verhandlung, oder durch einstweilige, von der Mehrzahl nachzugebende Modificationen, im übrigen die Annahme des Beschluß-Entwurfes im Plenum zu bewirken. 3) Die Bundesacte sagt nur: „wo es auf organische Einrichtungen ankömmt, kann die Stimmenmehrheit nicht entscheiden“.12 Sollte diese Vorschrift weiter gehen, als auf den Beschluß, daß eine gewisse organische ­Einrichtung zu treffen sey? Sollte sie auch auf die ganze Anordnung und Ausführung einer also beschlossenen oder selbst durch die Bundesacte schon gebotenen organischen Einrichtung sich erstrecken? Die Unterzeichneten halten dafür, daß nur die Frage, ob eine solche Einrichtung zu treffen sey (so fern sie nicht durch die Bundesacte bereits entschieden ist), daß die Bestimmung ihres Zweckes und ihrer wesentlichen Beschaffenheit, durch einmüthige Verhandlung zu entscheiden, die Anwendung aber der festgesetzten Grundzüge, oder die Ausführung der Sache einem beschleunigten und endenden Verfahren nach Stimmenmehrheit anheimzustellen sey. 4) Die Bundesacte sagt: „Es soll bei den ausgenommenen Gegenständen ein Beschluß durch Stimmenmehrheit nicht gefaßt werden“. Es kömmt aber bei der gegenwärtigen Erörterung nur auf diejenigen ausgenommenen Gegenstände an, welche vor das Plenum gehören, und in der engern Versammlung zu einem Beschluß-Entwurf bereits vorbereitet seyn müssen. Zu unterscheiden ist demnach, daß nicht von einer absoluten Verwerfung eines von der Mehrheit gebilligten Entwurfs durch die Minorität die Rede ist, sondern daß nur das Resultat der Stimmenmehrheit, als solches, die abstimmigen Bundesglieder noch nicht verbinden kann. Nun ist aber anzunehmen, daß Grund­ gesetze und organische Einrichtungen, welche in der Art verhandelt werden, 12 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250), S. 1511 (Artikel 7): „Wo es aber auf Annahme oder Abänderung der Grundgesetze, auf or­ga­nische Bundes Einrichtungen, auf jura singulorum oder Religi­onsAn­gelegenheiten ankommt, kann weder in der engeren Versammlung, noch in Pleno ein Beschluß durch Stimmen Mehrheit gefaßt werden.“

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etwas Wesentliches und Unentbehrliches für den Bestand des Bundes feststellen sollen, und was mithin nicht aufs Ungewisse ausgesetzt bleiben darf. Die Gründe und Ansichten, welche Einzelne, oder eine vielleicht nur geringe Minorität, einer bedeutenden Majorität entgegen zu setzen haben, müssen auch bereits, nach der im Art. 7 bestimmten Vorbereitung, im engern Rath hinlänglich erörtert und erwogen seyn, und es ist anzunehmen, daß die Berathung so weit beendiget ist, daß sich von einer weitern Verhandlung darüber kein anderes oder ausgleichendes Resultat mehr erwarten läßt, weil dieses schon früher bei der im engern Rath sich zeigenden Verschiedenheit der Meinungen und Abstimmungen versucht seyn muß. Dieß kann auch der alleinige und wahre Nutzen seyn, weßhalb der Art. 7 die gereifte Vorbereitung solcher BeschlußEntwürfe in der engern Versammlung bis zur Annahme oder Verwerfung vorschreibt; und woraus denn von selbst folgt: daß im Pleno nachher weiter nicht anders, als mit ja und nein, annehmend oder verwerfend, gestimmt werden kann. Wenn nun die wenigern Stimmen von ein[em] Drittel vielleicht, häufig nur einzelne Stimmen, den Entwurf verworfen haben, wodurch doch die bei ­weitem größeste Majorität eine zu ihrem Bestande, oder zu ihrer Sicherheit, nöthig befundene Gesetzgebung oder Einrichtung im Bunde zu treffen be­ absichtiget; so wird, nachdem auch die Gründe und etwaigen Ansprüche ­solchergestalt von allen Seiten vorher genugsam discutirt worden, die geringe Minderzahl weder verlangen wollen, daß darum die Mehrzahl die eigene Meinung und Vorschläge aufgeben und die der andern befolgen, noch daß sie die, von ihr nöthig beachteten Vorkehrungen ungewiß und ausgesetzet lassen sollte. Schon diese Betrachtung, und der unverrückte Hinblick auf die fortgehende Entwickelung des Bundes, wird diejenigen Bundesglieder, welche sonst bei der vorherigen Discussion im engern Rath mit den Anträgen und den Abstimmungen der Majorität auch nicht völlig einverstanden waren, schon sehr wahrscheinlich veranlassen und bewegen, nachher, wenn entschieden über den ganzen Beschluß-Entwurf nur durch Annahme oder Verwerfung im Pleno gestimmt werden muß, nicht auf einzelnen Meinungen zu beharren und die Sache auf die Spitze zu stellen. Hoffentlich wird ein solcher Fall also nur sehr selten eintreten. Indessen scheint es allerdings rathsam, selbst darüber zum Voraus feste Bestimmungen bei der Bundesversammlung zu treffen, und dieselbe erwartet solche auch von dieser Commission. Damit immer die Bundesversammlung bei jener Lage der Sache durch einzelne Einwendungen und Widersprüche nicht gehindert werde, in nöthigen und nützlichen Einrichtungen zur Ausbildung der gemeinsamen Verbindung fortzuschreiten, möchten sich dazu nur zwei Wege darbieten: 1) Die überwiegende Mehrheit befolgt diejenigen Gesetze und Einrichtungen, für welche sie durch Annahme des Beschluß-Entwurfs im Pleno

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sich erklärt hat, indem sie wiederum ihrerseits durch den Widerspruch der Minderzahl hieran nicht verhindert werden kann; und es würde dabei nur zu unterscheiden seyn: a) in wie weit dergleichen organische Einrichtungen es zulassen, daß einzelne Bundesstaaten sich davon ausschliessen können, ohne dadurch dieselben zu stören oder gänzlich zu hindern. In diesem Fall, und nachdem die Mehrheit solches geprüft, ist kein Grund vorhanden, den, wiewohl zu wünschenden, Beitritt der Minderzahl erzwingen zu wollen; dagegen auch die zustimmende Mehrzahl sich nicht von Einführung der genommenen Maasregel abhalten lassen dürfte. b) Sind aber die organischen Einrichtungen, wiewohl die meisten, von der Art, daß sich einzelne Bundesglieder, ohne Nachtheil aller übrigen, nicht davon ausschliessen dürfen, oder daß sonst die Maasregel im Ganzen nicht durchzuführen steht; so sähe die Mehrzahl der Bundesglieder sich freilich in die Lage gesetzt, nicht sowohl die Minderzahl, durch einen Beschluß nach Stimmenmehrheit, verbindlich zu machen, als vielmehr sie zur Erfüllung der Bundeszwecke und zu den nöthigen deßfallsigen Einrichtungen, wie auch zu ihrer verhältnißmäsigen Theilnahme und Mitwirkung daran aufzufordern. Letztere aber läßt sich nie verweigern, sobald man nicht, wenn auch indirecte, aufhören will, Bundesmitglied zu seyn. 2) Um mithin die Bundeszwecke zu erfüllen, und die zu deren Sicherung und Erhaltung dienlichen Mittel und nöthigen Anstalten zu befördern, können nur provisorische Einrichtungen durch Beschlüsse nach gewöhnlicher Regel der Stimmenmehrheit so lange getroffen und so dem dringenden Bedürfnisse abgeholfen werden, dieselben auch nur einstweilen gelten, bis man über die weitere Abfassung von Grundgesetzen, so wie über die Entwürfe zu den definitiven organischen Einrichtungen, sich anders gemeinsam vereinbaren können, und wozu bereits vorher der Versuch angestellt und verfehlt seyn müßte, so, daß die provisorischen Bestimmungen nur als einstweilige Aushülfe eintreten dürften. Bei den Beschlüssen dieserhalb kann auch nur Stimmenmehrheit als die Regel gelten; und die seitherige Praxis bei der Bundesversammlung hat bei mehrern wichtigen Gegenständen, unter andern bei der CompetenzBestimmung, ein solches provisorisches Verfahren schon als nützlich bewährt.13   In Ansehung der schon bestehenden Grundgesetze und organischen Einrichtungen wird man nur die angezogene normirende Stelle des Art. 7 genau zu befolgen haben, wornach eine Abänderung, also auch 13 Vgl. Dok. 121.

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jede Einschränkung, Ausdehnung, Aufhebung oder sonstige Abweichung davon, nicht durch einen Beschluß nach bloßer Stimmenmehrheit zu bewirken steht. 5) Was endlich die so genannten jura singulorum betrifft; so möchten zur Beseitigung der hieraus zu besorgenden Hindernisse der Bundeswirksamkeit, neben der bereits oben berührten näheren Erklärung, folgende Vorschläge dienen: 1) eine allgemeine Bezugnahme auf besondere Rechte der Einzelnen, als Vorbehalt oder Widerspruch, könnte nicht statt finden, sondern es wäre immer vorher genau nachzuweisen und zu erörtern: wie und wodurch dieselben für den einzelnen Bundesstaat, als solchen, begründet würden, um von einem gemeinsamen Beschluß eine Ausnahme zu machen, oder dagegen Vorbehalt oder Widerspruch einzulegen, und so eine nähere Prüfung derselben von Bundeswegen noch herbeizuführen. 2) Zur Norm der Beurtheilung wäre dabei näher anzunehmen: a) In allen Rechten und Befugnissen, welche dem14 Staat ausser ihrem Verhältniß zum Bunde aus andern Beziehungen zustehen, und die mit demselben nicht in Widerspruch sind, können sie unstreitig nur wie Einzelne betrachtet und gleichsam über die Grenze des Bundes hinaus nicht gehalten seyn. b) Als Mitglieder des Bundes haben unbestritten alle deutsche Staaten, nach dem bestimmten Verhältniß, die gleichmäsigen Leistungen und Beiträge zu entrichten, welche zur Erhaltung des Bundes, und als Mittel zu dessen Zwecken für nöthig gefunden und beschlossen werden. Nur in so weit näher dargelegt werden könnte, daß jenes richtige Verhältniß bei der Anwendung auf den einzelnen Staat überschritten oder verletzt wäre, würde wegen eines solchen Uebermaases von dem einzelnen Mitgliede Einwendung gegen den Gesammtbeschluß gemacht werden können, um eine richtige Vertheilung zu verlangen. Es ist jedoch einleuchtend, wie hierbei nicht der eigentliche Bundesbeschluß selbst, als das Mittel zu den angenommenen Zwecken, angefochten werden kann, noch besondere Rechte des Einzelnen vorhanden seyn können, um sich ohne Trennung vom Ganzen denjenigen Verbindlichkeiten zu entziehen, die in gleichem Verhältniß von den übrigen Mitgliedern zur Erfüllung der Bundeszwecke übernommen werden. Aus diesem Gesichtspunct wird also auch die Beitragspflichtigkeit und die Steuerbewilligung der Bundesglieder nur zu beurtheilen seyn. 14 Emendiert. Vorlage: den.

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c) Von den einzelnen Mitgliedern des Bundes, als solchen, könnte endlich aber auch etwas Anderes oder Besonderes, als von allen übrigen Bundesstaaten, zum Wohl oder zur Erhaltung und Sicherheit des Ganzen verlangt werden, und dabei läßt es sich wohl nicht verkennen, daß, in so weit diese Forderungen auf einem gültigen Beschlusse beruhen, und ein Mitglied zu einer solchen einzelnen Leistung oder Aufopferung verbunden seyn soll, vorher oder zugleich auch die Rechte desselben durch Schadloshaltung, oder durch sonstige Befriedigung, da, wo demselben daraus erwiesener Nachtheil erwächst, oder ein eigener Beitrag zugemuthet würde, zu beseitigen sind, und so lange solches noch nicht geschehen, könnte freilich dem Beschlusse durch Stimmenmehrheit, in so weit das Recht des Einzelnen entgegen gesetzet werden. Indem die Unterzeichneten gegenwärtiges Gutachten der hohen Bundesversammlung übergeben, können sie sich nicht enthalten, den auf ungehinderte Verfolgung des Bundeszweckes gegründeten Wunsch zu äussern, es möge demnächst als Grundsatz angenommen werden, daß für organische Bundeseinrichtungen überhaupt, da sie ohnehin nur Folgen bestehender Grundgesetze seyn können, die definitive Entscheidung durch eine auf zwei Drittheile der Stimmen beruhende Mehrheit zu fassen sey. Uebrigens geben sie anheim, über dieses Gutachten Instruction einzuholen, solches aber einstweilen als Provisorium, bis zur definitiven Entschliessung, auch unter Vorbehalt der nach eingegangenen Instructionen, oder etwa sonst zu beschliessenden Abänderungen oder Zusätze, in etwa vorkommenden ­Fällen in Anwendung zu bringen. Graf von Buol-Schauenstein Goltz Eyben Plessen Berg

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Nr. 98

98. Wangenheim1 an Wintzingerode

HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 372, Nr. 7 und ad Nr. 7. a) Schreiben. Ausfertigung. Praes.: 30. Juli [1819]; b) Abstimmungsentwurf. Reinschrift.

[a) Schreiben] Kritik am Kommissionsgutachten über die Entscheidung durch Stimmenmehrheit, in dem Gegenstände von solcher Wichtigkeit oberflächlich, widersprüchlich und ohne allen rechtlichen und sittlichen Takt behandelt werden. Absicht Buols, wichtige Fragen durch Mehrheit gültig entscheiden zu lassen, der auch viele Bundestagsgesandte, die dem unglücklichen Grundsatz huldigen, der Zweck könne die Mittel heiligen, auf unverantwortliche Weise nachgegeben haben. Widerstand Aretins gegen das beabsichtigte Provisorium. Erwartung Wangenheims, daß auch er sich den Zorn Buols zuziehen werde, wenn er gegen das Provisorium stimme. Für den Fall, daß er nicht rechtzeitig eine Instruktion erhalte, werde er vorläufig und so schonend wie möglich seine in der Anlage mehr angedeutete als entwickelte Ansicht in der Bundesversammlung darlegen.

Frankfurt am Main, 28. Juli 1819 Euer Excellenz werden das Commißionsgutachten über die Entscheidung durch Stimmenmehrheit2, das man freilich beßer ein Commißionsübelachten nennen könnte, erhalten haben. Ich schikte es unter dem 24ten dieses Monats No 89 ein, ohne etwas dabei zu bemerken, weil es mir zu wichtig war, daßelbe schnell in den Händen Euerer Excellenz zu wißen, und die Zeit des Postabgangs dennoch bereits zu nahe herangeeilt war, um es auch nur durchlesen zu können. Es ist eine trostlose Aussicht in die Zukunft, Gegenstände von solcher Wichtigkeit so oberflächlich, widersprechend, und, was mir das schlimmste scheint, so ohne allen rechtlichen und sittlichen Takt, behandelt zu sehen. 1 Karl August Freiherr von Wangenheim (1773−1850), deutscher Staatsmann, Studium der Rechte in Jena und Erlangen, 1795 Assessor bei der sachsen-coburg-saalfeldischen Regierung in Coburg, 1801 Geheimer Assistenzrat im Ministerium ebd., 1803 Vizepräsident der Landesregierung ebd., 1804 Dienstentlassung, 1806 Eintritt in württembergische Dienste als Geheimer Rat und Präsident der Oberfinanzkammer, 1809 Präsident der Oberregierung (Inneres), 1811 Präsident des Obertribunals und Kurator der Universität Tübingen, 1816 Kultusminister, 1817 Bundestagsgesandter in Frankfurt, 1823 Abberufung auf Druck Österreichs und Preußens, danach Rückzug ins Privatleben. Vgl. ADB, Bd. 41, S. 153−155; DBE, Bd. 10. S. 330; DBA I, 1332, 69−78; DBA II, 1365, 217 f.; DBA III, 964, 330−337; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 423; Schreib- und Geschäfts-Kalender für die Deutsche BundesCanzlei 38, 1964, S. 152 f.; Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens, S. 233 f., 382; Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte, Bd. 3, Sp.  3040 f. 2 Dok. 97.

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Die Widersprüche, welche Graf Buol von Seiten Baierns und Preußens gegen eine liberalere Bestimmung der Methode, Beschlüße zu faßen, mit Recht voraussieht, und die Begierde, Mancherlei, ihm und besonders Langenau3 wichtige, Frage per majora gültig entscheiden zu können, setzen den heftigen Mann in übergroße Bewegung, während die übrigen, durch den unglüklichen Grundsatz − der Zwek könne die Mittel heiligen − und durch den ebenso unglüklichen der ewigen Nachgiebigkeit verblendet, jenem Getriebe auf ­ ­unverantwortliche Weise nachgeben und selbst dazu mitwirken. Graf Buol geht in seinem Zorne gegen Aretin, der ihm rund genug erklärt hat, er werde, so leid es ihm thue, in Ermanglung einer Instruction auf kein Provisorium eingehen können − soweit, daß er rechts und links behauptet: der Ausgang dieser Sache werde entscheiden, ob Oesterreich oder Baiern aus dem Bund scheiden müße. Ich habe mich zwar nicht so rund, wie Freyherr von Aretin, gegen das Provisorium erklären können, weil mir die Aufgabe gemacht ist, ihn mir persönlich geneigt zu erhalten; da ich es aber nicht verstehe, das Gegentheil von dem, was ich denke, als meine Meinung auszusprechen: so merkt er freilich, wohin diese geht, und daher hält er seinen Unmuth auch gegen mich nur mit Mühe zurük, und ich sage, um nicht als ein solcher zu erscheinen, der durch eigne Leidenschaftlichkeit die fremde hervorrufe, den Ausbruch des größten Unfriedens voraus, wenn ich − wie ich hoffe − die Weisung erhalte, mich gegen das Provisorium zu erklären. Auf den unerwarteten Fall, daß ich vor Donnerstag nicht würde instruirt werden, bleibt mir nichts anders übrig, als vorläufig und so schonend, als immer möglich, meine Ansicht so auszusprechen, wie ich sie, in der Anlage, freilich mehr angedeutet, als entwikelt habe. Ich benutze diese Gelegenheit mit Vergnügen, um Euerer Excellenz die Versicherung meiner ausgezeichnetesten Hochachtung zu erneuern. Wangenheim

3 Friedrich Karl Gustav Freiherr von Langenau (1782−1840), Offizier, 1795 Eintritt in kursächsische Militärdienste, 1809 Oberstleutnant und Flügeladjudant des Königs, 1812 Generalmajor und Generaladjudant, 1813 Übertritt in österreichische Militärdienste als Generalmajor, 1813/14 Generalquartiermeister der Feldmarschälle Schwarzenberg und Radetzky, 1815 Generalquartiermeister der österreichischen Armee am Oberrhein, 1819−1829 Mitglied der Bundesmilitärkommission in Frankfurt, 1828 Feldmarschalleutnant, 1833 Geheimer Rat, 1835 kommandierender General in Galizien und 1839 in Innerösterreich. Vgl. ADB, Bd. 17, 660−662; NDB, Bd. 13, S. 580; DBE, Bd. 6, S. 238; ÖBL, Bd. 5, S. 2; Keul, Die Bundesmilitärkommission (1819−1866) als politisches Gremium, S. 253−256.

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[b) Anlage: Wangenheims Entwurf einer Abstimmung über die Entscheidung durch Stimmenmehrheit] Die Kommission hat sich bei der Abfassung ihres Gutachtens über die Stimmenmehrheit eine doppelte Aufgabe gestellt: 1. Durch scharfe Begriffsbestimmung soll Irrungen bei der Anwendung des Artikels 7 der Bundesakte vorgebeugt werden; 2. Unterbreitung von Vorschlägen, wie im Fall von Irrungen verfahren werden soll, damit Gegenstände nicht unerledigt bleiben. Auflistung wichtiger Ergebnisse des Gutachtens. Wangenheim hält sich nicht für befugt, das Kommissionsgutachten bis zu einem definitiven Beschluß und ­unter Vorbehalt noch zu beschließender Abänderungen und Zusätze als ­Provisorium anzunehmen, und formuliert einige abweichende Auffassungen: Organische Einrichtungen sollen wie Gesetze behandelt werden, durch die ein Grundgesetz zur Vollziehung gebracht werden soll; Gesetze, die keine Grundgesetze sind, sollen durch die gesetzliche Mehrheit der Stimmen entschieden werden; Konflikte zwischen zwei Gesetzesstellen müssen durch die Gesetzgebung aufgehoben werden; jede organische Einrichtung setzt ein Grundgesetz voraus; beanstandet, daß die Kommission die wichtige Frage nicht beantwortet habe, wie Irrungen, die ungeachtet einer genaueren Begriffsbestimmung von Grundgesetzen, organischen Einrichtungen und Rechten der Einzelnen entstehen dürften, zum Wohl des Ganzen geschlichtet und im Fall einer Nichtvereinigung rechtlich entschieden werden könnten.

Das Commißionsgutachten geht von der Grundansicht aus: Die engere Bundesversammlung kann durch Stimmenmehrheit nicht entscheiden, ob eine Berufung auf die Ausnahme von der Regel d. h. auf die Einhelligkeit der Stimmen, zuläßig oder unzuläßig sey? Sie kann es um deßwillen nicht, weil durch eine solche Entscheidung die Ausnahme selber aufgehoben werden würde. Deßwegen sol durch scharfe Begriffsbestimmung der willkührlichen Deutung der Bundes Akte Grenzen gesezt werden. Es sollen aber auch die Folgen, welche die gesetzmäßige Verhinderung einer Beschlußnahme nach sich ziehen kann, für verschiedene Fälle verschieden festgesezt werden, da, wie das Gutachten sagt, es nicht immer möglich seyn wird, das Nothwendige deßwegen zu unterlaßen, weil die Art, wie es geschehen sollte, keinen einstimmigen Beifall fand. Die Commißion macht sich daher die doppelte Aufgabe: A) Durch Bestimmung der Begriffe Irrungen in der Anwendung des 7ten Artikels der Bundes­acte vorzubeugen; und B) Vorschläge zu machen, wie alsdann zu verfahren sey, 1. nicht nur, wenn solche Irrungen dennoch entstehen, sondern auch 2.  wenn die Statthaftigkeit der gesetzlichen Ausnahme von der Regel nicht zu bezweifeln ist, der Gegenstand aber, worauf es ankommt, ohne allgemeinen Nachtheil nicht unerledigt gelaßen werden kann.

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Es wird nun ad A) dasjenige festgesezt, was unter Grundgesetzen und organischen Einrichtungen des Bundes, welche lezteren, insofern sie als beständige, allgemeine Normen beschloßen wurden, ihrer Form nach, den erstern beigezählt werden, und was unter juribus singulorum künftig verstanden werden soll. Sodann wird ad B) vorgeschlagen I. daß Grundgesetze im engern Sinne d. h. in dem ad A gegebenen Sinne a) zu ihrer Annahme, authentische Erklärung oder Abänderung der Einhelligkeit auch künftig bedürfen sollen; während b) die bloße gesetzliche Stimmenmehrheit da entscheiden soll, wo es auf solche Gesetze, welche nicht Grundgesetze sind, und auf die Erfüllung, Anwendung, Vollziehung und practische Entwikelung eines bestehenden Grundgesetzes ankommt. Ob nun wohl II. organische Einrichtungen eigentlich nichts anders seyen, als eben solche Einrichtungen, welche die Erfüllung, Anwendung, Vollziehung und practische Entwikelung des Bundeszweks und der Wirksamkeit des Bundes sicherzustellen hätten, und also (nach I. b) eigentlich durch die gesetzliche Stimmenmehrheit festzusetzen wären: so müße dennoch a) die verfaßungsmäßige Vorschrift, daß zu einer Beschlußnahme auch über die organischen Einrichtungen Einhelligkeit der Stimmen erforderlich sey, solange befolgt werden, als sie nicht unausführbar befunden, also einhellig aufgehoben oder modifizirt werde. Wenn aber diese Vorschrift auch b) einhellig weder aufgehoben, noch modifizirt würde: so müße dennoch ihr Sinn nur so verstanden und davon nur eine solche Anwendung gemacht werden, daß zwischen ihr und der vorhergegangenen, ebenso constitutiven Regel, wornach die ganze Gesetzgebung und die nöthige Entwikelung des Bundes geschehen solle, kein Widerspruch statt finde; so daß also c) die Bundesversammlung, um die Zweke des Bundes und seinen Bestand sicherzustellen, und nach Art. IV die Angelegenheiten deßelben zu besorgen, ergänzend einschreiten müße. Es frage sich daher d) welches Verfahren die Bundesversammlung dann eintreten laßen dürfe und solle, wenn für organische Einrichtungen die Einhelligkeit der Stimmen nicht gewonnen werden könne, und dennoch die Erfüllung der Bundesgesetze von der Herstellung jener Einrichtungen abhänge?

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Für dieses Verfahren macht die Commißion, wenn ich sie recht verstanden habe, nun folgende Vorschläge: 1) Die Entwürfe solcher Beschlüße, welche im Pleno nur durch Einhelligkeit der Stimmen gültig gefaßt werden können, bedürfen zur Vorlage an das Plenum in der engern Versammlung doch nur der Stimmenmehrheit. 2) Ein an das Plenum gebrachter Entwurf kann dadurch zur Annahme gebracht werden, daß aa) einzelne Punkte zur weitern Verhandlung ausgesezt; oder daß bb) von der Mehrzahl einstweilige4 Modifikationen nachgegeben werden. 3) Nur die Frage: ob eine organische Einrichtung zu treffen sey, nur die Bestimmung ihres Zweks und ihre wesentliche Beschaffenheit bedarf zu ihrer legislatorischen Beantwortung der Einhelligkeit; während die Anwendung der festgesezten Grundzüge oder die Ausführung der Sache durch bloße Stimmenmehrheit regulirt werden kann. 4) Die Mehrheit kann diejenigen Gesetze und Einrichtungen, für welche sie sich durch Annahme des Beschluß-Entwurfs im Pleno erklärt hat, und welche dadurch, daß einzelne Bundesstaaten sich davon ausschließen, weder unausführbar, noch auch wesentlich gestört werden, befolgen, ohne daran durch den Widerspruch der Minderzahl gehindert oder genöthigt zu werden, den Beitritt der Minderzahl zu erzwingen. 5)  Wenn aber die Mehrheit organische Einrichtungen beschloßen hat, ­welche von der Beschaffenheit sind, daß sich einzelne Mitglieder, ohne den Vortheil aller übrigen nicht davon ausschließen können, so kann die Minderzahl auf geschehene Aufforderung von Seiten der Mehrheit, die verhältnißmäßige Theilnahme und Mitwirkung nicht verweigern, ohne aufzuhören, ein Mitglied des Bundes zu seyn. 6)  Wenn vorher der Versuch gemacht und verfehlt wurde, sich einhellig über Grundgesetze und organische Einrichtungen zu vereinigen, und diese doch zur Erfüllung des Bundeszweks für nothwendig gehalten werden: so können dieselben durch Stimmenmehrheit provisorisch dennoch beschloßen und solange festgehalten werden, bis man sich über definitive Einrichtungen vereinigt haben wird. 7) Dagegen sollen schon bestehende Grundgesetze und organische Einrichtungen durch Stimmenmehrheit nicht abgeändert, also weder eingeschränkt, noch ausgedehnt oder auch nur davon abgewichen werden. 8) Wo es sich von neuen organischen Einrichtungen handelt, da soll die definitive Entscheidung durch eine, auf 2/3 der Stimmen beruhende, Mehrheit gefaßt werden können. 4 Doppelt unterstrichen.

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III. In Beziehung auf die Jura singulorum soll festgesetzt werden: 1) In allen Rechten und Befugnißen, welche den Staaten außer ihrem Verhältniße zum Bunde aus andern, nicht mit ihren Bundespflichten im Widerspruche stehenden, Beziehungen zustehen, werden dieselben nur als Einzelne betrachtet und können also jura singulorum ansprechen. 2) Als Mitglieder des Bundes haben alle deutsche Staaten, nach dem bestimmten Verhältniße, gleichmäßige Lasten und Beiträge zur Erhaltung des Bundes und Sicherstellung seiner Zweke zu entrichten; es sey denn, daß eine Unverhältnißmäßigkeit in Beziehung auf Einzelne von diesen nachgewiesen werden könne. 3) Wenn aber von den einzelnen Mitgliedern des Bundes, als solchen, etwas Anders oder Besonders, als von allen übrigen Bundesstaaten, zum Wohle des Ganzen, verlangt wird: so kann der Einzelne, einer solchen, durch Stimmenmehrheit beschloßenen, Forderung solange das Recht des Einzelnen entgegensetzen, bis er für den ihm daraus zugehenden Vortheil schadlos gehalten worden seyn wird. Die Commißion gibt anheim, über ihr Gutachten Instruction einzuhohlen, solches aber einstweilen und bis zur definitiven Entschließung, und unter Vorbehalt der, nach eingegangenen Instructionen, oder etwa sonst zu beschließenden Abänderungen oder Zusätzen, in etwa vorkommenden Fällen als Provisorium zur Anwendung zu bringen. Die Einhohlung der Instruction kann keinem Anstande unterworfen seyn; was aber die Anerkennung der verschiedenen, in dem Gutachten der Commißion enthaltenen, Anträge in der Art betrifft, daß dieselben einstweilen auf etwa vorkommende Fälle angewendet und diese darnach entschieden werden sollen: so halte ich mich dazu, so sehr ich auch von der Absicht meines höchsten Hofs, die Tendenz jenes Gutachtens Seiner Seits zu unterstützen, überzeugt bin, nicht für befugt, jene Anträge provisorisch in einer größern Ausdehnung anzunehmen, als sie in einer doctrinellen Interpretation der Bundes Akte gegründet werden können. Wo sie diese Grenze überschreiten, kann ich ihnen so lange ich keine Instruction erhalten habe, die mich zu anderem anweist, aus den nemlichen Gründen, welche die Commißion selber aufgestellt und entwikelt hat, nicht folgen. Ich werde, indem ich die einzelnen Anträge, wie ich sie als Gegenstände der heutigen Abstimmung aufgefaßt habe, Gelegenheit finden, diese Gründe nachzuweisen und für meine individuelle Ansicht in Anspruch nehmen. Erste Frage: Soll der Begriff anerkannt werden, welchen die Commißion von Grundgesetzen im engern Sinne gegeben hat?

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Ich nehme keinen Anstand, mich für die provisorische Anerkennung dieses Begriffs zu erklären, wornach diejenigen vertragsmäßigen Bestimmungen, welche die Errichtung des Bundes, der Verein seiner Glieder, die Festsetzung seines Zweks, sowie die der Rechte der Gesammtheit, der Theilnahme der einzelnen Bundesglieder an deren Ausübung, der Verpflichtungen derselben gegen den Bund, und der Verbindlichkeiten des Bundes gegen sie, endlich des Rechts, die Bundesangelegenheiten zu besorgen, betreffen, als Grundgesetze im engern Sinne zu betrachten seyn sollen. Zweite Frage: Soll der Begriff anerkannt werden, welchen die Commißion von den organischen Bundeseinrichtungen gegeben hat? Ich nehme ebensowenig Anstand, mich für die provisorische Anerkennung dieses Begriffs zu erklären, wornach unter organischen Einrichtungen diejenigen zu verstehen sind, welche, um die Grundgesetze in Ausübung zu bringen d. h. zur Erreichung des Bundeszweks, zur Ausübung der Bundesrechte und zur Besorgung der Bundesangelegenheiten nothwendig getroffen werden müßen. Wenn aber die Commißion ferner sagt, daß die Beschlüße, welche der Bund zu diesem Ende als beständige, allgemeine Normen festsezt, mit Recht den Grundgesetzen beigezählt werden könnten: so theile ich diese Ansicht nicht, weil es mir unzuläßig scheint, die Vorschrift deßen, was Grundgesetz seyn soll, der Vorschrift der Mittel, vermöge deren das Grundgesetz vollzogen werden soll, ihrem Werth nach, gleich zu setzen, indem sich jene Vorschrift zu dieser wie Grundgesetz zu Gesetz oder wie Gesetz zu Verordnung zu verhalten scheint, welche leztere zu ihrer Entstehung überall weniger Förmlichkeit voraussezen, als diese zu der ihrigen. Ich glaube daher, daß organische Einrichtungen d. h. solche, welche vorschreiben, wie und wodurch ein Grundgesetz zur Vollziehung gebracht werden soll, den Gesetzen beizuzählen seyn möchten, welche nicht Grundgesetze sind, während Bestimmungen, wie und wodurch Gesetze, welche nicht Grundgesetze sind, zum Vollzug zu bringen sind, bloßen Verordnungen gleich zu halten wären. Dritte Frage: Soll der Begriff anerkannt werden, welchen die Commißion von dem jure singulorum gegeben hat? Auch hier nehme ich keinen Anstand, mich für die provisorische Anerkennung dieses Begriffs zu erklären, wornach nur diejenigen sich auf das Recht des Einzelnen mit rechtlicher Wirkung berufen dürfen, welche entweder außer ihrem Verhältniße zum Bunde und aus besonderen, nicht mit ihren Bundespflichten im Widerspruch stehenden, Verhältnißen, Befugniße haben, oder

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welche, als Mitglieder des Bundes, etwas Besonderes und Anderes, als alle übrigen Bundesglieder, zum Wohle des Ganzen leisten sollen. Vierte Frage: Soll auch künftig zur Annahme, authentischer Erklärung oder Abänderung von Grundgesetzen die Einhelligkeit5 der Stimmen gefordert werden? Auch hier kann ich zwar kein Bedenken tragen, für die Bejahung der Frage mich zu erklären, muß jedoch gleich hier vorläufig bemerken, wie es mir zur gleichmäßigen Behandlung der Geschäfte ganz unerläßlich scheint, für den (No II. 3 unterlegten) Fall, daß die Beschlußnahme über die Frage: ob ein Grundgesetz gemacht werden solle? nach andern Formen herbeigeführt werden sollte, als die Beschlußnahme über die Frage: wie ein solches Grundgesetz zur Ausführung und Anwendung gebracht werden könne? eine genauere Bestimmung deßen, was in die Frage ob aufgenommen werden dürfe, hinzuzufügen. Es bedarf nemlich nur eines flüchtigen Nachdenkens, um gewahr zu werden, daß man, wenn es erlaubt bliebe, in die Frage: ob? auch irgend etwas vom: Wie? aufzunehmen, nach Willkühr zur Bestimmung des Wie bald Einhelligkeit, bald einfache Stimmenmehrheit fordern könne − eine Willkühr, welche die wesentlichsten Nachtheile für die Verhältniße der Einzelnen im Bunde nach sich ziehen könnte. Fünfte Frage: Sollen solche Gesetze, welche nicht Grundgesetze sind, durch die gesetz­ liche Mehrheit der Stimmen entschieden werden können? Die Bejahung dieser Frage scheint mir schon in der Bundesakte zu liegen, man mag nun unter den gemeinnützigen Anordnungen sonstiger Art im ­Gegensatze von organischen Bundeseinrichtungen, wovon der 6te Artikel derselben spricht, auch solche Gesetze verstehen oder nicht. In jenem Falle geben 2/3 der Stimmen im Pleno; in diesem Falle gibt die absolute Stimmenmehrheit in der engern Versammlung die Entscheidung; welcher Fall aber künftig als der gesetzliche angenommen werden soll, ist Gegenstand einer authentischen Erklärung der Bundes Akte, kann also nach meiner Ueberzeugung provisorisch umsoweniger bestimmt werden, als die Commißion selbst, auch für die Zukunft, mit vollem Rechte den Grundsatz aufgestellt hat, daß schon bestehende Grundgesetze und organische Einrichtungen nicht abgeändert, also weder eingeschränkt noch ausgedehnt, oder auch nur davon abgewichen werde; eine provisorische Annahme neuer Grundgesetze (also auch eine authentische Erklärung bestehender) nur dann 5 Doppelt unterstrichen.

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erfolgen könne, wenn ein Versuch der Vereinigung gemacht, dieser aber fehlgeschlagen sey. Sechste Frage: Sollen solche Einrichtungen, welche die Erfüllung, Anwendung, Vollziehung und practische Entwikelung eines Gesetzes, welches kein Grundgesetz ist, durch bloße Stimmenmehrheit beschloßen werden können? Die Bejahung dieser Frage scheint mir schon in der Beantwortung der vorigen Frage begründet zu seyn. Siebente Frage: Sollen dagegen organische Bundeseinrichtungen auch künftig nur durch die Einhelligkeit der Stimmen beschloßen und eingeführt werden können? Die Commißion bejaht diese Frage, obwohl sie weder den Wunsch, daß die, diese Antwort bedingenden, Vorschriften der Bundesakte einhellig aufgehoben oder modifizirt werden möchten, noch auch der Widerspruch verkürzet6 werden sollen, mit den Mitteln dieser Forderung zu genügen, gebracht wird. Ich kann in der Ueberzeugung, daß, wenn man den Zwek gewollt hat, man nothwendig auch die Mittel dazu gewollt haben müße, unmöglich der Meinung seyn, daß diese Vorschrift, welche, weit davon entfernt, daß sie jemals in Anwendung gekommen wäre, vielmehr schon einmal, nemlich bei Ge­ legenheit der Corpseintheilung gegen die Heßischen Häuser7 als unzuläßig, oder doch unausführbar anerkannt8 wurde, für die Zukunft gleichsam er­ neuert werden sollte und könnte. Es ist in der That nicht zu verkennen, daß hier zwei Gesetzesstellen in ­solchen Conflict gerathen, daß, wenn die eine gültig bleibt, die andere ganz unausführbar werden kann, und in den wichtigsten Fällen wahrscheinlich ­unausführbar werden wird. Dieser Conflict muß, wie jeder Conflict in der ­Gesetzgebung aufgehoben werden. Dazu gibt es nur ein Mittel und dieses besteht darin, die Anwendung des wichtigeren Gesetzes dadurch zu sichern, daß man das störende unwichtigere Gesetz als nicht gegeben betrachtet. Nach dieser Maxime dürfte jeder Richter handeln, und nicht etwa blos die Bundesversammlung, sondern der Bund hat, wie schon erwähnt, bereits so gehandelt, 6 Dazu am linken Rand folgende Bleistiftmarginalie: verbürgt? 7 Durch Mehrheitsbeschluß vom 11. März 1819 waren gegen das Votum der beiden hessischen Häuser die hessen-darmstädtischen Kontingente dem 8. Armeekorps und die kurhessischen Kontingente dem 9. Armeekorps der Bundesarmee zugewiesen worden (vgl. ProtDBV 1819, 9. Sitzung vom 11. März 1819, § 31, S. 110 f.). Kurhessen und Hessen-Darmstadt stellten daraufhin den Antrag auf genaue Bestimmung, wann Stimmenmehrheit in der Bundesversammlung entscheide (vgl. Dok. 84). 8 Doppelt unterstrichen.

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als er die Heßischen Häuser bei einer offenbar organischen Einrichtung in e­ inem, ihnen hochwichtigen Punkte, der Stimmenmehrheit unterwarf. Das Gesetz, daß keine organische Bundeseinrichtung anders, als durch Einhelligkeit der Stimmen, beschloßen werden könne, scheint mir daher, wenigstens für den Fall, wo es sich von der Ausführung eines schon gegebenen Gesetzes, eines deutlich schon ausgesprochenen Zweks, handelt, bereits aufgehoben, da gegen jenen, die Heßischen Häuser in der Corpseintheilung trennenden Beschluß des Bundes, von keiner Seite eine Verwahrung zu Protokoll gegeben wurde, die früher von einigen Stimmen dagegen erhobenen Zweifel daher aufgegeben worden zu seyn scheinen. Es scheint mir daher umso bedenklicher, in dem bezeichneten Falle, wo der Innhalt eines Gesetzes, also ein Bundeszwek schon ausgesprochen ist, die organischen Bundeseinrichtungen, nach dem Antrage der Commißion, durch eine, auf 2/3 der Stimmen im Pleno beruhende, Mehrheit, provisorisch auch jezt schon als gültig beschloßene zu betrachten; zugleich aber den Antrag, diese Methode auch auf alle künftigen Fälle auszudehnen, damit zu verbinden. Achte Frage: Soll nicht, wenn auch ausgemacht ist, daß die Art, wie eine organische Einrichtung getroffen werden soll, durch Stimmenmehrheit bestimmt werden kann, die Beantwortung der Frage: ob eine organische Einrichtung zu treffen sey, an die Einhelligkeit gebunden werden? Wenn unter einer organischen Einrichtung, wie in dem Gutachten durchgängig angenommen wurde, nur eine solche verstanden wird, welche, um die Grundgesetze in Ausübung zu bringen d. h. für Erreichung des Bundeszweks, zur Ausübung der Bundesrechte, und zur Besorgung der Bundesangelegenheiten, nothwendig getroffen werden müßen, so erscheint die Frage: ob eine organische Bundeseinrichtung überhaupt getroffen werden soll? überall als überflüßig, weil jede organische Einrichtung ein Grundgesetz schon voraussezt9, die Art und Weise aber, wie die Frage: ob ein Grundgesetz gemacht werden soll? zu beantworten sey, schon oben in der 4ten Antwort bestimmt ist. Wenn ich aber schon dort, wo vom Grundgesetz die Rede war, jede Einmischung des „Wie’s“ in das „ob“ für verderblich erklärte: so muß ich diese Erklärung hier, wo von organischen Einrichtungen die Rede ist, noch dringender wiederhohlen. Entweder müßen Grundgesetze und organische Einrichtungen nach einerlei Form gemacht werden, sey es nun durch Einhelligkeit oder Mehrheit der Stimmen; oder es darf von dem „Wie“ auch nicht das Mindeste in das „ob“

9 Doppelt unterstrichen.

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aufgenommen werden, wenn nicht der Willkühr, dem Mißverständniße und der Uneinigkeit freie Bahn geschaffen werden soll. Die Commißion glaubt zwar, daß bei einer, in der Bundes Akte noch nicht entschiedenen, Frage: ob eine Bundeseinrichtung zu treffen sey, neben der Bestimmung des Zweks der Einrichtung, zugleich auch ihre wesentliche Beschaffenheit mit bestimmt werden könne: allein die Bestimmung des Zweks gehört, nach den, von ihr aufgestellten Begriffen, dem Grundgesetze zu, das eben durch die organische Einrichtung realisirt werden soll; die wesentliche Beschaffenheit einer organischen Einrichtung aber besteht, eben weil sie organisch ist, in ihrer Totalität: denn es gibt in einem Organismus nichts unwesentliches, und wenn es auch verschiedene Organe gibt, denen10 wir höhere oder niedere Functionen zuschreiben, so sind diese dem Ganzen dennoch ebenso wesentlich und nothwendig, als jene. Was an einem Organismus als unwesentlich erscheint − das Spiel der Natur − das bleibe auch im Bundesorganismus gesetzlich unbestimmt und falle der Entscheidung der Einzelnen anheim; was aber, um des Ganzen willen, gesetzlich bestimmt werden muß, das werde auch als wesentlich und, für die Form der Behandlung, als gleich wichtig betrachtet. Werde nun eine organische Einrichtung durch Einhelligkeit oder durch Mehrheit der Stimmen herstellbar gemacht − so werde der Vorschlag dazu doch immer auf gleiche Weise angenommen oder verworfen. Daß übrigens die Entwürfe solcher Beschlüße, welche, sey es durch Einhelligkeit oder durch zwei drittheile der Stimmen, nur im Pleno gültig gefaßt werden können, zur Vorlage an daßelbe nur der gesetzlichen Mehrheit in der engern Versammlung bedürfen, und daß auch bei der Abstimmung im Pleno einzelne Punkte zur weitern Verhandlung ausgesezt, oder, mit einstweiliger Nachgiebigkeit, von der Mehrzahl modifizirt werden könne, scheint sich von selbst zu verstehen. Neunte Frage: Wenn die Mehrheit diejenigen Gesetze und Einrichtungen, für welche sie sich durch Annahme des Entwurfs eines Beschlußes im Pleno erklärt hat, und welche dadurch, daß einzelne Bundesstaaten sich davon ausschließen, weder unausführbar, noch wesentlich gestört werden, treffen und befolgen, ohne ­davon durch den Widerspruch der Minderzahl gehindert oder genöthigt zu werden, den Beitritt der Minderzahl zu erzwingen? Die Bejahung dieser Frage liegt schon in dem Rechte der Verträge, welches die Einzel-Staaten in allen, nicht gegen den Bund gerichteten, Beziehungen frei ausüben dürfen; und es wird selbst dann, wenn die Mehrheit gesetz10 Emendiert. Vorlage: dem.

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lich entscheiden könnte, möglich, vielleicht sogar räthlich seyn, Einzelne aus der Minderzahl oder die ganze Minderzahl von der Befolgung des Beschlu­ ßes freiwillig loszusagen. Zehnte Frage: Wenn aber die Mehrheit organische Einrichtungen, welche von der Beschaffenheit sind, daß sich einzelne Mitglieder des Bunds, ohne den Nach­ theil aller übrigen, nicht davon ausschließen können, beschloßen hat, kann in diesem Falle die Minderzahl auf geschehene Aufforderung von Seiten der Mehrzahl, die verhältnißmäßige Theilnahme und Mitwirkung verweigern, ohne aufzuhören, Mitglieder des Bunds zu seyn? Die Frage hat die Commißion verneinen, und damit also behaupten zu können geglaubt, daß eine gewiße Anzahl von Bundesgliedern durch eine Mehrzahl, die ihre Ueberzeugung auf dem gesetzlich erlaubten Wege geltend macht, genöthigt werden dürfe, entweder ihre Ueberzeugung und das Recht, sie geltend zu machen, aufzugeben, oder aus dem Bunde zu treten. Der Bund kann nur solange bestehen, als er auf der Idee des Rechts beruht; in dem Augenblike, wo diese verlezt werden kann, ist der Bund nicht mehr ein Mittel des Schutzes, sondern bloßer Dekmantel jeder Intrigue. Auf diesem Wege würde an die Stelle eines allerdings störenden Gesetzes, das aber, wie oben ausgeführt wurde, nicht einmal mehr zu existiren scheint, die Möglichkeit einer Bundesmaßregel gesezt, die, nach jedesmaliger Convenienz, entweder ergriffen werden könnte oder auch nicht. Gesezt, die mächtigsten Bundesglieder befinden sich in der Minorität, würde die Majorität der Mindermächtigen sie nöthigen können, ja nur nöthigen wollen können, aus dem Bunde zu scheiden, oder ihre Ueberzeugung aufzugeben? Wenn aber die mächtigsten Bundesglieder in einer Minorität sind, welche durch einen jedesmal gültigen Beschluß abgestimmt wird, so nöthigen sie sich selber, dem Gesetze zu folgen, das unter die Garantie ihrer eignen Ehre und unter die der öffentlichen Meinung gestellt ist. Eilfte Frage: Wenn vorher der Versuch gemacht und verfehlt wurde, sich über Grundgesetze oder organische Einrichtungen einhellig (gesetzlich) zu vereinigen, und diese doch zur Erfüllung des Bundeszweks für nothwendig gehalten werden, können dann diese Gesetze durch Stimmenmehrheit provisorisch dennoch und dergestalt beschloßen werden, daß sie solange, bis man sich über definitive Bestimmungen vereinigt haben wird, gelten? Auf diese, von der Commißion bejahte Frage, muß ich, aus den, bei der 10ten Antwort angeführten Gründen, schlechthin verneinen: denn wer will

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Bundesbeschluß über die nähere Bestimmung des Artikels 7

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entscheiden, was zur Realisirung des Bundeszweks nothwendig sey, wenn nicht die gesetzliche Zahl von Bundesgliedern die Entscheidung geben darf? Zwölfte Frage: Soll, wo es sich von neuen organischen Einrichtungen handelt, die definitive Entscheidung durch eine, auf 2/3 der Stimmen beruhende, Mehrheit, gefaßt werden können? Ich halte diesen Punct, aus den, in der Antwort auf die 7te Frage, angeführten Gründen bereits practisch und zwar affirmativ insoweit für entschieden, als dazu keine Einhelligkeit der Stimmen mehr erfordert wird. Aus dem, von der Commißion aufgestellten, richtigen Grundsatze, daß schon bestehende Grundgesetze und organische Einrichtungen durch eine andere Zahl von Stimmen, als die, welche zu ihrer Herstellung nöthig war, weder eingeschränkt, noch ausgedehnt, noch auf irgend eine Art davon abgewichen werde, geht hervor, daß auch eine provisorische Abänderung in anderer, als der gesetzlichen Weise, undenkbar ist. Indem ich daher über die, von irgend einer Seite beschrittenen Puncte auf Instructionseinhohlung antrage, bemerke ich zugleich, daß eine von der Commißion selber aufgeworfene, sehr wichtige Frage, nemlich die: Wie diejenigen Irrungen, welche unerachtet der genauern Begriffsbestimmungen von Grundgesetzen, organischen Einrichtungen, und Rechten der Einzelnen, dennoch entstehen dürften, zum Wohle des Ganzen geschlichtet und im Fall einer Nichtvereinigung rechtlich entschieden werden könnten? von der Commißion nicht beantwortet worden sey. v. W.[angenheim]

99. Bundesbeschluß über die nähere Bestimmung des Artikels 7 der Deutschen Bundesakte und die provisorische Anwendung des Mehrheitsprinzips bei Abstimmungen über organische Einrichtungen in der Bundesversammlung

ProtDBV 1819, 27. Sitzung vom 29. Juli 1819, § 155, S. 476–477. Bundesbeschluß. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 8, S. 175 f.; CJCG, Bd. 2, S. 83.

Einholung von Instruktionen über die im Kommissionsgutachten gemachten Anträge und Vorschläge zur näheren Bestimmung, Erläuterung und Ergänzung der Artikel 6 und 7 der Deutschen Bundesakte bis zur Wiedereröffnung der Bundestagsverhandlun-

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gen. Bis dahin soll bei organischen Einrichtungen nach den im Kommissionsgutachten in Antrag gebrachten Bestimmungen verfahren werden.

Frankfurt am Main, 29. Juli 1819 Es wurde durch Mehrheit beschlossen: 1) daß die in dem hier erstatteten Commissions-Gutachten1 zur nähern ­Bestimmung, Erläuterung und Ergänzung der Art. 6 und 7 der Bundesacte2 gemachten Anträge und Vorschläge den höchsten Höfen und Regierungen vorzulegen wären, um mit Ihren Instructionen über deren Annahme, wie auch über die etwa sonst noch gewünschten Abänderungen oder Zusätze, bei der Wiedereröffnung der Sitzungen zur Beschlußnahme versehen zu seyn; 2) daß jedoch inzwischen, in etwa vorkommenden nöthigen Fällen, bei ­organischen Einrichtungen die Bundesversammlung nach Anleitung der in Antrag gebrachten Bestimmungen zu verfahren, und solche bis dahin nach doctrineller Auslegung und der bisherigen Uebung zur erforderlichen Aus­ hülfe in Anwendung zu bringen habe.

1 Vgl. Dok. 97. 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1510 f.

4. Aufgaben und Kompetenzen der Deutschen Bundesversammlung

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100. Erster Vortrag des österreichischen Präsidialgesandten Buol

ProtDBV 1816, 2. Sitzung vom 11. November 1816, § 7, S. 36–42. Vortrag. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 1, 1817, S. 47−57.

Der Deutsche Bund ist von den Fürsten in Ahnung der Wünsche der Nation geschlossen worden. Aufgabe des Bundestages ist es, das Gebäude des nationalen Bundes auf der Grundlage der Deutschen Bundesakte zu vollenden. Pflicht des Präsidialgesandten, den Geschäftsumfang des Bundestags zu umreißen, die Interessen der Nation ­anzudeuten und die demnächst in Beratung zu ziehenden Hauptgeschäfte und die ­angemessene Form ihrer Behandlung zu skizzieren. Drei Grundsätze sollen den Beratungen zugrunde liegen: I. Der Deutsche Bund ist seinem Charakter nach ein Staatenbund mit einem sämtliche souveränen Mitgliedsstaaten umfassenden Nationalband. II. Neben der organischen Entwicklung des Bundes sind die Angelegenheiten einiger Bevökerungsgruppen zu regeln, die von den Umbrüchen der jüngsten Zeit besonders berührt worden sind. III. Der Bundestag kann nichts ausschließen, was sich im Laufe der Zeit zur Beratung eignen wird. Aus diesen Grundsätzen ergeben sich folgende Materien: Ad I. Verabschiedung einer Bundestagsordnung und beständigen Stimmenordnung (Art. 8); Abfassung der Grundgesetze und organischen Einrichtungen des Bundes in Rücksicht auf die auswärtigen, militärischen und inneren Verhältnisse (Art. 10); Anordnungen, die sich aus der nationalen Richtung des Bundes ergeben: eine landständische Verfassung in den Bundesstaaten (Art. 13), eine wohlgeordnete Justizpflege in den kleineren Bundesstaaten (Art. 12); wohltätige Bestimmungen für alle Deutsche und Begründung eines deutschen Bürgerrechts (Art. 18), Regelung der bürgerlichen Verhältnisse der christlichen Konfessionen und der Bekenner jüdischen Glaubens (Art. 16), Anordnungen für Handel, Verkehr und Schiffahrt (Art. 19). Ad II. Regulierung der Verhältnisse der ehemaligen Reichsstände (Art. 14) einschließlich der etwaigen Verleihung von Kuriatstimmen im Plenum des Bundestags (Art. 6); Pensions- und Schuldenwesen (Art. 15); Postwesen des Hauses Thurn und Taxis (Art. 17). Ad III. Hierüber werden die Erfordernisse der Zeit und die Bedürfnisse der Nation entscheiden. Unterbreitung von Vorschlägen, wie die Beratung einer solchen Masse von Geschäften einzuleiten sei: Vorberatung einzelner Materien durch Ausschüsse; Wahl einer Kommission zur Begutachtung der Reihenfolge der zu bearbeitenden Gegenstände; Ablehnung beständiger Ausschüsse für wichtige Geschäftsbereiche; erste Beratungsgegenstände.

Frankfurt am Main, 11. November 1816 Mit hohem, feyerlichem, heiligem Gefühle finde ich mich heute, nach bereits in voller Versammlung eröffnetem Bundestage, jetzt in dem Vereine deutscher Männer. Die Eröffnungsrede, welche ich nach ausdrücklichem Auftrage Sr. Majestät des Kaisers, meines Herrn, in voller Versammlung des deutschen Bundes abzulegen die Ehre hatte1, lieferte uns im Ueberblicke verstrichener hochwichtiger 25 Jahre das Bild der allmähligen Erschlaffung, und der end1 Vgl. Dok. 42.

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lich erfolgten Auflösung unsers deutschen National-Bandes. Die darin zugleich verwebte Skizze der Cultur-Geschichte der Deutschen, in Verbindung und im Gegenhalte mit dem politischen Schicksale der Nation, mußte jedes Gemüth mit tiefem Schmerz ergreifen. Nach bewirkter Auflösung des ersten und ältesten Reiches Europens war der Schmach noch nicht genug; nein, die Deutschen, die ihren Kaiserthron schon verloren hatten, sollten auch aus fremder, sie frevelnd höhnender Hand, ein neues Band erhalten. Doch nur zum Schein war diese Verheißung; das Resultat der Wirklichkeit ging nur auf Benutzung der Nationalkraft Deutschlands zu fremden Zwecken. So blieb denn auch die Schöpfung, deren Namen man aus der Geschichte möchte löschen können, und die ich im biedern Vereine deutscher Männer nur leise nenne – der Rheinbund – ein unvollständiges politisch-militärisches Machwerk. Ohne weitere Ausbildung, so wie entstanden, verschwand auch diese nie erfüllte Urkunde, die Rheinbunds-Akte2, durch freyen Entschluß aller deutschen Fürsten, als Grundlage einer öffent­ lichen Gesammt-Ordnung in Deutschland. Ich sage ausdrücklich, als Grundlage einer öffentlichen Gesammt-Ordnung in Deutschland; denn in ihren individuellen Folgen, so wie sich selbige in der Zeit und in so vielen öffentlichen Verhältnissen in der Vergangenheit wirksam zeigte, sind die Spuren derselben sichtbar und fühlbar, und gehören der Zeitgeschichte an. So also befand sich die Gesammtheit von Deutschland ohne alles öffent­ liche, urkundliche Recht; und ohne die den gemeinsamen Urstamm bezeugende und uns alle einigende Sprache hätte man versucht werden können, so viele unter sich fremde Völker in Deutschland zu finden, als Regierungen bestanden. Dem wahrhaft im innigsten schönsten Nationalverein bestandenen Kampfe, der dadurch bewirkten Erlöschung schwer auf Deutschland lastender ­National-Schmach, der Versöhnung so vieler für Deutschlands und dadurch für Europens Entjochung als Opfer gefallenen Brüder war es zur Krone vorbehalten, jenes Band auch wieder urkundlich zu stiften, worin wir alle unsere Rettung gefunden hatten. Deutschlands Fürsten schlossen in Ahnung des lauten National-Verlangens am 8. Juny 1815 jenen Bund, der Deutschland als ein Ganzes erkannte, und den schönen Namen – der deutsche Bund – erhielt. Ein neues urkund­liches Recht erschien als Grundlage dieses Bundes.3 Zugleich ward der 1. September 1815 als Tag der Eröffnung der Bundesversammlung bestimmt. Ein neuer Krieg und die vorgängig nothwendige Entwirrung so vieler tief eingreifender 2 Rheinbundakte vom 12. Juli 1806, abgedr. in Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, Nr. 2, S. 28−34. 3 Die Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815; vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1503–1518.

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und verschiedenartiger öffentlicher Verhältnisse veranlaßte den Verschub dieser Eröffnung bis jetzt. In dem gegenwärtigen hochwichtigen Augenblicke der ersten BerathungsVersammlung, nach des Bundestags feyerlicher Eröffnung, erlauben Sie mir nun, Hochansehnliche im deutschen Gemeingeiste hier versammelte Gesandtschaften, die Versicherung nieder zu legen, wie sehr ich den großen Umfang unseres Berufs erkenne, wie vollkommen ich zugleich die Schwere meiner Bestimmung als vorsitzende Gesandtschaft würdige. In dieser letzten Eigenschaft soll ich vor allem nach ausdrücklichem Auftrag Sr. Majestät des ­Kaisers, meines Herrn, die Erklärung abgeben: Seine Majestät geehrt und ­geschmeichelt durch das von Deutschlands souverainen Fürsten und freyen Städten Allerhöchst Dessen Hause bezeugte Vertrauen in Uebertragung des Bundestags-Vorsitzes, werden mit jener warmen Anhänglichkeit und Achtung für Deutschlands Regierungen und Deutschlands Volk, welche stets seit Jahrhunderten das Erbtheil Ihres Hauses war, auch dem neuen Berufe sich weihen. Der Deutschen Wohl und Glanz in heiliger Achtung der Bestimmungen der Bundesakte soll eben so in der Eigenschaft als des Bundestags vorsitzender deutscher Hof, wie in jener als Mitglied des Bundes, der Leitstern aller Handlungen Seiner Majestät seyn. Ganz Deutschland sieht jetzt mit gespannter Erwartung dem Geiste entgegen, der unsere Berathungen beleben wird; jeder Deutsche erwartet mit Zuversicht und Vertrauen, daß wir eingedenk unsers Berufs, das Gebäude des großen National-Bundes vollenden werden, wozu uns die Bundesakte vom 8. Juny 1815 zur Grundlage dienen soll. Ich halte es daher heute als vorsitzende Gesandtschaft für meine Pflicht, den Umfang unserer Geschäftsbestimmung, das ganze Gebieth unserer dermahligen Wirksamkeit, gleichsam als ersten Anfang der Geschäftsthätigkeit des Bundestags zu umfassen, die hohen und wahren Interessen der Nation anzudeuten, und demnächst sodann die in Berathung zu ziehenden Hauptgeschäfte, so wie die etwa angemessen scheinende Form für deren Behandlung, denen Hochgeehrtesten Gesandtschaften zur Erwägung vorzulegen. Gegenseitiges Vertrauen und Freymüthigkeit und übrigens wahrhaft deutscher Sinn beseele unsere Versammlung, und alsdann wird das Resultat unserer Bemühungen eben so wenig zweifelhaft, als auch des gerechten Beyfalls der Nation gewiß seyn. Als Hauptanhalt, und gewissermaßen als leitende Norm unserer Berathungen, glaube ich vor allem drey Grundsätze vorausschicken zu müssen, nämlich: I. Der deutsche Bund ist weder ein Bundesstaat, noch ein bloßes Schutzund Trutz-Bündniß freyer Staaten; er ist ein Staaten-Bund. Ersteres im strengen Sinne des Worts zu begründen, daher auch daraus Folgerungen

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abzuleiten, widerstreitet eben so dem unaufhaltbar nach höhern Richtungen rollenden Laufe der Zeit, widerstreitet eben so dem gegenwärtigen Standpunkte der deutschen nationellen Verhältnisse, als man sich hingegen aber auch auf ein bloßes Schutz- und Trutz-Bündniß eben deswegen nicht beschränken konnte, weil das National-Bedürfniß – der einzig richtige Leitstern für Staaten-Verhältnisse – ein mehreres erheische.   So also entstand ein Staatenbund der Deutschen durch jene Urkunde, wobey eines Theils die Gleichheit der im deutschen Vereine verbrüderten deutschen Fürsten und freyen Städte, anderer Seits aber auch die sicht­ bare Richtung eines, sämmtliche souveraine Staaten wohlthätig um­ fassenden National-Bandes, als die zwey gleichfesten Grundstützen, den wahren Charakter des Bundes bezeichnen   Die Deutschen erscheinen als Staatenbund wieder in der Reihe der Mächte. II. Außer dem, was uns im Anhalte des so angegebenen Charakters des deutschen Bundes nach Anleitung der Urkunde selbst zu entwickeln ­obliegen wird, hat die Versammlung der deutschen Gesandten im Jahre 1815 aber auch für mehrere einzelne Klassen oder Personen im deutschen Vaterlande die Spuren und Folgen der Zerstörung vergangener Zeit so dringend erkannt, daß man auch in dieser Hinsicht die Sorge der Bundes-Versammlung ausdrücklich in Anspruch nahm. III. Die Zeit ist eben so die Lehrerin der Völker und Regierungen, als auch im Laufe derselben sich Bedürfnisse in den verschiedenartigsten Formen erzeugen. Der deutsche Bundestag kann also auch das nicht von seinen Berathungen ausschließen, was nach Eröffnung desselben im Strome der Zeit sich zu seiner Berücksichtigung eignen wird, wie es der Augenblick, wie es die Pflicht erheischt, in heiliger Beachtung der Grundfesten des Bundes. Nach diesen drey Directiv-Ansichten läßt sich unser ganzer Beruf umfassen. – Daher: Zu I. Aus dem oben angegebenen der Bundesakte entsprechendem Charakter des deutschen Bundes, ergeben sich zu unserer Berathung folgende Verhandlungen: 1) Diejenigen Anordnungen, worüber vor allem eine Vereinigung nothwendig ist, um als organischer Körper seine Bestimmung zu beginnen. Die in unsern Präliminar-Conferenzen4 wenigstens in Beziehung auf den Ge4 Zu den Präliminarkonferenzen, die vom 1. Oktober bis 4. November 1816 stattfanden, vgl. ProtDBV 1816, Registraturen über die 1.−7. Besprechung der Herren Bundestagsgesandten, S. 1−15 sowie Beilagen zu den Registraturen über die vertraulichen Besprechungen der Herren Bundestagsgesandten, Nr. 1−7, S. 1−15, sowie Dok. 37, 38, 40 und 41.

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schäftsgang bereits getroffenen vorläufigen Verabredungen5 werden als einstweilige Normen gelten, bis eine Bundestags-Ordnung darüber eine bleibende Anordnung gewähren wird. Gleichzeitig hiermit, oder – wie es mir angemessen und selbst dem wörtlichen Inhalte des Art. VIII6 entsprechend scheint – späterhin für sich allein, könnte der Art. VIII wegen Herstellung einer beständigen Stimmen-Ordnung in Berathung gezogen werden, da auch diese sich auf den äußern Organism des Bundestags bezieht. 2) Diejenigen Bestimmungen, welche sich nicht mehr auf den eben erwähnten äußern Organism des Bundestags beziehen, sondern das innere Gebäude des Bundes selbst betreffende, organische Grundbestimmungen ausmachen. Der Art. X7 der Bundesakte bezeichnet diese, als erste Geschäfte der Bundesversammlung; wodurch alsdann auch der Art. XI8 seine nothwendigen näheren Bestimmungen erhalten wird. Hierdurch wird bezweckt die vollkommene organische Gesetzgebung des deutschen Bundes in Hinsicht seiner auswärtigen, militärischen und inneren Verhältnisse. Dieser Zweig unserer Geschäfte wird einen vorzüglich wichtigen Gegenstand unserer Verhandlung ausmachen, und erfordert dringend eben so angemessene Vorbereitung, als reife und anhaltende Berathung. Diese Art. X und XI sind es, wodurch der deutsche Bund seine Hauptgrundlage erhalten soll; sie sind es, welche vorzüglich eben so das Wohl der Gesammtheit, als zugleich auch selbst unmittelbar jenes der einzelnen Deutschen bezwecken. Mit Vertrauen beschäftigen diese ausgehobenen Gegenstände die öffent­ liche Aufmerksamkeit in Deutschland. Unser Bestreben wird es seyn, gerechter Erwartung der öffentlichen Meinung zu huldigen, ihr zu entsprechen. 3) So wie diese zwey Richtungen alles dasjenige umfassen, was aus dem Begriffe eines von gleichen und souverainen deutschen Regierungen geschlossenen Vereins folgt; so wird nach den gleichzeitigen ausdrücklichen nationellen Richtungen des Bundes folgendes in Berathung zu ziehen seyn:   a) Die Bestimmung der Bundesakte, Art. XIII9 wegen Festsetzung einer landständischen Verfassung in den Bundesstaaten. Zwey Zielpunkte werden uns hierbey zur gleich sorgsamen Beachtung sichtbar bleiben ­ müssen; nämlich Festsetzung derjenigen Grundsätze, welche in dieser Hinsicht, als gleichförmig anzunehmen, zweckmäßig seyn möchte; und 5 Vgl. Dok. 65. 6 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511 f. (Artikel 8). 7 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512 (Artikel 10). 8 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512 (Artikel 11). 9 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513 (Artikel 13).

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­ eber­lassung aller derjenigen individuellen Bestimmungen, welzugleich U che nach örtlichen und Personal-Verhältnissen den einzelnen deutschen Bundes-Staaten zum wechselseitigen nie trennbaren Nutzen der Fürsten und Völker vorbehalten bleiben.   In Beobachtung dieser zwey Directiven werden wir das Wohl der deutschen Staaten befördern, und den Dank der Zeitgenossen, so wie der spätern Zukunft erndten.   b) Die dankbarst zu verehrende Vorsorge des Art. XII10 für die dem Deutschen heilige wohlgeordnete Justizpflege in kleineren deutschen Gebieten, legt uns die schöne Pflicht auf, die Vollziehung dieses Artikels in Berathung zu ziehen.   c) Der Art. XVIII der Bundesakte11 enthält die wohlthätigsten Bestimmungen für alle Deutsche, und begründet ein wahres deutsches Bürgerrecht. Dieser Artikel bewährt uns, wie ein wahrhaft nationeller Sinn die Gesandten und ihre Höfe beseelte, welche die Bundesakte unterzeichneten.   Es liegt hierin die Aufforderung eines Wetteifers für uns alle; und gewiß verdient dieser Gegenstand eine baldige reife Berathung. Hiermit könnte alsdann in Verbindung gesetzt werden der Art. XVI12 wegen der bürgerlichen Rechtsverhältnisse aller christlichen Confessionen und der Bekenner des jüdischen Glaubens.  d)13 So wie die Ausführung jener zwey Artikel der Bundesakte, des Art. XVIII und XVI die einzelnen Bewohner der verschiedenen souverainen deutschen Staaten in nationeller Hinsicht sich näher bringt, und gleichsam vereinigt; so bezweckt der Art. XIX14, die deutschen Bundesstaaten selbst, in Hinsicht des Handels und Verkehrs, so wie der Schiffahrt unter einander [nicht] zu entfremden. Auch diese Bestimmung führt uns zu wohlthätigen und gemeinnützigen Anordnungen, wodurch wir das Wohl der Gegenwart, so wie der spätern Zukunft für ganz Deutschland ­sichern ­können.   Dieses wären diejenigen Berathungspunkte, welche aus dem grundgesetzmäßigen Charakter des deutschen Bundes selbst abzuleiten sind, und in dieser Art die Bundesakte darbietet.   Ich wende mich nun zur Vorlage derjenigen Geschäfte, welche nach der zweyten Directiv-Ansicht zu unserer Verhandlung kommen werden. 10 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513 (Artikel 12). 11 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516 f. (Artikel 18). 12 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1515 f. (Artikel 16). 13 Emendiert. Vorlage: b). 14 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1517 (Artikel 19).

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Zu II. Wer möchte nicht gern so manche Epoche von den verflossenen 25 Jahren aus der Geschichte streichen können! Allein die Gegenwart im öffentlichen Staaten-Leben ist das reine Resultat der Vergangenheit; diese gestaltet jene, auch unabhängig oft vom freyen Willen der Menschen, der größten Staatsmänner. Ewig denkwürdig und von fortwährenden Folgen wird daher der ganze Zeitabschnitt vom Lüneviller bis zum neuesten Pariser Frieden15 für ganz Deutschland bleiben, wenn gleich dieser manches Uebel, so wie die ganze Schmach des Zwischenraums vertilgte. Die Bestimmungen des Lüneviller Friedens, der hierauf erfolgte Reichsdeputations-Schluß von 1803, selbst die Rheinbundsakte sind daher noch bleibend in manchen ihrer Folgen, deren gänzliche Beseitigung Europa nicht entwirret, sondern verwirret haben würde. Es gehört zum großen Loos der Menschheit, daß die Gegenwart auch schuldlos die Härte der Vergangenheit empfindet. Die deutschen Gesandten beym Wiener Congreß erkannten diese große Wahrheit, zugleich aber mit Gerechtigkeit und Milde, so wie es deutschen Regentensinnes würdig ist, hoben sie aus den öffentlichen Verhältnissen, so wie aus den Staatsurkunden jener Zeit dasjenige namentlich aus, worüber ihnen nach Eröffnung des Bundestags weitere Berathungen und Bestimmungen angemessen schienen. Hierzu gehören: 1) Der Art. XIV16 verfügt, daß wegen der im Jahre 1806 und seitdem mittelbar gewordenen ehemaligen Reichsstände und Reichsangehörigen nach den gegenwärtigen Verhältnissen ein gleichförmig bleibender Rechts­ zustand festgesetzt werden solle. Dieser Gegenstand verdient daher um so mehr eine reife Berathung, da hierbey heilige Rechte unglücklicher Opfer der vergangenen Zeit, und die begründeten öffentlichen Verhältnisse der souverainen Fürsten und Staaten zu berücksichtigen seyn werden. In Ver15 Nach der Schlacht bei Waterloo, die Napoleons „Herrschaft der hundert Tage“ beendete, schlossen die vier siegreichen europäischen Mächte Österreich, Rußland, Großbritannien und Preußen mit Frankreich den Zweiten Pariser Frieden vom 20. November 1815, der härter ausfiel als der Erste Pariser Friedensvertrag vom 30. Mai 1814. Frankreich wurde darin, von einigen Modifikationen abgesehen, auf die Grenzen von 1790 (ohne Saarlouis, Landau und Savoyen) zurückgeführt. Außerdem wurden ihm Kriegsreparationen in Höhe von 700 Millionen Francs auferlegt und einige französische Gebiete auf die Dauer von maximal 5 Jahren durch alliierte Truppen besetzt. Am selben Tag und Ort wurde von seiten der Alliierten zudem die Quadrupelallianz von Chaumont (1. März 1814) erneuert und zusammen mit Frankreich der Schweiz die Zusicherung ihrer ewigen Neutralität gegeben. Vgl. Taddey (Hrsg.), Lexikon der deutschen Geschichte, S. 918 f. 16 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513−1515 (Artikel 14).

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bindung hiermit steht zugleich die Berichtigung der im Art. VI der Bundesakte17 vorbehaltenen Anordnung wegen der den mediatisirten vormahligen Reichsständen etwa zu verleihenden Curiat-Stimmen im Pleno. Dieses alles wird sich sehr füglich in einer einigen pragmatischen Sanction zusammen fassen lassen; wobey wir eben so sehr die unbedingte Annäherung an die früheren Verhältnisse der Zeit, als aber auch die gleich verwerfliche, rücksichtslose Behandlung der Opfer jenes allgemeinen Zwangszustandes zu vermeiden haben werden. 2) Der Art. XV18 bestätigt ausdrücklich nochmahls die Bestimmungen des Reichsdeputations-Schlusses von 1803 in Hinsicht des Pensions- und vormaligen Gesammt-Schuldenwesens in Deutschland19; zugleich aber bezweckt er:   a) analoge Bestimmungen für die Mitglieder des deutschen Ordens in Beziehung auf die Güter und Commenden dieses Ordens;   b) eine Aenderung im seitherigen Sustentationswesen der überrheinischen Bischöfe und Geistlichen. 3) Der Art. XVII20 sichert das fürstliche Haus Thurn und Taxis in seinen begründeten Postverhältnissen.   So weit die Folge der zweyten Directiv-Ansicht. Hiermit glaube ich nun diejenigen Gegenstände unserer Berathung angegeben zu haben, welche die Bundesakte nach einer der erwähnten zwey Directiv-Ansichten der Bundesversammlung übergiebt. Ich wende mich nun zur dritten Klasse. Zu III. Der gleiche Geist, der uns alle beseelt, das Wohl und den Glanz des deutschen Bundes, so wie das individuelle Beste der Deutschen, immerhin nach Grundlage der Bundesakte, zu befördern, wird für uns insgesammt das Hauptgesetz unserer öffentlichen Bestimmung seyn. Mit Vergnügen erkläre ich mich daher zur Erfüllung der im Art. V21 der Oesterreichischen vorsitzenden Gesandtschaft auferlegten Pflicht bereit, die mir zukommenden Vorschläge der Berathung dieser erlauchten Versammlung zu übergeben; so wie ich auch zugleich beauftragt bin, ausdrücklich in diesem Vereine deutscher Männer feyerlich zu erklären, daß Seine Majestät der Kaiser eben so auch die, als gleiches Bundesglied, zu machenden Vorschläge der geneigten Aufnahme 17 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1510 f. (Artikel 6). 18 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1515 (Artikel 15). 19 Vgl. Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803, abgedr. in Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 1−28, insbes. S. 19−28 (§§ 47−89). 20 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516 (Artikel 17). 21 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1509 (Artikel 5).

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i­hrer verehrten Mitbundesstände im voraus empfehlen. Die Zeit bildet und gestaltet die Staaten und Staatenvereine; jene Form wird die beste seyn, welche nicht aus bloßen Abstractionen entnommen, sondern das Resultat des National-Bedürfnisses ist. Nie wollen wir diese Lehre der Geschichte für Völker und Regierungen verläugnen, und immerhin mit patriotischer Bereitwilligkeit die Vorschläge und Wünsche in Erwägung ziehen, welche im Laufe der Zeit über diesen oder jenen Gegenstand der öffentlichen Verhältnisse des deutschen Bundes uns zur Kenntniß kommen werden. Die Zeit, die Cultur der Menschheit kennt keinen absoluten Gränzpunkt; so wollen auch wir das Gebäude unseres deutschen Bundes für heilig, aber nie für geschlossen und ganz vollendet halten. Der Art. VI der Bundesakte erwähnt schon im Allgemeinen gemeinnützige Anordnungen als Geschäftsgegenstände der Plenar-Versamm­ lung. Mit wahrem patriotischen Sinne wollen wir die vereinzelte Anwendung dieser Aufgabe nach den Bedürfnissen und richtig erkannten Zeichen der Zeit zu machen uns bestreben. In dieser Kategorie der sich von Zeit zu Zeit ergebenden Geschäfte gehören endlich auch jene, welche sich auf das Interesse des deutschen Bundes beziehen, oder noch im Kreise seiner öffentlichen Bestimmung liegen, und so wie sie im Laufe der Zeit entstehen, auch ihre Erledigung finden müssen, z. B. spezielle Verhältnisse mit auswärtigen Mächten, u. s. w. Ich erneuere die Versicherung, daß die K. K. Oesterreichische vorsitzende Gesandtschaft jederzeit ohne Verzug die gehörigen Berathungen darüber veranlassen werde. Jetzt entsteht aber die zweyte wichtige Hauptfrage: Einleitung der Berathung. Wie diese Berathung über diese Masse der Geschäfte einzuleiten sey? Es sey mir erlaubt, auch in dieser Hinsicht meine Ansichten zur Erwägung mitzutheilen. Ich glaube in dieser Beziehung von den drey Voraussetzungen ausgehen zu müssen, daß nämlich vor allem die Festsetzung einer gewissen, den äußern Organism des Bundes betreffenden Ordnung, den Gegenstand unserer Vereinigung ausmachen müsse; daß ferner der Geschäfte selbst viele seyn werden, und daß es bey mehreren zur zweckmäßigen Verhandlung und Berichtigung angemessen seyn dürfte, selbige vorher einer Bearbeitung und Vorbereitung durch Ausschüsse zu übergeben, ehe die eigentliche Abstimmung im Rathe der 17 oder in der Plenarversammlung des deutschen Bundes erfolgt. Von diesen drey Voraussetzungen ausgegangen, habe ich die Ehre folgende Anträge zur Ueberlegung zu geben: 1) Obschon der äußere Organism des Bundestags durch die in unseren Präliminar-Conferen­zen getroffene vorläufige Verabredung einstweilen wenigstens rücksichtlich des Geschäftsganges im Wesentlichen geregelt

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ist; so wird jedoch eine Bundestags-Ordnung vor allem zur Bearbeitung zu empfehlen seyn. Ich wäre zwar nach mehreren getroffenen Vorarbeiten bald bereit, einen Entwurf darüber eben so zur Berathung zu übergeben, wie ich über den provisorisch beliebten Geschäftsgang meine Ansichten vorlegte; allein da die vorläufige Geschäfts-Ordnung mit den darüber Statt gehabten Verhandlungen den Herrn Gesandten ohne Zweifel genugsame Veranlassung giebt, ihre gutachtlichen Berichte über die Einrichtung der Bundestags-Ordnung bald zu erstatten, und die erforderlichen Instructionen einzuholen; so scheint es mir zweckmäßig, diesen Gegenstand zunächst in Berathung zu nehmen, wo dann, nach gegenseitig mitgetheilten Ansichten unserer Regierungen, die Abfassung eines Entwurfs leicht wird bewirkt werden können. Zum voraus bin ich ausdrücklich angewiesen, in Ansehung aller derjenigen Bestimmungen, welche zugleich wesentlich die Wirksamkeit und das Verhältniß der K. K. vorsitzenden Gesandtschaft betreffen, zu bezeugen, daß Se. Majestät der Kaiser auch in dieser Hinsicht immer vorziehen werden, den Wünschen und Verlangen der übrigen Bundesstaaten zu folgen, als nur im geringsten den Schein eines Anspruchs zu veranlassen. 2) Sodann habe ich die Ehre vorzuschlagen, daß wir   a) vor allem die in unsern Präliminar-Conferenzen bereits angeregten Geschäfte zur Berathung stellen; sodann   b) nach Anleitung der Bundesakte und mit etwa gefälliger Berücksichtigung der von mir versuchten dreyfachen Abtheilung sämmtlicher Stiftungsmäßig uns vorbehaltenen Angelegenheiten uns darüber besprechen und einigen, in welcher Folge selbige zur Bearbeitung zu nehmen und vorzubereiten seyn möchten. Ich trage in dieser Hinsicht darauf an, daß drey aus unserer Mitte beauftragt werden, hierüber sobald als möglich ­einen gutachtlichen Vortrag22 zu erstatten.   c) Die nach meiner Abtheilung in die dritte Reihe gesetzten Gegenstände, welche sich von Zeit zu Zeit ergeben, unterliegen keiner vorläufigen Bestimmung, sondern, so wie selbige vorkommen, wird die K. K. vorsitzende Gesandtschaft nach deren Dringlichkeit und getroffenen Verabredung des Geschäftsganges, selbige der Berathung übergeben.   Ich schmeichle mir23, daß wir auf diese Weise, in Würdigung meiner gutachtlichen Anträge zu a) und b) nächstens eben so sehr das ganze schöne Feld unserer Stiftungsmäßigen Bestimmung und Geschäfte zu übersehen vermögen werden; so wie wir alsdann auch nach der individuellen Dringlichkeit oder Vorbereitung die einzelne Berathung einleiten können. 22 Vgl. Dok. 114. 23 Emendation. Vorlage: wir.

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3) In Ansehung der auf diese Art in Vortrag zu bringenden Berathungsgegenstände dürfte es nun oft zweckmäßig seyn, nach gemachtem ersten Vortrage, die Angelegenheiten sodann vorher auf Ausschüsse zur nähern Bearbeitung und Vorbereitung zu übergeben, und erst demnächst über deren Bericht die Berathung und Abstimmung beym Bundestag zu eröffnen.   Es ließen sich in dieser Hinsicht beständige Ausschüsse aus der Mitte der Bundesstände wählen, und etwa nach den Hauptbeziehungen der Geschäfte in vier Klassen theilen, nämlich:   a) für die auswärtigen Angelegenheiten;   b) für das Militär-Wesen des Bundes, zur Bearbeitung der organischen Gesetze über die­sen Gegenstand;   c) für die Gesetzgebung, wohin auch alle gemeinnützigen Verfügungen im Innern und allgemeine Wohlfahrts-Anstalten gehören; endlich   d) zur Erhaltung der Bundesverfassung. Allein so zweckmäßig auch eine solche Anordnung bey großen StaatsVersammlungen seyn dürfte; so setzen jedoch Se. Majestät der Kaiser einen zu hohen Werth auf die zwey Grundeigenschaften des Bundes, nämlich die gleiche Vereinigung und gleiche Repräsentation, um auf solche beständige Ausschüsse anzutragen, welche zu leicht für die Gleichheit der Rechte sämmtlicher verehrten Bundesglieder gefährlich werden, oder doch scheinen könnten. Ich bin daher in Ansehung dieses Punktes angewiesen, den Vorschlag zu machen, daß man sich darauf beschränke, den Grundsatz der vorläufigen Verhandlung durch Ausschüsse dort, wo man es selbst angemessen finden wird, zwar anzunehmen, aber ohne weder solche theoretische Scheidelinien, noch deren Beständigkeit aufzustellen, sondern sich nur vorzubehalten, bey jedem einzelnen Falle mit Ueberweisung desselben an einen vorbereitenden Ausschuß, diesen auch zugleich selbst durch Stimmenmehrheit zur Vorbereitung festzusetzen. So scheint es Sr. Majestät dem Kaiser, meinem Herrn, der hohen Achtung für die Gesammtheit der Bundesmitglieder, unbeschadet einer zweckmäßigen Geschäftsbehandlung, zu entsprechen. Auf diese Art werden wir unbeschränkte Theilnahme aller Bundesstaaten an den Geschäften, mit einer zur Geschäftsbeförderung eben so unerläßlichen, als eben daher auch bey allen großen Versammlungen beliebten Form vereinigen. Mit dieser Erörterung, Vorlage und gutachtlichen Anträgen schließe ich nun diese erste Eröffnung, und habe die Ehre hiermit die Berathung zu beginnen: 1) In Ansehung der von mir unter I., II., und III. versuchten Vorlage des Umfangs unserer Bestimmung; so wie 2) über die von mir angegebene Art, wie wir etwa dermalen unsere öffent­ liche Wirksamkeit beginnen möchten;   und insonderheit

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3) über die Abfassung der Bundestags-Ordnung, welche ich nach Ablauf von acht Wochen der gemeinsamen Berathung zu unterziehen wünsche. Sollte aber vorgezogen werden, auch noch die Erfahrungen unsrer so eben begonnenen Geschäftsführung zu benutzen, so werde ich mir auch einen ­längern Zeitraum gefallen lassen.   Da übrigens hiemit 4) diese vorläufig entworfene Geschäfts-Ordnung in unmittelbarer Verbindung stehet; so schlage ich vor, in der nächsten Sitzung über den einst­ weiligen Gebrauch derselben einen Schluß zu fassen.   Hiernächst wird es 5) nothwendig seyn, über die Regulirung der Pensionen der überrheinischen Geistlichkeit einen ausführlichen gutachtlichen Vortrag zu veranlassen, und nach dessen Abstattung einen Termin zur Abstimmung zu verabreden.   Endlich trage ich 6) darauf an, eine der allernächsten Sitzungen zu vorläufigen vertraulichen Mittheilungen der Ansichten in Betreff der militärischen Verhältnisse des Bundes und der deshalb erforderlichen organischen Einrichtungen zu bestimmen, damit auch dieser Gegenstand, welcher als einer der ersten für unsere Bearbeitung bereits ausgezeichnet ist, zur gemeinsamen Berathung gehörig vorbereitet werde.

101. Bayerische Abstimmung über die Kompetenz des Bundestags bei eingereichten Vorstellungen und Eingaben

ProtDBV 1816, 5. Sitzung vom 21. November 1816, Beilage 4, S. 69–70. Abstimmung. Druckfassung.

Der Deutsche Bund ist weder ein Bundesstaat noch ein zusammengesetzter Staat, sondern ein Staatenbund. Die Entscheidung, über welche Gegenstände an den Bundestag rekurriert werden, in welcher Art daran teilgenommen und entschieden werden soll, gehört zu den organischen Einrichtungen des Bundes. Neben den Streitigkeiten der Bundesstaaten untereinander gehören dazu auch Privatstreitigkeiten, die auf die staatliche Ordnung ausstrahlen. Bis zum Erlaß näherer organischer Bestimmungen sollen alle Gegenstände ausgesetzt bleiben, deren Regelung nicht explizit in der Bundesakte ausgesprochen ist.

Frankfurt am Main, 14. November 1816 Gleich in der ersten Sitzung findet sich bereits eine Anzahl von 32, mehr oder minder wichtigen Vorstellungen und Klagen, bey dem Bundestage zur Entscheidung und Abhülfe übergeben. Seit zehn Jahren existirt kein Reichs­gericht mehr, und die anerkannten Souverainitätsrechte haben die Klagelust offenbar

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nicht gemindert. Wir können daher sehr bald einer großen Erndte solcher Klageschriften entgegensehen, und es dürfte doch vorher angemessen seyn, Grundsätze über die Competenz festzustellen, ehe man zu schwierigen, und am Ende vielleicht illusorischen Vorarbeiten schreiten möchte. Die Frage: „über welche Gegenstände an den Bundestag recurrirt werden, in welcher Art Theil genommen, oder gar entschieden werden soll?“ gehört offenbar zu den wichtigeren der Zeit, und sicher wird die Entscheidung derselben zu den organischen Einrichtungen des Bundes gezählt werden müssen. Die Eröffnungsrede1 und der erste Vortrag2 unseres hochverehrten präsidirenden Herrn Gesandten entwickelt ganz im Geiste der Bundesakte mit hoher Liberalität und Scharfsinn die Gründe, welche den deutschen Bund, nicht als Bundesstaat (wie es vielleicht beym Anfange des Wiener Congresses die Absicht gewesen seyn mochte), sondern als Staatenbund darstellen. Er ist also kein zusammengesetzter Staat3, sondern lediglich ein völkerrechtlicher Verein deutscher, unabhängiger Souveraine; der Zweck ist: innere und äussere Sicherheit. Jeder Souverain steht unter dem Schutz und der Garantie aller übrigen. Niemand darf, den Fall der Noth ausgenommen, sich Selbsthülfe erlauben; entstehen Streitigkeiten, so sollen sie auf eine recht­ liche, ihnen angemessene Weise beseitigt, ausgeglichen oder entschieden werden. Der § 11 der Bundesakte4 enthält schon deshalb einige organische Bestimmungen, und es fragt sich nun: „Welche Streitigkeiten gehören zur Bundesversammlung?“ 1) Der Art. 11 spricht nur von jenen der Bundesglieder unter einander, also eines Souverains gegen den andern; der Gegenstand sey civil- oder staatsrechtlicher Natur. Nur sollen die streitenden Theile als Staat, oder Regierung 1 Vgl. Dok. 42. 2 Vgl. Dok. 100. 3 Der Begriff „zusammengesetzter Staat“ wird von dem Göttinger Staatsrechtler Johann Stephan Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte. T. 1. Göttingen 1777, S. 30 f., verwendet zur Beschreibung des komplizierten Verfassungsgefüges des Alten Reichs, „das aus mehreren besonderen jedoch einer gemeinsamen höhern Gewalt noch untergeordneten Staaten bestehet“. Dieses Modell einer geteilten Staatlichkeit ist von der Frühneuzeitforschung in jüngerer Zeit wieder aufgegriffen und verfeinert worden: „System komplementärer Staatlichkeit“, „komplementärer Reichs-Staat“, „mixed monarchies“, „composite states“. Insbesondere Georg Schmidt versucht durch den in die Diskussion eingeführten Terminus „komplementärer Reichs-­ Staat“ deutlich zu machen, „daß das, was gemeinhin als einheitliche Staatsgewalt gedacht wird, im Reichs-Staat auf unterschiedliche Ebenen verteilt war“ und daß der „gesamtstaatliche Rahmen ein unverzichtbarer Bestandteil territorialer Staatlichkeit war und nicht − wie die ältere Forschung glaubte − deren selbständige Entwicklung blockierte“. Vgl. Schmidt, Geschichte des Alten Reiches, S. 40−44, Zitat S. 44, und ders., Das frühneuzeitliche Reich − komplementärer Staat und föderative Nation. 4 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512.

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Bayerische Abstimmung über die Kompetenz des Bundestags

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gegen einander stehen; in diesem Falle soll nun, zur Vermeidung eines Krieges, gütlicher oder rechtlicher Austrag Statt finden. Bekanntlich ist erst nach reifer Ueberlegung, bey den Wiener Conferenzen5 in dem Art. 11 das Wort Bundesgericht in jenes einer wohlgeordneten Austrägal-Instanz verändert worden. Dieser Ausdruck paßt offenbar mehr auf die Streitigkeiten der Souveraine unter sich; auch ward er erst dann gewählt, als man von der Idee eines Bundesstaates ab, und auf jene eines Staatenbundes übergegangen war. Hoffentlich wird es nicht schwer seyn, über die Art der Ausübung einer solchen Austrägal-Instanz (wenn der Zweifelsohne seltene Fall eintreten sollte), sich zu vereinbaren. 2) Streitigkeiten der Unterthanen gegen ihre Regenten sind in dem Art. 11 nicht begriffen. Schon bey der früheren Reichsverfassung gehörten die Klagen gegen den Fiskus, an die competenten Landesgerichte; die Richter sind in solchen Fällen aller Pflichten gegen den Souverain entlassen. Wer kennt nicht die denkwürdigen Sammlungen der Obertribunale von Celle und Kassel, die uns Struv6, Kannegiesser7 u. a. m. überlieferten, und wer bezweifelt nach neueren bekannt gewordenen Präjudicien, die Fortdauer solcher Grundsätze an den genannten, so wie ähnlichen Tribunalen zu Mannheim, Darmstadt, Tübingen? etc. Gleichwohl könnte es doch auch Fälle geben, wo solche Privatstreitigkeiten eine Staatssache würden; so könnte z. B. a) einem fremden Unterthan die Justitz, oder die Vollstreckung eines richterlichen Erkenntnisses, ohne Rücksicht auf die Intercession seines Hofes verweigert werden; b) Es könnten auch Streitigkeiten zwischen dem Regenten und seinen Unterthanen entstehen, durch deren Folgen die Erhaltung der innern Ruhe leicht gefährdet würde. In solchen Fällen scheint nun allerdings ein Einschreiten von Seiten des Bundes angemessen. Jedoch möchte, so viel möglich, nur im constitutionellen Wege und durch die competenten Gerichte vorerst die Erledigung empfohlen werden müssen. Wenn bey Streitigkeiten ganzer Körperschaften mit dem Regenten, ein Ausbruch thätlicher Unternehmungen, mithin Störung der öffentlichen Ruhe 5 Vgl. QGDB I/1, Dok. 249, S. 1486 f. 6 Gemeint ist wohl: David Georg Strube’s Rechtliche Bedenken. 5 Bde. Hannover 1761−1777 (Neuausgaben u. a. 1788 und 1827), eine Sammlung kurzer Ausarbeitungen zu praktischen Fragen des Privat-, Straf-, Verwaltungs- und Staatsrechts, die dem Autor, zuletzt als Leiter der Justizkanzlei in Hannover, in seiner richterlichen Tätigkeit begegnet waren (vgl. ADB, Bd. 36, S. 635−639), jedoch keine Sammlung von Urteilen des Oberappellationsgerichts Celle darstellt. 7 Vgl. Collectionis notabiliorum Decisionum Supremi Tribunalis appellariorum Hasso Cassellam inde ab eius constitutione emanatarum. Cura et revisione Praesidis huius iudicii Leonhardi Henrici Ludovici Georgi de Canngiesser. T. 1 und 2. Kassel 1768/71.

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eintreten sollte und keine gütliche Ausgleichung Statt fände; dann erst würde eine wirksame Theilnahme von Seiten des Bundes angemessen seyn. Ueber alles dieses ist jedoch in der Bundesakte noch nichts entschieden, folglich ein organisches Gesetz dieserhalb erforderlich. Kehre ich nach diesen Prämissen auf die 32 Gegenstände des Protocolli exhibitorum zurück, so finde ich darunter nicht eine einzige Klage eines Souverains gegen den andern, wohl aber mehrere von Unterthanen, über deren Zulässigkeit erst noch entschieden werden soll. Es scheint daher vor allem erforderlich, über unsere Competenz, in Beziehung auf die Gattung von Klagen der Privatpersonen und Unterthanen gegen die Souveraine, einer Verlaßnahme Statt zu geben, und durch einzuholende Instructionen die desfallsige organische nähere Bestimmung vorzubereiten. Hiernach wird es sich schon aus den Rubriken der 32 Vorstellungen (die bald zu mehreren hundert anwachsen dürften, wenn man sich damit gleich beschäftigen wollte), leicht ergeben, welche derselben alsbald zur Discussion geeignet sind. Die Pensionen der Deutschherren8, Stiftspräbendirten9 und analogisch jene der vormaligen Kammergerichts-Angehörigen10 sind, nach der Bundesakte11, gewiß dazu geeignet. Auch enthält der § 18 derselben12 deutlich einige liquide Rechte der Unterthanen, die nicht beeinträchtigt werden dürfen; in sofern hätte also eine Discussion Statt, als der Klagegegenstand liquid, d. h. in der Bundesakte selbst klar ausgedrückt ist, außerdem ist erst eine nähere organische Bestimmung abzuwarten. Schon früher, als von der Festsetzung der Verhältnisse des Bundestages zu der freyen Stadt Frankfurt, und insbesondere von dem Schutzrechte in Beziehung auf klagende Unterthanen die Rede war13, wurde es auf ein deshalb angebrachtes Monitum anerkannt, die diesfallsige nähere Bestimmung der Bundesordnung vorzubehalten. Um so mehr darf also die definitive Bestimmung unserer Competenz bey den vorbemerkten Klagegattungen nur unsern Committenten überlassen seyn; denn wir müssen auch nur den Schein einer incompetenten Gerichtsbarkeits-Ausübung eben so, wie den einer unbefugten Schutzertheilung vermeiden. – Mein Schlußantrag geht also dahin, ausser den zur Discussion durchaus liquiden Gegenständen, die übrigen alle bis zur näheren organischen Bestimmung unerörtert zu lassen. Freyherr von Gruben   8 Mitglieder des Deutschen Ordens.   9 Mitglieder der ehemaligen Dom- und freien Reichsstifte. 10 Mitglieder des Reichskammergerichts in Wetzlar. 11 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1515 (Art. 15). 12 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516 f. 13 Vgl. Dok. 37b, Abschnitt III, und Dok. 38b.

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Berg an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-Oldenburg

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102. Berg an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-Oldenburg

StA Oldenburg, Best. 31−AB, Nr. B 2. Bericht. Behändigte Ausfertigung.

Lobende Worte über den ersten Vortrag des österreichischen Präsidialgesandten in der Bundesversammlung. Wenn der Kaiser von Österreich als einen Hauptzweck des Bundes die Wiedervereinigung der deutschen Nation durch ein wohltätiges umfassendes Nationalband erkennt, berechtigt das zu höheren Erwartungen. Insbesondere die mindermächtigen deutschen Staaten können auf die Festigkeit und Dauer der gemeinsamen Verbindung hoffen. Schon die Bundesakte bringt zum Ausdruck, daß der Deutsche Bund kein bloßes Schutz- und Trutzbündnis ist. Ob der Bund ein Bundesstaat oder ein Staatenbund sei, ist eine metaphysische Frage, deren Beantwortung schwerlich große Früchte tragen wird. Wichtiger ist die Erklärung Österreichs, daß Deutschland als Gesamtheit wieder seine Stelle im europäischen Staatensystem einnehmen wird. Die Darstellung der Natur des Bundes, der Bestimmung der Bundesversammlung und ihrer Beratungsgegenstände verdient Beifall. Allerdings darf die Bestimmung der Bundesversammlung, ihre Aufmerksamkeit auf Gegenstände des gemeinsamen Wohls der deutschen Staaten zu richten, nicht zu unzulässiger Einmischung in die innere Landesverwaltung führen. Auch muß sich der Bundestag davor hüten, zu große Erwartungen in der Öffentlichkeit zu wecken. Die Anträge des Präsidialgesandten in Beziehung auf die unmittelbare Geschäftstätigkeit der Bundesversammlung sind ebenso zweckmäßig wie die drei genannten Gegenstände, die zunächst behandelt werden sollen (Bundestagsordnung, Sustentation der überrheinischen Geistlichkeit, Bundesmilitärverfassung). Der Bundestag muß jedoch frei sein, alle im Laufe der Zeit vorkommenden Geschäfte, die sich auf den Bundeszweck beziehen, vorzunehmen. Vordringlichkeit einer näheren Bestimmung der Reihenfolge der vorzunehmenden Geschäfte des Bundestags.

N. 97.



Frankfurt am Main, 18. November 1816

Durchlauchtigster Herzog, Gnädigster Herzog und Herr! Euer Herzoglichen Durchlaucht überreiche ich die Beilagen zum ersten Protokoll und das zweite Protokoll der Sitzungen der Bundesversammlungen unterthänigst. Dem Letzteren ist nun der erste Vortrag der vorsitzenden Gesandtschaft vollständig eingerückt1, wie solcher dem Grafen von Buol um ihn in der ersten Bundesversammlung abzulegen, von Wien aus zugeschickt worden ist. Der Verfasser desselben ist höchstwahrscheinlich der vor einigen Monaten als Hofrath in der Staats Kanzlei angestellte, vorher zum vermittelnden Gesandten zwischen Preussen und Sachsen nach Dresden abgesandt ­gewesene, im vorigen Jahr vom König von Preussen in den Grafenstand er1 Vgl. Dok. 100.

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hobene Freiherr Spiegel von Disenberg2: ein Mann, der sehr ausgebreitete Kenntnisse, besonders in der Geschichte und dem Staats Rechte Teutschlands und einen sehr lebhaften Eifer besitzt; dazu beizutragen, daß die Ehre und Sicherheit des teutschen Vaterlandes durch eine feste Verfassung gesichert und erhalten werde. Ich kenne ihn seit langen Jahren sehr genau, und habe während des Congresses in Wien auf einem sehr vertrauten Fuß mit ihm gelebt; so daß er mir seine damaligen Arbeiten über Teutschlands Angelegenheiten alle zur Einsicht mittheilte, weshalb ich denn den Verfasser dieses ersten Vortrags wohl nicht verkennen kann, und sonach auch glaube, daß das Referat in teutschen Sachen bei dem Kaiser. Oestreichischen Ministerium nicht anders als sehr erwünschte Folgen haben kann. Dieser Vortrag erscheint als eine feierliche Urkunde in welcher der Oestereichische Hof seine Politik in Beziehung auf den Bund vor ganz Teutschland offen und klar darlegt. Giebt es im politischen Leben irgend eine sichere Garantie; so scheint sie aus einer solchen feierlichen und öffentlichen Erklärung hervorzugehen wo nicht allein Vertragstreue, sondern auch die vor allem Volke zum Pfande eingesetzte Ehre gegen Widerspruch zwischen Reden und Handeln gleichsam Gewähr leistet. Das System des kaiserlichen Hofes ist entschieden und laut ausgesprochen, es ist das System der Wahrheit und des Rechts. Dieses Beispiel müßte auch den Widerstrebenden (wenn es einen solchen im Bunde gäbe) nach sich ziehen, nicht nur, weil es von dem mächtigsten Bundesgliede gegeben wird, sondern auch weil es dem schwächeren Theil eine Kraft und eine Zuversicht verleiht, welche zu der vollkommenen Befestigung des Bundes am Wesentlichsten beitragen wird. Wenn der Kaiser von Oestreich, der mit einem so großen Theil seiner Monarchie dem Bunde beigetreten ist, als einen Hauptzweck desselben die Wieder-Vereinigung der teutschen Nation; wenn er in dem Bunde ein, alle souveräne Staaten wohlthätig umfassendes Nationalband erkennt; so ist es klar, daß man von diesem Verein weit höhere Erwartungen fassen darf, als man vor kurzem noch wagen zu können glaubte. Äusserst wichtig ist dies insonderheit 2 Kaspar Philipp Freiherr (seit 1816 Graf) von Spiegel zum Diesenberg-Hanxleben (1776– 1837), österreichischer Beamter, war zunächst salzburgischer Justizrat und Referendar, 1805 Übernahme in österreichische Dienste als Regierungsrat und Referent für das Herzogtum Salzburg in der Hofkanzlei, 1809 Appellationsrat am niederösterreichischen Appellationsgericht, 1813/14 Verwaltungschef der wiedereroberten deutschen Pro­vinzen unter dem Freiherrn vom Stein, 1814/15 Mitglied des während des Wiener Kongresses gebildeten deutschen Komitees in der österreichischen Staatskanzlei, 1816–1821 Hofrat und Chef des deutschen Büros in der Staatskanzlei, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister 1820−1827 in Kassel und 1827−1837 in München. Vgl. Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 36, S. 146; Mayr, Geschichte der österreichischen Staatskanzlei, S. 18 f.; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 295 f.

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für die mindermächtigen Bundesstaaten, die, je ausgegebreiteter das gemeinsame Interesse wird, desto mehr auf die Festigkeit und Dauer der gemein­ samen Verbindung rechnen können. Daß der Teutsche Bund kein bloßes Schutz- und Trutz-Bündniß ist, spricht freilich beinahe jeder Artikel der Bundes Akte aus. Aber daß der mächtigste Bundesgenosse dies förmlich erklärt, wird gewiß nicht überflüssig befunden werden, wenn man die nie verhehlten Maximen einiger Höfe in Erwägung zieht. Ob der Bund ein Bundesstaat, oder Staatenbund sei ist eine metaphysische Frage, deren Beantwortung schwerlich große Früchte tragen wird, da bei der Unbestimmtheit der metapolitischen Systeme, die Folgerungen aus dem einen wie aus dem andern allezeit mehr von der Praxis als von der Theorie abhängen werden. Die Meinung des Oestreichischen Cabinets scheint indessen allerdings die richtigere zu seyn. Wichtiger ist jedoch die Erklärung desselben: Die Teutschen erscheinen als Staaten-Bund wieder in der Reihe der Mächte. Wie folgenreich dieser Satz werden kann, verhüllt zwar das Dunkel der Zukunft; klar aber geht daraus hervor, daß; wie es auch seyn muß; Teutschland als Gesammtheit seine Stelle in dem Europäischen Staaten System behaupten wird; denn nur dadurch kann der zweite Theil des Bundeszwecks: Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen Bundesstaaten; erreicht werden. Alles, worüber sich, in einem vielleicht zu blühenden und kunstreichen Style dieser erste Vortrag verbreitet; die Darstellung der Natur des Bundes, und der aus ihr und der Bundes Akte sich ergebenden Bestimmung der Bundes-Versammlung und der Gegenstände ihrer Beschäftigungen, so wie die Äusserungen über die zweckmäßigste Art, auf diese Gegenstände ihre Geschäftsthätigkeit anzuwenden; alles dies scheint im Wesentlichen vollkommenen Beifall zu verdienen, wie denn auch sämtliche Gesandtschaften keinen Anstand genommen haben, solchen in der dritten Sitzung einstimmig zu erklären. Wenn aber in dem Vortrage des vorsitzenden Gesandten (zu I unter 3. a.) von zwei zu vermeidenden Klippen die Rede ist, die; sei es durch einen Schreib- oder Druckfehler − offenbar nicht richtig bezeichnet sind; so lassen sich allerdings einige Klippen nicht verkennen, deren sorgsame Vermeidung allerdings zu wünschen ist; und diese mögten wohl folgende seyn: Erstlich: die nicht in Abrede zu stellende höhere Bestimmung der Bundesversamlung welche sie beruft, ihre Aufmerksamkeit auf manche Gegenstände des gemeinsamen Wohls teutscher Staaten zu richten, und welche, richtig verstanden, und ohne Mistrauen aufgenommen, durch freies Einverständniß der Bundesglieder höchst wohlthätig werden kann, darf keinen Verdacht unzulässiger Einmischung in die innere Landesverwaltung erregen und wird ihren nützlichen Einfluß weniger von der Entwickelung gewisser Grundsätze als vielmehr von Zeit und Umständen zu erwarten habe[n].

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Zweitens: Die Versammlung muß sich hüten, beim Volke zu große Erwartungen zu erregen, und in diesem Sinne haben Manche es zu stark gefunden, wenn der vorsitzende Gesandte spricht: es sei der öffentlichen Meinung zu huldigen. Die zur Beurtheilung der Competenz der Bundesversammlung in Ansehung der verschiedenen eingereichten Vorstellungen ernannte Commission wird diese Rücksicht nicht unbeachtet lassen, und insofern wird der ihr ertheilte Auftrag eine größere allgemeine Wichtigkeit haben. Die Anträge des vorsitzenden Gesandten in Beziehung auf die unmittelbare Geschäftsthätigkeit der Bundesversammlung konnten nicht anders als zweckmäßig befunden werden. Die drei Gegenstände, welche zunächst vorgenommen werden sollten, waren bereits beliebt, nämlich: 1. die Bearbeitung der Bundestags Ordnung. 2. die Berathung über die Regulirung der Sustentations Casse und der Pensionen für die überrheinischen Bischöfe und Geistlichen nach Vorschrift des 15. Art. der Bundes Akte3. 3. die organische Einrichtung des Bundes in Rücksicht auf seine militär. Verhältnisse. Es kam also nur darauf an, angemessene Vorschläge zu machen, damit ­diese Gegenstände gehörig vorbereitet zur Berathung und Beschlußnahme gebracht würden. In Ansehung des ersten Gegenstandes war schon in dem Präsidial Vortrag geäussert worden, daß wohl gewünscht werden könnte, die Erfahrungen der kaum begonnenen Geschäftsführung für die Abfassung der Bundestags Ordnung zu benutzen; und dies war denn auch der allgemeine Wunsch. Man glaubte, ein dreimonatlicher Termin könnte genügen, wenn nach einiger Zeit die gutachtlichen Berichte erstattet und sonach die erforderlichen Instruktionen gegen den Ablauf jenes Zeitraums erbeten würden. Es könnte indessen, diesen zu verlängern, vielleicht die Erfahrung selbst anrathen, und es ist kein Grund abzusehen, warum darauf nicht sollte angetragen werden können, da die Geschäfts Ordnung selbst nur die Regel vorschreibt, von welcher für diesen Fall bereits eine Ausnahme beliebt ist und mithin wenn es der Zweck erfordert, auch noch eine weitere Statt finden kann. Den zweiten Gegenstand − die Sustentation der überrheinischen Geistlichkeit − ist so privilegirt, daß die kürzeste Frist zur Abstimmung festgesetzt werden mußte, obgleich vorauszusehen ist, daß die endliche Regulierung der Pensionen so schnell nicht wird zu Stande gebracht werden. Die zur Prüfung der Eingaben bestellte Commission wird sich bemühen, über diese Ange­ legenheit ein solches Licht zu verbreiten, daß dadurch die Instruktions Ein­ holung möglichst beförderte werde. 3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1515.

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Der dritte Gegenstand endlich − die Militärverfassung − ist von solcher Wichtigkeit, daß mir der angesetzte Termin zur Berathung noch zu kurz zu seyn scheint. Er wird wohl ohnehin verlängert werden müssen, da es wesentlich nothwendig ist, daß man die Ansichten hierüber sich gegenseitig mit­ theile, wozu eine schickliche Veranlassung zu benutzen seyn wird. Die Höfe von Wien und Berlin wollen Generale hieherschicken, um bei dieser Arbeit gebraucht zu werden, jener − den General von Steigentesch4; dieser − den General von Pfuol5. Viele glauben, und, wie mir deucht, nicht mit Unrecht, daß diese Absendung noch nicht an der Zeit sei, indem zuvörderst der politisch publicistische Grund gelegt seyn muß, auf welchen erst die Kriegs­ kunstverständi[gen] bauen können. Es scheint, daß die oben genannten beiden Höfe über die Bundes-Kriegsverfassung nicht gleicher Meinung sind, und obgleich die Festsetzung derselben in den vorläufig vertraulichen Besprechungen hauptsächlich durch den Staatsminister von Humboldt als sehr dringend dargestellt wurde; so zeigen sich doch jetzt Spuren, daß man sie wohl nicht eher als nach erzieltem Einverständniß beider Höfe vorzunehmen wünscht. Nach den Grundsätzen, zu welchen sich dieselben so bestimmt bekannt haben, kann ein solches Einverständniß keine Besorgniß erregen, da es dabei nicht auf, den Mindermächtigen gefährliche Pläne, und deren Durch­ setzung durch eine Art Diktatur abgesehen seyn kann, sondern nur auf Ausgleichung der Ansichten unter den beiden mächtigsten Bundesgliedern, welche allerdings geeignet ist, das ganze Geschäft gar sehr zu erleichtern. 4 August Ernst Freiherr von Steigentesch (1774−1826), österreichischer Offizier, Diplomat und Schriftsteller, 1789 Eintritt in die österreichische Armee, 1793 Unterleutnant, 1796 Oberleutnant, 1798 Hauptmann, 1800 Major, 1805 Oberstleutnant, erwarb sich bald die Gunst des Fürsten Metternich, der ihn mehrfach mit diplomatischen Missionen betraute, 1810 Austritt aus dem aktiven Militärdienst, 1813 Wiedereintritt in den Militärdienst als Oberst, 1813 Generaladjudant des Fürsten Karl Philipp zu Schwarzenberg, 1814 Generalmajor, 1814 Spezialgesandter in Kopenhagen, während des Wiener Kongresses 1814/15 Generaladjudant des Königs von Dänemark, 1815−1818 bevollmächtigter Minister in St. Petersburg, 1817 Geheimer Rat, 1818−1820 Militärbevollmächtigter beim Bundestag in Frankfurt. Vgl. ADB, Bd. 35, S. 577−580; DBE, Bd. 9, S. 472; DBA I, 1216, 260−297; DBA II, 1255, 70 f.; DBA III, 878, 214−219; ÖBL, Bd. 13, S. 144; Wurzbach, Biographisches Lexikon, T. 38, S. 7−13; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 281. 5 Ernst Heinrich Adolf von Pfuel (1779−1866), preußischer Offizier, 1792 Kadett, 1797 Fähnrich, Entlassung nach der verlorenen Schlacht bei Auerstedt, 1809−1812 Hauptmann in österreichischen Diensten, 1812 Major in russischen Diensten, 1814 Rückkehr in preußische Militärdienste, 1815 Kommandant von Paris, 1818 Generalstabschef des 8. Armeekorps, 1825 Generalmajor, 1832 Generalleutnant, 1831 Kommissar und 1832−1848 Gouverneur des Fürstentums Neuenburg in der Schweiz, 21. September bis 1. November 1848 preußischer Ministerpräsident und Kriegsminister, 1858 Mitglied des Abgeordnetenhauses. Vgl. NDB, Bd. 20, S. 362 f.; ADB, Bd. 25, S. 705−712; DBE, Bd. 7, S. 652; DBA I, 954, 113−116; DBA II, 1003, 272 und 275−284; DBA III, 701, 441−448.

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Die zwei ersten Propositionen des Vortrags des vorsitzenden Gesandten umfassen eigentlich die ganze Geschäftsbestimmung und Geschäftsführung der Bundesversammlung. Sie, deren Obliegenheit überhaupt ist, die Angelegenheiten des Bundes zu besorgen, muß allerdings berufen seyn, alle im Lauf der Zeit vorkommende, auf den Bundeszweck sich beziehende Geschäfte vorzunehmen. Allein darüber läßt sich in der That mehr nicht sagen, als in dem Vortrage gesagt ist. Der Stoff, welchen die Zeit darbieten wird, muß durch seine Natur den Gang bestimmen, welchen die Bundesversammlung dabei zu befolgen hat; und die künftige Bundestags-Ordnung wird die Gränzen des Wirkungskreises welche Grundgesetz und Natur der Sache derselben vorzeichnen, ausdrücklich zu bestimmen haben − eine Bestimmung, welche durch die Arbeiten der in der dritten Sitzung ernannten Commission6, wo nicht eine Grundlage, doch eine erleichternde Vorbereitung erhalten kann. Was jetzt, und selbst vor der Abfassung der Bundestags Ordnung (obgleich eigentlich ein Theil derselben) einer gewissen Norm bedarf, das ist die Reihefolge der Geschäfte, welche der Bundesversammlung ausdrücklich aufgetragen sind, und in dieser Hinsicht hatte der vorsitzende Gesandte darauf angetragen, daß drei Gesandte beauftragt werden, um darüber, sobald als möglich, einen gutachtlichen Vortrag zu erstatten.7 In der heutigen Sitzung ist dieser Auftrag den Freyherrn von Eyben und Plessen, und mir ertheilt worden.8 Diese Sitzung wurde mit Verlesung der neuen Großherzoglich Meklenburgisch-Strelitzischen Vollmacht für den Staats Minister von Plessen begonnen und darauf das Protokoll der vorigen Sitzung vorgelesen. Alsdann gab der König. Niederländische Großherzoglich Luxemburgische Gesandte, Freiherr von Gagern, einige durchaus belobende Bemerkungen über den ersten Vortrag des K. Oestreichischen Gesandten zum Protokoll.9 Auch zeigte derselbe an daß Se Maj. der König der Niederlande in Beziehung der Sustentation der Lütticher Geistlichkeit die Bestimmung des Art. 15 der Bundes Akte, sich gefallen lassen wolle10 − eine Erklärung wodurch die Berichtigung des obgedachten zweiten Gegenstandes unserer zunächst vorzunehmenden Arbeiten gar sehr erleichtert wird. Ich ersterbe in tiefstem Respect Euer Herzoglichen Durchlaucht unterthänigst − treu − gehorsamster von Berg   6 Vgl. ProtDBV 1816, 2. Protokoll der 3. Sitzung vom 14. November 1816, § 6, S. 55 f.   7 Vgl. ProtDBV 1816, 3. Sitzung vom 14. November 1816, § 11, S. 48.   8 Vgl. ProtDBV 1816, 4. Sitzung vom 18. November 1816, § 10, S. 59 f. und Dok. 114.   9 Vgl. ProtDBV 1816, 4. Sitzung vom 18. November 1816, § 9, S. 58 f. 10 Vgl. ProtDBV 1816, 4. Sitzung vom 18. November 1816, § 11, S. 60.

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Plessens „Allgemeine Ansichten zur Beurteilung von Eingaben“

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103. Plessens „Allgemeine Ansichten zur Beurteilung der an die Bundesversammlung gebrachten Vorstellungen und Eingaben; als Vorarbeit und Materialien für die innere organische Einrichtung des Bundes“

ProtDBV 1816, 5. Sitzung vom 21. November 1816, Beilage 6, S. 71–73. Vortrag. Druckfassung.

Vorschläge zur Beurteilung der an die Bundesversammlung gerichteten Vorstellungen und Eingaben. Die Unvollständigkeit der Bundesakte macht die Bestimmung der Kompetenz der Bundesversammlung in dieser Sache schwierig. Bis die Grundgesetze und organische Einrichtung des Bundes geregelt sind, sollten bei Eingaben an die Bundesversammlung vorerst folgende Gesichtspunkte zur Beurteilung der Kompetenz maßgebend sein: 1. Bei allen Gegenständen, worüber die Bundesakte eine ausdrückliche Erwähnung und Bestimmung enthält, ist die Kompetenz des Bundestags un­ strittig und nach den Anordnungen der Bundesakte zu verfahren; 2. wo dies nicht bestimmt ausgesprochen ist, soll entweder nach den in der Bundesakte ausgesprochenen allgemeinen Zwecken und Grundsätzen verfahren werden, oder nach der Natur der Sache selbst, wenn diese in den souveränen Gliedstaaten des Bundes keine Erledigung finden kann. Unterbreitet sodann Vorschläge zum Prozedere der Bundesversammlung bei der Behandlung von Vorstellungen und Eingaben.

Frankfurt am Main, 20. November 1816 Allgemeine Ansichten zur Beurtheilung der an die Bundes-Versammlung gebrachten Vorstellungen und Eingaben; als Vorarbeit und Materialien für die innere organische Einrichtung des Bundes. Die erste Frage bey jeder an den Bundestag ergehenden Vorstellung wird immer die seyn müssen: in wie fern und wie weit derselbe die eigentliche Behörde ist, um in der Sache ein Verfahren einzuleiten, oder irgend eine Entscheidung ertheilen zu können? Diese Bestimmung der Competenz ist freilich am Bundestage schwieriger wie bey jeder andern obersten administrativen oder gerichtlichen Stelle, weil in der Bundesakte noch so viele Theile unvollständig gelassen sind, und die Grundgesetze des Bundes, so wie dessen organische Einrichtung, noch erst abgefaßt werden sollen. Damit inzwischen, bis dieses so wichtige Geschäft mit der erforderlichen Zeit und Umsicht vorgenommen werden könne, die eingehenden oft dringenden Vorstellungen doch diejenige Erledigung finden möchten, welche der Bundestag auch in seiner jetzigen Lage zu gewähren vermag, und damit besonders keine Sache hier gänzlich abgewiesen und als unzulässig erklärt werde, wobey die Competenz des Bundestages in diesem Augenblick nur noch zweifelhaft erscheinen möchte, weil es an ausdrück­

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licher Bestimmung derselben fehlt; so dürfte ein doppelter Gesichtspunkt zur Beurtheilung dieser Competenz aufzustellen seyn, nemlich: 1) Bey allen denjenigen Gegenständen, worüber die Bundesakte irgend eine ausdrückliche Erwähnung und Bestimmung enthält, um sie vor die Bundesversammlung zu bringen, versteht es sich, daß diese als von selbst competent, ohne weiteres das nöthige Verfahren einzuleiten hat; indem hiebey nur jedesmaliger Bezug auf die besondere Disposition der Bundesakte zu nehmen seyn wird. 2) In den Fällen aber, wo diese nicht bestimmt ausgesprochen ist, frägt es sich nur in wieferne: entweder nach den allgemeinen Zwecken und Grundsätzen die in der Bundesakte angegeben sind und die dem darauf gegründeten StaatenVerein unterliegen; oder auch aus der Natur der einzelnen Sache selbst, wenn diese nämlich von der Art ist, daß sie in den einzelnen souverainen Staaten keine Erledigung und Entscheidung finden kann; ein Grund und die Befugniß herzunehmen seyn werden, um dergleichen Sachen auch bey der Bundesversammlung anzunehmen, wenigstens nicht zurück zu weisen. Zur Leitung hiebey würde dienen, daß der Zweck des Bundes, Art. 2 der Bundesakte, die Erhaltung nicht nur der äußern, sondern auch der innern Sicherheit ist, und daß nach Art. 10 die organischen Einrichtungen des Bundes auch seine innern Verhältnisse angehen sollen. Alle Fälle die sich hierauf beziehen, werden doch immer nicht ganz zurück gewiesen, sondern vor der Hand angenommen werden dürfen, und um dieses in jedem einzelnen Falle nach dessen Beschaffenheit auszumitteln, würde die Bundesversammlung nöthigenfalls durch motivirte Abstimmung zu erklären haben: wie weit sie sich dabey für competent halten kann, um entweder sogleich die Erörterung und Entscheidung solcher Sache vorzunehmen, oder ob sie selbige noch bis auf weitere Bestimmung zurück legen will? Da dieses dann von der Anweisung abhängt, welche die Bundesstaaten selbst ihren hiesigen Gesandten darüber geben, so würde es der Souverainität derselben ganz unnachtheilig seyn. Die zweite Frage betrifft das Verfahren überhaupt, welches die Bundesversammlung bey den Exhibiten, denen sie weitere Folge geben will oder muß, zu beobachten hätte? 1. Da wo die alte Reichsregel – et altera audiatur pars1 – Anwendung findet, ist selbige auch in diesen Verhandlungen wohl nicht auszulassen. Alle 1 Audiatur et altera pars (lat.: „Auch der andere Teil muß gehört werden“): Aus der Antike stammender Rechtsgrundsatz, der für den Anspruch auf rechtliches Gehör steht und in allen modernen Rechtsordnungen ein zentrales Verfahrensgrundrecht darstellt. Der Grundsatz bedeutet, daß der Richter alle am Prozeß beteiligten Personen zu hören hat, bevor er sein Urteil fällt. Vgl. Liebs, Lateinische Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, S. 37; Lieberwirth, Latein im Recht, S. 37; HRG2, Bd. 1, Sp. 327−331.

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deutschen Länder sind aber auf dem Bundestage repräsentirt. Es scheint daher das angemessenste: wenn die angebrachte Vorstellung dem andern betreffenden Theil durch den Gesandten seines Landes am Bunde mitgetheilt würde, um innerhalb verhältnißmäßig bestimmter Frist der Bundesversammlung darüber hinlängliche Auskunft oder Erklärung zu geben, vielleicht auch anzuzeigen, wie immittelst den Ansprüchen oder Beschwerden schon abgeholfen worden. Es wird dieses zuweilen genügen, um schon eine Erledigung herbeyzuführen. 2. Es kann mit dieser Mittheilung eben darum aber auch noch ein besondres Anfügen, oder eine näher bestimmte Anfrage, vielleicht Aufgabe, von Seiten der Bundesversammlung zu verbinden, für nöthig befunden werden, wenn bey der angebrachten Sache, Antrag und Bitte vielleicht nicht ganz richtig gestellt sind, oder um die Verhandlung zweckmäßiger zu leiten. 3. Nach der ergangenen Verhandlung, wobey auch wohl vier Sätze erforderlich werden könnten, wird die Bundesversammlung einen Beschluß über die Sache selbst zu fassen in Stand gesetzet seyn, und es könnte gleichfalls den betreffenden Bundes-Gesandten aus der Mitte der Versammlung der Auftrag zugehen, von solcher Entscheidung die baldigste Vollziehung in ihrem Lande zu bewirken, und wie solches geschehen, jederzeit zur Kenntniß der Versammlung zu bringen. Für die sonstigen executiven Mittel des Bundes werden die weitern organischen Einrichtungen noch zu sorgen haben. 4. Ein gerichtliches Verfahren steht der Bundes-Versammlung keinesweges zu, und selbst in den Streitigkeiten der Bundesglieder unter einander, die nach Art. 11 der Bundesakte2 an dieselbe gebracht werden sollen, kann bey fehlgeschlagenem Versuch der Vermittlung durch einen Ausschuß, die richterliche Entscheidung nur durch eine wohlgeordnete Austrägal-Instanz bewirkt werden. Um so weniger werden also Privat-Rechtsklagen, oder die Beschwerden einzelner Unterthanen von dem Bundestage angenommen oder entschieden werden können. Jedoch dürfte hiebey nicht zu verkennen seyn, daß in den Fällen, wo die eigentlichen Rechtsmittel bey der obersten Instanz nicht ausreichen, wo keine eigentliche Instanz, um Rechtshülfe zu erhalten, vorhanden, und die gänzliche Verweigerung der Rechtspflege nachgewiesen würde, doch solche Einschreitungen von dem Bundestage erwartet und gefordert werden möchten, welche ohne selbst richterlich zu verfahren, doch die Entscheidung der Sache auf ordentlichem und gehörigem Wege bewirken. Die Bundesakte, indem sie Art. 123 für die obersten Instanzen in den einzelnen Bundesstaaten bestimmte Fürsorge trifft, spricht es dadurch aus, daß die ungehinderte Rechtspflege im ganzen Bunde gesichert seyn soll. In dieser 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512. 3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513.

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Hinsicht werden denn selbst diejenigen Eingaben, die gerichtliche Sachen betreffen, noch der Prüfung bedürfen, in wie ferne sie hieher gehören. Bey Vorstellungen und Beschwerden aber, die von Ständen oder gesammten Körperschaften in Streitigkeiten mit dem Regenten über die Verfassung geführet werden, wird die Bundesversammlung, bis dahin daß der Art. 13 der Bundesakte4 eine weitere Ausführung erhalten, nur nach Beschaffenheit in jedem besondern Fall über die Annahme und Erörterung urtheilen können, in so ferne nach der Analogie des Art. 11 irgend eine Competenz doch auch bey diesen Angelegenheiten der innern Sicherheit und Verhältnisse, zur Schlichtung eintreten muß, und in der Bundesakte durchaus nichts vom Gegentheil ent­ halten ist, was damit im Widerspruch stünde. 5. Bey denjenigen Sachen aber, die überhaupt nicht anzunehmen oder nicht zulässig sind, und bey solchen die abgewiesen, nämlich in ihren Anträgen ungegründet befunden worden, wird die Bundesversammlung zu bestimmen haben: ob selbige ganz unbeantwortet bleiben, oder der deßhalb von ihr genommene Beschluß, etwa kurz motivirt, den betreffenden Theilen aus der Bundeskanzley zugehen soll? Dafür möchte allenfalls sprechen: daß man nicht mit wiederholten Eingaben und Anrufen von den Partheyen belästiget, aber es auch im Publico mehr bekannt und zur Beruhigung gereichen würde, daß der Bundestag sich mit diesen Sachen wirklich beschäftiget hat. Plessen

104. Bergs „Über die Befugnisse der Bundesversammlung in Rücksicht auf Vorstellungen und Gesuche von Privatpersonen“

ProtDBV 1816, 5. Sitzung vom 21. November 1816, Beilage 7, S. 73–77. Vortrag. Druckfassung.

Die Bundesversammlung ist nicht befugt, Beschwerden einzelner Untertanen oder der Gesamtheit der Untertanen einzelner Bundesstaaten gegen die Regierungshandlungen des eigenen Bundesstaates, anderer Bundesstaaten oder auswärtiger Staaten anzunehmen. Lediglich diejenigen Privatpersonen, deren besonderes Interesse in der Bundesakte selbst (Artikel 6, 14, 15, 17) berücksichtigt ist, sowie diejenigen Unterthanen der Bundesstaaten, denen in der Bundesakte (Artikel 12, 13, 16, 18) gewisse Zusicherungen erteilt worden sind, können deren Erfüllung bei der Bundesversammlung betreiben. Gleiches gilt auch für Privatpersonen, die Ansprüche an die Gesamtheit des Bundes haben. Die Bundesversammlung kann allerdings nie als ­höhere Autorität handeln, sondern im Streitfall muß die Entscheidung der Austrägal­ instanz obliegen. Diese Grundsätze ergeben sich aus der Bundesverfassung, wie sie jetzt ist. 4 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513.

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Bergs „Über die Befugnisse der Bundesversammlung bei Gesuchen“

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Frankfurt am Main, 21. November 1816 Ueber die Befugnisse der Bundesversammlung in Rücksicht auf Vorstellungen und Gesuche von Privatpersonen Indem ich dem Auftrage, womit diese hochverehrliche Versammlung mich beehrt hat1, zu entsprechen bemühet bin, bitte ich um Erlaubniß, die Ansichten, welche mich bey der Beurtheilung der Zulässigkeit der mir zugetheilten Vorstellungen geleitet haben, etwas ausführlicher entwickeln, und sie der Prüfung der verehrten Mitglieder dieser Versammlung übergeben zu dürfen; nicht als einen offiziellen Vortrag, sondern als eine Darstellung meiner Meynung in einem Falle, für welchen aus speciellen Instruktionen der Höfe zu schöpfen nicht möglich war. Verschiedenartige Vorstellungen und Gesuche von Privatpersonen sollen ihrem wesentlichen Inhalte nach dieser Versammlung zur näheren Kenntniß gebracht und darüber: ob sie angenommen und berücksichtigt werden können? soll ein Gutachten erstattet werden. Hiernach schien es mir zweckmäßig, zuförderst die Frage näher zu er­ örtern: ob und wiefern die Bundesversammlung befugt sey, Vorstellungen und ­Gesuche von Privatpersonen anzunehmen, und darauf irgend einen Beschluß zu fassen? Es ist einleuchtend, daß die hier entscheidenden Grundsätze nur aus der Bestimmung, welche die Bundesakte2 der Bundesversammlung anweist, und aus den daraus folgenden Obliegenheiten derselben geschöpft werden können, und es scheint nicht, daß dem Beyspiel oder der Analogie vormaliger Verhältnisse einiger Einfluß verstattet werden darf. Dahingegen finden wir, jedoch nur für einen bestimmten Fall, eine ganz eigene Quelle der Zuständigkeit der Bundesversammlung in dem 46. Artikel der Wiener Congreßakte3, welcher die Zwistigkeiten, die in Beziehung auf die Verfassung der freyen Stadt Frankfurt entstehen könnten, zur alleinigen Entscheidung dieser Versammlung verstellt. Da nun Zwistigkeiten dieser Art auch aus Beschwerden einzelner Bürger, oder gewisser Klassen derselben, über irgend eine Bestimmung der Grundgesetze von Frankfurt hervorgehen können; so ist die Befugniß der Bundesversammlung, solche Beschwerden anzunehmen und darüber zu erkennen, keinem Zweifel unterworfen, und es 1 Berg war am 14. November 1816 zum Mitglied der Reklamationskommission gewählt worden. Vgl. ProtDBV 1816, 2. Protokoll der 3. Sitzung vom 14. November 1816, § 6, S. 55. 2 Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815; QGDB I/1, Nr. 250, S. 1503–1518. 3 Vgl. Acte du Congrès de Vienne du 9 Juin 1815, avec ses Annexes, S. 42 f.

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genügt daher, diesen besondern Fall gleich zum Voraus bemerklich zu machen. Daß auch übrigens die Bundesversammlung berechtigt sey, Vorstellungen und Gesuche von Privatpersonen anzunehmen, und darauf angemessene Beschlüsse zu fassen, ist bereits in der vorläufigen Geschäftsordnung4 als eine nicht zweifelhafte Sache vorausgesetzt, indem daselbst außer den Anträgen und Vorschlägen der Bundesglieder, auch auf sonstige Anträge, die offenbar nur von fremden Staaten, oder von Privatpersonen herrühren können, Rücksicht genommen und die Verfahrungsart in Ansehung derselben festgesetzt worden ist. Und in der That: wäre es möglich, von den Stiftern unseres Bundes zu glauben, daß sie die Versammlung ihrer Bevollmächtigten nur als einen diplomatischen Congreß, nur als ein Zusammenseyn unter sich fremder Männer, deren jeder sein eigenes Interesse verfolgt, betrachten; daß sie dem einzelnen Deutschen den Zutritt zu dem Vereinigungspunkte aller Deutschen verschließen wollen? Allerdings ist die Bundesversammlung kein repräsentativer Körper eines einfachen Staats; allerdings ist sie keine gesetzgebende Behörde deutscher Nation; allerdings endlich ist sie kein oberster Gerichtshof für die verbündeten Staaten. Mit gerechter Sorgfalt entfernt von ihr der 11. Artikel der Bundesakte5 allen Anschein eines oberstrichterlichen Charakters. Sie soll nur vermitteln; entscheiden aber eine wohlgeordnete Austrägal-Instanz. So wie der Grundvertrag des deutschen Bundes das – wenig erkannte, aber gewiß unschätzbare Verdienst hat, dem Aufkeimen, Blühen und Reifen alles Guten freyen Raum gelassen zu haben: so ist auch der durch das Gesetz bestimmte Beruf der Bundesversammlung auf keine Weise in ängstlich be­ rechnete Schranken eingeschlossen. Sie soll die Angelegenheiten des Bundes besorgen, und wenn daraus unstreitig folgt, daß sie auf die innern Angelegenheiten, auf die Regierung der einzelnen Bundesstaaten überhaupt keinen unmittelbaren Einfluß auszuüben hat, daß sie in die Angelegenheiten von Privatpersonen, welche unter dem Schutz und unter dem Gesetz des Landes stehen, dem sie angehören, einzugreifen nicht befugt ist; so kann doch ihre Einwirkung in besondern Fällen, selbst für die Erreichung des Bundeszwecks, von den wohlthätigsten Folgen und unter der Beobachtung einer angemessenen Form, jeder Regierung nicht nur unbedenklich, sondern auch willkommen seyn. Und hat nicht der Bund selbst bey der Abfassung seines Grundvertrages den Unterthanen der Bundesstaaten und verschiedenen Klassen von Privat­ ollte personen eine besondere und wohlwollende Aufmerksamkeit erwiesen? S 4 Vgl. Dok. 65. 5 Vgl. QGDB I/1, Nr. 250, S. 1503–1518, hier S. 1512.

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Bergs „Über die Befugnisse der Bundesversammlung bei Gesuchen“

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daher dem Wirkungskreise der Versammlung alle Theilnahme an Privatangelegenheiten entzogen werden können? Ist dieses aber nicht der Fall, wie er es nicht seyn kann, so fragt sich ferner: In wiefern kann die Bundesversammlung Vorstellungen und Anträge von Privatpersonen annehmen? Zuförderst wird sie wohlgemeynte Vorschläge nicht unwillig zurückweisen: doch auch politische Plane und Träume nicht aufmuntern. Ohne Zweifel sind wir alle damit einverstanden, wenn die verehrliche vorsitzende Gesandtschaft sagt: „Immerhin wollen wir mit patriotischer Bereitwilligkeit die Vorschläge und Wünsche in Erwägung ziehen, welche im Laufe der Zeit über diesen oder jenen Gegenstand der öffentlichen Verhältnisse des deutschen Bundes uns zur Kenntniß kommen werden.“6 Und müssen denn diese Vorschläge und Wünsche immer aus diplomatischer Quelle fließen? Doch die Hauptfrage betrifft die Vorstellungen und Gesuche, die das besondere Interesse von Privatpersonen zum Gegenstand haben, und in Ansehung dieser muß zwar die Regel verneinend ausfallen: dahin nämlich, daß die Bundesversammlung, als eine zur Besorgung der Angelegenheiten der Gesammtheit des Bundes angeordnete politische Behörde, mit den Privatinteressen einzelner Unterthanen der Bundesstaaten sich nicht zu befassen habe. Aber auch diese Regel hat ihre Ausnahmen, die in dem Bundesvertrage und in der Natur der Sache gegründet sind. Folgende Grundsätze dürften vielleicht dem Verhältniß des Bundes zu den Bundesstaaten entsprechen: 1. Die Bundesversammlung kann keine Beschwerden über Regierungshandlungen, selbst nicht in Beziehung auf Justitzverwaltung, von Unter­ thanen einzelner Bundesstaaten annehmen, um darüber zu erkennen. Einmischung in die innere Verwaltung der Staaten ist ihrer eigentlichen Bestimmung fremd. Die Regierungen der Bundesstaaten wollen sicher das Beste: sollten indessen dem Verein ihrer vertrauten Bevollmächtigten Irrthümer zur Kenntniß kommen, würde nicht oft und gewiß sehr oft, eine offene und freundliche Mittheilung verschiedenartiger Ansichten die heilsamsten Folgen haben können? Die vertrauliche Sprache von Freunden und Bundesgenossen, die keinen Anspruch auf Censur oder Richteramt machen, wird, auch ohne offizielle Form, Eingang finden. 2. Die Bundesversammlung kann auch Beschwerden der Gesammtheit der Unterthanen eines Bundesstaats nicht annehmen. Wo das Unglück es fügte, daß Herr und Land gegen einander über ständen: vermitteln könnte vielleicht wohl der Bund, falls es gewünscht würde, oder Sorge für des Bundes innere 6 Vgl. Dok. 100, S. 431.

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Sicherheit es erheischte: richten kann er nicht, er sey denn freywillig zum Schiedsrichter gewählt. 3. Die Bundesversammlung kann eben so wenig die Beschwerden der Unterthanen einzelner Bundesstaaten gegen die Regierungen anderer Bundesstaaten annehmen. 4. Die Bundesversammlung kann auch gegen Auswärtige das Interesse der Unterthanen einzelner Bundesstaaten nicht vertreten. Dahingegen sind 5. Diejenigen Privatpersonen, deren besonderes Interesse in der Bundesakte selbst berücksichtigt ist, befugt, sich deshalb an die Bundesversammlung zu wenden, und diese ist verpflichtet, ihre Vorstellungen anzunehmen und darauf einen angemessenen Beschluß zu fassen. Dieser Satz bedarf ohne Zweifel keines Beweises. Denn wie leicht könnte der Zweck vereitelt werden, wenn man dieß Mittel nicht zulassen wollte? Hieher gehören nun: a) in Gemäßheit der Art. 6 und 14 der Bundesakte, die nach der Auflösung des Reichs nicht unabhängig gebliebenen Reichsstände und Reichsangehörigen, welchen unverwehrt seyn muß, bey der Bundesversammlung darauf anzutragen, daß dasjenige ihnen werde, wozu die Bundesakte ihnen Hoffnung oder ein Recht giebt. b) alle diejenigen, welche der 15. Artikel der Bundesakte zu irgend einem Anspruch berechtigt, und die in dessen Ausführung Hindernisse oder Schwierigkeiten finden. c) das fürstliche Haus Thurn und Taxis, wenn dem 17. Artikel der Bundesakte nicht Genüge geschehen sollte. 6. Diejenigen Unterthanen der Bundesstaaten, welchen die Bundesakte in politischer Hinsicht gewisse Zusicherungen ertheilt, müssen befugt seyn, deren Erfüllung bey der Bundesversammlung zu betreiben. In diese Klasse sind zu rechnen: a) Die Einwohner der Staaten, welchen ein regelmäßiges Gericht dritter Instanz und das Recht der Aktenverschickung im 12. Artikel der Bundesakte bedungen ist; b) Die Einwohner aller Bundesstaaten, um nach dem 13. Artikel, eine landständische Verfassung zu erlangen; c) Diejenigen, welche durch Verletzung des im 16. Artikel der Bundesakte ausgesprochenen Grundsatzes der Gleichheit der bürgerlichen und ­politischen Rechte für die verschiedenen christlichen Glaubensgenossen in allen Ländern und Gebieten des Bundes, etwa beschwert werden sollten; d) Diejenigen Unterthanen, welchen die Befugniß, Grundeigenthum ausserhalb des Staats, den sie bewohnen, zu erwerben, oder der freye Ab-

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Bergs „Über die Befugnisse der Bundesversammlung bei Gesuchen“

Nr. 104

zug von einem Bundesstaat in den andern, oder die Befugniß, in Civilund Militärdienste desselben zu treten, oder endlich die Freyheit von der Nachsteuer, den Bestimmungen des 18. Artikels zuwider, nicht verstattet werden sollte; e) Die Bekenner des jüdischen Glaubens, in Ansehung der im 16. Artikel der Bundesversammlung empfohlenen Berathung über die bürgerliche Verbesserung der Juden. f) Schriftsteller und Verleger, um die im 18. Artikel verheißenen Verfügungen zum Schutz gegen den Nachdruck zu bewirken. Da in den beyden letzten Fällen blos die Thätigkeit der Bundesversammlung zu betreiben ist, so kann wohl das Recht, bey derselben zu sollicitiren, keinem, der ein Interesse dabey hat, abgesprochen werden. In allen übrigen Fällen sind es gegenseitige Versprechungen der Bundesgenossen zum Vortheile Dritter, deren zwar unwahrscheinliche, doch wenigstens mögliche Nicht-Erfüllung eben jenen Dritten Veranlassung geben könnte, die Dazwischenkunft der Bundesversammlung nachzusuchen. Es wäre Beleidigung, wenn ich hier eine Widerlegung jener trostlosen Theorie oder Sophisterey für nöthig hielte, wornach ein Vertrag zum Besten eines Dritten weder diesem ein Recht geben, noch die Vertragschließenden verpflichten soll: eine Theorie, deren Anwendung besonders auf die Stipulationen einer Urkunde versucht wurde, die näher zu bezeichnen, überflüssig ist. Ich gehe daher mit voller Zuversicht von dem Grundsatze aus: in allen übrigen hier genannten Fällen sind die Bundesglieder gegen einander berechtigt, auf Erfüllung der geleisteten Versprechungen und ertheilten Zusicherungen zu dringen. Es ist daher nicht abzusehen, warum die Anzeige der Nicht-Erfüllung, in einem oder dem andern Staate, von der Bundesversammlung nicht sollte angenommen werden, und warum zu dieser Anzeige nicht Jeder, den es angeht, berechtigt seyn sollte? Mehr aber, als eine solche Anzeige, ist nicht nöthig. Es kann von keiner Klage der Unterthanen gegen ihre Souveräne, von keinem Rechtsstreit, von keiner richterlichen Entscheidung die Rede seyn. Die Bundesversammlung thut nur, was sie auch ohne Aufforderung eines Dritten, zu thun befugt und schuldig ist; sie verlangt Erfüllung des abgeschlossenen Vertrags. 7. Die Bundesversammlung kann bewogen werden, der Angelegenheiten von Privatpersonen bey Regierungen der Bundesstaaten, oder bey Auswärtigen sich anzunehmen, wenn deren Regierung sie vertreten, und zu dem Ende des in der Bundesakte bedungenen Rechts, Vorschläge und Anträge zu machen, sich bedienen will. Endlich 8. kann Privatpersonen, welche an die Gesammtheit des Bundes Ansprüche zu haben glauben, die Befugniß nicht bestritten werden, mit denselben an die

Nr. 104

Frankfurt am Main, 21. November 1816

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Bundesversammlung, welcher die Besorgung der Angelegenheiten der Gesammtheit anvertraut ist, sich zu wenden. Für die Anerkennung dieser Grundsätze scheint es eines neuen Gesetzes nicht zu bedürfen, da sie aus der Natur der in der Bundesakte enthaltenen Bestimmungen und aus der nothwendigen Verbindung mit einem bereits als rechtmäßig anerkannten Zwecke von selbst fließen. Die Anträge, welche hiernach an die Bundesversammlung von Privatpersonen gebracht werden können, sind dreyfacher Art. Entweder wird die Bundesversammlung selbst angegangen, dasjenige zu thun, was die Bundesakte vorschreibt; oder aber sie wird ersucht, zu bewirken, daß eines oder das andere Bundesglied den Bundesvertrag erfülle; oder endlich, sie wird selbst als Geschäftsträgerin des Bundes in Anspruch genommen. Die Fälle der erstern und letzten Art, sind offenbar ganz unbedenklich, sofern von der Zulässigkeit der darauf sich beziehenden Gesuche die Frage ist, Ihre Erheblichkeit muß natürlicher Weise nach den jedesmaligen Umständen beurtheilt werden. Die Fälle der zweiten Art sind unvermeidlich, sobald ein völkerrechtliches Vertragsverhältniß, sowohl zum gegenseitigen Vortheil der Bundesglieder, als auch zum Besten Dritter statt findet. Aber auch hier kann die Bundesversammlung nie als eine höhere Autorität handeln: die Stellung der Bundesglieder, welche von einigen ihrer Bundesgenossen Vertrags-Erfüllung verlangen, ist und bleibt die von Verbündeten nach gleichem Recht. Es werden daher die zum Bundestage versammelten Gesandten der erstern, nur den Weg der Unterhandlung betreten können, und führt dieser nicht zum Ziel; so darf auch hier nicht Gewalt gebraucht, sondern es muß eine friedliche Entscheidung der Austrägalinstanz erwartet werden. Was endlich Forderungen an die Gesammtheit des Bundes betrifft, so kann die Bundesversammlung nicht umhin, Vorstellungen die sich darauf beziehen, anzunehmen, und sie zu prüfen. Sie würde sonst dem Vorwurf einer willkür­ lichen Rechtsverweigerung sich aussetzen. Die bisher dargelegten Grundsätze schienen mir aus der Bundesverfassung, wie sie jetzt ist, hervorzugehen. Ich unterwerfe sie unbedingt der strengen Prüfung der einsichtsvollen Männer, in deren Kreise mich zu befinden, ich das Glück habe. von Berg

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Hach über Aufgaben und Kompetenzen der Deutschen Bundesversammlung Nr. 105

105. Hach über Aufgaben und Kompetenzen der Deutschen Bundesversammlung

ProtDBV 1816, 5. Sitzung vom 21. November 1816, Beilage 8, S. 77. Vortrag. Druckfassung.

Die Deutsche Bundesakte hat der Bundesversammlung zur Pflicht gemacht, die Grundgesetze des Deutschen Bundes im Hinblick auf die inneren Verhältnisse Deutschlands zu verfassen sowie über die organischen Einrichtungen des Bundes zu beraten. Der Geist der Zeit und die öffentliche Meinung fordern die Herstellung und Sicherung eines völlig gesicherten Rechtszustandes in allen Landen deutscher Nation durch den Bundestag.

Frankfurt am Main, 21. November 1816

Vortrag des Herrn Senators, Doktor Hach.

Die Richtigkeit der Ansichten des Herrn Präsidenten von Berg1 über den dermaligen Standpunkt der hohen Bundesversammlung ist durchaus nicht zu verkennen. Eben so einleuchtend ist es aber auch, daß sie auf diesem Standpunkte unmöglich lange und noch vielweniger für alle Zeiten bleiben kann und darf. Ich finde mich daher geneigt und berufen der vortrefflichen, auf ein baldiges Fortrücken gerichteten Entwickelung des Großherzogl. Mecklenburgischen Herrn Ministers2 beyzutreten und rechtfertige dies mit folgenden Gründen. Die Bundesakte hat es uns Art. 6 zur Pflicht gemacht, die organischen Einrichtungen des deutschen Bundes zu berathen, sie hat Art. 10 von uns gefordert, daß wir es als unser erstes Geschäft ansehen sollen, die Grundgesetze des Bundes in Betreff der innern Verhältnisse Deutschlands zu verfassen.3 Dadurch ist die Bahn geöffnet, diejenigen Lücken auszufüllen, welche der Drang der Umstände in Wien bey den Berathungen über die deutsche Bundesverfassung übrig lassen mußte. Daß es schon damals allgemeiner Wille war, die deutschen Völker über ­ihren Rechtszustand durch möglichst vollkommene Sicherung desselben zu beruhigen, kann keinem Zweifel unterliegen. Der 12. Art. welcher für die ­Anordnung der höchsten Instanz in den kleineren Staaten sorgt; der 13. Art., welcher allen Deutschen landständische Verfassungen sichert, der Art. 18, welcher sich über mehrere den Unterthanen in ganz Deutschland bewilligte Rechte verbreitet, lassen darüber keinen Zweifel.4 Was würde insbesondere die Aufsicht des Bundes auf das Bestehen der Gerichte nützen, wenn der Bund nicht zugleich darauf achten dürfte und müßte, daß den Deutschen keine Hindernisse in den Weg gelegt werden, vor solchen Gerichtshöfen Recht zu suchen und zu finden? 1 Vgl. Dok. 104. 2 Vgl. Dok. 103. 3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1510 f. (Artikel 6) u. 1512 (Artikel 10). 4 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513 (Artikel 12 und 13) u. 1516 f. (Artikel 18).

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Wäre aber auch durch die Bundesakte selbst nicht schon der Beruf gegeben, und sogar die Pflicht auferlegt, durch weitere Bestimmungen dafür zu sorgen, daß die Deutschen in allen Landen deutscher Nation gegen Willkühr gesichert und völlig gewiß seyen, daß ihnen rechtliches Gehör nirgends versagt werden dürfe, so würden doch der Geist der Zeit und die unverkennbare öffentliche Meinung diese Sorge nothwendig von uns fordern. Es ist nicht zu läugnen, daß grade der Haß gegen Gesetzlosigkeit und Gewalt ohne Recht, die Deutschen zu dem hohen Grade des Muthes und der Aufopferung alles dessen, was ihnen das Theuerste war, entflammt hat, wodurch sie allein im Stande waren die Ehre und die Freiheit ihres Vaterlandes wieder zu erkämpfen, und daß sie als wohlverdienten Lohn ihrer in der Geschichte nie ver­ löschenden Anstrengung, einen völlig gesicherten Rechtszustand erwarten. Es ist nicht zu verkennen, daß sie zu dem deutschen Bunde und seinen Berathungen kein Herz und kein Vertrauen fassen werden, so lange nicht dessen innere Verfassung ihnen diese Sicherheit gewährt. Und was könnte die Regierungen abhalten, diesen unverkennbaren, heißen und billigen Wunsch zu gewähren? Dem gerechten Landesherrn kann es weder beschränkend noch gefährlich erscheinen, wenn die Bundesversammlung befugt ist, Beschwerden über Kabinetsjustiz oder verweigertes Richteramt zu hören; und daß ungebührliche Klagen nicht leichtsinnig angenommen werden, wird schon durch das eigene Interesse aller Bundesglieder verbürgt. – Ja, man darf mit Sicherheit annehmen, daß bey den hohen Gesinnungen deutscher Regenten und bey dem Schutze, den schon die künftige Preßfreiheit gewähret, die der Bundesversammlung gestattete Sorge für das rechtliche ­Gehör der Deutschen, bloß durch ihr Daseyn und fast ohne alle Thätigkeit, die wohlthätigsten Folgen haben werde.

106. Nachträgliche Abstimmung Martens’ über die Kompetenz der Bundesversammlung bei eingehenden Anträgen und Reklamationen

ProtDBV 1816, 5. Sitzung vom 21. November 1816, Beilage 9, S. 78. Abstimmung. Druckfassung.

Der Umfang der Kompetenz der Bundesversammlung wird nach Anleitung der Deutschen Bundesakte durch organische Gesetze festgesetzt werden müssen. Man wird dabei weder bei dem stehenbleiben können, was die Bundesakte wörtlich bezeichnet, noch der Bundesversammlung alles das beilegen können, was sich aus dem Begriff eines Bundesstaats folgern ließe. Der Deutsche Bund ist ein Staatenbund, dessen Zwecke und Attribute eine fernere Entwicklung erfordern, die der Bundesversammlung unter Zustimmung der Höfe überlassen ist. Plädoyer Martens’ für eine schritt-

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Nachträgliche Abstimmung Martens’ über die Kompetenz

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weise Entwicklung auf der Basis von konkreten Herausforderungen und Erfahrungen anstelle einer theoretischen Festlegung des ganzen Umfangs der Befugnisse des ­Bundes. Eingehende Anträge und Reklamationen sollen deshalb wie bisher einer vorläufigen Prüfung unterzogen werden und bei dieser Gelegenheit in vertraulichen Beratungen über die Grenzen der Kompetenz der Bundesversammlung ein Austausch der eigenen Ideen darüber stattfinden.

Frankfurt am Main, 21. November 1816 Nachträgliche Abstimmung des Königlich Hannövrischen Herrn Gesandten. Unstreitig wird durch organische Gesetze die Competenz der Bundesversammlung nach Anleitung der Bundesakte1 näher festgesetzt werden müßen, und man wird dabey weder auf der einen Seite allein bey dem stehen bleiben können, was die Bundesakte wörtlich bezeichnet, noch auch auf der andern Seite alles das der Bundesversammlung beylegen wollen, was nur aus dem Begriffe eines Bundesstaats, der eine gemeinsame höchste Gewalt voraussetzt, sich folgern ließe, da vielmehr in diesem Sinne Deutschland jetzt nicht für einen Bundesstaat, sondern für einen Staatenbund zu halten ist; aber für einen Staatenbund, dessen Zwecke und Attribute zwar in der Bundesakte schon vorgezeichnet sind, aber noch eine fernere Entwickelung erfordern, die der Bundesversammlung unter der Zustimmung ihrer Höfe überlassen ist. Aber schon jetzt damit anzufangen, theoretisch den ganzen Umfang der Befugnisse des Bundes festzusetzen, und bis man sich darüber zu einem Gesetz vereiniget haben wird, die einzelnen an den Bundestag gelangenden Reclamationen, die nicht ganz evident anzunehmen oder abzuweisen sind, sondern bey deren Zuläßigkeit Zweifel entstehen mögen, unerörtert ruhen zu lassen, scheint mir nicht rathsam. Vielmehr wenn man auf dem bisher schon eingeschlagenen Wege fortführe, die einkommenden Anträge einer vorläufigen Prüfung zu unterwerfen, damit die Bundesversammlung beurtheilen könne, welche derselben sie unbedenklich zulassen oder abweisen müsse, und über welche derselben sie erst die Instructionen der Höfe erwarten müße, ehe sie sich über ihre Competenz ausspräche; so würde dieses vielleicht ein besserer Weg seyn, um ein künftig darüber zu entwerfendes allgemeines organisches Gesetz vorzubereiten, als wenn man jetzt schon alles zum voraus auf allgemeine Grundsätze zurückzuführen versuchen wollte, wobey man Gefahr laufen würde, der Sache entweder zu viel oder zu wenig zu thun, und entweder über die Festsetzung dieser Grundsätze oder über die künftige Anwendung derselben in Schwierigkeiten zu gerathen, die den Gang der Geschäfte 1 Vgl. Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815, QGDB I/1, Dok. 250, S. 1503−1518.

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Frankfurt am Main, 7. Dezember 1816

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mehr hemmen als befördern würden. Manches wird erst der Erfahrung überlassen werden müssen und diese erst näher die Bedürfnisse an die Hand geben, welche befriediget werden müssen, wenn der große Zweck des Bundes vollständig erreicht und der Bundesakte die Entwicklung21gegeben werden soll, der sie unstreitig noch bedarf, ohne sich dadurch von den Grundsätzen, die sie feststellt, zu entfernen. Alles dieses verhindert jedoch nicht, daß man schon jetzt und eben bey Gelegenheit der einkommenden einzelnen Anträge in vertraulichen Berathungen über die Grenzen der Competenz der Bundesversammlung seine Ideen auswechseln und eben dadurch die einzuholenden Instructionen vorbereite, in welcher Hinsicht ich in Betreff der mir von der Commission zugetheilten einzelnen Eingaben, meine Ansicht in einer der nächsten Sitzungen vorzulegen mir vorbehalte. Martens

107. Hach an Curtius

AH Lübeck, Altes Senatsarchiv: Deutscher Bund, A 14, Fasz. 1. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 11. Dezember 1816.

Die Kompetenz der Bundesversammlung ist der wichtigste Gegenstand bei denjenigen Bundestagsgesandten, denen die Hoffnungen der Deutschen am Herzen liegen. Die Unterscheidung von Staatenbund und Bundesstaat hält man allmählig für Wortklang. Deutschland gewinnt in dem Maße, in dem der Bund sich einem Gemeinwesen unabhängiger Staaten nähert. Für die Gesandten der Freien Städte würde die Instruktion zweckmäßig sein, in allen Angelegenheiten dahin zu wirken, daß die Deutschen als Nation erscheinen, und aus der Verbindung der einzelnen Staaten den möglichst größten Vorteil auch in Rücksicht auf ihren Rechtszustand zu ziehen. Eine solche der öffentlichen Meinung entsprechende Anweisung ist aus Hamburg, wo noch sehr isolierte Ideen vorherrschen, jedoch kaum zu erwarten. Lob für Gagern, Eyben, Plessen u. a., die über selbst entworfene Vorschriften verfügen, persönliches Vertrauen genießen und das Gute befördern, während andere Bundestagsgesandte wachsam, ängstlich und durch Vorschriften eingeengt agieren müssen.

XXIV.



Frankfurt am Main, 7. Dezember 1816

Noch immer ist der Vortrag des Herrn v. Gruben über das Reichskammer Gerichts Personal nicht ausgetheilt1;2doch darf man es heute erwarten. Ich sende 2 Emendiert. Vorlage: Entwicklnng. 1 Vgl. ProtDBV 1816, 7. Sitzung vom 28. November 1816, § 30, S. 106 f. u. Beilage 21, S. 111−142.

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Hach an Curtius

Nr. 107

sowohl diesen Vortrag, als die letzten Protocolle nebst den Anlagen mit der fahrenden Post, sobald alles eingegangen ist, und bitte insbesondere die ­Instruction über jenen Gegenstand möglichst vorzubereiten, damit sie bald ­erfolgen könne. Dem Vernehmen nach hat die Rede des Herrn v. Gagern bey Gelegenheit des interessanten Weimarschen Antrages wegen der Constitu­ tion23hie und da, namentlich auch bey Preussen, Unruhe erregt. Das Protocoll unsrer Conferenz vom 3ten d.34lege ich in Abschrift bey, und beziehe mich darauf in Rücksicht derjenigen Gegenstände, worüber bis jetzt Instruction erforderlich ist. Die Conferenzen werden nun öfter statt­ finden, besonders auch um möglichst gleichförmige Instructionen vorzubereiten. Die 500 fl. an die Bundes Canzley sind gegen Quitung bezahlt. Vorgestern verging eine lange Zeit der Sitzung mit der Verlesung des ausführlichen und wichtigen Protocolls der vorigen Sitzung. Dann kam ausser mehreren Anzeigen von Einschüssen zur Bundes Canzley nichts vor, als zwey Referate, die ich zu erstatten hatte, wegen des Herzogthums Bouillon. Mein Antrag, daß der neue Prätendent mit seinem hierher nicht gehörigen Anspruche abgewiesen, ihm auch im Protocoll das Prädicat Herzog von Bouillon ferner nicht beigelegt werde, wurde angenommen. Nach verlesener Relation sagte ich ungefähr folgendes: Mündlich glaube ich noch anregen zu müssen, daß die Vorstellung in französischer Sprache übergeben ist. Es dürfte der Würde dieser hohen Versammlung, der Ehre der Nation, und dem großen Werthe der deutschen Sprache angemessen seyn, desfalls für die Zukunft einen Beschluß zu fassen. Worauf einstimmig beschlossen wurde, künftig nur Eingaben in deutscher Sprache anzunehmen.45– 2. wegen des Grafen von Mörchingen, Freiherrn v. Helmstatt, welcher um Verwendung bey der französischen Regierung wegen des durch Nichterfüllung des Lüneviller Friedens erlittenen Schadens bat. Ich entwickelte, daß der Bund jeden Deutschen gegen Rechtsverletzungen auswärtiger Mächte in Schutz zu nehmen schuldig sey, daß der Einzelne sich aber zunächst an seine Regierung wenden, und es ihr überlassen müsse, ob sie die Verwendung für zuläßig halte, und solche unmittelbar oder durch den Bund eintreten lassen wolle. Meinem Antrage gemäß ward zwar die Verweisung an den Landesherrn beschlossen, jedoch sogleich beliebt, in den Berichten die Sache den Höfen zur Fürsprache zu empfehlen.56 2 Vgl. ProtDBV 1816, 8. Sitzung vom 2. Dezember 1816, § 35, S. 151−153. 3 Vgl. „Protocoll zur Conferenz der vier städtischen Herren Gesandten zum Bundestage“, Frankfurt am Main, 3. Dezember 1816, StA Hamburg, 132-5/5, I a 3. 4 Vgl. ProtDBV 1816, 9. Sitzung vom 5. Dezember 1816, § 44, S. 173 u. Beilage 29, S. 175−177. 5 Vgl. ProtDBV 1816, 9. Sitzung vom 5. Dezember 1816, § 45, S. 173 u. Beilage 30, S. 177−179.

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Die Competenz des Bundestages ist noch immer bey den meisten Gesandten, besonders bey denen, welchen die Hoffnungen der Deutschen am Herzen liegen, der wichtigste Gegenstand des Nachdenkens, der Unterhaltung und ausführlicher Berichte. Die Unterscheidung von Staatenbund und Bundesstaat hält man allmälig für Wortklang. Die Wahrheit und das Rechte liegen offenbar in der Mitte, wenn es gleich noch keinen eigentlichen Namen dafür giebt. Unläugbar gewinnt Deutschland in dem Maaße, in welchem der Bund sich einem Gemeinwesen unabhängiger Staaten nähert. Daher will es mir scheinen, daß besonders für die Gesandten der freyen Städte die Instruction zweckmäßig seyn würde, in allen vorkommenden Fällen dahin zu streben, daß die Deutschen überhaupt als eine Nation erscheinen, und aus der Verbindung der einzelnen Staaten unbeschadet der Individualität und Selbstständigkeit derselben den möglichst größten Vortheil besonders auch in Rücksicht auf ihren Rechtszustand ziehen. Eine solche der öffentlichen Meinung entsprechende Anweisung möchte indessen wol von Hamburg, wo dem Vernehmen nach sehr isolirende Ideen herrschen sollen, kaum zu erwarten seyn. Allmälig nimmt man wahr, wie es hier um die Instructionen der einzelnen Gesandten steht. Diejenigen, welche selbst entworfene allgemeine Vorschriften haben, und persönliches Vertrauen in vorzüglichem Maaße genießen, sprechen sich bey jeder Gelegenheit herrlich aus, und fördern das Gute; ich nenne nur Gagern, von Eyben, von Plessen pp.; andere dagegen sind wachsam und ängstlich, und eben daher in der traurigen Lage sich oft vor Welt und Nachwelt schlimmer darstellen zu müssen, als sie zum Theil selbst möchten. – Hoffentlich wird allmälig das Gute siegen; die Städte sind unstreitig berufen und im Stande dazu mitzuwirken. Hach N. S. So eben gehen die Beilagen zum 7ten Prot. – 10 gedruckte Bogen stark – ein.67 Den fortgesetzten Auszug des Catalogi Exhibitorum78lege ich bey.

6 Vgl. ProtDBV 1816, 7. Sitzung vom 28. November 1816, Beilagen 21−24, S. 111−147. 7 Catalogus Exhibitorum (lat.): Verzeichnis eingereichter Schriften.

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Smidt über die Reihenfolge der übertragenen Geschäfte

Nr. 108

108. Smidt über die Reihenfolge der durch die Deutsche Bundesakte der Bundesversammlung übertragenen Geschäfte

StA Bremen, 2-M.3.b.3.b.2.b.1. Gutachtliche Äußerung. Reinschrift (= Anlage D zum Bericht Smidts No. 107 an Gröning, Frankfurt am Main, 7. Dezember 1816, und Anlage G zum Bericht Smidts No. 109 an Gröning, Frankfurt am Main, 16. Dezember 1816).

Die Bundesakte ist nicht das Grundgesetz des Deutschen Bundes, sondern nur der Grundvertrag über denselben. Der erste Abschnitt der Bundesakte (Artikel 1−11) enthält den Sozietätskontrakt und die Konstitution des Deutschen Bundes, d. h. die Regeln über die Verteilung der Gewalt und des Einflusses im deutschen Gemeinwesen, das richtigerweise als deutsche Staatenrepublik bezeichnet werden sollte. Konstitution und Gesetzgebung sind wesentlich verschieden: erstere gibt nur die Mittel und die Formen an die Hand, um auf geregeltem Weg zu der letzteren zu gelangen; die Verfassung ist dazu da, daß ein gemeinsames Wirken ordnungsgemäß zustande komme. Der zweite Abschnitt der Bundesakte (Artikel 12−20), welcher die besonderen Bestimmungen enthält, bezeichnet die erste Arbeit der bereits konstituierten Bundesversammlung. Diese hat sich nach Anleitung der Bundesakte mit folgenden Materien zu befassen: 1. der Abfassung organischer Gesetze und Einrichtungen im Hinblick auf die auswärtigen, militärischen und inneren Verhältnisse des Bundes; 2. der Abfassung der Grundgesetze des Bundes; 3. der fortlaufenden Gesetzgebung, welche durch Vereinbarung über gemeinnützige Anordnungen erwächst; 4. der fortwährenden Besorgung der Angelegenheiten des Bundes überhaupt, welche durch die fortlaufende Gesetzgebung des Bundes weiter erwachsen werden. Beispiele für organische Gesetze, organische Einrichtungen und Grundgesetze des Bundes. Die Bundesakte ist kein abgeschlossenes Ganzes und enthält auch keinen ersten vollständigen Abriß der zur Erreichung des Bundeszwecks vorzunehmenden Arbeiten. Erst nach Abfassung der Grund- und organischen Gesetze des Bundes kann sinnvollerweise über die Reihenfolge der weiter vorzunehmenden speziellen Arbeiten, wofür einige Beispiele aufgeführt werden, geredet werden. Die organischen und Grundgesetze des Bundes greifen so ineinander, daß man einzelne nicht herauslösen kann. Notwendige Vorarbeiten für die Abfassung der organischen Gesetze und Einrichtungen.

Anl. D ad lit. No 107 v. 7. Dec. 1816

[Frankfurt am Main, 7./16. Dezember 1816]

Welche Reihenfolge der Vornahme der durch die Bundesacte vorgeschriebenen Verhandlungen geht aus dem Geiste und der Consequenz des durch diese Acte begründeten Verhältnisses hervor? Ehe sich deshalb specielle Ansichten aufstellen lassen, bedarf es einer nähern Verständigung über die gegenwärtige Lage und weitere Ausbildung des deutschen Bundes. Man scheint nachgerade immer mehr in den Irrthum zu gerathen, die Bundesacte schon für das Grundgesetz des deutschen Bundes zu nehmen, da sie doch nur der Grundvertrag über denselben ist und seyn sollte.

Nr. 108

Frankfurt am Main, 7./16. Dezember 1816

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Dies gilt namentlich von den unter der Ueberschrift: Allgemeine Bestimmungen enthaltenen eilf ersten Artikeln derselben1, welche den Societätscontract, und die Constitution des deutschen Bundes, oder mit andern Worten, die Regeln über die Vertheilung der Gewalt und des Einflusses, in Betreff dieses deutschen Gemeinwesens enthalten, welches man, nachdem der Zwist über seine Bezeichnung als Staatenbund oder als Bundesstaat, beseitigt und vergessen worden, und wenn man sich anders vor dem Namen nicht fürchtet, künftig einmal und vielleicht am richtigsten, die deutsche Staaten Republik nennen dürfte. Constitution und Gesetzgebung sind aber wesentlich verschieden; die erste giebt nur die Mittel und die Formen an die Hand, um auf einem geregelten Wege zu der letzteren zu gelangen; die Verfassung ist nicht um ihr[er] selbst willen da, sondern damit sie zu etwas führe, damit ein gemeinsames Wirken ordnungsmäßig zu Stande komme. Dies gemeinsame Wirken begann schon in Wien, und der zweite Abschnitt der Bundesacte, welcher die besondern Bestimmungen enthält2, ist mit Recht auch dort schon als die erste Arbeit der bereits constituirten Bundesversammlung angesehen worden. Auch ist diese Arbeit keinesweges als eine vollendete, sondern vielmehr nur als eine unterbrochene zu betrachten, wie denn auch der flüchtigste Blick auf den Inhalt der unter den besonderen Bestimmungen enthaltenen Artikel schon ergiebt, daß sie nur ein Verzeichniß theils halb, theils ganz fertiger Arbeiten, und selbst zum Theil nur von Planen, Umrissen und Angaben zu weiteren Arbeiten enthalten, von denen man, weil die Werkstätte gestört, und für eine Zeitlang unterbrochen werden mußte, nur ein Inventarium aufnahm, was jeder als richtig unterzeichnen mußte, damit jeder Einzelne dadurch das Recht erhalte, bey der Fortsetzung und Vollendung der Arbeit, nach Beendigung der eingetretenen Störung, auf Beyhülfe und Theilnahme aller übrigen rechnen zu dürfen. Aber auch der constituirende Theil der Bundesacte, ist durch die Vereinbarung über die in den eilf ersten Artikuln enthaltenen allgemeinen Bestimmungen, nicht als vollendet betrachtet worden, sondern diese Vereinbarung trägt nicht nur den nemlichen Character einer in der Werkstätte unterbrochenen, nur halb fertig gewordenen Arbeit, sondern er wird auch ausdrücklich und wiederholt in der Bundesacte selbst anerkannt. Man war so weit entfernt, die B. A. selbst schon für das organische Grundgesetz des deutschen Bundes zu halten, daß der 10te Artikel derselben die Abfassung der Grundgesetze 3des Bundes3 (nicht der Bundesversammlung) und dessen4 organische ­Einrichtung 1 Vgl QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508–1512. 2 Vgl QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513–1517. 3–3 Doppelt unterstrichen. 4 Doppelt unterstrichen.

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Smidt über die Reihenfolge der übertragenen Geschäfte

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in Rücksicht auf seine auswärtigen, militärischen und innern Verhältnisse, der Bundesversammlung ausdrücklich zu ihrem ersten Geschäfte vorschreibt. – Gerade wie die Bundesversammlung einer vorläufigen Geschäftsordnung bedurfte, um überall nur ordnungsmäßig zu einer definitiven gelangen zu ­können, gerade so bedurfte der Bund einer vorläufigen Constitution, um ordnungsmäßig eine definitive zu erhalten. Diese vorläufige Constitution aber gilt eben wie die vorläufige Geschäftsordnung als allgemein verbindliches Gesetz, bis durch freye Uebereinstimmung weitere Ausbildung oder Abänderung erfolgt. Dies ist die wahre Lage der Sache, und wir dürfen, wenn wir anders durch eigne Kraft und Selbstbestimmung aus der Stelle vorwärts rücken, und nicht etwa lieber abwarten wollen, was der Drang unvorhergesehener Begebenheiten aus dem Bunde machen werde uns darüber nicht täuschen, eben so wenig aber darf eine solche richtige Ansicht des bestehenden Verhältnisses uns zu der Besorgniß verleiten, dadurch eine Schwäche desselben zu verrathen, vor deren Mißbrauch wir uns zu fürchten hätten. Die Zeit der Unmündigkeit der Völker ist vorüber, in welcher die Gesetzgeber sich unsichtbar machen mußten, um ihren Anordnungen Heiligkeit und Dauer zu verschaffen. Uns braucht kein Moses5 auf dem Berge zu verschwinden, kein Lykurg6 nach Creta zu entweichen, – wir sind und bleiben alle bey einander! Auch muß jede Besorgniß eines solchen Mißbrauchs schon dadurch verschwinden, daß bey allem, was jener Ansicht zufolge noch weiter zu thun seyn dürfte, die leitende Norm doch keine andere seyn kann, als der im 2t[en] Artikel der B. A.7 angegebene Zweck des ganzen Bundes, die Erhaltung der äußern und innern Sicherheit Deutschlands, und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten. Eine gleiche Beruhigung geht aus den Bestimmungen des 7t[en] Artikels der B. A.8 hervor. 5 Im Alten Testament überlieferter Stifter der Jahwereligion als des Bundes zwischen Gott und dem Volk Israel aus dem Stamm Levi. Danach wurde Moses als neugeborenes Kind ausgesetzt, von einer Tochter des Pharao gerettet und als ägyptischer Prinz erzogen, bevor er schließlich nach Midian fliehen mußte. In der Wüste der Midianiter habe ihn Gott Jahwe dann beauftragt, sein versklavtes Volk aus Ägypten zu führen, und ihm am Berg Sinai die Zehn Gebote geoffenbart. Nach dem Ungehorsam des Volkes führte er die Hebräer 40 Jahre durch die Wüste und starb noch vor dem Erreichen des Gelobten Landes auf dem Berg Nebo gegenüber von Jericho. Vgl. Der Kleine Pauly, Bd. 3. Sp. 1436−1438; DNP, Bd. 8, Sp. 416−418; TRE, Bd. 23, S. 330−357. 6 Legendärer Stifter der spartanischen Verfassung, der auf Reisen das politische Leben in I­ onien, Ägypten und besonders auf Kreta studierte. Nach Abschluß seines Werks verließ er Sparta und begab sich schließlich nach Delphi, wo er durch Suizid starb. Vgl. Der Kleine Pauly, Bd. 3, Sp. 823; DNP, Bd. 7, Sp. 579 f. 7 Vgl QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508. 8 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511.

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Nach diesen Voraussetzungen hätte also die B. V., welche nach Art. 4 der B. A.9 die Angelegenheiten des Bundes zu besorgen hat, sich nach Anleitung der B. A. überhaupt zu befassen a) Mit Abfassung organischer10 Gesetze und Einrichtungen, (Siehe Art. 7, 8 u. 10 der B. A.) welche die auswärtigen, militärischen und innern Verhältnisse des Bundes berücksichtigen. b) Mit Abfassung der Grundgesetze des Bundes (S. Art. 6, 7, 10 der B. A.). c) Mit einer fortlaufenden Gesetzgebung, welche durch Vereinbarung über gemeinnützige Anordnungen, (S. Art. 6 der B. A.) erwächst, wo solche denn aber durch solche einstimmige Verabredungen in allen Bundesstaaten volle und gleiche Gesetzeskraft erhalten. d) Mit fortwährender Besorgung der Angelegenheiten des Bundes überhaupt (Art. 4 der B. A.) welche theils im Allgemeinen aus dem Art. 2 der B. A. geschilderten Zweck desselben hervorgehen, theils durch die verschiedenen speciellen Vorschriften der Bundesacte, und der Wiener Congreßacte (S. Art. 46)11 erwachsen sind, und durch die fortlaufende Gesetzgebung des Bundes weiter erwachsen werden. Zur Verständigung über das, was unter jede dieser vier verschiedenen Ab­ theilungen zu rechnen sey, dürfte die Anführung einiger Beispiele behülflich seyn. Die Abfassung organischer Gesetze und Einrichtungen, wird von der Abfassung der Grundgesetze des Bundes, in der Bundesacte ausdrücklich unterschieden (S. Art. 6, 7, 8 u. 10). – Ob man diesen Unterschied absichtlich und mit logischer Bestimmtheit hat aufstellen wollen, oder ob es sich zufällig so gemacht habe, dürfte jetzt schwer auszumitteln seyn. Er steht indeß einmal da, und die B. V. kann eine authentische Interpretation12 nur von sich selbst begehren und erhalten. Auch führt die innere Vortrefflichkeit und Gediegenheit unserer Sprache, selbst wenn der gemeine und gesunde Verstand sich ihrer Ausdrücke ohne bestimmte Absicht sorgfältiger Auswahl zu bedienen scheint, bey näherer Erörterung oft auf dem geradesten Wege zu einer richtigen Sonderung der Begriffe. So dürfte auch hier dieser Unterschied, auch wenn er deutlicher hätte angegeben werden können, dennoch nicht zu verwerfen, sondern allerdings beyzubehalten seyn.   9 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1509. 10 Doppelt unterstrichen. 11 Gemäß Artikel 46 der Wiener Kongreßakte gehörten Streitigkeiten über die Aufstellung und Handhabung der Frankfurter Verfassung vor den Bundestag und konnten nur von diesem entschieden werden. Vgl. Acte du Congrès de Vienne du 9 Juin 1815, avec ses Annexes, S. 42 f. 12 Emendiert. Vorlage: Interportation.

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Smidt über die Reihenfolge der übertragenen Geschäfte

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Die organischen Gesetze des Bundes sind freylich auch Grundgesetze, aber es giebt auch Grundgesetze des Bundes, welche darum keine organischen sind. Zu den organischen Gesetzen dürften nemlich die zu rechnen seyn, welche das Wesen des Bundes als Bund ausmachen, wodurch derselbe Leben und regelmäßige Beweglichkeit erhält; z. B. die Festsetzung gleicher Rechte, die Verbindung zu Schutz und Trutz, die wechselseitige Garantie, die Schlichtung der Streitigkeiten durch den Bund, die Stimmenvertheilung, das erforderliche Zahlenmaaß der Einstimmung zur Fassung eines gültigen Beschlusses in den verschiedenen Fällen, der Vorsitz Oesterreichs, die Permanenz an einen bestimmten Ort, u. dgl. mehr. Zu der organischen Einrichtung gehört die Anwendung der organischen Gesetze (daß man die Verhältnisse, welche dabey in Frage kommen sollen, im 10t[en] Art. der B. A. in die auswärtigen, militärischen und innern ab­ getheilt hat, ist nicht mit gehöriger logischer Bestimmtheit geschehen; denn wenn man diese Verhältniße in die innern und auswärtigen abtheilt, so umfaßt dieser Gegensatz im Grunde alles, und die militärischen Verhältnisse können nur als eine Subsumtion der innern Verhältnisse genannt werden). Kraft solcher organischen Einrichtung wird z. B. näher zu bestimmen seyn, wieviel Truppen im Fall eines Krieges jeder Bundesstaat zu stellen hat, welche Militärmacht in Friedenszeiten auf den Beinen zu erhalten, wie die Austrägal­ instanz näher einzurichten, wie im Falle von innern Unruhen, welche der Staat den sie betreffen, durch eigne Kraft nicht bändigen kann, zu verfahren sey u. dgl. mehr. Als Grundgesetze des Bundes, welche zur Sicherung und Beförderung des Zweckes desselben nöthig erachtet sind, aber doch nicht zum eigentlichen Organismus desselben gehören, dürfte sich z. B. classificiren lassen, das Gesetz, daß in allen Bundesstaaten eine landständische Verfassung statt finden solle, daß in allen Bundesstaaten Gerichte dritter Instanz seyn sollen, die Verfügungen zur Begründung eines allgemeinen deutschen Bürgerrechts, welche im 18t[en] Art. der B. A.13 angegeben worden, und andere mehr. Die weiteren Gesetze des Bundes, welche durch freye Vereinbarung über die gemeinschaftliche Verfügung gemeinnütziger Anordnungen gegeben werden dürften, werden von den Grundgesetzen des Bundes wesentlich zu unterscheiden seyn, wenn man anders nicht ohne sehr große Schwierigkeiten zu solchen Gesetzen gelangen will, und dieser Unterschied dürfte vielleicht erst durch Abfassung eines desfallsigen, bis jetzt noch nicht gehörig bestimmten organischen Gesetzes sich deutlich ergeben. Dieses organische Gesetz würde nemlich eine Bestimmung darüber aussprechen müssen, welche Stimmen13 Vgl QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516 f.

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mehrheit erfordert werden soll, wenn eine solche gemeinschaftlich beliebte gesetzliche Anordnung, entweder für alle oder für einen einzelnen Staat, dessen individuellen14 Verhältnissen die Praxis derselben nicht zusagt, wieder aufgehoben werden soll; denn Art. 7 u. 8 der Bundesacte15 erwähnen bloß der Abänderung von Grundgesetzen des Bundes, und sprechen im Uebrigen nur von Beschlüssen, die freylich auch auf eine Abänderung gerichtet seyn können, welches indeß doch nicht deutlich daraus hervorgeht. – Gemeinnützige Vereinbarung der Art könnte sich, wenn man es nicht gar zu schwierig machte, im Falle nachtheiliger Folgen für einen einzelnen Staat derselben wieder entledigt zu werden, für mehrere Civil- und Administrationsgesetze und Anordnungen denken lassen, z. B. gleiche Wechselordnung, gleiche Maaß und Gewichte, Wagengeleise u. dgl. mehr. Die fortwährende Besorgung der Angelegenheiten des Bundes, begreift nicht bloß die Erledigung der einzelnen durch die Bundesacte gegebenen Aufträge, und die Entscheidung über die an die Bundesversammlung gelangenden Eingaben, sondern dieser Geschäftskreis wird bey einem lebendigeren Auffassen des Zweckes des Bundes, noch manche Erweiterung erhalten, welche, wenn auch nicht ausdrücklich durch die Bundesacte vorgeschrieben, doch aus dem Geiste derselben hervorgehen, und durch nähere Festsetzung und Ausbildung organischer Gesetze und Einrichtungen, so wie der Grundgesetze des Bundes, heller ins Licht treten wird. Wenn z. B. die Bundesacte Art. 12 die Etablirung von Gerichten dritter Instanz, und Art. 13 die Existenz einer landständischen Verfassung in allen Bundesstaaten vorschreibt, so hat es doch nicht die Meinung seyn können, daß dieses irgend einmal vor dem jüngsten Tage der Fall seyn solle, sondern die B. V. wird, wenn sie anders ihrem Auftrage, die Angelegenheiten des Bundes zu besorgen, entsprechen will, genöthigt seyn, sich über irgend einen Termin, wo diese Einrichtungen im Reiche der Wirklichkeit vorgefunden werden sollen, auszusprechen, und darauf zu achten daß solchem Beschlusse gemäß gelebt werde. Mit Recht, stellte H. v. Gagern in seinem Schreiben an den Fürsten Metternich die Frage auf: „Ist es nicht allgemeiner Grundsatz, daß das, was die Bundesacte einräumt, auch an die Versammlung als Wächter gehört, und von ihr zu entscheiden ist?“16 – Oestreich ist bereits in die bejahende Beantwortung dieser Frage eingegangen, indem es in seinem Vortrage in der zweiten Sitzung, ausdrücklich erklärt:

14 Emendiert. Vorlage: inviduellen. 15 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511 f. 16 Vgl. Dok. 9, S. 52.

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„die dankbarlichst zu verehrende Vorsorge17 des Art. 12 für die dem Deutschen heilige wohlgeordnete Justizpflege in kleineren deutschen Gebieten, legt uns die schöne Pflicht auf, die Vollziehung dieses Artikels in Berathung zu ziehen.“18 und die übrigen Bundesstaaten haben dann nicht widersprochen, sondern im Gegentheil durch ihre allgemeine Billigung des östreichischen Vortrags, auch diese Ansicht beyfällig aufgenommen. Auf welche Weise diese Theorie sich näher ausbilden wird, läßt sich noch nicht absehen; aber es ist einleuchtend, daß wenn die Bundesacte ausdrücklich ausspricht, daß die Angelegenheiten des Bundes durch die Bundesversammlung besorgt werden sollen, der Umfang dieser Angelegenheiten sowohl, als die Art und Weise dieser Besorgung, dem Geiste der Bundes­acte gemäß in die Reihe der Gegenstände fällt, deren Berathung und Verhandlung schon durch die Bundesacte selbst veranlaßt wird. [Fortsetzung] Anl. G ad lit. No 109 d. 16. Dec. 1816 [Frankfurt am Main, 16. Dezember 1816] Hat es nun mit diesen allgemeinen Bemerkungen seine Richtigkeit, ist die Bundesacte noch kein abgeschlossenes Ganzes, ist sie noch nicht einmal ein erster vollständiger Abriß der zur Erreichung des angegebenen Bundeszweckes vorzunehmender Arbeiten, enthält sie vielmehr nur ohne Ordnung und durchgreifende Regelmäßigkeit, gesammelte und gewissermaaßen in einem Inventario verzeichnete Materialien dazu, – so ergiebt sich von selbst, daß die Frage: „In welcher Reihenfolge ist die Bearbeitung der durch die Bundesacte zu weiterer Berathung verstellten Gegenstände vorzunehmen?“ sich auf keine Weise zwekmäßig beantworten läßt, wenn man nicht zuvor die bey weitem wichtigere Frage aufstellt und beantwortet hat: „Durch welche gemeinschaftliche Beschlüsse und Anordnungen ist der Zweck des Bundes, die Erhaltung der äußern und innern Sicherheit Deutschlands und der Unabhängig­keit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten überhaupt zu erreichen?“ oder mit andern Worten: „Wie ist ein deutsches Gemeinwesen zu schaffen und einzurichten, welches die Erhaltung der äußern und innern Sicherheit Deutschlands ver-

17 Emendiert nach Dok. 100, S. 428. Vorlage: Vorfrage. 18 Vgl. Dok. 100, S. 428.

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bürgt, und zugleich die Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten sicher stellt?“ Demzufolge dürfte, wenn man auf den Geist der Bundesacte sieht, die simpelste Beantwortung der erstgedachten, der Commission19 zur Berichtserstattung aufgegebene Frage die seyn. Man thue vor allem, was die Bundesacte im 10t[en] Art.20 vorschreibt und lasse die Abfassung der Grundgesetze und organischen Gesetze [des] Bundes das erste Geschäft der Versammlung nach ihrer Eröffnung seyn. Erst wenn dies geschehen ist, kann vernünftiger Weise über Bestimmung einer Reihenfolge, der in Gemäßheit dieser organischen und Grundgesetze weiter vorzunehmenden speciellen Arbeiten geredet werden. Thut man das nicht, greift man im Gegentheil vor Abfassung der organischen und Grundgesetze, aus den besonderen Bestimmungen einzelne heraus, um sie zu erörtern, darüber Verlaß zu nehmen und Beschlüße zu fassen, so wird man nur Verwirrung veranlassen, und in jedem Augenblicke wieder darauf zurückkommen, daß man vor Abfassung der organischen und Grundgesetze nirgends festen Fuß hat, sondern gleichsam zwischen Erde und Himmel schwebt, und nicht weiß was man thun oder lassen soll. Bloß diejenigen einzelnen Gegenstände welche zu näherer Berichtigung nicht sowohl an den Bund, sondern vielmehr an die Bundesversammlung als an eine aus Individuen componirte commissarische Behörde verwiesen sind, z. B. die Art. 15 der B. A.21 erwähnte Regulirung des Sustentationswesens der überrheinischen Geistlichkeit, so wie die Art. 46 der W. C. A.22, der Bundesversammlung aufgetragene Schlichtung von Streitigkeiten, welche sich über die neue Frankfurtische Constitution erheben dürften, können als solche betrachtet werden, welche unbeschadet der noch ermangelnden Abfassung der organischen und Grundgesetze des Bundes sofort von der Versammlung vorgenommen werden können. Verkehrt muß es aber z. B. erscheinen, daß man schon über eine definitive Bundestags- oder Geschäftsordnung23 Verlaß genommen hat, ehe noch die organischen und Grundgesetze erörtert und beschlossen worden sind, da diese Bundestags oder Geschäftsordnung offenbar zu den organischen Einrichtun19 Zu Mitgliedern der Kommission zur Begutachtung der Reihenfolge der vorzunehmenden ­Geschäfte der Bundesversammlung wurden in der 4. Sitzung vom 18. November 1816 die Bundestagsgesandten Berg, Plessen und Eyben gewählt (vgl. ProtDBV 1816, § 10, S. 59 f.), die ihr Gutachten am 17. Februar 1817 vorlegten (vgl. Dok. 114). 20 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512. 21 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1515. 22 Vgl. Anm. 11. 23 Vgl. Dok. 65.

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gen24 gehört, welche durch die organischen Gesetze25 erst die Regel erhalten, in Gemäßheit derer sie anzuordnen sind. Denn wenn auch diese definitive Geschäftsordnung keine andere Gegenstände umfassen sollte, als welche bereits in der vorläufigen Geschäftsordnung angeregt sind, so muß doch z. B. durch ein organisches Gesetz erst bestimmt worden seyn, ob die Mediatisirten Stimmen im Pleno erhalten sollen oder nicht, ehe in der definitiven Geschäftsordnung gesagt werden kann, wieviel Stimmen in der Plenarversammlung erforderlich sind, um die gesetz­ mäßige zu einem gültigen Beschlusse ausgemittelt zu sehen. Die Bundesacte selbst geht von der Voraussetzung aus, daß die organischen Gesetze vorab abgefaßt seyn müßten, ehe an eine definitive Geschäftsordnung gedacht werden könne, indem sie Art. 8 ausdrücklich angiebt, daß die Berathung über die künftige als beständige Folge einzuführende Stimmenordnung, welche doch wesentlich zu einer definitiven Geschäftsordnung gehört, erst nach Abfassung der organischen Gesetze vorgenommen werden solle. Eine gleiche Voraussetzung findet auch nach Art. 7 der B. A. in Betreff der näheren Bestimmung wegen der Vertagung, und der während solcher vorzunehmenden Geschäftsbesorgung statt. Soll aber die definitive Geschäftsordnung auch über andere Gegenstände z. B. über die Form des Verfahrens bey Anwendung der Austrägalentscheidung sich aussprechen, was doch allerdings auch zur completen Normirung des Geschäftsganges gehört, so müssen über dieses Austrägalverfahren durchaus vorher noch weitere organische Gesetze gemacht, und namentlich über die im Weigerungsfalle eintretende Execution etwas gesagt seyn. Eine Verlaßnahme über die organische Einrichtung der militärischen Verhältnisse des Bundes erscheint ebenfalls noch zu früh, solange deshalb in den organischen und Grundgesetzen nicht einige nähere allgemeine Bestimmungen getroffen sind. Das Materiale der Bundesstaaten, welche die Kriegskräfte Deutschlands bilden muß man doch z. B. vorher vollständig kennen[,] es muß vorher bestimmt angegeben werden, welches dann die vormals zum deutschen Reiche gehörigen Besitzungen sind, mit welchen Oesterreich und Preußen dem Bunde beygetreten, da in dieser Hinsicht bekanntlich manches noch zweifelhaft ist. Bloß Dänemark hat in dieser Beziehung bisher gethan was von jenen billigerweise zu erwarten gewesen, und wozu sie, wenn es nicht bald von selbst geschieht, aufgefordert werden müßten, – indem es erklärt hat, daß es auch für Lauenburg dem Bunde beyzutreten wünsche26, wie denn solches auch 24 Doppelt unterstrichen. 25 Doppelt unterstrichen. 26 Vgl. Dok. 49.

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ohne Weiteres angenommen ist. – Der Ausdruck: vormals zum deutschen Reiche gehörigen Besitzungen ist überhaupt ganz unbestimmt, da kein terminus a quo27 angegeben worden. Es gab aber bekanntlich eine Zeit, wo man auch einen großen Theil der Lombardey zum deutschen Reiche zählte, woran zu denken doch hier gar nicht die Absicht gewesen seyn kann. Deßgleichen müßte ehe über die organische Einrichtung der Militärverhältnisse überhaupt berathen werden kann, doch vorher in den organischen Gesetzen des Bundes ein Grundsatz darüber ausgesprochen, welcher Maaßstab in Hinsicht der Bundesleistungen überhaupt statt finden solle, ob der der Population oder welche sonstige andere? und da die Population doch auf keinen Fall dabey unberücksichtigt wird bleiben dürfen, so dürfte die Verabredung der Eingabe genauer wo möglich an einem und dem nemlichen Tage aufzunehmender Populationslisten aller Bundesstaaten als vorbereitende Maaßregel vorab beschlossen und ausgeführt werden müssen. Die meisten speciellen Gegenstände worüber Berathung und Beschlußnahme durch die Bundesacte vorgeschrieben oder empfohlen worden, hängen28 so wesentlich von einer vorgängigen Abfassung der organischen und Grundgesetze ab29, daß man mit diesen ohne solche schwerlich aus der Stelle kommen wird. Die delikate Frage, welche so lange man sie auch zu umgehen sucht, doch am Ende einmal beantwortet werden muß, bleibt immer die: welche freywillig einzuräumende Modificationen der Souveränität, sind zur Erhaltung der äußern und innern Sicherheit Deutschlands unerläßlich? Ehe diese einigermaaßen gelöst ist, wird weder über den Handel noch über die Juden, noch über die Preßfreyheit, noch über die gleichen Grundsätze in Betreff der Militärpflichtigkeit schwerlich ein durchgreifender Beschluß gefaßt werden können; auch andere zum Theil noch weitere Fragen, wovon ich z. B. nur die eine anführen will: „In welchen Fällen darf ein deutscher Bundesstaat den Durchmarsch fremder Truppen durch sein Land gestatten?“ werden bis dahin ohne Zweifel unbeantwortet bleiben. Auch diejenigen besonderen Bestimmungen worüber sich die Bundesstaaten bereits vereinigt haben, und die nicht ausdrücklich durch die Bundesacte als Gegenstand weiterer Berathung und Beschlußnahme angeführt sind, z. B. ein Theil der Art. 18 der B. A. angeführten Vereinbarungen30, sind als Theile der organischen und Grundgesetze anzusehen, und müssen bey diesen in 27 Lat.: Anfangstermin. 28 Emendiert. Vorlage: hangen. 29 Emendiert. Vorlage: zusammen. 30 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516 f.

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g­ ehöriger Ordnung wieder aufgeführt werden, und diejenige nähere Bestimmung erhalten, welche die Natur dieser Angelegenheiten erfordert. Eine förmliche Publication der Grundgesetze in allen deutschen Staaten darf auch nicht fehlen, da jedes Gesetz bekanntlich erst dadurch Gesetzeskraft erhält. Solange diese aber bloß von einzelnen Staaten und nicht in Gemäßheit eines Beschlusses des Bundes von allen Staaten geschehen ist, werden wir uns immer noch in einem provisorischen Zustande befinden, und nicht wissen, was wir zu solchen Anomalien sagen sollen, wie uns die Zeitungen durch Mittheilung der Nachricht, daß einzelne Bundesstaaten besondere Freyzügigkeitsverträge neuerdings abgeschlossen hätten31, verkünden. Eben so wenig werden wir, wenn aus irgend einem Staate Beschwerde an uns ergeht, daß noch keine landständische Verfassung eingeführt, noch kein Appellationsgericht angeordnet sey – bis dahin etwas anders als den trostlosen Bescheid geben können, daß das Gesuch noch zur Zeit nicht statt finde, und Gott danken müssen, wenn uns niemand fragt, wann denn diese Zeit wohl eintreten dürfte? Dem Geiste der Bundesacte gemäß dürfte also die Commission, auf die ihr zur Berathung übergebene Frage ihr Gutachten dahin abgeben müssen. ­ achen, Der Anfang ist mit Abfassung der organischen und Grundgesetze zu m eine weitere Reihenfolge der vorzunehmenden Arbeiten32 läßt sich ehe solches geschehen ist, noch nicht füglich abgeben. Bey Abfassung der organischen und Grundgesetze selbst, wird zwar eine gewisse Reihenfolge der Arbeiten statt finden müssen, und wenn man uns mit einem Gutachten darüber beauftragen will, so wird remissio ad commissionem33 zu decretiren seyn. Wir bemerken übrigens, daß die organischen und Grundgesetze so ineinander greifen, daß es nicht wohl möglich ist einzelne herauszureißen, und dieselben isolirt zur Abstimmung zu bringen, das Ganze muß vielmehr bis zu einem gewissen Grade der Reife und Vollständigkeit gebracht seyn, ehe man nur ein richtiges Urtheil ­darüber fällen kann. Wir werden deshalb von Zeit zu Zeit die vertrauliche Er­ örterung dieses oder jenes Gegenstandes vornehmen müssen, weil das die weiteren Arbeiten zweckmäßig unterstützen und leiten wird, aber zur Verlaß und zur Beschlußnahme kann nur mehreres zugleich gebracht werden. Uebrigens sind zur Abfassung der organischen Gesetze und Einrichtungen gewisse Vorarbeiten nöthig, um in Betreff des Materiales nicht in Ungewißheit und Irrthum zu verfallen. Auf diese Vorarbeiten rathen wir vor Allem Bedacht zu nehmen. 31 Zu den Verhandlungen in der Bundesversammlung über die Abzugsfreiheit vgl. den Überblick in Alphabetisches Register über die Verhandlungen der deutschen Bundesversammlung 1816−1836, S. 4 f. sowie Kapitel III.5. 32 Emendiert. Vorlage: Arbeiten Arbeiten. 33 Lat.: Rücksendung an die Kommission.

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Dahin dürften z. B. zu rechnen seyn 1) Allgemeine statistische Angaben jedes einzelnen Bundesstaats, namentlich über seine Bevölkerung. 2) Eine Anzeige34 von Oesterreich und Preußen mit welchem Staate sie dem Bunde beyzutreten beabsichtigt haben. 3) Eine namentliche Angabe35 der Mediatisirten, welche sich in jedem einzelnen Staate befinden, und eine Anzeige, ob ihnen die Artikel 14 der B. A. zugesicherten Rechte bereits eingeräumt seyen. 4) Eine Anzeige darüber, wo schon landständische Verfassungen bestehen, und von denjenigen Staaten, wo solche noch nicht statt finden, in welcher Frist sie dieselben einzuführen gedenken. 5) Eine gleiche Anzeige in Betreff des Bestehens oder der bevorstehenden Einrichtung von Oberappellationsgerichten. Eine Vereinigung durch Freyheit, macht diese und andere Erklärungen und Aufgaben nothwendig; sie sind nicht als Vorschriften zu betrachten, aber als Bedingungen welche die Erreichung und Befolgung des Zwecks des Bundes erfordert.

109. Antrag Preußens auf Ernennung einer Kommission zur Begutachtung der provisorischen Kompetenz der Bundesversammlung und diesbezüglicher Beschluß

ProtDBV 1816, 13. Sitzung vom 19. Dezember 1816, § 55, S. 208−210. Antrag und Beschluß. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 1, 1817, S. 189.

Antrag Preußens und Bundestagsbeschluß auf Ernennung einer Kommission zur Ausarbeitung eines umfassenden Gutachtens, aus dem allgemeine die Kompetenz der Bundesversammlung vorbereitende Grundsätze hervorgehen, die als Provisorium bis zur definitiven Festsetzung der organischen Einrichtungen dienen können.

Frankfurt am Main, 19. Dezember 1816 Der Königlich Preußische Herr Gesandte erklärte hierauf: Ich habe zwar von meinem Allerhöchsten Hofe noch keine nähere Anweisung, mich an eine der so verehrlichen in der fünften Sitzung1 und heute zu Protokoll gegebenen Abstimmungen2, über die Competenz des Bundestages 34 Emendiert. Vorlage: Aufgabe. 35 Emendiert. Vorlage: Aufgabe.

1 Vgl. ProtDBV(Q), Bd. 1, 5. Sitzung vom 24. November 1816, § 16, S. 89 f. 2 Vgl. ProtDBV 1816, 13. Sitzung vom 19. Dezember 1816, § 55, S. 208−210.

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Antrag Preußens auf Ernennung einer Kommission zur Kompetenz

Nr. 109.

in Bezug auf Erledigung derer bey demselben angebrachten Vorstellungen und Gesuche, besonders anzuschließen; aber im Geiste meiner Instructionen überhaupt fühlte ich längst schon das durch unsere Erfahrung sich täglich mehr aussprechende Bedürfniß der Entscheidung dieser Frage, und in dieser Hinsicht allein erlaube ich mir den Antrag zu stellen: „Aus unserer Mitte eine Commission von fünf Mitgliedern zu ernennen, um über die in Betreff dieses Gegenstandes schon vorhandenen so schätzbaren Meynungen und Ansichten, der Versammlung ein gemeinschaftliches umfassendes Gutachten vorzulegen, aus dem allgemeine, die Competenz der Bundesversammlung vorbereitende Grundsätze hervorgehen, und ihr einstweilen als Provisorium, bis zur definitiven Festsetzung der organischen Einrichtungen überhaupt, zur Befolgung dienen könnten, um ihre Berathungen zweckmäßig zu befördern, ihre Beschlüsse und Entscheidungen in einzelnen Fällen zu begründen, und der gerechten Erwartung des Publikums zu entsprechen.“ […] Beschluß: Daß um den so äußerst wichtigen Berathungsgegenstand über die Competenz der Bundesversammlung einer Seits gehörig vorzubereiten, anderer Seits aber auch die in den Einzelnen schuldige gerechte Berücksichtigung ihrer Vorstellungen hiermit zu vereinigen, eine Commission aus folgenden fünf Mitgliedern: dem Herrn Grafen von Buol-Schauenstein; Herrn Grafen von der Goltz; Herrn von Martens; Herrn Freyherrn von Plessen, und Herrn von Berg; ernannt werde, welche es übernehme, über die in Betreff der Competenz des Bundestags schon vorhandenen Meynungen und Ansichten der Versammlung ein gemeinschaftliches umfassendes Gutachten vorzulegen, woraus allgemeine die Competenz der Bundesversammlung vorbereitende Grundsätze hervorgehen und ihr einstweilen als Provisorium bis zur definitiven Festsetzung der organischen Einrichtung überhaupt, zur Befolgung dienen könnten, damit ihre Berathungen zweckmäßig befördert, und ihre Beschlüsse und Entscheidungen in einzelnen Fällen begründet würden.

Nr. 110

Frankfurt am Main, 29. Januar 1817

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110. Berg an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-­ Oldenburg

StA Oldenburg, Best. 31-AB, Nr. B 3. Bericht. Behändigte Ausfertigung.

Bemühungen in der Bundesversammlung, über die wichtigsten Gegenstände eine Vorverständigung zu erzielen, damit man den Höfen möglichst einstimmige Vorschläge unterbreiten könne. Innerhalb der Kommission zur Bestimmung der Reihenfolge der zu erledigenden Geschäfte (Eyben, Plessen, Berg) herrscht gutes Einvernehmen, während innerhalb der Kommission zur Bestimmung der provisorischen Kompetenz der Bundes (Buol, Goltz, Martens, Plessen, Berg) die Parteien deutlich hervortreten, die sich bislang schon in der Bundesversammlung gezeigt haben: die eine Partei ­wolle den Bund am liebsten auf ein Verteidigungsbündnis beschränken (für das nicht vertretene Bayern äußere sich Österreich in diesem Sinn), die andere Partei (v. a. Plessen, Gagern, Hendrich) wolle die Ausbildung der Bundesverfassung beschleunigen und besonders in Justizsachen die Kompetenz des Bundes begründen. Diese Tendenz erscheint der Mehrheit zur Zeit noch bedenklich, weil sie eifrigen Widerspruch der Gegner veranlassen würde. Vertrauliche Unterredungen einiger mittel- und kleinstaatlicher Vertreter über die Militäreinrichtungen des Bundes, insbesondere die Korpseinteilung; das Mißtrauen zwischen Nord- und Süddeutschland erschwert eine Verständigung. In München ist man so wenig deutsch als möglich, während der K ­ önig von Württemberg durch die inneren Konflikte in seiner Haltung gegenüber dem Bund verunsichert worden sei, da er dessen Einmischung in seine Angelegenheiten befürchtet. Anhänglichkeit Badens an den Bund, vermutlich um Ansprüche Bayerns und Österreichs leichter abwehren zu können.

N. 13.



Frankfurt am Main, 29. Januar 1817 Durchlauchtigster Herzog, Gnädigster Fürst und Herr!

Nach sorgfältigster Durchlesung der von Euer Herzoglichen Durchlaucht mir gnädigst überschickten, die Elsflether Zollsache betreffenden Aktenstücke kann ich in der That nicht begreifen, wie der Senator Smidt mit Vorschlägen sich an Euer Herzoglichen Durchlaucht Hoflager hat begeben mögen, deren Unannehmbarkeit er sich nothwendig selbst sagen mußte. Bei meinen Unterhaltungen über diesen Gegenstand mit ihm schien er einzusehen, daß das beste Auskunfts-Mittel eine gütliche Vereinbarung über die Fortdauer einer mäßigen Zoll Abgabe die als Vergütung für mancherlei nützliche Fluß Anstalten zu betrachten wäre, seyn würde, und daß damit auch die billige Abstellung der gegen Bremen obwaltenden Beschwerden verbunden werden könnte. Daß seinen Äusserungen nicht viel zu trauen ist, wußte ich freilich schon lange nur zu gut. Ich glaubte aber doch, daß er ein besserer Geschäftsmann sei, als sich selbst so auszusetzen. Indessen hat er mit den Städten überhaupt ein großes Selbst Vertrauen und es wird sich im Fortgang dieser Angelegenheit zeigen, ob denn der einen, wie des Andern Einfluß so bedeutend ist, um die diesseitigen gewiß er-

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Berg an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-­Oldenburg

Nr. 110

heblichen Billigkeitsgründe völlig in Schatten zu stellen. Ich werde nach den mir gnädigst mitgetheilten und noch weiter zu erwartenden Datis Alles mit größtem Fleisse bearbeiten und es an keiner Bemühung fehlen lassen, um Euer Herzoglichen Durchlaucht rechtmäßige Absicht zu befördern, und zugleich den Bremern wo irgend möglich, durch das zu veranlassende Regulativ die Erfahrung zu bereiten, daß sie bei ihrem Benehmen gegen Oldenburg wenigstens nicht richtig gerechnet haben. Die Zollsache wird übrigens, wenn sie nicht durch Vermittlung der Bundesversammlung beigelegt werden kann, höchstwahrscheinlich an die Austrägal Instanz verwiesen, also einer eigentlich processualischen Verhandlung unterzogen werden wollen. Von Birkenfeld habe ich durch den dortigen Hauptmann Noell1 die anliegende statistische Beschreibung erhalten wonach in Ansehung des Verhältnisses der verschiedenen Confessionen gegen einander, mein unterthänigster Bericht vom 25. d.2 einer Verbesserung bedarf, indem die meisten Einwohner der lutherischen Confession zugethan sind. Wegen der Besitznahme habe ich dem Grafen von der Goltz erklärt, daß sie von Seiten Euer Herzoglichen Durchlaucht weiter keinen Anstand finden werde; daß Höchst Dieselben mir und einem Con-Commissarius deshalb die Höchsten Aufträge zu ertheilen beschlossen hätten und daß Letzterer in kurzem hier eintreffen werde. Da aber der Staats-Minister von Humboldt für nöthig befunden habe, wegen des von mir verlangten Zusatzes zu dem Artikel die Militärstraße betreffend, nach Berlin Bericht zu erstatten, so gebe ich anheim, die nicht zu bezweifelnde beifällige Instruktion zu betreiben, damit demnächst die Vollziehung des Übergabe Protokolls keinen Aufenthalt erleide. Bei der Bundes Versammlung wird jetzt mehr in vertraulichen Unterhaltungen als in den officiellen Sitzungen gearbeitet. Man ist bemüht, sich über die wichtigsten Gegenstände zum Voraus zu verständigen, um den Höfen möglichst einstimmige gutachtliche Vorschläge machen zu können. Die Commission zur Bestimmung der Reihenfolge der Geschäfte (v. Eyben, von Plessen und ich) ist im besten Einverständniß und wird es versuchen, diese Veranlassung zugleich dazu zu benutzen um von dem Inhalt und 1 F. L. W. Noell (1792−1878), Offizier, 1811 Eintritt in französische Militärdienste, 1813 Leutnant, 1814 Hauptmann bei den alliierten mittelrheinischen Truppen, 1815 Chef einer Freiwilligenkompanie unter der provisorischen Landesadministration zu Birkenfeld, 1817 Übertritt in oldenburgische Dienste als Hauptmann, 1819 auf Wartegeld gesetzt, 1831 Reaktivierung, 1841 Major, 1850 Oberstleutnant, 1850 Pensionierung auf eigenen Wunsch, danach Platzkommandant in Birkenfeld und Mitglied des Garnisonsgerichts, 1860 Dienstcharakter als Oberst. Vgl. [Zedelius], Personal-Chronik der Oldenburgischen Officiere und Militair-Beamten, S. 54 (mit handschriftlichen Ergänzungen im hier benutzten Exemplar der Oldenburgischen Landesbibliothek, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:45:1-3520) (Zugriff 20.8.2012). 2 Vgl. StA Oldenburg, Best. 31−AB, Nr. B 3.

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Umfang der zu bearbeitenden Gegenstände eine Übersicht zu geben. Der Vortrag kann in dieser Hinsicht wichtiger werden als seine eigentliche Bestimmung anzudeuten scheint. Es ist indessen der Wunsch aller unserer Collegen, daß er auf diese Weise eingerichtet werde, um auch dadurch die Berichts Erstattungen zu erleichtern. Die Competenz Commission scheint weniger von übereinstimmenden Gesichts-Punkten auszugehen. Der Graf von der Goltz hat den Gegenstand sehr ausführlich bearbeiten lassen. Der Graf von Buol wünscht sich möglichst im Allgemeinen und fast ganz an die Worte der Bundes Versammlung zu halten, womit Herr von Martens einverstanden ist. Herr von Plessen mögte gern mehr aus dem Geiste der Bundes Akte entwickeln und überhaupt rascher vorwärts gehen. Es stellen sich hier eigentlich die Partheiyen dar, welche sich bisher in der Bundes-Versammlung gezeigt haben. Obgleich die eine, diejenige nämlich, welche den Bund am liebsten auf den Begriff eines Vertheidigungsbündnisses beschränken mögte, in der Commission nicht förmlich repräsentirt ist – denn Baiern allein hat sich auf diesen Standpunkt gestellt – so äussert sich doch diesmal Oestreich ziemlich in dessen Sinn und man will behaupten, dies komme davon, daß der Fürst von Metternich hinterher gefunden habe, man sei Oestreichischer Seits in der Eröffnungsrede und in der ersten Proposition etwas zu weit gegangen. Indessen sind beide einmal da, und mit allgemeinem Beifall aufgenommen worden, so daß man immer mit Nutzen darauf sich wird beziehen können. Einige andere Glieder der Bundes Versammlung wozu die Herrn von Plessen, von Gagern, Hendrich vorzüglich zu rechnen seyn mögten, sind geneigt, die Ausbildung der Bundes Verfassung zu beschleunigen und besonders in Bundes Justizsachen wenigstens wegen verweigerter Justiz, die Competenz der Bundes Versammlung zu begründen. Diese Tendenz jetzt schon so deutlich zu zeigen, scheint hingegen noch zur Zeit den Meisten bedenklich und selbst für die Wirksamkeit der Bundes Versammlung nachtheilig zu seyn, weil die Gegner desto strenger und eifriger jedem Versuch, das System geltend zu machen, widersprechen und dadurch gerade die Möglichkeit herbeigeführt werden könnte, die Aufstellung entgegengesetzter Grundsätze nachgeben zu müssen. Verschiedene Gesandte, zuerst der Württembergische, der Badische, der Meklenburgische, und der Oldenburgische; wozu nachher der Baiersche, der Hannöversche und der Hessen Darmstädtische gekommen sind; haben bereits mehrere vertrauliche Unterredungen über die Militär Einrichtungen gehalten. Alle sind darin einig, daß die Truppen der reinteutschen Staaten frei von aller Vermischung mit den Oestreichischen oder Preussischen zu halten seyn, und daß man sich die Freiheit bewahren müsse, nach Umständen zu einer oder der andern Armee zu stoßen, oder eine eigene reinteutsche Armee zu bilden. Über

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Berg an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-­Oldenburg

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die Mittel zu diesem Zwecke hat man sich aber noch nicht verständigen können, und dabei ist das Mistrauen zwischen Nord- und Süd-Teutschland kein geringes Hinderniß. Diese zeigte sich bei einer gestrigen Zusammenkunft von Seiten des Hannoverschen Gesandten so auffallend, daß es wieder einiger besondern Beredungen bedürfen wird, um die Sache in den richtigen Ton zurückzuführen. Baiern hat hier in der Hauptsache kein verschiedenes Interesse. Es ist aber einleuchtend; daß es als der mächtigste rein teutsche Staat auf Mittel denken wird, sich an die Spitze zu stellen. Diese Richtung seiner Politik müßte man, meiner Meinung nach, benutzen um es dem Bunde geneigter zu machen; also ihm nachzugeben scheinen. Ich sehe dabei keine Gefahr, da Baiern – doch noch nicht mächtig genug ist um in vorkommenden Fällen die übrigen reinteutschen Bundesglieder zur Unterstützung seiner Absichten zwingen, oder einen andern, den Umständen angemessenen Entschluß derselben verhindern zu können. Dahingegen ist ein lebhaftes Interesse Baierns am Bunde gewiß wünschenswerth, und es lassen sich Fälle denken wo ein – durch seinen Beitritt vorzüglich, starkes und reinteutsches Bundesheer für die Sicherheit Teutschlands von der höchsten Wichtigkeit werden kann. In München ist man übrigens so wenig teutsch als möglich. Der Prinz ­Eugen3 hat bei dem König unmittelbar und auch durch den Prinzen Carl4 bedeutenden Einfluß gewonnen und man sagt, daß er die Lehren seines Adoptiv Vaters5 nicht vergessen habe. Graf Montgelas soll bei seiner immer zunehmenden Trägheit, diesen Einfluß lieber dulden, als jeden einheimischen. Es ist zu bedauern, daß die inneren Bewegungen Württembergs die Haltung des Königs gegen den Bund etwas unsicher machen, da er dessen Einmischung in seine inneren Angelegenheiten fürchtet. Wohl unterrichtete Männer in Württemberg besorgen, daß die Übereinkunft zwischen Herrn und Land 3 Eugène de Beauharnais (1781–1824), französischer General und Stiefsohn Napoleons, 1805– 1814 Be­tei­ligung an zahlreichen Feldzügen Napoleons, 1805 Ernennung zum Vizekönig von Italien, 1806 Heirat mit Auguste Amalie von Bayern, 1809 Fürst von Eichstätt, 1811/12 Kommandant des 4. Korps der Grande Armée in Rußland, 1813 Oberbefehlshaber in Italien, nach der Abdankung Napoleons am 6. April 1814 Niederlassung in Bayern auf Einladung seines Schwiegervaters, des Königs von Bayern, 1817 Herzog von Leuchtenburg. Vgl. ADB, Bd. 18, S. 475–479; NDB, Bd. 14, S. 369 f.; DBA I, 758, 300–317; NBG, Vol. 4, Sp. 920–927; DBF, Vol. 5, Sp. 1090–1093; Connelly (Ed.), Historical Dictionary of Napoleonic France, S. 54 f. 4 Karl Theodor Prinz von Bayern (1795−1875), 1813 Oberst, 1813 Generalmajor, 1813 Generalleutnant, 1822 Abschied im Rang eines Generals der Kavallerie, 1841 Feldmarschall, 1848 Generalinspekteur der bayerischen Armee und Oberbefehlshaber des VII. und VIII. Bundesarmeekorps, im Krieg von 1866 an der Spitze der bayerischen Truppen und Oberbefehlshaber der süddeutschen Bundesarmee, nach dem Friedensschluß 1866 Rückzug ins Privatleben. Vgl. ADB, Bd. 15, S. 258−260; Schröder, Die Generalität der deutschen Mittelstaaten 1815−1870, Bd. 1, S. 140. 5 Napoleon I. Bonaparte.

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sobald nicht zu Stande kommen werde und vielleicht kann nur ein energischer Entschluß des Königs dazu führen. Baden zeigt eine große Anhänglichkeit an den Bund, vermuthlich, um eine desto leichtere Zuflucht gegen die Oestreichisch Baierschen Anfechtungen zu finden. Aus einigen Anzeigen mögte man wohl schließen, daß es Oestreich so Ernst damit nicht ist. Baiern aber will im schlimmsten Fall seine Ansprüche6 sich alle vorbehalten, und damit ist niemand zufrieden; Baden am wenigsten. Seine Durchlaucht der Erb Prinz7 haben über die verschiedenen Verhältnisse so genaue und vollständige Erkundigung eingezogen, daß es überflüssig wäre, mich darüber weiter zu verbreiten. Ich ersterbe in tiefstem Respect Euer Herzoglichen Durchlaucht Unterthänigst − treu − gehorsamster von Berg

111. Hachs Vorschlag zu gemeinnützigen Anordnungen

ProtDBV 1817, 6. Sitzung vom 30. Januar 1817, § 30, S. 35–36. Antrag. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 1, 1817, S. 278−280

Die Bundesakte schreibt vor, daß zunächst die Grundsätze des Bundes und dessen organische Einrichtung in Rücksicht auf die inneren Verhältnisse geregelt sein müssen, bevor allgemeingültige Anordnungen für ganz Deutschland (z. B. gleichförmiges Gesetzbuch, gleiches Maß und Gewicht, gleicher Münzfuß) getroffen werden können. Damit in der Zwischenzeit eingereichte Vorschläge zu gemeinnützigen Anordnungen nicht in Vergessenheit geraten, wird die Anlage eines Verzeichnisses derjenigen Vorschläge, die einer weiteren Prüfung für wert geachtet werden, beantragt, das in der letzten Sitzung des Jahres vorgelesen und dem Protokoll beigefügt werden soll.

Frankfurt am Main, 30. Januar 1817 Der Gesandte der freyen Städte, Herr Senator Dr. Hach: giebt aus Veranlassung einer nach Anleitung der vorläufigen Geschäftsordnung1 in der vertraulichen Sitzung2 als unstatthaft zurückgelegten Eingabe, verschiedene Vor-

6 Auf die rechtsrheinische Kurpfalz im Falle des Aussterbens der Zähringer Hauptlinie. 7 August I. Paul Friedrich (1783−1853), seit 1829 Großherzog von Oldenburg. Vgl. NDB, Bd. 1, S. 446 f.; ADB, Bd. 1, S. 667−669.

1 Vgl. Dok. 65. 2 Vgl. ProtDBV 1817, 5. Sitzung vom 27. Januar 1817, S. 33 (ohne Protokoll).

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Hachs Vorschlag zu gemeinnützigen Anordnungen

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schläge unter dem Titel: „Fromme Wünsche“ enthaltend, folgende Aeusserung zu Protokoll: Der 6. Artikel der deutschen Bundesakte bestimmt in Verbindung mit dem 7. Artikel3 die Form, welche bey den Beschlüssen der Bundesversammlung in Rücksicht gemeinnütziger Anordnungen befolgt werden soll. Dies setzt die Befugniß voraus, auf dem vorgezeichneten Wege gemeinnützige Anordnungen zu treffen. Es war zu erwarten, daß dadurch veranlaßt, gleich Anfangs von manchen Seiten und aus verschiedenen Beweggründen Vorschläge und Anträge an die Bundesversammlung gelangen würden, von denen vielleicht die meisten keiner Aufmerksamkeit werth seyn mögen, die jedoch auch zum Theil geeignet seyn können, der deutschen Nation den wesentlichsten Nutzen zu gewähren. Wie zweckmäßig und wohlthätig aber auch immer solche Vorschläge erscheinen, so dürfte doch eine richtige Würdigung des gegenwärtigen Standpunktes der Bundesversammlung bald zu der Ueberzeugung führen, daß es wenigstens in den meisten Fällen zur Zeit noch ganz unmöglich ist, sogleich darauf einzugehen, darüber zu berathen und endliche Beschlüsse zu fassen. Es leuchtet von selbst ein, daß zunächst die Grundsätze des Bundes und dessen organische Einrichtung in Rücksicht auf seine inneren Verhältnisse geregelt seyn müssen, bevor gemeingültige Anordnungen für ganz Deutschland denkbar sind. Zwar will der 10. Artikel der Bundesakte4, daß jene Gesetze und diese Einrichtung das erste Geschäft nach der Eröffnung der Bundesversammlung seyn soll, und die Versammlung wird ihre Pflicht, der gegebenen Vorschrift nachzukommen, gewiß nie verkennen; allein es liegt in der Natur der Sache und der Verhältnisse, daß dennoch die große Aufgabe schwerlich sobald gelöset und erledigt seyn dürfte. Die Bundesakte hat Deutschland neu gestaltet und zugleich das große Werk so wenig vollendet, daß in jeder Beziehung die wichtigsten Fragen aufzuwerfen und zu beantworten sind. Nur mit der besonnensten Thätigkeit darf hiebey verfahren werden, um nicht auf die größten Schwierigkeiten und Hindernisse zu stoßen, und um Fehlgriffe aller Art zu vermeiden. Es kömmt hinzu, daß die Bundesakte selbst andern Berathungen, als denen über gemeinnützige Anordnungen, den Vorzug gegeben hat, und daß noch gar viele große und wichtige Gegenstände vorzunehmen sind, bis die Fragen erörtert werden können, ob ein gleichförmiges Gesetzbuch, gleiches Maß und Gewicht, derselbe Münzfuß, oder irgend eine andere an sich vielleicht sehr nützliche Einrichtung für ganz Deutschland möglich und heilsam sey? 3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1510 f. 4 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512.

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Frankfurt am Main, 30. Januar 1817

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Unterdessen ist nach der bisherigen Lage der Sache, bey dem Vortrage aus den an die Bundesversammlung gelangten Vorschlägen, kein anderer Weg möglich, als auf ihre Niederlegung ins Archiv anzutragen. Die zweckmäßigen und durchdachten Vorschläge trifft mit den verkehrtesten und ungereimten dasselbe Loos; sie werden der Vergessenheit hingegeben. Höchstens haben jene den Vorzug, daß darüber ein lobendes Wort gesagt, und die Durchsicht der Eingabe empfohlen wird. Dies Verfahren wird die Zahl der Anträge schwerlich vermindern, aber es führt dahin, daß die thörichten Vorschläge sich häufen und die bessern ausbleiben, ja daß auch die besten vielleicht niemals zum wirklichen Leben gelangen. Um diesen Uebeln vorzubeugen, glaube ich darauf antragen zu müssen, daß einstweilen von der Präsidialkanzley der hohen Bundesversammlung ein Verzeichnis solcher Vorschläge zu gemeinnützigen Anordnungen, die einer weitern Prüfung werth geachtet sind, angelegt, auch dies Verzeichniß in der letzten Versammlung des Jahres vorgelesen, und dem Protokolle beygefügt werde. Beehrt die hohe Bundesversammlung diesen Antrag mit ihrem Beyfall so werden künftig die Referenten in Beziehung auf die Eingaben, worin gemeinnützige Einrichtungen vorgeschlagen sind, bestimmtere Gesichtspunkte fassen, und indem sie die unausführbaren und oberflächlichen ohne weiteres ins Archiv verweisen, für die wahrhaft nützlichen und durchdachten, deren Ausführung aber wenigstens zur Zeit noch unmöglich ist, einen ehrenvollen und schützenden Platz in jenem Verzeichnisse ansprechen können.

112. Bundestagsbeschluß zu gemeinnützigen Anordnungen

ProtDBV 1817, 6. Sitzung vom 30. Januar 1817, § 30, S. 36. Beschluß. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 1, 1817, S. 280; CJCG, Bd. 2, S. 38 (Absatz 2).

Anlage eines Verzeichnisses der eingehenden Vorschläge zu gemeinnützigen Anordnungen, die einer weiteren Prüfung für wert geachtet werden. Das Verzeichnis soll in der letzten Sitzung des Jahres überreicht und dem Protokoll beigefügt werden, außerdem gehaltvoll erscheinende Vorschläge jedesmal unter den Bundestagsgesandten in Umlauf gesetzt werden.

Frankfurt am Main, 30. Januar 1817 Unter allgemeinem Einverständnisse mit dem Antrage des Herrn Senators Hach1 und mit dem von dem Königlich Preußischen Herrn Gesandten ge1 Vgl. Dok. 111.

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Metternich an Buol

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machten Vorschlage, die wirklich zweckmäßigen gehaltvollen Aufsätze unter sämmtlichen Herren Bundesgesandten circuliren zu lassen, wurde beschlossen: Daß von der Bundespräsidial-Kanzley ein Verzeichniß der eingehenden Vorschläge zu gemeinnützigen Anordnungen, die einer weitern Prüfung werth geachtet sind, angelegt, dasselbe in der letzten Sitzung des Jahrs der Versammlung überreicht, dem Protokolle beygefügt, indessen aber jeder zweckmäßig und gehaltvoll scheinende Vorschlag jedes Mal unter den Bundes­ gesandtschaften in Umlauf gesetzt werde.

113. Metternich an Buol

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Kart. 1, Weisungen 1817, fol. 3–4. Weisung. Behändigte Ausfertigung.

Die Beratungen über die Kompetenz des Bundestags und das aufzustellende Provisorium erfordern eine gründliche und umfassende Behandlung und sollen deshalb ohne Zeitdruck durchgeführt werden.

Wien, 30. Januar 1817 Hochgeborner Graf, Die seit mehreren Wochen anhaltende Krankheit des Gr. von Spiegel, welcher mit dem Referat über die deutschen Angelegenheiten beauftragt ist, hat mich abgehalten, auf Eurer Excellenz Berichte, welche mir sämtlich bis jenen N. 5 inclusive zugekommen sind, bisher die nöthige Weisung zu ertheilen. Indessen habe ich der darin enthaltenen Frage, besonders jener die Competenz des Bundes Tags und das aufzustellende Provisorium betreffend, eine vorzügliche Aufmerksamkeit gewidmet. Die durch mehrere Beilagen erläuterte Arbeit des H. Gr. von Golz1 so wie der Gehaltvolle Aufsatz2, worin Eure Excellenz mit eben so viel Fleiß als Sachkenntniß die zur Bildung eines Provisoriums als geeigenschaftet erachtete Materien zusammengestellt haben, liefern sehr schätzbare Hülfsquellen zur Uibersicht und Bearbeitung der Frage, obgleich 1 „Anordnung eines Provisoriums in Hinsicht der Competenz der Bundesversammlung bei Privat Reklamationen“ (= Anlage zum Bericht Buols an Metternich No. 2 a,b, Frankfurt am Main, 6. Januar 1817), HHStA Wien, Deutsche Akten (neue Reihe), Kart. 78, Fasz. 103, fol. 80−85’ (Abschrift). 2 „Über die Competenz der Deutschen Bundesversammlung“ (= Anlage zum Bericht Buols an Metternich No. 2 a, b, Frankfurt am Main, 6. Januar 1817), HHStA Wien, Deutsche Akten (neue Reihe), Kart. 78, Fasz. 103, fol. 86−99 (Abschrift).

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Wien, 17. Februar 1817

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ich die darin entwickelten Ansichten als Grundlage einer aufzustellenden Norm anzunehmen, in mancher Hinsicht Bedenken trage. Eure Excellenz werden demnach wohl thun, mit Ihrer Aeußerung in dem Sinn des mir mitge­ theilten Aufsatzes noch zurückhalten, und in dem Falle, daß Hochdieselbe bereits ihre Meinung bei der Kommission ausgesprochen haben sollten, sich, ehe ein votum commune gebildet wird, ein nachträgliches votum zur näheren und bestimmten Entwicklung ihrer Ansichten vorbehalten. Die vorliegende Frage, wie und mit welchen Gränzen ein provisorium aufgestellt werden könne, ist überhaupt von so hoher Wichtigkeit, daß sie nicht reif genug erwogen werden kann, und über manche wesentliche Punkte eine vorläufige Rücksprache mit den Kabineten zu pflegen nöthig ist. Es ist daher zu wünschen, und Eure Excellenz werden wohl thun, dahin zu wirken, daß die zufolge des Protokolls der 13ten Sitzung gebildete Kommission3 mit Erstattung ihres Gutachtens nicht eile, und daß dasselbe als votum commune der Bundes-Versammlung nicht eher vorgelegt werde, bis die Frage in allen ihren Hinsichten hinlänglich erwogen, und so gründlich vorbereitet seyn wird, daß ein erwünschtes dem Gesammt Interesse entsprechendes Resultat mit Zuversicht erwartet werden kann. Empfangen Eure Excellenz die Versicherung meiner vollkommensten Hochachtung. F. v. Metternich

114. Kommissionsvortrag über die Reihenfolge der Geschäfte der Bundesversammlung

ProtDBV 1817, 11. Sitzung vom 17. Februar 1817, Beilagen 11−14, S. 67–87. Vortrag. Druckfassung.

Aufgabe der Bundesversammlung, die Grundzüge des Bundesvertrags zu Grundgesetzen und organischen Einrichtungen auszuarbeiten. Fester Wille der Stifter des Deutschen Bundes, Deutschland eine Bundesverfassung zu geben, was allerdings nur schrittweise geschehen kann. Offenheit der Bundesversammlung für diesbezügliche Vorschläge und Wünsche, die an sie herangetragen werden. Erörterung der folgenden Fragen durch die Kommission: I. Welche Forderungen für die Reihenfolge der zur Beratung gestellten Gegenstände gehen aus der Natur und dem Zweck des Bundes hervor? II. Welche Vorschriften enthält in dieser Hinsicht der Buchstabe des Grundvertrags? III. Wie läßt sich von diesen Vorschriften und Forderungen die zweckmäßigste Anwendung machen? Ergebnisse der Kommissionsberatungen: I. Die 3 Zu Mitgliedern dieser Kommission wurden gewählt die Bundestagsgesandten Buol, Goltz, Martens, Plessen und Berg. Vgl. ProtDBV 1816, 13. Sitzung vom 19. Dezember 1816, § 55, S. 210 und Dok. 109.

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Kommissionsvortrag über die Reihenfolge der Geschäfte

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Bundesakte ist nur der Grundvertrag und nicht das vollendete Grundgesetz des ­Bundes. Die Bundesversammlung hat sich deshalb mit folgenden Materien zu beschäftigen: 1. mit der Abfassung und Vervollständigung der Grundgesetze des ­Bundes, die sich auf die eigentliche Gründung und Verfassung des Bundes als Gesamtheit, auf die Feststellung der Rechte und Pflichten der Bundesglieder sowie das gesamte Wesen des Bundes beziehen; 2. mit den organischen Einrichtungen des ­Bundes, die zur Erfüllung der Zwecke des Bundes dienen; 3. mit gemeinnützigen Anordnungen, wie sie in der Bundesakte bereits angeführt sind oder künftig zum gemeinschaftlichen Besten und zur Befestigung des Nationalverbandes durch weitere Vereinbarung zustande kommen; 4. mit der fortwährenden Besorgung des Angelegenheiten des Deutschen Bundes. II. Die Bundesakte nimmt hinsichtlich der Reihenfolge der zu erledigenden Geschäfte eine dreifache Abstufung vor: Materien, die zum ersten Geschäft der Bundesversammlung gehören; solche, für die eine gewisse Frist bestimmt ist; und solche ohne eine Fristbestimmung. Plädoyer dafür, besondere Dringlichkeit und auch die Zeitumstände gebührend zu berücksichtigen. III. Unterbreitung von Vorschlägen zu vordringlich durch den Bundestag zu erledigenden Materien: 1. die Militärverhältnisse des Deutschen Bundes; 2. die auswärtigen Verhältnisse des Deutschen Bundes; 3. die organische Einrichtung des Bundes in Rücksicht auf seine inneren Verhältnisse.

Frankfurt am Main, 17. Februar 1817 Gutachtlicher Vortrag der Herren Gesandten, Freyherrn von Eyben, Freyherrn von Plessen und von Berg, über die Reihenfolge der Geschäfte der Bundesversammlung. In dem ersten Vortrage der Kaiserlich-Königlich-Oesterreichischen vorsitzenden Gesandtschaft1 ist vorgeschlagen worden, nach Anleitung der Bundesacte und mit Berücksichtigung der in diesem Vortrage enthaltenen drey­ fachen Abtheilung der der Bundesversammlung obliegenden Geschäfte, sich darüber zu vereinigen, in welcher Folge dieselben vorzunehmen und vor­ zubereiten seyn möchten? und zu dem Ende Drey aus unserer Mitte zu ­beauftragen, um hierüber sobald als möglich einen gutachtlichen Vortrag zu erstatten. In der dritten Sitzung des vorigen Jahres ist, in Uebereinstimmung mit diesem Vortrage, beschlossen worden, daß über die Reihenfolge der ­Geschäftsgegenstände das Gutachten eines demnächst zu erwählenden Ausschusses zu vernehmen sey2, und in der vierten Sitzung ist uns der Auftrag ertheilt worden: über die Reihenfolge der Bundesgeschäfte, unter Berücksichtigung der in der Präsidial-Proposition3 enthaltenen dreyfachen Abtheilung und der 1 Vgl. Dok. 100. 2 Vgl. ProtDBV 1816, 3. Sitzung vom 14. November 1816, § 5, S. 55 3 Vgl. Dok. 100.

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bereits über drey Gegenstände durch besondere Verlasnahme festgesetzten Bestimmungen, unser Gutachten zu erstatten.4 Berufen die Angelegenheiten eines Bundes zu besorgen, der durch Heilighaltung des Rechts, durch feste Bewahrung des Friedens, durch Erhaltung unerschütterlicher Eintracht unter den Fürsten und Völkern Deutschlands, durch Beförderung gemeiner Wohlfahrt deutscher Nation, nicht für diese allein, sondern auch für Europa wohlthätig wirken kann und wird, berufen zu dieser erhabenen Bestimmung, ist die deutsche Bundesversammlung beständig, wie der Bund, den die Fürsten und freyen Städte Deutschlands auf ewige Zeiten geschlossen haben. Dem Wirkungskreise dieser Versammlung eine Bahn vorzeichnen zu wollen, wäre ein eitles Bestreben. Innerhalb der Grenzen, die der Bundeszweck bezeichnet, muß sie sich frey bewegen können, nach dem Ziele, das ihr vorgesteckt ist. „Die Zeit“, heißt es in dem ersten Vortrage der Kaiserlich-Königlich-Oesterreichischen präsidirenden Gesandtschaft, „ist eben so die Beherrscherin der Völker und Regierungen, als auch im Laufe derselben sich Bedürfnisse in den verschiedenartigsten Ländern erzeugen. Der deutsche Bundestag kann also auch das nicht von seinen Berathungen ausschließen, was im Strome der Zeit sich zu seiner Berücksichtigung eignen wird, wie es der Augenblick, wie es die Pflicht erheischt, in heiliger Beachtung der Grundfesten des Bundes“.5 Hier wird das Bedürfniß der Zeit die Reihenfolge bestimmen. Aber die Bundesversammlung hat bei ihrem Beginnen noch einen eigenen Beruf. Sie soll die Grundzüge des Bundesvertrags zu Grundgesetzen und organischen Einrichtungen ausarbeiten: sie soll Bestimmungen der Stifter des Bundes, wozu sie Achtung der Rechte Einzelner oder Sorgfalt6 für besondere Gegenstände des allgemeinen Wohls bewogen hat, ausführen, handhaben, oder in ihre Obhut nehmen. Zum Theil ist auch dieser Beruf fortdauernd, zum Theil jedoch nur vorübergehend: vorübergehend freilich nur, sofern man den Auftrag für erledigt hält, wenn geschehen ist, was in der gegebenen Zeit geschehen konnte. Aber wie richtig ist nicht die Bemerkung in dem ersten Präsidial-Vortrag: „Die Zeit, die Kultur der Menschheit, kennt keinen absoluten Grenzpunkt; so wollen auch wir das Gebäude unseres deutschen Bundes für heilig, aber nie für geschlossen und ganz vollendet halten!“7 Wenn nun gleich die gewöhnliche Geschäftsführung der Bundesversammlung kein Gegenstand unseres Auftrags hat seyn können; so haben wir den4 Vgl. ProtDBV 1816, 4. Sitzung vom 18. November 1816, § 10, S. 59 f. 5 Vgl. Dok. 100, S. 426 (dort „Lehrerin“ statt hier „Beherrscherin“). 6 Emendiert. Vorlage: Sorgalt. 7 Vgl. Dok. 100, S. 431.

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Kommissionsvortrag über die Reihenfolge der Geschäfte

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noch geglaubt, daß die Erfahrungen dieser Geschäftsführung und die Erprobung einzelner Maasregeln, die das Bedürfniß unmittelbar fordern kann und schon gefordert hat, für die Grundgesetzgebung und organische Einrichtung vortheilhafter benutzt werden können, als bloß aus der Theorie geschöpfte Grundsätze. Wir haben daher nicht Eile empfohlen, wo des Bundeszweckes Erreichung sie nicht unbedingt zu erheischen schien, und wir halten uns überzeugt, daß es in mehreren Rücksichten besser seyn dürfte, unsern Nachfolgern den Stoff zur Vollendung des Gebäudes zu hinterlassen, dem wir, sollte es von uns im Laufe weniger Monate, ja! selbst im Laufe einiger Jahre als vollendet dargestellt werden, doch nur die äußere Gestalt eines vollendeten Ganzen geben könnten. Die Aufträge, welche uns durch die Bundesacte ertheilt sind, beweisen den festen Willen der Stifter des Bundes nicht bei dem ersten Grundriß stehen zu bleiben, sondern Deutschland eine Bundesverfassung zu geben, wie sie zu der Erreichung des vorgesetzten grossen Zweckes nothwendig und geeignet ist, und dem festen, redlichen Willen wird auch die Vollendung einer solchen Verfassung, der verschiedenartigen Bestandtheile ungeachtet, gewiß gelingen. Aber wir Alle würden dem in uns gesetzten Vertrauen wenig entsprechen, wenn wir der hin und wieder öffentlich laut werdenden Ungeduld nachgeben, und mit Verfassungs-Entwürfen hervortreten wollten, denen nothwendig die wesentlichste Bedingung der Dauerhaftigkeit – eine gehörige Reife fehlen müßte. Während wir uns in stiller ruhiger Berathung mit den wichtigsten Angelegenheiten beschäftigen, haben wir es für eine Pflicht der Humanität gegen unsere Mitbürger gehalten, zu helfen, wo die Umstände uns zu helfen erlaubten, und Wünsche, Bitten und Vorstellungen mit Theilnahme und Aufmerksamkeit aufzunehmen. Finden übertriebene Erwartungen sich getäuscht; so ist das nicht des Bundes, nicht seiner Stifter, nicht ihrer Bevollmächtigten Schuld. Wunden sind leichter zu schlagen als zu heilen, und der Unzufriedenheit mit der Gegenwart, der ungeduldigen Beweglichkeit des Zeitalters kann nur ein ruhiges Streben für das gemeine Wohl entgegengesetzt werden. Worin dieses für den deutschen Bund bestehe, deutet der durch den Grundvertrag ausgesprochene Zweck der Gesammtheit an, und es ist kein Zweifel, daß die innige Vereinigung wohlmeinender Fürsten und Obrigkeiten eine reichhaltige Quelle von Wohltaten auch für Einzelne seyn wird. Die Bundesacte, so ­unvollständig sie übrigens seyn mag, giebt hiervon bereits die sprechendsten Beweise, und da sie überall dem Rechten, dem Guten, dem Nützlichen den freiesten Eingang offen gehalten hat; so wird es auch allezeit eines der ersten Geschäfte der Bundesversammlung bleiben, für das Fortschreiten zum ­Bessern, nicht nur aus eigenem Antriebe thätig zu wirken, sondern auch die Vorschläge und Wünsche in Erwägung zu ziehen, welche ihr im Laufe der

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Zeit über diesen oder jenen Gegenstand der öffentlichen Verhältnisse zur Kenntniß kommen werden. Jetzt aber sind dieser Versammlung Arbeiten aufgegeben, welche der Grundvertrag des Bundes nebeneinander stellt, und welche doch nicht alle gleichzeitig unternommen, und vollendet werden können. Für sie gilt vorzüglich der von dieser hohen Versammlung uns ertheilte Auftrag zu dessen zweckmäßiger Vollziehung wir folgende Fragen erörtern zu müssen geglaubt haben: I. Welche Forderungen für die Reihenfolge der zur Berathung gestellten Gegenstände gehen aus der Natur und dem Zwecke des Bundes überhaupt hervor? II. Welche Vorschriften enthält in dieser Hinsicht der Buchstabe des Grundvertrags? III. Wie läßt sich unter den gegebenen Umständen von diesen Vorschriften und Forderungen die zweckmäßigste Anwendung machen? I. Welche Forderungen für die Reihenfolge der zur Berathung gestellten Gegenstände gehen aus den Zwecken und Erfordernissen des Bundes überhaupt hervor? Ehe specielle Ansichten sich deßhalb aufstellen lassen, bedarf es einer nähern Verständigung über die Lage und die weitere Ausbildung des Bundes. Es scheint hier und da der Irrthum zu herrschen, die Bundesacte sey schon das vollendete Grundgesetz des Bundes, da sie doch nur der Grundvertrag über denselben ist und auch nur seyn sollte. Dieses gilt namentlich von den unter der Ueberschrift: Allgemeine Bestimmungen enthaltenen eilf ersten Artikeln derselben8, welche die Errichtung und Verfassung des Bundes betreffen. Constitution und Gesetzgebung sind wesentlich verschieden; die erste giebt nur die Mittel an die Hand, um auf einem bestimmten Wege zu der letztern zu gelangen. Nach dem eigenen Inhalte der Bundesakte ist aber weder die erstere noch die letztere vollendet und hat es nicht werden können oder sollen, denn von beiden ist bestimmt, daß die Bundesversammlung dieses erst thun werde, wie der Art. 10 der Bundesakte beweiset, wo der Bundesversammlung vorgeschrieben ist: die Abfassung der Grundgesetze des Bundes (nicht der Versammlung) und dessen organische Einrichtung, in Rücksicht auf seine auswärtigen, militärischen und innern Verhältnisse, zu ihrem ersten Geschäft zu machen.9 8 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508–1512. 9 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512.

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Nach dieser Voraussetzung hat also die Bundesversammlung, welche, nach dem 4. Art. der Bundesacte, die Angelegenheiten des Bundes zu besorgen hat, sich nach Anleitung der Bundesacte überhaupt zu beschäftigen: 1. Mit Abfassung und Vervollständigung der Grundgesetze des Bundes, nach den Zwecken, welche dem Bundesvertrage unterliegen, und welche die Mittel zur Ausführung im allgemeinen bestimmen; sie beziehen sich daher auf die eigentliche Gründung und Verfassung des Bundes als Gesammtheit, auf die Feststellung der Rechte und Pflichten der Bundesglieder als einzelner Theile derselben, auf das ganze Wesen und Verstehen des Bundes als solchen. Die Grundsätze dazu können nur aus der Bundesacte selbst und aus der Natur eines solchen Staatenvereins, wie dieselbe ihn angiebt, hergenommen werden; es sind mithin diese Grundgesetze nur die daraus abgeleiteten Folgerungen, und feste Bestimmungen in Ansehung der verschiedenen eintretenden Verhältnisse, in gewisse Formen und Regeln gebracht. Indem die Bundesversammlung diese, in Gemäßheit des Urvertrags (der Bundesacte) vollständig, wenn auch in allmähliger Folge, bearbeitet, wird die Gesammtverfassung des Bundes sich daraus entwickeln. 2. Hat sich die Bundesversammlung zu beschäftigen mit den organischen Einrichtungen des Bundes, worunter nur der Organismus desselben in den einzelnen Mitteln und Anstalten zu verstehen ist, die zur Erfüllung obiger Zwecke dienen sollen, um seine auswärtigen, militärischen und innern Verhältnisse in gehörige Ausführung und zur Wirksamkeit zu bringen. Sie sind nöthig zu Erreichung der Bundeszwecke und zur Besorgung der gemeinsamen Angelegenheiten, und sie sollen, unter dieser Berücksichtigung, durch weitere einstimmige Ueber­einkunft beschlossen und angeordnet werden. In so fern die Grundgesetze alle allgemeine Bestimmungen enthalten ­sollen, die erst durch die einzelnen Einrichtungen zur Anwendung zu bringen sind, können die organischen Gesetze als Normen für diese letztern, auch zu den Grundgesetzen gezählt werden, wie die Verfassung überhaupt. Allein die Bundesacte unterscheidet in den Artikeln 6, 7 und 1010 nur zwischen Grundgesetzen und organischen Einrichtungen, und gebraucht den Ausdruck: organische Gesetze, in der allgemeinen Bedeutung; daher diese Abtheilung auch also beizubehalten seyn dürfte. 3. Hat die Bundesversammlung sich zu beschäftigen mit gemeinnützigen Anordnungen; theils wie solche in den Artikeln der Bundesacte unter der Rubrik von besondern Bestimmungen schon angegeben und noch zur Ausführung zu bringen sind; theils wie sie auch noch in der Zukunft, nach Anleitung der Art. 6 und 7 der Bundesacte zum gemeinschaftlichen Besten und zur Be10 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1510–1512.

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festigung des Nationalverbandes durch weitere Vereinbarung sollen zu Stande gebracht werden. 4. Endlich hat die Bundesversammlung sich zu beschäftigen mit fortwährender Besorgung der Angelegenheiten des Bundes (Art. 4)11 welche theils im allgemeinen aus dem in dem Art. 212 der Bundesacte geschilderten Zweck desselben hervorgehen, theils durch die verschiedenen speciellen Vorschriften der Bundesacte erwachsen sind, theils aus der Wiener Congreßacte13 sich ergeben können, und endlich aus den weitern Beschlüssen der Bundesversammlung erfolgen werden. In dieser Hinsicht wird dieselbe auch darauf zu wachen und zu halten haben, daß sowohl die von ihr gefaßten Beschlüsse zur gehörigen Befolgung gebracht, als auch die bereits bestimmten Dispositionen der Bundesacte, wodurch den Unterthanen der verschiedenen deutschen Bundesstaaten gewisse gemeinschaftliche Rechte zugesichert worden sind, (wie z. B. die in dem Art. 18 unter a, b, c enthaltenen Verfügungen14) allgemein in Erfüllung gesetzt, und die etwa durch besondere Umstände dabei noch vorkommenden Schwierigkeiten ausgeglichen werden. Die fortwährende Besorgung der Angelegenheiten des Bundes, begreift also nicht bloß die Erledigung der einzelnen, durch die Bundesacte gegebenen Aufträge, sondern im Allgemeinen schon die Verfolgung und Behauptung des Bundeszweckes bei allen vorkommenden Gelegenheiten, und die Sorge für die Beobachtung der Bundesacte und der wechselseitig gelobten Bundes­ treue – so wie möglichste Beförderung des allgemeinen und besondern Wohls, in welcher Hinsicht die vorsitzende Kaiserlich-Königliche-Gesandtschaft in ihrem ersten Vortrage so wahr und schön sich also ausdrückt: „Der gleiche Geist der uns Alle beseelt, das Wohl und den Glanz des deutschen Bundes so wie das individuelle Beste der Deutschen immerhin nach Grundlage der Bundesacte zu befördern, wird für uns insgesammt das Hauptgesetz unserer öffentlichen Bestimmung seyn.“15 Eben sie rechnet daher auch zu dem allgemeinen Auftrag der Bundesversammlung die Besorgung derjenigen Geschäfte, welche sich auf das Interesse des deutschen Bundes beziehen, oder doch in dem Kreise seiner öffentlichen Bestimmung liegen, und so wie sie im Laufe der Zeit entstehen, auch ihre Erledigung finden müssen, z. B. specielle Verhältnisse mit auswärtigen Mächten u. s. w. 11 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1509. 12 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508. 13 Gemäß Artikel 46 der Wiener Kongreßakte vom 8. Juni 1815 gehörten Streitigkeiten über die Aufstellung und Handhabung der Frankfurter Verfassung vor den Bundestag und konnten nur von diesem entschieden werden. Vgl. Acte du Congrès de Vienne du 9 Juin 1815, avec ses Annexes, S. 42 f. 14 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516 f. 15 Vgl. Dok. 100, S. 430.

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Sind diese allgemeinen Voraussetzungen richtig – und wir glauben es mit dem ersten Präsidial-Vortrag – ist die Bundesakte noch kein geschlossenes Ganze, enthält sie nicht einmal alle nothwendigen Materialien zum Ganzen, verlangt sie vielmehr selbst Vervollständigung der Grundgesetze und fordert sie zugleich zu gemeinnützigen Anordnungen auf; so folgt daraus, daß es sehr schwer ist, schon gegenwärtig die Frage erschöpfend zu beantworten: „in welcher Reihenfolge ist die Bearbeitung der durch die Bundesacte zu weiterer Berathung aufgestellten Gegenstände vorzunehmen?“ Wir wollen indessen versuchen, einige allgemeine Ansichten darüber aufzustellen. Es ist zuvörderst einleuchtend, daß die Verbindung einer unmittelbaren Geschäftsthätigkeit der Bundesversammlung mit dem Auftrag zur Ausbildung der Grundgesetzgebung und Organisation des Bundes auf den Gedanken führen konnte, die letztere sey Bedingung der erstern, und die Besorgung der Angelegenheiten des Bundes könne erst eintreten, wenn die Organisation desselben, wenigstes wenn die organische Einrichtung der Bundesversammlung vollendet seyn werde. Die strenge Verfolgung dieses Gedankens würde die Bundesversammlung durch einen leicht erkennbaren Cirkel zu endlicher Un­ thätigkeit geleitet haben. Dem wurde dadurch vorgebeugt, daß man durch eine vorläufige Geschäftsordnung16 den thätigen Gang der Versammlung sicherte, und die Errichtung einer förmlichen Bundestags-Ordnung einleitete und vorbereitete. Dieß Beispiel aber schon beweiset zur Genüge, daß die Reihefolge der Bundestagsgeschäfte nicht nach der Reihefolge der Artikel oder der Worte der Bundesacte zu bestimmen ist. Weil das erste Geschäft der Bundesversammlung die Grundgesetzgebung und Organisation des Bundes seyn soll, so ist es darum jetzt nicht ihr einziges. Denselben Beweis giebt auch die folgende Bemerkung. Man kann nemlich hiernächst die unabänderliche Hauptpflicht der Bundesversammlung: Sorge für die Erreichung des Bundeszwecks, nicht verkennen. Dieser Zweck ist durchaus erhaltend – der Beruf der Bundesversammlung also: verhüten, abwenden, vertheidigen, und die Art ihrer Wirksamkeit ist hiernach durchaus einfach und klar bestimmt. Aber die Mittel sind verschieden, wie die Gegenstände. Erhalten soll werden: 1) die äussere Sicherheit, 2) die innere Sicherheit Deutschlands, 3) die Unabhängigkeit und 4) die Un­ verletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten. Die Zeitumstände müssen ­anzeigen, für welchen Gegenstand die angemessenen Mittel durch organische Einrichtungen zu ordnen und zu sichern, am dringendsten ist. Wenn nun das Bedürfniß der Zeit selbst auf die Arbeiten, welche die Grundgesetzgebung des Bundes und die zur Erreichung des Bundeszweckes erforderliche organische Einrichtung desselben, betreffen, seinen Einfluß äus16 Vgl. Dok. 65.

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sern muß; so ist es ferner natürlich, daß besondere Ereignisse auch die Zurücksetzung einer bereits begonnenen Arbeit gegen eine andere, die vorher für minder dringend gehalten wurde, herbeiführen können. Da auch die Bundesversammlung in manchen Beziehungen politische Rücksichten zu nehmen hat, besonders sobald es auf Erhaltung des Friedens ankömmt; so können Betrachtungen solcher Art, wenn nur Aengstlichkeit oder Gefälligkeit nicht zu weit geht, für die Reihefolge der Geschäfte von Erheblichkeit, und mit gutem Grund für gewisse Zeiten dergestalt entscheidend seyn, daß Aufschub oder Beschleunigung durch gemeinsames Einverständniß beliebt werden kann. Die Klugheit erfordert, daß eine Arbeit zurückgelegt werde; wenn ungünstige Umstände ihren Erfolg bedrohen, so wie sie anräth, dem Erfolge günstige Umstände nicht unbenutzt zu lassen. Wenn endlich die Bundesacte auch Privatverhältnisse mit rühmlicher Sorgfalt berücksichtigt; so ist dabei nothwendig die Absicht vorauszusetzen, daß nicht erst künftige Geschlechter anfangen sollen, der wohlthätigen Wirkungen jener Sorgfalt theilhaftig zu werden. Es ist übrigens offenbar, daß, besonders bei weitumfassenden Gegenständen, durch die Arbeit selbst, und schon allein durch das Bedürfnis logischer Ordnung eine Reihefolge bestimmt werden kann, die zum voraus, nach allgemeinen Regeln festzusetzen, unmöglich ist. Auch dieses wird bei unseren Arbeiten sich ergeben. Unser erstes Geschäft ist uns gesetzlich vorgezeichnet: Grundgesetze und organische Einrichtungen. Diese würden nun nach und nach zu erörtern, jedoch nur nach gewisser Verbindung und ihrem Zusammenhang, darüber Verlas und Beschluß zu nehmen seyn, da sie so sehr in einander greifen, daß es nicht wohl möglich ist, sie, ohne dem Ganzen zu schaden, einzeln und isoliert zur Abstimmung zu bringen. Sind aber mehrere erörtert und in einander gefügt, dann lassen sie sich leicht ordnen und als einen der genannten Haupt­ theile des Ganzen zum Verlas und zur Beschlußnahme bringen. Diese hier vorangeschickten allgemeinen Bemerkungen werden noch mehr durch die jetzt folgende Uebersicht der gesetzlichen Bestimmungen gerechtfertigt werden. II. Welche Vorschriften werden durch die Bundesacte selbst über die Reihefolge der Geschäfte der Bundesversammlung ertheilt? Die Bundesacte hat sich in dieser Hinsicht über gewisse Gegenstände bestimmt ausgesprochen, und zwar auf eine dreifache Weise: 1) Indem sie vorschreibt, welche Verhandlungen die Bundesversammlung nach ihrer Eröffnung zu ihrem ersten Geschäft machen soll, und einige Fin-

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gerzeige in Ansehung gewisser Gegenstände giebt, welche bei diesem ersten Geschäft zugleich, oder doch unmittelbar nachher ihre Erledigung zu erwarten haben. 2) Indem sie für die Vornahme oder Erledigung anderer Gegenstände eine gewisse Frist bestimmt. 3) Indem sie die Vornahme einiger andern Gegenstände ohne solche Fristbestimmung über­haupt nur als dem Zweck des Bundes gemäß angiebt und zusichert. Diese verschiedenen Gegenstände lassen sich nun in Gemäßheit der Bundesacte unter die eben bemerkten drei Abtheilungen folgendermaßen classificiren. In die erste Classe gehören: A. Die Abfassung der Grundgesetze des Bundes, B. Dessen organische Einrichtung, und zwar in Rücksicht auf folgende Verhältnisse desselben: a) auf die auswärtigen, b) auf die militärischen, c) auf die inneren, beides nach Artikel 10 der Bundesacte. C. Die Erwägung, ob den mediatisirten vormaligen Reichsständen auch einige Curiatstimmen in Pleno zugestanden werden sollen, welche nach dem 6. Artikel der Bundesakte bei Berathung der organischen Gesetze statt finden soll. D. Die Bestimmung über die Vertagung der Bundesversammlung, und über die Besorgung der während derselben etwa vorkommenden dringenden Geschäfte, welche nach dem Artikel 7 der Bundesversammlung bei Abfassung der organischen Gesetze vorbehalten ist. E. Die Berathung über die einzuführende beständige Folge der StimmenOrdnung, welche nach dem Artikel 8 auf die Abfassung der organischen Gesetze folgen soll, wie solche denn auch offenbar vor Beschlußnahme einer definitiven Bundestags-Ordnung, zu der sie wesentlich gehört, statt finden muß. In die zweite Classe gehören: A. Die Berathung über Regulirung der Sustentations-Casse und der Pensionen für die überrheinischen Bischöfe und Geistlichen, indem solche Regulirung nach dem Artikel 15 binnen Jahresfrist zu beendigen ist.17 B. Die Berathung über Handel und Verkehr zwischen den verschiedenen Bundesstaaten, so wie wegen der Schifffahrt, welche Berathung bei der er17 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1515.

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sten Zusammenkunft der Bundesversammlung in Frankfurt sich die Bundesglieder im Artikel 19 vorbehalten haben.18 C. Die Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die Preßfreiheit, und die Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck, weßhalb im Artikel 18 zugesichert ist, daß sich die Bundesversammlung bei ihrer ersten Zusammenkunft damit beschäftigen werde. Die Verweisung an die erste Zusammenkunft ist wohl nicht anders zu verstehen, als von dem Zeitraume vor der ersten förmlichen Vertagung der Bundesversammlung. In die dritte Classe gehören endlich: A. Die Berathung über möglichst gleichförmige Grundsätze in Betreff der Militärpflichtigkeit, welche nach Artikel 18 (2), im allgemeinen als zweckmäßig angegeben und zugesichert worden ist.19 B. Die im 16. Artikel der Bundesacte im allgemeinen zugesicherte Bera­ thung, wie auf eine möglichst übereinstimmende Weise die bürgerliche Verbesserung der Bekenner des jüdischen Glaubens in Deutschland zu bewirken sey, und wie insonderheit denselben der Genuß der bürgerlichen Rechte gegen die Uebernahme aller Bürgerpflichten in den Bundesstaaten verschafft und zugesichert werden könne.20 Ob nach Anleitung des Art. 14, (1, 4)21 hierher noch zu rechnen sey: C. Die Berathung über die näheren Bestimmungen der Verhältnisse und Befugnisse der Mediatisirten zur weiteren Begründung und Feststellung eines in allen deutschen Bundesstaaten übereinstimmenden Rechtszustandes der mittelbar gewordenen Fürsten, Grafen und Herren nach Anleitung der Königlich-Baierischen Verordnung vom Jahr 180722; und D. die Berathung über die Anwendung der wegen der mediatisirten Reichsstände angenommenen Grundsätze auf den ehemaligen unmittelbaren Reichsadel im allgemeinen, und in specie in den von Frankreich wieder abgetretenen Provinzen, ist aus dem gedachten Art. 14 nicht deutlich zu ersehen, da jene Ausdrücke auch so gedeutet werden können, als sollte dadurch nicht der Bundesversammlung, sondern direct den Staaten selbst, welche Mediatisirte zu ihren Unterthanen zählen, eine Norm zur weiteren Regulirung ihres Verfahrens in dieser Hinsicht vorgeschrieben werden.

18 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1517. 19 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516. 20 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1515 f. 21 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1514. 22 Deklaration über die Rechte und Pflichten der mediatisierten Fürsten, Grafen und Herren im Königreich Bayern, München, 19. März 1807; abgedr. in: CJCG, Bd. 2, S. 8–15.

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Diese in unmittelbarer Beziehung auf eine gleichsam gesetzliche Reihefolge aufgestellte Uebersicht der Geschäfte der Bundesversammlung, welche nicht von der fortlaufenden Besorgung der Angelegenheiten des Bundes abhangen, kann nur zu einem gewissen Leitfaden dienen, ohne daß aus ihr eine unbedingte Norm abgeleitet werden dürfte. Denn, wenn die Bundes­acte für einen Zeitraum mehrere, zum Theil weitumfassende Geschäfte zusammenstellt; so muß natürlich, was zugleich nicht vorgenommen werden kann, in einer Ordnung nach einander folgen, die das grössere oder geringere Bedürfniß bestimmt. Der Geschäftsgang der Bundesversammlung muß daher in dieser Hinsicht durch die allgemeinen Grundsätze geleitet werden, welche wir in dem ersten Abschnitt zu entwickeln versucht haben. Da nun auch, wie eben daselbst bemerkt ist, der Zusammenhang, in welchen der besondere Zweck gewisse Bestimmungen der Bundesacte setzt, nicht ausser Acht gelassen werden darf; so wird es im Laufe der Geschäfte nicht fehlen, daß mancher Gegenstand, in Verbindung mit einem andern, früher, als es sonst der Fall gewesen wäre, an die Reihe der Bearbeitung kommen muß. In dieser Beziehung stellt insonderheit der erste Vortrag der Kaiserlich-Königlich-Oesterreichischen vorsitzenden Gesandtschaft bemerkenswerthe Gesichtspunkte auf, indem er nach dem Hauptcharakter des Bundes, welchen der gemeinsame Zweck der Gesammtheit, und die Gemeinschaft wichtiger Rechte für alle Unterthanen der Bundesstaaten bezeichnet, nach der von dem Bunde übernommenen Verpflichtung, lästige Folgen früherer Ereignisse nach Möglichkeit zu mildern, und nach der allgemeinen Bestimmung der Bundesversammlung zur Besorgung der Angelegenheiten des Bundes, unter drei Hauptabtheilungen die gesetzmäßigen Obliegenheiten dieser Versammlung geordnet hat. Geleitet durch diese verschiedenen Rücksichten haben wir die gutachtlichen Vorschläge entworfen, zu deren Darstellung wir nunmehr übergehen. III. Wie läßt sich unter den gegebenen Umständen von den vorliegenden Vorschriften und Forderungen die zweckmäßigste Anwendung machen? Die Commission hat in dem oben angeführten Beschluß ihrer Bestellung die Aufgabe erhalten: „bei Erstattung ihres Gutachtens über die Reihefolge die in der Präsidial-Proposition vom 11. November v. J. enthaltene dreifache Ab­ theilung, so wie die bereits über drei Gegenstände durch besondere Verlasnahme festgesetzten Bestimmungen zu berücksichtigen“.23 Diese drei Gegen23 Vgl. ProtDBV 1816, 4. Sitzung vom 18. November 1816, § 10, S. 60.

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stände sind bekanntlich unter verschiedenen Verlasnahmen nach dem Protokoll der dritten Sitzung vom 14. November: a) die Geschäftsordnung, b) die überrheinisch geistliche Sustentations-Angelegenheit, c) die Militär-Verhältnisse des Bundes.24 Was das erste betrifft; so ist der Termin, um die weitere Berathung darüber anzustellen, etwa in der Mitte Februar festgesetzt. Die Commission kann sich hierbei also nur die Bemerkung erlauben, wie es am angemessensten scheinet und am sichersten zum Zweck führen dürfte, wenn die bereits provisorisch eingeführte Geschäftsordnung allmählich nach den weitern Erfahrungen und Bedürfnissen vervollständigt und verbessert; zu dem Ende von Zeit zu Zeit in bestimmten Fristen revidirt würde, und auf dem Wege zur Vorbereitung der definitiven Geschäftsordnung diente, da diese letztere sonst durch eine abgesonderte Berathung wohl nicht anders und eher normirend zu Stande zu bringen ist, als nachdem die gesammten organischen Gesetze erst die Regeln aufgestellt haben, in deren Gemäßheit sie anzuordnen seyn wird. Denn selbst wenn diese definitive Geschäfts- oder Bundestags-Ordnung nur solche ­Gegenstände enthalten sollte, welche bereits in der vorläufigen angeregt sind, wie es doch nicht die Absicht seyn kann, so müssen darüber noch manche nähere Bestimmungen durch organische Gesetze erst eintreten. Die Bundesacte macht die Voraussetzung, daß die organischen Gesetze vorher abzufassen sind, ehe man zu einer definitiven Geschäftsordnung gelangen könne, indem sie Art. 8 ausdrücklich angiebt, daß die Berathung über die künftige, als beständige Folge einzuführende Stimmenordnung, welche doch wesentlich zu einer definitiven Geschäftsordnung gehört, erst nach Abfassung der organischen Gesetze vorgenommen werden soll. Eine gleiche Voraussetzung findet auch noch Art. 7 der Bundesacte in Betreff der näheren Bestimmungen der Vertagung der Bundesversammlung und der, während ­solcher vorzunehmenden Geschäftsbesorgung, statt. Soll aber die definitive Geschäftsordnung auch über andere Gegenstände, z. B. über die Form des Verfahrens bei Anordnung der Austrägal-Entscheidung, sich aussprechen, was doch allerdings zur völligen Normirung des Geschäftsganges gehört; so müssen darüber noch durchaus vorher weitere organische Gesetze gemacht und solche also zuvörderst betrieben werden. Die einzelnen Normen aber, die auf diese Weise allmählich aufgestellt werden, dürften inzwischen in die ­vorläufige Geschäftsordnung aufzunehmen seyn und mit zu deren Vervollständigung dienen. Die Commission mögte daher anheim geben: bei den ­angesetzten Berathungen über die definitive Geschäftsordnung von diesem Gesichtspunkt auszugehen. 24 Vgl. ProtDBV 1816, 3. Sitzung vom 14. November 1816, § 2−4, S. 54 f.

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In Ansehung des Sustentationswesens der überrheinischen Geistlichkeit, ist die Arbeit durch die seitherigen Verhandlungen und durch die sorgfältigen Bemühungen des dazu bestellten besondern Commissarius schon so weit vorgerückt, daß die baldige Beendigung hoffentlich erfolgen wird. Die Militärverhältnisse hat die Bundesversammlung unter den organischen Einrichtungen, bereits als einen der wesentlichsten Gegenstände herausgehoben, mit dem sie sich nothwendig und zuerst beschäftigen zu müssen glaubt. Die Berathungen darüber stehn zur Eröffnung, indessen dürfte ungesäumt damit anzufangen seyn, die verschiedenen Ansichten auszutauschen, und sich über gewisse Grundsätze zu vereinbaren, welche alsdann ohne Schwierigkeiten zur gleichmäßigen Anwendung zu bringen seyn werden. Die Aufgabe welche die hohe Bundesversammlung ihrem Ausschuß demnach gemacht hat, löset sich bei diesem Stand der Sache hauptsächlich in die Frage auf: Welche von den organischen Einrichtungen sind neben den bereits zur Berathung gestellten Gegenständen zunächst oder gemeinschaftlich mit diesen, in richtiger Verbindung und Folgeordnung, zur weitern Verhandlung des Bundestags zu bringen? Der Artikel 225 der Bundesacte wird deßhalb mit dem26 Art. 10 in Beziehung zu setzen seyn und zu einiger Anleitung dienen müssen, wenn darin „die Erhaltung der äussern und innern Sicherheit Deutschlands und die Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten“ als der Zweck des Bundes ausgesprochen worden ist. Diejenigen organischen Einrichtungen, welche die baldigste Ausführung dieses angegebenen Zwecks ­sichern, werden also vor allen andern vorzunehmen und zu betreiben seyn. Auch der erste Präsidial-Vortrag stimmt mit dieser Ansicht völlig überein. Ad I. sagt er zuerst: „Die in unsern Präliminar-Conferenzen wenigstens in Beziehung auf den Geschäftsgang bereits getroffenen vorläufigen Verabredungen werden als einstweilige Norm gelten, bis eine Bundestags-Ordnung darüber eine bleibende Anordnung gewähren wird“.27 Sodann empfiehlt er neben diesem äussern Organism des Bundestags sogleich unter I. Num. 2 diejenigen Bestimmungen zur Berathung, welche das innere Gebäude des Bundes selbst betreffende organische Grundbestimmungen ausmachen, wobei es so heißt: „Der Artikel 10 der Bundesacte bezeichnet diese als erste Geschäfte der Bundesverhandlung, wodurch alsdann auch der Artikel 11 seine noth­ wendige nähere Bestimmung erhalten wird. Hiedurch wird bezweckt die 25 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508. 26 Emendiert. Vorlage: den. 27 Vgl. Dok. 100, S. 426 f.

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vollkommene organische Gesetzgebung des deutschen Bundes in Hinsicht seiner auswärtigen militärischen und innern Verhältnisse. Dieser Zweig unserer Geschäfte wird einen vorzüglich wichtigen Gegenstand unserer Verhandlung ausmachen, und erfordert dringend eine eben so angemes­ sene als reife und anhaltende Berathung. Diese Artikel 10 und 11 sind es, wodurch der deutsche Bund seine Hauptgrundlage erhalten soll, sie sind es welche vorzüglich eben so das Wohl der Gesammtheit als zugleich auch selbst unmittelbar jenes der einzelnen Deutschen bezwecken“.28 Nach solchen Anleitungen hat die Commission nur der Meinung seyn können, daß es den bisherigen Absichten und Erfordernissen am entsprechendsten seyn wird: 1. Wenn die Bundesversammlung unausgesetzt die Regulirung der MilitärVerhältnisse des Bundes betreibt, und, nachdem sie die einzelnen Gegenstände derselben vorläufig erörtert haben wird, baldige Beschlußnahme über das Ganze zu bewirken sucht, welche erleichtert werden mögte, wenn man über gewisse eintretende Grundsätze sich vorher zu verständigen sucht. 2. Auf gleiche Linie mit dieser Maasregel der äussern Sicherheit zur Ver­ theidigung im Kriege gegen auswärtigen Angriff, wird jedoch auch das Friedensverhältniß mit fremden Mächten zu setzen und also gleichzeitig zu be­han­ deln seyn, wie mit dem Friedenszustand beginnend und denselben erhaltend. Um so nothwendiger erscheint es daß der Bund als solcher, und wie eine Macht in dem völkerrechtlichen System der europäischen Staaten, seine angemessene Stelle einnimmt und als ein Ganzes handelnd, in das deßfallsige Verhältniß tritt. Er ist von den fremden Mächten in der Wiener Congreßacte zwar völlig anerkannt29, es gehört nun aber weiter dazu, daß er seine wirk­ liche Existenz oder seine eingetretene Wirksamkeit auch zur förmlichen Kenntniß aller auswärtigen europäischen Mächte bringt, um von einem 28 Vgl. Dok. 100, S. 427. 29 Artikel 118 der Wiener Kongreßakte vom 8. Juni 1815 hatte die Deutsche Bundesakte zum Bestandteil des in Wien geschlossenen Vertragswerks erklärt. Die Artikel 1−11 der Deutschen Bundesakte waren außerdem wortwörtlich in die Kongreßakte (Art. 53−63) aufgenommen worden, während die Artikel 12−20 immerhin summarisch als Bestandteil der Kongreßakte erwähnt wurden (Art. 64). Durch diese Inkorporation in das Wiener Kongreßinstrument bildete die Bundesverfassung einen „Bestandteil des ius publicum Europaeum“ und die staatsrechtliche Neuordnung Deutschlands war damit seitens der nichtdeutschen Signatarmächte anerkannt. Ob sich aus der „vertragstechnische[n] Verknüpfung“ beider Urkunden auch eine völkerrechtliche Garantiefunktion insbesondere Rußlands, Großbritanniens und Frankreichs ableiten ließ, war jedoch umstritten und gab wiederholt Anlaß zu Streit. Vgl. Acte du Congrès de Vienne du 9 Juin 1815, avec ses Annexes, S. 45−52 u. 84 f.; Döring-Manteuffel, Die deut­ sche Frage und das europäische Staatensystem, Zitat S. 7; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 675−687, Zitat S. 676; Dommermuth, Das angebliche europäische Garantierecht über den Deut­schen Bund.

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­ entralpunkt aus durch das Mittel der Bundesversammlung sich mit ihnen in C Mittheilung und Verbindung zu setzen, und sein gemeinsames Interesse wahrnehmen zu können. Diese Betrachtung wird auch durch die Bundes­ acte Art. 10 völlig unterstützt, wo unter den organischen Einrichtungen mit denen die Bundesversammlung sich zuerst beschäftigen soll, die auswärtigen Verhältnisse oben angesetzt sind. Wurde nun freilich von der Bundesversammlung selbst zuerst Verlas über die Militär-Verhältnisse genommen; so liegt hierin nur ein Antrieb und eine Ursache mehr, auch über die Verhältnisse des jetzigen Friedenszustandes in allen Beziehungen die Berathungen des Bundestags zugleich und neben jenen anzufangen, darüber Verlas zu nehmen und inzwischen die Discussionen in vertraulichen Sitzungen zu eröffnen, da diese beiden Hauptgegenstände der organischen Einrichtungen in dem genauesten Zusammenhang stehen und wechselsweise die Mittel darbieten, den Frieden erhalten und den Krieg führen zu können. Auf die Verbindung dieser beiden Wege zur Beförderung der gemeinsamen Bundes-Interessen wird die bezweckte Sicherheit und das Vertheidigungs-System des Bundes und seiner einzelnen Mitglieder zu begründen seyn. Hierbei wird es hauptsächlich darauf ankommen, daß der Bund sich, constituirt als ein Ganzes, thätig zeigt und seine Verhältnisse mit den auswärtigen Mächten feststellt; insonderheit aber über die dem allgemeinen völkerrechtlichen Gebrauch angemessene Unterhandlung freundschaftlicher Verbindungen und Mittheilungen der Staaten durch Gesandte, bald einen Entschluß faßt. 3. Zur Aufrechthaltung der innern Sicherheit und Ruhe wird die Feststellung und Ausübung eines sichern Rechtszustandes in allen Bundesstaaten wesentlich erfordert. Die Justitzverfassung im Innern der einzelnen Länder und die Obhut der Bundesversammlung, nach der Bestimmung ihrer Competenz, sorgen dafür. Um so mehr ist es aber nöthig, daß die Streitigkeiten der Bundesglieder unter einander auch eine unverzögerte rechtliche Entscheidung im Bunde finden. Dergleichen Fälle können täglich vorkommen; daher wird der Bundestag ungesäumt unter den ersten Gegenständen sich damit zu beschäftigen haben, der Vorschrift des 11. Art. der Bundesacte, besonders am Schluß desselben, vollkommen zu genügen und diejenigen Einrichtungen zu bestimmen, wornach sowohl die Versammlung die ihr zum Versuch der Ausgleichung solcher Streitigkeiten übertragene Vermittelung durch Bestellung eines Ausschusses auszuüben hat; als auch wie im Entstehungsfall bei einer wohlgeordneten Austrägal Instanz zu verfahren seyn wird, um eine richterliche Entscheidung und deren sofortige Vollziehung zu bewirken. Der mehrgedachte Präsidial-Vortrag30 stellt deshalb auch die Artikel 10 und 11 der Bundes­acte als zusammenhängend in der Erledigung dar, und 30 Vgl. Dok. 100, S. 427.

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nennt sie die Hauptgrundlagen des deutschen Bundes. Und es ist nicht zu verkennen, daß, indem die Bundesversammlung solchergestalt eine sehr wesentliche organische Einrichtung auch ihrer innern Verhältnisse gründen wird, sie zugleich durch die hierbei aufgestellten Formen ihre eigene Geschäfts-­ Ordnung befördern und die bisherige vorläufige31, durch Ausfüllung einer ­bedeutenden Lücke vervollständigen kann. Nach der gutachtlichen Meinung der Commission würde also die Bundesversammlung diese drei Hauptgeschäfte vorzugsweise und zunächst betreiben und solche auch neben einander in Berathung nehmen können, um in der Zwischenzeit bis die Instructionen von den höchsten Committenten eingeholt werden, in ununterbrochener Folge und mit gehöriger Benutzung der Zeit, in vertraulichen und förmlichen Sitzungen diese Gegenstände genauer erörtert, und so allmählich zur Reife der Abstimmung gefördert zu sehen. Es möchten selbst in naher Folge auf einander die Verlas-Termine zur Eröffnung des Protokolls darüber baldigst angesetzt werden, um die Instructionen zu befördern, und die zuerst eingehenden abzugeben, wenn auch die Protokolle hierbei noch weiter offen zu behalten wären, oder auch nur vorläufig und nicht de­ finitiv nach dem Gang der Sache abgestimmt würde. Immer dürfte es zur anhaltenden Beschäftigung des Bundestags gereichen, wenn man die Berathungen über alle drei genannten Hauptgegenstände gemeinschaftlich ansetzt um sich wechselsweise, je nachdem die Materie erörtert wäre, oder Instructionen eingiengen, damit zu beschäftigen, während sonst, wenn man erst jede einzeln völlig abmachen wollte, ehe man zur folgenden schritte, nicht nur das gesammte Organisations-Geschäft sehr langsam und spät beendigt, sondern auch die Zwischenzeiten, wenn auf Instructionen in der einen Sache gewartet wird und bis zur Eröffnung des Protokolls nicht hinlänglich ausgefüllt wären, und der Bundestag nicht in fortwährender Thätigkeit erhalten würde. Um diese drei Hauptgegenstände aber noch einigermaßen durch die Commission so vorbereitet zu sehen, wie der hohe Präsidial-Vortrag es wünscht, damit die Erörterung sowohl, wie die bestimmtere Instructions-Einholung erleichtert werde, hält die Commission zwar es für angemessen, diejenigen einzelnen Fragen, Punkte oder Abtheilungen, worin jene Hauptmaterien sich wiederum auflösen, in drei besondern Beylagen noch in der Kürze auseinander zu setzen, indem sie jedoch auf die nähere Entwicklung des blossen Inhalts, ohne Hinzufügung bestimmter Vorschläge oder Meinungen, sich beschränken zu müssen glaubt. Erste Beylage: Ueber die Militär-Verhältnisse des Bundes. Zweite Beylage: Ueber dessen auswärtige32 Verhältnisse. 31 Vgl. Dok. 65. 32 Emendiert. Vorlage: innere.

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Dritte Beylage: Ueber die innere Verhältnisse des Bundes und insbesondere über die Anordnungen um die Streitigkeiten der Bundesglieder unter einander zu schlichten, oder rechtlich zu entscheiden. Nachdem die vorstehenden Hauptgegenstände der allgemeinen Bundes-Organisation verhandelt und festgestellt worden, dürfte sich die natürliche Folge der übrigen Bestimmungen in Gemäßheit der Bundesacte selbst leichter er­ geben, je nachdem darin wie der zweite Abschnitt dieses Gutachtens sie bezeichnet hat, eine gewisse Zeit und Ordnung schon bei einzelnen Materien angegeben ist, und selbige im Verfolg als connex erscheinen werden, oder wie das Bedürfniß der baldigen Vornahme auch aus den Anträgen und Reklamationen die an die Bundesversammlung ferner ergehen werden, sich nach deren Beurtheilung dringender zeigen wird. Es ist dieses in den bisherigen Berathungen wegen des Art. 15 der Bundesacte33 in Betreff des Deutschen Ordens und des Sustentations-Wesens der überrheinischen Geistlichen schon geschehen. Um jedoch nicht erst zu Handlungen aufgefordert zu werden, wozu die Bundesversammlung durch die Vorschrift des Art. 4 der Bundesacte: „daß sie die Angelegenheiten des Bundes besorgen soll“34 nicht allein befugt, sondern auch verpflichtet ist; so findet die Commission nach der Anleitung des ersten Präsidial-Vortrags was die Abtheilung I. daselbst unter Num. 335 weiter enthält, sich veranlaßt, anheim zu geben: daß wegen derjenigen Gegenstände worüber eine entschiedene Disposition in der Bundesacte bereits vorliegt, die Bundesversammlung sich damit auch ohne Aufschub beschäftigen möge, um zu bestimmen, in wie fern und wie bald solche allgemeine Einrichtungen, wozu man durch die Bundesacte sich schon grundgesetzlich verstanden hat, nun in allen Bundesstaaten zur wirklichen Ausführung zu bringen seyn werden. Hieher sind nach den Abtheilungen in dem Präsidial-Vortrag zu rechnen: a) Die Vollziehung des Artikel 12 der Bundesacte wegen der Oberappella­ tions-Gerichte, die in allen Bundesstaaten eingerichtet seyn sollen.36 b) Die Feststellung einer landständischen Verfassung in den Bundesstaaten, nach Artikel 13 der Bundesacte37, wobei der gedachte Präsidial-Vortrag auch das Ziel aufstellt: „gewisse gleichförmige Grundsätze in dieser Hin33 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1515. 34 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1509. 35 Vgl. Dok. 100, S. 427 f. 36 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513. 37 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513.

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sicht anzunehmen, die individuellen Bestimmungen aber den örtlichen und Personal-Verhältnissen der einzelnen Bundesstaaten zu überlassen“.38 c) Die Ausführung der wohlthätigen Bestimmungen des Art. 18 der Bundes­ acte, um ein allgemeines deutsches Bürgerrecht zu begründen. Es wird dabei nur einer Erklärung am Bundestag bedürfen, daß solche von einem39 gewissen Zeitpunkt an gleichmäßig und wechselseitig in allen Bundesstaaten wirklich beobachtet, etwanige nähere Bestimmungen oder ein­tretende Schwierigkeiten, aber darüber noch weiter zur Sprache an dem Bundestag gebracht werden. Desgleichen dürfte noch in diese Reihe zu zählen seyn: d) die Anzeige, wodurch die Bundesversammlung über genügende Erfüllung der Stipulation des Artikel 14 der Bundesacte, die mittelbar gewordenen ehemaligen Reichsstände und Reichsangehörige und den ihnen zugesicherten Rechtszustand betreffend, in gehörige Kenntniß gesetzt und vergewissert wird. Da es hiebei einer Ordnung gilt, die für die ganze Classe von Mediatisirten nach allgemeinen Grundsätzen durch die Bundesacte eintreten soll, so scheint es, daß dieserhalb nicht sowohl erst die Anbringung von Reklamationen abzuwarten ist. Der Präsidial-Vortrag (Abtheilung II. N. 1)40 empfiehlt daher diesen Gegenstand zur reifen Berathung und setzt damit zugleich die im Art. 6 [sic] der Bundesacte vorbehaltene Anordnung wegen der den media­ tisirten vormaligen Reichsständen etwa zu verleihenden Curiatstimmen in Pleno in eine Verbindung, welche dazu dienen würde, diese ganze Angelegenheit vollständig zu erledigen. Noch sind endlich verschiedene Gegenstände übrig, worüber die Bundesglieder sich ihre Bestimmmung vorbehalten haben, indem sie solche in der Bundesacte zur künftigen Berathung der Bundesversammlung verstellen. Es gehören hierher, ausser der bereits im Eingange dieses Abschnitts berührten Regulirung der Sustentations-Casse und der Pensionen der überrheinischen Geistlichkeit, folgende der Bundesversammlung ertheilte Aufträge: 1. Im Art. 16, die Berathung über die bürgerliche Verbesserung der Bekenner des jüdischen Glaubens; (oben 2. Abschnitt, 3. Classe, Lit. B.) 2. Im Art. 18, die Berathung über die Einführung gleichförmiger Verfügungen über die Preßfreiheit und gegen den Nachdruck; (oben 2. Abschnitt, 2. Classe, Lit. C.)

38 Vgl. Dok. 100, S. 427 f. 39 Emendiert. Vorlage: einen. 40 Vgl. Dok. 100, S. 429 f.

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3. Im Art. 18, die Berathung über die Einführung möglichst gleichförmiger Grundsätze in Ansehung der Militärpflichtigkeit; (oben 2. Abschnitt, 3. Classe, Lit. A.) 4. Im Art. 19, die Berathung wegen des Handels und Verkehrs zwischen den verschiedenen Bundesstaaten, so wie wegen der Schifffahrt; (oben 2. Abschnitt, 2. Classe, Lit. B.) Der erste Gegenstand scheint einer baldigen Berücksichtigung werth zu seyn, da die Lage der Juden in Deutschland durch die theilweise Herrschaft französischer Gesetze durch die verschiedenartige Gesetzgebung der mit dieser Herrschaft verschont gebliebenen deutschen Staaten durch die Folgen der neueren Territorial-Veränderungen und endlich durch den Art. 16 der Bundesacte selbst, so ungleich, unsicher und schwankend geworden ist, daß die klare Einsicht, wie es eben so unmöglich ist, die Juden in ihre alte Lage zurückzuwerfen, als sie überall in ihrer neuen Lage zu erhalten, die Menschlichkeit aller Regierungen auffordern muß, diesen ungewissen Zustand zu beseitigen, indem sie die Bundesversammlung durch zweckmäßige Anweisungen in den Stand setzen, den ihr im Art. 16 ertheilten Auftrag zu erfüllen. Um dieß zu befördern, könnte vielleicht eine vergleichende Uebersicht der, für die bürgerliche Verbesserung der Juden in Deutschland bereits ergangenen Gesetze, vorbereitet werden, und demnächst zur Grundlage der zu fassenden Beschlüsse dienen. Der zweite Gegenstand gehört zwar zu denjenigen womit sich die Bundesversammlung sehr bald beschäftigen soll. Allein Gleichförmigkeit der Ver­ fügungen über die Preßfreiheit und gegen den Nachdruck wird in allen deutschen Landen nur auf die Vergleichung der in denselben bisher befolgten Grundsätze gegründet werden können. Es dürfte also der Anfang damit zu machen seyn, dieß wichtige und wohlthätige Geschäft durch Sammlung der in den verschiedenen Bundesstaaten über Preßfreiheit und Nachdruck bereits erlassenen Gesetze vorzubereiten. Der dritte Gegenstand würde mit der Militärverfassung zugleich und natürlich unter Zuziehung unterrichteter Militärpersonen zu bearbeiten seyn. Der vierte auch durch Bestimmung einer gewissen Frist ausgezeichnete Gegenstand, möchte in dem jetzigen Augenblick, wo Getraidesperren und ihr gleich kommende Ausfuhrabgaben die Bundesstaaten fast in gegenseitiger feindseliger Stellung erscheinen lassen, und wo ein Bundesgenosse gegen den andern sich nur durch Retorsion helfen zu können glaubt, besonders dringend seyn.41 Das Recht der Bundesglieder, Vorschläge zu machen (Art. 5)42 und die Aussicht auf gemeinnützige Anordnungen, welche der Art. 6 eröffnet, lassen 41 Vgl. dazu Kapitel III.3. 42 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1509.

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in dem Laufe der Geschäftsführung der Bundesversammlung die wohlthätige Vermehrung dieser Gegenstände ohne Anstand erwarten. Indem die Commission den Wunsch bezeugt, durch ihr vorstehendes Gutachten nur einigermaßen der ihr gemachten Aufgabe genüget und dem bewiesenen Vertrauen entsprochen zu haben, wenn sie vorzüglich auf eine solche Folgeordnung ihre Vorschläge gerichtet, wie sie nach den vorliegenden Momenten nöthig und nützlich erscheinet, wird sie jederzeit auch bereit seyn, sich über dieselbe noch weiter zu äussern, wenn im Verfolg der Verhandlungen solches von einer hohen Bundesversammlung noch für zweckdienlich gehalten und von ihr verlangt werden möchte. Eyben  Plessen  Berg Erste Beylage zu dem Vortrage (unter Z. 11) über die organischen Einrichtungen des Bundes in Rücksicht auf seine militärischen Verhältnisse. Deutschlands äußere Sicherheit: der erste Zweck des Bundes und seines Bestehens wesentlichste Bedingung fordert vor Allem Vereinigung und Bereitschaft unserer Kräfte zur gemeinsamen Vertheidigung. Der Umfang und die Bevölkerung des Bundes verstattet die Entwickelung grosser Kräfte. Aber, geböte auch nicht die Pflicht, den Völkern Ruhe zu gönnen, und Zeit zur ­Erholung: so liegt es schon in der reinerhaltenen Natur des Bundes, daß diese Entwickelung nicht darauf berechnet werden kann, um eine gebietende ­Stellung in dem43 europäischen Staatensystem anzunehmen, sondern um eine vertheidigende mit Würde und Nachdruck zu behaupten, auf daß Deutschland nie wieder zum allgemeinen Schlachtfelde Europa’s mißbraucht werden könne, und auf daß, bei dem ersten Bedrohen mit feindlicher Gewalt, der Kriegsruf von der Oder bis an die Maas, von der Nord- und Ostsee bis an das adriatische Meer rasch die Vaterlandsvertheidiger versammle. Eben deßhalb ist die Berathung über die Kriegsverfassung des Bundes in der Reihefolge unserer Geschäfte voran gestellt worden; und gewiß erwartet der Deutsche mit vollem Rechte, daß bald solche Einrichtungen getroffen werden, welche geeignet sind, jede Besorgniß, die Bemühungen im Innern den gesunkenen Wohlstand wieder zu heben, von Aussen gestört zu sehen, durch zweckmäßige Organisation der Gesammtkraft unseres Vaterlandes zu entfernen. Es bieten nun die militärischen Verhältnisse des Bundes drei Hauptpunkte zur Berathung dar, die sich bei der nähern Erklärung wieder in mehrere besondere Gegenstände theilen werden. A. Die Matrikel. 43 Emendiert. Vorlage: den.

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B. Die Kriegsverfassung, und C. Die Bundesfestungen. A. Die Matrikel wird den Gesammtbetrag der Leistungen an Mannschaft und Geld, und die verhältnißmäßige Vertheilung derselben unter die einzelnen Bundesstaaten nach allgemeinen Bestimmungen festzusetzen haben. Hierzu wird vorerst erforderlich: a) die gesammten Streitkräfte des Bundes durch officielle Angaben kennen zu lernen. In dieser Hinsicht entstehen folgende Fragen: Soll die Bevölkerung den Hauptmaasstab der erforderlichen, verhältnißmäßigen Vertheilung ab­ geben, besonders in Ansehung der Stellung der Mannschaft? Wird man dabei auch die Staatseinkünfte als einen gleich wichtigen Maasstab berücksichtigen? oder könnte nicht die bestimmte Angabe und Berechnung derselben manche in die Augen fallende Schwierigkeiten finden und dürfte es vielleicht genügen, den Regierungen zu überlassen, in wie fern sie solche in Anwendung setzen wollen, um von der sonstigen Regel der Vertheilung nach der Bevölkerung Modificationen für sich oder gegen andere zu bewirken? Die Angabe des Flächeninhalts eines Landes kann zwar sehr leicht gemacht werden, desto schwieriger ist aber die Anwendung derselben, ohne eine völlige statistische und topographische Beschreibung zugleich zu haben, woraus erst ersichtlich würde, in welchem Verhältniß zur Bestimmung der Gesammtkräfte des Staats der Flächeninhalt stehe. – Die bestimmte Angabe, welche Länder eigentlich zu dem deutschen Bund gehören sollen, wird von denjenigen Bundesstaaten, bei denen solches noch ungewiß ist, auf’s baldigste zu er­ warten seyn. b) Es ist erforderlich, die Truppenzahl oder das Contingent eines jeden Bundesstaats zu dem Bundesheere auszumitteln und festzusetzen. Den Grundsatz hierbei nach der Bevölkerung angenommen, wird zuvörderst zu bestimmen seyn, wie hoch die Truppenzahl im Friedensstand sich belaufen soll? z. B. ob sie auf 1 vom 100 festzusetzen, und in welchem Verhältniß sie im Kriege, nach Maasgabe der das Bedürfniß bestimmenden Umstände zu vermehren seyn dürfte? Es frägt sich dabei: wie viel Landwehr kann und darf darunter gestellt werden? Ist solches einer jeden Regierung, und ob sie überhaupt eine Anzahl Landwehr stellen will, nach der von ihr zu treffenden Einrichtung, zu überlassen? Und da den Unterthanen immer die Verbindlichkeit dazu obliegen wird: in wie weit wäre diesemnach eine gleichförmige Conscription überhaupt einzuführen? Endlich, wie wird es in dieser Hinsicht mit den verschiedenartigen Landsturms-Einrichtungen in den Bundesstaaten gehalten werden? c) Wenn diese Zutheilung einen Maasstab für die Truppenzahl, nach Infanterie berechnet, angiebt, so wird noch weiter zu bestimmen seyn, in welcher Art die anderen Waffengattungen, als: Cavallerie, Artillerie u. s. w. gestellt

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werden sollen? ob man bei einer gewissen Anzahl Infanterie auch verhältnißmäßige Cavallerie mit übernehmen soll? oder ob der gesammte Anschlag auf Infanterie zu machen, und von denjenigen Staaten, welche die erforderliche Cavallerie stellen wollen, nach einem anzusetzenden Verhältniß, wie etwa bei der Cavallerie von 1 zu 3, und bei der Artillerie von 1 zu 4½ zur Infanterie, um so viel weniger von dieser letztern zu stellen sey? d) Durch die Geld-Matrikel werden die gesammten übrigen Militär-Ausgaben, welche durch das Contingent und den Kriegszustand veranlaßt werden, verhältnißmäßig nach jenem vertheilet. – In wie fern dieselbe Matrikel aber auch bei den sonstigen Kosten und Beiträgen, die von den Bundesstaaten in dem gemeinsamen Verhältniß bewilliget und geleistet werden möchten, anzunehmen sey, würde ausserdem noch bei Erwägung der innern Einrichtungen zu bestimmen seyn. B. Die Kriegsverfassung und Militärstellung, wenn das Bundes-Contingent in wirkliche Activität oder auf den Kriegsstand gesetzt ist, möchte ungefähr folgende Fragen zur Erörterung darbieten: a) Wie soll die Organisation des Bundesheeres überhaupt vorgenommen werden? Welche Abtheilungen soll es erhalten? und nach welchen geographischen oder politischen Rücksichten? Soll eine Haupteintheilung desselben nach Divisionen, oder auch nach Armee-Corps gleich im voraus, oder erst nach Verschiedenheit der Umstände des jedesmaligen Krieges bei dem Ausbruch desselben, auf dem Bundestag festgesetzt werden? Soll in letzterem Fall die Eintheilung zur Friedenszeit nur in so weit geschehen, daß Brigaden von gleicher Zahl und Beschaffenheit, etwa zu 3000 Mann, sich jederzeit formirt finden, die dann im Kriege in verschiedene Divisionen oder Corps eingetheilt würden, so daß die kleinern Bundesstaaten, welche keine eigene ­Brigade stellen können, zuvörderst sich zu deren Bildung mit andern zu vereinigen hätten? In welcher Art würde in diesem der Bund von der Aufstellung der Brigaden Kenntniß nehmen, wovon gleichförmig gebildete Bataillone und Compagnieen wiederum die Bestandtheile ausmachten? Es bedarf wohl keiner Bemerkung hierbei, daß diejenigen grössern Bundesstaaten, deren Bundes-Contingent eine Division oder ein ganzes ArmeeCorps bildet, nur verpflichtet seyn können, solches schon also formirt und für sich abgetheilt zu stellen, indem sie bloß diejenigen Truppen, welche ihr Bundes-Contingent ausmachen, angeben? b) Welche zweckmäßigen Bestimmungen können getroffen werden, um möglichste Gleichheit bei gewissen Militär-Gegenständen und im gemeinschaftlichen Dienst, als: bei dem Caliber des Geschützes und der Feuer­ gewehre, Uebereinstimmung in den Kriegsgesetzen und Kriegsartikeln, und ­soviel thunlich auch bei den Waffenübungen (im Exercier-Reglement) und bei dem Felddienst einzuführen stehe?

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Dieses würde ein Gegenstand seyn, worüber die Meinung der Sachverständigen zu vernehmen wäre. In so fern die gewünschte Gleichheit nicht allgemein zu erreichen seyn sollte, würde zu erwägen seyn, ob und wie diejenigen Bundesstaaten, welche nach ihrer Lage gemeinschaftliche Armee-Corps unter einander bilden, über solche gleiche Bestimmungen sich zu vereinbaren hätten, woraus nur eine auf tactischen Principien beruhende grössere Einheit, wie ein Armee-Corps ist, regelmäßig hervorgehen kann? In Rücksicht auf die zu wünschende möglichste Harmonie frägt sich ferner, in welchem Verhältniß bei der Zusammenziehung der Bundes-Contingente und in dem gemeinschaftlichen Dienst die Officiere der verschiedenen Bundesstaaten gegen einander stehen sollen, und ob nicht in diesem Fall, so wie bei dem Commando kleinerer Truppenabtheilungen, unter ihnen allein die Anciennität entscheiden soll? Es frägt sich ferner, ob nicht für alle Bundestruppen, wenigstens wenn sie im Felde stehen, bei den verschiedenen Uniformen ein allgemeines Abzeichen, wie z. B. eine Armbinde oder Cocarde, einzuführen wäre? Und dürfte nicht endlich eine allgemeine Cartel-Convention, um sowohl die wirklichen Militär-Deserteurs, als die ausgetretenen Militärpflichtigen gegenseitig in den Bundesstaaten auszuliefern, auch selbst ohne ergehende Reclamation, sobald solche als selbige befunden werden, zweckmäßig und nöthig seyn? c) Wie ist es mit dem Oberbefehl über das Bundesheer zu halten? In wie fern kann Inspection und Ober-Commando über die Gesammtheit der Bundes-Contingente auch in Friedenszeiten erforderlich seyn? Oder genügt es, wenn die Brigaden in sich gehörig organisirt und in Stand erhalten werden? so daß jeder Bundesstaat seine Truppen bei dem Ausbruch des Krieges in der bestimmten Frist, gleich den übrigen ins Feld rücken lassen kann, und über den effectiven Stand des Militärs und der Landwehr zu gewissen Zeiten eine Anzeige an den Bundestag eingereicht werden müßte? Sollen in Friedenszeiten zuweilen gemeinschaftliche Uebungen und Revüen von den Brigaden, welche demnächst in dem Kriege eine Division oder Armee-Corps bilden, veranstaltet, oder selbige dem Gutbefinden der Staaten selbst die am meisten dabei interessirt sind, überlassen bleiben? Welche Maasregeln wären zu verabreden, um die Stellung der Contingente nach der von der Bundesversammlung ergangenen Aufforderung zur gehörigen Zeit, und im completen brauchbaren Zustand zu sichern? und welche Folge dürfte eine hierbei eintretende Saumseligkeit (etwa die Verpflichtung zu vermehrten Beiträgen an der Truppenzahl oder zu den Kriegskosten) treffen? Soll das Ober-Commando mit dem dazu gehörigen Generalstaab, sobald ein Krieg beschlossen ist, oder die Zurüstungen dazu gemacht werden, durch die Bundesversammlung nach Stimmenmehrheit bestellet werden? In welcher Art wird dem solchergestalt ernannten Oberfeldherrn bei der anvertrauten Befehligung des Bundesheeres alsdann auch alle hinlängliche Gewalt einzuräu-

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men seyn, um seine Dispositionen machen und nach den Umständen in militärischer Verbindung und im Einverständniß mit den andern alliirten grossen Heeren handeln zu können? In wie fern bleibt derselbe, nach Maasgabe der Ereignisse und nach Beschaffenheit der Umstände, immer dem Bunde verantwortlich, auch nachher gehalten, auf Verlangen genügende Auskunft zu ertheilen? Welchen Einfluß kann der Bund auf das Ober-Commando eines Bundesheeres äussern, und in welchem Verhältniß soll dieser Einfluß zu der nothwendigen Wirksamkeit der Kriegsunternehmungen stehen? Würde in dieser Hinsicht die Beiordnung eines Kriegsraths von einigen erfahrnen, durch die Bundesversammlung ernannten Generalen zweckmäßig seyn, um gemeinschaftlich mit dem Oberfeldherrn die grössern Kriegsplane zu entwerfen, und die vorkommenden Verhandlungen zu leiten? Oder dürfte statt dessen in eben der Art und zu gleichem Endzwecke der Generalstaab gebildet werden? d) In welcher Art sollen die erforderlichen gemeinschaftlichen Kriegs-Einrichtungen und Anstalten getroffen werden? Welche Bestimmungen sollen wegen der Verpflegung, der Lazarethe und des Medicinalwesens, so wie wegen des Fuhrwesens u. s. w. bei dem Bundesheere und nach dessen grössern Ab­ theilungen in Corps statt finden? Wie ist es mit Bestellung eines deßfallsigen Kriegs-Commissariats zu halten? Lassen sich im voraus darüber gewisse feststehende Grundsätze annehmen: in welcher Art Natural-Lieferungen ge­ schehen und Magazine angelegt werden sollen? nach welchem Verhältniß die Beiträge zu leisten sind, und wie die Verwaltung, Aufsicht und Berechnung gemeinschaftlich angeordnet werden soll? Die Anwendung würde sich demnächst nach Verschiedenheit der Umstände des jedesmaligen Krieges ergeben. Zu bestimmen bleibt auch: wie es bei Durchmärschen im Kriege und sonst allgemein zu halten sey, und nach welchen Preisen die Portionen und Rationen, oder andere Leistungen, billig einander vergütet werden sollen? Ob ­dabei der Grundsatz anzunehmen, daß die Contingente, sobald sie die eigene Landesgrenze überschritten, auf gemeinsame Kosten unterhalten werden, oder daß jeder Staat durch besondere Vorkehrungen, auf eigene Rechnung weiter für den Unterhalt derselben zu sorgen habe? Hierbei ist dann ferner zu erwägen: In wie fern eine gemeinsame baare Kriegscasse durch matrikelmäßige Beiträge errichtet werden? und, zu was für Zwecken sie ausschließend bestimmt seyn soll; welche Ausgaben folglich allein daraus zu bestreiten sind? C. Bundesfestungen. Sie sind ein besonderer und verschiedener Theil der gemeinsamen MilitärVerhältnisse des Bundes, der mit der eigentlichen Contingent-Stellung nicht nothwendig zusammenhängt, und wozu der Begriff und die näheren Bestim-

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mungen sich noch erst aus dem allgemeinen Militär-Defensions-System des Bundes ergeben müssen, in so fern gewisse feste Punkte im Umfang des Bundesgebiets entweder von der Wichtigkeit erscheinen, daß sie nicht sowohl dem einzelnen Bundesstaat, in dessen Lande sie belegen sind, als vielmehr dem Ganzen zur Deckung dienen, oder auch wenn sie von dem Umfang und Betrag wären, daß ihre kostspielige Unterhaltung und hinreichende Vertheidigung dem einzelnen Bundesstaat, besonders wenn derselbe zu den Mindermächtigen gehörte, nicht zuzumuthen wäre; mithin diese für die Sicherheit des Ganzen jedoch wesentlich nothwendigen Festungen, nur durch den Zusammentritt der Gesammtheit in gehörigem Stande erhalten werden könnten. Dieses scheinen wenigstens die Gründe, warum dem Bunde wiederum einzelne Festungen vorzugsweise übergeben, und von ihm übernommen werden möchten; nachdem die vormaligen Reichsfestungen nicht haben erhalten werden können. Es lassen also hiernach sich nur vorläufig einige Fragen aufwerfen, worüber der Bundestag, in Folge der erst zu regulirenden Militärstellungen, nach den darüber noch zu erwartenden Anleitungen und Anträgen, sich zu berathen und zu beschließen haben würde: a) Welche Festungen in einzelnen deutschen Bundesstaaten sind so beschaffen und vorzugsweise geeignet, um durch Zustimmung und Anerkennung des Bundestages für gemeinsame Bundesfestungen erklärt zu werden? b) Unter welchen Bedingungen soll dieß geschehen? wie wäre ihr Verhältniß zu dem Bunde? welche Rechte, Leistungen und Verbindlichkeiten entstünden daraus für die einzelnen Bundesstaaten? Würden sie fortwährend ­regelmäßige Beiträge zu leisten haben, oder übernähmen sie blosse Hülfs­ beiträge in bestimmten Fällen? c) Wie soll es insbesondere mit der Besetzung dieser Festungen gehalten werden, wie mit der Garnison, dem Gouverneur oder Kommandanten? d) Wie mit der Unterhaltung der Festungswerke? e) Wie mit der Verproviantirung? Endlich f) wie kommen die bei dem letzten pariser Frieden44, eben der gemeinsamen Vertheidigung wegen, für Festungen ausgesetzten Contributionen hierbei zunächst in Anwendung? u. s. w. 44 Frankreich waren im Zweiter Pariser Frieden vom 20. November 1815 u. a. Kontributionen in Höhe von zunächst 700 Mio. Francs auferlegt worden, wovon ein Teil später jedoch erlassen wurde. Davon sollten 60 Millionen für den Aus- oder Neubau von Festungen am Rhein verwandt werden. Preußen erhielt davon ein Drittel, die für den Ausbau der Festungsanlagen in Köln und Wesel verwandt wurden. Bayern erhielt 15 Millionen für den Bau eines befestigten Brückenkopfs bei Germersheim, mit dessen Bau jedoch erst 1836 begonnen wurde, da die Regierung die Mittel bis dahin zweckwidrig verwandt hatte. Mit fünf Millionen Francs wurde die Bundesfestung Mainz modernisiert, während die restlichen 20 Millionen für eine

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Zweite Beylage. Ueber die auswärtigen Verhältnisse des deutschen Bundes. Für die äussern Verhältnisse des Bundes, in welcher derselbe gegen auswärtige Mächte als eine Gesammtheit handeln soll, findet sich in der Bundesacte Art. 2 als Zweck, „die Erhaltung der äussern Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten“45, angedeutet, und Art. 11 heißt es: „Alle Mitglieder des Bundes versprechen, sowohl ganz Deutschland als jeden einzelnen Bundesstaat gegen jeden Angriff in Schutz zu nehmen, und garantiren sich gegenseitig ihre sämmtlichen unter dem Bunde begriffenen Besitzungen“ 46. Hierdurch werden also der Gesichtspunkt und die Mittel angegeben, um die organischen Einrichtungen der auswärtigen Verhältnisse des Bundes zu bestimmen. Es möchten dabei nachstehende Punkte zu berücksichtigen seyn: 1. daß der deutsche Bund sich als Gesammtmacht, gegen alle anderen ­europäischen Mächte für constituiret erkläret, um, als solche, seine Stelle in dem völkerrechtlichen System einzunehmen, und das Verhältniß gegenseitiger Verhandlungen und Mittheilungen zu gründen. Die Politik der einzelnen deutschen Bundesstaaten, in so fern sie auf obige Zwecke gerichtet ist, wird dadurch in ein gemeinsames Verhältniß verschmolzen. Der erste förmliche Schritt dazu, der nunmehr nicht länger auszusetzen seyn möchte, wird die Notification an alle europäischen Mächte (vielleicht auch an die vereinigten nordamerikanischen Staaten) seyn, daß der deutsche Bund sich, in Folge der bei dem Wiener Congreß abgeschlossenen Bundesacte, constituirt habe und künftig in den Beziehungen mit ihnen über die Gegenstände, welche seine Gesammtheit und deren Interesse betreffen, gemeinschaftlich verhandeln und communiciren werde. Es wäre hierbei insonderheit zu bedenken: ob diese Notificationen auch an diejenigen Souveraine erlassen werden müssen, die mit einem Theil ihrer Staaten zu dem Bunde gehören, wie Oesterreich, Preussen, die Niederlande, Dänemark und Großbritannien. Die Form eines solchen Notifications-Schreibens würde sich daraus er­ geben, daß der Bundestag solches in sonst üblicher Canzleiform erließe, und

vierte Bundesfestung vorgesehen waren. Da sich die Bundesversammlung nicht zwischen den Standorten Rastatt und Ulm entscheiden konnte, wurde das Geld zunächst beim Bankhaus Rothschild angelegt und aus den anfallenden Zinsen Unterhaltungsarbeiten an den Bundesfestungen Mainz, Luxemburg und Landau finanziert. Vgl. Erbe, Revolutionäre Erschütterung und erneuertes Gleichgewicht, S. 361 f.; Angelow, Von Wien nach Königgrätz, S. 59. 45 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508. Das Zitat lautet vollständig: „Der Zweck desselben ist Erhaltung der äussern und inneren Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten.“ 46 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512.

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Namens desselben das Präsidium es unterzeichnete und ausfertigte. Aehnliche Fälle bieten jetzt die Schweiz und die nordamerikanischen vereinigten Staaten (sonst auch Holland) dar. Zu bestimmen wäre: in welcher Sprache diese, und andere dergleichen Ausfertigungen künftig, erlassen werden sollen: ob in der gewöhnlichen diplomatischen Sprache französisch? oder, wie ehedem, lateinisch? oder deutsch, in der eigenen Sprache und zwar von jeder Seite, vielleicht nur zugleich mit einer französischen Uebersetzung, da wo dieß gegenseitig geschieht? 2. Die solchergestalt eröffneten Verhältnisse mit Auswärtigen könnten von Seiten des Bundes, nach Befinden und nach Beschaffenheit der Sachen, durch weitere unmittelbare schriftliche Verhandlungen, oder durch ausserordent­ liche Gesandtschaften zu bestimmten Zwecken und Aufträgen, wohl besorgt werden. Wird dieses vor der Hand genügen, sobald nur der Bund jedesmal von seinem Recht der Gesandtschaften Gebrauch machen kann? 3. Die Annahme der bevollmächtigten Gesandten von allen auswärtigen Mächten, die dergleichen bei der Bundesversammlung accreditiren wollen, dürfte wohl nur wie eine Folge der mit ihnen bestehenden friedlichen und freundschaftlichen Verhältnisse, und als das Mittel, dieselben durch wechselseitige Communication zu unterhalten, angesehen werden; wenn die Politik und das Interesse der deutschen Gesammtheit am Bundestage ihren Centralpunkt finden sollen. Durch diesen Zweck und Gegenstand sind sie ohnedem von selbst bedingt, und es versteht sich daher, daß keine Anträge zulässig seyn würden, welche sich auf die innern Angelegenheiten des Bundes oder auf die eigenthümlichen Verhältnisse einzelner Bundesstaaten erstrecken. Bei der Annahme der fremden Gesandten würde man im Allgemeinen wohl die sonst üblichen Formen, Rechte, Vorzüge und Gebräuche, soweit sie hier in Anwendung kommen können, beizubehalten haben. Es würde jedoch näher zu bestimmen seyn: a) wie müssen ihre Beglaubigungsschreiben abgefaßt seyn? etwa auch in lateinischer Sprache oder sonst von einer deutschen Uebersetzung begleitet? b) in welcher Art werden dieselben übergeben? c) welcher Rang wird den Gesandten von dem Bundestage eingeräumt? d) wie werden ihnen die gesandtschaftlichen Vorrechte hier gesichert? e) in welcher Sprache verhandelt der Bundestag mit ihnen? f) wie ist die Form der Verhandlung? in welcher Sprache sind ihre Erklärungen und Noten an die Bundesversammlung zu richten und dem Präsidirenden zu übergeben, um sie der Versammlung vorzulegen, und nach dem Beschluß derselben, in eben der Art zu beantworten? g) Könnte in Fällen, die eine vorläufige Geheimhaltung durchaus erfordern, der Präsidirende eine Commission von dem Bundestage verlan-

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gen, welcher er zuvor die Eröffnung machte, und mit ihr die nächsten Schritte bis zur weitern Berathung verabreden müßte? h) Wie ist es bei der Abberufung eines fremden Gesandten zu halten? und wie wird bei dem Ausbruch eines Krieges demselben die nöthige Sicherheit zur Rückkehr verschafft? 4. Die freundschaftlichen Verhältnisse mit den auswärtigen Mächten, der feste Standpunkt, den der Bund gegen diese gewinnt, und die erleichterte freie Communication mit denselben, dürften nur dazu dienen, um sowohl jede Beeinträchtigung, die auch ein einzelner Bundesstaat von auswärtigen zu erleiden haben könnte, zur öffentlichen Sprache zu bringen, und die Vertretung oder Vermittelung des Ganzen anzugehen, als auch die Gegenstände des gesammten Verkehrs auf gemeinschaftlichen Wege zu befördern, also darüber Verträge mit auswärtigen Mächten zu unterhandeln und abzuschließen, oder auch da, wo den Beschwerden nicht abgeholfen oder eine Reciprocität in der Behandlung nicht zugestanden würde, Retorsion und Repressalien von Seiten des ganzen Bundes für alle einzelnen Länder47 zu bewirken. Es würde nur zu bestimmen seyn: in wie fern irgend ein Gegenstand, als das gemeinsame Bundes-Interesse betreffend, zu behandeln seyn wird, sobald die Bundesversammlung ihn dafür anerkannt und erklärt hat? Das Verfahren der Auswärtigen gegen einzelne deutsche Staaten wäre dadurch auf richtige gleichmäßige Grundsätze zurückgeführet, indem es in einen48 allgemeinen Betracht kömmt. 5. Der Bund hat unbezweifelt das Recht des Krieges und Friedens, da dieß die nothwendigen Mittel sind, um die aufgegebenen Zwecke seiner Gründung zu erreichen. Wegen eines Krieges entstehet die wichtige Frage: wie kömmt der Bund in den Fall Krieg zu führen? und auf welchem Grund kann eine von ihm ausgehende Kriegserklärung beruhen? Dieses muß hauptsächlich, soviel es durch eine allgemeine Bestimmung irgend geschehen kann, noch näher festgesetzt werden. Zur Richtschnur möchten dabei die oben nach der Bundesacte angeführten Zwecke dienen, und besonders die gemeinsame Pflicht „jeden Bundesstaat gegen jeden Angriff in Schutz zu nehmen“49. Dieses spricht wenigstens ausdrücklich den Grundsatz eines blossen Vertheidigungs-Systems aus, in dessen Grenzen der Bund sich wohl um so mehr halten müßte, als er nicht die Absicht haben kann Eroberungen zu machen, deren Theilung auch sehr ­ schwierig seyn würde, wiewohl doch jedes Mitglied verhältnißmäßig gleiche Ansprüche an den Gewinn des Krieges zu machen hätte. In dieser Entfernung von allen Eroberungsabsichten, und in der gesicherten Vertheidigung und 47 Emendiert. Vorlage: Länden. 48 Emendiert. Vorlage: einem. 49 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512 (Artikel 11).

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dem Schutz aller seiner, auch mindermächtigen Staaten, wäre also die Politik und Bestimmung des deutschen Bundes gegründet; und die stete Befolgung solcher Grundsätze in Verbindung mit seiner Lage und dem grossen Kriegsheer welches er aufzustellen vermag, kann ihm eine hohe Bedeutung und Wichtigkeit verschaffen. Der Schutz ist aber gegen jeden Angriff gerichtet, er komme von welcher Seite es immer seyn möge, welche die innere und äussere Unabhängigkeit oder Unverletzbarkeit des einzelnen Bundesstaats, oder der Gesammtheit, gewaltsam bedrohet. Es frägt sich daher: a) ob anzunehmen sey, daß die Bundesversammlung in jedem vorkommenden Fall, nach den besondern Umständen durch einen Beschluß nach Stimmenmehrheit zu berathen und auszusprechen habe: in wie fern ein solcher Angriff vorhanden, und die erforderliche Schutzleistung eintreten muß, so daß zur Abwendung der Gewalt oder zur Genugthuung für zugefügte Nachtheile oder Beleidigungen, der Bund den Krieg erklären muß? oder auch, ob feindliche und gewaltthätige Handlungen vorgefallen, die schon als eine Kriegserklärung von der andern Seite anzusehen sind? Und wenn solche nicht ausdrücklich vom Gegentheil ergangen wäre, in wie fern der Fall des Krieges immer zur Beurtheilung und Beschließung des Bundestages, und der Stimmenmehrheit, verstellet bliebe, um auszumitteln, ob der Bund wirklich direct oder indirect angegriffen sey? wie demnach die Bestimmung über Krieg entweder aus eignem Entschluß der Bundesversammlung, oder auf den Antrag und Anruf des einzelnen Bundesstaats um Hülfe und Vertretung, erfolgen könnte? b) Wie es in solchen besondern Fällen zu halten sey, wenn ein Bundesstaat, in dem er eigentlich als europäische Macht Krieg führet oder darin verwickelt wird, in Folge dessen seine deutschen Länder auch von dem Feinde angegriffen und besetzet sieht? Soll der Bund hierdurch schon in dem Krieg mit hereingezogen seyn? Wie kann der Bund überhaupt und als solcher bei den Kriegen eines, oder mehrerer Bundesstaaten, mit Auswärtigen, und, vielleicht als europäische Mächte, auch gegen einander, sich der Theilnahme enthalten, eine gewisse Neutralität aufstellen, und sie bewaffnet behaupten? Wie weit wäre dabei der Grundsatz aufrecht zu halten: das Gebieth des deutschen Bundes nicht ungeahndet von dem Feinde betreten zu lassen? Sollten auch jede andere Durchmärsche, als die von der Bundesversammlung ausdrücklich zugestandenen, für eine feindliche Handlung erklärt werden? Müßten nicht auch deßhalb die Grenzen der zu dem deutschen Bund gehörenden Länder von allen Seiten auf das genaueste bestimmt seyn? c) Soll die Bundesversammlung nach beschlossenen und erklärten Krieg, auch der Centralpunkt seyn, wo alle gemeinsame Angelegenheiten ­wegen des Kriegszustandes in Ansehung der verschiedenen politischen

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Beziehungen vorgebracht werden müssen, in so ferne sie einer Rücksprache, Verhandlung, Uebereinkunft oder Genehmigung der Gesammtheit, und in Betreff ihrer Interessen erfordern? Wie weit läßt sich dieses ohne Nachtheil für die Sache selbst ausdehnen, um nur die rein militärischen Gegenstände und die eigentliche Kriegs Operationen davon auszunehmen? Möchte es in dieser Hinsicht nicht angemessen befunden werden, Commissarien von der Bundesversammlung und aus ihrer Mitte zu bestellen, welche als Delegirte derselben in dem General-Hauptquartier oder in dessen Nähe sich aufhielten, um gleich in ihrem Namen bei allen Vorkommenheiten, die für die Bundesversammlung gehören möchten, und bei deren Verhandlung, ohne weitern Aufenthalt zuge­zogen zu werden, auch vorläufig abschließen zu können, und der Bundesversammlung demnächst davon zu referiren und ihre Genehmigung zu bewirken? d) Wird die Bundesversammlung auf dem Fall des Krieges auch gemein­ same Allianz- und Subsidien-Tractate mit auswärtigen Mächten abschließen können? e) Wie möchten die sonstigen Bestimmungen des Artikels 11 der Bundesacte „daß bei einmahl erklärten Bundeskrieg, kein Mitglied einseitige Unterhandlungen mit dem Feinde eingehen, noch einseitig Waffenstillstand oder Frieden schließen darf“ und daß die [„]Bundesglieder zwar das Recht der Bündnisse aller Art behalten, sich jedoch verpflichten in keine Verbindungen einzugehen, welche gegen die Sicherheit des Bundes oder einzelner Bundesstaaten gerichtet wären“50, noch einige Erläuterung zur festeren Norm in der Anwendung erhalten? 6. Endlich wird noch zu erwägen seyn, ob nicht in Beziehung auf die Abschließung des Friedens nach einem Kriege, woran der gesammte Bund Theil genommen, als Regel festzusetzen sey: a) daß auf keine verbindliche Weise von irgend einem Bundes-Mitglied, auch in der Eigenschaft als europäische Macht, noch von einem Alliirten, hierbei einseitig gehandelt, sondern für den Bund nicht anders als unter Zuziehung der Bundesversammlung und etwa durch einige Delegirte derselben, die Unterhandlungen gemeinschaftlich gepflogen, deren Zustimmung ertheilet, und so der Friedensschluß unter allen paciscirenden Theilen, bei Wahrnehmung jeglicher Interessen, erst zu Stande gebracht werden könnte. b) Daß die Bundesversammlung bei solchen Verhandlungen die aufgegebenen Zwecke des gemeinsamen Bundes vor allem sich zur Richtschnur dienen zu lassen, und nach den allgemeinen Beschlüssen deßhalb zu verfahren habe. 50 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512.

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c) Daß jedoch kein Friedensschluß irgend eine Verbindlichkeit für den Bund haben könne, wozu derselbe nicht entweder selbst, als abschließender Theil, mitgewirkt und demnächst seine Ratification ertheilet, oder zu seiner Abschließung zugestimmt und seinen Beitritt ausdrücklich erkläret hat; wie auch daß die nöthige Vollziehung der von dem Bund eingegangenen Friedensschlüsse, für die Bundesstaaten nur durch das Mittel der Bundesversammlung ergehen könnte. Zeit und Umstände werden vermuthlich noch manche Erörterungen herbeiführen, und unter diesen dürften keinesweges die unerheblichsten diejenigen seyn, welche auf Fragen sich beziehen, die wegen früherer völkerrechtlichen Verträge des untergegangenen deutschen Reichs in mannigfaltigen Rücksichten entstehen können, oder welche den Einfluß neuerer völkerrechtlicher Verträge, die allen Bundesgliedern durch ursprüngliche Theilnahme oder nachfolgenden Beitritt gemeinsam geworden sind, auf die Politik der Gesammtheit des Bundes bezielen, und worunter insonderheit, die Verknüpfung des Grundvertrages des Bundes mit den Verhandlungen und der Schlußacte des Wiener Congresses, so wie der Beitritt der Bundesglieder zu dieser wichtigen völkerrechtlichen Urkunde, und endlich deren Handhabung durch den gesammten Bund, welche zur Erhaltung der äussern und innern Sicherheit Deutschlands nothwendig zu seyn scheint, vorzügliche Aufmerksamkeit verdienen dürfte. Es genügt indessen, diese Gesichtspunkte, welche auf die eigentliche Stellung des Bundes in dem europäischen Staaten-System hinweisen, hier nur vorläufig anzudeuten. Eine äussere politische Thätigkeit wird ohnehin kein wahrer Vaterlandsfreund dem Bunde wünschen, und seine Politik wird immer öffentlich seyn können, und einfach die: Keine Beleidigung zuzufügen, keine zu dulden. Dritte Beylage. Organische Einrichtung des Bundes in Rücksicht auf seine inneren Verhältnisse. Die Bundesacte zählt mit zu dem ersten Geschäfte der Bundesversammlung – die organische Einrichtung des Bundes in Rücksicht auf seine innern Verhältnisse. Die innern Verhältnisse des Bundes können nun lediglich aus dem Inbegriff der gegenseitigen Rechte und Verbindlichkeiten der Bundesgenossen hervorgehen, und wenn in dieser Hinsicht eine organische Einrichtung des Bundes getroffen werden soll, so scheint es allein auf Vorkehrungen und Anstalten anzukommen, welche für die Gesammtheit des Bundesvereins zur Ausübung und Handhabung jener Rechte und Verbindlichkeiten nothwendig oder nützlich befunden werden mögen. Hieraus ergiebt sich: I. Zur Verfolgung des Bundeszweckes, zur Handhabung der Bundesacte und der durch sie übernommenen Verpflichtungen – kurz! zur Besorgung der

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Angelegenheiten des Bundes muß die, als nothwendiges Organ anerkannte, in dem Grundvertrag selbst bereits errichtete Bundesversammlung durch organische Gesetze und Anstalten in den Stand gesetzt werden, mit freier Thätigkeit zu wirken. Es ist in dieser Hinsicht dreierlei nothwendig: 1) Feststellung des Wirkungskreises der Bundesversammlung; 2) Anordnung ihres Geschäftsganges; 3) Einrichtungen zur Geschäftsführung, zur Aufbewahrung der Urkunden und Acten: Versammlungslo­cal, Kanzlei und Archiv. Dieß zusammengenommen wird die Bundestags-Ordnung bilden. Für das Einzelne ist vorläufig bereits gesorgt: 1) durch den Beschluß, eine provisorische Competenz-Bestimmung baldigst zu entwerfen51; 2) durch die schon vorhandene provisorische Geschäftsordnung52; 3) durch die wegen des Locals, so wie wegen der Kanzlei und des Archivs einstweilen getroffenen Einrichtungen. Dieser Gegenstand kann also, ohne Nachtheil gegen andere, noch zurückstehen. Nur, wenn nach Beendigung mehrerer wichtiger Vorarbeiten und erfolgter Berichterstattung, der Zeitraum, welcher zur Instructions-Ertheilung erforderlich seyn dürfte, benutzt werden sollte, nach Anleitung des Artikels 7, der Bundesacte die Sitzungen auf einige Monate auszusetzen53, würde es erforderlich seyn, Bestimmungen wegen einstweiliger Besorgung der etwa vorkommenden dringendsten Geschäfte sogleich zu treffen54. Dahingegen: II. ist es für die zuverlässige Bewahrung innerer Sicherheit und Ruhe und für die friedliche oder doch gesetzmäßige Verfolgung und Handhabung des Bundeszweckes dringend nöthig, daß 1) die im Artikel 11 der Bundesacte55 dem Wege der Gewalt substituirte wohlgeordnete Austrägal-Instanz wirklich geordnet werde56, damit sie, wenn der Fall eines Zwiespalts unter Bundesgliedern eintritt, bereits vorhanden sey, oder doch nach bestimmten Vorschriften sofort angewendet werden könne und für gewaltsame Schritte keine Entschuldigung darin gesucht werden möge, daß man nicht erst auf langwierige Verhandlungen über gerichtliche Formen sich habe einlassen können. Zu diesem Ende möchte zuvörderst zu bestimmen seyn, wie die Bundesversammlung bei der anzuwendenden Vermittelung erst durch einen Ausschuß zu 51 Vgl. Dok. 121. 52 Vgl. Dok. 66. 53 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511. 54 Vgl. Dok. 75 und 77. 55 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512. 56 Vgl. dazu Kapitel III.1.

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Kommissionsvortrag über die Reihenfolge der Geschäfte

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verfahren hat. Demnächst wird der Begriff einer wohlgeordneten AusträgalInstanz festzustellen seyn, indem bekanntlich in unserer alten Verfassung die gesetzlichen Austräge nur für jeden einzelnen Fall entweder von den Parteien gewählte oder von dem Kaiser ernannte Richter waren, und, wenn gleich durch gesetzliche Vorschriften geordnet, doch meistentheils nicht ohne Schwierigkeiten und Weitläuftigkeiten in Thätigkeit gesetzt werden konnten. Wenn man über den Begriff einer wohlgeordneten Austrägal-Instanz sich vereinigt hat, so wird sich zeigen: a) ob es dem Zwecke der im Artikel 11 der Bundesacte enthaltenen Vorschrift entspreche, nach dem Beispiele der Reichsverfassung dem Kläger ­freizustellen, dem Beklagten einige Bundesgenossen zur Auswahl eines Austrägal-Richters vorzuschlagen? oder ob b) jedem Theile zu überlassen sey, einen Schiedsrichter zu ernennen, so daß im Fall einer Verschiedenheit der Meinungen der Schiedsrichter, ein ­Obmann von denselben, oder aber von der Bundesversammlung zu bestellen wäre? oder ob man c) der Bundesversammlung das Recht beilegen soll, eine Austrägal-Commission zu ernennen, falls der Kläger diesen Weg vorziehen würde? oder endlich d) ob eine, mit einer angemessenen Anzahl völlig unabhängiger Richter besetzte Austrägal-Instanz anzuordnen sey? Daß diese Instanz die einzige und letzte für Streitigkeiten der Bundesglieder unter sich seyn soll, scheint aus den Schlußworten des 11. Artikels hervorzugehen, wornach die streitenden Theile sich deren Ausspruch sofort zu unterwerfen haben. Es möchte indessen einer nähern Erwägung nicht unwerth seyn, ob keine Art von Rechtsmittel gegen Austrägal-Erkenntnisse zulässig seyn soll? Ueberhaupt werden wenigstens einige allgemeine Grundsätze in Ansehung des Austrägal-Processes anzustellen seyn. Bei dieser Veranlassung dürfte auch ein anderer wichtiger Gegenstand der Aufmerksamkeit der Bundesversammlung nicht entgehen. Bei den vormaligen höchsten Reichsgerichten waren nicht wenige Rechtsstreitigkeiten unter den jetzigen Mitgliedern des deutschen Bundes anhängig und zur Zeit der Auflösung des Reichs noch unentschieden. Ein Theil derselben ist zwar durch den 34. Artikel der rheinischen Bundesacte57 niedergeschlagen worden. Al57 Vgl. Rheinbundakte vom 12. Juni 1806, in: Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 28–34, hier S. 33: „Les Rois, Grand-Ducs, Ducs et Princes confédérés renoncent chacun d’Eux pour Soi, Ses héritiers et successeurs à tout droit actuel qu’Il pourrait avoir ou prétendre sur les possessions des autres membres de la Confédération telles qu’elles sont et telles qu’elles doivent être en conséquence du présent traité, les droits èventuels de succession demeurant seuls réservés et pour le cas seulement où viendrait à s’éteindre la

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lein nicht zu gedenken, daß nicht alle Glieder des deutschen Bundes auch Glieder des rheinischen waren, so ist bekanntlich die Anwendung jenes Artikels keineswegs unbestritten, und er selbst hat die Successionsrechte von dem gegenseitigen Verzichte ausgenommen, also auch die bereits vorhandenen Successions-Streitigkeiten unter demselben nicht begreifen können. Es möchte nun für die innere Ruhe Deutschlands nicht unerheblich seyn, durch irgend eine angemessene Verfügung der Unendlichkeit anhängiger Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen, und zugleich aus dem grossen Actenvorrath der Kanzleien und Archive zu Wetzlar und Wien58 das noch Brauchbare auszuscheiden und – vielleicht auch zu retten. Wenn eine zweckmäßige organische Einrichtung zur Entscheidung der Streitigkeiten der Bundesglieder unter einander als dringendes Bedürfniß erscheint, so möchte eine andere Einrichtung dieser Art hiernach in nothwen­ diger Verbindung stehen, nämlich: 2. Eine Executions-Ordnung, durch welche die Mittel und Wege bestimmt und angewiesen würden, um nicht nur die verweigerte Befolgung der Aus­ trägal-Urtheile, sondern auch überhaupt, die Erfüllung der Bundespflichten zu sichern. Es wird darin besonders festzusetzen seyn: in welcher Art aus­ reichende Executionen von der Bundesversammlung erkannt und unter ihrer Leitung gesichert werden könne um ihre Aussprüche und Beschlüsse zur nöthigen Vollziehung zu bringen? Zu den innern Verhältnissen gehören III. die Bundes-Finanzen. Da die Erreichung des Bundeszweckes in manchen Rücksichten mit Kosten verbunden ist, welche von der Gesammtheit bestritten werden müssen, so ist nothwendig 1) den Umfang des verfassungsmäßigen Aufwandes zu bestimmen, 2) das Verhältniß, nach welchem von den Mitgliedern des Bundes beizutragen ist festzusetzen, und 3) die Erhebung, Verwaltung und Berechnung der Beiträge anzuordnen. 4) Die bereits zur Berathung verstellte organische Einrichtung des Bundes in Rücksicht auf seine militärischen Verhältnisse hat nothwendig auf das Bedürfniß einer Mannschafts- und Geldmatrikel führen müssen, und da hierüber schon vorläufige vertrauliche Besprechungen eingeleitet sind, so wäre es überflüssig, sich über die vorzügliche Stelle, welche diesem Gegenstand in der Reihefolge unserer Geschäfte gebührt, ausführlicher zu verbreiten.

maison ou la branche qui possède maintenent, ou doit, en vertu du présent traité, posséder en souveraineté les territoires, domaines et biens, sur lesquels le susdits droits peuvent s’étendre.“ 58 Gemeint sind die Archive des ehemaligen Reichskammergerichts in Wetzlar und des Reichshofrats in Wien.

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115. Mandelsloh an König Wilhelm I. von Württemberg

HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 914. Bericht. Behändigte Ausfertigung.

Sustentation der überrheinischen Geistlichkeit. Der Bericht der Bundestagskommis­ sion über die Reihenfolge der in der Bundesversammlung zu erledigenden Geschäfte umreißt die Grundzüge eines künftigen Bundesstaatsrechts und zielt auf eine größere Unabhängigkeit des Deutschen Bundes. Diese von den kleineren Staaten herrührende Tendenz wird wohl nicht mehr zu unterdrücken sein. Vortrag Bergs über die Vollziehung des Artikels 18 der Deutschen Bundesakte im Hinblick auf die Freizügigkeit.

ad Nrum 131



Frankfurt am Main, 17. Februar 1817

Euerer Königlichen Majestät habe ich von der heutigen sehr wichtigen Sitzung2 folgende Vor Anzeige zu machen. Zuvörderist wurden von dem Hanöverischen Gesandten von Martens in der Sustentations-Angelegenheit der überrheinischen Geistlichkeit, diejenigen Beschlüsse in Vortrag gestellt, welche durch die leztern Vorträge in den vertraulichen Besprechungen vorbereitet worden waren, und die vormaligen Stifter Lüttich, Stablo, Worms, Trier und Aachen betreffen. – Da diese Vorträge blos die Überweisung der – von der Sustentations Casse bisher bezalten Pensionen an die neun Landes Herrn zum Gegenstande haben, so werde ich mich wegen der dißfallsigen näheren Bestimmungen auf das Protokoll, das nächstens gedrukt seyn wird, berufen dürfen. Sodann wurde das Gutachten über die Reihen Folge3, in welcher die Bundes Versammlung die ihr aufgetragenen Geschäfte vorzunehmen und zu erledigen habe, vorgelesen. – Die Commission hat sich in diesem sehr ausführlichen Gutachten nicht blos auf einen Leitfaden beschränkt, nach welchem bestimmt werden könnte, welches die früheren, welches die späteren Arbeiten der Versammlung seyn dürften, sondern sie hat in den wichtigen Materien schon den ganzen Umfang der Fragen vorgetragen, welche bei der Beurtheilung des Geschäfts in Vorwurf kommen müßen, und Sie hat sie so gestellt, daß vorauszusehen ist, wohin sich die Majorität der kleineren Stände wenden werde, diß ist vorzüglich der Fall, bei den Militair- und bei den auswärtigen Verhältnissen. Das Ganze enthält die Grundzüge zu einem Bundes Staats Recht. – Aber ebendieser Umfang des Gutachtens ist auch der Grund, warum unmöglich ein getreuer Auszug daraus gegeben werden kann. – Es ward beschlossen, den Vortrag loco dictaturae zu drukken, ich werde ihn also bis zum 1 Darunter folgt der Vermerk: „Au. Bericht, die Sitzung der Bundes Versammlung d. d. 17t[en] hujus betreffend.“ 2 Vgl. ProtDBV 1817, 11. Sitzung vom 17. Februar 1817, S. 53−61. 3 Vgl. Dok. 114.

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Schlusse der Woche vorlegen können. – Vorläufig bemerke ich nur, daß die ganze Tendenz des Aufsatzes dahin gehe, dem deutschen Bunde eine Stellung zu geben, die ihm eine grössere Unabhängigkeit sichert, als Deutschland bisher hatte. Schon aus diesem Grunde kann er den vorsizzenden Höfen nicht gefallen, aber daß die Initiative der aus diesem Anlaß aufgeworfenen Fragen, nicht von den grösseren Mächten herrührt, kann ihnen noch weniger angenehm seyn, zumal, da die ganze Stellung der Fragen ein System durchblikken läßt, das wohl nicht mehr zu unterdrükken seyn wird. – Die kalte Aufmerksamkeit, die Oesterreich und Preussen dem Bundes Tage bisher schenkten, und der allgemein der Versammlung gemachte Vorwurf der Unthätigkeit, scheinen dieses Ereigniß schneller, als zu erwarten war, herbeigeführt zu haben. – Sollte dieser Vortrag in Wien auch mit der gewohnten Kälte aufgenommen werden; so wird er dagegen in Berlin eine sehr lebhafte Sensation und die Überzeugung hervorbringen, daß der dortige Hof bei der bisherigen Un­ thätigkeit seines Gesandten nie gewinnen konnte. Am Schlusse der Versammlung, wurde von dem Oldenburg’schen Gesandten ein Aufsatz4 über die Anstände und Schwierigkeiten vorgelesen, welche die Vollziehung des 18ten Artikels der Bundes Akte, in Beziehung auf die Freizügigkeit5, finden müsse. Da auch dieser Aufsatz, zum Behuf der Instruktions Einholung, gedrukt werden wird, so behalte ich mir vor, denselben nachzutragen. Ich verharre in tiefstem Respekt Ew. Königlichen Majestät allerunterthänigst-treu gehorsamster StM Graf von Mandelsloh

116. Gegenstände, welche aus dem Vortrag über die Reihenfolge herausausgehoben sind, um ihre möglichst baldige Erledigung zu bewirken

ProtDBV 1817, 15. Sitzung vom 3. März 1817, nach S. 130 (3 Seiten, separat paginiert). Notatum. Druckfassung.

Vordringlich zu erledigende Gegenstände durch die Bundesversammlung: I. Vermittlung der Bundesversammlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander: Wahl eines Bundestagsausschusses, der nach Anhörung der Beteiligten angemessene Vorschläge zur gütlichen Beilegung der entstandenen Streitigkeiten unterbreitet; im Falle einer Einigung wird die Vergleichsurkunde im Bundesarchiv hinterlegt und unter die Garantie des Bundes gestellt; scheitert der Vermittlungsversuch, bewirkt die 4 Vgl. Dok. 202. 5 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516 (Art. 18b).

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Gegenstände zur möglichst baldigen Erledigung

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Bundesversammlung die richterliche Entscheidung durch eine Austrägalinstanz. II. Aufstellung einer wohlgeordneten Austrägalinstanz: deren Bildung aus der Mitte der Bundesversammlung, indem jede Partei einen oder zwei Bundestagsgesandte zu Austrägalrichtern wählt und der Bundestag einen unbeteiligten Obmann aus seinen Reihen bestellt; nach erfolgtem Aktenschluß steht es den Austrägalrichtern frei, Rechtsauskünfte bei einer Juristenfakultät oder von dem höchsten Gericht ihrer Länder einzuholen; das Austrägalgericht erkennt in Ermangelung besonderer Entscheidungsquellen nach den in Deutschland hergebrachten gemeinen Rechten, und die Bundesversammlung wacht über die Befolgung des Urteils. III. Bestimmungen über die förmliche Vertagung der Bundesversammlung.

Frankfurt am Main, 3. März 1817 Gegenstände welche aus dem Vortrage über die Reihenfolge1 ausgehoben sind, um ihnen möglichst baldige Erledigung zu bewirken. I. Vermittelung der Bundesversammlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander. a. Wenn eine Streitigkeit in Gemäßheit des 11. Artikels der Bundes-Acte2 bei der Bundesversammlung förmlich und unter gehöriger Darstellung der Ansprüche des Klägers angebracht worden ist, so bestellt sie einen Ausschuß zur Vermittelung, welcher aus zwei, und nach Befinden auch mehreren Bundes-Gesandten, bestehen wird. Dabei wird sie, nach Beschaffenheit der jedesmaligen Umstände, ermessen, ob und wie fern eine Zeitfrist zur Erledigung des Vermittelungs-Geschäfts von ihr vorgeschrieben werden soll. b. D  er Ausschuß wird hierauf unter Bestimmung eines kurzen Termins von dem beklagten Theil gleichfalls eine Darstellung der Sache und seiner Einreden begehren, um in Vergleichung derselben mit der Darstellung des Klägers, angemessene Vorschläge zu gütlicher Beilegung der entstandenen Streitigkeit entwerfen zu können. c. Sodann wird derselbe einen Termin zum Versuch der Güte ansetzen, und sich bemühen, einen Vergleich zu Stande zu bringen. Bei eintretenden Schwierigkeiten wird er, so wie überhaupt von dem Erfolg, der Bundesversammlung Bericht erstatten. d. D  ie Vergleichs-Urkunde wird in dem Bundes-Archiv niedergelegt, und unter die Garantie des Bundes gestellt. e. Wenn der Vermittelungsversuch fehlgeschlagen ist, so tritt die Verpflichtung der Bundesversammlung ein, die richterliche Entscheidung durch eine wohlgeordnete Austrägal-Instanz zu bewirken. 1 Vgl. Dok. 114. 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512.

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II. Wohlgeordnete Austrägal-Instanz. a) Dieselbe wird aus der Mitte der Bundesversammlung für jeden vorkommenden Fall gebildet; die Art und Weise aber wie solches geschehen soll, vorausbestimmt und zwar b) dergestalt, daß jede Parthei einen oder zwei Bundes-Gesandte zum Austrägal Richter zu wählen, und die Bundesversammlung einen Obmann aus den Bundes-Gesandten zu bestellen befugt seyn soll. Kein Gesandter, dessen Hof unmittelbar oder mittelbar bei der Sache betheiligt ist, kann Schiedsrichter seyn. c) Die zu Austrägal-Richtern ernannten Gesandten sind allein nach ihrer Ueberzeugung zu sprechen verbunden, und für diese Fälle von den Instructionen ihrer Höfe durchaus unabhängig. d) Wenn von Seiten einer oder der andern Partei die Wahl der Austräge ungebührlich verzögert wird, so hängt es von der Bundesversammlung ab, nach Umständen eine Austrägal-Commission aus ihrer Mitte zu bestellen. e) Das rechtliche Verfahren wird von dem Austrägal-Gericht dergestalt geleitet, daß überflüssige Verhandlungen und sonstige Zögerungen gehörig vermieden werden. f) Nach erfolgten Actenschluß steht es den Austrägal-Richtern frei, entweder insgesammt, oder einzeln, rechtliche Belehrung entweder von einer Juristen-Facultät oder von dem höchsten Gericht ihrer Länder einzuhohlen, um sich darnach bei ihrer Abstimmung, wenn sie wollen, zu richten. Es ist aber nicht zulässig, die Acten zur Abfassung eines Urtheils zu verschicken. Das Austrägal-Gericht erkennt in Ermangelung besonderer Entscheidungsquellen, nach den in Deutschland hergebrachten gemeinen Rechten. g) Wenn das Urtheil durch das Austrägal-Gericht publicirt ist, so wird es nebst den Acten der Bundesversammlung zugesandt, damit sie nöthigenfalls, auf dessen Befolgung halten kann. h) Nur das remedium restitutionis in integrum ex capite novorum3 findet nach gemeinrechtlichen Grundsätzen statt. III. Einrichtungen in Ansehung der Vertagung der Bundesversammlung. Unter Vorbehalt ausführlicher Bestimmungen für den Fall einer förmlichen Vertagung der Bundesversammlung nach Anleitung des 7. Artikels der Bundes-Acte4 wäre jetzt nur vorläufig festzusetzen: a. Daß der präsidirende Gesandte falls er in der Ferienzeit verreisen sollte, einen andern Gesandten zu substituiren hätte, da doch immer Einige in Frankfurt anwesend, oder in der Nähe bleiben würden. 3 Lat.: Rechtsmittel der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus einem neuen Rechtsgrund. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 110, 256 u. 262. 4 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511.

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Aretins „Bemerkungen über die Stellung Bayerns im Deutschen Bund“

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b. D  aß die in beständiger Activität verbleibende Bundes-Präsidial-Canzlei an diesen Gesandten anzuweisen und zu befehligen sey, demselben alle einkommende Sachen vorzulegen. c. Daß derselbe diese mit Zuziehung der allenfalls noch anwesenden Gesandten zu prüfen und zu ermäßigen habe: ob in einer oder der andern Sache Gefahr auf dem Verzug hafte, und deßfalls unverweilt ein Beschluß zu fassen sey. d. D  aß wenn eine solche eilige Sache einzelne Reclamationen betreffe, kein in das Wesentliche derselben eingreifender Beschluß gefaßt, wohl aber eine provisorische Verfügung, auch von zwei oder drei der anwesenden Gesandten getroffen werden könnte. e. Daß wenn eine eilige Sache Bundes-Angelegenheiten betreffe, der präsidirende, und durch denselben die übrigen Gesandten zur schleunigen Rückkehr an den Sitz der Bundesversammlung einzuladen seye. f. D  aß, ausser den bemerkten Fällen die Geschäftsthätigkeit der Bundesversammlung bis zur Beendigung der Ferien sistirt bleibt, und daher ­Alles was sonst bei der Bundes-Präsidial-Canzlei einkommt, nach genommener Einsicht, bis dahin reponirt wird.

117. Aretins1 „Bemerkungen über die dermalige Stellung ­Bayerns im Deutschen Bund“

HStA München, MA 1333. Vortrag. Behändigte Reinschrift. Druck: Aretin, Die deutsche Politik Bayerns in der Zeit der staatlichen Entwicklung des Deutschen Bundes 1814–1820, S. 233−239 (Teildruck)2.

Die Politik der großen Mehrheit der Bundesstände oder wenigstens ihrer Bundestagsgesandten scheint, gestützt auf Forderungen der öffentlichen Meinung, dahin gerichtet zu sein, aus Deutschland einen Bundesstaat zu machen. Gegen diese Umtriebe hat 1 Johann Adam Freiherr von Aretin (1769−1822), bayerischer Staatsmann, Studium der Rechte in Ingolstadt, 1788 Eintritt in den bayerischen Staatsdienst, 1793 Rat bei der Oberlandesregierung in München, 1798 Vizekanzler ebd., 1802 Generalkommissär für die Säkularisation des Hochstifts Freising, 1808 Mitglied der Gesetzgebungskommission und wirklicher Geheimer Rat, 1808−1817 Leiter der Sektion Hoheits- und Lehensachen im Ministerium des Äußeren, 1814 Hofkommissär für Aschaffenburg, 1814−1817 Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, 1817−1822 Bundestagsgesandter in Frankfurt. Vgl. ADB, Bd. 1, S. 517 f.; NDB, Bd. 1, S. 347 f.; DBE, Bd. 1, S. 169; DBA I, 31, 77−81; DBA II, 37, 374 u. 388−390; DBA III, 22, 165 u. 169−177; Schärl, Die Zusammensetzung der bayerischen Beamtenschaft von 1806 bis 1918, S. 357; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 35; Aretin, Die deutsche Politik Bayerns in der Zeit der staatlichen Entwicklung des Deutschen Bundes 1814−1820, S. 103. 2 Der von Aretin gebotene Text weist gegenüber der hier zum Abdruck gelangenden Endfassung einige Auslassungen und abweichende Formulierungen auf, die darauf hindeuten, daß es sich um eine zeitlich frühere Bearbeitungsstufe handelt.

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sich Bayern zuerst und am lautesten erklärt − nicht ohne Erfolg. Das System der Einheit Deutschlands scheint immer mehr an Boden zu gewinnen. Bayern ist nicht stark genug, um allein den Kampf dagegen aufnehmen zu können, und läuft Gefahr, sich in Deutschland zu isolieren. Auswärtige Unterstützung ist nicht zu erwarten und ein Austritt aus dem Deutschen Bund unmöglich. Wäre Bayern von Anfang an auf die vorherrschenden Ideen eingegangen, könnte es jetzt eine bedeutende Rolle spielen. Der eingetretene Ministerwechsel bietet die Gelegenheit einer Korrektur. Diesbezügliche Vorschläge Aretins: Bayern soll sich dem herrschenden System soweit wie möglich annähern, um Einfluß in der Bundesversammlung und das Vertrauen der Mitstände gewinnen zu können. Dabei müsse jedoch Vorsicht walten und Bayern sich den Wortführern nicht in die Arme werfen, sondern vertrauliche Rücksprache mit den größeren Mächten nehmen. Empfiehlt Nachgiebigkeit in den Formen bei Wahrung der Souveränität und Unabhängigkeit der Bundesstaaten. Eine Erweiterung der Kompetenzen des Bundestags müsse vermieden werden. In minder wichtigen Gegenständen könne sich Bayern den übrigen Bundesstaaten anschließen, während die wichtigeren Angelegenheiten (z. B. auswärtige Verhältnisse, Militärverfassung) nach Möglichkeit vertagt und eine Festlegung auf einengende Prinzipien vermieden werden solle. Verhinderung eines Bundesgerichts, aber größte Liberalität bei den allgemeinen Rechten der Deutschen, soweit diese mit der Erhaltung der Souveränität vereinbar sind. Eine vollständige und detaillierte Instruktion ist derzeit nicht möglich, sondern das vorgeschlagene System wird sich durch Einzelinstruktionen zu einem Ganzen bilden können.

München, 14. März 1817 Bemerkungen über die dermalige Stellung Baierns im teutschen Bunde. Die große Mehrheit der Bundesstände, oder wenigstens ihrer Bevollmächtigten, gestüzt auf dasjenige, was man so gerne als öffentliche Meinung gelten läßt, eigentlich aber mehr der Wiederhall des Geschreies einiger Wortführer unter den teutschen politischen Schriftstellern ist, scheint ganz bestimmt dahin gerichtet zu sein, aus Teutschland anstatt eines Staatenbundes einen Bundesstaat zu errichten. Am sichtbarsten tritt diese Absicht aus dem neuesten Vortrage über die Reihenfolge der zu behandelnden Gegenstände3 hervor, und das Geizen nach Zeitungslob, sowie die Furcht vor dem Tadel der Pamphletschreiber hat sich bereits in mehreren Abstimmungen von Bundestagsgesandten sehr naiv ausgesprochen. Unverkennbar wirkt im Stillen das Treiben einer Parthei, welche je nachdem sie den Zeitpunkt, und die Konstellation günstig glaubt, das Schild eines teutschen Kaiserthums, oder einer monströsen Zweiherrschaft, oder einer teutschen Republik aushängt, indeßen unter jeder Form den bestehenden 3 Vgl. Dok. 114.

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­ egierungen den Krieg macht, und Oligarchie, und anarchisches Chaos zum R lezten Zwecke hat. Die Nothwendigkeit, große Kraft Entwicklung der Nazion gegen äußere Uebermacht möglich zu machen, auf einer Seite, und der Schimmer populärer Ideen, und liberal scheinender Verfassungs Entwürfe auf der anderen, sind die großen Hebel, den tiefer liegenden Planen Eingang zu verschaffen. Die Stimme, die sich dagegen zu nüchterner Wahrung des bestehenden ­Guten erhebt, wird „als dem Erbfeinde teutscher Nazion verkauft“: und als Hochverrath an teutschem Volksthum gebrandmarkt. Zuerst, und am lautesten hat sich gegen diese Umtriebe die Baierische Regierung erklärt. Sie hat ihre Grundsäze hierüber niemal verläugnet, in diesem Sinne ihre Gesandtschaft am Bundes-Tage instruirt, und auf indirektem Wege − keineswegs ohne Erfolg − auf die öffentliche Meinung zu wirken gesucht. Auch die Kabinete der beiden größeren Mächte, ungeachtet der Reaction der, vorzüglich bei der einen, mit wirksamer Consequenz handelnden, wie es scheint, starken Parthei, sind auf ihr wahres Intereße aufmerksamer geworden, und bereuen vielleicht zu spät den früheren Mangel an Thatkraft, ohne jedoch auch jezt Muth genug zu haben, sich offen und entschieden dem Treiben der Demagogen entgegen zu stellen. Sie finden4 sich auch wohl im Gefühle ihrer intensiven Kraft weniger bedroht, als mindermächtige Staaten, deren Schwächung, und Verminderung an Selbstständigkeit ihnen nicht unerwünscht ist, während sie selbst immer das Mittel zu besizen glauben, für sich den Sturm zu beschwören, und am Ende aus einem Bunde zu treten, welcher ihnen lästig werden würde, in so ferne sie nicht nach früherem Beispiele, alle Verpflichtungen lediglich auf die übrigen zu wälzen, und für sich nur die Vortheile der Verbindung einzuärndten vermöchten. Würtemberg scheint, durch das Hervortreten mit einer, den herrschenden Ideen schmeichelnden Verfaßung5, die Blicke der teutschen Gesammtheit auf sich ziehen, die benachbarten Regierungen depopularisiren, und sich als Coryphäe der Teutschheit darstellen zu wollen. Möge auch das innere System des Kabinets sein, welches es wolle, so wird es auf dem Bundestage diese Stellung zu benüzen suchen. England, Dänemark, und Holland sind nur mit verhältnißmäßig kleineren Landestheilen an dem Bunde intereßirt, und fühlen sich mehr oder minder in 4 Nachträglich korrigiert von anderer Hand. Ursprünglich: fühlen. 5 Die nach langen Kämpfen mit dem Landtag zustande gekommene württembergische Verfassung vom 25. September 1819 war der erste zwischen Fürst und Volk vereinbarte „echte Verfassungsvertrag“ des deutschen Konstitutionalismus. Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 333 f., Zitat S. 334 (HV i.O.), sowie ausführlich Gerner, Vorgeschichte und Entstehung der württembergischen Verfassung im Spiegel der Quellen (1815−1819).

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der Lage von Oesterreich und Preußen, während jedoch ihre Stimmeführer zum Theil als erste Organe der sogenannten öffentlichen Meinung zu glänzen sich bestreben. Sachsen, Baaden, und die übrigen teutschen Bundesstände haben entweder gar keine eigene Politik, oder glauben im Bewußtsein ihrer Schwäche in dem Maaße ihr Heil desto eher zu finden, je mehr dem Bunde eigene Kraft und Thätigkeit zu Theil wird. Bei dieser Zusammensezung verschiedenartiger Elemente scheint doch das System der Einheit Teutschlands immer mehr Grund und Boden zu gewinnen, und es wird für Baiern immer dringender, sich mit festem Zuge den Gang zu bezeichnen, welchen es in Zukunft in dieser großen Angelegenheit zu nehmen habe. Es muß unter den verschiedenen Rollen, welche sich darbiethen, eine bestimmte Wahl getroffen werden. Ist es möglich, und dem politischen Intereße Baierns angemeßen, sich ganz leidend zu verhalten, und als ruhiger Zuschauer im Hintergrunde zu bleiben? Kann man sich einen günstigen Erfolg versprechen, wenn man mit kraftvollem Ernste die Selbstständigkeit der teutschen Staaten zu behaupten, und der Idee eines Bundesstaats sich entschieden entgegen zu stellen fortfährt, trozend der unausbleiblichen Strafe, als hemmendes Prinzip vor den Augen des teutschen Volkes ausgestellt zu werden? Ist Baiern stark genug von dem teutschen Bunde sich ganz loszusagen, und bloß als Europäische Macht aufzutreten? Ist ein wahrer Vortheil zu erwarten, wenn Baiern mit dem großen Haufen geht, die Grundsäze der Einheit mitpredigt, Einfluß in der Versammlung gewinnt, und die minder mächtigen Stände an sich ziehet? Genügt es den gegenwärtigen Verhältnissen, wenn Baiern seine direkten Widersprüche aufgiebt, in allem, wo nicht die Selbstständigkeit unmittelbar gefährdet ist, willig entgegen kömmt, und sich dadurch wieder Zutrauen zu erwerben sucht, während dem aber mit den größeren Kabineten vertrauliche Rücksprache nimmt, und kathegorische Erklärungen fordert, wie weit sie gehen wollen? Auf diese Fragen bieten sich folgende Beantwortungen, Bedenken und Bemerkungen dar, um den Gesichtspunkt näher zu fixiren. Die ganz passive Stellung scheint weder der Würde der Baierischen Re­ gierung angemeßen, noch wäre sie dazu geeignet, das Mißtrauen und die ­Eifersucht der anderen Bundesstände zu entfernen. Diese Rolle gränzt auch zu nahe an die des direkten Widerspruchs, um nicht das Gehäßige davon zu ­theilen, ohne daß man im Stande wäre, etwas zu hindern. Um die Rolle des kraftvollen Widerstandes mit Erfolg zu unterhalten, müßte man entweder auf eigene Kraft, oder mächtige Unterstüzung mit hin­läng­ licher Sicherheit bauen können. Baierns Staaten Umfang, und eigene inten­

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sive Stärke reicht wohl kaum hin, um diesen Streit aufzunehmen, sich in Teutschland zu isoliren, und ohne einen Freund zu gewinnen, neue Feinde aufzureizen. Wenn man es nicht dahin bringt, die sich allmählig bildende ­öffentliche Meinung umzustimmen, − was zwar in Uebereinstimmung mit ­einigen von gleichen Ansichten ausgehenden größeren Regierungen gar nicht unmöglich wäre, − so würde man unaufhaltbar die Tonangebenden Stimmen zum offenen Angriffe gegen sich leiten, nicht nur in den übrigen teutschen Staaten den Bannfluch erhalten, sondern selbst im eigenen Lande dem Vertrauen des Volkes auf die Regierung unheilbare Wunden versezen. Fremde mächtige Unterstüzung zu diesem Stande offenen Widerspruchs läßt sich nicht erwarten. Die Kabinete von London und Petersburg − abgesehen davon, wie gefährlich es sei, sie noch mehr in unsere inneren Angelegenheiten zu verweben, − fühlen wohl keinen Beruf, uns hierin mit Nachdruck zu unterstüzen. − Frankreich hat auf lange Zeit Kraft und Einfluß verloren. − Oesterreich und Preußen würden es vielleicht nicht ungerne sehen, wenn wir in offenen Kampf träten, alles Gehäßige des Widerstandes auf uns nähmen, während sie die Vortheile der Hemmung nach ihren Absichten benüzten, ohne den Haß zu theilen, und gerne geschehen laßen würden, daß Baiern die allgemeine Zielscheibe der Abneigung und des Mißtrauens würde. Räthlicher würde es sein, ganz aus dem Bunde zu treten, wenn solches sonst mit einiger Aussicht und Erfolg zu bewirken wäre. Allein schon die geographische Lage Baierns, vorzüglich so lange Oesterreich im Bunde steht, würde dieses verhindern, und die Kräfte unseres Staates, welcher in der dermaligen Ausdehnung zu groß ist, um nicht die Eifersucht anderer Mächte auf sich zu ziehen, und nicht groß genug, um die Bürgschaft für seine Existenz in sich selbst zu gründen, reichen keineswegs dahin, um unserm Vaterlande, so wie es jezt zusammen gesezt ist, eine solche selbstständige Stellung in der europäischen Staaten Republik zu sichern, daß es eines fremden Stüzpunktes entbehren könnte. Wo findet sich dieser jezt, wenn wir ihn nicht in einer gemeinschaftlichen Verbindung teutscher Staaten festhalten? Wo würde er sich finden, wenn wir auch diesem Verhältniße entsagten? Wo ist unsere Gewährschaft, wenn wir uns ganz einer Macht dahin geben? Wenn wir dieses nicht thun, wer sichert uns vor dem Schicksale, bei dem ersten Zwiste der großen Mächte als paratestes Sühnopfer zu fallen? So lange Baiern eines sichern Stüzpunktes entbehrt, wird es unmöglich sein, als eine europäische Macht aufzutreten, und sich von einem Bunde ­loszusagen, der, wenn er auch die Regierung mannigfaltig in ihrem Wirken beengen sollte, doch bis auf günstigere Verhältniße dem Staate eine konsti­ tutionelle Existenz völkerrechtlich garantirt. Wenn man, wie es wohl nicht zu vermeiden ist, sich in dem Bunde erhält, dann muß man wohl trachten, von demselben den möglichsten Vortheil zu

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Abb. 3: Johann Adam Freiherr von Aretin (1769–1822)

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ziehen. Es ist kaum zu zweifeln, daß, wenn Baiern gleich anfangs in die ­Ideen eingegangen wäre, welche sich allmählig immer mehr festsezen, es als der mächtigste rein deutsche Staat eine große Rolle in dem Bunde hätte spielen, und sich vielleicht des ganzen Bundes bemächtigen können. Gegenwärtig würde dieses viel schwerer zu erwirken sein. Wenn schon der eingetretene Ministerwechsel6 eine günstige Gelegenheit giebt, auf andere Grundsäze einzulenken; so läßt sich doch jezt kaum so viel Zutrauen der übrigen Stände erwerben, als nöthig ist, daß man sich in einer leitenden Stellung festzusezen vermöge. Man hat mit einem tiefgewurzelten Vorurtheile, mit der Herrschsucht der großen, der Eifersucht der mittleren, und dem Mißtrauen der kleinen Bundesglieder zu kämpfen. Wenn Oesterreich und Preußen bisher unserer Regierung etwa vorwarfen, daß solche in den Bundes Angelegenheiten nicht genug dem, was man so gerne Zeitgeist nennt, gehuldigt habe, so möchte ihnen leicht eine zu große Annäherung an dieses System sonst verdächtig und unbequem werden, und größere Entfernung und Spannung auf der anderen Seite erzeugen. Würde dieß auch als Rückwirkung vielleicht die Folge haben, daß sich die mindermächtigen Stände desto eher an Baiern anzuschließen geneigt wären, so fragt es sich wieder, welchen reellen Vortheil kann Baiern im Fall einer Krise sich von den kleinern teutschen Staaten versprechen, und welche Stüze und Gewährleistung sichern dieselben? Ist es wohl denkbar, die stärkere Mehrheit dauernd an sich zu feßeln, und darf man sich versprechen, daß man im Stande wäre, für einen entscheidenden Fall Sachsen, Würtemberg, Baaden, Heßen etc. unter seinem Panier zu versammeln? Um dieses möglich zu machen, müßte vielleicht der ganze Bund anders gestaltet, und mit Ausschließung von Oestreich, Preußen, England, Dänemark und Niederland zu einem rein teutschen Bunde umgeschaffen werden können, in welchem Falle allerdings Baiern die erste Rolle zukäme. Indessen, wenn schon die oben angedeuteten Gegenwirkungen nicht zu vermeiden, große Schwierigkeiten zu besiegen, und für Zeiten der Gefahr keine wesentlichen Vortheile von den kleinern teutschen Staaten zu erwarten sind; so scheint doch nach den dermaligen Verhältnissen das räthlichste zu sein, daß Baiern sich jenem Systeme, soviel es ohne Gefährdung seiner Selbstständigkeit geschehen kann, anzunähern, in der Bundesversammlung 6 Maximilian Graf von Montgelas, der die bayerische Politik von 1799−1817 maßgeblich bestimmt hatte, erhielt am 2. Februar 1817 seine Dienstentlassung. Sein Nachfolger im Amt des Außenministers wurde der bisherige Bundestagsgesandte Aloys Graf von Rechberg, dessen Posten als Gesandter am Bundestag Johann Adam Freiherr von Aretin übernahm. Zu den Hintergründen des Ministerwechsels vgl. zuletzt ausführlich Weis, Montgelas, Bd. 2, S. 790− 811.

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Einfluß zu gewinnen, das Zutrauen der Mitstände allmählig zu erwerben, und sich nach und nach des Bundes möglichst zu bemächtigen suche. Ist man dieß mit der Zeit zu bewirken im Stande, und kömmt übrigens kein äußerer störender Anstoß hinzu, so consolidirt sich entweder der Bund unter Verhältnissen, die für Baiern nicht ungünstig sind, oder er bildet sich wohl gar zu einem Körper aus, deßen Fortbestand in solcher Form für Oesterreich und Preußen keineswegs mehr wünschenswerth sein kann. In solchem Falle sagen sie sich entweder von dem Bunde los, was Baiern, wenn es als erster Stand dasteht, gerne geschehen laßen kann: oder sie bewirken die gänzliche Auflösung des Bundes, wobei Baiern, wenn es sich sonst in geeigneter Verfaßung befindet, nur gewinnen kann. Gelingt es auch nicht, das volle Zutrauen zu erwerben, so ist doch keinem Zweifel unterworfen, daß im Ganzen die Stellung Baierns im Bunde viel günstiger wird, und wenn auch nicht mit ganzer Kraft positiv eingewirkt werden kann, doch auf solche Art es viel leichter würde, durch vertrauliches Benehmen manche nachtheilige Vorschritte zu hindern, welchen man sich sonst mit offener Gewalt entgegen sezen müßte. Baiern wird wieder zu den Aus­schüßen beigezogen werden, und auf solche Art mehr Einfluß gewinnen, ohne als Vorfechter auftreten zu müßen. Diese veränderte Stellung im Bunde wird indeßen immer mit großer Vorsicht einzunehmen sein. Man darf sich nicht den Wortführern gerade in die Arme werfen, noch minder unter die Tonangeber selbst sich reihen: man wird die vertrauliche Rücksprache mit den größern Mächten unterhalten, und während man in den Formen sich nachgiebig bezeigt, in dem Wesentlichen die souveräne Würde und die Unabhängigkeit der einzelnen Bundesstaaten handhaben müßen. Am schwersten wird dieses, wenn mit dem Schuzmantel dieser Souveränität schreiende Ungerechtigkeit gedeckt werden will, wie bereits Beispiele vorliegen7. Bei der Oeffentlichkeit der Verhandlungen, bei der regen Theil7 In der bei Aretin, Die deutsche Politik Bayerns, S. 237, abgedruckten Version des Vortrags folgt an dieser Stelle der Verweis: „(Hessen)“. Johann Adam von Aretin spielt damit auf die Behandlung der westfälischen Domänenkäufer durch Kurfürst Wilhelm I. von Hessen an. Dieser hatte nach der Wiedererlangung seiner Herrschaft in Kurhessen den rechtmäßigen Erwerb von althessischen Domänen, säkularisiertem Kirchengut und Besitzungen des Deutschen ­Ordens durch Privatleute in der Zeit des Königreichs Westfalen für nichtig erklärt und damit schwere Konflikte heraufbeschworen. In der deutschen Öffentlichkeit erschien die auf strikte Wahrung der Souveränitätsrechte bedachte kurhessische Staatsführung dadurch in einem äußerst negativen Licht. Die Domänenkäufer wandten sich auch an den Bundestag, der sich zunächst intensiv mit der Materie beschäftigte, bevor er sich 1823 für unzuständig erklärte und die Beschwerdeführer an die Landesgerichte verwies. Vgl. Kuhring, Das Schicksal der west­ fälischen Domänenkäufer in Kurhessen; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 758−763; Speitkamp, Restauration als Transformation, S. 113−123.

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Aretins „Bemerkungen über die Stellung Bayerns im Deutschen Bund“

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nahme in ganz Teutschland an denselben8, bei dem Gefühle des Rechts, das jedem Menschen in die Brust gegraben ist, darf man nicht hoffen, den allgemeinen Unwillen durch Formen beschwichtigen zu können, und ein unbedingter Sieg der Souveränität wäre vielleicht für sie selbst gefährlicher, als eine modificirende Einschreitung, da die Wirkungen eines tief sich einwurzelnden Haßes der Völker in unserem Zeitalter der Gährung sich schwer berechnen laßen. In diesem Falle wird vor allem dahin zu unterhandeln sein, daß die betheiligte Regierung selbst der Stimme der Gerechtigkeit Gehör gebe, und eine nachtheilige Erweiterung der Kompetenz des Bundestages, welche zum gleichen Präjudiz für alle gereichen würde, vorsichtig vermeide. Sollte aber dieses ohne Erfolg bleiben; so wird es darauf ankommen, daß für den gegebenen Fall eine solche Form gefunden werde, welche dem Unrechte abhilft, ohne die Souveränität selbst anzugreifen, und ein schädliches Prinzip aufzustellen. Vor allem wird es darauf ankommen, daß man, in so ferne es noch nicht bereits ohnehin geschehen, sich mit dem Kabinete von Wien, Berlin, Brüssel, Dresden, Hannover, auch Stuttgard, Carlsruhe und Darmstadt in vertrauliche Rücksprache sezt und Kathegorische Erklärung zu erhalten sucht, wie weit sich diese Höfe in die Erweiterung der Kompetenz der Bundes Versammlung einzulaßen gedenken, und wo sie gemeint seien, daß derselben eine Gränze gesteckt werden soll. Bis man hierüber etwas klarer sieht, und hiernach allenfalls den weitern Gang bemeßen kann, welchen man zu nehmen hat, dürfte auf dem oben vorgezeichneten Wege allmählig getrachtet werden, sich unter den Bundesgliedern einiges Vertrauen zu erwerben, und in den minder wichtigen Gegenständen sich ohne Widerwillen den übrigen anzuschließen, − in den Sustentations Angelegenheiten allenthalben alle engherzige Beschränkung zu vermeiden − in den Berathungen über die Reihenfolge alle Bereitwilligkeit zu zeigen, aber dahin zu trachten, daß die wichtigeren Gegenstände, soviel thunlich, vertagt, und möglichst vermieden werden, hierin dermal schon einengende Prinzipien auszusprechen, − wegen der auswärtigen Verhältnisse die Berathung zu verzögern, bis man wegen der Gesinnungen der größeren Höfe mehr im Reinen wäre, welche eigentlich viel näher dabei intereßirt sind, als Baiern, das sich die meisten Bestimmungen unter oben angedeuteten Verhältnißen noch eher gefallen laßen könnte, − auch rücksichtlich der Militair Angelegenheiten des Bundes zu trachten, daß eine feste Bestimmung noch verzögert werde, ohne den Anschein auf sich zu nehmen, obschon auch hier Baiern die Beschränkungen nicht so zu fürchten hat, die den minder mächtigen Bundesgliedern drohen, da Baiern immer ein abgesöndertes Heer behalten, und bei der For8 Emendiert. Vorlage: demselben.

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mation vielleicht nur an Einfluß gewinnen kann, − wegen Regulirung der Austrägal Instanzen willfährig die Hand zu bieten, übrigens alle Bundes­ gerichte zu verhindern, − auch rücksichtlich der allgemeinen Rechte der ­Teutschen, und der innern Angelegenheiten mit der größten Liberalität alle Bestimmungen zu unterstüzen, welche mit den dießseitigen Regierungsgrundsäzen übereinstimmen, und mit der Erhaltung der Souveränität verträglich sind. Dieß dürften die vorzüglichsten Grundlinien sein, welche der Gesandtschaft am Bundestage im allgemeinen als Maaßstab ihres Benehmens vorzuzeichnen wären. Eine vollständige in das Detail bestimmt eingehende, punktenweise anordnende Instruktion dürfte dermal kaum zu ertheilen möglich sein, sondern das System wird sich in seinen nähern Nüancirungen, allmählig durch den Gang der Angelegenheiten selbst, durch die Ansichten der übrigen Höfe, durch die politischen Konstellationen, und durch die in den einzelnen Veranlaßungen zu erholenden Instruktionen, zu einem Ganzen bilden können, deßen Herstellung dermal der umsichtigsten Staatsklugheit kaum gelingen dürfte. A. Frh. v. Aretin

118. Vortrag der österreichischen Bundestagsgesandtschaft über die provisorische Kompetenz der Deutschen Bundes­versammlung

HStA München, Gesandtschaft Bundestag, Nr. 39. Vortrag. Lithographischer Abdruck mit handschriftlichen Ergänzungen1 (= Anlage zur Weisung König Maximilians I. Joseph von Bayern an Aretin, München, April 18172).

Auftrag an die Bundestagskommission: Vorlage eines Gutachtens, woraus allgemeine die Kompetenz der Bundesversammlung vorbereitende Grundsätze hervorgehen und ihr einstweilen als Provisorium bis zur definitiven Festsetzung der organischen Einrichtungen des Deutschen Bundes dienen können. Die Kompetenz der Bundesversammlung ist gleichbedeutend mit ihrem Geschäftsumfang. Aufgabe der Kommission: 1 In die Vorlage sind von bayerischer Seite die hier mit abgedruckten Gliederungspunkte (1.) bis (33.) eingefügt worden, auf die in den bayerischen „Anmerkungen über die Kompetenz des Deutschen Bundestags“ (Dok. 119b) Bezug genommen wird. − Aus der Weisung König Maximilians I. Joseph an Aretin läßt sich entnehmen, daß dieser Entwurf einer österreichischen Abstimmung am Bundestag wohl durch das österreichische Außenministeriums übersandt worden ist. − Inhaltlich weist der spätere „Beschluß über die provisorischen Kompetenzbestimmungen des Bundestags“ (Dok. 121) große Übereinstimmungen mit dem österreichischen Vortrag auf. 2 Dok. 119a.

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Vortrag der österreichischen Gesandtschaft über die provisorische Kompetenz Nr. 118

Entwicklung des Umfangs der Rechte und Pflichten der Bundesversammlung, somit der ihr obliegenden Geschäftswirksamkeit nach den Bestimmungen der Bundesakte und der noch zu schaffenden organischen Gesetzgebung. Die Geschäftswirksamkeit der Bundesversammlung erstreckt sich auf folgende Bereiche: 1. die inneren Verhältnisse des Bundes, die sich entweder A) auf den Bund selbst, B) auf die einzelnen Staaten und Regierungen desselben oder C) auf einzelne Deutsche (Privatpersonen, Korporationen, Klassen) beziehen; 2. die äußeren Verhältnisse des Bundes; 3. die Form ihrer Wirksamkeit in beiden obigen Beziehungen, die entweder als Staatssache oder als Rechtssache beurteilt werden können. Die Bundesakte ist die einzige Grundlage der Wirksamkeit der Bundesversammlung, welche zugleich berufen ist, die Bundesakte in ihren einzelnen Bestimmungen und Andeutungen zu entwickeln. Dabei achtet der Bundestag auch darauf, daß die in der Bundesakte den Bundesstaaten zur Ausübung vorgeschriebenen öffentlichen Verhältnisse in Erfüllung gebracht werden. Die Fürsten und Freien Städte sowie die Nation überhaupt haben gleichermaßen ­Anspruch auf organische Vollendung des Bundes. Bei aller Verschiedenheit der Ansichten wird nur e i n Wille alle beseelen, wie man dem Wohl und Wehe unserer Zeitgenossen und Nachkommen verantwortlich bleibe. Schlußantrag an die Bundesversammlung: die Bearbeitung der organischen Gesetzgebung des Bundes in seinen gesamten inneren und äußeren Verhältnissen sowie der dazu gehörigen organischen Einrichtungen baldmöglichst vorzunehmen.

[April 1817] Vortrag der k. k. österreichischen Gesandtschaft am deutschen Bundestage. Die in der Bundestagssitzung vom 19. Dezemb. v. J. zur Begutachtung ausgesetzten provisorischen Bestimmungen über die Kompetenz der Bundesversammlung betr. § 1. Einleitung. Der einstimmige Beschluß der Bundesversammlung in der 13. Sitzung vom 19[t]en3 Dezember v. J. bestimmt den Gegenstand unserer heutigen Bera­ thung und die Aufgabe, welche bei unserer Kommission bearbeitet werden soll. Der Kommissions Auftrag geht dahin: „Ein gemeinschaftliches umfassendes Gutachten vorzulegen, woraus allgemeine die Kompetenz der Bundesversammlung vorbereitende Grundsätze hervorgehen und ihr einstweilen als Provisorium bis zur definitiven Festsetzung der organischen Einrichtungen überhaupt zur Befolgung dienen können.“4 (1.) 3 Emendiert: Vorlage: 29[t]en. 4 Vgl. ProtDBV 1816, 13. Sitzung vom 19. Dezember 1816, § 55, Zitat S. 210.

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Dieses ist der Auftrag der uns also zur Leitung unserer Arbeit dienen muß. Vor allem sei es mir zur erschöpfenden und zwekmässigen Erörterung dieser schwierigen Aufgabe erlaubt, dieselbe genauer zu zerlegen. Eine solche vorgängige bestimmte Analyse wird uns am sichersten zum Ziele führen. Die Festsetzung der Kompetenz der deutschen Bundesversammlung ist gleichbedeutend mit der Festsetzung ihres Geschäftsumfangs, und diese gleichbedeutend mit der Angabe ihrer Bestimmung. Der Umfang ihrer Rechte und ihrer Pflichten, entnommen aus ihrer Bestimmung, bezeichnet den Begriff der Kompetenz. Diese Entwiklung umfaßt aber gerade eine der Hauptgrundlagen des deutschen Bundes, so wie ich solches im ersten Präsidialvortrage5 bemerkte: Hierauf bezieht sich nicht nur ein wesentlicher Theil der uns noch fehlenden organischen Gesetze und Einrichtungen im Ganzen zu bearbeiten, läßt sich auch die Frage der Kompetenz in erwähntem Sinne nicht vollständig berich­tigen. (2.) In der 13. Sitzung habe ich bereits im Allgemeinen die 4 Gesichtspunkte angedeutet6, in deren vereinten Entwiklung bei Bearbeitung der organischen Gesetzgebung überhaupt, alsdann auch die ietzt aufgehobene einzelne Frage der Kompetenz ihre definitive Bestimmung finden dürfte. (3.) Wende ich mich aber nun zurük an die beschränkte Aufgabe gegenwärtiger Kommission, so glaube ich, dieselbe nach richtiger Analyse so aufstellen zu müßen: Es soll nämlich entwikelt werden, welcher der Umfang der Rechte und Pflichten der Bundesversammlung, somit der ihr obliegenden und zuständigen Geschäftswirksamkeit nach den Bestimmungen der Bundesakte, und in Ermanglung der noch zu verfassenden organischen Gesetzgebung sei? (3½.) Dieses ist also unsere gegenwärtige Aufgabe. Um in dieser Hinsicht eben so bestimmte als auch umfassende Anträge vorlegen zu können, glaube ich die Bundesversammlung oder vielmehr deren Geschäftsumfang nach zwei Hauptbeziehungen beurtheilen zu müßen. Die Angelegenheiten der Bundesversammlung zu deren Besorgung dieselbe durch den Articel IV7 berufen ist, betreffen nämlich: I. die innern Verhältniße des deutschen Bundes, oder II. die äußern Verhältniße desselben. (4.) Sodann wird einiges zu bemerken sein III. In Ansehung der Form ihrer Wirksamkeit in beiden obigen Beziehungen. Daher 5 Vgl. Dok. 100. 6 Vgl. ProtDBV 1816, 13. Sitzung vom 19. Dezember 1816, § 55, S. 208. 7 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1509.

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§ 2. Zu No I. Kompetenzbestimmung der Bundesversammlung in den innern Verhältnissen des deutschen Bundes. Der deutsche Bund, als ein mehrere souveraine Staaten mit einem gemeinsamen Nazionalbande umfaßender Staatenverein ist in seinen innern Verhältnißen vorzüglich einer zweifachen Berüksichtigung fähig, nämlich betrachtet als eine Gesammtheit, und betrachtet in Beziehung auf seine einzelnen Bestandtheile und Zugehörungen. (5.) Eben so äußert sich also auch zweifach die innere Wirksamkeit des Bundestags als des den deutschen Bund leitenden Zentralpunktes. Schon der Art. II der Bundesakte8 begründet diese zweifache Abtheilung, da alldort eben so Deutschland im Ganzen, als die einzelnen Staaten im Zweke des Bundes begriffen, erklärt werden. Die innern Verhältniße des Bundes und der Bundesversammlung beziehen sich demnach entweder: A. Auf den Bund selbst, oder B. Auf die einzelnen Staaten und Regierungen desselben; oder endlich C. Auf die einzelnen Deutsche, sie mögen nun Privatpersonen oder Korporazionen oder ganze Klassen begreifen. (6.) § 3. A. Kompetenzbestimmung der Bundesversammlung in den innern den Bund selbst betreffenden Verhältnissen. Ich trage in diesen Beziehungen auf folgende Beschlüße an: 1. Die Bundesversammlung erkennt die Bundesakte als die einzige Grundlage ihrer Wirksamkeit, sich zugleich aber auch berufen, dieselbe in ihren einzelnen Bestimmungen und Andeutungen zu entwikeln und zu vollenden. (7.) 2. Der Bundestag ist kompetent Schlüße zu fassen, wodurch selbiger die verfassungsmäßige Erhaltung des Bundesvereins im Ganzen bezwekt. (8.) 3. Wenn auf irgend eine Art die innere Sicherheit des deutschen Bundes wirklich gestört oder bedrohet ist, und diese Störung oder Bedrohung durch die Bundesversammlung anerkannt wird, so tritt der Fall ein, wo der Bundestag Berathung über die Erhaltung oder Wiederherstellung der Ruhe zu pflegen, und die dahin gerichteten Beschlüsse zu fassen hat. (9.) 4. Sobald bei einer Angelegenheit nicht bloß das Wohl der einzelnen deutschen Staaten, sondern zugleich jenes der Gesammtheit berüksichtiget 8 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508.

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­ erden muß, so ist die Bundesversammlung als die einzige die Gesammtheit w vertretende Behörde darüber zu berathen berufen. (10.) Diese Bestimmung entspricht unleugbar den im Art. IV der Bundesakte empfohlenen gemeinnützigen Anordnungen. (11.) Diese vorberührten Direktivnormen finden sämmtlich in der Bundesakte, und vorzüglich in dem Grundcharakter des deutschen Bundes ihre Begründung. (11½.) § 4. B. Kompetenzbestimmung der Bundesversammlung in den innern9 auf die 10einzelnen deutschen Staaten und Regierungen10 sich beziehenden ­Verhältniße des Bundes. Ueber die Geschäftswirksamkeit des Bundestags in Ansehung der einzelnen Staaten und Regierungen unterwerfe ich folgende Ansichten der allseitigen Erwägung: 1. Die Bundesversammlung ist berufen, wegen jeder eigenmächtigen wirklichen oder drohenden Störung des Gebiets eines einzelnen Bundesstaates von einem andern Bundesstaate, welche bei ihr durch den bedrohten oder wirklich angegriffenen Theil, zur Anzeige gebracht wird, Berathung zu pflegen, und hierüber schutzgewährende Beschlüsse zu fassen. (12.) 2. So wie die einzelnen Gebiete unter der allgemeinen Garantie des Bundes stehen, so ist derselbe auch berufen, die Garantie der Verfassungen einzelner deutscher Staaten zu übernehmen; worüber ich mich auf die bei Veranlassung des großherzogl. weimarischen Ansuchens11 gegebene Abstimmung12 beziehe. (13.) 3. Die Bundesversammlung ist berufen darauf zu achten, daß die in der Bundesakte den einzelnen Staaten zur Ausführung vorgeschriebenen öffentlichen Verhältniße in Erfüllung gebracht werden. (14.) 4. Dort, wo die Kongreßakte ausdrüklich der Bundesversammlung die Berichtigung konstituzioneller Angelegenheiten übertragen hat13, ist dieselbe ungezweifelt zur Einwirkung berufen. (15.)   9 Doppelt unterstrichen. 10−10 Doppelt unterstrichen. 11 Vgl. Dok. 146. 12 Vgl. Dok. 148. 13 Art. 46 der Wiener Kongreßakte vom 9. Juni 1815 bestimmte, daß Streitigkeiten sowohl über die Einführung als auch über die Handhabung der Verfassung der Freien Stadt Frankfurt am Main vor die Bundesversammlung gebracht werden und nur durch den Bundestag entschieden werden sollten. Vgl. Acte du Congrès de Vienne du 9 Juin 1815, avec ses Annexes, S. 42 f.

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5. Streitigkeiten der deutschen Bundesglieder unter sich, sie seien Staatsoder Rechtssachen, liegen unbezweifelt in der Kompetenz der Bundesversammlung. (16.) 6. Der Bund ist ebenfalls kompetent in allen auf Gemeinnützigkeit gerichteten Fragen, welche die Erfüllung der Art. VI und XVIII14 betreffen. (17.) § 5. C. Kompetenzbestimmung der Bundesversammlung in den 15innern Privat­personen, Korporazionen, oder ganze Klassen15 betreffende Angelegenheiten des Bundes. (17½.) Ohne mich in dieser Hinsicht auf einige allgemeine aus der Wesenheit eines Staatenvereins und dem Verhältniße der Einzelnen zu ihren Regierungen, so wie zur Gesammtheit entnommene Grundsätze zu verbreiten (18.), glaube ich folgende Anträge vorbringen zu sollen: 1. In so ferne die Bundes- oder Kongreßakte für Einzelne, für Korporazionen (19.) oder ganze Klassen Bestimmungen und Hinweisungen enthält, ­deren nähere und vollkommene Entwiklung der Bundesversammlung vor­ behalten ist; so haben diese allerdings ein wohlbegründetes Recht, deren ­Berichtigung beim Bundestage in Anregung zu bringen so wie Anträge und Vorschläge deßhalb zu übergeben. (20.) 2. Einzelne, so wie ganze Korporazionen und Klassen können sich an die Bundesversammlung wenden, wenn die eben erwähnten in der Bundesakte bestimmten Gerechtsame verletzt werden, und auf deßhalb vorgängige Vorstellung an die unmittelbare Regierung keine Abhülfe der gegründeten Beschwerde erfolgt. (21.) 3. Indem der Begriff der vollen Souverainetät der einzelnen Bundesstaaten der Bundesakte zum Grunde liegt, steht unbezweifelt jede Einmischung der Bundesversammlung in die innern administrativen Verhältniße ausser deren Kompetenz. Indeß gründen sich jedoch auf den Sinn der Bundesakte die folgenden Ausnahmen: (22.) a) Wenn der kaum denkbare Fall gänzlicher Justizverweigerung eintreten sollte. (23.) Bedarf dieser Grundsatz einer Motivirung, so liegt selbige schon im Art. XII16, welcher die Justizpflege nach 3 Instanzen als ein im deutschen Bunde festgesetzter Grundsatz ausspricht. Ist aber jede deutsche Regierung verbunden 3 Instanzen anzuordnen, und in dieser Art Justizpflege zu gewäh14 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1510 f. und 1516 f. 15−15 Doppelt unterstrichen. 16 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513.

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ren, so muß die sonst begründete (24.) Beschwerdführung um so mehr bei gänzlicher Justizverweigerung eintreten können. (25.) b) Wenn die Regierung eines Bundesstaates eine Verfügung in Beziehung auf Personen oder Korporazionen treffen sollte, welche mit den Grund­ begriffen und den Verfügungen des Bundes im Widerspruche stünde (26.), oder für die innere oder äußere Sicherheit desselben gefährlich werden ­könnte. (27.) c) Wenn eine nicht zum Bunde gehörige Regierung sich eines ihrer ­Unterthanen gegen eine deutsche Regierung annimmt, und die letztere die Vertretung des Bundes nachsucht. Dieses ist eben so der Fall bei dem um­ gekehrten Verhältniße. (28.) d) Sehr richtig bemerkte die königl. baierische Gesandtschaft in der 5ten Bundestagssitzung vom 21[t]en November v. J.17, daß bei Streitigkeiten zwischen dem Regenten und seinen Unterthanen die innere Ruhe leicht gefährdet werden könne (29.); in solchen Fällen daher, wo die allgemeine Ruhe bedroht werden könnte (30.); muß auch nach Erschöpfung der konstituzionellen oder gesetzlichen Mittel und Wege in den betreffenden einzelnen Staaten, der gesammte Bund sich berufen finden, zum Zweke der Vermeidung eines solchen Ausbruches, oder zur Wiederherstellung der bereits gefährdeten Ruhe in gemessenen Wegen einzuwirken. In solchen Fällen ist also ebenfalls der einzelne Bundesstaat allerdings befugt, die Hülfe des Bundes in Anspruch zu nehmen, und der Bund berufen, selbe zu leisten. (31.) § 6. Zu Nro II. Kompetenzbestimmung der Bundesversammlung in den äußern18 ­Verhältnissen des deutschen Bundes. Deutschland erscheint seit geschlossenem Bunde wieder in seiner Gesammtheit als Macht. Dieses bestimmt die Kongreß- und die deutsche Bundes Akte. Ich glaube mich daher auf den einzigen alles umfassenden Grundsatz in dieser Hinsicht beschränken zu können: Der deutsche Bund in seinen äußern Verhältnißen [hat] dieselben aktiven und passiven Beziehungen, wie jede andere freie und unabhängige Macht. So wie ich diesen Grundsatz bei Veranlassung der Abstimmung über die Garantie der ständischen Verfassung von Weimar Eisenach bemerkte, so glaube ich denselben hier als allgemeines Axiom aussprechen zu sollen. 17 Vgl. Dok. 101. 18 Doppelt unterstrichen.

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Aus dieser Beziehung ergiebt sich also auch von selbst die Kompetenz der Geschäftswirksamkeit der Bundesversammlung als der im Art. IV zur Besorgung der Bundesangelegenheit berufene aktive Zentralpunkt desselben. Ich enthalte mich jeder weitern Entwiklung, da der Grundsatz im Allgemeinen erschöpfend und hinreichend ist, dessen Anwendung aber zur ge­ nauen Bearbeitung der im Art. X19 angeregten organischen Grundgesetze und Einrichtungen dessen auswärtigem Verhältniße vorbehalten bleiben muß. (32.) Ueber die

Form20

§ 7. der Wirksamkeit der Bundesversammlung in beiden21 obigen Beziehungen.

Bei dieser Erörterung zeigt sich vorzüglich der Mangel organischer Gesetzgebung und der Abgang organischer Einrichtung. Da die gegenwärtige Kommission nur berufen ist, eine provisorische Anordnung zu begutachten, so unterwerfe ich folgende Sätze der allseitigen ­Erwägung. Die beim Bundestag zur Berathung kommenden Geschäfte können entweder A. Als Staatssache, oder B. Als Rechtssache beurteilt werden. Auch die provisorischen Anordnungen müßen hiernach verschieden sowohl in der Form der Konstituirung, als auch in der Form der Geschäftsbehandlung sein. § 8. Zu A. Form22 der Wirksamkeit der Bundesversammlung bei den daselbst vorkommenden Staatssachen23. Die genauere Entwiklung der Form der Konstituirung des Bundestags sowohl als der Form der Geschäftsbehandlung, gehört in Beziehung auf diese An­ gelegenheiten zu den organischen Anordnungen des Bundes, bis dahin aber gewährt die vorläufige Geschäftsordnung, so wie allgemeine Staatspraxis überhaupt, einstweilen hinreichende Anhaltspunkte. 19 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512. 20 Doppelt unterstrichen. 21 Doppelt unterstrichen. 22 Doppelt unterstrichen. 23 Doppelt unterstrichen.

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§ 9. Zu B. Form24 der Wirksamkeit der Bundesversammlung bei den daselbst ­vorkommenden Rechtssachen25. Wenn ich erwäge, daß nach den vorzüglichern Attributen der Bundesversammlung die Herrn Bundestags Gesandten jene genaue praktisch juridische und prozeßual-Kenntniße, so wie Uebung in formellen Rechtsverhandlungen sich nicht nothwendig eigen gemacht haben müßen, welche man mit Ver­ trauen bei einem Justizfache voraussetzt; wenn ich ferner erwäge, daß die Herrn Gesandten nach Instrukzionen abzustimmen haben; so möchten wohl diese wenigen Betrachtungen hinreichen, um nicht eine der größten JustizAnomalien zu begründen, und dem Bundestage die Entscheidung von Rechtssachen übertragen zu wollen. Es liegt aber auch nicht in der Absicht der ­Bundesakte, welche im Art. XI26 Streitigkeiten unter den Bundesgliedern zur Vermittlung an diese Versammlung zur richterlichen Entscheidung jedoch ­einer wohlgeordneten Austregal Instanz zuweiset. Da nun aber selbst vermög ausdrüklicher Bestimmungen der Kongreßakte Art. 45 und 4627 so wie auch der Bundesakte Art. XVI28 Fragen des Rechts und des Besitzstandes dem Bundestage zur Einleitung und Berichtigung übergeben sind; da es ferner unter andern gleiche Beschaffenheit mit den29, nach Art. XV30 alldort etwa anzubringenden Verhältnißen des Länderschuldenwesens haben kann, so wie endlich auch, nach vorausgeschikter Erörterung, Angelegenheiten ihre Berichtigung bei dieser Versammlung erheischen dürften, wobei rechtliche Entscheidungen nothwendig wären, daß bis zum Zeitpunkt bewirkter organischer Gesetzgebung und Einrichtung überhaupt, provisorische Anordnungen in dieser Hinsicht getroffen werden müßen. Mit Beziehung vor allem auf die Abstimmung der verehrten Gesandtschaft von Meklenburg Schwerin und Strelitz in der 11. und 13ten Sitzung v. J.31 unterwerfe ich folgende Bemerkungen der allseitigen Prüfung: 24 Doppelt unterstrichen. 25 Doppelt unterstrichen. 26 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512. 27 Geregelt wurden darin die Rechte und der Unterhalt des Fürstprimas Karl Theodor von Dalberg (Art. 45) sowie die Unabhängigkeit und innere Verfassung der Freien Stadt Frankfurt am Main (Art. 46). Vgl. Acte du Congrès de Vienne du 9 Juin 1815, avec ses Annexes, S. 41−43. 28 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1515 f. 29 Emendiert. Vorlage: dem. 30 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1515. 31 Vgl. ProtDBV 1816, 11. Sitzung vom 12. Dezember 1816, S. 181 (vertrauliche Sitzung, ohne Protokoll), und ProtDBV 1816, 13. Sitzung vom 19. Dezember 1816, § 55, S. 210 (Mecklenburg stimmt dem Präsidialantrag [ebd. S. 208] zu).

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1. Es liessen sich allerdings als ein provisorisches Auskunftsmittel begutachten, daß die bei der Bundesversammlung anzubringenden Angelegenheiten, welche als Rechtssachen ihre Berichtigung erfordern, etwa durch einen von der Bundesversammlung zu bestimmenden und besonders dazu aufgestellten Ausschuß gehörig mit Beobachtung gemeinrechtlicher Form zu instruiren, und alsdann in Erwägung der oben gegen die eigentliche unmittelbare richterliche Functionen des Bundestags angeführte Rüksichten, die Sache zum förmlichen Spruch an irgend ein Obertribunal in einem der Bundesstaaten nach der jedesmaligen Bestimmung zu verschiken wäre, so daß solche Entscheidung von dem Bundestage bewirkt, auch von demselben den betreffenden Partheien ertheilt würde, wie dieses ebenfalls bei Gerichtsstellen geschieht, wenn Verschikung der Akten statt findet. 2. Allein obgleich solches nur als ein provisorisches Auskunftsmittel bis zur Festsetzung der geeigneten organischen Einrichtungen zu betrachten sein würde, so erwäge ich jedoch, um die Sache von allen Seiten zu berüksichtigen, daß die Instrukzion einer Rechtssache die Grundlage der künftigen Entscheidung gewährt, und die bei mangel- oder fehlerhafter Instrukzion veranlaßten Lüken nicht immer von der bloßen Entscheidungsbehörde ergänzt, und die den Interessenten dadurch veranlaßten Beschwerden und Nachtheile wieder gutgemacht werden können, und daß die Instrukzion folglich von wesentlichen entscheidenden Einfluß auf das nachherige Erkenntniß ist; daß ferner in einzelnen Fällen nach gemeinrechtlicher Form, die Erlassung eines Zwischenerkenntnisses wesentlich zur Instrukzion gehört; folglich alle Rüksichten, welche gegen die Verhandlung und den rechtlichen Spruch durch die Bundestags Gesandten eintreten, ebenfalls bei der Instrukzion in Erwägung zu ziehen sind; so scheint es räthlich, daß die gegenwärtige Kommission innerhalb den Grenzen ihres Auftrags sich darauf zu beschränken habe, den oben angeführten Vorschlag und die bei selbem eintretenden Rüksichten der Bundesversammlung vorzulegen, um über selbe eine eigene Berathung zu veranlassen. (33.) § 10. Allgemeine Bemerkung. Da die isolirte Bearbeitung der Kompetenz Erörterung nothwendig mangelhaft bleiben muß; so wäre ausdrücklich den oben begutachteten Directiv Normen beizufügen, daß, wenn in einem oder dem andern Falle die Kompetenz der Bundesversammlung noch zweifelhaft sein sollte, der seither beobachtete natürliche Ausweg vorbehalten bleibe, die Angelegenheit zur Instrukzions Einholung zu verweisen.

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Schlußantrag. Der von hoher Bundesversammlung unserer Kommission ertheilte Auftrag ist nach seiner Form und Wesenheit vorzüglich nur auf provisorische Anordnungen rüksichtlich der Kompetenz des Bundestags gerichtet, und soll die definitiven organischen Bestimmungen vorbereiten. Daß die Bundesakte die Grundzüge und Andeutungen des für Deutschland geschlossenen Bundes enthält, darüber sind wir alle einig; aber eben so erkennen wir auch wohl insgesammt, daß Fürsten und freie Städte, so wie die Nation überhaupt gleichen Anspruch auf die organische Vollendung dieses Bundes haben. Da nun der unserer Kommission ertheilte Auftrag zur Begutachtung ­provisorischer Anordnungen über die sogenannte Kompetenz der Bundesversammlung uns am sichtbarsten im Gange dieser Berathungen zugleich den Mangel zeigte, und in mehreren Verzweigungen fühlbar vorlegte, ­welcher von einer solchen isolirten Bearbeitung untrennbar ist; so hat die Kommission die natürlichste Veranlassung den Wunsch und das Bedürfniß der gesammten Bundesversammlung angelegentlich vorzutragen, die planmäßige Erörterung und Ergänzung der Bundesakte nicht auf das Unbestimmte zu verschieben. Mögen bei der dadurch veranlaßten Bearbeitung immerhin in zufälligen Bestimmungen unsere Ansichten auch verschieden sein, und gegenseitige freimüthige freundschaftliche Ausgleichungen eintreten, so wird doch im ­wesentlichen, wo es einer festen Begründung des deutschen Bundes, seiner Sicherung von innen und von aussen gilt, nur ein Wille uns alle so beseelen, wie wir unsern Zeitgenossen und der späten Nachkommenschaft für ihr Wohl und Wehe verantwortlich bleiben. In dem vollen Gefühle des Gemeinsinnes der Fürsten und freien Städte, welche den deutschen Bund bilden, bin ich daher beauftragt, noch als Schlußantrag vorzulegen, der Bundesversammlung die Bearbeitung der organischen Gesetzgebung des deutschen Bundes im Ganzen, und zwar in seinen sämmtlichen innern und äußeren Verhältnißen, so wie der dazu gehörenden organischen Einrichtungen zur baldmöglichen Vornahme zu empfehlen.

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119. König Maximilian I. Joseph von Bayern1 an Aretin

HStA München, Gesandtschaft Bundestag, Nr. 39. a) Weisung. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 25. April 1817; b) Gutachtliche Anmerkungen. Lithographischer Abdruck.

[a) Weisung] Übersendet Aretin den Text eines von der österreichischen Bundestagsgesandtschaft in der Bundesversammlung zu haltenden Vortrags über die provisorische Kompetenz des Bundestags sowie die darauf bezogenen bayerischen Anmerkungen, die man dem Wiener Außenministerium bereits zugestellt habe. Beide Schriftstücke seien auch an die bayerischen Gesandtschaften in Stuttgart, Dresden, Karlsruhe und Darmstadt übersandt worden, damit diese sich mit den dortigen Regierungen in der Sache ins Benehmen setzen können. Ermächtigung Aretins, bei den Bundestagsgesandten der vorstehend genannten und anderer geeigneter Höfe zu sondieren. Vom Resultat dieser Sondierungen soll es dann abhängen, ob und in welchem Umfang von den in den Anmerkungen aufgestellten Grundsätzen und Ansichten bei der wirklichen Abstimmung in der Bundesversammlung Gebrauch zu machen ist, was in das Ermessen Aretins gelegt wird.

München, [Mitte2] April 1817 Maximilian Joseph von Gottes Gnaden König von Baiern etc. etc. Es ist Uns in Bezug auf die durch den Beschluß der XIII. Bundestags-Sitzung vom 19[te]n Dezember 18163 zur Begutachtung einer Commißion ausgesetzten provisorischen Bestimmungen über die Competenz des Bundestags der Aufsatz des von der K. K. österreichischen Bundestags-Gesandtschaft abzuhaltenden Vortrages4 mitgetheilt worden, worüber Wir dem K. K. öster­reich.n Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten die Anmerkungen, welche der hier anliegenden Abschrift des Vortrags auf der andern Spalte beigefügt sind5, haben zustellen lassen. Der Gegenstand hat Uns wichtig genug geschienen, um mit den bedeutendern deutschen Höfen in vertrauliches Benehmen zu treten. Wir haben daher eine Abschrift jenes von der K. K. österreichischen Gesandtschaft zu er­ stattenden Vortrages, wie solche anliegt, nebst den hier beifolgenden An­ 1 Maximilian I. Joseph (1756−1825), seit 1806 König von Bayern, 1795 Herzog von Zwei­ brücken, als Maximilian IV. Joseph seit 1799 Kurfürst von Pfalz-Bayern. Vgl. ADB, Bd. 21, S. 31−39; NDB, Bd. 16, S. 487−490. 2 Da die Anlage mit Schreiben vom 14. April 1817 auch an die Gesandtschaften in Stuttgart, Karlsruhe, Dresden und Darmstadt versandt wurde (vgl. unten Anm. 6), dürfte die Weisung an Aretin entweder am gleichen Tag oder kurz davor ergangen sein. 3 Vgl. ProtDBV 1816, 13. Sitzung vom 19. Dezember 1816, § 55, S. 210 und Dok. 109. 4 Vgl. Dok. 118. 5 Vgl. Dok. 119b.

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merkungen mit der abschriftlich anliegenden Entschließung6 Unseren Gesandtschaften zu Stuttgardt, Dresden, Carlsruhe und Darmstadt zustellen lassen. Wir ermächtigen euch auf gleiche Art mit den Gesandten erwähnter Höfe, sowie allenfalls mit anderen, welche ihr dazu geeignet haltet, euch in Benehmen zu setzen. Von dem Resultate dieses Benehmens wird es sodann abhängen, in wieferne es von Wirkung seyn kann, von den in jenen Anmerkungen aufgestellten Grundsätzen und Ansichten bei der wirklichen Abstimmung über diesen Gegenstand Gebrauch zu machen, als worüber Wir alles lediglich euerem Ermessen nach Maßgabe der euch im allgemeinen ertheilten Instructionen, überlassen müssen. Max. Joseph Rechberg Auf Königlich allerhöchsten Befehl der General Sekretär v. Baumüller [b) Anlage: Anmerkungen zum Vortrag der österreichischen Gesandtschaft am Bundestag über die Kompetenz desselben] Dem ursprünglichen Antrag Bayerns, der auf eine Bestimmung der Kom­petenz des Bundestags rücksichtlich der beim Bundestag anzubringenden Privatreklamationen zielte, wird durch den österreichischen Vortrag eine erhebliche Ausdehnung gegeben. Dem ist folgender Hauptgrundsatz entgegenzustellen: Die Kompetenz des Bundes erstreckt sich über alle Gegenstände, welche ihm durch die Bundesakte entweder ausdrücklich oder stillschweigend (durch den Zweck und die Wesenheit des Bundes) zugewiesen sind; diese Kompetenz kann sich aber nur auf solche Art äußern, welche weder den ausdrücklichen Bestimmungen der Bundesakte noch dem Zweck oder der W ­ esenheit des Bundes widerspricht. Der Deutsche Bund ist ein durch e­ in Nationalband vereinigter Staatenbund. Die innere und äußere Sicherheit Deutschlands sowie die Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen Bundesstaaten machen den e i n e n unzertrennlichen Gesamtzweck des B ­ undes aus; folglich darf weder der e i n e Zweck des Bundes dem a n d e re n aufgeopfert oder auf Kosten des anderen erreicht werden. Jede Erweiterung der Kompetenz des Bundestags auf Kosten der Unabhängigkeit der einzelnen Bundesstaaten wird nach und nach zur Unterordnung der kleineren Staaten unter die größeren führen. Einzelne, Klassen oder Korporationen haben das 6 Vgl. König Maximilian I. Joseph an die Gesandtschaften in Stuttgart, Karlsruhe, Dresden und Darmstadt, München, 14. April 1817, HStA München, Gesandtschaft Bundestag, Nr. 39, Anlage zu No. 85 (Abschrift), und HStA München, MA 1201 (Hinweis auf die Datierung).

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Recht auf Erfüllung der ihnen in der Bundesakte gegebenen Zusicherungen, sie treten aber nicht in ein unmittelbares Verhältnis zum Deutschen Bund. Den Bundesstaaten sind in der Bundesakte keine öffentlichen Verhältnisse zur Ausführung vorgeschrieben worden, sondern ihre Regierungen entscheiden über das Wann und Wie einzuführender Einrichtungen und Gesetze (z. B. ständische Verfassung) in ihren Staaten. Die Bundesversammlung ist weder ein von den Instruktionen der einzelnen Regierungen unabhängiger Körper noch eine oberste Administrativoder Justizstelle von Deutschland. Untauglichkeit der Bundesversammmlung zur Ausübung richter­licher Funktionen.

Anmerkungen zu dem Vortrage der kaiserl. königl. Oesterreichischen Gesandtschaft am Bundes-Tage über die Competenz desselben. 1. Dieser Beschluß wurde bekanntlich durch das baiersche Votum in der Frankfurter Judensache7 veranlaßt, welches wieder nur eine Wiederholung des in der V. Sitzung von derselben Gesandtschaft abgelegten Votums8 war. Dieses aber verlangt die Bestimmung der Competenz in Bezug auf die bei dem Bundestage angebrachten Privatreclamationen. Mit ausdrücklichem Bezug auf dieses Votum und „zur Erledigung der mehreren bei dem Bundestage angebrachten Vorstellungen und Gesuche“ wurde von Oesterreich in der XIII. Sitzung vom 19. Dezember 1816 der obenerwähnte Beschluß in Antrag gebracht9, und durch die Bundes Versammlung genehmiget. Hiernach scheint sich also die gegenwärtig zu berathende Frage sich nicht über die Competenz des Bundestages überhaupt auszudehnen, welche Frage allerdings von gleichem Umfange mit der Grundlage der ganzen organischen Gesetzgebung seyn würde, sondern sich bloß auf die Competenz desselben rücksichtlich der bei demselben anzubringenden Privatreclamationen zu beschränken, und alle übrigen Bestimmungen rücksichtlich seiner Competenz jener Zeit zu überlassen, wo sie nach der durch den Beschluß der XVII. Sitzung (vom 10t[en] März 1817) genehmigten Reihenfolge10 in Anregung kommen. 2. Auch in dieser Hinsicht scheint es räthlich, die Frage auf ihre ursprüng­ liche Stellung zurückzuführen. Für die Beantwortung derselben in dieser Beschränkung liegen Discussionen und Beschlüsse als Materialien vor, während die Auflösung derselben in der ihr durch den Vortrag der kais. königl. Oester.en Gesandtschaft gegebenen Ausdehnung lediglich aus der Theorie geschöpft werden soll, deren Unsicherheit die zur Begutachtung der Reihenfolge nie-

  7 Vgl. ProtDBV 1816, 12. Sitzung vom 16. Dezember 1816, § 49, S. 185 f.   8 Vgl. Dok. 101.   9 Vgl. ProtDBV 1816, 13. Sitzung vom 19. Dezember 1816, § 55, S. 208. 10 Vgl. ProtDBV 1817, 17. Sitzung vom 10. März 1817, § 91, S. 141.

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dergesetzte Commission in dem Vortrage der XI. Sitzung11 gerügt hat; Wie kann sie auch alle die möglichen vielen und vielartigen Fälle voraussehen − vorausbestimmen? 3. Diese in der XIII. Sitzung aufgestellten Gesichtspunkte waren: a) die Wesenheit eines durch ein Nationalband vereinigten Staatenbundes, b) die im Art. 2 der Bundes Akte ausgesprochenen Bundeszwecke, nämlich Erhaltung der innern und äusseren Sicherheit Deutschlands, der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten.12 c) der ausdrücklichen Anregungen im 11. Artikel13, welcher den einzelnen Bundesstaaten Schutz gegen Außen verspricht, und sie mit ihren Streitigkeiten unter sich an die Vermittlung des Bundestags und endlich an die Entscheidung einer wohlgeordneten Austrägal Instanz verweist. d) Die in der Bundes Akte bereits getroffenen positiven Bestimmungen nämlich nach dem allegirten14 oldenburgischen Votum: aa) Art. 6 und 14 rücksichtlich der Mediatisirten.15 bb) Art. 15 rücksichtlich der Vollziehung des Reichsdeputations Hauptschlusses, des deutschen Ordens[,] der Rheinischen Sustentations Sache, der Rheinschiffarths Oktroi.16 cc) Art. 17 wegen des fürst.en Hauses Thurn und Taxis.17 dd) Art. 12 wegen der Justitzverfassung der kleineren Staaten.18 ee)  Art 13 wegen der in allen Bundesstaaten einzuführenden landständischen Verfassungen.19 ff)  Art. 16 wegen der Rechtsgleichheit der 3 christlichen Confessionen.20 gg) Art. 18 wegen der den Unterthanen wechselseitig zugesicherten Rechte.21 hh) Art. 16 wegen der bürgerlichen Verfassung der Juden. ii) Art. 18 wegen der Abstellung des Nachdrucks.

11 Vgl. ProtDBV 1816, 11. Sitzung vom 17. Februar 1817, § 52, S. 59 f. 12 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508. 13 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512. 14 Allegieren: eine Stelle aus einem Buch, Schriftstück etc. anführen, zitieren. 15 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1510 f. und 1513−1515. 16 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1515. 17 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516. 18 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513. 19 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513. 20 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1515. 21 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516 f.

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3½) Gegen die Aufstellung dieser 4 Rücksichten läßt sich nichts einwenden, in so ferne sie nicht disjunktiv, sondern collecktiv (d. h. nur die andere bedingend) genommen werden; in Einem Satz zusammengefasst, würde sie sich etwa so aussprechen: Die Competenz des Bundes erstreckt sich über alle Gegenstände, welche demselben durch die Bundesakte entweder ausdrücklich oder aber stillschweigend (durch den Zweck und die Wesenheit des Bundes) zugewiesen sind; diese Competenz kann sich aber nur auf eine solche Art äussern, ­welche weder den ausdrücklichen Bestimmungen der Bundes Akte, noch dem Zwecke oder der Wesenheit des Bundes widerspricht. Bei der Anwendung dieses Hauptgrundsatzes dürfte rücksichtlich der ausdrücklichen Bestimmungen der Bundes-Akte kein Zweifel obwalten. Rücksichtlich des Zweckes des Bundes aber und seiner Wesenheit nicht zu ver­ gessen seyn, daß die innere und die äußere Sicherheit Deutschlands − die Unabhängigkeit und Unverletzlichkeit der einzelnen Bundesstaaten, den Einen unzertrennlichen Gesammtzweck des Bundes ausmachen, daß dieser, wie in dem ersten Präsidial Vortrage22 ausgeführt wurde, weder ein Bundesstaat, noch ein bloses Schutz und Trutzbündniß, sondern ein durch Nationalband vereinigter Staaten-Bund ist, daß weder ein Zweck des Bundes dem andern, noch eine wesentliche Eigenschaft der andern aufgeopfert, oder auf Kosten der andern erreicht werden, sondern nur in Vereinigung der beiderlei Zwecke und Eigenschaften derjenige Zustand von Deutschland begründet werden kann, welcher dessen Rechtszustand mit Wahrheit genannt werden mag, daß auf jede andere Art wohl für den Augenblick Rechte einzelner Unterthanen oder Classen früher durchgesetzt werden mögen, als es auf dem anderen rechtlichen Wege geschehen seyn würde, daß aber das einmal gegebene Beispiel gewaltsamer oder listiger Verletzung der Bundes-Akte, dieses Palladiums der deutschen gesetzlichen Freiheit und Einheit, zu unzähligen anderen Verletzungen berechtigen, diese nur mit der gänzlichen Zerstörung des deutschen Bundes, und je nachdem solche von den Anarchisten oder von den Mächtigsten benützt würde, mit Revolution oder mit einem Protectorat, endigen müßten. Ueberhaupt sollten die mindermächtigen reindeutschen Staaten nicht vergessen, daß jeder Beschluß, wodurch die Competenz des Bundestags auf ­Kosten der Unabhängigkeit der einzelnen Bundesstaaten und gegen die wesentliche Eigenschaft eines Staatenbundes erweitert, oder eine jenen Zwecken und dieser Eigenschaft widersprechende Ausübung derselben begründet wird, wenn auch nicht rechtlich, doch faktisch Ungleichheit zwischen den Bundes22 Vgl. Dok. 100, S. 425 f.

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staaten herbeiführe, während doch gerade auf der im Art. 3 der Bundes Akte23 ausgesprochenen Gleichheit der Rechte und Pflichten die Existenz und Erhaltung des Bundes beruht, daß diese Ungleichheit auch nach und nach zur Unterordnung der kleinern Staaten unter die grösseren führen, und daß diese entweder mit deren Unterjochung oder mit der Erneuerung von Kämpfen enden müssen, welche Deutschland seit Jahrhunderten zerrissen haben. Oder sollte Jemand im Ernste glauben wollen, daß die europäischen Mächte, welche mit einem Theile ihrer Staaten dem Bunde beigetreten sind, sich j­emals Beschlüssen des Bundestages werden fügen wollen, welche sie ihrem Interesse (wohl oder übel verstanden, ist hier gleichviel) für widersprechend halten? Und wenn sie sich denselben nicht fügen wollen, wer wird sie zwingen? der Bund mit seinen 20 Millionen unter 37 verschiedenen Staaten ver­ theilten Menschen, gegen 30 oder 12 Millionen unter einem Herrscher vereint? − Man denke an die Wirksamkeit der Reichsgerichtlichen Erkenntnisse und ihrer Exekution, obwohl die Formen derselben stringenter waren, als es je die Formen des Bundestages, selbst nach den ausschweifendsten Wünschen werden können − und die Antwort auf jene Frage wird nicht zweifelhaft seyn. Aber es giebt ein forum, dessen Ansprüchen der Gewaltige wie der Schwache gehorchen müssen, welches über Bestechung und Furcht erhaben, mit ­unwiderstehlicher Gewalt jede Regierung zwingt, die Verpflichtungen zu ­erfüllen, die ihr entweder die Natur des Staates oder eigene Versicherungen auferlegen − das forum der öffentlichen Meinung; und zur Begründung ­desselben giebt die Bundes-Akte zwei treffliche Mittel an Handen, nämlich der Art. XIII durch Einführung der Landständischen Verfassung, und der Art. XVIII durch die Bestimmung der Preßfreiheit. Landstände werden für die einzelnen Bundesstaaten und Pressfreiheit (d. h. Druck ohne vorläufige Censur, welche jede Aeusserung eines Privatschriftstellers zur Staatssache macht) für Deutschland eine öffentliche Meinung begründen, auf welche besoldete oder schwärmerische Schriftsteller wohl für Augenblicke einen schädlichen Einfluß ausüben können, die aber, da demselben auf gleiche Weise begegnet werden kann und wird, sich am Ende auf eine dem wahren Interesse Deutschlands und der einzelnen Staaten entsprechende Weise fixiren, und auf die Handlungen der einzelnen Regierungen einen weit sicherern und gleichförmigeren Einfluß ausüben wird, als alle Einschreitungen der Bundes-Versammlung − wenngleich die Publicität ihrer Verhandlungen eben so auf die öffentliche Meinung einwirken, als dem Einfluß derselben auf die Verhandlungen Raum öffnen wird. 23 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1509.

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4. Die Angelegenheiten des Bundes beziehen sich nach Anleitung des Art. 10 ebensowohl auf seine inneren und äußeren, als auf seine militärischen Verhältnisse; werden daher die äußeren Verhältnisse in diese Berathung gezogen, so gehören auch die letzten hieher. Allein in dem in der XI. Sitzung vom Jahre 1817 verlesenen Vortrage über die Reihenfolge24 wird ausdrücklich nur die Competenz Bestimmung in Bezug auf die innern Verhältnisse des Bundes dieser Berathung vorbehalten. 5. Was sollen die Zugehörungen des Bundes seyn? doch nicht die Mediatisirten? Der Bund ist ein Staatenbund und besteht also blos aus Staaten, die in ihren Verhältnissen gegen einander und gegen den Bund betrachtet werden können: und diese Verhältnisse machen die inneren Verhältnisse des Bundes aus. 6. Logisch richtig möchte diese Eintheilung kaum seyn: die Einzelnen, Classen, oder Corporationen, rücksichtlich deren in der Bundes Akte Bestimmungen getroffen sind, haben das Recht, die Erfüllung der gegebenen Versicherungen, wie anderer von ihren Regierungen zu fodern: ein unmittelbares Verhältniß zwischen ihnen und dem Bunde möchte dadurch in der Regel nicht begründet werden, wie unten die nähere Entwickelung zeigen wird. 7. Diese Entwicklung und Vollendung darf aber keinen Gang nehmen, welcher die Natur des Bundes Vertrags verändert, oder einem seiner Zwecke wider­spricht. 8. Vorbehaltlich des Vetos, welches schon die Natur eines Vereins von unabhängigen Staaten, ausdrücklich aber der Art. 725 bei allen Beschlüssen über Annahme oder Abänderung der Grundgesetze, organische Bundes Einrichtungen, jura singulorum oder Religions Angelegenheiten den einzelnen Staaten einräumt, wie es ja schon das alte deutsche Staatsrecht in gewisser Beziehung den keineswegs unabhängigen (souveränen) Reichsständen eingeräumt hatte. 9. Dieß liegt in dem Zwecke des Bundes, und der Natur eines Staaten-Vereines. 10. Es läßt sich kaum irgend eine gesetzgebende oder polizeyliche Verfügung eines einzelnen Bundesstaates denken, bey welcher nicht auch das Wohl der ganzen deutschen Gesammtheit in Betrachtung käme. Sollte der Grundsatz in dieser Ausdehnung angenommen werden, so geht die Gesetzgebung der einzelnen Regierungen in die Hände des Bundestages über, und jenen bliebe nur noch übrig, Modifikazionen der allgemeinen Gesetze für ihre Staaten nach den Local Umständen zu bewirken. 24 Vgl. Dok. 114. 25 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511 und Kapitel II.3.

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11. Unter den gemeinnüzigen Anordnungen, von denen der Art. 6 spricht, können wohl nur diejenigen verstanden werden, welche entweder die Bundes Akte dem Bundestage ausdrücklich zuweist, wie z. B. Art. 16, 18 & 19 oder welche einzelne Staaten, weil ihnen zu deren Ausführung entweder die Kraft oder aber die nöthige Einwilligung anderer Staaten mangelt, an den Bundestag, als den tauglichsten Centralpunkt für Unterhandlungen über deutsche Angelegenheiten, bringen. 11½. Wozu aber, möchte man fragen, wozu hier die Aufstellung solcher allgemeiner lediglich aus der Theorie geschöpfter Grundsätze, die wenigstens mit der eigentlichen Frage die oben in der Anmerkung 1 u. 2 gestellt worden ist, in keinem unmittelbaren Zusammenhange stehen? 12. Ganz auf den Art. 11 der Bundes Akte gegründet. 13. So wenig aus der im Münchner Staats-Vertrage vom 14t[en] April 181626 von Baiern und Oesterreich gegeneinander übernommenen Garantie der wechselseitigen Besizungen zu folgern seyn möchte, daß sie sich dadurch als berufen erklären wollten wechselseitig sich ihre Verfassungen zu gewährleisten: ebensowenig möchte aus der Garantie, welche nach dem Art. 11 die Bundesstaaten wechselseitig gegen einander übernommen haben, ein Beruf der Bundes Versammlung, die Garantie der Verfassungen zu übernehmen, sich folgern lassen, obwohl ihr Niemand das Recht bestreiten wird, auf An­ rufen eines einzelnen Staates, die Garantie einer solchen Verfassung zu ­übernehmen, da dieß − wie in der kaiser. Oester.en Abstimmung über die Sachsen-Weimar’sche Verfassung in der XVIII. Sitzung27 ausgeführt worden ist − weder der Bundes Akte noch der Natur eines Staaten-Vereins widerspricht. Was übrigens diese Garantie für Wirkungen habe, und wie solche ausgeübt werden soll, ist eine andere Frage, die nicht hieher gehört. 14. Den einzelnen Bundes Staaten sind in der Bundes Akte keine öffent­ lichen Verhältnisse zur Ausführung vorgeschrieben, sondern die deutschen Regierungen sind in dem freien Bunde vom 5[te]n Juny 181528 über gewisse in ihren Staaten einzuführende Einrichtungen und Gesetze übereingekommen. Das Wann und Wie bleibt, wie es der Begriff der Unabhängigkeit mit sich bringt, jedem einzelnen Staate überlassen, so weit nicht auch die Unterthanen eines andern Staates dabei interessirt sind, und also Verpflichtungen der Bundesstaaten unter sich eintreten. Eine Ausnahme fände freilich statt, wenn die 26 Vertrag zwischen Bayern und Österreich über die definitive Festsetzung der Grenzen und Verhältnisse beider Staaten, München, 14. April 1816, Königlich-baierisches Regierungsblatt 1816, Sp. 435−464. Zum Münchner Vertrag vgl. allgemein Weis, Montgelas, Bd. 2, S. 710 ff.; Taddey (Hrsg.) Lexikon der deutschen Geschichte, S. 851. 27 Vgl. Dok. 148. 28 Die Deutsche Bundesakte ist auf den 8. Juni 1815 datiert; vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1503−1518.

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Bundesstaaten unter sich auch über das Wann und Wie übereinkommen wollten: eine solche Ausnahme würde aber erst durch das Ueber­einkommen nicht durch die Bundesakte begründet. Unter den durch die Bundesakte vorgeschriebenen öffentlichen Verhältnissen mag, da unten von den Rechten der Einzelnen, Corporationen und Classen besonders die Rede ist, wohl die Einführung der ständischen Verfassung in den einzelnen Bundesstaaten verstanden werden: allein gerade hier tritt die Unausführbarkeit einer dem Bunde über den Vollzug des Art. 13 zu übertragenden Meisterschaft in das hellste Licht. Würde und könnte z. B. Oesterreich, wenn die Tiroler mit der ihnen im Jahre 1816 gegebene[n] Verfassung29 sich nicht zufrieden stellen, und mit Berufung auf den Preßburger Frieden30 und auf den Pariser Vertrag vom 3ten Juny 181431 das ihnen von dem Jahre 1805 zugestandene Willigungsrecht fodern sollten, dem Bundestage das Recht einräumen wollen, hierüber zu entscheiden, oder auch nur vermittelnd einzutreten? oder würde Preußen es sich gefallen lassen, wenn der Bundestag sich auf Anrufen der schlesischen Standesherrn, und geistlichen Cörperschaften beikommen ließe, demselben einen Termin zur Einführung der ständischen Verfassung zu bestimmen? Die gepriesenen Grundmaximen großer Monarchien begründen rechtlich keine Ausnahme, sondern was gegen kleinere Staaten recht ist, muß es auch gegen die größern, es muß auch gegen sie überhaupt ausführbar seyn, wenn es gegen jene als Recht geltend gemacht werden soll. Die deutschen Fürsten haben vor ganz Europa ihr Wort gegeben: sie werden es auch halten: wenigstens sollte von dem Bundestag, der gerade vorzüglich berufen zu seyn scheint, in eine von 25jährigen Erschütterungen her noch aufgeregte Zeit Besonnenheit und Vertrauen durch seine öffentliche Berathungen zu bringen, ein Zweifel an Fürstenwort nicht ausgehen. 15. Kann keinem Anstande unterliegen. 16. Ganz in dem Art. 11 der Bundes-Akte gegründet. 17. Wird sich auf die Anmerkung 11 bezogen. Oder wird sich Oesterreich rücksichtlich der Abstellung des Nachdruckes, der Abschaffung von Binnenzöllen, der Einführung eines gleichen Maaßes und Gewichts p.p. welche

29 Vgl. Herstellung der ständischen Verfassung in Tirol, Wien, 24. März 1816, in: Dippel (Hrsg.), Verfassungen der Welt vom späten 18. Jahrhundert bis Mitte des 19. Jahrhunderts, Bd. 2, S. 215−221. 30 Vgl. Frieden von Preßburg, 26. Dezember 1805, in: Kletke, Die Staats-Verträge des Königreichs Bayern, S. 161−168. 31 Vertrag zwischen Österreich und Bayern, Paris, 3. Juni 1814, in: Kletke (Hrsg.), Die Staatsverträge des Königreichs Bayern, S. 263−267 (Erwerb des Großherzogtums Würzburg und des Fürstentums Aschaffenburg durch Bayern gegen die Abtretung Tirols und Vorarlbergs an Österreich).

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b­ eide letztern Anordnungen gewiß auch gemeinnüzig genannt werden können, der Mehrheit des Bundestags unterwerfen wollen? 17½. Dieser Abschnitt dürfte den eigentlichen Berathungs Gegenstand ­bilden. 18. Doch dürfte es nicht unnöthig seyn, zu wiederholen, daß die Idee eines Bundes von unabhängigen Staaten in der Regel jedes unmittelbare Benehmen zwischen ihren Unterthanen und dem aus ihren Angeordneten bestehenden Bundestage ausschließt, indem es sich mit dem Begriffe von Unabhängigkeit der Staaten eben so wenig verträgt, daß die Bundes Versammlung als ein von den Instructionen der einzelnen Regierungen unabhängiger Körper eine obere Instanz für die Verfügungen von diesen bilde, als daß der Unterthan seine Regierung bei fremden verklagen, und bei ihnen Abhilfe gegen jene suchen könne. In wie ferne von dieser Regel ausdrückliche Bestimmungen der Bundes Akte, durch freywillige Verpflichtung der Regierungen für einzelne Fälle Ausnahmen begründen: wird sich bei der Prüfung der einzelnen Fälle zeigen. Auf jeden Fall werden diese Ausnahmen, als auf Verzichte gegründet, der strengsten Auslegung zu unterwerfen seyn. 19. Für welche? Die mediatisirten Reichsstände und Reichsritterschaft erkennt die Bundes Akte eben so wenig für eine Cörperschaft, als den deutschen Orden (mit dem sie sich überhaupt nur beschäftigt, in so fern er aufgehoben ist) und die aufgelösten Domstifter. 20. Es kann hier blos von Einzelnen die Rede seyn, da es keine Corporationen giebt, Classen aber – als durch ganz Deutschland verbreitet − eben so wenig handeln, als sich konstituiren können. Einzelne Betheiligte aber können ebensowohl als andere, die nicht betheiliget sind, Vorschläge bei der Bundes Versammlung übergeben, die solche würdigen kann und wird. Anträge, auf welche Antworten erfolgen sollen, gehören vor die einzelnen Regierungen, bei denen auch die Erfüllung der von ihnen übernommenen Verpflichtungen in Anregung zu bringen ist. Die Regierungen werden und müssen, soweit hier32 die Bundes Akte gleichförmige Grundsätze vorschreibt, die Sache nothwendig an den Bundestag bringen, welcher selbst und ohne fremde Anregung dafür sorgen wird, daß, so wie den Gegenstand die Reihe trifft, solcher auch vorgenommen werde. Eine Ausnahme von dieser Regel bilden diejenigen Angelegenheiten, deren Beendigung nicht von einem einzelnen deutschen Staate sondern von der ganzen Gesammtheit oder von mehreren deutschen Staaten abhängt, und daher ebenso durch Einzelne bei dem Bundestage betrieben werden kann, wie 32 Emendiert. In der Vorlage folgt: über.

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es ja auch jedem Unterthanen erlaubt ist, seine Privat Angelegenheiten bei fremden Regierungen zu betreiben. So werden daher a) die Mediatisirten sowohl die in dem Art. 6 der Bundes Akte der Erwägung der Bundes Versammlung vorbehaltene Ertheilung der Curiatstimmen33, als b) die in dem Art. 14 angeordnete Begründung und Feststellung eines in allen deutschen Landen übereinstimmenden Rechtszustandes, mit vollem Rechte bei der Bundesversammlung in Anregung bringen könne[n], Ebenso gehören die Reclamationen c) wegen der im Art. 15 unter die Garantie des Bundes gestellten Vollziehung des Reichs Deputations Hauptschlusses vom 28t[en] Februar 1803. d) wegen der mehrere Staaten betreffenden Regulirung der Deutsch Ordens Pensionen, e) wegen der ausdrücklich der Berathung der Bundes Versammlung zugewiesenen überrheinischen Sustentationssache allerdings vor die Bundesversammlung, wogegen f) das fürst.e Haus Thurn und Taxis im Art. 17 ausdrücklich an die einzelnen Bundesstaaten gewiesen ist, und g) die Bekenner der drei kristlichen Confessionen wegen der Gleicheit ­ihrer Rechte, h) die Juden wegen ihrer bürgerlichen Verbesserung nach Art. 16, i) die Schriftsteller und Verleger für Preßfreiheit und gegen Nachdruck nach Art. 18 d bei der Bundes Versammlung wenigstens nicht als deutsche Cörper auf­ treten können. Was hingegen k) die im Art. 18 a−c den verschiedenen Unterthanen der einzelnen deutschen Staaten zur Begründung eines ächten Nationalbandes zugesicherten Rechte betrifft: so würde die Verweigerung derselben von Seite eines Bundesstaates nothwendig Einschreitungen der andern herbeiführen, ohne daß es der Reclamationen der eigenen Unterthanen von jenem bedürfte. 21. Der Bundesversammlung kann höchstens das Recht eingeräumt werden, sich durch Einsichtnahme der über die Bestimmung dieser Gerechtsame durch die einzelnen Staaten gegebenen Gesetze von der richtigen Erfüllung der durch die wechselseitig übernommenen Verbindlichkeiten zu überzeugen. Die Subsumtion der einzelnen Fälle unter die gegebenen Gesetze kann nur den einzelnen Regierungen zustehen; die Bundes-Versammlung zur Annahme von Beschwerden hierüber ermächtigen, hieße ebensoviel, als sie zur ober33 Vgl. Dok. 63 und 68.

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sten administrativen oder Justizstelle von Deutschland wenigstens für gewisse Gattungen von Fällen machen, und es ließe sich nicht absehen, warum sie es nicht für alle werden soll. Oder wäre etwa die Verletzung der Forstgerichtsbarkeit eines mediatisirten Reichsstandes von wichtigern Folgen für das Wohl des deutschen Vaterlandes, als die Verletzung von bürgerlicher oder persönlicher Freiheit eines Staatsbürgers, von wohlerworbenen Rechten eines Staats Gläubigers? und sollte also gegen jene, durch Offenbelassung des ­Recurses an die Bundes Versammlung grös­sere Sicherung nothwendig oder erwünschlich seyn, als gegen diese? In der Bundes Akte liegt ein solcher Vorzug nicht. Sie will, daß die künftigen Rechte von Classen, welche meist ganz Deutschland angehörten, und als Opfer einer gewaltsamen Zeit gefallen sind, durch allgemeine Gesetze ebenso gesichert seyn sollen, als die Rechte der übrigen Staatsbürger, aber sie giebt nirgend zu erkennen, daß die Anwendung dieser Gesetze und die Erhaltung jener Rechte in letzter Instanz einer andern Behörde übertragen seyn soll, als welche die Hüterin noch wichtigerer Gesetze, die Vertreterin aller Unterthanen ist. 22. Ausnahmen von obiger Regel − welche dem Einen Zwecke des Bundes, (Erhaltung der Unabhängigkeit der einzelnen Staaten) und der Wesenheit eines Staatenbundes widersprechen − solche Ausnahmen dürfte der Sinn der Bundes-Akte wohl nicht zu begründen hinreichen. Dazu müssen ausdrück­ liche Bestimmungen vorhanden seyn, indem bei keinem Vertrage vermuthet werden kann, daß die Paziszenten durch Neben-Stipulationen einen Hauptzweck aufheben wollten. 23. Allerdings möchte dieser Grundsatz, den der Senator D. Hach am Schlusse seines Votums in der V. Sitzung vom Jahre 1816 hingeworfen hatte34, einer triftigen Motivirung bedürfen: denn wo ist er in der Bundes Akte ausgesprochen? und wie mag ein Staat, welcher wegen Justizverweigerung bei den Abgeordneten anderer Staaten belangt werden kann, unabhängig genannt werden, was er doch eben nach der Bundes Akte seyn soll? 24. Damit sollen wohl die querela protractae vel denegatae justitiae35 ­gemeint seyn, welche selbst rücksichtlich der mit Privilegien de non appellando36 versehenen Reichsstände (mit Ausnahme Oesterreichs) statt fanden: 34 Vgl. Dok. 105. 35 Lat.: Beschwerde beim Reichskammergericht wegen verzögerter bzw. verweigerter Rechtspflege. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 247. 36 Privilegium de non appellando: Das zunächst den Kurfürsten durch die Goldene Bulle (1356) zugestandene Recht, daß von ihren obersten Gerichten nicht wei­­ter (an Reichs­gerichte) appelliert werden konnte, wurde im Lau­fe der Zeit auch von den meisten größeren Landes­herrn er­langt, wenn auch vielfach nur als privilegium de non ap­pel­­lando limitatum, d. h. mit Beschränkung auf Sachen bis zu ei­nem gewissen Streitwert (summa appellabilis). Vgl. Ha­ber­ kern/Wallach, Hilfswör­ter­buch für Historiker, S. 496.

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allein nach dem oben § 3 n. 1 ausgesprochenen Grundsatze soll ja die Bundesakte die einzige Grundlage der Wirksamkeit des Bundestages seyn!! 25. Die Consequenz von diesen 2 Säzen möchte schwer einzusehen seyn. Die Anordnung des Art. 12 wegen allgemeiner Bildung von 3 Instanzen ­geschah, um der Rechtspflege auch in den kleinern deutschen Staaten die Unabhängigkeit und den geordneten Gang zu verschaffen, deren sie sich in allen grösseren erfreut. Darin liegt aber wohl nur ein Grund zu erwarten, daß Klagen wegen Justizverweigerung künftig gar nicht, oder nur selten vorkommen werden, keineswegs aber ein Grund eine Anordnung zu treffen, als ob deren Vermehrung in einem Grade zu erwarten wäre, welcher selbst die Aufopferung des Bundeszweckes, und einer seiner wesentlichsten Eigenschaften gebiethet. Man lasse nur diesen Grundsatz laut werden, und es wird kein Advokat in Verlegenheit seyn, einen durch alle drei Instanzen verlornen Prozeß (allenfalls durch die Anstellung einer Nullitätsklage37, welche die Landes Gerichte nothwendig abweisen müssen) unter dem Vorwande denegatae Justitiae noch an den Bundestag zu bringen, und so ferne einer solchen Klage auch nur effectus suspensivus38, wenn auch nicht devolutivus39 beigelegt würde, wenigstens Zeit zu gewinnen. Ob dadurch die Justitzpflege der ­deutschen Staaten gewinnen würde, bedarf wohl keiner nähern Erörterung. Ferner, wie würde es sich mit den sogenannten Regierungssachen verhalten, worüber die Landesgerichte die Annahme einer Klage verweigern? Würde in einem solchen Falle die Bundes-Versammlung zu untersuchen haben, ob die Sache nach den bestehenden Landes Gesetzen vor die Gerichte gehöre oder nicht, und wohin würde dieses führen? Würde und könnte z. B. Oesterreich sich eine solche Untersuchung und Entscheidung des Bundestags gefallen lassen, wenn es Innhabern Bethmännischer Obligationen40 beifiele, den ­Fiskus auf deren Bezahlung und Verzinsung in klingender Münze zu klagen, und die Oesterreichischen Gerichte diese Klage als nicht vor ihr forum ge­ hörig, zurückwiesen? − Die häufigen Recurse an den Reichstag gegen die unbefugten Einmischungen der Reichsgerichte in Administrativsachen, besonders der letzte herzoglich Oldenburgische wegen einer Gemeindetheilung sind noch in frischem Andenken. Wohin soll aber gegen den Bundestag recurrirt werden? 37 Klage gegen ein zwar formell rechtskräftiges, aber nichtiges Urteil. Vgl. Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. 10, Sp. 34 f.; HRG, Bd. 3, Sp. 974−978. 38 Lat.: Suspensiveffekt der Appellation, wodurch die niedere Instanz in ihrer Tätigkeit gehemmt ist. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 105. 39 Effectus devolutivus (lat.): Devolutiveffekt der Appellation, wodurch ausschließlich die höhere Instanz zuständig ist. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 105. 40 Obligationen des Frankfurter Bankhauses Bethmann.

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Endlich wenn die von dem Bundestage erlassenen Promotorialien41 ohne Folge blieben, was würde dann weiter eintreten? sollte der Prozeß an ihn devolvirt42 werden, oder was sonst? 26. Diese Verfügungen scheinen mit den43 oben ad 2 erwähnten RechtsVerletzungen einerley zu seyn und es wird sich auf die Anmerkung 21 be­ zogen, indem es ganz einerlei ist, ob eine solche Verfügung durch die Beschwerde des Betheiligten oder auf anderm Wege zur Kenntniß der Bundes Versammlung gebracht wird. 27. Es läßt sich kaum absehen, wie die Verfügung eines einzelnen Staates gegen Personen oder Corporationen der innern und äussern Sicherheit des Bundes soll gefährlich werden können. Wäre aber dieß wirklich der Fall; so wäre das dießfalls von dem Bunde einzuleitende Benehmen und die im Falle eines Nichterfolges zu treffende Vorkehrung wohl keine Einmischung in die innere Verwaltung: sondern eine durch die Bundes Akte gebothene Maaß­ regel, zu welcher ohnehin schon das allgemeine Staatsrecht jeden Staat berechtiget. 28. Auch hierbey tritt eine Einmischung in die innere Verwaltung eines einzelnen deutschen Bundesstaates nicht ein; im ersten Falle ohnehin nicht; da es ja dort die Verwaltung eines nicht zum Bunde gehörigen Standes betrifft, aber auch im zweiten nicht, da dort lediglich der Bund als Vermittler zwischen dem fremden und dem einzelnen Staate auftritt. 29. Das baiersche Votum lautete: „Es könnten Streitigkeiten zwischen ­Regenten und Unterthanen entstehen, durch deren Folgen die Erhaltung der innern Ruhe leicht gefährdet würde“.44 30. Bedroht wird, möchte stringenter seyn, und willkührlichen Ausdehnungen zuvorkommen. 31. Wenn bei Streitigkeiten zwischen Regenten und Unterthanen die innere Sicherheit des Bundes bedroht oder verletzt wird, oder wenn der betheiligte Staat den Bund um Schutz anruft; so ist das Einschreiten des Bundestages im ersten Falle nach dem was oben in der 27. Anmerkung bemerkt worden, eben so wenig als im zweiten, eine Einmischung in die innere Verwaltung.

41 Promotorialschreiben: Unterstützungs-, Empfehlungsschreiben; im Gerichtswesen: „schriftliche Bitte, Aufforderung, an einen untergeordneten Richter, den Rechtsgang voranzutreiben“. Vgl. Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. 10, Sp. 1362 f. 42 Devolvieren (von lat. devolvere): abwälzen, abgeben. Vgl. Heyse, Allgemeines verdeutschendes und erklärendes Fremdwörterbuch, S. 188. 43 Emendiert. Vorlage: dem. 44 Vgl. Dok. 101, S. 436 f.

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32. Die Erörterung dieser Verhältnisse gehört, wie schon oben bemerket worden nicht hieher; und sind in der vertraulichen Conferenz vom 3[te]n März ohnehin hierüber vorläufige Beschlüsse gefaßt worden45. 33. Die Verlegenheit, in der sich der Referent befindet, einen bestimmten Vorschlag über die der Bundes Versammlung zur Ausübung der beantragten Competenz zu gebenden Einrichtung zu machen, ist wohl der sicherste Beweis über die Unausführbarkeit seiner Anträge, und über die Untauglichkeit der Bundes Versammlung zur Ausübung richterlicher Funktionen. Für die wenigen Gegenstände, welche durch die Congreß und Bundes Akte ihrer Entscheidung schon zugewiesen sind, oder nach dem Art. 11 ihr künftig zukommen werden, möchten, da wohl meistens die Beilegung im Wege der Vermittlung erfolgen, oder die Entscheidung nach Prinzipien des allgemeinen oder besondern Staatsrechts sich richten wird, die Austrägal Formen hin­ reichen, worüber ohnehin schon in der Conferenz vom 3ten März einige vorläufige Beschlüsse gefaßt worden sind. Wenn aber die Bundes Versammlung sich für alle Reclamationen wegen verweigerter Justiz oder wegen Verlezung der durch die Bundes Akte gesicherten Rechte als competent erklärt, dann läßt sich in kurzer Zeit eine solche Anhäufung von Vorstellungen voraussehen, daß − will die Bundes-Versammlung nicht den, den alten Reichsgerichten gemachten Vorwurf von Geschäfts Verzögerung auf sich laden, sie ihre Gesandtschaften mit Justiz und Administrativ-Räthen verstärken, und sich in Senate abtheilen muß. Was dadurch für die Würde der deutschen Bundes Versammlung, für ihr Wirken ins Große gewonnen werde, − die Beantwortung dieser Frage möchte eben so wenig zweifelhaft erscheinen, als die jener andern, was der Rechtszustand von Deutschland gewinnen würde, wenn, wie es sich jezt schon zeigt, unter den Hunderten der Vorstellungen einige wenige wirklich begründet, der Rest aber theils auf schiefen Ansichten beruhend, theils selbst muthwillig befunden werden sollten? Endlich möchte die Veränderung des Bundestags in eine Oberstrichterliche Stelle die Nothwendigkeit veranlassen, die Gesandten wenigstens für diese Fälle von den Instructionen ihrer Höfe loszusagen, da ja nur nach Recht, nicht nach Convenienz gesprochen werden soll: wohin aber dieses führen würde, läßt sich auch ohne die Stimmen, welche von Zeit zu Zeit in öffentlichen Blättern erschallen, unschwer errathen.

45 Vgl. Dok. 116.

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120. Hardenberg über den österreichischen Entwurf eines Vortrags über die provisorische Bestimmung der Kompetenz des Bundestags

GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 231, fol. 88–94. Gutachtliche Bemerkungen. Reinschrift.

Hält anstelle einer provisorischen Bestimmung der Kompetenz der Bunderversammlung eine definitive Regelung auf der Basis der Deutschen Bundesakte für wünschenswert und schlägt den Abbruch der Bundestagsverhandlungen über ein Kompetenzprovisorium vor. Zustimmung, Detailkritik und Gegenpositionen zu einzelnen Punkten des österreichischen Vortragsentwurfs: u. a. keine Verpflichtung der Einzelstaaten, ihre Verfassungen unter die Garantie des Bundes zu stellen, wie auch keine Pflicht seitens des Bundes, die Garantie einzelstaatlicher Verfassungen zu übernehmen; Betonung der Souveränität der Einzelstaaten und der Nichteinmischung des Bundes in die inneren administrativen Verhältnisse der Bundesstaaten; der Deutsche Bund kann und wird nur ad hoc und auf Beschluß der Bundesversammlung als Gesamtmacht agieren; Grundsätze für die aufzustellende Austrägalinstanz und das Austrägalverfahren; Ablehnung eines besonderen Schutzes derjenigen Untertanen und Korporationen, die sich durch die seit 1803 und 1813 erfolgten Besitz- und Regierungswechsel in ihren Rechten beeinträchtigt fühlen, durch den Deutschen Bund.

Berlin, 5. Mai 1817 Bemerkungen über den Entwurf zum Vortrage der Kaiserlich Königlich Österreichischen Gesandtschaft am Bundes Tage, betreffend die provisorischen Bestimmungen über die Competenz der Bundes Versammlung. In der vom Kaiserlich Königlich Österreichischen Hofe geschehenen vertraulichen Mittheilung dieses Entwurfs1 findet der Königlich Preußische Hof einen sehr schätzbaren Beweis der Freundschaft des Kaiserlich Österreichischen Hofes so wie in dem Entwurfe selbst, daß derselbe auf gerechten Grundlagen gebauet ist, und die wohlwollendsten Absichten an den Tag leget. Bereit jenes schätzbare Vertrauen zu erwiedern, nimmt der Königlich ­Preußische Hof nicht Anstand, seine Ansichten dem Kaiserlichen Hofe mitzutheilen, und dabey eine allgemeine Bemerkung vorauszuschicken und zur gefälligen erleuchteten Erwägung des Kaiserlichen Hofes zu stellen. Allgemeine Bemerkung.2 Die Bundes Ackte setzt in ihrem Zehnten Artikel fest „das erste Geschäft der Bundes Versammlung nach ihrer Eröffnung, werde die Abfaßung der Grund1 Vgl. Dok. 118. 2 Die in der Vorlage am linken Rand befindliche Marginalie wurde als Überschrift in den Text eingefügt.

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Hardenberg über den österreichischen Vortrag über die provisorische Kompetenz Nr. 120

gesetze des Bundes, und deßen organische Einrichtung in Rücksicht seiner auswärtigen militairischen und inneren Verhältniße seyn“.3 Wenn nun gleichwohl in der Bundes Tags Sitzung vom 19t[en] Dezember des vorigen Jahrs provisorische Bestimmungen über die Competenz der Bundes Versammlung zur Begutachtung ausgesetzt wurden4, so geschahe solches in der guten Absicht, bei dem Andringen so vieler einzelner Bittschriften, doch eine einstweilige Norm über die Competenz zu haben, da die nach dem Zehnten Artikel aufzufaßenden wichtigen Grundgesetze und organischen Einrichtungen unmöglich so schnell abgefaßt werden konnten, als es jener Andrang einzelner Geschäfte hätte wünschen laßen. Es erschien daher ein5 von dem Herrn von Berg verfaßter Entwurf über die Befugniße der Bundes Versammlung in Rücksicht auf Vorstellungen und Gesuche von Privat Personen6, und7 die Bundes Tags Gesandten erhielten durch diesen Entwurf Stoff und Veranlaßung sich über die einzelnen Punckte deßelben zu äußern; so wie die im Laufe der Zeit vorkommenden einzelnen Bittschriften und Geschäfte ebenfalls Stoff und Anlaß gaben, in jedem vorkommenden einzelnen Falle die Competenz zu prüfen. Itzt da seit dem Erscheinen des Vortrags des Herrn von Berg viele Monate verfloßen sind, scheinet es dem Königlich Preußischen Hofe, daß eine fortgesetzte Beschäftigung mit der allgemeinen Frage von einer provisorischen Competenz Bestimmung eher von dem Ziele ab- als zu demselben hinführen könnte. Nicht allein die Laage des bereits verflossenen Zeitraums macht eine definitive Competenzbestimmung wünschenswerth, sondern es zeigt sich sogar, daß die Aufgabe ein Provisorium bis zur definitiven festzusetzen eine vielleicht gänzlich unlösbare Aufgabe ist, bey welcher man in Gefahr ist, in Widerspruch oder in einen8 Zirkel zu gerathen. Wenn man annehmen wollte daß der Umfang der Rechte und Pflichten des Bundes seine Bestimmungen ausmache, diese seinen Geschäftsumfang bezeichne, und dieser wiederum seine Competenz begründe; so würde immer wieder jene Bestimmung des Bundes jener Umfang von Rechten und9 Pflichten wenn man nicht Gefahr laufen will, sich in gänzlich von einander ab­ weichende Ansichten aller einzelnen Stimmführenden, und also völlig in das Ungewiße oder in Willkühr zu verlieren – zurückgeführt werden müssen auf 3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512. 4 Vgl. Dok. 109. 5 Emendiert. Vorlage: eine. 6 Vgl. Dok. 104. 7 Emendiert. Vorlage: durch. 8 Emendiert. Vorlage: einem. 9 Emendiert. Vorlage: pund.

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Berlin, 5. Mai 1817

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die Bundes Ackte als auf die Grundlaage von Allem, welche bereits vorhanden ist und sichere Stützpunckte gewähret, und auf Grundgesetze und auf ­organische Einrichtungen der, nach Innhalt des zehnten Artikels der Bundes Ackte erst noch gemacht werden sollen. Einem Provisorium über die Competenz, vor Abfaßung dieser Grundgesetze und organischen Einrichtungen fehlet es an einer vollständigen Grundlaage. Ein solches Provisorium könnte nur entweder die Worte der Bundes Ackte wiederholen, oder es würde sich in Allgemeinheiten verlieren. Der König. Preußische Hof stellet also zur gefälligen erleuchteten Erwägung des Kaiserlich Königlich Österreichischen Hofes, ob es nicht vielmehr rathsamer seyn möchte, anstatt der Fortsetzung der Berathung über ein Provisorium über Competenz Bestimmung, sogleich nach Innhalt des Zehnten Artikels der Bundes Akte, zur Abfaßung der Grundgesetze des Bundes, und seiner organischen Einrichtung zu schreiten, und die Berathung über jenes Provisorium abzubrechen; und fallen zu laßen. Die Grund Gesetze des Bundes und die organischen Einrichtungen deßelben welche der oft erwähnte Zehnte Artikel andeutet, können allerdings nicht alle gleichzeitig in Antrag und Berathung und zum Beschluß kommen. Das Vordringen der Wichtigern nach dem Zeitbedürfnis wird den Vorrang bestimmen können. Nächst dieser allgemeinen Bemerkung, welche, wenn der Kaiserlich Österreichische Hof derselben Beifall giebt, dem ganzen Geschäft der Kompetenzbestimmung, durch Verwandlung deßelben aus einem provisorischen in ein definitives eine zweckmäßigere Richtung geben kann, findet der Königlich Preußische Hof sich veranlaßt, zur erleuchteten Erwägung des Kaiserlich Österreichischen Hofes noch folgende einzelne Bemerkungen zu stellen, von denen bei der definitiven Competenz Bestimmung noch beßer als bei einem provisorischen, Gebrauch gemacht werden kann. Einzelne Bemerkungen.10 I. Zum § 4 1. Die Worte drohende Störung, laßen eine vielfache Deutung zu. Der sich bedrohet glaubende Theil müßte wohl nachweisen, daß er bei dem ihn bedrohenden Staat Abhülfe gesucht und nicht erhalten habe. Es könnte gesetzt werden: wirkliche oder offenbar und unmittelbar drohende Störung. II. Zu § 4 No 2. Bei den Worten: berufen die Garantie der Verfaßungen einzelner deutscher Staaten zu übernehmen, wäre zu vermeiden das AusspreNo

10 Die in der Vorlage am linken Rand befindliche Marginalie wurde als Überschrift in den Text eingefügt.

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chen einer Pflicht des einzelnen Staates, seine Verfaßung unter die Garantie des Bundes zu stellen, und eben so wäre zu vermeiden das Aussprechen einer Pflicht des Bundes die Garantie der Verfaßung eines einzelnen Staats zu übernehmen. Wenn der einzelne Staat unter den gehörigen Erfordernißen darauf anträgt, daß der Bund die Garantie seiner Verfaßung übernehme, so ist der Bund berechtigt, diese Garantie wirklich zu übernehmen. III. Zu § 4. 3, würde ausdrückliche Bezugnahme auf die einzelnen Artikel der Bundes Ackte erforderlich seyn. IV. Zu § 4. 5. Anstatt des Unterschieds zwischen Staats und Rechts Sachen, scheint da es wohl Rechts Sachen giebt, die nicht Staats Sachen sind, alle Staats Sachen aber zugleich Rechts Sachen sind, es beßer zu seyn, sich ganz bestimmt auf die Grundlaage des eilften Artikels der Bundes Ackte11 zu beziehen. V. Zu § 4. 6, scheint es beßer zu seyn bestimmt den 16t[en] und den 18t[en] Artikel der Bundes Ackte12 einzuführen als den Ausdruck: auf Gemeinnützigkeit gerichtete Fragen hier anzuwenden. VI. Zu § 5. und 3. könnte die Faßung so erfolgen daß so wie die Bundes ­Ackte, im ersten Artikel von der Souveränität der Fürsten und die Freiheit der Städte ausgehn, und so wie hieraus folge: eine Nichteinmischung des Bundes in die inneren administrativen Verhältniße der einzelnen zum Bunde gehörenden Staaten eben so die Bundesackte in den anzuführenden Stellen derselben die Obliegenheiten dieser Staaten in Beziehung auf Privat Personen, Corporationen und Classen ausspreche, und dadurch der Beruf des Bundes begründe, dahin zu sehen und dahin zu wirken daß diese Obliegenheiten erfüllt werden. VII. Zu § 5 No 3 lit. b. Diese Fassung erscheinet bedenklich. Allerdings ist es wahr daß wenn die Regierung eines zum Bunde gehörenden Staats, Verfügungen trifft welche mit der Bundes Ackte, oder den Grund-Gesetzen des Bundes in Widerspruch stehen, oder der innern oder äußern Sicherheit deßelben Gefahr drohen, der Bund berufen ist hierwider im Bundesverfaßungsmäßigem Wege zu wirken. Dieser Satz aber bleibt wahr es mag eine, die obbeschriebene Verfügung einer einzelnen Regierung, einzelner Personen, Corporationen oder Claßen betreffen oder ganz allgemein seyn. Daher scheint dieser Gegenstand § 5 No 3 lit. b. vielmehr in den § 4 zu gehören, um so mehr da es bedenklich ist, durch Stellung dieses Gegenstandes in den § 5 die Möglichkeit offen zu laßen, daß ein Unterthan eines einzelnen Staats oder eine Corporation oder 11 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512. 12 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1515 f. und 1516 f.

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Claße in demselben, sich berufen glauben, ihre eigene Regierung bei dem Bunde zu denunciiren. Durch Stellung dieses Gegenstandes in den § 4 wird jene Möglichkeit vermieden. VIII. Zu § 5 No 3 lit. c. Der erste Theil dieses Satzes leidet keine Schwierigkeiten aber der Zusatz „dieses ist eben so der Fall bey dem umgekehrten Verhältnis.“ bedarf einer nähern Bestimmung: denn das umgekehrte Verhältniß ist einer mehrfachen Deutung fähig, bei denen sich Resultate ergeben die von einander ganz verschieden sind. Der eine von diesen ganz verschiedenen Fällen ist: 1. Wenn eine deutsche Regierung sich eines ihrer Unterthanen bei einer fremden Regierung annimmt, und die Unterstützung des Bundes nachsucht, Alsdann hat es zwar kein Bedenken daß der Bund sich der Sache annehme. Aber 2. Wenn die fremde Regierung, indem sie sich eines ihrer Unterthanen bei einer einzelnen deutschen Regierung annimmt, den Bund ersucht daß er sich in die13 Sache mische, und die einzelne deutsche Regierung zu Gunsten der fremden Regierung stimme, so ist es vielmehr rathsam, einen solchen Antrag in der Regel abzulehnen. Es laßen sich wohl Fälle denken, in denen die fremde Regierung von der einzelnen deutschen Regierung etwas offenbar Gerechtes begehret, was diese dennoch versagt, und daß hieraus dem Bunde selbst Besorgnis gegeben wird oder sogar Gefahr drohet. Aber ein solcher specieller Grund, zu dem Beruf des Bundes verfaßungsmäßig einzuwirken kann keinen allgemeinen Grund geben diese ganze Classe von Fällen zur Bundes Competenz zu ziehen. Endlich: 3. Wenn eine einzelne deutsche Regierung sich eines ihrer Unterthanen bei einer fremden Regierung annimmt, und diese dann sich an den Bund wendet damit dieser die einzelne deutsche Regierung bewege, von ihrer Verwendung abzustehen, so ist die Competenz des Bundes hiezu nicht begründet. Fälle dieser Art bei denen die Sicherheit des Bundes gefährdet wird, geben keinen Grund die ganze Klasse der oben besagten Fälle zur Bundes Competenz zu ziehen. IX. zu § 6. Obgleich allerdings Deutschland seit dem geschloßenen Bunde, in seiner Gesammtheit, als Macht erscheinet, und als solche jedoch ganz in dem Buchstaben Geist und Sinn der Bundes Ackte handeln kann so scheint es 13 Emendiert. Vorlage: der.

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doch dem Königlichen Preußischen Hofe nicht rathsam zu seyn, jenen so allgemein ausgedrückten Satz als ein Principium aufzustellen, und mithin der Bundesversammlung zu überlaßen, welche Folgerungen sie daraus ziehen wolle.14 Preußen schmeichelt sich, zu dieser seiner Ansicht um so mehr den Beifall Oesterreichs zu erhalten, da der Kaiser. Hof schon früherhin sich darüber ausgesprochen hat, den Bund nicht als einen Bundesstaat, sondern als einen Staatenbund zu betrachten. Und obgleich Preußen den Bund nicht dergestalt unbedingt als einen Bundesstaat ansiehet, daß demselben alle und jede Attribute eines Staats zukommen sollten, sondern daß Preußen diese Idee: den Bund als einen Bundesstaat anzusehen, ausdrücklich beschränkt: auf diejenigen Attribute, Rechte und Verbindlichkeiten, welche die Bundesacte, der Buchstaben Geist und Sinn derselben, dem Bunde beilegen. Hiernach ist demnach der Unterschied zwischen der Oesterreichischen und der Preuß. Ansicht des Bundes mehr anscheinend als wirklich, und beide geben ein und dasselbe Resultat auch für den vorliegenden Fall. Wenn man jenen allgemein ausgedrückten Satz: Deutschland erscheine seit geschlossenem Bunde, in seiner Gesamtheit, als Macht15, so wahr derselbe an sich ist, als Principium aufstellen wollte, so wäre der Möglichkeit unrichtiger und unzuläßiger Folgerungen aus diesem Principium, die Bahn geöfnet. Deutschland kann und wird als Gesamtmacht handeln, wann, in vorkommenden Fällen, der Bundesverfassungsmäßige Beschluß des Bundes dazu den Impuls giebt. Aber in alle und jede europäische politische Verhältniße, Deutschland, in seiner Gesamtheit, als eine neue Macht einzuführen, solches kann nicht in den Absichten Oesterreichs und Preußens liegen. Es würde eine Verwickelung in die politischen Verhältniße von Europa bringen, und mannigfaltig nachtheilig für Oesterreich, für Preußen und für ganz Deutschland, wirken. Der Zweck, bei Errichtung des Bundes, durch denselben, Ruhe und Gleichgewicht in Europa zu befördern, und der Zweck des Bundes, die ­äußere und innere Sicherheit Deutschlands, und die Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten, zu erhalten, könnte und würde durch Folgerungen aus der Allgemeinheit jenes Principiums in ­Gefahr kommen. Die Heiligkeit des deutschen Bodens werde unverletzt erhalten! Wenn eine europäische macht, um europäischer Welthändel willen, den deutschen Boden verletzen will, dann handle, durch bundesverfaßungsmäßigen Beschluß, der deutsche Bund, als Staatenbund, als Bundesstaat, als Ge14 In der Vorlage folgt nun ein Wechsel der Schreiberhand. 15 Doppelt unterstrichen.

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samtmacht, und halte, mit gesamter Kraft, den Feind vom deutschen Boden ab! Preußen schmeichelt sich der Zustimmung Oesterreichs zu diesen Ansichten, deren Aufstellung und Entwickelung, wann Grundgesetze und ­organische Einrichtungen über auswärtige militairische und innere Verhältnisse des Bundes zur Berathung kommen, von fruchtbaren guten Folgen seyn können. X. Zu § 9. Alles dasjenige, was in diesem § wider die schädliche Anomalie, die Versammlung der Bundestags Gesandten zu einem instruirenden oder erkennenden Gerichtshofe zu machen, gesagt ist, stimmet dahin zusammen mit den diesseitigen Ansichten, daß man diesseitig überzeugt ist, es müsse die Versammlung der Bundestags Gesandten niemals, und in keinem Falle, weder in einem provisorischen, noch in einem definitiv bestimmten Zustande der Angelegenheiten des deutschen Bundes, das Geschäft eines instruirenden oder das eines erkennenden Richters übernehmen. Die Bundes Versammlung hat eine hohe und wichtige Bestimmung. Diese hat sie zu erfüllen, aber in keinem Falle durch Anmaaßung zu erweitern. Nicht die Bundes Versammlung, nicht Ausschüße aus ihrer Mitte, nicht einzelne Bundestags Gesandten, können Austrägal-Richter seyn. Bei der sehr achtbaren diplomatischen Qualification der Gesandten, fehlet ihnen gänzlich die richterliche Qualification, wie groß auch die rechtskenntniße Einzelner von ihnen oder aller, seyn mögen. So gerecht das Vertrauen ist, dessen sie, in ihrer diplomatischen Eigenschaft, würdig sind; so wenig würden sie jemals auf Vertrauen als Richter Anspruch machen können, oder jemals solches erlangen. Dem Preußischen Hofe scheinet diese wichtige Angelegenheit der Austrägal Instanz sich zur Aufstellung und nähern Anwendung folgender Grund­ sätze zu eignen: 1. Die Bundesacte verpflichtet die Bundes Glieder, einander unter keinerley Vorwand zu bekriegen, noch ihre Streitigkeiten mit Gewalt zu verfolgen, sondern sie bei der Bundes Versammlung anzubringen. 2. Diese leztere Verpflichtung ist sehr wohl damit vereinbar, daß, noch vor dieser Anbringung bei der Bundes Versammlung die Bundes Glieder, welche mit einander Streitigkeiten haben, sich sogleich zum Wege der Güte, eventualiter der Austrägal Instanz, erbieten, ohne irgend den Bund in die Sache zu mischen; so daß 3. die Vermittelung der Bundes Versammlung, durch einen Ausschuß, erst dann eintritt, wenn Ein Theil sich des so eben unter No 2 beschriebenen Weges alsbaldiger gütlicher Ausgleichung, eventualiter Austrägal Entscheidung, weigert.

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4. Wenn nun diese Vermittelung No 3 fehlschlägt; so tritt dann die Anordnung der Austrägal Instanz ein, wie sie der 11. Art. der Bundes Acte festsetzt. 5. In beiden Fällen 2. und 4. spricht die Analogie der Verfassung des ehemaligen deutschen Reichs dafür, daß der Beschriebene, das ist das Bundesglied, wider welches geklagt wird, dem klagenden Bundesgliede 4 Bundesglieder benenne, aus welchen der Kläger eines zum Austrägal Richter erwähle; worauf 6. dieser erwählte Austrägal-Richter keinesweges selbst, oder aus seinem Kabinet, die Sache zu entscheiden, vielmehr solche seinem höchsten Gerichtshofe zur Entscheidung aufzutragen haben wird. Allerdings sind dieses nur einige Grundzüge, und es bedarf noch näherer Bestimmungen, sowohl über die Art der Vermittelung No 3 als über die Art, wie die Austrägal Instanz zu No 2 oder 4 das factum aufzuklären, mithin gehörig zum Zweck der Entscheidung zu instruiren hat. Immer werden diese Grundsätze zur Verhütung von Abwegen dienen, indem sie erstens, den alten deutschen Urgrundsatz „daß Gleiche von Gleichen Recht nehmen“ aufrecht erhalten, und zweitens dafür sorgen, daß, bei dem erfolgten Fortschritt der Cultur und verwickelten factischen und Rechtsverhältnißen, niemand in Streitigkeiten instruire, noch entscheide; der dazu nicht die Kenntniße, noch die Weihung, das ist die geprüfte, anerkannte und ausgesprochene wissenschaftliche und sittliche Fähigkeit hat. XI. zum § 10. Die Instructions Einholung über Competenz in einzelnen Fällen, besonders wenn diese schwieriger Art sind, erscheinet allerdings als ein gutes Mittel, da wo annoch, über Competenz Grundgesetze und organische Einrichtungen fehlen. XII. Zu dem Schluß Antrage. Wie sehr der K. Preuß. Hof mit dem Kaiser. Oesterreichischen Hofe den Wunsch hat, daß die definitive Competenz Bestimmung durch Abfaßung der Grundgesetze und organischen Einrichtungen, deren der 10. Art. der Bundesacte gedenkt, zur Berathung und zum Beschluß gelange, das spricht der ganze gegenwärtige Aufsatz aus. Wenn nun dabei, als eine in Berathung zu nehmende Frage, der Punkt in Anregung kommt, ob für diejenigen Unterthanen oder Corporationen, die, in Folge der seit 1803 und namentlich seit 1813 eingetretenen Regierungs und Be­sitzwechsel, gegen ihre itzige Herren eines Schutzes der Bundes-Versammlung, oder, als durch Regierungs und Besitzwechsel angeblich b­ eein­trächtigt, einer Hülfe und Verwendung derselben, zu bedürfen vermeinen, eine Erweiterung der Bundes Competenz in Berathung zu n­ ehmen sey;

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so kann der Preuß. Hof dieser, auch von dem Oesterreichischen Hofe noch niemals begünstigten Idee keineswegen Beifall geben. Der Satz, in dieser Allgemeinheit, ist eines unermeßlichen Misbrauchs fähig, und der Bund würde auf diese Weise in die innere Verwaltung sehr vieler Länder Deutschlands eingreifen. Da wo die Bundesacte ähnliche Gegenstände aus früherm Zeitraume der Wirksamkeit des Bundes überweiset, beruhet dieses auf ausdrücklichen und speciellen Bestimmungen der Bundesacte, welche Bestimmungen einer analogischen Anwendung auf andere Gegenstände, oder auf Objecte aus andern Zeiträumen, nicht fähig sind. So wie die Bundesacte, und die oben erwähnten ausdrücklichen und spe­ ciellen Bestimmungen derselben, aus dem vereinten Willen aller Bundes­ glieder, durch Vertrag hervorgegangen sind; so würden auch, nach Inhalt des 7. Art. der Bundes Acte16, Erweiterungen, wie die hier in Frage gestellten, weder provisorisch noch definitiv anders zuläßig seyn, als durch einstimmigen Beschluß aller Bundesglieder. Wenn eine Erweiterung dieser Art in Antrag kommt, so wird ein solcher Antrag ganz genau und speciell den Gegenstand, oder die Gegenstände bezeichnen müssen. In jener Allgemeinheit ließe sich ein solcher Antrag, ohne die allerbedenklichsten Folgen, gar nicht aufstellen, vielweniger günstig aufnehmen. Da der K. K. Oester. Hof einen solchen Antrag keinesweges formirt hat; so ist die gegenwärtige XII. Bemerkung nur wider dasjenige gerichtet, was, auf Veranlassung des Kaiser. Oester. Entwurfs, zur Sprache gekommen ist, oder zur Sprache kommen könnte. Der K. Preuß. Hof schmeichelt sich, durch die gegenwärtige vertrauliche Eröfnung, dem K. K. Oester. Hofe an den Tag gelegt zu haben, wie höchst schätzbar ihm der Gedanke ist, durch eine harmonische Ansicht der Ange­ legenheiten des Deutschen Bundes, zum Wohl Deutschlands, dem die Wünsche Oesterreichs und die Wünsche Preußens gewidmet sind, wirksam zu seyn. (sig.) C. F. v. Hardenberg

16 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511.

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Beschluß über die provisorischen Kompetenz­bestimmungen des Bundestags Nr. 121

121. Beschluß über die provisorischen Kompetenz­ bestimmungen des Bundestags

ProtDBV 1817, 34. Sitzung vom 12. Juni 1817, § 223, S. 448−453 und 457. Bundesbeschluß.1 Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 3, S. 174−182 und 187; [Reuss (Hrsg.)], Die beiden Haupt-Grund-Verträge des deutschen Bundes, S. 65−75; CJCG, Bd. 2, S. 40−44; Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 1, S. 647−652.

Auftrag an die Kommission, ein Gutachten vorzulegen, woraus allgemeine die Kompetenz der Bundesversammlung vorbereitende Grundsätze hervorgehen, die ihr einstweilen als Provisorium bis zur definitiven Festsetzung der organischen Einrichtungen der Bundes dienen können. Die Festsetzung der Kompetenz der Bundesversammlung ist gleichbedeutend mit der Festlegung ihres Geschäftsumfangs. Als Hauptbereiche sind dabei die inneren und die äußeren Verhältnisse des Deutschen Bundes zu unterscheiden. I. Die Kompetenzbestimmung hinsichtlich der inneren Verhältnisse des Deutschen Bundes, die sich auf drei wesentliche Beziehungen erstreckt: 1. auf die inneren Verhältnisse des Bundes selbst; 2. auf die einzelnen Staaten und Regierungen sich beziehenden inneren Verhältnisse des Deutschen Bundes; 3. auf einzelne Privatpersonen, Korporationen und ganze Klassen sich beziehende innere Angelegenheiten des Bundes. II. Die Kompetenzbestimmung der Bundesversammlung im Hinblick auf die äußeren Verhältnisse des Deutschen Bundes. Zu diesen Punkten werden konkrete Vorschläge unterbreitet. Schlußantrag der Kommission: Der Auftrag der Bundesversammlung an die Kommission ist nur auf provisorische Anordnungen gerichtet und soll der Vorbereitung definitiver organischer Bestimmungen dienen. Die Deutsche Bundesakte enthält bereits die Grundzüge des für Deutschland geschlossenen gemeinsamen Bundes. Anspruch der Fürsten und Freien Städte sowie der Nation auf dessen organische Vollendung. Angesichts der aufgezeigten Mängel ist es wünschenswert, daß die Erörterung und Ergänzung der Bundesakte nicht auf unbestimmte Zeit verschoben wird. Trotz unterschiedlicher Ansichten wird der gemeinsame Wille alle so beseelen, daß man im Hinblick auf eine feste Begründung des Deutschen Bundes seiner Verantwortung gegenüber den Zeitgenossen und Nachkommen gerecht werden wird.

Frankfurt am Main, 12. Juni 1817 § 1. Der einstimmige Beschluß der Bundesversammlung in der 13. Sitzung vom 19. December vorigen Jahres, hat der Commission den Auftrag ertheilt: „ein gemeinschaftliches umfassendes Gutachten vorzulegen, woraus allgemeine, die Competenz der Bundesversammlung vorbereitende Grundsätze hervorgehen, und ihr einstweilen als Provisorium bis zur defini­ tiven Fest­ setzung der organischen Einrichtungen überhaupt, zur Verfolgung dienen könnten.“2 1 Der Bundesbeschluß ist identisch mit dem Text des Gutachtens der beauftragten Bundestagskommission. Vgl. „Einhelliges Gutachten der Commission über die provisorische Festsetzung der Competenz des Bundestags“, ProtDBV 1817, 34. Sitzung vom 12. Juni 1817, nach S. 466 (6 paginierte Seiten). 2 Vgl. ProtDBV 1816, 13. Sitzung vm 19. Dezember 1816, § 55, S. 210 und Dok. 109.

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Zu Vollziehung dieses Auftrags hat die Commission geglaubt, zuvörderst den Begriff der Competenz und die daraus sich ergebenden Schranken ihrer Arbeit näher entwickeln zu müssen. Die Festsetzung der Competenz der deutschen Bundesversammlung ist gleich bedeutend mit der Festsetzung ihres Geschäfts-Umfangs, und diese gleich bedeutend mit der Angabe ihrer Bestimmung. Der Umfang ihrer Pflichten, entnommen aus ihrer Bestimmung, bezeichnet den Begriff der Competenz, diese Entwickelung umfaßt aber, wie schon in dem ersten Präsidial-Vortrage3 bemerkt worden, eine der Hauptgrundlagen des deutschen Bundes. Hierauf bezieht sich nicht nur ein wesentlicher Theil der uns noch fehlenden Gesetze und organischen Einrichtungen, sondern, ohne diese Gesetzgebung und Einrichtungen im Ganzen zu bearbeiten, läßt sich auch die Frage der Competenz in vorerwähntem Sinne nicht vollständig berichtigen. In der 13. Sitzung sind schon im Allgemeinen die vier Gesichtspuncte angedeutet worden, in deren weiterer Entwickelung bei Bearbeitung der organischen Gesetzgebung überhaupt, alsdann auch die jetzt ausgehobene einzelne Frage der Competenz ihre definitive Bestimmung finden dürfte. Die beschränktere Aufgabe für gegenwärtige Commission scheint aber folgende zu seyn: Es soll entwickelt werden, welches der Umfang der Rechte und Pflichten der Bundesversammlung, somit der ihr obliegenden und zuständigen Geschäftswirksamkeit, nach den Bestimmungen der Bundesacte und in Ermangelung der noch zu verfassenden organischen Gesetzgebung sey. Um in dieser Hinsicht bestimmte und umfassende Anträge vorlegen zu können, scheint es nothwendig, den Geschäftsumfang der Bundesversammlung nach zwei Hauptbeziehungen zu beurtheilen, wovon die I. die inneren Verhältnisse des deutschen Bundes; die II. die äusseren Verhältnisse desselben zum Gegenstande hat. § 2. Zu Num. I. Competenz-Bestimmung der Bundesversammlung in den inneren Verhältnissen des deutschen Bundes. Der deutsche Bund als ein, mehrere souveraine Staaten mit einem gemeinsamen Nationalbande umfassender, Staatenverein, ist in seinen inneren Verhältnissen vorzüglich einer zweifachen Berücksichtigung fähig, nämlich: a) betrachtet als eine Gesammtheit, und

3 Vgl. Dok. 100.

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b) b etrachtet in Beziehung auf seine einzelne Bestandtheile und Zuge­ hörungen. Eben so äussert sich also auch zweifach die innere Wirksamkeit des Bundestags, als des Central-Punctes des deutschen Bundes. Schon der Art. 2 der Bundesacte4 begründet diese zweifache Abtheilung, da alldort eben so Deutschland im Ganzen, als die einzelnen Staaten, im Zwecke des Bundes begriffen erklärt werden. Die inneren Verhältnisse des Bundes und der Bundesversammlung beziehen sich demnach, entweder A) auf den Bund selbst; B) auf die einzelnen Staaten und Regierungen desselben, oder C) auf einzelne Deutsche, sie mögen nun Privatpersonen, oder Corporationen oder ganze Classen begreifen. A. § 3. Competenz-Bestimmung der Bundesversammlung in den inneren den Bund selbst betreffenden Verhältnissen.

Die Commission trägt in dieser Beziehung auf folgende Beschlüsse an: 1) Die Bundesversammlung erkennt die Bundesacte als die einzige Grundlage ihrer Wirksamkeit, sich aber zugleich als berufen, dieselbe in ihren einzelnen Bestimmungen und Andeutungen zu entwickeln und zu vollenden. 2) Der Bundestag ist competent Schlüsse zu fassen, wodurch selbiger die verfassungsmäsige Erhaltung des Bundesvereines im Ganzen bezweckt. 3) Wenn auf irgend eine Art die innere Sicherheit des deutschen Bundes wirklich gestört oder bedroht ist, und diese Störung oder Bedrohung durch die Bundesversammlung anerkannt wird; so tritt der Fall ein, wo der Bundestag Berathung über die Erhaltung oder Wiederherstellung der Ruhe zu pflegen, und die dahin gerichteten Beschlüsse zu fassen hat. 4) Sobald bei einer Angelegenheit nicht bloß das Wohl der einzelnen deutschen Staaten, sondern zugleich das der Gesammtheit berücksichtiget werden muß; so ist die Bundesversammlung als die einzige, die Gesammtheit vertretende Behörde berufen, darüber zu berathen. Diese Bestimmung entspricht unleugbar den in dem Artikel 16, 18 und 19 der Bundes­acte5 vorbehaltenen oder empfohlenen gemeinnützigen Anordnungen. Die vorberührten Directiv-Normen finden sämmtlich in der Bundesacte, und vorzüglich in dem Grundcharakter des deutschen Bundes ihre Begründung. 4 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508. 5 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1515−1517.

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B. § 4. Competenz-Bestimmung der Bundesversammlung in den innern auf die einzelnen deutschen Staaten und Regierungen sich beziehenden V ­ erhältnissen des Bundes.

Ueber die Geschäftswirksamkeit des Bundestags in Ansehung der einzelnen deutschen Staaten und Regierungen, schlägt die Commission der Bundesversammlung folgende Beschlüsse vor: 1) Die Bundesversammlung ist berufen, wegen jeder eigenmächtigen, wirklichen oder offenbar und unmittelbar drohenden Störung des Gebiets eines einzelnen Bundesstaats von einem andern Bundesstaate, welche bei ihr durch den bedroheten oder wirklich angegriffenen Theil zur Anzeige gebracht wird, oder sonst mit Gewißheit zu ihrer Kenntniß gelangt, Berathung zu pflegen, und hierüber Schutz gewährende Beschlüsse zu fassen. 2) So wie die einzelnen Gebiete unter der allgemeinen Garantie des Bundes stehen; so ist dieselbe auch berufen, die Garantie der Verfassungen einzelner deutschen Staaten unter den bei Veranlassung des GroßherzoglichWeimarischen Ansuchens6 in der 18. Sitzung, in Ueber­einstimmung mit dem Kaiserlich-Oesterreichischen Voto7, allgemein angenommenen Modificationen, mithin dann zu übernehmen, wenn der einzelne Staat unter den gehörigen Erfordernissen, das heißt, unter einstimmiger Entschliessung des Fürsten und der Stände darauf anträgt, daß der Bund die Garantie seiner Verfassung übernehme. 3) Die Bundesversammlung ist berufen, darauf zu achten, daß die in der Bundesacte Art. 12, 13, 14, 16 und 188 den einzelnen Staaten zur Ausführung vorgeschriebene öffentliche Verhältnisse in Erfüllung gebracht werden. 4) Dort, wo die Congreßacte ausdrücklich der Bundesversammlung die ­Berichtigung constitutioneller Angelegenheiten übertragen hat9, ist dieselbe ungezweifelt zur Einwirkung berufen. 5) Wenn die Regierung eines Bundesstaats eine Verfügung in Beziehung auf Personen oder Corporationen treffen sollte, welche mit den Grundgesetzen und den Verfügungen des Bundes im Widerspruche stünde, oder für die innere oder äussere Sicherheit desselben gefährlich werden könnte; so ist die

6 Vgl. ProtDBV 1816, 8. Sitzung vom 2. Dezember 1816, § 35, S. 150 und Dok. 146. 7 Vgl. Dok. 148. 8 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513–1517. 9 Gemäß Artikel 46 der Wiener Kongreßakte gehörten Streitigkeiten über die Aufstellung und Handhabung der Frankfurter Verfassung vor den Bundestag und konnten nur von diesem entschieden werden. Vgl. Acte du Congrès de Vienne du 9 Juin 1815, avec ses Annexes, S. 42 f.

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Bundesversammlung zur Einwirkung Behuf der Abstellung dieser Verfügung berufen. 6) Streitigkeiten der deutschen Bundesglieder unter sich, sind, auf den Grund, des 11ten Artikels der Bundesacte10, ungezweifelt der Competenz der Bundesversammlung unterworfen. 7) Der Bund ist ebenfalls competent, sich mit allen den Gegenständen zu beschäftigen, worauf sich die Art. 611, 18 und 19 der Bundesacte beziehen. C. § 5. Competenz-Bestimmung der Bundesversammlung in den innern Angelegenheiten des Bundes welche Privatpersonen, Corporationen oder ganze Classen betreffen. Die Commission glaubt, ohne sich deßfalls erst über einige allgemeine, aus dem Wesen eines Staatenvereins und dem Verhältnisse der Einzelnen zu ihren Regierungen, so wie zu der Gesammtheit entnommene Grundsätze zu verbreiten, folgende Sätze zu Fassung von Beschlüssen in Antrag bringen zu müssen: 1) In so fern die Bundes- oder Congreßacte für Einzelne, für Corporationen oder ganze Classen Bestimmungen und Hinweisungen enthält, deren nähere vollkommene Entwickelung der Bundesversammlung vorbehalten ist; so haben diese allerdings ein wohlbegründetes Recht, deren Berichtigung bei dem Bundestag in Anregung zu bringen, so wie Anträge und Vorschläge deßfalls zu übergeben. 2) Einzelne, so wie ganze Corporationen und Classen, können sich an die Bundesversammlung wenden, wenn die eben erwähnten, in der Bundesacte bestimmten Gerechtsame, oder solche, welche ihnen in derselben bereits ausdrücklich eingeräumt worden, ohne noch erst einer näheren Entwickelung zu bedürfen, verletzt werden, und auf deßfalls zuvor an die unmittelbare Regierung gerichtete Vorstellung keine Abhülfe der gegründeten Beschwerde erfolgt. 3) Da der Begriff der vollen Souverainetät der einzelnen Bundesstaaten der Bundesacte zum Grunde gelegt ist, so liegt unbezweifelt jede Einmischung der Bundesversammlung in die inneren administrativen Verhältnisse ausserhalb der Grenzen ihrer Competenz. Indeß gründen sich jedoch auf den Sinn der Bundesacte die folgenden Ausnahmen: a) Wenn der Fall einer in Rechtssachen eintretenden Justizverweigerung oder einer derselben gleich zu achtenden Verzögerung vorkommen soll10 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512. 11 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1510 f.

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te; so würde die Bundesversammlung so befugt als verpflichtet seyn, erwiesene, begründete Beschwerden über wirklich gehemmte oder verweigerte Rechtspflege anzunehmen, um darauf die gerichtliche Hülfe in den einzelnen Bundesstaaten durch ihre Verwendung zu bewirken.   Bedarf dieser Grundsatz einer Motivirung, so liegt selbige schon in dem Art. 12, welcher die Justizpflege nach drei Instanzen als einen im deutschen Bunde festgesetzten Grundsatz ausspricht. Denn wenn jede deutsche Regierung verbunden ist, drei Instanzen anzuordnen, und in dieser Art Justizpflege zu gewähren, so muß die sonst begründete Beschwerde-Führung um so mehr bei wirklicher Justizverweigerung eintreten können. b) Wenn, wie bei Streitigkeiten zwischen den Regenten und seinen Unterthanen, nach der schon in der fünften vorjährigen Sitzung von Baiern gemachten sehr richtigen Bemerkung gar wohl gedenkbar ist, die innere Ruhe des Landes gefährdet und mit dieser auch die allgemeine Ruhe bedrohet werden sollte12; so muß auch nach Erschöpfung der constitutionellen oder gesetzlichen Mittel und Wege in den betreffenden einzelnen Staaten der gesammte Bund sich berufen finden, zum Zwecke der Vermeidung eines solchen Ausbruchs, oder zu Wiederherstellung der bereits gefährdeten Ruhe, in gemessenen Wegen einzuwirken. In solchen Fällen ist also ebenfalls der einzelne Bundesstaat allerdings befugt, die Hülfe des Bundes in Anspruch 13zu nehmen13, und der Bund berufen, selbige zu leisten. c) Wenn der Unterthan eines deutschen Bundesstaats gegen eine nicht zu dem Bunde gehörende Regierung Beschwerde zu führen hat; so hat er sich zwar mit derselben nicht unmittelbar an die Bundesversammlung sondern an seinen Landesherrn zu wenden, und dessen Verwendung nachzusuchen.   Wenn jedoch dieser letztere die Bundesversammlung selbst um ihre Verwendung bei der auswärtigen Regierung ersucht; so ist dieselbe, falls sie die Beschwerde für gegründet erkennt, zu einer solchen Verwendung berechtiget. d) Als eine natürliche Folge von der hiebei eintretenden Reciprocität ist, im Fall eine nicht zu dem Bunde gehörende Macht die Verwendung des Bundestags in einer Angelegenheit, welche einen Bundesstaat betrifft, nachsucht, die Bundesversammlung zwar in allgemeinem zu einer solchen Verwendung berechtiget, jedoch in dem Maaße daß 12 Vgl. ProtDBV 1816, 5. Sitzung vom 21. November 1816, § 16, S. 66 und Dok. 101. 13–13 Emendiert. Vorlage: zunehmen.

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1) wenn ihre Verwendung wegen einer Beschwerde einer auswärtigen Macht gegen einen Unterthanen eines Bundesstaats nachgesucht wird, sie selbige der Regel nach ab- und die Sache lediglich an den Landesherrn dieses Unterthanen zu verweisen hat, und nur, falls von diesem die Abhülfe nicht erfolget, in dazu geeigneten Fällen die in dem 2. Artikel der Bundesacte14 vorgezeichnete Art ihres Benehmens zu beobachten hat. 2) Wenn ihre Verwendung wegen einer Beschwerde, welche eine auswär­ tige Macht unmittelbar gegen den Bundesstaat selbst erhebt, oder in der ­Absicht nachgesucht wird, um diesen Staat zu Entsagung auf einen wider sie erhobenen Anspruch zu bewegen; so ist die Bundesversammlung zwar b­ efugt, ihre bona officia15, und wenn von beiden Theilen ihre Vermittelung angenommen wird, auch diese eintreten zu lassen. Weiter gehende Befugnisse hat sie jedoch in Ansehung dieses Bundesstaats nur dann, wenn sie durch die in dem 2ten Artikel der Bundesacte vorgezeichnete Grundregel ihres Benehmens dazu berechtiget und veranlaßt wird. § 6. Zu Num. II. Competenz-Bestimmung der Bundesversammlung in den äusseren ­Verhältnissen des deutschen Bundes. Deutschland erscheint seit dem geschlossenen Bunde wieder in seiner Gesammtheit als Macht, nach allen Attributen, Rechten und Verbindlichkeiten, welche die Bundesacte, der Buchstaben, Geist und Sinn derselben dem Bunde beilegen, somit in allen Beziehungen und Fällen, die sich hiernach ergeben. Die nähere Anwendung dieses Grundsatzes bleibt zwar der Bearbeitung der im Artikel 1016 bemerkten organischen Grundgesetze und Einrichtungen, in so fern die auswärtigen Verhältnisse in denselben mitgehören, vorbehalten. Wie indeß schon im allgemeinen sich aus dem obigen Grundsatze ergiebt, daß der deutsche Bund in seinen äusseren verfassungsmäsigen Verhältnissen dieselben activen und passiven Beziehungen, wie jede andere freie und un­ abhängige Macht hat; so ergiebt sich auch von selbst die Competenz der ­Geschäftswirksamkeit der Bundesversammlung, als des im Artikel 417 zu Besorgung der Bundes-Angelegenheit berufenen activen Centralpuncte ­ ­derselben, weßfalls die Commission auf den bereits in Berathung gestellten 14 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508. 15 Lat.: gute Dienste. 16 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512. 17 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1509.

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Entwurf zu Regulirung der auswärtigen Verhältnisse18 sich beziehen zu ­können glaubt. §. 7. Allgemeine Bemerkungen. Da die isolirte Bearbeitung der Competenz-Erörterung nothwendig mangelhaft bleiben muß, so wäre ausdrücklich den oben begutachteten Directiv-Normen beizufügen, daß, wenn in einem oder dem andern Falle die Competenz der Bundesversammlung noch zweifelhaft seyn sollte, der seither beobachtete natürliche Ausweg vorbehalten bleibe, die Angelegenheit zur InstructionsEinholung zu verweisen. Schluß-Antrag. Der von der hohen Bundesversammlung der Commission ertheilte Auftrag ist nach seiner Form und Wesenheit vorzüglich nur auf provisorische Anordnungen, rücksichtlich der Competenz des Bundestags, gerichtet, und soll die definitive organische Bestimmungen vorbereiten. Daß die Bundesacte die Grundzüge und Andeutungen des für Deutschland geschlossenen Bundes enthält, darüber sind alle einig; aber eben so erkennen auch wohl alle insgesammt, daß Fürsten und freie Städte, so wie die Nation überhaupt, gleichen Anspruch auf die organische Vollendung dieses Bundes haben. Da nun der Auftrag der Commission ihr bei der Berathung am sichtbarsten den Mangel zeigte, und in mehreren Verzweigungen fühlbar vorlegte, welcher von einer solchen isolirten Bearbeitung untrennbar ist; so hat die Commission die natürlichste Veranlassung, der gesammten Bundesversammlung den Wunsch und das Bedürfniß angelegentlich vorzutragen: daß die planmäsige Erörterung und Ergänzung der Bundesacte nicht aufs unbestimmte verschoben werden möge. Sollten bei der dadurch veranlaßten Bearbeitung unsere Ansichten auch in zufälligen Bestimmungen verschieden seyn, und gegenseitige freimüthige freundschaftliche Ausgleichungen eintreten; so wird doch im wesentlichen, wo es einer festen Begründung des deutschen Bundes, seine Sicherung von innen und von aussen gilt, nur ein Wille, alle so beseelen, wie wir unsern Zeitgenossen und der späteren Nachkommenschaft für ihr Wohl und Weh verantwortlich bleiben. [….] Präsidium: Die Mehrheit der Stimmen habe für die provisorische Annahme der in dem Commissions-Gutachten enthaltenen Competenz-Bestimmungen entschieden; es ergebe sich also der 18 Vgl. ProtDBV 1817, 27. Sitzung vom 8. Mai 1817, § 157, S. 300−306.

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Luxemburgische Abstimmung über die provisorische Kompetenz

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Beschluß: Daß das von der Commission vorgelegte Gutachten über die Competenz der Bundesversammlung einstweilen als Provisorium, bis zur definitiven Festsetzung derselben, auch unter Vorbehalt der nach eingegangenen Instructionen, oder etwa sonst zu beschließenden Abänderungen oder Zusätze, als verbindlich angenommen werde.

122. Niederländisch-luxemburgische Abstimmung über die provisorische Kompetenz der Bundesversammlung

ProtDBV 1817, 34. Sitzung vom 12. Juni 1817, § 223, S. 454–456. Abstimmung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 3, 1817, S. 184−186.

Zustimmung zu den Anträgen der Bundestagskommission über die provisorische Kompetenz der Deutschen Bundesversammlung. Die Einzelstaaten bleiben zwar im Besitz ihrer Souveränitätsrechte, im Interesse einer Befestigung des Deutschen Bundes müßten diese jedoch zu gewissen Opfern bereit sein. Optimismus Gagerns, daß die Bundesfürsten dem nicht entgegenstehen werden.

Frankfurt am Main, 12. Juni 1817 Da ich1 nicht die Ehre gehabt habe, Mitglied der beiden Commissionen2 zu seyn, so gebührt mir um so unbefangener die angenehme Verpflichtung, Billigung und Dank auszusprechen. Sie haben sehr recht, zu sagen, daß die Competenz nichts anders sey, als unser Beruf. Die Bundesacte selbst3, mit denen sie erläuternden Voracten, die Oesterreichischen Eröffnungsreden4, die Entwickelung der Reihefolge5, und dieses einhellige Gutachten6, das so wenig Widerspruch finden wird, enthalten

1 Hans Christoph Freiherr von Gagern. 2 Der Kommission über die Reihenfolge der Geschäfte der Bundesversammlung (vgl. ProtDBV 1816, 4. Sitzung vom 18. November 1816, § 10, S. 59 f.) und der Kommission über die provisorische Festsetzung der Kompetenz des Bundestags (vgl. ProtDBV 1816, 13. Sitzung vom 19. Dezember 1816, § 55, S. 208–210). 3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250. 4 Vgl. Dok. 42 und 100. 5 Vgl. Dok. 114. 6 Vgl. Dok. 121.

Nr. 122

Frankfurt am Main, 12. Juni 1817

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bereits ein vollständiges System, ein corpus doctrinae7, nach den Bedürfnissen der Zeit. Die wesentlichsten Dinge, die Form und dem Zweck nach, sind dann ohne besondres Geräusch bereits vollbracht, und von diesem Provisorischen zum Organism, zur definitiven Urkunde, scheint mir der Schritt nicht schwer. Die auswärtigen Angelegenheiten sind im Begriff anständig festgestellt zu werden. Das kriegerische Zeitalter, die Bewaffnung, die ich noch überall sehe, hindert mich zu klagen, daß dieser Gegenstand noch wartet. Ueber die innere Sicherheit drücken Sie sich nachdrücklich aus! Und die haben Unrecht, denen voluminöse Urkunden lieber sind, als bündige Zeilen. Was die constitutionellen Angelegenheiten betrifft, so war ich als Politiker beruhigt, da ich den 4ten und 5ten Paragraphen Ihres Gutachtens8 verglich und vereinigte. Am meisten haben Sie aber dem strengen Bedürfniß durch die Entwickelung eben dieses 5ten Paragraphen entsprochen; und ich sage Ihnen nicht nur als bevollmächtigter Minister, sondern auch als Bürger und Edelmann dieses grossen Gesammtstaats, und als Familienvater meinen grossen und wahrhaften Dank. Vorerst wählten Sie mit besonderer Klugheit sehr zweckmäsige Worte, indem Sie der möglichen Fälle der Souverainetät der einzelnen Bundesstaaten dort erwähnen. Diese Souverainetät soll also in ihrem ganzen, dergestalt möglichen Umfang bleiben. Aber so wie ich mir unsre Staaten nicht ohne die Fürsten denke, so noch weniger die Fürsten ohne die Staaten. Auch dieser Begriff der Souverainetät umfaßt sie beide, und ist nur auf diesen Zusammenhang anwendbar. Zu sagen oder zu glauben, daß Napoleon den Fürsten die Souverainetät persönlich verliehen, mit andern Worten: sie zu Despoten gestempelt habe, was hiernach andere Urkunden befestigt haben sollten, fiel unsern Fürsten nicht ein zu behaupten und zu äussern, sie würden selbst erröthen; sondern es wurde nur ein irrthümlicher Volksglaube und eine gefährliche Waffe der Störer. Dem begegnen Sie hier auf weise und heilsame Art. Zugleich erinnern Sie damit die Völkerschaften, daß ein System der Iso­ lirung, des Eigenwillens, unpassend mit dem übrigen Zusammenhang der Dinge, in diesem Bundesverhältniß nicht platzgreiflich sey. Denn, was nun noch die ganze Bundesmaterie betrifft und eben den Zusammenhang der Dinge; als nach dem endlichen Frieden die Nordamerikaner sich besser organisiren wollten, ernannten sie ebenwohl einen Ausschuß der 7 Lat.: Sammlung von Lehrgrundsätzen. 8 Vgl. Dok. 121, S. 567−570.

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Luxemburgische Abstimmung über die provisorische Kompetenz

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Competenz9; und Washington10, unser grosser Zeitgenosse, war für Virginien Mitglied. Als sie ihr einhelliges Gutachten dann übergaben, schrieb er noch selbst 17. Sept. 1787: „Es ist augenscheinlich unthunlich bei der föderativen Verfassung dieser Staaten, jedem alle Rechte independenter Souverainetät zuzugestehen, und dennoch für das Interesse und Heil aller zugleich Sorge zu tragen. Auch In­dividuen, die sich in Gesellschaft begeben, müssen einen Theil der Freiheit aufgeben, um das Uebrige zu bewahren. Die Größe des ­Opfers muß von der Lage und den Umständen und von dem Zweck abhängig seyn, den man er­reichen will. Es ist zu jeder Zeit schwer, mit Genauigkeit die Linie zwischen den aufzugebenden und den zu bewahrenden Gerechtsamen zu ziehen. Und bei diesem Anlaß war die Schwierigkeit noch vermehrt durch einen so grossen Unterschied unter den Staaten selbst, in Rücksicht ihrer Lage, Ausdehnung, Gewohnheiten und Partikular-Interessen“.   „In allen unsern Deliberationen faßten wir den Gesichtspunct fest, was uns für jeden ächten Amerikaner das strengste Erforderniß scheint, die Befestigung der Union, wodurch unsre Wohlfahrt, Glück, Schirm und vielleicht National-Existenz bedingt werden. Diese so wichtige Betrachtung bewog jeden einzelnen Staat minder hartnäckig bei Dingen von geringerer Erheblichkeit zu seyn, als man wohl sonst hätte erwarten sollen.“11 Ich fordre jeden unter Ihnen auf, auch nur eine Zeile des Weisen zu finden, die jetzt auf uns nicht passend wäre, bei jedem andern grossen und nothwendigen Unterschied der Staatenform. Ich bin aus Pflicht und Ueberzeugung monarchisch gesinnt; um so monarchischer und fürstlicher in Deutschland, weil unsere Staaten ihren Bestand   9 Gemeint ist der Verfassungskonvent, bestehend aus Vertretern von zwölf Staaten der Konföderation (Rhode Island hatte keine Delegierten entsandt), der am 25. Mai 1787 in Philadelphia seine Arbeit aufnahm und unter dem Vorsitz George Washingtons die Verfassung der Vereinigten Staaten vom 17. September 1787 ausarbeitete. Vgl. Heideking, Die Verfassung vor dem Richterstuhl, S. 105−160. 10 George Washington (1732–1799), amerikanischer Politiker und General, einer der Gründerväter der USA, gehörte 1759–1774 der Bürgerversammlung von Virginia an und wurde zu einem Führer der Unabhängigkeitsbewegung, 1775−1783 Oberbefehlshaber der Kontinental­ armee der dreizehn Kolonien, die im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gegen Groß­ britannien kämpften, 1787 Vorsitzender des Verfassungskonvents von Philadelphia, 1789– 1797 erster Präsident der USA. Vgl. ANB, Vol. 22, S. 758−766; Meyers Taschenlexikon Geschichte, Bd. 6, S. 220 f. 11 Schreiben George Washingtons an den Präsidenten des Kongresses, 17. September 1787, in: The Records of the Federal Convention of 1787, Vol. 4, S. 666 f.

Nr. 123.

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größtentheils den Berechtigungen, den Belehnungen, dem Degen, den Vermählungen, den Beerbungen, dann auch der Klugheit ihrer Fürsten zu danken haben. Nichts desto weniger ist es von der höchsten Wichtigkeit, daß unsere Fürsten in Consequenz jenen Republikanern nicht nachstehen; und es hängt nur von ihnen ab, sie zu übertreffen. Ich bin also auch mit dem Antrag der einstweiligen Gültigkeit12 vollkommen einverstanden.

123. Badische Abstimmung über die provisorische Kompetenz der Bundesversammlung

ProtDBV 1817, 35. Sitzung vom 16. Juni 1817, § 232, S. 471–472. Abstimmung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 3, 1817, S. 212−214.

Zustimmung zu den Grundsätzen und Anträgen des Kommissionsgutachtens über die provisorische Kompetenz der Bundesversammlung. Aus dem Inbegriff der Zwecke und Mittel des Deutschen Bundes bildet sich die Sphäre der Kompetenz. Der Deutsche Bund ist nicht nur ein diplomatisches, sondern auch ein publizistisches Gebäude, welches die Staaten und die Nation im Ganzen umfaßt, ohne der Autonomie der inneren Verwaltung der Einzelstaaten in den Weg zu treten. Die Kompetenzbestimmung umfaßt nur politische, rechtliche oder konstitutionelle – erhaltende oder ergänzende Aufgaben, während sie sich in allem, was nicht Gesamtrechte anbelangt, auf Formen der Vermittlung beschränkt.

Frankfurt am Main, 16. Juni 1817 Es gereicht mir1 zur besonderen Befriedigung mich durch erhaltene höchste Instruction schon heute in den Stand gesetzt zu sehen, die Genehmigung meines höchsten Hofes, meiner in der letzten Sitzung sub spe rati2 gegebenen Abstimmung über die provisorische Competenz-Bestimmung der Bundesversammlung, anzeigen – und zugleich die bestimmte Ansicht Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Baden über diesen umfassenden Gegenstand der hohen Versammlung unverweilt vortragen zu können. Indem man von Seiten Badens den in dem Commissions-Gutachten3 aufgestellten Grundsätzen und Anträgen im Allgemeinen beifällig sich anschließt, findet man hierbei insbesondere Nachfolgendes gelegenheitlich zu äussern sich veranlaßt. 12 Vgl. Dok. 121.

1 Freiherr von Berstett. 2 Lat.: in der Hoffnung auf Genehmigung. 3 Vgl. Dok. 121.

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Badische Abstimmung über die provisorische Kompetenz 

Nr. 123.

Wenn irgend die Lösung einer Aufgabe mit Schwierigkeiten verbunden ist; so ist es sicher die, über die Competenz des Bundestags auszusprechen. Und doch ist ein entschiedenes Aussprechen über diesen hochwichtigen ­Gegenstand eben so dringend nothwendig, als überhaupt unerläßliche Bedingung aller Wirksamkeit des Bundestags selbst. Alles Unentschiedene, im Allgemeinen, wie im Einzelnen, unterliegt dem Angriffe des Entschiedenen, und Wollen und Nichtwollen können nicht beisammen leben. Der deutsche Bund besteht, – er besteht durch den Willen aller Glieder; also muß auch angenommen werden, daß er fortbestehen soll, daß er leben, folglich auch wirken müsse. Seine Zwecke sind ausgesprochen, folglich auch die Nothwendigkeit der Mittel. Zwischen diesen beiden Polen dreht sich die Competenz. Nach welchen Gesetzen sie sich drehen soll, das bestimmt die Bundesacte, und deren Ergänzung durch organische Einrichtungen. – Beide schuf und schafft die freie Vereinigung der souverainen Bundesglieder zu einem Schlusse. Es ergeben sich hiernach nur drei Quellen des Bundes-Staatsrechts: a)  die Bundesacte4; b)  deren authentische Erklärung; c) deren Ergänzung durch neue Grundgesetze und organische Einrichtungen. Aus dieser letzten Quelle soll denn auch die Bundesrechts-Befugniß (oder Competenz) entspringen. Wenn nun im Eingange des verehrlichen Commissions-Gutachtens gesagt ist, daß Competenz-Geschäfts-Umfang und Bestimmungs-Angabe gleichbedeutend seyen; so könnte dieser Satz wohl auch also gefaßt werden, daß diese drei als einander bedingend anzusehen seyen; so wie, daß von einer Competenz der Pflichten, nur in dem Sinne die Rede seyn könne, als diese mit den Rechten identisch für die Bundesversammlung werden; denn die Competenz (der Umfang der Rechtsbefugniß) steht im reinen Gegensatze mit den Pflichten, welche dem Rechte correspondiren. Aus dem Inbegriffe der Zwecke und Mittel bildet sich demnach die Sphäre der Competenz. – Die Gesetze ihrer Wirksamkeit werden durch die Bundesacte, und deren organische Ergänzung, welche beide – vereint mit der authentischen Erklärung, für immer die Quellen alles Bundes-Staatsrechts bilden müssen, bestimmt. Weil es nun ein Bundes-Staatsrecht nothwendig geben muß, so erhellet schon aus dieser, den bereits gegebenen festen Puncten entspringenden Nothwendigkeit, daß der deutsche Bund nicht bloß ein diplomatisches, son4 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250.

Nr. 124

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dern ein publicistisches Gebäude sey5, welches die Staaten und die Nation im Ganzen umfaßt, ohne der Autonomie der innern Verwaltung der ersten in den Weg zu treten. Nur darum, und nur in so weit kann auch von dem Bedürfniß einer Competenz-Bestimmung die Rede seyn, welche nur politische, rechtliche, oder constitutionelle – erhaltende, oder ergänzende Aufgaben umfaßt, und in allem, was nicht Gesammtrechte angeht, eigentlich die Formen der Vermittelung sich aneignen mußte. Weil man nun von Seiten Badens diese Grundzüge ­allerwärts in dem Commissions-Gutachten festgehalten findet, tritt man dem Inhalte desselben bei, und stimmt auf dessen Anerkennung.

124. Hessen-darmstädtische Abstimmung über die provisorische Kompetenz der Bundesversammlung

ProtDBV 1817, 36. Sitzung vom 19. Juni 1817, § 242, S. 492–493. Abstimmung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 3, 1817, S. 244−245.

Annahme der Kommissionsanträge zur provisorischen Festsetzung der Kompetenz des Bundestags durch Hessen-Darmstadt. Die in § 5, Z. 3 a niedergelegte Bestimmung über die mögliche Annahme von Beschwerden durch die Bundesversammlung wegen in Rechtssachen eingetretener Justizverweigerung oder Verzögerung wird ­jedoch dahin gehend interpretiert, daß darunter nur verstanden werden könne, was nach den bestehenden Gesetzen desjenigen deutschen Staats, in welchem eine Justizverweigerung oder Verzögerung angeblich geschieht, als Justizverweigerung oder Verzögerung wirklich erscheint.

Frankfurt am Main, 19. Juni 1817 Die Großherzogliche Gesandtschaft hat in der 34. Sitzung ihre Erklärung über die Annahme der provisorischen Festsetzung der Competenz des Bundestags vorbehalten.1 Sie findet sich nunmehr angewiesen, den diesseitigen Beitritt zur gedachten Annahme zu erklären, unter Anerkennung der, bei diesem unstreitig zu manchen näheren Bestimmungen geeigneten Gegenstande, sehr verdienstlichen Vorarbeit der Commission. Man will hier nur einen, viel5 Gemeint sind damit − abgeleitet von ius publicum − die staatsrechtlichen Elemente der Bundesverfassung. Die hier gebrauchte Formulierung findet sich einige Jahre später fast wortwörtlich bei Schmalz, Das teutsche Staats-Recht, S. 384 (§ 622): „Man kann allerdings in einem gewissen Sinne sagen, daß der Bund nicht bloß ein diplomatisches, sondern auch ein publicistisches Gebäude sey.“ Zum Begriff des „publicistischen Gebäudes“ bei Schmalz vgl. Kraus, Theodor Anton Heinrich Schmalz (1760–1831), S. 488 Anm. 53.

1 Vgl. ProtDBV 1817, 34. Sitzung vom 12. Juni 1817, § 222, S. 454.

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Hessen-darmstädtische Abstimmung über die provisorische Kompetenz 

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leicht um deßwillen vorzüglich erläuterungsbedürftigen Punct bezeichnen, da solcher immerhin nicht wohl zu vermeidenden Mißbräuchen ausgesetzt scheint. Es ist dieß die § 5, Z. 3 a aufgestellte Annahme von Beschwerden, wegen der in Rechtssachen eintretenden Justizverweigerung oder Verzögerung.2 Unter dieser letzteren mag, da schon die Festsetzung des Begriffs von Rechtssachen ihre Schwierigkeiten hat, wohl nur das verstanden werden können, was nach den bestehenden Gesetzen des deutschen Staates, in welchem eine Justizverweigerung oder Verzögerung angeblich geschiehet, als solche wirklich erscheint. Es kann daher eine Beschwerde dieser Art in folgenden beiden Fällen nicht als gegründet angesehen werden. 1) Wenn der Gegenstand, von welchem die Rede ist, nach den Landes­ gesetzen nicht zu eigentlichen, in gewöhnlichem gerichtlichen Wege zu erledigenden Rechtssachen gehört, sondern von der einschlagenden RegierungsBehörde zu entscheiden ist; sey es, daß hierüber kein Zweifel obwalte, oder daß der Zweifel und die etwa vorhanden gewesene Verschiedenheit der Ansichten zwischen den betreffenden Justiz- und Regierungs-Behörden auf die, in dem einzelnen deutschen Staate verfassungsmäsige Weise gehoben und gegen die Beschaffenheit einer Rechtssache entschieden worden ist. 2) Wenn der Gegenstand, von welchem die Rede ist, nach den Landes­ gesetzen allerdings eine eigentliche, in gewöhnlichem gerichtlichen Wege zu erledigende Rechtssache bildet, aber darum zur gerichtlichen Verhandlung nicht, oder nicht mehr zugelassen werden kann, weil derjenige, welcher sich beschwert hält, die Bedingungen, welche als wesentlich zur gerichtlichen Verhandlung vorgeschrieben sind, nicht erfüllt hat; sey es auch, daß der sie nicht erfüllen konnte, z. B. wenn er die zur Anzeige der Berufung an die höhere Instanz bestimmte Nothfrist nicht beobachtet hat; oder wenn der Gegenstand des Prozesses nicht die, zur Zulässigkeit einer Berufung an die höhere Instanz festgesetzte Summe beträgt. Man zweifelt keineswegs, daß die erwähnte Stelle des Commissions-Vortrags, nur in diesem Sinne habe verstanden werden können. Man hält es aber für zweckmäsig, daß dieß bestimmt und deutlich ausgedrückt werde, um zu vermeiden, daß nicht Beschwerden an die Bundesversammlung gebracht werden, die in Gemäßheit der eben angeführten Grundsätze offenbar abgewiesen werden müßten.

2 Vgl. Dok. 121, S. 568 f.

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HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 225, Nr. 41 und 42. a) Weisung. Paraphiertes Reinkonzept.1 b) Abstimmungsentwurf. Reinschrift.

[a) Weisung] Die Art und Weise, wie über die provisorische Kompetenz des Bundestags verhandelt und sofort ein Beschluß über die Annahme des Kommissionsgutachtens gefaßt worden ist, ist ein Verstoß gegen Bestimmungen der vorläufigen Geschäftsordnung; wirft die Frage auf, ob eine Entscheidung über einen Gegenstand von solcher Tragweite nicht dem Plenum vorbehalten bleiben müsse; der dem Beschluß beigefügte Vorbehalt nachträglicher Änderungen nach der Einholung noch ausstehender Instruktionen ist bedenklich, und daß ein bloßes Gutachten als Norm gelten solle, völlig unangemessen. Erwartung des Königs, daß nach Abgabe aller Abstimmungen ein förmlicher Beschluß in dieser Sache gefaßt werde. Übersendung eines Entwurfs einer württembergischen Abstimmung über die provisorische Festsetzung der Kompetenz des Bundestags.

[Stuttgart], 26. Oktober 1817 Wilhelm von Gottes Gnaden König von Würtemberg. Lieber Getreuer. Wir haben eure über die Verhandlungen der Bundes-Versammlung wegen provisorischer Festsetzung der Competenz erstattete au. Berichte seiner Zeit erhalten und eingesehen, auch Uns darüber von Unserem Königlichen Geh. Rath das Weitere au. vortragen lassen und geben euch nun folgendes zu erkennen: Was I. die Behandlungs Art dieses so wichtigen Gegenstands betrift, so konnte es Uns nicht anders als höchst auffallend seyn, daß darin ganz von dem hergebrachten und auch in den frühern Verhandlungen dieser Sache insbesondere zu erwarten gegebenen Geschäftsgang abgewichen wurde. Nach diesem konnte einer Beschlußnahme nicht eher entgegengesehen werden, als bis auf die erfolgte Mittheilung des Commissions Gut-Achtens2 die Instruktionen darüber eingeholt waren. 1 Die Vorlage trägt zwar oben links den handschriftlichen Vermerk: „Rescr. an H. v. Wangenheim“. Die Weisung ist jedoch noch eindeutig an Mandelsloh gerichtet. Dieser amtierte in der 47. Sitzung der Bundesversammlung vom 10. November 1817 letztmalig als württembergischer Bundestagsgesandter, während sein Nachfolger Wangenheim, dessen Vollmacht vom 10. November 1817 datiert, erst am 17. November 1817 in die Bundesversammlung eintrat. Vgl. ProtDBV 1817, S. 747 und 758 f. 2 Vgl. Dok. 121.

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Aber nicht nur dieses liessen sowohl 1. die allgemeinen Vorschriften der von der Bundes Versammlung angenommenen vorläufigen Geschäfts-Ordnung nr. II. am Schluß, und nr. III. § 5 & § 7 lit. a.3 als 2. die Anträge und Beschlüsse der 13[te]n Sitzung vor. J.4 (in welchen nur von einem die weitere Berathung der Sache vorbereitenden CommissionsGutachten die Rede war) erwarten; sondern es hatte 3. überdiß sowohl in Gemäsheit der Bundes Akte § 65 als nach den in die vorläufige Geschäfts Ordnung nr. 1. § [„]wo es indeß auf Annahme etc.“ aufgenommenen ausdrüklichen Bestimmungen eine besondere Vereinigung verdient, ob nicht ein Gegenstand von solcher Wichtigkeit einer Berathung in der Plenar-Versammlung vorbehalten bleiben müsse?6 Wenn daher statt dessen in der 34[te]n Sitzung d. J. das kaum mitgetheilte Commissions Gutachten sogleich ins Protokoll gelegt, darüber zur Abstimmung aufgefordert, und ohne Rüksicht auf mehrere den Abgang ihrer Instructionen anführende Gesandschaften von der Mehrheit beliebt wurde, sofort einen Beschluß über die Annahme zu fassen7; so liegt hierin schon soviel Auffallendes und für die Zukunft präjudizirliches, daß der dem Beschluß beigefügte Vorbehalt nachträglicher Abänderungen nach den noch einzuholenden Instructionen nicht sowohl eine Verbesserung, als vielmehr nur 4. eine neue Unförmlichkeit seyn mußte, durch welche gleichsam ausgesprochen wurde, daß der von den Bundestags Gesandschaften gefaßte und ins Protokoll als solcher aufgenommene Beschluß noch kein gültiger Beschluß der Bundes-Versammlung sey. Ebensowenig konnte es auch 5. angemessen gefunden werden, daß ein blosses Gutachten als Norm gelten solle, ehe ein förmlicher den Innhalt desselben als provisorische Bestimmung der Bundes Versammlung ausdrükender Beschluß zu Protokoll gekommen ist. Wir glauben hienach mit allem Recht erwarten zu können, daß wenigstens die von einzelnen Bundestags Gesandten ihren Instructionen gemäß nachzutragende Erinnerungen ebenfalls noch in Erwägung gezogen, und sofort ein förmlicher Beschluß selbst dann noch gefaßt werde, wenn auch durch Stimmenmehrheit keine Aenderung vorgenommen werden sollte, indem dieses die angemessenste Verwahrung gegen das Unförmliche des früheren Verfahrens seyn würde; in welcher Hinsicht ihr auch mit den Gesandschaften anderer, 3 Vgl. Dok. 65, S. 252 f. 4 Vgl. ProtDBV 1816, 13. Sitzung vom 19. Dezember 1816, § 55, S. 208−210 und Dok. 109. 5 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1510. 6 Vgl. Dok. 65, S. 250. 7 Vgl. ProtDBV 1817, 34. Sitzung vom 12. Juni 1817, § 223, S. 448−457.

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besonders derjenigen Höfe, welche entweder, wie Churhessen, noch gar keine Aeusseung gegeben8, oder wie die meisten übrigen Gesandschaften die vorbehaltene Genehmigung ihrer Höfe bisher nicht erklärt haben, oder deren gemachte Bemerkungen, wie der Königl. Baierischen Gesandschaft, wenigstens zu keiner weitern Erörterung kamen, vertrauliche Rüksprache zu nehmen, und sie zu Unterstützung dessen, was deshalb in dem Schlusse der diesseitigen Abstimmung beygefügt wurde, zu veranlassen habt. Sodann lassen Wir euch II. was den Innhalt des Commissions-Gutachtens selbst anlangt, den Entwurf einer Abstimmung darüber, auch erläuternde Bemerkungen über die derselben zu Grunde liegende Gesichtspunkte9, leztere zu eurer Kenntniß, zugehen, um davon den erforderlichen Gebrach zu machen. Einverstanden W[ilhelm]

[b) Anlage: Entwurf einer württembergischen Abstimmung über das Kommissionsgutachten betreffend die provisorische Kompetenz des Bundestags] Notwendige Erläuterung, was im Kommissionsgutachten unter „Zugehörungen“ und „Bestandteilen“ des Deutschen Bundes verstanden wird. Die Deutsche Bundesakte ist die einzige Grundlage der Wirksamkeit des Bundestags, der jedoch dazu berufen ist, die in der Bundesakte enthaltenen Bestimmungen und Andeutungen weiterzuentwickeln; außerdem hat er für die verfassungsmäßige Erhaltung des Bundesvereins im ganzen zu sorgen. Württembergische Bedingungen für Interventionen des Bundes in innere Angelegenheiten der Bundesstaaten. Wenn sämtliche Bundesfürsten sich darüber vereinigen, die gemäß Artikel 13 der Bundesakte einzuführenden Verfassungen ­ arantie des Bundes zu stellen und den Landständen das Recht einzuräuunter die G men, bei Verfasssungsverletzungen den Rekurs an die Bundesversammlung zu nehmen, wird man dem württembergischerseits vorläufig zustimmen. Im Hinblick auf die Erfüllung der Artikel 12, 13, 14, 16 und 18 der Bundesakte ist jedoch jegliche Einmischung der Bundesversammlung in die inneren Verhältnisse der Bundesstaaten unzulässig; Privatpersonen und Korporationen sind nicht befugt, gegen Verfügungen der Staatsbehörden an den Bundestag zu appellieren. In Fällen verweigerter oder verzögerter Justiz ist die Bundesversammlung berechtigt und verpflichtet, begründete Beschwerden anzunehmen und auf Abhilfe in den Bundesstaaten hinzuwirken. In Abstimmungsfragen soll es bei den Bestimmungen des Artikels 7 der Bundesakte bleiben. 8 Die grundsätzliche Zustimmung Kurhessens zu den Vorschlägen des Kommissionsgutachtens unter Anregung einiger Modifikationen im Detail erfolgte in ProtDBV 1817, 42. Sitzung vom 10. Juli 1817, § 332, S. 630 f. 9 Vgl. „Erläuternde Bemerkungen über den Abstimmungs Entwurf wegen provisorischer Vestsetzung der Competenz der Bundes Versammlung“, HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 225, Nr. 43.

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Wichtigkeit einer nochmaligen vertraulichen Besprechung, um mit allgemeiner Übereinstimmung die Grundsätze über die provisorische Festsetzung der Kompetenz der Bundesversammlung mit wenigen näheren Bestimmungen des Kommis­sionsgutachtens zu Protokoll zu geben.

Entwurf einer Abstimmung der König. Bundestagsgesandtschaft, das Commissarische Gutachten über die provisorische Festsetzung der Competenz des Bundestags betreffend. Württemberg. Man hat sich in der 34. Sitzung d. J. über das damals zu Protokoll gekommene Gutachten der Commission wegen provisorischer Festsetzung der Competenz des Bundestags die Erklärung darüber, gleich den mehresten Bundestags Gesandschaften, bis nach eingeholter Instruction vorbehalten müssen, dieser gemäß aber nun auch die disseitige Beistimmung zu einer provisorischen Festsetzung der Competenz nach den angetragenen Bestimmungen unter folgender Bemerkungen zu äußern. Zu § 2 nr. 1. Es wird hier der teutsche Bund betrachtet a) als eine Gesammtheit b) in Beziehung auf seine einzelnen Bestandtheile und Zugehörungen. Dieses leztere Wort scheint zwar in dieser Stelle keine von dem Worte „Bestandtheile[“] verschiedene Bedeutung zu haben, da es wenigstens dermalen beim teutschen Bunde keine Zugehörungen, die nicht Bestandtheile wären, gibt. Indessen glaubt man hier diese Bemerkungen aufheben zu müssen damit jeder Misverstand beseitigt werde, der dadurch veranlaßt werden könnte: Wenn jenem Worte „Zugehörungen“ eine besondere von dem Ausdrucke „Bestandtheile[“] verschiedene Deutung gegeben wurde, als ob z. B. die den einzelnen deutschen Bundes Staaten, einverleibten Besitzungen der vormals reichsunmittelbaren Fürsten und Grafen darunter gemeint und diese nicht, wie andere teutsche Länder, wahre Bestandtheile der Bundes Staaten, sondern blose Zugehörungen der einzelnen teutschen Staaten, oder wol gar Zugehörungen des teutschen Bundes selbst seyn. Zu § 3 Nr. 1. Es dürfte nicht unzweckmäsig seyn dem 1. Satz dieses § wie bereits in der könig. Bairischen Abstimmung bemerkt worden, einen Zusaz zu geben und denselben so zu fassen „Die Bundesversammlung erkennt die Bundes Acte als die einzige Grundlage ihrer Wirksamkeit, sich aber zugleich als berufen, dieselbe in

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ihren einzelnen Bestimmungen und Andeutungen nach der Natur des Bundesvertrags und seiner Zwecke zu entwickeln und zu vollenden.“ Zu § 3 Nr. 2. In der Fassung des 2t[en] Satzes des § 3. „Der Bundestag ist competent, Schlüsse zu fassen, wordurch selbiger die verfassungsmäsige Erhaltung des Bundes Vereins im ganzen bezwekt.“ Betrachtet man die Bestimmungen des Art. VII der Bundes Akte10 durch den Ausdruck: verfassungsmäsige Erhaltung als gewährt, und abstrahirt in dieser Voraussetzung von dem Antrag auf einen sonst allerdings nöthig und zwekmäsig scheinenden Zusatz, der auf jenen Artikel hinwiese. Zu § 3 Nr. 3. Bei den Bestimmungen dieses Satzes wird als Regel fest zu setzen seyn, daß wenn die innere Sicherheit des Bundes durch tumultuarische auf Umwälzung deutende Auftritte in einem Bundesstaat gefährdet erscheine, der Bund deswegen doch nur dann thätlich einzuschreiten befugt seyn sollte, wenn ent­weder der Fürst des Landes, oder das Land selbst, seine Hülfe ansprechen. Für den ausnahmsweise denkbaren Fall hingegen, daß eine solche Hülfs Anrufung von Seiten des betreffenden Landes nicht eintreten könnte, ist man disseits mit der Fassung des Commissions Gutachtens einverstanden, wenn dabei das Einschreiten des Bundes darauf bedingt wird: Daß die innere Sicherheit des teutschen Bundes wirklich gestört, oder mit einer nahen u. bedeutenden Gefahr bedroht, und diese Stöhrung oder Bedrohung durch eine Majorität von 2 Drittheilen der Plenar Versammlung anerkannt seyn müsse. ad § 4 N. 2. Nimmt man disseits keinen Anstand vorläufig beizustimmen, wenn sämt­ liche teutsche Bundesfürsten sich darüber vereinigen wollen, die nach dem 13. Artikel der Bundes Akte11 zu erwartende Verfassungen ihrer Staaten unter die Garantie des Bundes zu stellen, und überhaupt den Landständen die Befugniß zugestehen, gegen Verlezungen der Verfassung den Rekurs an die Bundes Versammlung zu nehmen. Zu § 4 N. 3. Wird folgende Fassung dieser Stelle vorgeschlagen: 10 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511. 11 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513.

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Die Bundes Versammlung ist berufen darauf zu achten, daß die Bestimmungen der Bundes Akte über die in den Artikeln 12, 13, 14, 16, 1812 erwähnten öffentlichen Verhältnisse in Erfüllung gebracht werden. zu § 5. Da dieser § die Bestimmung der Competenz der Bundes Versammlung in denjenigen innern Angelegenheiten des Bundes zum Gegenstand hat, welche Privat Personen, Corporationen oder ganze Classen betreffen; so würde es ganz angemessen seyn, wenn der in Nr. 3 ausgedrükte allgemeine Grundsatz als solcher vorausgesezt würde, indem sämmtliche in diesem § enthaltenen Bestimmungen als Ausnahmen von dieser Regel anzusehen sind, welche theils auf den ausdrücklichen Innhalt, theils auf den Sinn u. Geist der Bundes Akte sich gründen. Es könnte daher der Eingang dieses § auf folgende Art gefasst werden: Da der Begriff der vollen Souveränität der einzelnen Bundes Staaten der Bundes Akte zum Grund gelegt ist: so liegt unbezweifelt jede Einmischung der Bundes Versammlung in die innern administrativen Verhältnisse ausserhalb der Grenzen ihrer Competenz; u. aus gleichem Grunde haben ordentlicher Weise auch weder Privat Personen, noch Corporationen, die Befugniß, gegen Verfügungen und Anordnungen der administrativen Staats Behörden sich an die Bundes Versammlung zu wenden. Es gründete[n] sich jedoch, theils auf die ausdrükliche Bestimmung, theils auf den Sinn und Geist der Bundes Akte, folgende Ausnahmen: (nun würden diese unter 1., 2. etc. etc. aufgeführten Ausnahmen folgen[)]. Ad § 5 No 2. In Ansehung der Bestimmungen dieses Satzes würden 2 Fälle zu unterscheiden seyn: Ist in einem Bundesstaat [eine] Landständische Verfassung eingeführt u. den Landständen die Befugniß eingeräumt über Verlezungen der Verfassung Beschwerden an den Bundestag zu bringen; so hätten diese nach der LandesVerfassung die einzelne Unterthanen zu vertreten, u. es könnten dann gar keine besondern Beschwerden oder Klagen einzelner Unterthanen, Corporationen und Classen am Bundestag angenommen werden. Wo und solange aber in einem Bundesstaat Landstände noch nicht verfassungsmäsig bestehen, welche jenes Recht haben, würde auch einzelnen die Befugniß sich an die Bundesversammlung zu wenden, jedoch nur in den hier bezeichneten Fällen in Ansehung der in der Bundes-Ackte bestimmten und ausdrücklich eingeräumten Gerechtsamen zuzugestehen, mit hin für diesen 2t[en] Fall die Fassung des N. 2 mit der Abänderung beizubehalten seyn, daß am Schluß statt der Worte: und auf deßfalls etc. etc. gesezt würde: 12 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513−1517.

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„und auf die nach Vorschrift der Gesetze jedes Staats bei den verordneten Landesstellen eingereichten Vorstellungen kein Abhülfe der gegründeten Beschwerde erfolgt.[“] Zu § 5 No 3. Unter Voraussetzung des oben angetragenen Eingangs des § 5 würde dieser o N  3 ganz hinweg fallen, und dessen Unterabtheilungen a. b. c. d. dem Nr. 2 als weitere Ausnahmen unter 3. 4. 5. 6. mit folgenden Abänderungen angereiht werden: Zu § 5 No 3 lit. a. In Absicht auf Begründung der Competenz der Bundesversammlung in Fällen verweigerter oder verzögerter Gerechtigkeitspflege, scheint es zwar sehr zweifelhaft, ob die Bestimmungen dieses Satzes auf die in dem 2t[en] ­Abschnitt desselben erwähnte Art wirklich aus dem 12t[en] Artikel der Bundes Akte motivirt werden könnte, und ohne eine Bestimmung dieser Urkunde dürfte es vielmehr einzig Sache des in einzelnen Staaten aufgestellten Justiz Ministeriums, oder der für das Ganze der Staats Verwaltung angeordneten obersten Staatsbehörde seyn, auf Anrufen des beschwerten Theils die gegründet befundene Beschwerde, durch angemessene Verfügung zu heben. Da inzwischen S. Majestät der König den hohen Werth einer schnellen u. unpartheyischen Gerechtigkeitspflege erkannt und den Unterthanen der teutschen Staaten, noch nicht alle Mittel, im Innern derselben ihre Rechte zu verfolgen, offen stehen, so ist man vollkommen geneigt, dem Innhalt dieses Satzes unter Beziehung auf die bey Nr. 2 des § 5 am Ende ausgehobene Modification die auch hier Anwendung finden wird, nach folgender Fassung beizutreten: 3. Wenn der Fall einer in Rechtssachen eintretenden Justizverweigerung, oder einer derselben gleich zu achtenden Verzögerung vorkommen sollte, und auf die nach Vorschrift der Gesetze jeden Staats bei den verordneten Landesstellen eingereichte Vorstellungen keine schleunige Abhülfe der erwiesenen und gegründeten Beschwerden über wirklich gehemmte oder verweigerte Rechtspflege erfolgt, so würde die Bundes Versammlung, so befugt als verpflichtet seyn, solche anzunehmen, um darauf die gerichtliche Hülfe in den einzelnen Bundesstaaten, durch ihre Verwendung zu bewirken. Zu § 5 No 3 lit. b. Bezieht man sich auf die oben ad § 3 No 3 angetragene Modificationen. Zu § 6. 7. 8. Mit Bestimmung der Competenz der Bundesversammlung in Absicht auf die äußern Verhältniße des teutschen Bundes (§ 6) sowol, als mit der im § 7 ausgedrükten allgemeinen Bemerkung u. dem Schluß Antrag § 8 ist man so, wie überhaupt mit allen übrigen, nicht besonders berührten Anträgen der

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Commission einverstanden, u. hat nur noch den Wunsch beizufügen daß der allgemeinen Bemerkung § 7 noch beigesezt werden möchte: „Übrigens versteht es sich von selbst, daß es in Absicht auf die Art der Berathschlagung und die Anwendbarkeit der Stimmenmehrheit bei den in der Bundes-Akte besonders Art. 7 bereits enthaltenen Bestimmungen sein verbleiben habe.“ Indem man nun diese wenigen bemerkungen mittheilt, glaubt man sich der Überzeugung überlassen zu können, daß sämmtliche verehrliche Glieder der Versammlung diesen Gegenstand, nach der hohen Wichtigkeit desselben e­ iner nochmaligen vertraulichen Besprechung werth achten werden, von welcher sich voraussehen läßt, daß man sich gar leicht über diese, und die von einigen andern Gesandten zu Protokoll gegebenen Bemerkungen, wird vereinigen, und dann mit allgemeiner übereinstimmung die Grundsäze über die provisorische Festsetzung der Competenz der Bundesversammlung, wie sie in dem mit so viel Einsicht und Bestimmtheit entworffenen, umfassenden Gutachten der Commission enthalten sind, mit wenigen näheren Bestimmungen in das Protokoll aufnehmen können.

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HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 225, Nr. 54. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 25. Dezember 1819.

Grundsatz der württembergischen Regierung, daß sich nur solche Gegenstände zur Kompetenz des Bundestags eignen, welche entweder von den Regierungen selbst oder vom Korpus der Landstände an denselben gebracht werden. Kritik an der Art und Weise, in der das Kommissionsgutachten über die provisorische Kompetenz des Bundestags ohne Instruktionseinholung zum provisorischen Gesetz erhoben worden ist. Obwohl im Kreis der Bundestagsgesandten niemand das Unförmliche jenes Verfahrens leugne, sei ein solcher Schritt doch notwendig gewesen, da ohne denselben der Bundestag bis heute noch für nichts kompetent sein würde. Das von der Mehrheit angenommene Kompetenzprovisorium ist nicht frei von Widersprüchen und enthält Sätze, die, konsequent angewandt, der Bundesversammlung eine legislatorische Gewalt einräumen würden. Aus dem Grundsatz, wonach die Bundesversammlung die Bundesakte als die einzige Grundlage ihrer Wirksamkeit anerkenne und sich berufen fühle, dieselbe in den einzenen Bestimmungen und Andeutungen zu entwickeln und zu vollenden, könne die Schlußfolgerung gezogen werden, daß die Einholung von Instruktionen zur Ausnahme von der Regel gehöre. Auffassung Wangenheims, daß die Beantwortung der Frage über die Kompetenz des Bundestags auf verschiedenen Wegen gesucht werden müsse: entweder, indem man die Bundesakte und die später gefaßten Bundesschlüsse als Quelle der Entscheidung betrachte, oder, indem man die Entscheidung bloß von allgemeinen Grundsätzen ableite, oder, indem man beide Me-

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thoden miteinander verbinde. Ausgangspunkt müsse immer der Zweck des Bundes sein: Es wird daher gehandelt werden müssen: 1. von dem Zweck des Bundes souve­ räner Staaten überhaupt (in Beziehung auf das Ausland und die Bundesstaaten); 2. von den Hindernissen, welche der Erreichung des Zwecks des Bundes entgegenstehen (äußere und innere Verhältnisse); 3. von den Mitteln zur Erreichung des Zwecks (Gesetzgebung des Bundes, Verwaltung nach Gesetzen, Vollstreckung der Gesetze).

Frankfurt am Main, 22. Dezember 1819 An das Königliche Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten Frankfurt a/M den 22ten Dezember 1819 Die Competenz der Bundesversammlung betreffend. ad Rescr. d. d. 17ten Januar 1818. In einem Rescripte vom 22ten Februar 18171 war, in Beziehung auf die Competenz der Bundesversammlung, als leitender Gesichtspunkt, der Grundsatz aufgestellt worden, daß sich nur solche Gegenstände zur Competenz des Bundestags eignen, welche entweder von den Regierungen selbsten, oder von den Landständen in corpore2, an denselben gebracht werden. Nur in diesen beiden Fällen wollte damals das Königlich Würtembergische Gouvernement die Competenz des Bundestags anerkennen; es machte jedoch, in Beziehung auf den zweiten Fall, die ausdrükliche Bedingung, daß alle und jede, zu dem deutschen Bunde gehörige Regierungen, sich dieser Competenz auf gleiche Weise unterwerfen würden. Mein Vorgänger im Amte3 erhielt den Auftrag, sich hiernach zu benehmen, sich einen Einfluß auf die Erstattung des Commißions-Gutachtens zu verschaffen, und sich, sobald über die Frage der Competenz des Bundestags die Abstimmung erfolgen sollte, dem gemäß zu äußern. Was zur Befolgung dieses Auftrags geschehen, kann ich aus den Akten nicht ersehen, da in der gesandtschaftlichen Registratur sich über diesen ganzen Gegenstand kein einziges Berichts-Concept vorfindet; vermuthen muß ich aber, daß darüber eine Correspondenz statt gefunden haben müße, weil sich in einer Ministerial-Note vom 8ten May 18174 auf einen gesandtschaftlichen Nebenbericht vom 1ten deßelben Monats bezogen und die Frage aufgeworfen wird: „ob der Gesandte die Anmerkungen des Königlich Bairischen Hofs5 zu dem Vortrage der K. K. Oesterreichischen Gesandtschaft am Bun1 Vgl. HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 225, Nr. 8 (Reinkonzept). 2 Lat.: in der Gesamtheit, gemeinschaftlich. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 139. 3 Ulrich Graf von Mandelsloh. 4 Vgl. HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 225, Nr. 13 (Konzept). 5 Vgl. Dok. 119b.

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destage über die Competenz deßelben6 besitze? Wenn dieß nicht der Fall sey, sollten ihm diese Bemerkungen vom Ministerio aus mitgetheilt werden.“ Was der Gesandte darauf antwortete, weiß ich nicht; wohl aber, daß die Bemerkungen nicht bei den Akten sind. Mittelst Rescripts vom 26ten Oktober 18177 war demselben der Entwurf einer Abstimmung8 nebst erläuternden Bemerkungen darüber9 zugefertigt, zugleich aber der Auftrag ertheilt worden, mit mehreren Gesandten darüber vertrauliche Rüksprache zu nehmen, wie man sich gegen das Unförmliche, welches in der Art und Weise, auf welche ein Commißionsgutachten, ohne vorherige Instructionseinhohlung, zum provisorischen Gesetz erhoben wurde, allerdings lag, am schiklichsten und nachdrüklichsten verwahren könne? Der Gesandte sollte seine Collegen dahin zu bringen suchen, dasjenige, was deßhalb in dem Schluße des dießeitigen Abstimmungs-Entwurfs beigefügt war, auch ihrerseits zu unterstützen. Ob und was in dieser Hinsicht geschehen, konnte ich aus den mangelhaften, diesen Gegenstand betreffenden, Acten nicht ersehen; ich mußte daher, als mir durch ein Rescript vom 17ten Januar 181810 zu erkennen gegeben wurde, daß man meinem Berichte wegen der Befolgung desjenigen, was in den früheren Instructionen befohlen worden sey, entgegensähe, zuvörderst selbst mich auf eine vertrauliche Rüksprache mit meinen Collegen beschränken. Das Resultat dieser Unterredungen gieng dahin, daß zwar niemand das Unförmliche jenes Verfahrens der Bundesversammlung läugnete, bei weitem die meisten aber ihre Ueberzeugung dahin aussprachen, daß ein solcher Schritt nöthig gewesen sey, indem, ohne denselben, der Bundestag vielleicht heute noch für nichts competent seyn würde. Ebenso einstimmig gieng auch die Ansicht dahin, daß freilich dereinst zu einer definitiven Bestimmung der Competenz geschritten werden müße; daß aber dafür der Zeitpunkt noch nicht gekommen scheine, und es nicht rathsam seyn dürfte, in einer Zeit, wo noch so vieles unbestimmt sey, was nothwendig vorher, ehe man die Competenz genau begrenzen könne, bestimmt seyn müße, einen Impuls zur Wiederaufnahme der Discußion zu geben. Am meisten sprach der Bairische Gesandte dagegen, der gerade den leitenden Grundsatz der dießeitigen Abstimmung   6 Vgl. Dok. 118.   7 Vgl. Dok. 125a.   8 Vgl. Dok. 125b.   9 Vgl. „Erläuternde Bemerkungen über den Abstimmungs Entwurf wegen provisorischer Vestsetzung der Competenz der Bundes Versammlung“, HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 225, Nr. 43. 10 Vgl. HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 225, Nr. 47 (Konzept).

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daß Landstände in corpore das Recht des Recurses haben müßten, wenn man die Recurse der Einzelnen mit Erfolg zurükweisen können sollte zu umgehen, gar nicht zur Sprache gebracht wißen wollte. Ich war in jener Zeit selber noch zu neu in den Verhältnißen des Bundestags, als daß ich mir getraut hätte, ein begründetes Urtheil darüber fällen zu können, was zu thun oder zu laßen räthlich seyn möchte. Je länger ich jedoch darüber mit mir und Andern zu Rathe gieng, je mehr überzeugte ich mich, daß an eine zwekmäßige Competenz-Bestimmung des Bundestags und der Bundesversammlung früher nicht zu denken sey, als bis andere wichtige Fragen z. B. die über das Verhältniß der Mediatisirten, über die Erfüllung des 13ten Artikels, über das Bundesgericht, über die ExecutionsOrdnung u. s. w. beantwortet seyn würden, und daß diese Fragen erst dann beantwortet werden würden, wenn die Macht der Ereigniße dringend genug dazu auffordern würde. Je mehr ich die Bedürfniße Deutschlands, in Beziehung auf den Bund, verstehen lernte, je mehr begriff ich auch, daß der Commißionsbericht über die Competenz Grundsätze enthalte, die einer noch vielseitigern Prüfung unterworfen werden müßten, als die, unter meiner Mitwirkung im Königlichen Geheimen Rathe entworfene, Instruction darbot; desto mehr aber überzeugte ich mich auch, daß die Zeit noch nicht gekommen sey, in welcher eine solche Prüfung unbefangen genug angestellt werden könne. Ob diese Zeit jezt gekommen sey, vermag ich nicht zu entscheiden; daß aber ein Zeitpunkt gekommen sey, in welchem, mag man nur unbefangen, oder immer noch nur befangen, zu Werke gehen können, daran gehen muß, scheint ebenso einleuchtend, als daß sie die Abstimmung, ganz so, wie sie meinem Vorgänger vorgeschrieben war, nicht mehr werde zu Protokoll geben können, ohne dazu ausdrüklich angewiesen zu seyn. Denn 1. scheint aus meinem, über die Lippische Verfaßungs-Angelegenheit erstatteten, Vortrage11 auf eine überzeugende Weise hervorzugehen a) daß zwar der, in der Instruction aufgestellte leitende Grundsatz, nach welchem Recurse von Landständen an die Bundes Versammlung ergriffen werden sollen, festgehalten werden müße, wenn der Bundeszwek erreicht werden soll; daß aber b) die Art und Weise, wie die Bundes Versammlung solche Recurse zu ­behandeln habe, und die Wirkung ihrer Beschlüße genauer bestimmt werden müßen, wenn Rechtsgleichheit hergestellt und zugleich die Selbständigkeit der Staaten erhalten werden soll. 11 Vgl. ProtDBV 1819, 33. Sitzung vom 9. September 1819, S. 591−643.

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2. aus dem nemlichen Vortrage scheint hervorzugehen, daß der als provisorisches Gesetz von der Mehrheit angenommene Commißions-Bericht nicht frei von Widersprüchen ist, und daß er Sätze enthalte, welche consequent durchgeführt, die Besorgniß der Bundes Versammlung über alle Grenzen einer subordinirten, an Instructionen gebundenen, Behörde hinaus führen, und ihr eine legislatorische Gewalt einräumen würden. Aus dem in § 1 aufgestellten Grundsatze: „Die Festsetzung der Competenz“ bis „entnommen aus ihrer Bestimmung“12 läßt sich z. B., wie auch die Berichtserstatter geahnet haben, folgern, daß alle Gesetze und organische Einrichtungen von ihr ausgehen könnten. Noch bestimmter tritt diese Folgerung hervor aus dem ersten Grundsatze des 2ten §, in welchem ausdrüklich gesagt wird, daß die Bundesversammlung die Bundesacte als die einzige Grundlage ihrer Wirksamkeit anerkenne, und sich für berufen halte, dieselbe in ihren einzelnen Bestimmungen und An­ deutungen zu entwikeln und zu vollenden13: denn, wenn die Bundesacte die einzige Grundlage ihrer Wirksamkeit wäre und der Umfang ihrer Pflichten, entnommen aus ihrer Bestimmung, den Begriff ihrer Competenz bezeichnete; so würde die Einhohlung von Instructionen zur Ausnahme von der Regel gehören. Bis zu dieser Stelle meines Berichts war ich im September dieses Jahrs gekommen, als die in Carlsbad vorbereiteten Beschlüße erschienen. Da ich, auf Veranlaßung des Ministers Grafen von Wintzingeroda14, diesem meine Ansichten über diesen und die damit verwandten Gegenstände in Privatschreiben nach Carlsbad mitgetheilt hatte, überdieß vorausgesezt werden konnte, daß nunmehr die Hauptfrage über die künftige Competenz des Bundes, von deren durchgreifender Erörterung die Erledigung aller übrigen in Carlsbad zur Sprache gebrachten und nun in Wien verhandelt werdenden 12 Vgl. Dok. 121, S. 565. 13 Vgl. Dok. 121, S. 565 f. 14 Heinrich Karl Friedrich Levin Graf von Wintzingerode (1778−1856), württembergischer Staatsmann, stand zunächst in hessischen Militärdiensten, danach Studium der Rechte, 1802 Eintritt in den württembergischen Staatsdienst als Attaché bei der Gesandtschaft am Reichstag in Regensburg, 1803 Regierungsrat in Ellwangen und später in Stuttgart, 1806 Verwalter des Öhringer Kreises, 1807 Kreishauptmann ebd., 1808 außerordentlicher Gesandter in Karlsruhe, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister 1809/10 in München und 1810−1813 in Paris, in dieser Zeit Ernennung zum Geheimen Rat, 1814 außerordent­ licher Gesandter in St. Petersburg, 1816−1818 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Wien, 1819 Außenminister, 1823 erzwungene Demission und Rückzug auf sein Stammgut Bodenstein. Vgl. ADB, Bd. 43, S. 505−507; DBE, Bd. 10, S. 536 f.; DBA I, 1380, 156; DBA III 999, 398−400 und 403; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 477 f., 481 u. 483; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 420 u. 426.

Nr. 126

Frankfurt am Main, 22. Dezember 1819

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Punkte15, mehr oder weniger abhängt, dort bereits in Berathung genommen worden seyn würde, in einem solchen Zeitpunkte aber doch in keinem Falle mehr von einer Abstimmung über ein Provisorium die Rede seyn konnte, und, da aus dem Stillschweigen der Würtembergischen Gesandtschaft, deßen Gründe ich meinen Collegen mehr als einmal entwikelt hatte, die Einwilligung des Königlich Würtembergischen Gouvernements in die im Provisorio aufgestellten Sätze keineswegs gefolgert werden konnte, davon auch nicht mehr die Rede zu seyn brauchte: so glaubte ich jener Berichtserstattung umsomehr Anstand geben zu dürfen, als ich die Veranlaßung zu einer umfaßenderen demnächst zu erhalten glaubte. Ich würde dieser berichtlichen Anzeige meine Ansicht von der Art und Weise, wie die Competenz des Bundestags zu bestimmen seyn möchte, beizulegen nicht verfehlen, müßte ich nicht voraussetzen, daß sich über diesen wichtigen Gegenstand schon ein System des Gouvernements ausgebildet habe. Ich glaube mich daher auf die Angabe des Wegs beschränken zu müßen, welchen ich zur Erörterung jenes Gegenstands eingeschlagen habe. Mir schien, daß die Beantwortung der Frage über die Competenz des Bundestags auf verschiedenen Wegen gesucht werden könne, entweder, indem man sich darauf beschränkte, blos die Bundesacte und die später gefaßten, theils provisorischen, theils definitiven, Bundesschlüße als Quelle der Entscheidung zu betrachten, oder, indem man die Entscheidung blos von allgemeinen Grundsätzen ableitete, oder indem man, was wohl das zwekmäßigste seyn möchte, beide Methoden miteinander verbände. Welchen Weg man aber auch einschlagen mag, man wird immer von dem Zwek des Bundes ausgehen, und dann überlegen müßen, welche Mittel nothwendig zu ergreifen seyen, um die Erreichung dieses Zwekes sicher zu stellen; und man wird in der Wahl dieser Mittel nur dann glüklich zu seyn hoffen dürfen, wenn man sich die Hinderniße und Gefahren umfaßend genug zu vergegenwärtigen weiß, an welchen alle Versuche der Vorzeit, mehrere selbständige und an Macht ungleiche, Staaten in einem Bunde zu erhalten, bald früher, bald später, gescheitert sind. Es wird daher gehandelt werden müßen: 15 Gemeint sind die von Metternich in Absprache mit Preußen einberufenen Ministerkonferenzen von Karlsbad (6. bis 31. August 1819) und Wien (25. November 1819 bis 23. Mai 1820), auf denen Maßnahmen gegen „demagogische Umtriebe“ an den Universitäten sowie gegen liberale und nationale Bewegungen beraten und Beschlüsse zur Befestigung des Deutschen Bundes gefaßt wurden, die dann unter teils massivem Druck und auf bundesrechtlich fragwürdige Weise durch den Bundestag verabschiedet wurden. Beide Konferenzen markieren damit die restaurative Wende in der Bundespolitik. Vgl. Büssem, Die Karlsbader Beschlüsse von 1819; Müller, Der Deutsche Bund 1815−1866, S. 8−10; Siemann, Vom Staatenbund zum Nationalstaat, S. 332−335.

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Wangenheim an das Ministerium der auswärtigen ­Angelegenheiten

Nr. 126

I. Von dem Zweke des Bundes souverainer Staaten überhaupt; 1. in Beziehung auf das Ausland; 2. in Beziehung auf die Bundesstaaten; II. Von den Hindernißen, welche der Erreichung des Zweks des Bundes, entgegenstehen; 1. in Beziehung auf äußere; 2. in Beziehung auf innere Verhältniße des Bundes; III. Von den Mitteln zur Erreichung des Zweks; 1. von der Gesetzgebung des Bundes; a) von den Gegenständen derselben; b) von der Art ihrer Abfaßung; 2. Von der Verwaltung nach Gesetzen; a) von der politischen; b) von der richterlichen Behörde; 3. Von der Vollstrekung der Gesetze a) von der Vollstrekung politischer Beschlüße; b) von der Vollstrekung richterlicher Erkenntniße. Mich damit etc.

Wangenheim

III. Versuche einer organischen Fortbildung und inneren Ausgestaltung des Deutschen Bundes

1. Das Austrägalwesen des Deutschen Bundes

Nr. 127

Berlin, 16. April 1817

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127. Hardenberg an Goltz

GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 796. Weisung. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 24. April 1817.

Lehnt die von einer Mehrheit der Bundestagsgesandten in der Konferenz vom 3. März 1817 vorgeschlagene Vermittlung der Bundesversammlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander ab und teilt die dagegen von Goltz und Himly vorgebrachten rechtlichen und konstitutionellen Bedenken. Denn weder die Bundesversammlung, noch Ausschüsse aus ihrer Mitte, noch einzelne Bundestagsgesandte können Austrägalrichter sein. Auftrag an Goltz, solchen Plänen gleich bei ihrer Entstehung zu widersprechen und die Mehrheit auf einen richtigen Weg zu lenken. Vorschläge für eine zweckmäßigere Organisation des Austrägalverfahrens: Die Vermittlung der Bundesversammlung durch einen Ausschuß solle erst dann eintreten, wenn eine gütliche Einigung unter den streitenden Parteien gescheitert sei; Anordnung einer Austrägalinstanz; dazu schlägt der Beklagte vier Bundesglieder vor, aus welchen der Kläger einen zum Austrägalrichter wählt; Übertragung der Entscheidung an dessen höchsten Gerichtshof, der selbst zu prüfen hat, welche Grundsätze des Staats-, Völkerund römischen Rechts auf den konkreten Fall anwendbar sind.

Berlin, 16. April 1817 Mit einem recht lebhaften Interesse habe ich Ew. Excellenz vorläufigen Bericht No 131, über die sechszehnte Sitzung und den Nachtrag zu diesem Bericht2, gelesen. Die Anordnung des Typus zu der wohlgeordneten Austrägal Instanz, welche der 11te Artikel der Bundesacte3 verheißt, ist einer der wichtigsten Gegenstände. Es bleibt in der That unbegreiflich, wie die Mehrheit, auf den Bericht der Commission oder des Ausschusses, sich für eine solche Anordnung aussprechen könne, die das loco dictaturae gedruckte Notatum in der Conferenz vom 3ten des vorigen Monats4, beschreibt. Sehr treffend schildert das rechtliche und constitutionelle Bedenken die Austrägalinstanz betreffend, die Nachtheile einer solchen Einrichtung, wie diese ist. Dieselbe stößt wider die ersten Grundsätze an. Die Bundesversammlung hat eine hohe und wichtige Bestimmung. Diese hat sie zu erfüllen, aber in keinem Falle durch Anmaaßung zu erweitern. Nicht die Bundesversammlung, nicht Ausschüsse aus ihrer Mitte, nicht einzelne Bundestagsgesandte, können Austrägalrichter seyn. 1 Vgl. Vorläufiger Bericht von der Goltz’ an König Friedrich Wilhelm III., Frankfurt am Main, 8. März 1817, GStAPK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2027. 2 Vgl. Nachtrag zum vorläufigen Bericht von der Goltz’ an König Friedrich Wilhelm III., Frankfurt am Main, 12. März 1817, GStAPK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2027. 3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512. 4 Vgl. Dok. 116, Abschnitt I. und II.

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Hardenberg an Goltz

Nr. 127

Bey der sehr achtbaren diplomatischen Qualification der Gesandten, fehlt ihnen gänzlich die richterliche Qualification, wie groß auch die Rechtskenntnisse Einzelner von ihnen oder Aller, seyn mögen. So gerecht das Vertrauen ist, dessen sie in ihrer diplomatischen Eigenschaft würdig sind, so wenig würden sie jemals auf Vertrauen als Richter Anspruch machen können, oder jemals solches erlangen. Ihre Hauptbestimmung würde erliegen unter diesem Nebengeschäft, welches Hauptgeschäft anderer Behörden ist und seyn muß. Wenn Wahrheiten, die an sich so klar sind, annoch einer Bestätigung durch Analogie bedürften, so würde man mit völligem Grunde anführen können, welch ein Unding entstanden seyn würde, wenn im ehemaligen deutschen Reiche der Reichstag und die Reichsgerichte in Einen Körper hätten einverleibt werden sollen. Ich vertraue fest, daß eine solche Ansicht wie die dieser bisherigen Mehrheit unmöglich jemals den wirklichen Beschluß der Mehrheit wird für sich haben können, und spreche meine Misbilligung, in Uebereinstimmung mit den Andeutungen die schon in Ew. Excellenz Berichten enthalten sind, darum so stark und so umständlich aus, damit Ew. Excellenz darin, bey der künftigen Berathung, Stoff finden mögen, um dergleichen schädlichen Planen gleich in ihrer Entstehung zu widersprechen, und die Mehrheit auf conciliatorischen Wegen, zu ganz andern Ideen hinüberzuleiten. Wenn man nun fragt, was an die Stelle jener zu verwerfenden Idee zu ­setzen sey, so bietet allerdings das dem Bericht Ew. Excellenz beiliegende rechtliche und constitutionelle Bedenken die Austrägalinstanz betreffend, und der demselben beiliegende Aufsatz Austrägalinstanz5, Stoff dar, aus ­welchem eine richtigere, zweckmäßigere Organisation hervorgehen und gedeihen kann. Auch die Verfassung des ehemaligen deutschen Reichs bietet Analogien dar, die jetzt benutzt werden können, obgleich mit manchen durch veränderte Zeiten und Umstände begründeten Abänderungen. Um der Sache etwas näher zu treten, bemerke ich Folgendes: 1. Die Bundesacte verpflichtet die Bundesglieder, einander unter keinerlei Vorwand zu bekriegen, noch ihre Streitigkeiten mit Gewalt zu verfolgen, sondern sie bei der Bundesversammlung anzubringen. 2. Diese letztere Verpflichtung ist sehr wohl damit vereinbar, daß, noch vor diesem Anbringen bei der Bundesversammlung, die Bundesglieder welche mit einander Streitigkeiten haben, sich sogleich zum Wege der Güte, even5 Vgl. den Aufsatz „Austrägal Instanz“ des Geheimen Legationsrats Himly (= Anlage zu dem in Anm. 2 erwähnten „Nachtrag“ von der Goltz’ vom 12. März 1817), GStAPK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2027.

Nr. 127

Berlin, 16. April 1817

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tualiter der Austrägalinstanz erbieten, ohne irgend den Bund in die Sache zu mischen, so daß die Vermittelung der Bundesversammlung, durch einen Ausschuß, erst 3.  dann eintritt, wenn ein Theil sich des so eben unter No. 2 beschriebenen Weges alsbaldiger gütlicher Ausgleichung, eventualiter Austrägalentscheidung, weigert. 4. Wenn nun diese Vermittelung, No. 3, fehl schlägt, so tritt dann die Anordnung der Austrägalinstanz ein, wie sie der eilfte Artikel der Bundesacte festsetzt. 5. In beiden Fällen 2 und 4 spricht die Analogie der Verfaßung des ehemaligen deutschen Reichs dafür, daß der Beschriebene, das ist das Bundesglied wider welches geklagt wird, dem klagenden Bundesgliede vier Bundesglieder benenne, aus welchen der Kläger einen zum Austrägal-Richter erwähle, worauf 6.  dieser erwählte Austrägal Richter keinesweges selbst, oder aus seinem Cabinet, die Sache zu entscheiden, vielmehr solche seinem höchsten ­ ­Gerichtshofe zur Entscheidung aufzutragen haben wird.   Allerdings sind dieses nur sehr wenig Grundzüge, und es bedarf noch viel näherer Bestimmungen sowohl über die Art der Vermittelung zu No. 3, als über die Art wie die Austrägalinstanz zu No. 2 oder 4 das Factum aufzuklären hat.   Immer aber dienen diese Grundsätze zur Verhütung von Abwegen, ­indem sie erstens den uralten deutschen Grundsatz, „daß Gleiche von ­Gleichen Recht nehmen“ aufrecht erhalten, und zweitens dafür sorgen, daß bei fortgeschrittener Cultur und verwickelten factischen Verhältnissen und Rechtsverhältnissen, niemand in Streitigkeiten instruire und ent­ scheide der dazu nicht die Kenntnisse noch die Weihung, das heißt die geprüfte, anerkannte, und ausgesprochene wissenschaftliche und sittliche Fähigkeit hat. 7. Im angeführten Notato kommt auch vor, es erkenne das Austrägalgericht, in Ermangelung besonderer Entscheidungsquellen nach den in Deutschland hergebrachten gemeinen Rechten. Es versteht sich von selbst, daß eine Streitigkeit zwischen Bundesgliedern nicht nach denjenigen Gesetzen, die ein einzelnes Bundesglied für seine Unterthanen hat emaniren lassen, beurtheilt werden kann. Hingegen wird der obenerwähnte höchste Gerichtshof, nach Verschiedenheit der Materien, selbst zu prüfen haben, welche Grundsätze des Staats-, des Völkerrechts6 und des römischen Rechts auf den Fall anwendbar sind. 6 Es folgt in der Vorlage die nachträgliche Ergänzung von anderer Hand: „des Fürstenrechts (iuris principuum) das iuris germanici“.

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Österreichische Punktation über die Vermittlung bei Streitigkeiten

Nr. 128

8. Das Remedium restitutionis in integrum ex capite novorum7 dessen das Notatum gedenkt, kann, in der Allgemeinheit wie es da hingestellt ist, ­unermeßlich gemißbraucht werden, wider den Grundsatz welchen die Bundesacte enthält, daß dem Ausspruch der Austrägalinstanz die streitenden Theile sich sofort zu unterwerfen haben. 9. Die Idee, daß itzo die Versammlung nur einen Typus aufzustellen habe, wie Recht zu verschaffen sey, ist die richtige, und aus diesem Gesichtspunkte habe ich die Sache in meinem gegenwärtigen Schreiben behandelt. Es ist mir sehr werth, daß Ew. Excellenz bereits im Wesentlichen von der richtigen Ansicht meines gegenwärtigen Schreibens überzeugt sind, wie der Beifall ergiebt, welchen Sie der Vorarbeit des Herrn Geheimen Legations Raths Himly ertheilen, die das sehr achtbare Verdienst hat, daß sie sich dem schon anschwellenden Strome irriger, ja vielleicht leidenschaftlicher Meinungen, mit ruhiger und gründlicher Prüfung entgegensetzt. Ew. Excellenz werden nun Stoff haben, eine so wichtige Sache gleich zu Anfang von einem unrichtigen Wege ab, in einen richtigen zu leiten, und ­fernerhin den Gang dieser Sache auf das genaueste zu beobachten, um das Nichtige und Schädliche sogleich zu entfernen, und dem Gedeihen des Guten Raum und Hülfe zu verschaffen. C. F. Hardenberg

128. Österreichische Punktation über die Vermittlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander und die Errichtung einer Austrägalinstanz

ProtDBV 1817, 25. Sitzung vom 1. Mai 1817, Anlage nach S. 279. Punktation. Druckfassung (4 unpaginierte Seiten). Weiterer Druck: ProtDBV 1817, 26. Sitzung vom 5. Mai 1817, § 152, S. 282−286 (ohne den letzten Absatz); ProtDBV(Q), Bd. 2, 1817, S. 214−220.

Es liegt schon in der Wesenheit des Deutschen Bundes als eines mit einem Nationalband verbundenen Staatenvereins, daß sich die Bundesglieder unter keinerlei Vorwand bekriegen oder ihre Streitigkeiten mit Gewalt verfolgen können. Diese der ­natürlichen Ordnung entsprechende Bestimmung wird in Artikel 11 der Bundesakte ausdrücklich anerkannt. Aus dem Inhalt des Artikels 11 ergeben sich folgende Hauptgrundsätze: I. Die Bundesversammlung ist diejenige Behörde, bei welcher solche Streitigkeiten anzubringen sind. II. Diese hat die Verpflichtung, eine Vermittlung durch einen Ausschuß zu versuchen. III. Wenn ein solcher Vermittlungsversuch scheitert, muß eine richterliche Entscheidung durch eine wohlgeordnete Austrägalinstanz herbeigeführt werden. Unterbreitung von Vorschlägen für eine wohlgeordnete Austrä7 Lat.: Rechtsmittel der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus einem neuen Rechtsgrund. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 110, 207, 256, 262.

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Frankfurt am Main, 1. Mai 1817

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galinstanz: 1. Eine gemeinschaftlich aufgestellte permanente Instanz würde dem Begriff der Souveränität nicht widerstreiten und zugleich dem einer wohlgeordneten Austrägalinstanz am vollkommensten entsprechen. 2. Sofern das nicht gewünscht wird, muß eine Austrägalinstanz für jeden vorkommenden Fall gebildet werden. 3. Eine wohlgeordnete Austrägalinstanz erfordert eine vertrauenerweckende organische Form. 4. Nur die Bundesversammlung und keine auswärtige Behörde kann als Austrägal­instanz erscheinen. 5. Der Beklagte soll drei unparteiische Bundesglieder vorschlagen, aus welchen der Kläger eines zum Richter wählt. Dessen oberste Justizstelle ist dann als gewählte Austrägal­instanz zu betrachten. 6. Verhandelt wird nach der Prozeßordnung des jeweiligen obersten Gerichts; das Erkenntnis erfolgt in Ermangelung besonderer Entscheidungsquellen nach den in Deutschland hergebrachten gemeinen Rechten; das Urteil muß binnen Jahresfrist erfolgen und ist für die streitenden Teile verbindlich; Einlegung von Rechtsmitteln.

[Frankfurt am Main, 1. Mai 18171] Oesterreichische Punctation 1) über die Vermittelung der Bundesversammlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder unter sich, 2) über die Aufstellung einer wohlgeordneten Austrägal-Instanz. Es liegt schon in der Wesenheit des deutschen Bundes, als eines mit einem gemeinsamen Nationalbande verbundenen Staatenvereins, daß die Bundesglieder desselben sich unter keinerlei Vorwand bekriegen, noch ihre Streitigkeiten mit Gewalt verfolgen können. – Diese der natürlichen Ordnung schon entsprechende Bestimmung wird aber auch noch in der Bundesacte Art. XI2 ausdrücklich anerkannt. Nach Inhalt dieses Artikels der Bundesacte, während darin Krieg der Bundesglieder unter sich, und gewaltsame Verfolgung ihrer Streitigkeiten als Verletzung der Bundes-Pflichten ausgesprochen wird, möchten wohl vor Allem folgende Hauptgrundsätze als Leitungs-Normen in dieser Beziehung aufzustellen seyn: I. Da Krieg und gewaltsame Verfolgung der gegenseitigen Ansprüche und Streitigkeiten der Bundesglieder unter sich nicht eintreten soll und darf; so wird die Bundesversammlung als diejenige Behörde bezeichnet, bei welcher solche Streitigkeiten anzubringen sind. II. Die Bundesversammlung hat nun vor allem die Verpflichtung, Vermittelung durch einen Ausschuß zu versuchen. In dieser Hinsicht scheinen mir die in der Conferenz vom 3. März d. J. in Antrag gebrachte Vorschläge von 1 Eine Reinschrift der Punktation in HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Kart. 1, Weisungen 1817, fol. 75−83’, datiert vom 21. April 1817. 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512.

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Österreichische Punktation über die Vermittlung bei Streitigkeiten

Nr. 128

a–d3 ganz angemessen, und der allgemeinen natürlichen Staats-Praxis entsprechend. III. Wenn aber der Vermittelungs-Versuch bey diesen Streitigkeiten der Bundesglieder unter sich ohne Erfolg bleibt, und folglich eine Entschließung statt finden muß; so verfügt vor allem die Bundesacte, daß nicht die Bundesversammlung selbst, sondern eine wohlgeordnete Austrägal-Instanz die richterliche Entscheidung ertheile. Es ist also jetzt vorzüglich die Frage zu erörtern: wie eine solche wohlgeordnete Austrägal-Instanz anzuordnen wäre? Es ist nicht bloß von historischem Interesse, sondern dient selbst sehr ­wesentlich zur gehörigen Würdigung dieses Frag-Punctes, den ganzen Gang der Verhandlung beim Congreß in Wien in dieser Beziehung zu übersehen, welchem Bedürfnisse Klüber in seiner Uebersicht etc. 2ten Abtheilung4 vollkommen Genüge leistet. Wenn man einerseits erwägt, daß bei einer solchen Austrägal-Instanz ­Angelegenheiten von sehr hoher Wichtigkeit für Fürsten, Regierungen und Unterthanen, selbst nach Umständen auch für die Gesammtheit des Bundes vorkommen können, folglich schon in dieser Hinsicht die Begutachtung einer wohlgeordneten Austrägal-Instanz eine sorgsame und reife Berathung, so wie Berücksichtigung der mehreren hierbei eintretenden Verhältnisse, erfordert; wenn man ferner zugleich noch in Betrachtung zieht, daß der Ausspruch dieser Instanz die erste und in der Regel auch die letzte unabänderliche Norm gewähren soll; so ist wohl unverkennbar, daß diese Austrägal-Instanz – wie es auch die Bundesacte ausspricht – wohlgeordnet und in solcher Art bestellt seyn müsse, um volles Vertrauen von Fürsten und freien Städten, so wie von der Gesammtheit der Nation zu verdienen. Von diesen Voraussetzungen ausgegangen, möchten folgende Bemerkungen der allseitigen Erwägung zu empfehlen seyn. 1) Es würde an sich keinen Widerspruch mit dem Begriffe der Souverainetät enthalten, wenn die Bundesglieder freiwillig und vertragsmäsig eine gemeinschaftlich aufgestellte Austrägal-Instanz, deren Vollmacht auf ein Compromiß beruhen würde, zur Entscheidung bestimmten. Diese Permanenz würde dem Begriffe der Souverainetät nicht widerstreiten, und zugleich dem einer wohlgeordneten Austrägal-Instanz am vollkommensten entsprechen. 2) Wenn aber dieses nicht beliebt werden sollte; so ist also die wohlgeordnete Austrägal-Instanz für jeden vorkommenden Fall zu bilden, und nur die Art und Weise deren Aufstellung im Voraus zu bestimmen. 3 Vgl. Dok. 116, Abschnitt II. 4 Vgl. Klüber, Uebersicht der diplomatischen Verhandlungen des Wiener Congresses, S. 174– 193.

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Frankfurt am Main, 1. Mai 1817

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3) Ich kann jedoch nicht wohl in dieser Hinsicht dem Antrage beistimmen, daß jede Partei einen oder zwei Bundesgesandte zum Austrägal-Richter zu wählen, und die Bundesversammlung einen Obmann zu bestellen befugt seyn soll. – Mit Beziehung auf die Bemerkungen, welche bereits dagegen an­ geführt wurden5, daß dem Bundestage eine richterliche Entscheidung oder auch nur eine solchartige Instruction überlassen werden möchte, bedarf wohl der anerkannte Hauptgrundsatz jeder wohlgeordneten Justiz-Instanz hier ­keine weitere Begründung, daß dieselbe auf eine[r] eigentliche[n] CollegialBerathung beruhen soll; um so mehr aber wird also dieses bei einer – für die wichtigsten rechtlichen Verhandlungen, deren Folgen sich oft auf Fürst, Land und Leute, selbst auf die Gesammtheit des Bundes beziehen können – aufzustellenden ersten und zugleich höchsten Instanz berücksichtiget werden müssen. – Wenn man nun erwägt, daß, obschon die Herren Gesandten nach dem, in der Conferenz-Punctation vom 3. März enthaltenen, Antrage unter f einzeln oder insgesammt rechtliche Belehrungen einzuholen6, berechtigt seyn sollen, alsdann jedoch die eigentliche Collegial-Berathung ihren wohlthätigen heiligen Zweck verfehlt, welcher auf gegenseitige Austauschung und mit genauer selbsteigner sachkundiger Prüfung sämmtlicher in der Verhandlung und während der Berathung zur Erwägung vorkommenden factischen und recht­ lichen Momenten und gegenseitiger Ansichten beruhet; wenn ich dieses alles in Berathung ziehe; so nehme ich großen Anstand darauf anzutragen, daß eine Austrägal-Instanz im Voraus durch organische Constituirung auf eine Versammlung hingewiesen werde, deren einzelne Mitglieder nicht nothwendig die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten besitzen müssen, wie solches in jenem Vortrage bemerkt ward; und wenn folglich auch zwar zufällig einzelne Mitglieder allerdings die erforderliche Eigenschaften besitzen können; so scheint es doch angemessen, eine organische Einrichtung nicht auf solchen Zufälligkeiten beruhen zu lassen. Es scheint vielmehr der Absicht der Bundesacte, eine wohlgeordnete Austrägal-Instanz zu begutachten, nur alsdann entsprochen zu werden, wenn selbige schon nach ihrer organischen Constituirung Anspruch auf Vertrauen zu machen, geeignet ist. 4) So wie daher der Vorschlag, die Austrägal-Instanz mit Vorbehalt der etwa einzuholenden Belehrung aus der Mitte der Bundes-Versamlung im Voraus zu bestimmen, nicht ganz die nothwendigen Rücksichten zu befriedigen scheint; so entspricht es jedoch eben so dem Artikel XI des Bundesacte, als auch dem würdevollen Standpuncte sämmtlicher deutschen Regierungen, daß nur die Bundesversammlung, und keine auswärtige Behörde unmittelbar als 5 Vgl. Dok. 116. 6 Vgl. Dok. 116, Abschnitt II.

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Österreichische Punktation über die Vermittlung bei Streitigkeiten

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Austrägal-Instanz erscheine. Um nun diese verschiedene Rücksichten möglichst zu vereinigen, scheint es mir 5) am angemessensten, wenn binnen einem festzusetzenden Zeitraum etwa von 8 oder 14 Tagen als unerstreckliche Frist vom Tage an gerechnet, wo der zur Vermittelung angeordnet gewesene Ausschuß die Anzeige dieses mißlungenen Versuches bei dem Bundestag gemacht hat, der Beklagte dem Kläger drei unparteiische Bundesglieder vorschlägt, aus welchen dieser eines binnen gleichen 8 oder 14 Tagen zum Richter wählt. – Geht jene Frist vorüber, ohne daß der Beklagte drei vorschlägt, so geht dieses dreifache Vorschlagsrecht an die Plenar-Versammlung des Bundestags über, woraus alsdann der Kläger einen zu wählen hat. In dieser Hinsicht ist nun der Grundsatz ausgesprochen, daß alsdann jedesmal die dritte oberste Justizstelle des betreffenden Bundesglieds als gewählte Austrägal-Instanz zu betrachten sey. Damit aber zugleich dieser Gerichtshof nach obigen Bemerkungen nicht als eine Landesstelle, sondern nach Anleitung und Bestimmung des Art. XI im Namen und anstatt der Bundesversammlung, so wie vermöge deren Auftrags eintrete, so hat diese Versammlung nach jener vorgängigen Wahl dem gewählten Gerichtshofe diese seine Bestimmung bekannt zu machen, und ihm7 den Auftrag zur Vollziehung der Bundesacte als Austrägal-Instanz zu ertheilen. Sämmtliche dritte oberste Justizstellen der deutschen Bundesglieder sind folglich als solche zu betrachten, aus denen in obiger Weise die Austrägal-Instanz gewählt, und sodann die bestimmt gewählte von der Bundesversammlung förmlich dazu beauftragt wird. Auf diese Art finde ich alle Rücksichten vereint, welche unter 3 und 4 über die wesentliche Bedingungen dieser Austrägal-Instanz bemerkt wurden8. Die Uebernahme des Austrägal-Auftrags von der bestimmten dritten obersten Justizstelle ist übrigens als Bundespflicht anzusehen. Nur ganz besondere, der Bundesversammlung etwa unbekannt gewesene, Verhältnisse, welche eine völlige Unfähigkeit der Instanz-Uebernahme enthalten würden, könnten zur Entschuldigung dienen, sind aber binnen 14 Tagen von dem Tage des erhaltenen Auftrags bei der Bundesversammlung vorzubringen. Dieser also eintretende oberste Gerichtshof hat sodann die Angelegenheit zu instruiren und das Urtheil zu schöpfen, sey es nun ein definitives, oder entscheidendes Zwischen-Erkenntniß. Im letzten Falle wird die Instruction all­ dort festgesetzt, im ersten aber kann das geschöpfte Erkenntnis entweder: 7 Emendiert. Vorlage: ihn. 8 Emendiert. Vorlage: würden.

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a)  vor demselben obersten Gerichtshofe ausdrücklich im Namen und aus Auftrag des Bundes den Parteien eröffnet werden, wo also dieser Gerichtshof dem Bundestage nur demnächst die Acten und das Urtheil zur Kenntniß, und um auf dessen Befolgung halten zu können, zusendet; oder aber b) es könnte auch das geschöpfte Urtheil nebst den Acten der Bundesversammlung vom obersten Gerichtshof mit Bericht zugesendet und von diesen sodann von einem Ausschuß den Parteien eröffnet werden. − Die übrigen Herren Bundesgesandten mögen einen dieser Wege auswählen; der letztere dürfte auch diesseitigem Ermessen am geeignetesten seyn. 6)  Diese seither begutachtete Constituirung einer wohlgeordneten Austrägal-Instanz ist jedoch allein nicht hinreichend, um dem Zwecke einer guten und Vertrauen verdienenden Rechtspflege in Streitigkeiten der Bundesglieder unter sich zu entsprechen, sondern folgende Bestimmungen scheinen noch nothwendig als organische Anordnungen gleichzeitig festgesetzt werden zu müssen: a) Die Prozeß-Instruction geschieht nach der Prozeßordnung, welche der betreffende oberste Gerichtshof überhaupt beobachtet, und ganz in selbiger Art, wie die sonstige alldort zu instruirende Rechtssachen verhandelt werden. b) Das Erkenntniß in der Hauptsache selbst aber erfolgt in Ermangelung besonderer Entscheidungsquellen, nach den in Teutschland hergebrachten gemeinen Rechten. c) Das Erkenntniß in der Hauptsache muß längstens binnen Jahres-Frist vom Tage der überreichten ersten Klage oder Beschwerdeschrift erfolgen. Sollte es ausnahmsweise nicht thunlich scheinen; so hat der oberste Gerichtshof als Austrägal-Instanz einen Bericht an die Bundesversammlung zu erstatten, die Gründe eines nothwendig geglaubten längeren Verzugs alldort anzuzeigen, und die Billigung oder Mißbilligung vom Bundestage zu empfangen. d) Das Erkenntniß ist gemäß des Art. XI der Bundesacte für die streitenden Theile verbindlich. − Es entspricht jedoch den natürlichen unabänder­ lichen Grundsätzen der Gerechtigkeit, daß das Rechtsmittel der Restitu­ tion ex capite novorum9 statt finden müsse. Zugleich aber ist ein billiger Zeitraum ausdrücklich festzusetzen, binnen welchem dieses Rechtsmittel einzuwenden wäre; e) Das Restitutionsmittel ist bei der Bundesversammlung anzukündigen, und diese übersendet solches sodann dem obersten Gerichtshofe, wo die 9 Restitutio ex capite novorum (lat.): Aufhebung eines Rechtserfolges aus einem neuen Rechtsgrund. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 110 und 262.

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Preußische Abstimmung über die Vermittlung bei Streitigkeiten

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Sache zum erstenmahle verhandelt und entschieden ward; wo über die Statthaftigkeit oder Unstatthaftigkeit des Rechtsmittels selbst gesprochen wird, und sodann die neu zu verhandelnde Rechtsangelegenheit wieder zu instruiren und zu entscheiden ist.   Die Meinung mehrerer Rechtsgelehrten, welche selbige zur ersten Instanz verweisen, ist hier, wo immer nur eine Instanz statt findet, nicht anwendbar; hingegen die Instruction und Entscheidung von derselbigen Instanz über die noviter reperta10 ebenso den Geschäften selbst beförderlich, als auch der hier ganz anwendbaren Analogie dieses Rechtsmittels bei den vormaligen höchsten Reichsgerichten vollkommen entsprechend. f)  Einige andere Fragen, nämlich: von welchem Zeitpuncte an die zur Anwendung dieses Rechtsmittels der Restitution festzusetzende Frist zu laufen anfange; ferner, welche Befugnisse der Ausführung bei diesem Rechtsmittel zustehen; ob und in welcher Art ein Restitutions-Eid abzulegen sey; und endlich, ob und in wie fern dieses Rechtsmittel suspen­ sive Kraft haben solle; diese sämmtlichen Fragen glaube ich hier nur in der Absicht andeuten zu sollen, um selbige als zu einem eignen gutachtlichen Vortrage geeignet zu erachten, und zur Bestimmung auszusetzen. Dieses sind nun diejenigen Grundsätze und Bestimmungen, welche mir bei Streitigkeiten der Bundesglieder unter sich, so wie in Ansehung deren Vermittelung oder richterlichen Entscheidung angemessen scheinen, und daher der Bundesversammlung gutachtlich vorzutragen wären.

129. Preußische Abstimmung über die Vermittlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander und die Aufstellung einer wohlgeordneten Austrägalinstanz

ProtDBV 1817, 26. Sitzung vom 5. Mai 1817, § 152, S. 286–287. Abstimmung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 2, 1817, S. 220−222.

Die in Punkt 5 und 6 der österreichischen Punktation gegenüber den Vorschlägen des Notats vom 3. März 1817 vorgenommenen Modifikationen sind der Sache völlig angemessen, da sie dahin wirken, daß dasjenige, was durch die Bundesversammlung selbst nicht unmittelbar geschehen könne, doch überall unter ihrer Autorisation oder in ihrem Auftrag verrichtet werde. Das Austrägalverfahren zerfällt in Kompromißentscheidungen bei der Bundesversammlung und in Austrägalaussprüche bei den Gerichtshöfen, je nachdem die Gegenstände für die Einleitung eines förmlichen Rechtsganges (wie in privatrechtlichen Streitsachen) oder für einfache Entscheidungen ohne 10 Lat.: neuaufgefundene Tatsachen.

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denselben (wie in völkerrechtlichen oder bundesstaatsrechtlichen Angelegenheiten) geartet sind. Der österreichische Vorschlag zur Bildung einer permanenten Austrägalkommission durch freiwilligen Vertrag ist der preußischen Ansicht der ganzen Sache nicht entgegen, obwohl man sich darüber eine positive Entscheidung vorbehalten müsse. Die Anwendbarkeit und Funktionsfähigkeit der unterbreiteten Vorschläge müsse sich in der Praxis aber erst noch erweisen.

Frankfurt am Main, 5. Mai 1817 Da diejenige Ansicht, welche in der Proposition des präsidirenden Herrn Gesandten ad 5 u. f. erörtert worden1, sowohl mit meiner in Beziehung auf das Notat vom 3. März2 vor Eintritt der Ferien bereits vertraulich eröffneten Privat-Ansicht, als mit der seitdem erfolgten des Königlich-Preussischen Hofes völlig übereinstimmt; so wird Preussischer Seits eben jener Ansicht auch itzt als derjenigen beigetreten, in welcher das allein angemessene Mittel zu liegen scheint, dasjenige, was die Natur der Sache hierunter an die Hand giebt, mit der Vorschrift der Bundesacte in Einstimmung zu bringen, und findet der Gesandte auch die hinzugefügten Modificationen zu Ausführung dieses Mittels der Sache in so fern völlig entsprechend, als sie dahin wirken, daß dasjenige, was durch die Bundesversammlung selbst hierunter nicht unmittelbar geschehen kann, doch überall unter ihrer Autorisation oder in ihrem Auftrage verrichtet werde. Da übrigens, wenn man die Einrichtung ad 5 u. f. annimmt, zu erwarten steht, daß, wenn man nicht von Seiten der Versammlung sogleich nach den Fällen unterscheidet, ein Theil der streitigen Fälle von den Gerichtshöfen, als zu ihrer Entscheidung nicht geeignet, an die Versammlung zurückkommen müsse; so scheint dem Gesandten das letzte Resultat der Sache, so wie er solches bereits früher bemerkt hat, darauf hinauszugehen, daß im Voraus darauf gerücksichtigt werde, demnach die Austrägal-Instanz (in so fern man zuerst das ganze Mittel der Entscheidung bei Streitigkeiten der Bundesglieder damit bezeichnet) in Compromiß-Entscheidungen bei der Bundesversammlung, und in Austrägal-Aussprüche bei den Gerichtshöfen, zerfalle, je nachdem die Gegenstände für Einleitung eines förmlichen Rechtsganges (wie in privatrecht­ lichen Streitsachen) oder für einfache Entscheidung ohne denselben (wie in völkerrechtlichen und bundesstaatsrechtlichen Angelegenheiten) geartet sind. Da diese Ansicht sich im Voraus allgemein und bestimmt fassen und aufstellen zu lassen scheint; so dürfte es vielleicht nicht angemessen seyn, es damit erst auf die Zurücksendungen der Gerichtshöfe in den einzelnen Fällen ankommen zu lassen. Auch ist in dieser Beziehung zu erwägen, daß der Re1 Vgl. Dok. 128. 2 Vgl. Dok. 116.

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Preußische Abstimmung über die Vermittlung bei Streitigkeiten

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curs, den die Gerichtshöfe in solchen Fällen an ihre eigne nächste Regierung nehmen könnten, der gesammten Neuheit des Verhältnisses in Beziehung auf völker- und bundesstaatsrechtliche Gegenstände nicht entsprechen dürfte, indem das ganze Verhältniß dermalen noch nicht als ein völlig entwickeltes und festgestelltes, sondern als ein unter gemeinsamer Bundesverhandlung erst sich bildendes zu betrachten ist, in Hinsicht dessen daher eintretende Schwierigkeiten und Meinungsverschiedenheiten fürs Erste nur noch dahin geeignet scheinen, der gesammten Bundesversammlung vorbehalten, nicht aber der Entscheidung einer einzelnen Regierung bereits überlassen zu werden. Würde übrigens der Sache oder ihrer formellen Fassung die Wendung gegeben, daß Fälle dieser Art, so wie sie keine rechtliche Instruirung und keinen eigent­ lichen Rechtsgang fordern, auch mehr einem freieren Vermittelungsverfahren unterzogen werden, und gar keinen Gegenstand eigentlicher Austrägalsprüche ausmachen sollten; so leuchtet von selbst ein, daß diese Ansicht mit der des Preussischen Gesandten im Wesentlichen zusammenfällt, und derselbe der von ihm angedeuteten Ansicht auch mit dieser Wendung oder Fassung genügt finden würde. In so fern übrigens von irgend einer Seite noch zu näherer Erwägung käme, was die mehrgedachte Proposition ad 1. nur vorübergehend bemerkt, und mit dem Ausdruck: Permanente Austrägal-Commission bezeichnet; so findet der Gesandte ihre Idee, in so fern dieselbe, wie es die Proposition bedingt, „durch freiwilligen Vertrag“ auch jetzt noch begründet, und die Meinung: daß die­ selbe aus der Bundesversammlung selbst hervorgehen und errichtet werden ­könne; – davon entfernt gehalten wird, der Preussischen Ansicht der ganzen ­Sache nicht entgegen, obwohl er sich darüber die positive dermalige Ansicht seines Hofes, deren Mittheilung hierauf nicht gerichtet worden, lediglich vorbehalten müßte. So wie aber überhaupt die hiehergehörigen Feststellungen über ihre Anwendbarkeit und Sufficienz bei aller Voraussicht der erst zu machenden Erfahrung wesentlich veränderter Verhältnisse sich noch werden unterordnen müssen; so mag auch einstweilen dahin gestellt seyn, ob insbesondere für gewisse gemischte Fälle, die in der vormaligen Praxis der Reichsgerichte bekannt genug waren, auch bei der angenommenen Theilung nach den Fällen noch das ganz zutreffende eigne Erledigungsmittel ermangeln, und fernere Anordnungen in Zukunft rathsam erscheinen dürften. Nur scheint auch selbst für dergleichen gemischte Fälle die Verweisung aller Aussprüche in Streitigkeiten der Bundesglieder an die Gerichtshöfe kein zutreffendes Auskunfts­ mittel zu seyn; wogegen diese Fälle noch vielleicht den Gegenstand einer hinzuzufügenden Nebenmodification bei Annahme der Theilung ausmachen würden.

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130. Bayerische Abstimmung über die Vermittlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander und die Aufstellung einer wohlgeordneten Austrägalinstanz

ProtDBV 1817, 26. Sitzung vom 5. Mai 1817, § 152, S. 287–288. Abstimmung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 2, 1817, S. 222−223.

Bayern sieht in der österreichischen Punktation einen neuen Beweis der patrio­ tischen Mitwirkung zur Begründung eines festen Rechtszustandes zwischen den deutschen Bundesstaaten und tritt den österreichischen Vorschlägen weitgehend bei, glaubt jedoch einige Modifikationen in Antrag bringen zu müssen: 1. Einer permanenten Austrägalinstanz stehen so viele Bedenken im Weg, daß Austrägalinstanzen für jeden einzelnen Fall vorzuziehen sind. 2. Die Bundesversammlung hat die Auf­ gabe, die Austrägalinstanz anzuordnen, nicht aber selbst als Austrägalinstanz in ­Erscheinung zu treten. 3. Die vorgeschlagenen Fristen müssen deutlich verlängert werden. 4. Zustimmung zur Wahl oberster Justizstellen als Austrägal­instanz; diese sollen aber nicht im Namen der Bundesversammlung, sondern als ein durch Vereinbarung der Parteien bestelltes Gericht auftreten und das Erkenntnis den Parteien selbst eröffnen, und zwar nicht im Auftrag der Bundesversammlung, sondern als gewählte Austrägal­instanz. 5. Mitteilungen zwischen der Bundesversammlung und der Austrägalinstanz sollen immer durch das Organ des betreffenden Bundestagsgesandten geschehen.

Frankfurt am Main, 5. Mai 1817 Indem Baiern in der Oesterreichischen Punctation1 über die Vermittelung der Bundesversammlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder unter sich, und über Aufstellung einer wohlgeordneten Austrägal-Instanz einen neuen Beweis der patriotischen Mitwirkung zu Gründung eines festen Rechtszustandes zwischen den deutschen Bundesstaaten dankbar erkennt, tritt Dasselbe der Oesterreichischen Abstimmung2 in der Hauptsache vollkommen bei, und glaubt nur folgende geringe Modificationen in Antrag bringen – oder sich zum Theile näher erklären zu müssen. Ad 1 u. 2) Wenn es schon an sich mit dem Begriffe der Souverainetät vollkommen vereinbar wäre, daß sich die Bundesglieder freiwillig und vertragsmäsig auf eine permanente Austrägal-Instanz einverständen; so dürften doch sonst einer solchen Anordnung so viele Anstände im Wege seyn, daß es vorgezogen werden muß, auf die zweite Alternative zu stimmen, vermöge welcher die Austrägal-Instanz für jeden einzelnen Fall zu bilden wäre. Ad 4) ist Baiern mit dem Vordersatze gänzlich einverstanden, jedoch der Meinung, daß der eigentliche Standpunct der Bundesversammlung der seyn 1 Vgl. Dok. 128. 2 Dok. 128.

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Bayerische Abstimmung über die Vermittlung bei Streitigkeiten

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dürfte, dafür zu sorgen, daß die Austrägal-Instanz angeordnet werde, nicht aber selbst als Austrägal-Instanz zu erscheinen. Der Würde der deutschen Regierungen scheint es keinen Eintrag zu thun, wenn die gewählten AusträgalRichter in ihrem eigenen Namen handelten. Es dürfte mit der Stellung des Ganzen nicht wohl zu vereinbaren seyn, daß die Austrägal-Instanz im Namen der Bundesversammlung spreche, da sie keineswegs eine von der Bundesversammlung delegirte, sondern die durch das Compromiß der Parteien übertragene Gerichtsbarkeit auszuüben hat. Ad 5) scheinen die vorgeschlagenen Fristen von 8 oder 14 Tagen etwas zu enge anberaumt, und wenigstens auf 4 bis 6 Wochen festzusetzen zu seyn, da die Entfernung der Betheiligten, die nothwendigen Formen des Geschäftsganges bei den einzelnen Regierungen, die Wichtigkeit des Gegenstandes, oder sonst eintretende Verhältnisse, meistens einen etwas weitern Zeitraum in Anspruch nehmen dürften. Man ist vollkommen damit einverstanden, daß jedesmal die dritte oberste Justizstelle des betreffenden Bundesglieds als gewählte Austrägal-Instanz zu betrachten sey, auch daß sie hier keineswegs als Landesstelle aufzutreten habe, aber auch nicht im Namen und anstatt der Bundesversammlung, sondern als ein auf den Grund der Bundesacte vermöge Compromiß der Parteien bestelltes Gericht. Auch dürfte anstatt eines unmittelbaren Benehmens zwischen der Bundesversammlung und dem Gerichtshofe vorzuziehen seyn, daß dieses durch das Organ des betreffenden Bundesgesandten statt finden möge. Rücksichtlich der Eröffnung des geschöpften Erkenntnisses ist man mit der ersten Alterna­ tive [ein]verstanden, daß das geschöpfte Erkenntniß von dem obersten ­Gerichtshofe selbst den Parteien eröffnet werde, aber nicht aus Auftrag der Bundesversammlung, sondern als gewählte Austrägal-Instanz. Ad 6), c und e, glaubt man in Bezug auf das Obige, daß die Mittheilung zwischen der Bundesversammlung und der Austrägal-Instanz immer durch das Organ des betreffenden Bundesgesandten zu geschehen hätten.

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131. Hannoversche Abstimmung über die Vermittlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander und die Aufstellung einer wohlgeordneten Austrägalinstanz

ProtDBV 1817, 26. Sitzung vom 5. Mai 1817, § 152, S. 288–289. Abstimmung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 2, 1817, S. 223−225.

Die österreichische Punktation ist ein neuer Beweis des Wiener Hofs, die wesentlichsten Zwecke des Bundesvereins zu befördern. Hannover tritt den darin aufgestellten Grundsätzen in der Hauptsache bei, regt jedoch, unter Vorbehalt einer ferneren Abstimmung, folgende Modifikationen an: 1. Die in dem Notatum vom 3. März 1817 lit. a−d gemachten Vorschläge sind völlig angemessen. 2. Sollte die Anordnung einer permanenten Austrägalinstanz noch nicht zu erreichen sein, soll in allen Fällen, wo der Vermittlungsversuch ohne Erfolg bleibt, zunächst die Bundesversammlung darüber entscheiden, ob es sich um eine politische oder juristische Sache handelt, da sie nur im letzteren Fall vor ein Austrägalgericht gehöre, während im ersteren Fall dem Engeren Rat des Bundestags auf Vortrag einer anzuordnenden Kommission die Fassung des Beschlusses zustehe. Verlängerung der Fristen für die Auswahl und Be­ stellung des Austrägalgerichts auf jeweils 6 Wochen. Läßt der Beklagte die Frist verstreichen, schlägt der Engere Rat des Bundestags drei Bundesglieder zur Auswahl vor. Das gewählte Gericht dritter Instanz ist zur Übernahme des Austrägal­auftrags verpflichtet. Das Urteil wird gefällt auf der Grundlage der Deutschen Bundesakte im Auftrag der Bundesversammlung, die auch über dessen Vollziehung wacht.

Frankfurt am Main, 5. Mai 1817 Hannover erkennt zuvörderst mit dem verbindlichsten Danke den neuen Beweis, welchen der Kaiserlich-Oesterreichische Hof durch die der Bundesversammlung vorgelegte umfassende Punctation1 über die, in Streitigkeiten der Bundesglieder unter einander von der Bundesversammlung anzuordnende Vermittelung und Austrägal-Instanz, von seinem unermüdeten Eifer für die Beförderung der wesentlichsten Zwecke des Bundesvereins an den Tag gelegt hat, und wie Hannover den darin aufgestellten Grundsätzen unbedenklich in der Hauptsache beitritt, sieht der Gesandte, auf den Grund der ihm bereits ertheilten Instructionen, und unter dem Vorbehalt einer fernern Abstimmung über einige specielle Puncte zu äussern sich veranlaßt, daß, so viel 1) die Vermittelung bei Streitigkeiten der Bundesglieder unter einander betrifft, die in der Conferenz vom 3. März lit. a bis d gemachten Vorschläge2 völlig angemessen scheinen; daß 2) für die Fälle, wo der Vermittelungs-Versuch ohne Erfolg bleibt, a) Falls die Anordnung einer permanenten Austrägal-Instanz für jetzt nicht zu erreichen stände, mithin es einer Bestimmung bedürfe, wie es in einzelnen 1 Vgl. Dok. 128. 2 Vgl. Dok. 116.

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vorkommenden Fällen mit der Anordnung einer Austrägal-Instanz zu halten sey; zunächst der Bundesversammlung selbst zu beurtheilen überlassen bleiben müsse, ob und wie fern die zu entscheidende Frage politisch oder juristisch anzusehen sey, da nur in dem letzteren Falle sie sich zur Entscheidung eines anzuordnenden Austrägal-Gerichts qualificire, in dem ersteren aber die Fassung eines Beschlusses nur dem engeren Rath des Bundes selbst, auf den Vortrag einer dazu aus seinen Mitteln anzuordnenden Commission, zustehen könne. In dem Falle aber, wo b) die Bundesversammlung die Sache für geeigenschaftet zur richterlichen Entscheidung eines Austrägal-Gerichts erkenne, der Beklagte durch den Weg seines Gesandten aufzufordern sey, binnen einer Frist (welche jedoch, in ­Betracht der grossen Verschiedenheit der Entfernung der Höfe, nicht wohl kürzer als auf sechs Wochen von dem Tage des darauf gerichteten Beschlusses 3an gerechnet3, zu bestimmen seyn dürfte) drei Bundesmitglieder zu benennen und der Bundesversammlung vor Ablauf dieser Frist anzuzeigen, aus welchen der Kläger, binnen einer gleichen Frist von längstens sechs Wochen, von Zeit der ihm von der Bundesversammlung davon gemachten Anzeige eines zu erwählen und das höchste Gericht dieses Bundesgliedes zu benennen habe, auf welches derselbe in Hinsicht der Entscheidung der Streitsache compromitire. c) Daß, falls der Beklagte die bestimmte und unerstreckliche Frist zu Benennung dreier Bundesmitglieder ungenutzt verstreichen lasse, der engere Rath der Bundesversammlung an dessen Stelle dem Kläger drei Bundesmitglieder zu dessen Auswahl benenne; d) die Bundesversammlung den Gesandten des Bundesmitgliedes, dessen oberstes Gericht zum Austrägal-Gericht ernannt worden, auffordere, seinen Hof davon in Kenntniß zu setzen und ihn zu veranlassen, diesem Gericht, unter Entbindung von den ihm geleisteten besondern Dienstpflichten, die Entscheidung der Sache in Auftrag des Bundes und zu Vollziehung der Bundesacte als Austrägal-Instanz zu übergeben; e) die Uebernehmung dieses Austrägal-Auftrags von der bestimmten dritten obersten Justizstelle als eine Bundespflicht anzusehen sey; f) dieser oberste Gerichtshof die Angelegenheit zu instruiren und bis zum Endurtheil fortzuführen und definitive zu entscheiden habe; g) die Erkenntnisse dieses Gerichts, sie seyen interlocutorisch4 oder definitiv, nicht im Namen des Landesherrn, dem dieses Gericht unterworfen ist, sondern auf den Grund der Bundesacte in Auftrag der Bundesversammlung gefället, das definitive Erkenntniß aber nebst den Acten, der Bundesversamm3−3 Emendiert. Vorlage: angerechnet. 4 Interlokut: In einem Prozeß dem Endurteil vorausgehende gerichtliche Teilentscheidung bzw. Zwischenbescheid. Vgl. Haberkern/Wallach, Hilfswörterbuch für Historiker, S. 308.

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lung durch den Weg des Gesandten unverweilt zugesandt werde, damit selbige für die Vollziehung desselben wachen möge. In Ansehung einiger sub n. 6 der Punctation lit. a–f berührten Puncte5, wolle man sich annoch eine nähere Abstimmung vorbehalten; erkenne übrigens die Nothwendigkeit einer Bestimmung über alle diese Puncte vollkommen. Im übrigen sehe man die Fälle, welche nach dem 46. Artikel der Congreßacte6 zur Entscheidung der Bundesversammlung verstellet worden, als unter den Bestimmungen jener Punctation nicht mitbegriffen an.

132. Kurhessische Abstimmung über die Vermittlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander und die Aufstellung einer wohlgeordneten Austrägalinstanz

ProtDBV 1817, 26. Sitzung vom 5. Mai 1817, § 152, S. 289–291. Abstimmung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 2, 1817, S. 226−229.

Kurhessen kann den Anträgen des Notats vom 3. März 1817 hinsichtlich der Vermittlung bei Streitigkeiten unter Bundesgliedern nicht unbedingt beitreten und unter­ breitet deshalb Alternativvorschläge für das Vermittlungsverfahren durch eine Kommission der Bundesversammlung. Beim Scheitern dieses Vergleichsversuchs wird die Streitsache zur richterlichen Entscheidung verwiesen. Eine permanente Austrägalkommission (Bundesgericht) ist mit der Souveränität der Bundesstaaten vereinbar und einer wechselnden Austrägalinstanz vorzuziehen. Für den Fall, daß der Widerspruch gegen eine permanente Instanz anhält, werden Vorschläge für die Bestellung einer wechselnden Austrägalinstanz unterbreitet. Das gewählte oberste Gericht fällt sein Erkenntnis nicht nach den Landesgesetzen, sondern nach gemeinem Recht und den Präjudizien der ehemaligen Reichsgerichte; Publikation aller Bescheide durch das Austrägalgericht und Mitteilung des Hauptbescheids an die Bundesversammlung; Zulassung des Rechtsmittels der Restitution.

Frankfurt am Main, 5. Mai 1817 Der 11. Artikel der Bundesacte1 enthält über die Beilegung von Streitigkeiten unter Bundesgliedern, sehr bestimmte Directiv-Normen. Vorerst soll die Bundesversammlung ihre Vermittelung eintreten lassen, und wenn diese fehl5 Vgl. Dok. 128, S. 605 f. 6 Artikel 46 der Schlußakte des Wiener Kongresses vom 9. Juni 1815 bestimmte die Stadt Frankfurt zur Freien Stadt und Teil des Deutschen Bundes. Die innere Verfassung Frankfurts sollte künftig auf dem Grundsatz der Gleichstellung der drei christlichen Konfessionen in allen bürgerlichen und politischen Rechten beruhen. Streitigkeiten über die Einrichtung und Handhabung der Frankfurter Verfassung sollten durch die Deutsche Bundesversammlung entschieden werden. Vgl. Acte du Congrès de Vienne du 9 Juin 1815, avec ses Annexes, S. 42 f.

1 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512.

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schlägt, soll eine wohlgeordnete Austrägal-Instanz entscheiden. In dieser Vorschrift liegt bereits der Gesichtspunct, von welchem bei näherer Bestimmung der Art und Weise, wie in beiden Fällen verfahren werden soll, auszugehen ist. Schon der Begriff „Vermittelung“ schließt jedes durchgreifende Verfahren aus. – Daher sind Se. Königliche Hoheit der Meinung, daß die Bundesversammlung bei ihren Vermittelungsversuchen sogar den Schein eines richterlichen Verfahrens durch Citationen, Ansetzung von Terminen u. s. w. vermeiden müsse. Sie können deßwegen denen Anträgen, welche in der Conferenz vom 3. März d. J. hinsichtlich des Verfahrens bei der Vermittelung entworfen worden sind2, nicht unbedingt beitreten, sondern tragen auf Nachstehendes an: 1) Sobald von irgend einem der Bundesstaaten die Vermittelung der Versammlung in einer Beschwerde gegen einen andern Bundesstaat nachgesucht wird, so wählt dieselbe einen, höchstens zwei Gesandten aus ihrer Mitte, welche unabhängig von den Instructionen ihrer Höfe, sich diesem Geschäft widmen. 2) Zugleich ersucht sie die Gesandten beider Theile, ihren Höfen oder Committenten den Wunsch der Versammlung vorzutragen, daß sie entweder diese ihre Gesandten, oder Particular-Abgeordnete mit hinlänglichen Vollmachten und Instructionen versehen möchten, um hier in Frankfurt unter Vermittelung der Bundesversammlung einen Vergleich einzugehen. Einen ­ Termin hierzu zu setzten, scheint nicht in der Competenz eines Vermittlers zu liegen. Damit aber die Streitigkeit nicht in unabsehbare Länge gezogen werde, möchte dem klagenden Theile das Recht einzuräumen seyn, wenn binnen 4 Wochen vom Tage des deßfallsigen Ersuchens 3an gerechnet3, kein solcher Bevollmächtigter ernannt, und binnen weiteren 14 Tagen nicht hier eingetroffen wäre, dieses als eine stillschweigende Erklärung des Gegners: daß er zu keinem Vergleiche geneigt sey, ansehen, und sofort auf die richterliche Entscheidung der Sache provociren zu können. 3) Sind die nöthigen Instructionen und Vollmachten der Betheiligten ein­ getroffen, so werden die Vermittelungs-Conferenzen eröffnet, und die be­ auftragten Gesandten suchen die streitenden Theile zu einem gütlichen Vergleiche zu bewegen. Da es möglich ist, daß Auskunftsmittel vorgeschlagen werden, worauf einer oder der andere Theil nicht gefaßt war, worauf er daher seinen Bevollmächigten nicht instruiren konnte, vielmehr diese in den Fall kommen können, öfters weitere Instructionen einholen zu müssen, so läßt sich wohl kein Termin zum Voraus bestimmen, innerhalb dessen der Ver2 Vgl. Dok. 116, Abschnitt I. und II. 3−3 Emendiert. Vorlage: angerechnet.

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gleich zu Stande gebracht werden müsse; indessen dürfte wiederum dem k­ lagenden Theile einzuräumen seyn, wenn binnen 4 Monaten vom Tage der Eröffnung der Vermittelungs-Conferenzen, kein befriedigendes Resultat herbeigeführt worden seyn sollte, eine richterliche Entscheidung zu begehren. 4) Kommt früh oder spät ein Vergleich zu Stande, so hat die Commission der Versammlung davon Anzeige zu machen. Die Vergleichs-Urkunde wird im Original, die gegenseitigen Ratifications-Urkunden in beglaubter Abschrift im Bundesarchiv hinterlegt, und der Bund übernimmt die Garantie des Vergleichs. 5) Wird aber der gewünschte Zweck nicht erreicht, so hat die Commission dieses gleichfalls speciell anzuzeigen, und der Streit wird zur richterlichen Entscheidung verwiesen. Seine Königliche Hoheit können nicht umhin, bei dieser Gelegenheit öffentlich den Wunsch zu wiederholen, daß man auf die Idee eines permanenten Bundesgerichts zurückkommen möge. Nach der so sehr gegründeten Bemerkung des Oesterreichischen voti4, würde es keineswegs mit der Souverainetät im Widerspruch stehen, wenn die Bundesglieder freiwillig und vertragsmäsig einer gemeinschaftlich aufzustellenden Instanz, deren Vollmacht auf einem Compromiß beruhen und welche im Namen des ganzen Bundes Recht sprechen würde, ihre Streitigkeiten zur Entscheidung überließen. Zu schnellerer und gleichförmigerer Rechtsverwaltung würde ein solches permanentes Gericht, es heiße nun Austrägal-Commission oder Bundesgericht, gewiß zweckmäsigerer seyn, als die wandelnde und wechselnde Austrägal-Instanz; und wenn seine Competenz auf Streitigkeiten unter Bundesgliedern beschränkt würde, so wäre davon auch keine Einmischung in die innere Staatsverwaltung zu besorgen. Wenn indessen der mehrseitige Widerspruch gegen ein solches permanentes Gericht fortdauert, so ist freilich dringend nothwendig, daß die durch die Bundesacte vorgeschriebene Austrägal-Instanz zweckmäsig organisirt werde, und unter dieser Voraussetzung nehmen Seine Königliche Hoheit keinen Anstand, dem Vorschlage beizupflichten, der schon früherhin von Königlich-Baierischer Seite geschehen5, und nun auch von Oesterreich angenommen worden ist. Es würde demnach 1) innerhalb 14 Tagen von demjenigen an gerechnet, an welchem die Anzeige von dem fehlgeschlagenen Vermittelungs-Versuch, und die Erklärung des klagenden Theils, daß er nun eine richterliche Entscheidung fordere, bei der Bundesversammlung erfolgt ist, der Beklagte drei Bundesglieder vorzuschlagen haben, aus welchen der Kläger innerhab weiterer 14 Tage einen zum Richter wählte. 4 Vgl. Dok. 128. 5 Vgl. Dok. 129.

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2) Sowohl Vorschlag als auch Wahl hätte bei der Bundesversammlung zu geschehen, welcher das Recht einzuräumen wäre, durch Majorität sowohl Vorschlag als Wahl vorzunehmen, wenn einer oder der andere Theil diesen Termin unbenutzt verstreichen ließe. 3) Der Gesandte des Gewählten würde sodann ersucht, die geschehene Wahl seinem Hofe zu hinterbringen, und dieser übertrüge der obersten Gerichtsstelle in seinen Staaten, die Streitsache zur Instruirung und Entscheidung. 4) Da das betreffende Gericht für diesen Fall aller Pflichten gegen seinen Landesherrn ausdrücklich zu entbinden wäre, so dürfte auch die Annahme unter keinem Vorwande verweigert werden. 5) Gesetzt, daß das oberste Gericht für inländische Appellationssachen in mehrere Senate getheilt wäre, so würde doch eine solche ausländische Streitsache vor dem Pleno zu verhandeln seyn. 6) Das processualische Verfahren hätte das betreffende Gericht nach der überhaupt von ihm beobachteten Ordnung und Observanz einzurichten; das Erkenntniß aber, in Ermangelung besonderer Entscheidungs-Normen, nicht nach den Landesgesetzen, sondern nach gemeinem Recht, und den Präjudi­ cien der vormaligen Reichsgerichte zu fällen. 7) Die Publication des Hauptbescheids wie der Zwischenbescheide möchte füglicher von dem gewählten Gerichte als von der Bundesversammlung geschehen. Nur wäre durch den Gesandten des gewählten Hofes, der Haupt­ bescheid der Bundesversammlung mitzutheilen, damit dieselbe auf dem geeigneten Wege für die Ausführung Sorge trage. 8) Eine Zeit zu bestimmen, binnen welcher der Rechtsstreit beendigt seyn müsse, ist nicht wohl thunlich. Ein Proceß, der viele Zwischenbescheide z. B. ein ganzes Beweisverfahren erheischt, hält länger auf als ein anderer, oft wird das Gericht durch Saumseligkeit der Parteien verhindert vorzuschreiten, öfters können denselben die erbetenen Fristen-Erstreckungen nicht wohl verweigert werden. Hinsichtlich der Zeit möchte daher gar nichts vorzuschreiben, dagegen zu bestimmen seyn, daß, wenn nach Ablauf eines Jahrs vom Tage der eingereichten Klage an, kein Endurtheil erfolgt ist, der Bundesversammlung durch den Gesandten des gewählten Hofes, über die Ursachen der Verzögerung Auskunft gegeben werde. 9) Ohngeachtet die Worte der Bundesacte kein Rechtsmittel gegen das Erkenntniß der Austrägal-Instanz gestatten, so scheint doch die restitutio in integrum ex capite novorum6 nicht wohl einem oder dem andern der streitenden Theile verweigert werden zu können. Das Gesuch darum möchte zwar bei der 6 Lat.: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus einem neuen Tatbestand. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 110 und 262.

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Bundesversammlung anzubringen, allein von dieser sogleich an das Gericht zu verweisen seyn, welches das Endurtheil gefällt hat. Schwer ist es, das Recht um Restitution nachzusuchen, auf eine bestimmte Zeit zu beschränken, wenigstens möchte dazu kein gar zu kurzer Termin anzuberaumen seyn.

133. Mecklenburgische Abstimmung über die Vermittlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander und die Aufstellung einer wohlgeordneten Austrägalinstanz

ProtDBV 1817, 26. Sitzung vom 5. Mai 1817, § 152, S. 292–294. Abstimmung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 2, 1817, S. 230−234.

Die im Notat vom 3. März 1817 festgehaltenen Vorschläge hinsichtlich der Vermittlung von Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander sind völlig angemessen und vorerst ausreichend. Die Bildung einer wohlgeordneten Austrägalinstanz durch die Bundesversammlung ist deren freier Übereinkunft überlassen. Befürwortung einer permanenten Austrägalinstanz und Betonung ihrer Vorteile: eine durchgehendere Anwendung gleichmäßiger Rechtsgrundsätze und -verfahren, geringe Kosten und größere Unabhängigkeit einer permanenten Instanz; neben sämtlichen Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander könnte man ihr auch die Zuständigkeit für die an den vormaligen höchsten Reichsgerichten anhängig gewesenen und bei Auflösung des Alten Reichs noch unentschiedenen Rechtsstreitigkeiten übertragen, außerdem die Begutachtung bedeutender Privatreklamationen, die bei der Bundesversammlung eingehen. Sofern sich die Mehrheit gegen eine permanente Austrägalinstanz entscheidet, werden die alternativen Vorschläge der österreichischen Punktation für zweckmäßig erachtet und lediglich einige Modifikationen angeregt. Um die Befolgung der Austrägalurteile zu sichern, ist der Erlaß einer Exekutionsordnung notwendig.

Frankfurt am Main, 5. Mai 1817 Die diesseitige Gesandtschaft hat nach den eingegangenen Instructionen nachstehende Abstimmung hier zu Protokoll zu geben: 1) Zu derjenigen Vermittelung, welche die Bundesversammlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder unter einander nach der Bundesacte1 zu übernehmen hat, werden die Vorschläge, welche deßhalb in der Conferenz vom 3. März d. J. ad. I. a−d gemacht sind2, als völlig angemessen und zuvörderst genügend befunden, bis etwa noch durch die Erfahrungen dabei eine weitere Anleitung sich ergeben dürfte. 2) Für diejenigen Fälle, in denen nach solcher vergeblich versuchten Ausgleichung eine richterliche Entscheidung nothwendig würde, ist eine wohl­ 1 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512 (Artikel 11). 2 Vgl. Dok. 116.

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geordnete Austrägal-Instanz von der Bundesversammlung zu bewirken. Die Bildung derselben ist gänzlich der freien Ueber­einkunft und Berathung der Bundesversammlung überlassen. In dem commissarischen Vortrage über die Reihefolge, dritte Beilage3, sind darüber von a−d vier verschiedene Mittel und Wege angegeben. Das Notat der Conferenz vom 3. März d. J. hat nur ­einen derselben herausgehoben, unter der Voraussetzung, wie es gehalten werden könnte, wenn die Höfe und Committenten vielleicht es wünschen und verlangen möchten, daß jene richterliche Entscheidung von der Mitte der Bundesversammlung selbst ausgehen sollte. Ein judicium formatum4 ist offenbar nur dazu erforderlich, und sobald, oder in so fern die Bundesversammlung ein solches zureichend aus ihrer Mitte zu bilden vermag, wird auf den Wunsch der Betheiligten, oder in besonders geeigneten Fällen, solches unbedenklich auch in der Art, wie das gedachte Notat ad II. es andeutet, geschehen können. Nur als gewöhnliche Form und Regel zur Austrägal-Instanz scheint dieser Weg doch manche Bedenklichkeiten zu haben, und dürfte nicht der annehmlichste seyn, sondern man würde 3) diesseits unter den vier in der Reihefolge bemerkten Arten der sub d den Vorzug geben, indem die Bundesversammlung eine, mit einer angemessenen Anzahl völlig unabhängiger Richter besetzte Austrägal-Instanz anordnete, welche dann für alle vorkommende Streitigkeiten, die von Bundesgliedern bei der Versammlung angebracht werden, im Wege Rechtens zu verfahren und zu entscheiden haben würde. Die mehreren Vortheile einer solchen von dem Bunde durch die Versammlung gleichsam ausgehender Rechtskammer oder permanenten Austrägal-Commission lassen sich wohl nicht verkennen. Schon die Wahl und Bestellung der Richter kann mehr auf den eigentlichen Zweck, auf ihre Bestimmung und deren Erfüllung gerichtet seyn; man wird denselben auch die Gegenstände von gemischter staatsrechtlicher und civilrechtlicher Natur alsdann zuversichtlich anvertrauen können. Rechtsgrund­ sätze und Rechtsverfahren werden mehr durchgehend und gleichmäsiger in Anwendung gebracht, während von den obersten Gerichtshöfen, in den so unterschiedenen Gegenden Deutschlands, sich nach den abweichenden Ansichten von Rechtstheorien und einer dort einmal angenommenen Praxis, wie auch bei den besonderen Prozeß-Ordnungen, doch nicht ein gleich feststehendes Recht und dieselben Aussprüche in den ähnlichen Sachen erwarten ­lassen. Die Actenversendungen5 zum Spruche an die verschiedenen Universitäten 3 Vgl. Dok. 114, Beilage 3. 4 Lat.: förmliches Gericht. Vgl. Glossarium Germanico-Latinum vocum obsoletarum primi et medii aevi, inprimis Bavaricarum, T. 1, Sp. 104. 5 Besonders im 17. und 18. Jahrhundert weit verbreitete Gewohnheit, Prozeßakten von einem Untergericht an ein Obergericht, eine Juristenfakultät oder einen Schöffenstuhl zu versenden,

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zeigen wenigstens in häufigen Beispielen, welche abweichende und widersprechende Urteln in derselben Sache und in andern gleichen, dabei eingeholt werden. Diese Austrägal-Commission brauchte gewissermaßen nur zusammenzukommen, je nachdem sich ihr Geschäfte darböten, oder sie von der Bundesversammlung berufen würde; sie wäre nur in so fern permanent, als die streitenden Theile versichert wären, stets dieselben Richter zu finden. Inzwischen würde sie vor der Hand genugsam beschäftigt seyn, wenn sie die gewiß nicht unbedeutende Anzahl von Rechtsstreitigkeiten und Prozessen, welche unter den jetzigen Mitgliedern des deutschen Bundes bei den vorma­ ligen höchsten Reichsgerichten anhängig und zur Zeit der Auflösung des Reichs noch unentschieden waren, in so fern deren mehrere auch noch gegenwärtig einer Rechtsentscheidung bedürfen, abzumachen hätte. Schon in dem commissarischen Vortrag wegen der Reihefolge ist dieses Bedürfniß angedeutet, und es wird sonst immer eine Vorkehr getroffen werden müssen, um auch für solche vielen noch unentschiedenen Streitigkeiten von Bundesgliedern, einen Rechtszustand herbeizuführen, so wie dazu die noch brauchbaren Acten in den Archiven der vormaligen Reichsgerichte auszusondern und zu benutzen. – Ausserdem werden der Austrägal-Commission auch die Relationen in bedeutenden Privat-Reclamationen, die bei der Bundesversammlung eingehen, sehr füglich übertragen werden können. Die Bestellung dieser Richter könnte leicht von der Bundesversammlung nach einem Turnus nach den Stimmen geschehen, oder indem abwechselnd ein Theil der Versammlung eine Anzahl von Candidaten vorschlägt, und der andere daraus wählt. Die Kosten würden für den ganzen Bund nicht in Betracht kommen, und könnten allenfalls auch nach den Stimmen in der Bundesversammlung vertheilet und aufgebracht werden. Die Zahl von fünf bis sechs Richtern würde gewiß genügen. – Auf diese Weise bewirkte die Bundes­ versammlung, wie ihr aufgegeben ist, sowohl eine wohlgeordnete, wie eine eigentliche Austrägal-Instanz, indem sie sie6 selbst anordnete. Die obersten Gerichtshöfe der einzelnen Bundesstaaten dagegen können nur vorübergehend, von ihr bestellet werden, ohne daß sie solche entweder dazu ernennt, noch sie genugsam kennen kann. Es ist auch natürlicher, daß wenn die streitenden Bundesstaaten sich an die Bundesversammlung wenden, um ihre Sache auszumachen, derselben andere Mittel und Wege noch zu Gebote stehen, als worauf sie auch ohnedem compromittiren können, wie dieß bei dem ober um zunächst nur eine Rechtsbelehrung einzuholen. Daraus entwickelte sich schließlich in vielen Territorien ein Zwang zur Aktenversendung, sei es allgemein oder in besonderen Rechtsfällen, so daß der Spruch der befragten Instanz den Fall dann auch tatsächlich entschied. Vgl. Haberkern/Wallach, Hilfswörterbuch für Historiker, S. 31. 6 Emendiert. Vorlage: sich.

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Mecklenburgische Abstimmung über die Vermittlung bei Streitigkeiten

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sten Gerichtshof eines dritten Bundesstaats seyn würde. Völlig unabhängig von jeglichen Beziehungen und fremd von irgend einem Einfluß oder einer Einwirkung, wird diese Austrägal-Commission immer mehr wie jeder oberste Gerichtshof eines einzelnen Bundesstaats seyn können. – Die Befugnisse und die Schranken einer solchen Austrägal-Commission aber ergeben sich dermaßen aus ihrer ersten und alleinigen Bestimmung, daß sie diejenigen Streitigkeiten der Bundesglieder, welche bei der Bundesversammlung angebracht und ihr von dieser zum Rechtsverfahren und zur Entscheidung zugewiesen werden, nur zu richten hat, um keine Besorgniß einer anmaßenden Ausdehnung hegen zu dürfen. In dieser Hinsicht ist man diesseits mit dem ersten Vorschlage der Kaiserlich-Oesterreichischen Abstimmung7 völlig einverstanden, und will hierdurch vorzugsweise auf die Errichtung einer solchen permanenten AusträgalInstanz oder Commission antragen. 4) Sollte jedoch die Mehrheit der Stimmen sich überwiegend und entschieden dagegen erklären; so wird freilich zunächst weiter nur derjenige Weg zu erwählen seyn, der ad 5 der Kaiserlich-Oesterreichischen Abstimmung bezeichnet, und näher ausgeführt ist, wobei den obersten Gerichtshöfen der ­einzelnen zu Austrägal-Richtern gewählten Bundesgliedern die Entscheidung der Streitigkeiten übertragen wird. Es soll dieses zwar so geschehen, daß, wie es ad 4 in jenem Voto heißt, „nur die Bundesversammlung und keine auswärtige Behörde unmittelbar als Austrägal-Instanz erscheine“8. Allein eben darin liegt auch, daß diese nur immer wie ein Behelf, oder wie ein Surrogat, für die eigentlich nothwendige, unmittelbar von der Bundesversammlung ausgehende richterliche Behörde, wie für eine Anstalt, die seyn sollte, erscheinen kann. Soviel sich indessen unter diesen Umständen von einer solchen Einrichtung erreichen läßt, hat die Kaiserlich-Oesterreichische Abstimmung ad 5 gewiß sehr zweckmäsig zusammengestellt, und würde man diesen Vorschlägen eventualiter, wenn keine permanente Austrägal-Instanz bewirkt werden könnte, mit Vorbehalt etwaniger weiterer Erörterung, diesseits beitreten. Es stünde dabei vielleicht noch zu erinnern, daß die dort proponirten Fristen von acht bis vierzehn Tagen auf vier bis sechs Wochen, wegen der entlegenen Bundesglieder, ausgedehnt werden möchten, um diese wirklich in den Stand zu setzen, in einem solchen Zeitraum den Vorschlag, oder die Wahl der Richter vorzunehmen. Bei den Erkenntnissen der obersten Gerichtshöfe scheint der Vorschlag ad a wohl angemessener, „denselben es alsdann auch zu überlassen, ihre Erkenntnisse ausdrücklich im Namen und Auftrag des Bundes den 7 Vgl. Dok. 128. 8 Vgl. Dok. 128, Zitat S. 603 f.

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Parteien zu eröffnen“9. Einer nähern Bestimmung möchte es auch wohl bedürfen, wie es zu halten, wenn die grossen Staaten, welche mehrere oberste Gerichtshöfe, zuweilen für jede Provinz deren einen zu haben pflegen, zu Austrägal-Richtern gewählt werden; und wenn alsdann der Hof das Gericht nicht ernennen soll, in wie fern solches von der Wahl des Klägers abhängen könnte? Die übrigen organischen Anordnungen werden sich in Gemäßheit treffen lassen, so wie solche ad 6 der Kaiserlich-Oesterreichischen Abstimmung bezeichnet sind. Zugleich wird aber in einer Executions-Ordnung auch Bestimmung zu nehmen seyn, um die Befolgung der Austrägal-Urtheile im Falle der Verweigerung zu sichern. Schließlich wäre hiebei nur noch zu bemerken, daß bloß wegen solcher Streitigkeiten der Bundesglieder unter sich, welche einer richterlichen Entscheidung bedürfen, mithin ein Rechtsverfahren nach Rechtsgrundsätzen erfordern, die Veranstaltung getroffen wird. Dieses kann jedoch wohl nicht verhindern, noch der Bundesversammlung die Befugniß nehmen, bei denjenigen Zwistigkeiten und Beschwerden von Bundesgliedern, die aus ihren Beziehungen und Verhältnissen zum Bunde selbst unter einander, oder mit der Gesammtheit entstünden, so wie bei Störungen der innern Ruhe und des Friedens wirksam einzuschreiten, aber auch unmittelbar dasjenige Verfahren einzuleiten, was sie selbst nach ihren Beschlüssen dabei für angemessen befinden wird.

134. Hardenberg an Goltz

GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 796. Weisung. Behändigte Ausfertigung.

Der preußische Hof kann weder der österreichischen Punktation über die Aufstellung einer wohlgeordneten Austrägalinstanz noch dem Aufsatz des Geheimen Legationsrats Himly seinen unbedingten Beifall erteilen. Ablehnung einer permanenten Austrägalinstanz und für jetzt auch eines Bundesgerichts. Die Bundesversammlung könne weder ein instruierendes noch ein entscheidendes Gericht sein, sondern solle lediglich eine notwendig gewordene richterliche Entscheidung durch eine Austrägalinstanz bewirken. Fordert längere Fristen für die Wahl der Bundesglieder, deren höchste Gerichtshöfe als Austrägalgericht fungieren sollen; das Austrägalgericht könne dabei weder als Landesstelle noch im Namen oder anstatt der Bundesversammlung bzw. vermöge deren Auftrags erscheinen; jede unmittelbare Berührung zwischen der Bundesversammlung und den obersten Gerichtshöfen ist deshalb zu vermeiden. Schlägt den Verzicht auf eine konkretere Kompetenzbestimmung vor: Die Austrägal­ instanz solle für Fälle, die sich zu derselben eignen, stattfinden, um zu signalisieren, 9 Vgl. Dok. 128, S. 605.

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daß nicht alles vor ein Austrägalgericht gehöre; bestimmte Festsetzungen der Bundesakte können dabei als Stützpunkte dienen. Eine ruhige und zunächst vertrauliche Beratung der Materie könne in Harmonie mit Österreich die Annahme der preußischen Grundsätze und Ansichten befördern.

Neuhardenberg, 30. Mai 1817 Nachdem ein vorläufiger Bericht Ew. Excellenz über die XXVte Sitzung1 die Materie von der Austrägal-Instanz dargestellt hatte2, war eine Antwort darauf von mir bereits in Bereitschaft, als Ew. Excellenz spätere Berichte über eben denselben Gegenstand eingiengen. Ich behalte daher jene Antwort zurük, um dieselbe durch das gegenwärtige Schreiben zu vervollständigen und zu erweitern. Ich werde mit der bisher von mir beobachteten Freimüthigkeit und völliger Bestimmtheit die Grundsätze des Preußischen Hofes in dieser Sache aussprechen. In einer Sache von so vielem und so wichtigem Detail aber ist eine große Verschiedenheit der Ansichten so vieler Bundesglieder zu erwarten. Desto sorgfältigere Prüfung nun ist nöthig, um zu bestimmen, in welchen etwan unwesentlichen oder minder wesentlichen Punkten, die, ohne Nach­ theil sich so, oder anders gestalten können, man nachgeben könne, und in ­welchen wesentlichen Punkten hingegen man beharrlich auf den diesseitigen Grundsätzen und Ansichten bestehen müsse. Dieses werde ich theils ausdrüklich sagen; theils werden es Ew. Excellenz aus dem Geiste Ihrer Instructionen, und aus Ihrer Kunde der Grundsätze guter und ächter Rechtspflege, entnehmen können. Nach diesem Eingange gehe ich nun in die nähere Betrachtung der Angelegenheit ein. 1. Sehr erfreulich ist es, in der Oesterreichischen gedruckten Punktation3 eine Grund-Idee zu finden, welche übereinstimmt mit der diesseitigen ganz ­entschiedenen Ueberzeugung, daß in keinem Falle die Bundes Versammlung ein instruirendes oder entscheidendes Gericht, oder Surrogat eines solchen Gerichts, oder überhaupt Richter, seyn könne. Hierbei verbleibt es dergestalt, daß der Preußische Hof hievon unter keiner Bedingung abgehen wird.

1 Vgl. ProtDBV 1817, 25. Sitzung vom 1. Mai 1817, S. 273−279. 2 Vgl. Vorläufiger Bericht von der Goltz’ an König Friedrich Wilhelm III., Frankfurt am Main, 3. Mai 1817, GStAPK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2027. 3 Vgl. Dok. 128.

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2. Treffend sind einige Bemerkungen in dem Aufsatze, mit seiner Beilage, welcher der Herr Geheime Legations Rath Himly zum Verfasser hat.4 Aber 3. einen unbedingten Beifall kann der Preußische Hof weder jener Oesterreichischen Punktation noch diesem Aufsatze des Herrn p. Himly ertheilen. Ich gehe demnach, im Nachstehenden, zuvörderst die Oesterreichische Punktation, und demnächst den Aufsatz des Herrn p. Himly und die Beilage dieses Aufsatzes durch. Also erstlich die Oesterreichische Punktation 4. (zu I. derselben) Allerdings wird die Bundes Versammlung die Behörde seyn, bei welcher Streitigkeiten der Bundesglieder unter sich anzubringen sind. Wie ich aber schon neulich äußerte, hat diese Anbringung erst dann statt, wenn ein Bundesglied, wider welches ein anderes Bundesglied Beschwerde hat, sich der Güte, und auch der Austrägal Instanz weigert. 5. (zu III. 1. der Oesterreich. Punktation) Wie jetzt diese Sache liegt, kann die aufgestellte, und seitdem von andern Höfen sehr dringend und umständlich alternativ aufgestellte Idee einer permanenten Austrägal-Instanz für alle und jede zur Austrägal-Entscheidung geeignete Fälle von Streitigkeiten zwischen Bundesgliedern, nicht Beifall verdienen, und auch von einem Bundes Gericht 5für jetzt5 nicht die Rede seyn.   Eine Analogie aus der Zeit, da Kaiser und Reich vorhanden waren, findet hierbei nicht statt. Der Bund ist ein auf Jahrhunderte gegründetes Institut. Viel Trefliches und Herrliches kann aus ihm im Laufe der Zeit hervorgehen. Für jezt aber läßt sich nicht hoffen, daß der Versuch der Anordnung eines Bundes Gerichts, oder einer im bezeichneten Sinn permanenten Austrägal-Instanz, einen fruchtbaren und heilsamen Erfolg haben könne.   Daher wiederhole ich hier als bestimmte Ansichten und als bestimmte Grundsätze des Preußischen Hofes, was ich Ew. Excellenz in meinem Schreiben vom 16[te]n v. M.6 über die Bildung der Austrägal-Instanz gesagt habe, und erwarte von Ihrer heilsamen Einwirkung, daß Sie in Uebereinstimmung mit dem Kaiserlich Oesterreichischen Gesandten, den Bund auf diese Grundsätze und auf diese Ansichten hinlenken werden. 4

Vgl. Himlys Aufsatz „Die anzuordnende Austrägalinstanz betreffend“ (= Anlage B zum Bericht von der Goltz’ an König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, Frankfurt am Main, 3. Mai 1817), GStAPK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2027. 5–5 Doppelt unterstrichen. 6 Vgl. Dok. 127.

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6. (Zur Oesterreichischen Punktation III. 4.) Hier wird es auf eine sehr sorgfältige Faßung ankommen. Die Worte der Bundes Akte Artikel XI lauten wie folget „falls dieser Versuch (der Vermittelung durch einen Ausschuß) fehlschlagen sollte, und dennoch eine richterliche Entscheidung nothwendig würde, solche durch eine wohlgeordnete Austrägal-Instanz, zu bewirken“.7 Wenn nun nach der Idee der Oesterreichischen Punktation „nur die Bundes Versammlung und keine auswärtige Behörde unmittelbar als Austrägal-Instanz erscheinen soll“8 so ist dieser Ausdruk eigentlich ein ganz unrichtiger, und wenigstens ein sehr uneigentlicher. Bewirken soll die Bundes Versammlung die nothwendig gewordene richterliche Entscheidung, durch eine wohlgeordnete Austrägal-Instanz.   Nicht soll die Bundes Versammlung selbst diese Austrägal-Instanz seyn, oder als solche erscheinen.   Die Wahl des Ausdrucks bei der Fassung der Bestimmungen wird nicht gleichgültig seyn, damit nicht aus uneigentlichen Ausdrücken in einer so wichtigen Sache nachtheilige Folgerungen gezogen werden. 7. (Zur Oesterreichischen Punktation III. 5.) Allerdings muß es ein Mittel geben, wie, nach vergeblich versuchter Vermittelung, der Beklagte dahin zu bringen sey, dem Kläger drei und noch besser vier Bundesglieder vorzuschlagen, aus denen der Kläger eines zu wählen habe, und eben so muß es ein Mittel geben, den Kläger zu dieser Wahl zu vermögen.   Es scheint sehr angemessen, richtig und heilsam zu seyn, daß, in beiden Fällen, nemlich bei Zögerung der Benennung der drei oder vier Mitglieder, und bei Zögerung der Auswahl eines derselben, die Bundes Versammlung an die Stelle des Zögernden trete, und, anstatt seiner, respective benenne und wähle. Der Zögernde hat sich, durch seine Verzögerung, die Anwendung dieser Anordnung selbst beizumessen.   Aber, bei allem gerechten Wunsch der Beschleunigung, sind doch die dazu in Antrag gebrachten unerstreklichen Fristen von 8 bis 14 Tagen viel zu kurz. Es muß hinlängliche Zeit vorhanden seyn, zum Berichten und zum Einholen von Instruction. 8. (Zur Oesterreichischen Punktation III. 5.) Der höchste Gerichtshof des solchergestalt bestimmten Bundesgliedes wird die gewählte Austrägal-Instanz.   Dieser Gerichtshof erscheinet hiebei nicht als Landesstelle, aber auch eigentlich keinesweges im Namen und anstatt der Bundes Versammlung oder vermöge deren Auftrags. 7 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512. 8 Vgl. Dok. 128, S. 603 f.

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  Denn selbst da, wo die Bundes Versammlung, im Falle der Zögerung, Bestimmung trift, tritt sie an die Stelle respective des Klägers oder des Beklagten, und das Wesen und die Natur dieser Austrägal-Instanz beruhet also auf der Wahl der Parteyen.   Die Notifikation dieser Wahl gehet am besten durch die Bundes-Versammlung an den Bundes Gesandten des gewählten Hofes. Dieser berichtet an seinen Hof, und dieser ertheilet seinem höchsten Gerichtshofe Auftrag zu einer pflichtmäßigen gesezlichen, von dem Hofe durchaus nicht unfluencirten Instruction und Entscheidung.   Unmittelbare Berührung der Bundes Versammlung und des höchsten Gerichtshofes sind durchaus zu vermeiden. Die Mittheilung vom Gerichtshofe an die Bundes Versammlung muß also durch eben diesen Weg zurükgehen. Nemlich der Gerichtshof wendet sich an seinen Hof, dieser an seinen Bundestags Gesandten, dieser an die Bundes Versammlung.   Es wird Ew. Excellenz leicht seyn, diesem richtigen Gange bei Oesterreich und bei der ganzen Bundes Versammlung Beifall zu verschaffen.   9. (Zur Oesterreichischen Punktation III. 5.a. und b.)   Am besten ist es wohl, wenn das zur Austrägal-Instanz bestimmte Gericht seinem Hofe das Urtheil in beglaubtester Form überreicht, und dieser die Eröfnung an die Parteyen bewirkt, nach Befinden unmittelbar, nach Befinden durch jenes Gericht selbst, oder auch durch Sendung an seinen Bundestags Gesandten, welcher das Urtheil der Bundes Versammlung übergiebt, zur Eröfnung an die Parteyen.   Der Preußische Hof zweifelt nicht, daß eine zwekmäßige Form hiezu werde gefunden werden.   Immer ist das Wesentliche vor Augen zu halten, nemlich: die Kraft der Austrägal-Instanz beruhet auf der Bundes Akte, und auf dem Typus, der jezt festgesetzet wird, also darauf, daß die Parteyen die Austrägal-Instanz in vorgedachter Art wählen, oder, bei ihrer Zögerung, die Bundes Versammlung, anstatt ihrer, wählet. 10. (Zur Oesterreichischen Punktation III.  6.a. und b.) giebt man diesseitig der Ansicht Beifall, daß die Prozeß-Instruction nach der Prozeß-Ordnung, welche der betreffende oberste Gerichtshof überhaupt beobachtet, erfolgen müsse, und daß das Erkenntniß, in Ermangelung von besondern Entscheidungsquellen, als z. B. Verträgen, Pacten, Testamenten, nach den in Deutschland hergebrachten gemeinen Rechten erfolgen müsse, nemlich dem Privatrecht der Fürsten, dem deutschen Recht und dem römischen Recht. 11. (Zur Oesterreichischen Punktation III.  6. litt. c.) Aus dem oben schon ­Gesagten folgt, daß auch hier die unmittelbare Berührung zwischen der Bundes Versammlung und dem obersten Gerichtshofe nicht statt findet,

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vielmehr der Gerichtshof die Gründe des Verzuges seinem Hofe, von welchem er unmittelbar Auftrag erhalten hat, anzeigt, welcher Hof, durch seinen Bundestags-Gesandten, der Bundes Versammlung Kenntniß mit­ theilt. 12. (Zur Oesterreichisch. Punktation III. 6. litt. d.) Hier wird große Vorsichtigkeit nöthig seyn, damit die angeblichen Nova9 wirklich noviter reperta10 seyen. Denn sonst würde es in der Willkühr einer jeden Parthey ­stehen, bei der Instruction etwas geflissentlich nicht zum Vorschein zu bringen, um, nach der Entscheidung, damit, als mit einem Novo aufzu­ treten. 13. (Zu der Oesterreichschen Punktation III.  6.e.) Dieser Gang ist zwekmäßig. Doch ist auch hier die unmittelbare Berührung der Bundes Versammlung und des Gerichtshofes zu vermeiden. 14. Zweitens, zum Aufsatz des p. Himly und zur Beilage dieses Aufsatzes.   Es ist allerdings wahr, daß nicht ein jeder zwischen Bundesgliedern entstehende Streit sich zur Austrägal-Instanz eignet.   Als Beispiel eines nicht zur Austrägal-Instanz geeigneten Streits zwischen Bundesgliedern ist in dem p. Himlyschen Aufsatze der Fall bemerkt, wenn die Theilhaber einer Curiatstimme sich über die Art der Führung derselben nicht einigen können. Die Zahl solcher Beispiele ließe sich fast in das Unendliche vermehren. Soll man nun in diese unendliche Einzelnheiten jetzt eingehen, oder soll man einen obersten Grundsatz aufsuchen, der, in wenig sehr gewählten, sehr bestimmten Worten, ausdrücke, was eine zur Austrägal Instanz sich eignende Rechtssache sey, und was keine sey?   Der Preußische Hof hält dafür, daß beide Versuche nicht zu machen sind. Der erste würde auf ein Meer ohne Ufer führen, der andere in subtile Erörterungen, die auch zu keinem Ziele gelangen; weil der sorgfältigst gewählte und bestimmte Ausdruck des obersten Grundsatzes, in der Anwendung, noch auf genug Unbestimmtheiten und Schwierigkeiten führen würde.   Der bewährt befundene Weg, die Bundes Akte zum Grunde zu legen, wird auch hier am sichersten leiten.   Die Bundes Akte selbst giebt im siebenten Artikel Normen darüber, was in der engern Versammlung, was in pleno, was durch Mehrheit der Stimmen, was durch absolute, was durch relative Mehrheit, was endlich weder in der engern Versammlung noch in pleno durch Stimmen-Mehrheit entschieden werden kann.   9 Lat.: neue Tatbestände. 10 Lat.: neu entdeckte (Tatbestände, Beweismittel).

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  Daß alle diese so eben bezeichneten Sachen nicht ein Gegenstand der Entscheidung einer Austrägal-Instanz werden können, das ist klar. Das Gegentheil hievon würde die Austrägal-Instanz über den Bund erheben.   Aber eben weil dieses klar ist, und weil es schon bestimmt ist, bedarf es keiner neuen Bestimmung.   Fängt man ferner an, zwischen völkerrechtlichen, staatsrechtlichen, privatrechtlichen Streitigkeiten, oder zwischen juristischen und politischen, zu unterscheiden, so theoretisch begründet, an sich, diese Unterscheidungen sind, so wird des Streitens hierüber gar kein Ende.   Ein alter Grenzstreit zwischen zween Bundesstaaten, auf einer alten Grenze, die nicht erst neuere Verträge bestimmt haben, ist nicht bloß privatrechtlich. Ohne den Bund wäre es ein völkerrechtlicher. Und doch kann, wenn Güte und Vermittelung fehlschlagen, ein solcher Streit wohl zur Austrägal-Instanz gelangen.   Ein Streit bei Gelegenheit der Succession im Hause eines deutschen Fürsten, zwischen Mitgliedern desselben Hauses, bei etwa nicht vorhandenen klaren urkundlichen Bestimmungen, kann möglicherweise zur Austrägal-Instanz gelangen, und doch ist er privatrechtlich nur in Hinsicht des Privatrechts der Fürsten, und hat staatsrechtliche Beziehungen.   Wäre es demnach nicht besser, anstatt jezt in die nicht leichte Theorie von Staats und Justiz Sachen einzugehen, um endlose Register von Fällen aufzustellen, oder einen vieldeutigen obersten Satz zu finden, sich zu begnügen anzuordnen: „die Austrägal-Instanz solle für Fälle, die sich zu derselben eignen, in nachstehender Art statt finden u. s. w.“   Allerdings ist das gar keine Competenz Bestimmung, sondern nur eine Andeutung, daß nicht alles und jedes zur Austrägal-Instanz gehöre.   Aber diese Andeutung genügt. Denn, wenn die einzelne Sache an die Bundes Versammlung gebracht wird, so wird diese, nach Inhalt der Bundes-Akte, und nach Bewandniß des Facti, im verfassungsmäßigen Wege, sich darüber äußern, wohin sie gehöre.   Der Preußische Hof will die Möglichkeit nicht bezweifeln, daß, in der Folge der Zeiten, nach gesammelten Erfahrungen, nähere Normen sich werden finden laßen. Aber jetzt darnach zu streben, mit einem Zeit Aufwande, welcher der baldigen Aufstellung des Typus zur Austrägal-Instanz, nur hinderlich ist, erscheint dem Preußischen Hofe nicht als rathsam, ja sogar als bedenklich von der Seite, daß Uebelwollende auf den Verdacht gerathen könnten, als gehe man darauf aus, durch spitzfindige Unterscheidungen den Grundpfeiler der Bundes Akte zu erschüttern, die erfreulichste und seegenvollste ihrer Bestimmungen, nemlich:

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Luxemburgische Abstimmung über die Vermittlung bei Streitigkeiten

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„niemanden 11unter keinerley Vorwand11 zu bekriegen, noch Streitigkeiten mit Gewalt zu verfolgen“ Artikel XI der Bundes-Akte.12 15. Die von dem Herrn p. Himly früherhin in der Arbeit über die proviso­ rische Competenz-Bestimmung empfohlene Methode, nicht in allge­ meinen Sätzen ganze Classen von Gegenständen zur Competenz oder Incompetenz (sey es der Bundes Versammlung, sey es der Austräge) zu weisen, sondern die Erörterungen an bestimmte Festsetzungen der Bundes-Akte, als an Stütz Punkte, zu knüpfen, wird sich auch hierbei bewähren.13 16. Fernere Entwürfe zu einem Typus, erst in vertraulichen Besprechungen über Vorarbeiten eines Ausschußes, und demnächst in der Versammlung selbst, über diese Vorarbeiten, veranstaltet, können diese Sache, den vorstehenden Grundsätzen und Ansichten gemäß, in Harmonie mit Oesterreich, zur Annahme von Seiten der Bundes Versammlung befördern. C. F. Hardenberg

135. Niederländisch-luxemburgische Abstimmung über die Vermittlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander und die Aufstellung einer wohlgeordneten Austrägalinstanz

ProtDBV 1817, 32. Sitzung vom 2. Juni 1817, § 206, S. 411–415. Abstimmung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 3, S. 115−120.

Rückblick auf die Geschichte der Austräge und ihr Verhältnis zu den Reichsgerichten. Begrenzte Reichweite der Austräge und friedenssichernde Funktion der Reichsgerichte im Alten Reich. Die Reichsgerichte waren bis zu ihrem Untergang segensreiche Institutionen für die deutsche Nation und die Zivilisation in Europa. Man vertraut zwar in die Rechtsprechung der deutschen Obergerichte, doch werde Unparteilichkeit durch ein ständiges Richteramt besser gewahrt. In der föderalistischen Verfassung Deutschlands und in einem unabhängigen Bundesgericht liegt der wirksamste Schutz des Deutschen Bundes vor revolutionären Bewegungen. Werden die Austräge einem festen Rechtsweg vorgezogen, bedeute das einen Rückschritt von der Ordnung zur 11–11 Doppelt unterstrichen. Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512. 12 13 Vgl. „Materialien zur Erörterung der Art und des Umfangs der Bundes-Competenz in Beziehung auf Rechte und Intereße der Unterthanen“ (= Anlage zum Bericht von der Goltz’ an Hardenberg, Frankfurt am Main, 7. Januar 1817) sowie „Materialien“ (= Anlage zum Bericht von der Goltz’ an Hardenberg, Frankfurt am Main, 14. Januar 1817), GStAPK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 1946, fol. 16−45’ und 47−75.

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­ nordnung, von der Zivilisation und gründlichen Rechtskenntnis zu Willkür und U ­Ungewißheit, von konsequentem Rechtsgang zu bunten Erscheinungen. Gagern trägt deshalb auf ein wohlgeordnetes permanentes Austrägal- oder Bundesgericht an.

Frankfurt am Main, 2. Juni 1817 Es liegt mir ob, in des Königs Namen die Luxemburgische Stimme über die Wege des Vergleichs und den Austrag1 der Sachen oder den richterlichen Ausspruch abzugeben, wenn zwischen Bundesgliedern Zwistigkeiten entstehen. Ueber Vermittelung und Versuch der Güte ist schon so viel richtiges gesagt worden; ich sehe es auch für so viel minderwichtig in seinen Folgen an, daß ich darüber hinausgehe, und der Mehrheit, insbesondere den Ansichten von Oestreich2, Preussen3 und Mecklenburg4 beitrete. Anders betrachte ich das richterliche Amt, und jene eine wohlgeordnete Austrägal-Instanz; und da ich befehliget bin, für die Permanenz zu stimmen, folglich hierin insbesondere Oesterreich, Mecklenburg und den freien Städten5 beizupflichten, so sey es mir erlaubt, hier in einigen breiten Zügen den Rückblick auf die Geschichte dieser Austräge und ihr Verhältniß zu den Reichsgerichten zu werfen. Ich verschmähe zuförderst in Distinctionen einzugehen, als ob eine solche permanente Austrägal-Instanz, diese Räthe und zur Assistenz, wie mein Hof sich ausdrückt, nicht ein Bundesgericht seyn würde. Das Wort: austragen, heißt sowohl im juristischen, als gemeinen Sprach­ gebrauch nichts anders, als: erledigen; und enthält an sich den Begriff des Wählens nicht. Käme es hier auf die Worte der Bundesacte an; wüßten wir nicht genau, daß man nur hat ehrenvoll aus der Sache scheiden, und das 1 Austrag: Ursprünglich seit dem 13. Jahrhundert ein Vertrag, durch den sich zwei Parteien verpflichteten, zukünftige Streitfälle einem Schiedsgericht zu unterbreiten. Später meinte Austrag dieses Gericht selbst. Durch königliches Privileg wurden die Austräge auch Instanz für Dritte bei Prozessen gegen die betreffenden Parteien. Nach Errichtung des Reichskammergerichts bzw. des Reichshofrats hatten nur noch bestimmte Stände – die reichsunmittelbaren bis hinunter zu den Reichsrittern – das Recht auf ein besonderes Austrägalgericht, während für alle ­anderen die territorialen Austrägalgerichte zuständig waren. Bei gleichem Stand mußte ein Dritter gleichen Standes sein, bei ungleichem Stand konnte u. a. ein kaiserlicher Austrägalkommissarius erbeten werden. Je nachdem die Austräge auf Gesetzen oder auf Verträgen ­beruhten, unterschied man Legal- und Konventionalausträge. Vgl. Haberkern/Wallach, Hilfswörterbuch für Historiker, S. 54; Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. 1, Sp. 1122; HRG, Bd. 4, Sp. 1386−1393. 2 Vgl. Dok. 128. 3 Vgl. Dok. 129. 4 Vgl. Dok. 133. 5 Vgl. ProtDBV 1817, 29. Sitzung vom 19. Mai 1817, § 179, S. 339−341.

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Luxemburgische Abstimmung über die Vermittlung bei Streitigkeiten

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­ ebrige der Zeit, den Höfen und uns überlassen wol[l]en: − so würde ich auf U das Wort: eine, Gewicht legen, welches keineswegs eine Ambulanz und Mannigfaltigkeit bezeichnet; und ich würde den Begriff des: wohlgeordneten, zergliedern, welches der Höfe und unsre Einsichten und Sorgfalt, nicht aber den Zufall und unvollständig unterrichtete oder geübte, von uns nicht controllirte Behörden bedeutet! Die alten Austräge waren von dreifacher Art: legale, conventionelle und Familien-Austräge. Von den beiden letzten Gattungen habe ich nichts zu sagen; denn, wenn zwei Parteien ohne Nachtheil einer dritten über irgend ein Mittel einig sind, so haben wir darnach nichts zu fragen. Nur die erste von den dreien gleicht dem, wovon hier die Rede ist. Sie sind sämmtlich älter als die Reichsgerichte6, und waren in den Faustrechtszeiten das einzige, folglich damals ein gutes Mittel. Aber sie wurden unhinlänglich befunden, und kamen mit diesen Reichsgerichten bald nach ihrer Entstehung in Conflict. Die Kurfürsten und Fürsten hingen jedoch an dieser Berechtigung, und gaben sie nicht gänzlich auf, und zwar aus folgenden Gründen: 1) weil man die alten Gewohnheiten gerne ehrt; 2) weil es ein Vorzug der mächtigsten unter den Ständen blieb, den man bewahren wollte; 3) weil man so eine Instanz gewann, was selbst dem mittelbaren und gemeinen Manne zu Theil wird; 4) weil sie immer einen Druck und Mißbrauch Kaiserlicher Gewalt und Einflusses ahndeten; 5) weil bei den Klagen der Unterthanen der Raum zu groß und bestritten, − die Absicht der Beschirmung auch zu weit ausgedehnt werden ­konnte; 6) und endlich, weil unstreitig die Reichsgerichte strenger, prompter und in heftigeren Ausdrücken zu Werk giengen. Alle diese Gründe sind offenbar nicht mehr in der Art vorhanden, und ich verliere mit ihrer Bekämpfung keine Zeit. Wohl aber kann ich mich der Meinung nicht erwehren, daß etliche Höfe, aus diesen alten Erinnerungen, was an sich ganz achtungswerth ist, an der Idee noch hängen, ob es gleich wünschenswerth bleibt, daß sie dem entsagen. Höchst merkwürdig aber und charakteristisch sind die Worte der Reichsgesetze, eben in der Epoche des damaligen Werdens; und wie man die Austräge nach und nach modificirte, oder ihnen entsagte! Der Reichsabschied von 1548, § 38: „Haben Kurfürsten, Fürsten und Fürstenmäsige aus billigem Mitleiden, so mit den Entsetzten getragen werden 6 Die höchsten Gerichte im frühneuzeitlichen Heiligen Römischen Reich waren das Reichskammergericht (1495−1806) und der Reichshofrat (1498/1527−1806). Vgl. Taddey (Hrsg.), Lexikon der deutschen Geschichte, S. 997; HRG, Bd. 4, Sp. 630−638 (Reichshofrat) u. 655−662 (Reichskammergericht).

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soll, sich ihrer Austräge in den alten Kammergerichts- und Reichsordnungen vermeldet, etlichermaßen begeben, und in diesen Fällen u. s. w.“7 Und die Kammergerichtsordnung zu Augsburg von 1555, selbst; Tit.  IV, § 4: „Und wiewohl Kurfürsten und Fürsten sich aus solcher voraufgerichteter Ordnung austräglich Rechtens und ihrer Kurfürstlichen und Fürstlichen Freiheit zu begeben, etwas beschwert, aber dennoch damit bei niemands geacht oder dafür gehalten werde, daß sie des Rechtens Scheu tragen, darin einigen Vortheil suchen, oder jemand aufhalten oder umtreiben wollten: haben sie sich − − (in diesen und diesen Fällen) begeben und verglichen.“8 Ja die Wahlcapitulation selbst, auf die die Kaiser nicht wirkten, handhabt zwar das Bestehende; aber sie hemmte die Ausdehnung. Es war nämlich vorzüglich bei dem Ueberrest des Faustrechts, bei Spolien und Entsetzung, bei einer gewaltsamen Handlung, daß die Austräge nicht ­hinreichten und die Reichsgerichte durch den Mandats-Proceß wirkten; das heißt, alsobald und ohne einige Erörterung, Friede, Ordnung und Besitzstand wieder herstellen. Dann auch waren die Austräge bei den executivischen Maasregeln gänzlich unhinlänglich; und ohnehin in den meisten Fällen stand die Appellation an die Reichsgerichte gesetzmäsig offen. Nehme ich einen Augenblick die Rolle des Beobachters und Geschichtforschers, so kann ich fürwahr seit Jahrhunderten von unsern Reichstagen wenig Gutes sagen, und wir andre sollen vielmehr dort lernen, was der Bundestag nicht seyn, werden und wirken soll. Das schreibe ich aber keineswegs den dort angestellten, sehr achtungswerthen Männern zu, sondern dem Zickzack von hundert und soviel Instructionen; der Zersplitterung; der Ungleichheit der Berechtigungen; den daher unvermeidlichen Zänkereien, Hemmung und ­Eifersucht; dem Zwiespalt beider Religionstheile; der überwiegenden Menge der Kurfürsten, die anders wie Bernhard von Gahlen9, unterm Krummstab zwar oft ganz gut wohnen, aber des Reiches Wehr­stand, im Verhältniß zum Bedarf, ausser Acht, und vernachlässigen liessen. Sie, meine Herren, sehen, 7 Vgl. Reichsabschied von Augsburg, 30. Juni 1548, § 38, in: Deutsche Reichstagsakten. Jüngere Reihe, Bd. 18, Teilbd. 3, S. 2651−2694, hier S. 2663 f. 8 Vgl. Reichskammergerichtsordnung von Augsburg, 25. September 1555, Zweiter Teil, Titel 4, § 4, in: Zeumer (Bearb.), Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung, T. 1, S. 371−388, hier S. 380. 9 Christoph Bernhard von Galen (1606−1678), seit 1650 Fürstbischof von Münster, war an ­vielen kriegerischen Unternehmungen in Nordwestdeutschland beteiligt, die der Erweiterung seines Herrschaftsgebiets und der Behauptung des katholischen Bekenntnisses dienten. Die Finanzen des Fürstbistums wurden dadurch zerrüttet, ohne daß die territorialen Gewinne dauerhaft gesichert werden konnten. Wegen seines autoritären Regierungsstils und unbe­ herrschten Wesens war G. bei seinen Untertanen wenig beliebt, z.T. sogar verhaßt. Vgl. ADB, Bd. 2, S. 427−433; NDB, Bd. 2, S. 245 f.; DBA I, 90, 31 u. 366, 328−341; DBA II, 226, 32 u. 425, 52−102; DBA III, 278, 193−198.

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was in all’ dem anders ist, und seyn wird; und ich traue uns und dieser Einrichtung zu, daß wir die grosse Aufgabe lösen werden. Die Reichsgerichte waren aber nach meiner vollkommensten Ueberzeugung bis zu ihrem Untergang, eines der merkwürdigsten, eines der edelsten, durchdachtesten, frucht- und heilbringenden Institute, dessen sich je eine grosse Nation zu erfreuen und zu rühmen gehabt hat; Maximilians10 und seiner Zeitgenossen unvergängliches Ehrendenkmal! Sie haben den Landfrieden hergestellt und bewahrt, und so die allgemeine Civilisation in Europa ungemein befördert. Sie beschirmten Landstände und Verfassungen, und wieder die Landesherrschaften gegen die Störer. Wenn sie schon wie natürlich einzeln und immer nicht fehlerfrei waren, so liegt doch in ihren Verhandlungen und Meditationen ein ungemeiner Schatz von Staatsklugheit, erhaltenden Maximen, Weltweisheit und Rechtskenntniß. Sie waren auch die beste Schule unsrer Staatsmänner, der Zufluchtsort der Bedrängten und independent von lähmenden Weisungen, nur die Stimme des Gesetzes und des Gewissens hörend. Selbst des Reichshofraths vota ad Imperatorem11 verdienten selten den Tadel, den man auf sie warf, und hatten häufig Deutschlands und nicht nur Oesterreichs Zustand zur Basis der näheren Betrachtung und zum Stoff eines tiefern Forschens und Vergleichens. Wende ich nun das Alles auf unsern jetzigen Zustand an, so schweben mir zwei grosse Betrachtungen vor: Die Klagen der Unterthanen gegen die Landesherrschaft und ihre Appellationen sind nicht mehr vorhanden. Sie haben nur ihre einheimischen Gerichte. Nach unsern Staatenzusammenfügungen ist mein Vertrauen fest, daß die deutschen Obergerichte ihres ehrenvollen Berufs und der Pflichten werden eingedenk seyn. Sie werden sämmtlich in Wissenschaft, Ueberlegung und Würdigkeit wetteifern. Und auf der andern Seite werden Fürsten und Landstände wieder so für ihren Gehalt sorgen, daß sie über alle Versuchung erhaben, den Termin ihres quam diu se bene gesserint12 nur dann finden werden, wenn Geistesgegenwart, Kräfte und Leben endigen. 10 Maximilian I. (1459−1519), römisch-deutscher König (seit 1486) und Kaiser (seit 1508). Vgl. ADB, Bd. 20, S. 725−736; NDB, Bd. 16, S. 458−471; DBE, Bd. 6, S. 675 f. 11 Lat.: Gutachten des Reichshofrats an den Kaiser, dem damit von seiten des Reichshofrats eine Entscheidung überlassen wurde. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 302. 12 Quamdiu se bene gesserint (lat.): „Solange sie sich wohl verhalten“. Im „Act of Settlement“ (1701) wurde zur Sicherung der Rechte und Freiheiten der Untertanen festgelegt, daß richterliche Ernennungen auf Lebenszeit erfolgen sollten, um die Unabhängigkeit der Justiz zu gewährleisten, allerdings unter dem Vorbehalt „Quamdiu se bene gesserint“, d. h. daß Richter ihr Amt pflichtgemäß erfüllten. Eine Entfernung aus dem Amt war nur noch im Wege eines förmlichen Verfahrens möglich, wenn Verstöße gegen die Amtspflichten vorlagen. Vgl. Franz (Hrsg.), Staatsverfassungen, S. 520−525, hier S. 524 f.; Loewenstein, Verfassungslehre, S. 232 f.; Burrill, A New Law Dictionary and Glossary, Vol. 2, S. 847.

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Wenn nun dem so ist, so bekenne ich mein Unvermögen, die Berechnung einiger Höfe über Gewinn und Verlust zu begreifen, wenn sie von einem selbst ernannten, selbst beschränkten, nach sehr einfachen Regeln präsentirten Bundesgericht Recht nehmen. Warum wollen sie annehmen, daß nur sie der Unstern verfolgt? daß sie unterzuliegen stets Gefahr laufen? warum hoffen sie mehr von den Landesgerichten? Sind für sämmtliche Bundesglieder nicht gleiche Probabilitäten? Was aber eben diese Zwiste der Fürsten und Bundesglieder unter sich betrifft; so dünkt mich, daß die gemeinen oder gewöhnlichen Klagegegenstände unter ihnen nicht allein vorkommen werden, oder ich fasse sie weniger in’s Auge; als vielmehr eben die Spolien und die möglichen Eingriffe des Stärkeren einer Seits; dann das Bedürfniß executiver Maasregeln, deren auch Mecklenburg und die freien Städte in ihren gründlichen Stimmäusserungen verständige Erwähnung thun; ferner die Mißhelligkeiten zwischen Landesherrn und Landständen, die auch ehemals unter uns nicht fremd waren. Wir wissen nur aus der Lage, Verfassung und Verhandlungen der hiesigen Stadt, wie tief, wie oft, und mit welcher Mühe der Reichshofrath darin eingegangen ist. Ich sehe da und anderwärts die nemlichen Vorkommnisse vor; und sie gehören zu den schwersten Aufgaben. Sie werden ungemeine Bemühung, solide Wissenschaften, wohlbedachte Formen und Stufenfolgen, einen hohen Grad der Unparteilichkeit verlangen, welche im kalten und ständigen Richteramt getrennt, oder seitwärts von uns, besser bewahrt wird. Und eben darin liegt das Beßre unsrer federalistischen Verfassung. Heftiger Aufruhr, Dinge dem 10ten August13 ähnlich, Septembrisiren14 oder jede 13 Im Sommer 1792 geriet König Ludwig XVI. in den Verdacht, mit den Kriegsgegnern Frankreichs zu kollaborieren. Nach dem Bekanntwerden des Manifests des Oberbefehlshabers der preußischen Truppen, des Herzogs von Braunschweig, der darin im Falle weiterer Übergriffe auf den König drakonische Vergeltungsmaßnahmen gegen die Stadt Paris und ihre Bevölkerung ankündigt hatte, forderten radikale Kräfte offen die Abschaffung der Monarchie. Am 10. August 1792 wurde die königliche Residenz in Paris, die Tuilerien, von einer bewaffneten Menschenmenge gestürmt und verwüstet. Der König flüchtete daraufhin mit seiner Familie in die Nationalversammlung, die die vorläufige Amtsenthebung des Monarchen beschloß und die königliche Familie im „Temple“ festsetzen ließ. Nach einem kurzen Prozeß wurde Ludwig XVI. zum Tode verurteilt und am 21. Januar 1793 enthauptet. Die Ereignisse vom 10. August markieren somit den Beginn der radikalen Phase der Französischen Revolution. Vgl. Soboul, [Ed.], Dictionnaire historique de la Révolution française, S. 362−364; Mona Ozouf, Der Prozeß gegen den König, in: Furet/Ozouf (Hrsg.), Kritisches Wörterbuch der Französischen Revolution, Bd. 1, S. 159−178; Taeger, Ludwig XVI. (1754−1793), S. 142−157. 14 Die sogenannten Septembermassaker vom 2. bis 6. September 1792 markieren in der Französischen Revolution den Beginn der Phase der „Schreckensherrschaft“ („Terreur“), die bis 1794 andauerte. Als Anfang September 1792 preußisch-österreichische Truppen in Frankreich einrückten und sich das Gerücht verbreitete, diese würden im Falle eines Sieges blutige

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solche fortgesetzte Greuel sind bei uns nicht denkbar, weil wir den gerechten Klagen abhelfen, das Widereinanderstoßen leidenschaftlicher Parteien rechtlich hemmen, und die Uebel in der Wurzel ersticken können! Würde aber irgend ein Fürst dem andern Gewalt anthun, den Besitzstand und den Landfrieden brechen; werden wir die Zeit mit solchen Austrägen verderben; werden wir sie nur mit Instructions-Einholungen verderben, und ­unsern Beruf so wenig verstehen, die uns anvertraute Ruhe, Sicherheit und Unverletzbarkeit deutscher Staaten so versäumen und hintansetzen; und nicht vielmehr, um mich der naiven Sprache der Gesetze zu bedienen: billiges Mitleid mit dem Entsetzten tragen; mit andern Worten, alsobald die gemessensten, ernstlichen Anstalten und Verfügungen zur Abhülfe treffen; in welche Worte wir auch dann solche Einladung, solche Warnung, solch’ Mandat immer einkleiden mögen. Ich höre den Einwand des Unterschieds zwischen dem Stärkeren und Schwächeren. Ist aber irgend ein Monarch oder Fürst stark genug, um den Unwillen und die Ahndung aller andern zu ertragen, den Unwillen aller andern Bundesgenossen, verstärkt durch die Aufmerksamkeit und den Unwillen von ganz Europa? Aber eben diese mögliche Vorfälle; − um so seltner gewiß, als die rechte Behörde Entschlossenheit und Nachdruck zeigt, erfordern abermals tiefe Kenntnisse, fortgesetzte Aufmerksamkeit und Widmung; und eine Fertigkeit zu unterscheiden, die die alten gesetzlichen Differenzen zwischen gemeinen und qualificirten Spolien, die subtile staatsrechtliche Lehre, Bedeutung und Begrenzung der Mandate cum clausula oder sine clausula, sattsam bezeichnen und bewähren. Wenn wir15 uns aber damit selbst befassen sollen, so laufen wir unzweifelhaft Gefahr, die Eintracht hier zu stören. Wir haben erst vor kurzem gesehen, wie schwer es ist, bei ernsthaften Vorfällen und Beschlüssen, dem Vorwurf der Einseitigkeit, verletzter Formen, zu heftiger Ausdrücke zu entgehen; ja dem Verdacht zu entgehen, als wäre darin Ehrgeitz und Genuß, über gekrönte Häupter und Fürsten hier Censur zu üben.



Rache an den Revolutionären üben, entluden sich die aufgestauten innenpolitischen Spannungen in einer Massenhysterie: Eine entfesselte Menschenmenge stürmte die Gefängnisse und massakrierte in blinder Wut zunächst inhaftierte Revolutionsgegner, danach auch andere Gefangene, darunter zahlreiche katholische Priester, die den Eid auf die republikanische Verfassung verweigert hatten. Allein in Paris waren mehr als 1300 Tote zu beklagen. Vgl. Bluche, Septembre 1792, bes. S. 97−102; Madörin, Die Septembermassaker von 1792 im Urteil der französischen Revolutionshistoriographie, S. 11−19; Soboul, [Ed.], Dictionnaire historique de la Révolution française, S. 724 f.; François Furet, Die Schreckensherrschaft, in: ders./ Ozouf (Hrsg.), Kritisches Wörterbuch der Französischen Revolution, Bd. 1, S. 193−215. 15 Emendiert. Vorlage: mir.

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Wien, 4. Juni 1817

Eben darum jedoch kann ich auch dem nackten Satz nicht beipflichten, so oft ich ihn wiederholen hörte, daß wir nicht Richter seyen. Nur das ist gern einzuräumen, daß wir kein judicium formatum bilden, und von formandum16 ist die Rede. Aber das Richteramt besteht aus so vielen Bestandtheilen, deren ohne Zweifel mannigfaltige auf uns ruhen; welche zu ­regeln und zu begren­ zen, einschließlich der Executions-Ordnung, wie sie Mecklenburg und die freien Städte fordern17, eben das Thema ist. Sollten dennoch die gesetzlichen Austräge nun beliebt, und dem festen Rechtswege vorgezogen werden, so halte ich es für einen Rückschritt von der Ordnung zur Unordnung, von der Civilisation und gründlichen Wissenschaft zur Willkühr und Ungewißheit, von consequentem Rechtsgang zu bunten Erscheinungen; und bin der festen Ueberzeugung, daß man binnen wenigen Jahren zurückkommen wird. Aber eben nach dieser meiner gewissenhaften Ueberzeugung und in Gemäßheit meiner Instruction trage ich förmlich und ausdrücklich auf ein wohlgeordnetes permanentes Austrägal- oder nach gleichen Berechtigungen erkornes Bundesgericht an; was auch sein Namen sey.

136. Metternich an Buol

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Kart. 1, Weisungen 1817, fol. 170–172’. Weisung. Behändigte Ausfertigung.

Obwohl die große Mehrheit in der Bundesversammlung einer bleibenden Austrägal­ instanz zuneigt, ist der Wiener Hof noch immer von den Vorzügen der österreichischen Punktation überzeugt. Alternativen für den Fall einer Nichteinigung auf eine permanente Instanz: 1. Den Bundesstaaten solle freigestellt werden, sich bindend entweder für eine bleibende oder für eine ad hoc zu bildende Austrägalinstanz zu entscheiden. 2. Sofern die Mehrheit eine gleichförmige Regelung für alle Bundesstaaten wünsche, solle der zweite subsidiarische Antrag Österreichs in Beratung gezogen werden. Vorbehalt, aufgrund von Erfahrungen mit wechselnden Austrägalinstanzen eine permanente Instanz erneut in Vorschlag zu bringen.

Hochgeborner Graf!

Wien, 4. Juni 1817

Eurer Exzellenz Schreiben v. 12. vor. M. No 44 d1 war mir in jeder Hinsicht sehr schätzbar, und mit wahrem Vergnügen bezeuge ich meinen Beifall der 16 Lat.: bildend, formierend. 17 Vgl. Dok. 133 und ProtDBV 1817, 29. Sitzung vom 19. Mai 1817, § 179, S. 341.

1 Bericht Buols No. 44d, Frankfurt am Main, 12. Mai 1817; HHStA Wien, St.  K., Deutsche Akten (neue Reihe), Kart. 1, Fasz. III: Austrägalverfahren (1817–1821), fol. 36–38.

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Metternich an Buol

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sehr abgewogenen Unterredung mit dem k. Bayerischen H. Bundesgesandten Freyherrn von Aretin. In Erwägung, daß nicht allein die große Mehrheit, sondern beinahe die Einstimmigkeit sich für eine bleibende Austrägal-Instanz (Austrägal-Kommission und d.  gl. genannt) neigen dürfte, so wie auch in Berücksichtigung der gewichtigen Erörterungen, welche in dieser Beziehung vorzüglich die Abstimmung von Mecklenburg-Schwerin und Strelitz in der 26. Sitzung für diesen Antrag enthält und entwickelt2; ferner auch, daß solches eben so dem diesseitigen ersten Vorschlage entspricht, als auch der k. Bayerische Hof eine solche Compromiß-Behörde mit dem Begriffe der Souveränität vollkommen vereinbar findet; in Erwägung endlich, daß die großen und vielfältigen Vorzüge einer solchen bleibenden Austrägal-Kommission ebenso unverkennbar sind, als hingegen theils nicht der geringste Schein eines wahrhaften Besorgnisses für die Souveränität der teutschen Regierungen vorliegt, theils aber auch noch allenfalls jeder Anschein durch eigene ausdrückliche besondere Bestimmungen in jeder Hinsicht beseitigt werden könnte; alle diese Rücksichten und Betrachtungen zusammengefaßt, ist man vor allem von Seiten des kaiserlich-Oesterreich. Hofes noch immer der Meinung, daß der in 26ter Sitzung bereits gemachte erste Antrag3 den Vorzug verdienen würde, und folglich nicht sogleich der zweite subsidiarische aufzufassen seyn möchte. Man will für dermalen also übrigens nicht alle Vorzüge wiederholen, welche theils schon in früheren Abstimmungen berührt wurden, theils sonst für den Antrag einer bleibenden Austrägal-Kommission notorisch sind; aber vorzüglich darf auch nicht übersehen werden, daß diese permanente CompromißInstanz schon deshalb einer dritten obersten Justizbehörde eines teutschen Bundesstaates vorzuziehen seyn dürfte, weil jene in vollkommenster Unabhängigkeit von allem Territorial-Einflusse erscheint, und auch die Absicht ­ihrer Constituirung für sich bestehen würde. Um aber nicht nur in dieser Beziehung die allseitigen Wünsche und Rücksichten zu vereinigen, sondern vorzüglich auch durch das Streben nach dem Bessern, nicht die Erreichung des wenigen Guten aufzuhalten, um also doch nach Anleitung der Bundes Akte den Art. XI4 derselben zur Ausführung zu bringen, so dürften folgende conciliatorische Anträge der Erwägung anheimzustellen seyn: 1. So sehr zu wünschen wäre, daß gleich izt sämmtliche teutsche Regierungen sich auf eine bleibende Austrägal-Kommission als Compromißbehörde einigten, und zur Beseitigung jeden Scheins von Besorgniß in Ansehung der 2 Vgl. Dok. 133. 3 Vgl. Dok. 128. 4 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512.

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Wien, 4. Juni 1817

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Souveränität die deshalb noch etwa angemessen erachtende Modalitäten ausdrücklich festsetzten; so sey jedoch – wenn durchaus dermalen keine Einstimmigkeit zu erreichen wäre – auch hierin die abweichende Meinung für sich geachtet, aber ebenso auch die Ansicht der großen Mehrheit. – Es dürfte daher vielleicht scheinen, als ließe sich der Grundsatz aussprechen, daß die für eine bleibende Austrägal-Kommission stimmende Regierungen, selbige unter sich ebenso festsetzen, als den nicht beistimmenden Regierungen überlassen, für sich allenfalls den zweiten Vorschlag zu wählen und weiter zu bestimmen. Der Zeit und Erfahrung, dieser großen Lehrerin, könnte es sodann vorbehalten bleiben, im Verlaufe derselben und nach erkanntem Bedürfnisse auch hierin Einförmigkeit im teutschen Bunde zu erwirken. Diesem Antrage, der vielleicht schon an sich dem Vaterlands-Freunde als Spaltung im innern Organism nicht ganz willkommen seyn möchte, scheint jedoch nach der Ansicht des kk. Hofes vorzüglich auch der Umstand im Wege zu stehen, daß ebenso nach dem Sinne, als selbst nach dem Wortlaute des Art. XI der Bundes Acte die Austrägal-Kommission vermöge Authorisation der B. V. zu entscheiden hat, folglich auch nicht blos auf besondere Vereinigung einzelner teutschen Regierungen, sondern als Bundes-Anstalt nur auf Vereinigung des Bundestags beruhen kann. 2. Sollte man daher aus diesem oder jedem andern Grunde jenen Antrag aufzufassen, billiges Bedenken finden, jedoch wünschen, daß für alle teutsche Regierungen auch in dieser Hinsicht nach der Absicht der Bundes-Acte eine gleichförmige Anordnung bestehe; sollten aber sämmtliche teutsche Regierungen sich nicht schon itzt auf eine bleibende freiwillige Austrägal-Kommission vereinigen, so sey also gleichwohl aus obigen Gründen der vom k. Oesterreich. Hofe gemachte zweite subsidiarische Antrag im Ganzen in Berathung zu ziehen, und mit den nothwendig oder zweckmäßig erachtenden Modificationen zur Schlußfassung zu empfehlen. – Da aber in diesem Falle die große Mehrheit der teutschen Regierungen die überwiegende Vorzüge einer bleibenden Austrägal-Kommission anerkannt, und nur deshalb dem zweiten subsidiarischen Vorschlage beitritt, um auch selbst unter diesen Umständen den Art. XI der Bundes Acte baldmöglichst in Erfüllung zu bringen; so würde er Folge gegenseitiger Achtung wahrhafter Bundes-Vereinten, und ebenso würdevoll als angemessen seyn, dem darüber zu fassenden Annahms-Beschlusse den Beysatz hinzuzufügen, daß der erste Vorschlag einsweilen noch nicht als vollkommen aufgegeben betrachtet, sondern sich vorbehalten werde, nach dem Gange der Erfahrungen, welche sich bey Anwendung des zweiten Antrags im Laufe der Zeit ergeben dürften, den erstern in erneuerte Proposition zu bringen. Hierbey, so wie überhaupt im Gange der Entwicklung der Bundes-Acte werden die richtig erkannten und gefühlten Bedürfnisse uns am sichersten, am zweckmäßigsten leiten.

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Berg an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-Oldenburg

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Ein solcher Beschluß würde alle Stimmen in ihren verschiedenen Ansichten und zugleich die Rücksicht ehren, welche uns zum Gesammtbeschluß vereinigte. Der kais. Oesterreich. Hof glaubt daher diesen conciliatorischen Antrag sämtlichen verehrten Bundes-Mitgliedern zur Erwägung anheim stellen zu sollen. Sobald nun auf diese Art die Präjudizial-Frage entschieden seyn wird, so können die mehrern seither bereits angeregte Modificationen, Zusätze oder nähere Bestimmungen bey Ausführung des zweiten Vorschlags einen Gegenstand der gegenseitigen Besprechung ausmachen, so wie hingegen ganz verschiedene Modificationen und nähere Bestimmungen festzusetzen wären, wenn der erste der gemachten Vorschläge sich des Beifalls der übrigen Bundesglieder zu erfreuen haben sollte. Eure Exzellenz ersuche ich diese Erklärung, sobald die Annahme des ersten Antrags einer bleibenden Austrägal-Kommission sich kaum noch erwarten läßt, zu Protokoll zu geben. Ich schmeichle mir, daß gegenwärtige conciliatorische Eröffnung ebenso den ersten Wunsch des kais. Oesterreich. Hofes der angemessenen Entwicklung der Bundes Acte bestätigen, als auch das ­Bestreben bewähren wird, zum Ziele einer zweckmäßigen Einigung, mit Annäherung zum erkannten Bessern mitzuwirken. Während ich hierdurch vorläufig Hochdero Schreiben No 40 b5, No 436 erledige, sende ich zugleich in der Anlage die mir mitgetheilten sechs Abstimmungen in den Urschriften wieder zurück. Empfangen Eure Exzellenz die Versicherung meiner vollkommensten Hochachtung. F. v. Metternich

137. Berg an Herzog Peter Friedrich Ludwig von HolsteinOldenburg

StA Oldenburg, Best. 31−AB, Nr. B 4. Bericht. Behändigte Ausfertigung.

Wenngleich die Mehrheit der Stimmen in der Bundesversammlung für ein permanentes Austrägalgericht eintrete, wird man dem von der Minderheit gebilligten Vorschlag folgen und eine provisorische Regelung verabschieden, wonach aus den Bundesgliedern Austrägalrichter gewählt werden, deren oberste Gerichtshöfe dann den Streitfall entscheiden. Denn würde ein Beschluß im Sinne der Stimmenmehrheit gefaßt werden, würde Bayern die Sache vor das Plenum der Bundesversammlung bringen. Weil dort 5 Bericht Buols No. 40b, Frankfurt am Main, 4. Mai 1817; HHStA Wien, St. K., Deutsche Akten (neue Reihe), Kart. 1, Fasz. III: Austrägalverfahren (1817–1821), fol. 7–8’ und 19–20. 6 Bericht Buols No. 43, Frankfurt am Main, 9. Mai 1817; ebd. fol. 33–35.

Nr. 137

Frankfurt am Main, 6. Juni 1817

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aber keine Stimmeneinhelligkeit zu erreichen sei, bleibe nichts anderes übrig, als der Minorität nachzugeben, wolle man die Sache vorerst nicht ganz zum Scheitern bringen − was untunlich sei.

N. 67.



Frankfurt am Main, 6. Juni 1817

Durchlauchtigster Herzog, Gnädigster Fürst und Herr! Indem Euer Herzoglichen Durchlaucht ich das Protokoll der 34ten Sitzung der Bundes Versamlung unterthänigst überreiche, bemerke ich zum § 1961 daß, wenn gleich einige der größern, besonders südteutschen Höfe, gegen ein permanentes Austrägal Gericht sich erklärt haben, dennoch die Stimmen Mehrheit dafür ist; indessen aller wahrscheinlichkeit nach, der einstimmige Beschluß dahin ausfallen wird; daß, da die Einrichtung eines solchen Gerichts nothwendig Zeit erfordere, jetzt aber eine provisorische Verfügung bezweckt werde, welche unverweilt zu treffen sei, damit es in keinem Falle für Streitigkeiten der Bundesglieder unter sich, an einer geeigneten Behörde fehle; so werde vorerst (vielleicht auf unbestimmte Zeit) der zweite, von der Minorität gebilligte Vorschlag, aus den Bundes Gliedern Austrägal Richter zu wählen, und durch deren oberste Gerichtshöfe entscheiden zu lassen, angenommen. Wegen des Frohnleichnams Fests ist gestern keine Sitzung gewesen. Ich ersterbe in tiefstem Respect Euer Herzoglichen Durchlaucht unterthänigst – treu − gehorsamster von Berg

Auch

Unterthänigstes Postscriptum. gnädigster Herzog und Herr

habe ich nicht verhehlt, Euer Herzoglichen Durchlaucht gnädigster Anweisung gemäß, im Einverständniß mit dem Hannöverschen und Meklenburgischen Gesandten dahin zu wirken, daß die Errichtung eines permanenten Austrägal Gerichts beschlossen werde. Die Mehrheit hat sich offenbar dafür ausgesprochen. Indessen habe ich − sofern von einem Provisorium die Rede ist − von den Fürst. Schwarzburgischen Häusern eine entgegengesetzte Instruktion erhalten. Da mir aber von Anhalt noch keine zugegangen ist; so habe ich geglaubt, so lang als möglich mit der Abstimmung warten zu müs1 Gemeint ist ProtDBV 1817, 31. Sitzung vom 29. Mai 1817, S. 367−385, hier § 196, S. 371− 375 (Badische Abstimmung).

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König Maximilian I. Joseph von Bayern an Aretin

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sen, welches jedoch länger als bis in die nächste Woche nicht angehen wird. Bleibe ich bis dahin ohne Instruktion von Anhalt; so werde ich die Stimme, dem Curiat Vertrage gemäs, nach Euer Herzoglichen Durchlaucht Anweisung abgeben. Baiern wird indessen, wenn man den Beschluß nach der Stimmen Mehrheit fassen will, aufs Plenum provociren, und in diesem gegen das permanente Austrägal Gericht stimmen, wo dann nach dem Art. 6 der Bundes Akte, die Entscheidung nach der Stimmen Mehrheit hinwegfällt, mithin nichts übrig bleiben würde, als entweder die Sache vorerst ganz ruhen zu lassen, oder, da dieses nicht wohl thunlich ist, der Minorität nachzugeben. Um dieses zu vermeiden, glaubte man, die im Bericht angezeigte Wendung nehmen zu müssen. Ich verharre, wie im Bericht. von Berg

138. König Maximilian I. Joseph von Bayern an Aretin

HStA München, Gesandtschaft Bundestag, Nr. 175. Weisung. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 11. Juni 1817.

Ein mit Stimmenmehrheit gefaßter Beschluß für eine permanente Austrägalinstanz ist mit dem Buchstaben und Geist der Deutschen Bundesakte nicht vereinbar und kann deshalb nicht zu einem für Bayern verbindlichen organischen Bundesgesetz erhoben werden. Zustimmung jedoch dafür, daß diejenigen Bundesstaaten, die für eine permanente Austrägalinstanz stimmen, eine solche für sich und auf eigene Kosten einrichten dürfen, sowie zum Vorschlag Holstein-Lauenburgs, Austrägalinstanzen zunächst zur Probe nur auf einige Jahre aufzustellen. Weisung an die bayerischen Gesandten in Stuttgart, Karlsruhe und Darmstadt, die dortigen Regierungen in dieser für die Souveränität der Bundesstaaten entscheidenden Angelegenheit zu einer gleichen Abstimmung in der Bundesversammlung einzuladen.

München, 8. Juni 1817 Maximilian Joseph von Gottes Gnaden König von Baiern etc. etc. Aus dem Berichte Unseres Gesandten vom 2[te]n d. M.1 über die XXXII. Bundestags Sitzung haben Wir ersehen, daß bereits die Verhandlung über ein so wichtiges organisches Gesetz, als die Bildung der Austrägal Instanz, nachdem solche kaum ein Monat gedauert, geschlossen und ein Beschluß gefaßt wer1 Vgl. HStA München, MA 1334, No. 34.

Nr. 138

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München, 8. Juni 1817

den soll. Wir eröffnen auch daher, daß Wir nach reifer Erwägung beschlossen haben, soferne die Stimmenmehrheit für eine permanente Austrägal Instanz ausfällt, diesem, mit dem Wortlaute und dem Geiste der Bundes Akte nicht vereinbaren Beschlusse nicht beizutreten, daher derselbe auch nach dem Art. 7 der Bundes Akte2 nicht zu einem für Uns verbindlichen organischen Gesetze des Bundes erhoben werden könne. Wir wollen jedoch nicht entgegen seyn, daß diejenigen Bundesstaaten, welche für eine permanente Austrägal Instanz stimmen, solche für sich und auf ihre Kosten errichten: sowie Wir Uns auch gefallen lassen wollen, daß nach dem Vorschlage von Holstein und Lauenburg3 mit Aufstellung von Austrägal Instanzen für jeden besondern Fall vor der Hand nur auf einige Jahre gleichsam die Probe gemacht werde. Wir weisen übrigens Unsere Gesandten zu Stuttgardt, Carlsruhe und Darmstadt unter Bezug auf die ihnen am 23. v. M. durch Unseren Staats-Minister des Äußern zugekommene auch noch mitgetheilte Entschließung an, dieses den Ministerien daselbst zu erklären, und sie zum gleichmäßigen Benehmen in dieser für die Souveränität der deutschen Bundesstaaten entscheidenden Angelegenheit einzuladen. Max-Joseph Graf v. Rechberg Auf Königlich allerhöchsten Befehl der General Sekretär in dessen Abwesenheit Prosch4

2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511. 3 Vgl. ProtDBV 1817, 32. Sitzung vom 2. Juni 1817, § 206, S. 408–411, 410 f. 4 Jakob Prosch, bayerischer Beamter, war 1813 Geheimer Expeditor im Außenministerium, 1816 Ernennung zum wirklichen Rat ebd. Vgl. Hof- und Staatshandbuch des Königreichs ­Baiern 1813, S. 77; ebd. 1824, S. 123 (letztmalige Erwähnung); Königlich-Baierisches Regierungsblatt 1816, Sp. 402.

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Bundesbeschluß über die Vermittlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder

Nr. 139

139. Bundesbeschluß über die Vermittlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander und die Errichtung einer Austrägalinstanz

ProtDBV 1817, 35. Sitzung vom 16. Juni 1817, § 231, S. 468–471. Bundesbeschluß. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 3, S. 208−212; [Reuss (Hrsg.)], Die beiden HauptGrund-Verträge des deutschen Bundes, S. 75−80; Klüber (Hrsg.), Quellen-Sammlung zu dem Oeffentlichen Recht des Teutschen Bundes, S. 254–260; CJCG, Bd. 2, S. 47−49; Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 114−116; Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 1, S. 656−659.

Die Fürsten und Freien Städte Deutschlands haben sich in der Deutschen Bundesakte verpflichtet, sich unter keinerlei Vorwand zu bekriegen, noch Streitigkeiten mit Gewalt auszutragen. Die Bundesversammlung ist diejenige Behörde, bei welcher alle Streitigkeiten der Bundesglieder unter einander anzubringen sind. Bildung eines Ausschusses der Bundesversammlung zur Herbeiführung einer gütlichen Einigung. Im Falle des Scheiterns eines solchen Vermittlungsversuchs muß eine gerichtliche Entscheidung durch eine für jeden einkommenden Fall gebildete Austrägalinstanz er­ folgen. Regelungen zur Aufstellung der Austrägalinstanz und das zu beobachtende Austrägalverfahren (Prozeßordnung, einzuhaltende Fristen, Abfassung des Urteils, Einlegung von Rechtsmitteln). Der Vorschlag wegen Errichtung einer permanenten Austrägalkommission ist nach dem Gang der Erfahrungen gegebenenfalls wieder in Beratung zu bringen.

Frankfurt am Main, 16. Juni 1817 Die verbündeten souverainen Fürsten und freien Städte Deutschlands haben die schon in der Wesenheit des deutschen Bundes, als eines, mit einem gemeinschaftlichen Nationalbande verbundenen Staatenvereins, gegründete Verpflichtung durch den XI. Artikel der Bundesacte1 ausdrücklich übernommen, sich unter einander unter keinerlei Vorwande zu bekriegen, noch ihre Streitigkeiten mit Gewalt zu verfolgen, sondern sie bei der Bundesversammlung anzubringen. Zur Verfolgung dieses Bundeszweckes und zur Erfüllung der in der Bundesacte hierüber noch besonders übernommenen Pflichten hat die Bundesversammlung Folgendes festgelegt: I. Die Bundesversammlung ist diejenige Behörde, bei welcher alle und jede Streitigkeiten der Bundesglieder unter sich anzubringen sind. Es versteht sich jedoch von selbst, daß den Bundesgliedern überlassen bleibe, auch ohne Zutritt der Bundesversammlung die gütliche Ausgleichung ihrer Streitigkeiten unter sich zu treffen, und sich einander die Austräge zu gewähren; indem die Thätigkeit der Bundesversammlung nur dann eintritt, wenn sich die Bun1 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512.

Nr. 139

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desglieder über einen streitigen Gegenstand auf keine Art unter sich einigen können. II. Wenn eine Streitigkeit mit gehöriger Darstellung der Ansprüche des Beschwerdeführenden Theils wirklich angebracht worden ist, so wird die Bundesversammlung vor allem die Vermittelung unter den streitenden Theilen a) durch einen Ausschuß versuchen, welcher aus zwei, und, nach Befinden, auch aus mehreren Bundesgesandten besteht. Dabei wird sie nach Beschaffenheit der jedesmaligen Umstände ermessen, ob und wie fern eine Zeitfrist zur Erledigung des Vermittelungsgeschäfts von ihr vorgeschrieben werden soll. Jedem der zwistigen Theile steht es jedoch frei, bei der Bundesversammlung auf eine Fristsetzung anzutragen. Die Bundesversammlung macht die Ernennung des Ausschusses den Parteien bekannt. b) Der Ausschuß wird hierauf, unter Bestimmung eines kurzen Termins, von dem beklagten Theile gleichfalls eine Darstellung der Sache und seiner Einreden begehren, um, in Vergleichung derselben mit der Darstellung des Klägers, angemessene Vorschläge zu gütlicher Beilegung der entstandenen Streitigkeit entwerfen zu können. c) Sodann wird derselbe einen Termin zum Versuch der Güte ansetzen, und sich bemühen, einen Vergleich zu Stande zu bringen. Bei eintretenden Schwierigkeiten wird der Ausschuß, so wie überhaupt von dem Erfolge, der Bundesversammlung Bericht erstatten. d) Die Vergleichsurkunde wird in Urschrift, die gegenseitigen Ratifications-Urkunden aber werden in beglaubter Abschrift in dem Bundesarchive niedergelegt, und der Bund übernimmt die Garantie des Vergleichs. III. Wenn der Vermittelungs-Versuch bei Streitigkeiten der Bundesglieder unter sich ohne Erfolg bleibt, und daher eine richterliche Entscheidung erfolgen muß, so wird vor der Hand festgesetzt, daß, um dem Bedürfnisse des Augenblicks abzuhelfen, für jeden vorkommenden Fall eine Austrägal-Instanz gebildet werde. Was aber den Vorschlag wegen Errichtung einer permanenten Austrägal-Commission betrifft, so wird derselbe nicht als aufgegeben betrachtet, sondern sich vorbehalten, nach dem Gange der Erfahrungen, welche sich bei Anwendung des gegenwärtigen Beschlusses im Laufe der Zeit ergeben dürften, den ersten Antrag in erneuerte Proposition zu bringen. Die Art und Weise der Aufstellung der vor der Hand angenommenen, erst für jeden vorkommenden Fall zu bildenden Austrägal-Instanz wird folgendermaßen bestimmt: 1) Ausgegangen von dem Artikel  XI der deutschen Bundesacte und dem würdevollen Standpuncte sämmtlicher deutschen Regierungen, kann die deutsche Bundesversammlung nur sich selbst und keine auswärtige Behörde unmittelbar als Austrägal-Instanz erkennen.

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Bundesbeschluß über die Vermittlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder

Nr. 139

2) Wenn der zur Vermittelung der Streitigkeiten angeordnet gewesene Ausschuß die Anzeige von dem mißlungenen Versuche bei der Bundesversammlung gemacht hat, so hat binnen 4 bis 6 Wochen, von dem Tage der Anzeige an gerechnet, der Beklagte dem Kläger drei unparteiische Bundesglieder vorzuschlagen, aus welchen dieser eines binnen gleicher Frist wählet. Geht jene Frist vorüber, ohne daß der Beklagte drei vorschlägt, so geht dieses dreifache Vorschlagsrecht an die Versammlung des Bundestags über, woraus alsdann der Kläger einen zu wählen hat. 3) Die dritte oberste Justizstelle des auf eine oder die andere Art gewählten Bundesgliedes ist hiernächst als die gewählte Austrägal-Instanz zu betrachten, welche im Namen und anstatt der Bundesversammlung, so wie vermöge derselben Auftrags, handelt, und die Bundesversammlung hat dem gewählten Gerichtshofe diese seine Bestimmung nicht nur bekannt zu machen, sondern ihm auch, unter Mittheilung der Vergleichsverhandlungen, förmlichen Auftrag zur Vollziehung der Bundesacte als Austrägal-Instanz zu ertheilen. Sämmtliche dritte oberste Justizstellen der deutschen Bundesglieder sind sonach als solche zu betrachten, aus denen in obiger Weise die Austrägal-Instanz gewählt und sodann die bestimmt gewählte von der Bundesversammlung förmlich dazu beauftragt wird. 4) Die Uebernahme des Austrägal-Auftrages von der bestimmten dritten obersten Justizstelle ist als Bundespflicht anzusehen. Nur ganz besondere, der Bundesversammlung etwa unbekannt gewesene Verhältnisse, welche eine völlige Unfähigkeit der Instanz-Uebernahme enthalten, können zur Entschuldigung dienen, sind aber binnen 14 Tagen, von dem Tage des erhaltenen Auftrages bei der Bundesversammlung vorzubringen. Da nach dem Artikel XII der Bundesacte2 alle Staaten des Bundes künftig ein eignes oder gemeinschaftliches Gericht dritter Instanz haben müssen; so kann auch jedes Bundesglied erkohren werden, welches ein eignes oder auch nur ein gemeinsames Gericht dritter Instanz hat. Wenn ein Bundesglied erwählt wird, in dessen Staaten mehrere Gerichte dritter Instanz bestehen, und der Kläger hat sich über die Wahl der Gerichtsstelle nicht ausgesprochen, so wird die Bundesversammlung diese Auswahl treffen. 5) Der also eintretende oberste Gerichtshof hat sodann die Angelegenheit zu instruiren; besteht derselbe aus mehreren Senaten, so hat er diese Austrägal-Sache in pleno zu verhandeln und das Urtheil, es sey ein definitives oder ein Zwischen-Erkenntniß, zu schöpfen. – In letzterem Falle wird die Instruction bei demselben Gerichtshofe fortgesetzt. In ersterem aber wird das ge2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513.

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schöpfte Erkenntniß vor demselben obersten Gerichtshofe ausdrücklich im Namen und aus Auftrag des Bundes den Parteien eröffnet, und der Gerichtshof überschickt demnächst dem Bundestage die Acten und das Erkenntniß, um auf dessen Befolgung halten zu können. 6) Die Instruction des Prozesses geschieht nach der Prozeß-Ordnung, welche der betreffende oberste Gerichtshof überhaupt beobachtet, und ganz in selbiger Art, wie die sonstigen alldort zu instruirenden Rechtssachen verhandelt werden. 7) Das Erkenntniß in der Hauptsache selbst aber erfolgt, in Ermangelung besonderer Entscheidungsquellen, nach den in Deutschland hergebrachten gemeinen Rechten. 8) Das Erkenntniß in der Hauptsache muß längstens binnen Jahresfrist, vom Tage der überreichten ersten Klage oder Beschwerdeschrift, erfolgen. Sollte es Ausnahmsweise nicht thunlich seyn, so hat der oberste Gerichtshof, als Austrägal-Instanz einen Bericht an die Bundesversammlung zu erstatten, die Gründe eines nothwendig geglaubten längeren Verzugs anzuzeigen, und die Bewilligung oder Mißbilligung vom Bundestage zu empfangen. 9) Das Erkenntniß ist, gemäß des Art. XI der Bundesacte, für die streitenden Theile verbindlich. Es wird jedoch dem Rechtsmittel der Restitution ex capite novorum3 statt gegeben, welches von dem Zeitpunct der aufgefundenen Novorum an, binnen 4 Jahren anzubringen ist. 10) Das Restitutionsmittel ist bei der Bundesversammlung anzukündigen, und diese übersendet solches dem obersten Gerichtshofe, an welchem die ­Sache zum erstenmale verhandelt und entschieden ward, wo sodann über die Statthaftigkeit oder Unstatthaftigkeit des Rechtsmittels selbst gesprochen wird, und die neu zu verhandelnde Rechtsangelegenheit wieder zu instruiren und zu entscheiden ist. 11) Was übrigens die näheren Bestimmungen bei Anwendung und Ausführung dieses Rechtsmittels, den Restitutions-Eid, so wie überhaupt das ganze Austrägal-Verfahren mit Einschluß der Vollziehungs-Ordnung und des Kostenpuncts u. d. gl. betrifft, so behält sich die Bundesversammlung vor, demnächst hierüber einen besondern Beschluß zu fassen.

3 Lat.: Aufhebung eines Rechtserfolgs aus einem neuen Rechtsgrund. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 110 u. 262

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Hannoverscher Antrag auf Erläuterung des Bundesbeschlusses

Nr. 140

140. Hannoverscher Antrag auf Erläuterung des Bundesbeschlusses über die Austrägalgerichtsbarkeit hinsichtlich der Wahl von Austrägalrichtern

ProtDBV 1817, 58. Sitzung vom 22. Dezember 1817, § 420, S. 869−870. Antrag. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 4, 1817, S. 136−137.

Antrag Hannovers auf Erläuterung des Bundesbeschlusses über die Vermittlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander und die Errichtung einer Austrägalinstanz vom 16. Juni 1817: Bei der Wahl der Austrägalrichter müsse im Hinblick auf diejenigen Bundesglieder, die nur einen Anteil an einem gemeinschaftlichen Appellationsgericht haben, sichergestellt werden, daß der Kläger auch wirklich zwischen drei Appellationsgerichten wählen kann. Erklärung sämtlicher Bundestagsgesandtschaften, daß sie diesem Passus des Bundesbeschlusses vom 16. Juni 1817 nie einen anderen Sinn beigelegt hätten.

Frankfurt am Main, 22. Dezember 1817 Die diesseitige Gesandtschaft ist ausdrücklich von Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Regenten authorisirt, dessen Zustimmung zu dem in der 35. Sitzung über die Austrägal-Instanz gefaßten Beschluß1, als dem augenblick­ lichen Bedürfnisse abhelfend, zu erkennen zu geben, zugleich jedoch be­ auftragt, auf eine Erläuterung dieses Conclusi, in Betreff der Wahl von Austrägal-Richtern, dahin anzutragen, daß wenn gleich diejenigen, welche nur Antheil an einem gemeinschaftlichen Appellations-Gerichte haben, zu Austrägal-Richtern vorgeschlagen werden können, dennoch der Vorschlag von dreien Austrägal-Richtern dergestalt geschehen müsse, daß dem Kläger dadurch auch wirklich die Wahl zwischen drei Appellations-Gerichten offen bleibe. Diese gewünschte Erläuterung wird wohl um so weniger Bedenken finden, als uns allen bekannt ist, daß die besondere Erwähnung derer Staaten, welche nur Antheil an einem Appellations-Gerichte haben, nur in der Absicht geschehen sey, um ihnen das Recht zuzusichern, gleich den übrigen Bundesgliedern zu Austrägal-Richtern erwählt werden zu können, keinesweges aber dem Kläger die Wahl zwischen dreien Appellations-Gerichten zu beschränken. Dieß würde gleichwohl der Fall seyn, wenn der Beklagte demselben drei Bundesglieder vorschlüge, welche ein und dasselbe Appellations-Gericht haben, z. B. Braunschweig, Waldeck, Lippe und Schaumburg-Lippe, mithin er dadurch genöthiget würde, die Entscheidung nur dem Appellations-Gerichte zu Wolfenbüttel zu übergeben, welches zwar dem Sinne aber nicht den Worten des Beschlusses entgegen seyn würde; und daher scheint es allerdings nöthig, zu 1 Vgl. Dok. 139.

Nr. 141

Stuttgart, 3. November 1818

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Vermeidung aller künftigen Zweifel, die vorgeschlagene Erläuterung dem Concluso bei dem 2. Absatz Nr. 42 beizufügen, welche wahrscheinlich in dasselbe gleich eingerückt seyn würde, wenn man damals die mögliche Mißdeutung, welche daraus entstehen konnte, sich vergegenwärtiget hätte. Sämmtliche Gesandtschaften waren vollkommen damit einverstanden, und erklärten, daß sie dem Beschlusse vom 16. Juni 1817 (§ 231) nie einen andern Sinn beigelegt hätten.

141. König Wilhelm I. von Württemberg an Wangenheim

HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 286, Nr. 17. Weisung. Reinkonzept1.

Die Streitsache zwischen den lippischen Häusern hat gezeigt, daß der Bundesbeschluß über die Vermittlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander und die Errichtung einer Austrägalinstanz eine Vervollständigung fordert. Schlägt deshalb die Aufstellung einer permanenten Austrägalinstanz vor, die durch den Bundesbeschluß vom 16. Juni 1817 nur ausgesetzt worden sei. Das Austrägalverfahren werde dadurch ungleich fester, bestimmter und geregelter sein, als das bei einer Versammlung von Abgeordneten der Bundesstaaten, deren Amt keine genaue Rechtskenntnis erfordert, möglich sein könne. Mit diesem Gegenstand in enger Verbindung steht die Entwerfung einer Exekutionsordnung. Auftrag an Wangenheim, sich darüber mit den Gesandten anderer Bundesstaaten, vorzüglich jenen, welche sich bereits früher für eine permanente Austrägalkommission erklärt haben, Rücksprache zu nehmen über die Form und Aufstellung derselben, um die Ansichten der Mehrheit vorläufig kennenzulernen und einen Antrag auf Errichtung einer permanenten Austrägalinstanz vorzubereiten.

[Stuttgart], 3. November 1818 Rescript an den K. Bundestags-Gesandten. L[ieber] G[etreuer]. Die Streitigkeit zwischen den Lippischen Häusern, welche zu dem durch den Bericht v. 26[te]n v. M. No 1362 eingesendeten, in der 51[te]n Sitzung der Bundes-Versammlung gefaßten Beschluß3 Veranlassung 2 Gemeint ist Dok. 139, Abschnitt III, Nummer 4).

1 Die Vorlage trägt oben links den Vermerk: „mit StS. vdt. vom 3. 9br. communicirt“. (Gemeint ist der Vermerk „Auf Befehl des Königs der St. Secretär Vellnagel“ in der Ausfertigung des Reskripts vom 3. November 1818; vgl. StA Darmstadt, G 2 A, Nr. 66/1 [Abschrift]). 2 Vgl. Bericht Wangenheims Nr. 136 an König Wilhelm I. von Württemberg, Frankfurt am Main, 26. Oktober 1818, HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 918. 3 Vgl. ProtDBV 1818, 51. Sitzung vom 12. Oktober 1818, § 235, S. 537 f.

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König Wilhelm I. von Württemberg an Wangenheim

Nr. 141

gegeben hat, liefert den durch die Erfahrung geführten Beweis, daß in der 35[te]n Sitzung vom Jahr 1817 über das vermittelnde Verfahren der Bundes Versammlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder unter sich, und die Aufstellung der Austrägal-Instanz gefaßte Beschluß4, um seinem Zwecke zu entsprechen, eine Vervollständigung fordert. Wenn jener Beschluß auf den Grund der Art. 2 und 11 der Bundes-Acte5, festsetzte, daß 1. alle Streitigkeiten der Bundesglieder unter sich, in Ermanglung einer gütlichen Vereinigung, bei der Bundes-Versammlung anzubringen seyen, 2. diese, durch einen Ausschuß, vor allem die Vermittlung zu versuchen habe, 3. in deren Entstehung für jeden vorkommenden Fall eine Austrägal-Instanz auf die näher bezeichnete Weise gebildet werden solle, welche die richterliche Entscheidung zu fällen habe, so ließ derselbe die Frage unentschieden, wie es zu halten sey, wenn die Streitigkeit durch eine gewaltsame Störung des Besitzstandes veranlaßt, oder eine solche während des Vermittlungs-Versuchs von einem der streitenden Theile vorgenommen werde. Denn da der Bildung der Austrägal-Instanz, für den einzelnen Fall, der Vermittlungs-Versuch vorhergehen muß, so besteht, bis der Ausgang desselben entschieden ist, kein judicium formatum, welches, den Besitzstand schützend, einschreiten könnte, und der inzwischen wirk­ same Vermittlungs-Ausschuß hat weder den Beruf noch die Mittel der Manuten[en]z6. Als daher durch die Streitigkeit der Lippischen Häuser der bezeichnete Fall wirklich eintrat, wurde ein ausserordentliches Einschreiten irgend einer constitutionellen Behörde zur Sicherung des Besitzstandes und Aufrechthaltung der Art. 2 & 11 der Bundes-Acte durchaus erforderlich; welche andere konnte dieß seyn, als die Bundes-Versammlung, welche im Namen und Auftrag der Gesammtheit des Bundes handelt und an welche der Art. 11 der Bundes Acte ausdrücklich die Streitigkeiten der Bundesglieder unter sich verweist, wenn gleich der in der 51[te]n Sitzung gefaßte Beschluß offenbar materiell eine oberstrichterliche Verfügung enthält und die Befugniß dazu nirgends bestimmt ausgesprochen worden ist. Durch die natürliche Gewalt der Dinge giengen folglich die Functionen des Richteramts, welche ein gehörig gebildetes Gericht ohne Anstand und Zweifel und in bestimmter Form ausgeübt hätte, ungeregelt auf die Bundes Versammlung über. Die Folge davon war, daß während ein possessorisches Er4 Vgl. Dok. 139. 5 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508 u. 1512. 6 Manutenenz: durch die Obrigkeit gewährter Schutz für umstrittene (Besitz-)Rechte. Vgl. Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. 9, Sp. 182.

Nr. 141

Stuttgart, 3. November 1818

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kenntniß, ein mandatum sine clausula7, unter solchen Umständen von einem Gerichte ausgesprochen, einem jeden vollkommen gerechtfertigt erscheinen mußte, gegen das dasselbe ergänzende jedoch unvermeidliche Verfahren der Bundes-Versammlung sich nichts desto weniger Zweifel erhoben, nicht solche, welche die Gerechtigkeit der Maßregel selbst, wohl aber solche, welche den Beruf, sie zu ergreifen betrafen. Der Kurhessische Gesandte z. B. erklärte ausdrücklich, daß er an dem von der Commission vorgeschlagenen Beschlusse, wenn er durch die Mehrheit gefaßt werden sollte, ohne vorgängige Instruction keinen Antheil nehmen könne, da er, wenn auch nicht formell, doch materiell einer oberstrichterlichen Anordnung gleichkomme; und doch hatte Kurhessen früher für eine permanente Austrägal-Commission gestimmt8, welche eine solche Anordnung ohne Anstand hätte treffen können. Der Zufall hatte es gewollt, daß der erste Vorgang der Art unter Umständen eingetreten ist, welche dessen sachgemäße Behandlung erleichtert haben; ein ungünstiger Zufall hätte es auch anders wenden können, weshalb die gemachte Erfahrung zu benutzen ist. Eines stellt sich gegenwärtig mit Nothwendigkeit dar, daß nämlich entweder die von Oester­reich vorgeschlagene9, von vielen Stimmen lebhaft unterstützte10 und in dem Beschlusse v. 16. Jun[i] 1817 nur vorläufig ausgesetzte, permanente Austrägal-Commission nunmehr, da sich die Erfahrung für sie erklärt hat, wirklich angenommen werde, oder, daß die sie ergänzende Competenz der Bundes Versammlung, bei obwaltenden Streitigkeiten der Bundesglieder unter sich, den Besitzstand bis zur Aufstellung der Austrägal-Instanz aufrecht zu erhalten, durch einen Bundes-Beschluß über allen Zweifel er­ hoben werde.   7 Mandatum sine clausula (lat.): Unbedingtes Mandat. − Im Mandatsprozeß wurde auf Antrag des Klägers der Beklagte durch Mandat aufgefordert, den Kläger zu befriedigen, und zwar entweder sofort (durch mandatum sine clausula) oder nach einer bestimmten Frist, während der Einreden möglich waren (durch mandatum cum clausula, d. h. bedingtes Mandat). Im Vergleich zum bedingten Mandat war der Beklagte in seinen Verteidigungsmaßnahmen eingeschränkt und auf den Nachweis der Unrichtigkeit der tatsächlichen Mandatsgrundlagen angewiesen. Vgl. Haberkern/Wallach, Hilfswörterbuch für Historiker, S. 409; HRG, Bd. 3, Sp. 232−240, bes. Sp. 235 f.   8 Vgl. Dok. 132, S. 615.   9 Vgl. Dok. 128, S. 602. 10 Vgl. ProtDBV 1817, 26. Sitzung vom 5. Mai 1817, § 152, S. 292 f. (Mecklenburg); ProtDBV 1817, 29. Sitzung vom 19. Mai 1817, § 179, S. 340 (Freie Städte); ProtDBV 1817, 32. Sitzung vom 2. Juni 1817, § 206, S. 410 (Holstein und Lauenburg) u. 411 (Luxemburg), ProtDBV 1817, 33. Sitzung vom 9. Juni 1817, § 214, S. 432 (Großherzoglich und Herzoglich Sächsische Häuser), 433 (Holstein-Oldenburg, Anhalt und Schwarzburg) u. 434 (Hohenzollern, Liechtenstein, Reuß, Schaumburg-Lippe, Lippe und Waldeck).

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König Wilhelm I. von Württemberg an Wangenheim

Nr. 141

Welches von beiden Mitteln das geeignetere sey, darüber wird kein Zweifel statt finden, wenn man erwägt, wie ungleich fester, bestimmter und geregelter das Verfahren eines durch Compromiß permanent gebildeten Austrägal-Gerichts seyn wird, als das einer Versammlung von Abgeordneten der Bundesstaaten, deren Beruf keine genaue Rechtskenntniß fordert, unter denen sich stets die Bevollmächtigten der Betheiligten befinden müssen, welchen die Haltung und Sicherheit des Benehmens abgeht, die ein bestimmt geordnetes Gerichts Verfahren gibt, die folglich nicht nur bei jedem vorkommenden Fall über Fassung und Form zweifelhaft, sondern auch nur zu leicht durch politische Rüksichten beschränkt seyn werden. Mit diesem Gegenstande steht in enger Verbindung die Entwerfung einer Exekutions Ordnung, ohne welche die vorläufig beliebte Aufstellung der Austrägal Instanz, selbst in den Fällen, wo sie sonst ausreichend seyn würde, unvollkommen bleibt, wie diß auch mehrere Stimmen in den Berathungen, welche dem Beschlusse vom 16. Junii 1817 vorangiengen, bemerklich gemacht haben. Die Klugheit mahnt auch diese Einrichtung nicht bis zu dem Augenblike zu verschieben, wo ihre freie Erörterung durch die veranlassenden Umstände beschränkt werden könnte. Diese Betrachtungen veranlassen Uns, euch den Auftrag zu ertheilen, über den Innhalt derselben mit den Gesandten anderer Bundesstaaten, vorzüglich denen, welche sich bereits früher für eine permanente Austrägal-Commission erklärt haben, Rüksprache in Beziehung auf die Art und Form der Aufstellung derselben zu nehmen, um die Ansichten der Mehrheit vorläufig kennen zu lernen und auf diese Weise nach Befinden einen bestimmten Antrag in der Bundes Versammlung vorzubereiten, welcher selbst durch den Beschluß vom 16. Junii 1817 vollkommen gerechtfertigt ist. Übrigens hätten Wir erwartet, die Aktenstüke in der Streitsache zwischen den Lippischen Häusern vollständig zu erhalten. Da ihr euch darauf beschränkt habt, mit Bericht No 12811 die Darstellung der Rechts Verhältnisse des Amts Blomberg einzusenden, so konnte nur die vollkommene Übereinstimmung der Ansichten, welche in der 51[te]n Sitzung12 über die Thatsachen herrschte, das Bedenken beseitigen, ob die faktischen Voraussetzungen eines so wichtigen Beschlusses, die Besitzstörung selbst, auch über jeden Zweifel erhoben sey. Gegeben etc. [Wilhelm13] 11 Vgl. Bericht Wangenheims Nr. 128 an König Wilhelm I. von Württemberg, Frankfurt am Main, 6. Oktober 1818, HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 918. 12 Vgl. ProtDBV 1818, 51. Sitzung vom 12. Oktober 1818, § 235, S. 535−538. 13 Wilhelm I. Friedrich Karl (1781−1864), seit 1816 König von Württemberg. Vgl. ADB, Bd. 43, S. 209−213; DBE, Bd. 10, S. 505.

Nr. 142

Darmstadt, 16. November 1818

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142. Wangenheim an Goltz

GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 796. Schreiben. Behändigte Ausfertigung.

Wüttemberg hat zu den wenigen gehört, die von der durch Österreich in Anregung gebrachten Idee einer permanenten Austrägalkommissionen eingenommen waren. Die Streitigkeiten der lippischen Häuser haben nun Veranlassung gegeben, diese Idee einer erneuten Prüfung zu unterziehen, welche die größere Zweckmäßigkeit einer permanenten Austrägalkommission sowie die Notwendigkeit einer Exekutionsordnung hervorgebracht hat. Auftrag Wangenheims, in dieser Angelegenheit mit den ­Gesandten anderer Bundesstaaten in vertrauliche Kommunikation zu treten und sich deren Ansichten zu erbitten. Übersendet Goltz den Auszug eines Reskripts König ­Wilhelms I., in dem die württembergische Position entfaltet wird.

Darmstadt, 16. November 1818 Bekanntlich gehörte das Württembergische Gouvernement zu den wenigen, welche gegen die, von dem K. K. Oesterreichischen Hofe in Anregung gebrachte, Idee einer permanenten Austrägal-Commißion1 eingenommen waren. Die Streitigkeiten zwischen den Fürstlich Lippischen Häusern und die, über die Manutenenz des Besitzstandes, welche die hohe Bundes Versammlung, erkannte, erhobenen, Zweifel haben jedoch die Veranlaßung gegeben, jene Idee von neuem einer sorgfältigen Prüfung zu unterwerfen. Diese hat das, wie es scheint, glükliche Resultat gehabt, die Ueberzeugung sowohl von der größern Zwekmäßigkeit einer permanenten Austrägal-Commißion, als auch von der Nothwendigkeit einer Executions-Ordnung hervorzubringen. Der Unterzeichnete ist daher beauftragt, über diesen Gegenstand mit den Herrn Gesandten anderer Bundesstaaten, besonders aber auch in Beziehung auf die Art und Form einer permanenten Austrägal-Commißion, in vertrauliche Communication zu treten, und sich die Ansichten derselben zu erbitten. Indem derselbe sich, zufolge dieses höchsten Auftrags, die Ehre gibt, Seiner Excellenz dem Königlich Preußischen wirklichen Geheimen Staats- und Kabinets-Minister und Bundestagsgesandten Grafen von der Golz einen Auszug aus dem Rescripte2, in welchem die Motive des Antrags enthalten sind, vertraulich mitzutheilen, benuzt er diese Gelegenheit die Versicherung seiner ausgezeichnetesten Hochachtung zu erneuern. Wangenheim

1 Vgl. Dok. 128, S. 602. 2 Vgl. Dok. 141.

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Danz an Wangenheim

Nr. 143

143. Danz an Wangenheim

HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 921, fol. 13. Schreiben. Abschrift (= Anlage zum Bericht Wangenheims an König Wilhelm I. von Württemberg, Kassel, 6. Januar 1819; ebd. fol. 16–14’ und 11).

Befürwortet eine permanente Austrägalinstanz und sichert die Mitwirkung der Freien Städte zur Erreichung dieses wohltätigen Zwecks zu.

Beilage ad Rel. Nro. 2



Frankfurt am Main, 30. Dezember 1818

Indem der Unterzeichnete für die, durch die geehrte Note Sr. Excellenz, des Königlich Würtembergischen Herrn Staats Ministers und Bundestagsgesandten Freyherrn von Wangenheim vom 16ten November gemachte gefällige Mittheilung1, den verbindlichsten Dank abstattet, gibt sich derselbe die Ehre zu erwiedern: In der Abstimmung der freyen Städte über die Aufstellung einer wohlgeordneten Austrägal-Instanz2, ist der Wunsch der Herren Committenten des Unterzeichneten, daß eine permanente errichtet werden möge, bestimmt ausgedrükt. Des unterzeichneten Herren Committenten werden daher, sehr gerne, zu allem dem mitwirken, was zu Erreichung dieses wohlthätigen Zweks, nur immer beitragen kann. Die Bearbeitung einer Executions-Ordnung ist, durch Beschluß der Bundes Versammlung, vom 12ten Jenner 18183, einer eigenen Commißion aufgetragen; die umfaßenden Einsichten so geprüfter Männer sichern gründliche Erschöpfung dieses wichtigen Gegenstands und vollkommene Befriedigung. Die Erörterung des Austrägal-Verfahrens wird wohl das schiklichste Mittel darbieten, die Permanenz der Instanz, von Neuem zur Sprache zu bringen, auch die Beantwortung der Frage, wie es zu halten sey, wenn die Streitigkeit durch eine gewaltsame Störung des Besitzstandes veranlaßt, oder eine solche, während des Vermittelungsversuchs, von einem der streitenden Theile, vorgenommen wird – herbeizuführen. Der Unterzeichnete hat die Ehre, Sr. Excellenz dem Königlich Würtembergischen Herrn Staats Minister und Bundestagsgesandten, Freyherrn von Wangenheim seine vollkommenste Hochachtung zu versichern. Danz

1 Der Text dieser im Zweiten Weltkrieg verbrannten Note dürfte weitgehend identisch sein mit dem Schreiben Wangenheims an den preußischen Bundestagsgesandten von der Goltz; vgl. Dok. 142. 2 Vgl. ProtDBV 1817, 29. Sitzung vom 19. Mai 1817, § 179, S. 339−341. 3 Vgl. ProtDBV 1818, 1. Sitzung vom 12. Januar 1818, § 2, S. 3.

Nr. 144

Frankfurt am Main, 31. Januar 1819

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144. Goltz an Bernstorff

GStAPK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 2027. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 11. Februar 1819.

Der Ausspruch in der Streitsache zwischen Lippe und Schaumburg-Lippe auf Wiederherstellung des gestörten Besitzstandes hat den württembergischen Bundestags­ gesandten Wangenheim zu der Forderung veranlaßt, entweder die Kompetenz der Bundesversammlung zu solchen summarisch-possessorischen Erkenntnisen förmlich auszusprechen oder auf den Vorschlag einer permanenten Austrägalkommission zurückzukommen, dem er den Vorrang gibt. Beleuchtung der Vor- und Nachteile beider Alternativen durch Goltz: 1. Trotz gewisser Mängel gibt das seit 1817 bestehende Austrägalverfahren bislang keinen Grund zur Beanstandung und zur Aufgabe dieser Kompetenz. 2. Durch die Errichtung einer permanenten Instanz soll die Idee der Austräge durch die Idee eines Bundesgerichts ersetzt werden; eine solche Entscheidung erfordere Stimmeneinhelligkeit in der Bundesversammlung; die Anzahl der Streitigkeiten unter Bundesgliedern ist zu gering, um die Errichtung eines permanenten Kollegiums zu rechtfertigen und bietet keinen Vorteil gegenüber der Wahl von Obertribunalen in den einzelnen Bundesstaaten; die Schaffung eines Bundestribunals würde außerdem zu früh kommen, da sich die Rechtsverhältnisse des Deutschen Bundes erst noch entwickeln müssen. Auch die von Württemberg angeregte Exekutionsordnung ist nicht notwendig: ein solches Zwangsmittel werde in der Bundesakte nicht erwähnt und sei aufgrund des staatenbündischen Charakters des Deutschen Bundes auch unpassend. Preußen muß nach außen den Eindruck vermeiden, daß es einer wesentlichen Entwicklung der Bundeseinrichtungen entgegentreten wolle. Buols Eifer in diese Richtung entspricht nicht den Intentionen des Wiener Hofs, der den Regierungen der Bundesstaaten keine Einrichtungen aufdrängen wolle. Bittet Bernstorff um Mitteilung seiner Ansichten.

Frankfurt am Main, 31. Januar 1819 Der vor der Vertagung der Bundes-Versammlung in der Streitsache zwischen Lippe-Detmold, und Schaumburg-Lippe erfolgte Ausspruch auf einstweilige Wiederherstellung des gestörten Besitzstandes1, über welchen unter dem 9ten Novbr. von mir einberichtet worden, hat nach den abschriftlichen Anlagen eine Mittheilung des König. Würtembergischen Gesandten zur Folge gehabt, in welcher die Nothwendigkeit: entweder die Competenz der Bundesversammlung zu dergleichen summarisch-possessori­schen Erkenntnissen2 förmlich auszusprechen, oder auf die Begründung einer permanenten Austrägal-Commission zurückzukommen, erklärt, und [der] letzteren Alternative Beyfall gegeben wird.3 1 Vgl. ProtDBV 1818, 51. Sitzung vom 12. Oktober 1818, § 235, S. 537 f. 2 Im summarisch-possessorischen Prozeß wurden Besitzstreitigkeiten nach einem in den Prozeßformen vereinfachten und damit beschleunigten Verfahren geregelt. Vgl. HRG, Bd. 5, Sp. 79 f. 3 Vgl. Dok. 142.

654

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Daß das im Jahre 1817 angeordnete Verfahren bey Streitigkeiten unter Bundesgliedern4 für Fälle dieser Art nicht paßt oder ausreicht, ist in dem Würtembergischen Rescripte ganz richtig bemerkt; und das Bedürfniß einer allgemeinen Entscheidung über das darunter stattfinden sollende Auskunftsmittel kann demnach keinen Zweifel leiden. Was nun aber die aufgestellte Alternative betrift, so ist die Frage von Errichtung einer permanenten Austrägal-Commission in den Sitzungen von 1817 bereits ausführlich discutirt5; so daß die in den Protokollen enthaltenen Abstimmungen nebst den damals erstatteten Berichten das Material zur Beurtheilung der Sache schon reichlich darbieten. Nur lag damals die Frage nicht sowohl rein und an und für sich zur Prüfung vor; sondern es handelte sich nach dem Gange, den die Sache damals nahm, mehr davon, ob eine anscheinend hervorgehende Minorität, die sich damals nicht für die Bildung einer permanenten Instanz entscheiden wollte, und in welcher auch Preußen sich befand, selbst wenn auch die entgegenstehende Majorität bey genauer Analyse der Abstimmungen wirklich hervorginge, verpflichtet sey, sich dieser Majorität in solcher Hinsicht unterzuordnen? Demnach die Gründung einer permanenten Instanz, als durch die Mehrheit entschieden, sich gefallen zu lassen? Eine Verpflichtung welche, da es sich hiebey von einer organischen Einrichtung handelte, allerdings zu verneinen schien, obwohl sie der Graf von Buol und Andere mit dem nach ihrer Meynung anzunehmenden, obwohl sehr unbestimmten, unerweißlichen und eines geordneten Gebrauchs kaum fähigen Grundsatze zu behaupten geneigt waren: daß „Modalitäten“ organischer Einrichtungen durch die Mehrheit entschieden werden könnten6; eine Behauptung, welche wenigstens voraussetzt, daß man entweder im Allgemeinen einen Unterschied oder eine Grenze zwischen Basen oder Grundzügen und Haupt-Modifikationen organischer Einrichtungen und zwischen „Modalitäten“ für alle dahin gehörige Gegenstände im Voraus festzusetzen im Stande wäre, oder (da Solches nicht wohl gedenkbar) daß man bey dem gerade vorliegenden einzelnen Gegenstande organischer Einrichtung zuvor einstimmig eine Basis der Hauptmodifikationen beschlossen und zum Grunde 4 Vgl. Dok. 139. 5 Vgl. ProtDBV 1817, 26. Sitzung vom 5. Mai 1817, § 152, S. 282−295; ebd., 28. Sitzung vom 12. Mai 1817, § 169, S. 325; ebd., 29. Sitzung vom 19. Mai 1817, § 179, S. 338−341; ebd., 30. Sitzung vom 22. Mai 1817, § 189, S. 349−355; ebd., 31. Sitzung vom 29. Mai 1817, § 196, S. 371−375; ebd., 32. Sitzung vom 2. Juni 1817, § 206, S. 408−415; ebd., 33. Sitzung vom 9. Juni 1817, § 214, S. 425−435; ebd., 34. Sitzung vom 12. Juni 1817, § 224, S. 457−459; sowie Dok. 129, 130, 131, 132 und 133. 6 Vgl. etwa Dok. 87.

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Abb. 4: August Friedrich Ferdinand Graf von der Goltz (1765–1832)

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gelegt, und über das Uebrige von Modalitäten gänzlicher Ausbildung, nach Mehrheit zu bestimmen sich vereinigt hätte. Aus diesem Zusammenhange, der damals eine ruhige Erwägung des Gegenstandes wenig begünstigte und die diesseitige Regierung nicht bestimmen konnte, einer Einrichtung nachzugeben, die sie ohne über ihre Zweckmäßigkeit überhaupt oder für immer zu urtheilen, wenigstens für nicht dringend oder allem Bedenken entzogen, ansahe, ist die Sache nun gegenwärtig gelößt. Die Einrichtung der permanenten Instanz wird fragweise und nach Ihrer Nützlichkeit oder Nothwendigkeit, zunächst zu Erreichung eines vorliegenden besonderen Zweckes, in Vergleichung mit einem andern vorhandenen Auskunftsmittel, aufgestellt. Und in diesem neuen Zusammenhange verdient sie demnach erörtert zu werden. Nach dem ersten Anschein könnten nun freylich der, der Bundes-Versammlung ausdrücklich beyzulegenden Competenz zu Faßung summarisch-possessorischer Erkenntnisse, als der aufgestellten ersten Alternative, vielleicht (obwohl immer nur im geringeren Maaße) dieselben Gründe entgegengesetzt werden, auf welche bey Feststellung des Verfahrens für Streitigkeiten unter Bundesgliedern im Jahr 1817, selbst diesseits zuerst aufmerksam gemacht ward, daß nämlich die Bundes-Versammlung, in welcher man damals das ganze Austrägalverfahren vollständig gründen zu können glaubte, verfassungsmäßig weder überhaupt aus Rechtskundigen im engeren Sinne, oder aus richterlich-geübten, Rechtserfahrnen Personen zusammengesezt zu werden brauche, noch irgend eine Norm vorhanden sey, nach welcher auch nur eine gewisse Zahl solcher Rechtskundigen, als in Mitte der Versammlung constitutionell vorhanden, die Gewißheit ertheile, in dem Schooße derselben ein Judicium formatum in irgend einer Art solchergestalt constituiren zu können, daß dessen Rechtssprüchen eine richter­ liche Autorität und Zuverläßigkeit im strengsten Sinne beygelegt werden könne. Denn allerdings kann man nicht in Abrede stellen, daß selbst auch die Faßung eines possessorischen Erkenntnisses einfachster oder summarischster Art, so wie die Reichsgerichte dergleichen als Mandata sine clausula ertheilten, und ein solches in der Lippischen Streitsache wirklich hier erfolgt ist, in der Wirklichkeit ein richterliches Geschäft sey, und richterliche Einsicht, Vorsicht und Erfahrung wenigstens in gewissem Maaße, voraussetze; für deren unfehlbares Vorhandenseyn in Mitte der Versammlung nirgends gesorgt sey. So richtig jedoch diese nach der Theorie und nach dem bisherigen Buchstaben der Bundes-Verfassung bemerkt werden könnte, so leuchtet doch, wenn nicht für eine regelmäßige Beschäftigung mit richterlichen Arbeiten schwierigerer Art, doch für die hier vorliegende Frage andrerseits ein,

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daß doch in Praxi7 (und abgesehen von stattfindender oder nicht stattfindender constitutioneller Vorschrift) es in der Bundes-Versammlung niemals an Mitgliedern fehlen könne8 und werde, die der Ausrichtung eines so einfachen Rechtsgeschäfts als ein summarisch-possessorisches Erkenntniß enthält, die erforderliche Zuverläßigkeit oder das nöthige Ansehen zu geben im Stande seyen. Bei aller constitutionellen Freilassung der Gesandten-Wahl nach ihrer persönlichen Qualifikation, ist doch die Natur vieler hier vorkommenden Geschäfte so geartet, daß der Bundes-Versammlung die hierunter vorausgesetzte vollkommene Befähigung in einer gewissen Zahl von Mitgliedern, nie abgehen kann, wenn ein geordneter sicherer Geschäftsgang überhaupt hier stattfinden soll; so wie denn auch in der That eine Menge hier bereits wirklich erledigter oder genügend beurtheilter Gegenstände, ohne das dermalige Vorhandenseyn von rechtsgeübten Mitgliedern in der Versammlung, gar nicht zu leisten gewesen wäre, und die Reihe fehlerfrey und unanstößig beurtheilter Privatreclamationen Solches in der Reihe der Protokolle, und deren Beylagen hinreichend bestättigt, auch der ganze hiesige Geschäftsgang ohne jene solide Basis soviel Consistenz und Sicherheit nicht hätte gewinnen können, als er im Ganzen, und auf das Detail der Privat-Reclamationen gesehen, doch wirklich erhalten hat. Wenn aber hierunter und gleich zu Anfange günstige Zufälligkeiten oder, richtiger, eine gewisse Uebersicht, auf welche Art der Leistung es hier in den meisten Fällen ankomme, richtig entschieden haben; so ist für die Folge nun noch zuverläßiger zu erwarten, daß eine solche Uebersicht und die Erfahrung eines solchen hier stattfindenden Bedürfnisses, dasselbe Resultat in Zukunft noch gewisser gewähren werde, wenn es auch in der fernern Organisation des Bundes und der Versammlung nie zu Feststellungen kommen sollte, die dieses Resultat noch geordneter herzustellen vermöchten. Sobald aber die unumgängliche Nothwendigkeit praktisch nicht einleuchtet, eine sowohl in der ganzen jetzt bemerkten Geschäftsführung allgemein, als speciell in dem Lippischen Falle faktisch behauptete Competenz aufzugeben; zeigen sich erhebliche Gründe, dieselbe vielmehr um deswillen jetzt ausdrücklich zu bestättigen, weil die andere Alternative, oder die Bildung einer permanenten Instanz ohne Zweifel auch ihre bedeutenden Inconvenienzen und Schwierigkeiten, und vielleicht deren noch erheblichere, zeigt. Wenn nämlich eine permanente Instanz, wie es doch geschehen müßte, in einem besondern Tribunale errichtet wird, so würden aus demselben nun in Zukunft nicht nur abgedrungene Mandata sine clausula ertheilt werden, son7 Lat.: in der Praxis. 8 Doppelt unterstrichen

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dern es gingen sodann auch alle und jede Streitigkeiten zwischen Bundes­ gliedern, sobald sie nicht vermittelt würden, an dieses Tribunal über. Wie und auf welche Weise nun aber die Anordnung „einer wohlgeordneten Austrägal-Instanz“9 (so wie die Bundes Akte sie vorschreibt) als ihr eigentliches Wesen in Gemeinwahl des Richters durch Kläger und Beklagten und in der Vermittelung durch Pares10 besitzend, durch ein permanentes Tribunal dargestellt werden könne, ist schwer abzusehen. Es würde derjenige Gang hieher gehöriger Rechtssachen, nach welchem doch allemal zuerst die gewählten Regenten als Pares eintreten, aufhören; und die Bundes-Versammlung übergäbe sodann die Streitsachen unter Bundes Gliedern, nach eignem vergeblichem Versuch gütlicher Vermittlung, unmittelbar dem Tribunale; so wenig auch bey Unterzeichnung der Bundes-Akte nach dem gewählten Ausdrucke und in dessen aus den Wiener Verhandlungen hinlänglich bekannter Sinn beschlossen worden, sich in solchen Streitsachen unmittelbar einem Tribunale unterzuordnen, vielmehr die Idee erneuerter Austräge ausdrücklich und wohlbewußt an die Stelle der beseitigten Idee eines Bundes-Gerichts gesetzt worden ist. Das einzige Mittel, eine Art von analogischer oder vielmehr Schein-Bildung einer Austrägal-Instanz in einem solchen Tribunale zu Stande zu bringen, bestände in Annahme einer so bedeutenden Zahl zu ernennender Richter, daß diejenigen Regierungen, die entweder allein, oder mit andern vereinigt, nach der Bundes Akte ein Gericht dritter Instanz constituiren, auch nun in diesem Tribunale einen Richter ernennten, welchem als Referenten dann eigentlich diejenige Sache verfassungsmäßig anheim fallen müßte, in welcher die Regierung, welche ihn bestellt hätte, in Folge des Austrägal-Verfahrens gewählt worden wäre. Denn wenn man dieselbe austrägalmäßig freyzulassende Wahl des Richters etwa gar nur durch einen Turnus in der Stellenbesetzung darstellen wollte, so müßte doch ohne Zweifel als gänzliche Ausarbeitung der Grund Idee eine Einrichtung betrachtet werden, in welcher immer nur eine beschränkte Zahl von Regierungen gleichzeitig repräsentirt wäre, der zum Grunde zu legende Wahl-Charakter also gänzlich erlöschen müßte. Wenn übrigens schon hieraus sich ergiebt, daß sobald man zu Errichtung eines permanenten Tribunals vorschreiten will, eigentlich (und wenn man nicht mit dem Worte spielt, nicht von Modalitäten einer Austrägal-Instanz, sondern von Vertauschung dieser mit einem Bundesgerichte, die Rede ist, welches dann auch anzunehmen oder zu verwerfen jeder einzelnen Regierung noch gänzlich frey stände) so kommt ausserdem und ferner noch in Betracht, daß   9 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512 (Artikel 11). 10 Lat.: Gleiche.

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Zweitens die Zahl der Streitigkeiten unter Bundesgliedern, nach Abzug derer, die gütlich vermittelt werden, allem Vermuthen nach (und wenn nicht selbst das Vorhandenseyn des Tribunals, wie wohl möglich, Processe erzeugte und nährte) niemals ein stark besetztes Collegium irgend beschäftigen ­würde, auch Drittens (die etwa vorkommenden summarischen Besitz-Erkennntnisse abgerechnet) schwerlich ein Vorzug zu zeigen ist, der ein solches Tribunal vor Tribunälen dritter Instanz in den einzelnen Bundesstaaten auszeichnete, wonach dann seine schwierige und kostbare Errichtung überall schwach motivirt und kaum zu rechtfertigen erscheint. Denn wenn man auch Viertens nicht ohne Grund behaupten könnte: die Streitigkeiten unter Bundes Gliedern seyen in der Mehrheit der Fälle wohl so geartet, daß Bildung und Uebung zu deren Entscheidung in ­einem eigends errichteten Tribunale nützlich sey; so kömmt auch diese Behauptung die sonst vielleicht die haltbarste von allen wäre, wenigstens jetzt noch viel zu früh, indem offenbar im jetzigen Zeitpunkte jene Ausbildung und Zuverläßigkeit der Rechtsquellen und Rechts Normen, nach welchen vormals die Reichsgerichte in Streitigkeiten zwischen Bundesgliedern zu sprechen vermochten, noch wesentlich mangelt, und um deswillen für’s Erste noch ferner ermangeln muß, weil in den Verhältnissen selbst, in welchen jene Rechts Normen entscheiden sollen, so viel Verändertes, Neues und Unentwickeltes ist. Mit dieser Lage stimmt auch die bisherige hiesige Erfahrung ganz überein, indem vielleicht noch kein einziger reinjuristischer Streitgegenstand hier vorgekommen ist, sondern Das, worüber gestritten wird, in der Regel Ereignisse, Veränderungen und Verwickelungen sind, die nach Traktaten oder allgemeinen Principien diplomatisch beurtheilt werden müssen, und nach deren hinreichender Entwickelung und Aufklärung auch der Streitgegenstand, ohne irgend eine streng juristische Prüfung zu fordern, zugleich schon entschieden ist. Aus dieser, ihrer Natur nach temporären Beschaffenheit und Lage wird erst im Lauf der Zeit ein sicheres und bleibendes Rechts-Material in Streit­ sachen zwischen Bundesgliedern, zugleich mit Streitobjekten mit bestimmt rechtlicher Natur sich ausscheiden, indessen ein für dieselben schon jetzt errichtetes Tribunal entweder Gefahr laufen würde, in sich widerrechtliche und unzutreffende Entscheidungen nach irgend einem übelangewandten Rechtsbuchstaben zu fällen, oder so häufig auf Recurse an die Bundes-Versammlung sich gründen zu müssen, daß seine verfrühte Existenz mit schwachem Ansehen und unter einer das Recht entstellenden und compromittirenden Vermischung diplomatischer und rechtlicher Entscheidungs-Quellen und Normen, anheben würde, oder (was der wahrscheinlichste Erfolg für’s Erste

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wäre) es würde so wenig und unbedeutend beschäftigt seyn, daß seine Errichtung sich völlig müssig und überflüssig zeigte. Ich glaube nichts mehr hinzufügen zu dürfen, um das allgemeine Urtheil über die dermalige Erneuerung der Idee jenes zu errichtenden Tribunals dahin auszusprechen, daß dieselbe in ihrem Mangel an Nothwendigkeit und Reife für klargedachte, wirklich vorliegende Zwecke, mit derjenigen Vorsicht aufgenommen zu werden verdient, die mit den Nebenzwecken Schritt hält, welche, mehr oder weniger klar gedacht, allein bis dahin den Eifer für ein Tribunal dieser Art hier bey der Bundes-Versammlung erweckt und unter­ halten haben. Man darf mit dem entschiedenen Vor Einfluß, den der präsidirende Gesandte, zusammengenommen mit der ganzen Stellung seines Hofes, in Bundes-Verhältnissen zu äußern vermag, aus hiesiger Erfahrung nur wenig bekannt seyn, um zu empfinden, daß, mit welchem Ansehen und welcher Autorität die Bundes-Versammlung sich auch umgeben oder vergesellschaften möge, der nächste und sicherste Gewinn daraus für die Vermehrung des Ansehens und Einflusses jenes Hofes gewonnen wird. Daß dieses vollkommen begriffen worden, hat die Erfahrung im Sommer 1817 in dem ganz unverhältnißmäßigen Eifer gezeigt, den der präsidirende Gesandte, in Vereinigung mit einigen andern Gesandten, in die damalige Durchsetzung der Sache, legte, und dessen eigenthümliche merkwürdige Aeußerung damals berichtlich vorgelegt ward11. Dieses bestimmt anzumerken, fordert keine Art der Eifersucht auf, die einem solchen Vor-Einflusse entgegenzuwirken strebte, der auf Erreichung wesentlicher Bundeszwecke, unter Schonung des damit zu vereinigenden speciellen Interesses, gerichtet würde; sondern es wird durch eine Um- und Voraussicht zur Pflicht gemacht, die bey mehrerer Gelegenheit offenliegend veranlaßt worden, und deren Anwendung u. a. in den das diesseitige Interesse so tief berührenden Verhältnissen der Militairsache sich als nothwendig gezeigt hat, und noch in diesem Augenblicke von neuem zeigt. Für den jetzigen Fall einer neuen Anregung der permanenten Instanz ist übrigens unzweifelhaft, daß Würtemberg um die Zeit, wo es diese im Ganzen ziemlich unbefangen aussehende, obwohl an einigen Aeußerungen doch zu erkennende Anregung machte (Anfang Novembers v. J.)12 sich noch ein Mittel oder wenigstens eine Demonstration vorbereiten wollte, um für ­ ­Baden, welches jeden Augenblick bereit war, seine Territorialsache mit Bay11 Vgl. die Berichte von der Goltz’ vom Sommer 1817 in GStAPK Berlin, III. HA, MdA  I, Nr. 2027. 12 Vgl. Dok. 141 und 142.

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ern13, als Streitigkeit zwischen Bundesgliedern, an den Bund zu bringen, einen Stützpunkt auszuwirken, von ähnlicher Beschaffenheit, als derjenige war, den dieses seiner Sache zu geben versuchte, als es mit unerwarteter Schnelligkeit eine Stände Verfassung hervortreten ließ, in welcher die Integrität seines Landbestandes und sein Familien-Vertrag als Vor- und Grundbedingung mit aufgenommen wurden14. Wenn daher in dem Würtembergischen Rescripte15 Anspielungen auf „Umstände“ gemacht werden, die in dem Lippischen Falle die Möglichkeit des hiesigen Ausspruchs erleichtert hätten, und welche schließlich anriethen, sich für künftige mögliche, mit andern Umständen eintretende Fälle mit sicheren Auskunftsmitteln zu versehen; so ist klar genug, daß dabey an Mittel gedacht ward, wo hier gezogene Beschlüsse mit einer Autorität und mit Anführungsmöglichkeit in solcher Art verstärkt und umgeben würden, daß auch mächtigern16 Höfen das Ausweichen unmöglich oder doch sehr erschwert würde. Ein solches nur zu häufig bis dahin hier sichtbar gewordenes Verfolgen von Nebenzwecken (welchem die Maske bezweckter Bundes-Consolidirung vorgehalten wird) lehrt, nach nunmehriger Erfahrung, allerdings auf der Hut zu seyn, um selbst Ideen und Anregungen, welche diesseits zu Wien unter ganz andern Umständen und ehe der hiesige Entwickelungsgang in die Reihe ­neuer Erfahrungen getreten war, unterstützt worden, nicht ohne von neuem angestellte tiefe Erwägung, nachzugeben. Alles, was, oberflächlich und all­ gemein betrachtet zur Befestigung des neuen Verbandes dienen zu müssen 13 In Artikel 16 des geheimen österreichisch-bayerischen Vertrags vom 23. April 1815 hatte Bayern die Zusage erhalten, daß ihm die 1803 badisch gewordenen Teile der ehemaligen Kurpfalz für den Fall zurückgegeben werden sollten, daß in Baden kein männlicher Erbe der gegenwärtig regierenden Dynastie vorhanden sei. Diese Bestimmung wurde später durch die Übereinkunft Österreichs, Rußlands, Großbritanni­ens und Preußens vom 20. November 1815 bekräftigt. Gestützt auf diese Zusage erhob Bayern nun offen Anspruch auf Rückgabe der rechtsrheinischen Kurpfalz. Durch das badische Hausgesetz von 1817 und die badische Verfassung von 1818 wurden diese Ambitionen Bayerns jedoch durchkreuzt und auf dem Aachener Kongreß durch die europäischen Mächte das Erbfolgerecht der Hochberg’schen Linie uneingeschränkt anerkannt. Artikel 10 des Frankfurter Territorialrezesses vom 20. Juli 1819, der auch von Bayern unterzeichnet wurde, bestätigte dann noch einmal das Thronfolgerecht der Grafen von Hochberg. Der Territorialstreit zwischen Bayern und Baden war damit zwar rechtlich entschieden, belastetet aber weiterhin die Beziehungen zwischen beiden Staaten. Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 324−328. 14 Die badische Verfassung vom 22. August 1818 bestimmte in § 3 die Unteilbarkeit und Unveräußerlichkeit des Landes und bekräftigte in § 4 das Haus- und Familienstatut vom 4. Oktober 1817, worin das Erbfolgerecht der zu Markgrafen von Baden erhobenen Grafen von Hochberg, einer Seitenlinie des Hauses, festgelegt worden war. Vgl. Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 172−186, hier S. 172. 15 Vgl. Dok. 141. 16 Doppelt unterstrichen.

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scheint, wird, wenn es vor hinreichend aufgeklärten und gegenseitig ausgeglichenen Interessen, geschaffen wird, die entgegengesetzte Wirkung haben; und, was mit einiger Vorsicht der Zukunft besser anvertraut wäre, wird nun auch für künftige Zeiten schon verletzt und alterirt seyn. Alle wesentlichen Institute und Einrichtungen bedürfen einer allmähligen, freien Entwickelung aus der Natur des neuen Verbandes, indem das, was, ohne diesen Charakter zu haben, äußerlich bindend angelegt wird, nur Verhältnisse darbieten kann, die unter andern Umständen eben so leicht compromittirt oder zurückgesetzt und abgeworfen werden, als sie jetzt angelegt worden. Mit diesen Bemerkungen glaube ich auch zugleich das dermalen zu fällende Urtheil über eine hier festzustellende Executions-Ordnung ausgesprochen zu haben; so wie dieselbe von Würtemberg hier gleichzeitig befaßt, und mit einer den Regierungen zweiter und folgender Classe vollkommen verständlichen Andeutung begleitet ist. Man darf nur einen flüchtigen Blick auf den obenbemerkten Versuch zu Geltendmachung der Mehrheit in Modalitäten organischer Einrichtung werfen, und jetzt hinzunehmen, welchen Gebrauch auch Oestreich davon in der Militairsache zu machen beabsichtigt, und als nothwendig ankündigt, um die größte Vorsicht bey beabsichtigten Mitteln strengerer Vinculirung für jetzt und so lange zu empfehlen, als der Mißbrauch solcher Mittel von mehreren Seiten, und nach welcher hin man auch die Stellung Preußens betrachte, möglich ist. Wenn es daher auch für den Augenblick nicht leicht seyn kann, Bestrebungen entgegenzuwirken, denen gute Zwecke beygelegt oder die wenigstens mit deren Scheine bedeckt werden können und wenn Misdeutung vielleicht schwer zu vermeiden ist, so wird doch damit dem bey weiten größeren Uebel vorgebeugt, daß in Zukunft ein Widerstand abgedrungen seyn könnte, der in ein viel gehäßigeres Licht zu stellen wäre, auch größere Uebel in der Wirklichkeit herbeyführen dürfte. Wenn man aber auch die Idee einer zu errichtenden Executions Ordnung an und für sich, und ohne an beabsichtigte Nebenzwecke zu denken, betrachtet, so dürfte es, wie bei dem Vorschlage der permanenten Instanz, auch nicht an offenzulegenden Gründen fehlen, um diese Idee als nach jetzigen Verhältnissen wenig passend und wesentlich darzustellen. So wie die Bundes Akte eines solchen hier zu stiftenden Zwangsmittels gar nicht gedenkt, ist auch leicht zu sehen, daß dasselbe für den dermaligen doch sehr vereinfachten deutschen Staatenbund, in welchem keine Reichs-Gerichte wie vormals zwischen Regierung und Unterthan entscheiden, weit weniger paßt und dringend ist, als in der verwickelten vormaligen Reichs Verfassung mit ihrer kaum zu übersehenden Menge kleiner Regierungen und freyer Städte. Die Rechts Ertheilung, demnach auch die Spruchvollziehung oder Spruch-Befolgung, ­

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zwischen Regierung und Unterthanen erhält jetzt überall in dem eignen Landes Gerichte dritter Instanz ihren gänzlichen Schluß. Bey Streitigkeiten unter Bundesgliedern begnügt sich die Akte, im Art. 11 zu sagen und zu verordnen: daß sich die streitenden Theile dem Ausspruch der Austrägal-Instanz „sofort zu unterwerfen haben.“17 Die Nicht Unterwerfung demnach in einer auf diese Weise einmal entschiedenen Sache würde hier, im Sitze der Versammlung, in welcher jede Regierung ihren leicht anzugehenden Repräsentanten hat, schon an und für sich als bundeswidrige Handlung, als Bundesbruch erscheinen, der, wenn er vorfiele, in einen ernsthafteren Gesichtspunkt, als in den eines unbefolgt gelassenen Rechtsspruches treten, und eine der Ausserordentlichkeit des Falles angemessene specielle Behandlung verdienen und erhalten würde. Dieser Folge zuvorzukommen würden die Bundes-Souveraine nach ihrer ganzen Stellung wohl von selbst bemüht, demnach dieser Erledigungs Gang des Ansehens des neuen mehr vereinfachten Verbandes würdig seyn; was doch in der That von dem angelegten Zwange durch eine Executions-Ordnung nicht zu behaupten ist. Ausser den mehr oder weniger willkührlichen oder unwillkührlichen ­Reminiszenzen an die Reichsverfassung wirkt bey der entgegenstehenden ­Ansicht, auch nur die nicht hinreichend überlegte Erfahrung ein, daß manche hier in der Bundes-Versammlung bis dahin geäußerte Wünsche und Emp­ fehlungen unbefolgt geblieben sind. Alle diese Gegenstände sind aber ganz ­anders bewandt, und können mit der Vinculirung, die im Art. 11 der Akte bei dahin geeigneten Streitsachen schon ohne Weiteres begründet ist, in keiner Art verglichen werden. Denn wenn auch allerdings eine nicht geringe Zahl von Streitigkeiten unter Bundesgliedern hier unentschieden vorliegt, so ver­ räth diese Unentschiedenheit keinen Mangel der Folgeleistung bey stattgehabter Entscheidung. Vielmehr ist diese Unentschiedenheit, nach welcher es zu gar keiner bestimmten Verhandlung, demnach auch zu keinen Resultaten des Vermittelungsversuchs (als ersten Schrittes zur Einleitung der Austräge gekommen) zum Theil der Menge commissarischer mehr oder weniger verwickelter Arbeiten, noch mehr aber der großen Unaufmerksamkeit zuzuschreiben, welche seit Vornahme der Militair-Angelegenheit sich schlechthin über alle andern Gegenstände verbreitet hat. Ob die durch Gerichte dritter Instanz schließlich zu bewirkenden Austräge taugen, oder nicht? ob denselben oder auch einer permanenten Instanz eine Executions-Ordnung anzuschliessen sey oder nicht? kann erst dann erprobt werden, wenn es wirklich bis zu Austrägalsprüchen endlich einmal gekommen ist. Ob demnach die jetzt zu einem Staatenbunde vereinten, wohl zu übersehenden, deutlich repräsentirten acht und dreißig souverainen Regierungen 17 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512.

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und freyen Städte, ihrer dermaligen Stellung mehr gemäß finden wollen, eine bundeswidrige Handlung als Bundesbruch zu betrachten und unmittelbar zu behandeln, als: sich nach der Analogie vormaliger Vereinigung fast zahlloser, auf sehr verwickelte Weise repräsentirter Gebiete, unter der oberstrichterlichen Gewalt von Kayser und Reich, – einer ausdrücklich ausgefertigten, durch die Bundes-Versammlung oder eine perman[en]te Instanz zu handhabender Executions-Ordnung zu unterwerfen: kann in aller Hinsicht schwerlich gefragt werden. Und man würde unwillkührlich an andere, als die angekündigten Zwecke erinnert werden, wenn man auf eine Feststellung letzterer Art einen der jetzigen Lage der Verhältnisse so wenig angemeßenen Werth gelegt sähe. Nach allem diesen dürfte daher für die vorliegende Frage von der Errichtung einer sogenannten permanenten Austrägal-Commission und Abfassung einer Executions-Ordnung, das Resultat: daß sowohl das Eine als das Andere wenigstens vor der Hand weder nothwendig noch angemessen erscheine, bestimmt zu ziehen, und nach obigen Gründen (in so weit dieselben zur Offenlegung sich eignen) aus der Natur der Verhältnisse in solcher Art füglich zu motiviren seyn, daß jeder gerechte Anschein, als wolle man einer wesent­ lichen Entwickelung der Bundes-Einrichtungen entgegen treten, für den Unpartheyischen eben so gewiß vermieden würde, als auch in der Wirklichkeit eine dahin gerichtete Absicht die ganze vorstehende Erwägung nicht geleitet hat. Sollte daher (wie allerdings sehr möglich ist) von dem p. Grafen von Buol, mit übermäßigem Eifer hierunter abermals eingewirkt werden wollen; so werde ich solchen für’s Erste, als die Art seiner persönlichen Geschäfts-Betreibung betrachten können, ohne anzunehmen, daß sein Hof in der That bezwecke, den Bundes-Regierungen Institute und Einrichtungen aufzudringen, die, wenn sie mit gar zu großer Angelegentlichkeit betrieben werden, an die Stellung und Umgebung erinnern, in welcher sich Oestreich vormals im Deutschen Reiche befand. Auch würde in der That jede widersprechende Regierung die Bildung eines Instituts zu verhindern berechtigt seyn, welches weder als mittelbar noch unmittelbar in der Bundes-Akte vorgeschrieben erklärt, oder (nach der vorbemerkten schwankenden Bestimmung) in den ­Gesichtspunkt einer bloßen Modalität organischer Einrichtungen, mit der beabsichtigten Folge, gestellt werden kann. Indem ich mich daher nach dieser ganzen Bewandniß über beyde von Würtemberg in Antrag gebrachten Gegenstände geschlossen halten, und wegen der permanenten Instanz mich dahin: daß ich mit andern Instructionen als den im Sommer 1817 erhaltenen bis dahin nicht versehen sey,

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einstweilen erklären werde, kann es mir vorläufig, und so lange bis der Gegenstand in förmlichen Antrag bei der Bundes-Versammlung übergeht, nur darauf ankommen, im Allgemeinen darüber unterrichtet zu seyn, ob Euer Excellenz den in diesem Berichte entwickelten Ansichten beytreten, und ich dieselben demnach bey stattfindenden mehr oder weniger bestimmten Anregungen im18 Auge zu behalten habe? Goltz

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GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 796. Weisung. Behändigte Ausfertigung.

Die Unzulänglichkeit des Bundesbeschlusses über die Vermittlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder unter einander und die Aufstellung einer wohlgeordneten Austrägalinstanz vom 16. Juni 1817 hat sich gleich im ersten Fall (Streitsache der lippischen Häuser) gezeigt. Es ist deshalb anzunehmen, daß in der Bundesversammlung ein Antrag auf dessen Modifizierung gestellt werden wird. Für diesen Fall werden Goltz folgende Instruktionen erteilt: 1. Sofern eine Abänderung der Austrägalordnung von 1817 zur Beratung kommt, ist dafür zu stimmen, daß die Bundesversammlung durch gemeinsamen Beschluß die Kompetenz erhält, summarisch-possesorische Erkenntnisse in Fällen, wo ein Bundesstaat in seinem Besitzstand durch einen anderen Bundesstaat beeinträchtigt wird, auszusprechen. 2. Einwände gegen den zu erwartenden Antrag Württembergs auf Bildung einer permanenten Austrägal­instanz in Form eines Bundesgerichts: a) die Beschaffenheit eines Bundestribunals steht im ­Widerspruch zum Begriff der Austräge; b) die geringe Zahl an Streitigkeiten unter Bundesgliedern erfordert kein von allen Bundesgliedern besetztes Kollegium; c) wenngleich für die Fassung summarisch-possessorischer Erkenntnisse ein Bundes­ tribunal von Nutzen sein würde, so fehlt es bislang an der notwendigen Ausbildung neuer Rechtsquellen und Rechtsnormen, auf deren Grundlage Recht gesprochen werden könnte. 3. Die von Württemberg angeregte Einführung einer Exekutionsordnung ist gegenwärtig überflüssig und unpassend. Zwar könnte durch die Einführung einer Exekutionsordnung und die Errichtung eines Bundestribunals ein festeres Band um die verbündeten Regierungen geschlungen und die Einheit Deutschlands deutlicher dargestellt werden, doch ist dazu noch nicht der rechte Zeitpunkt gekommen. Dergleichen Einrichtungen müssen sich frei und allmählig entwickeln.

Berlin, 21. Mai 1819 Der im Sommer 1817 von der Bundes Versammlung gefaßte Beschluß wegen Vermittelung bei Streitigkeiten der Bundesglieder unter sich, und Bildung ei18 Emendiert. Vorlage: in.

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ner wohlgeordneten Austrägal-Instanz1, hat, seiner anerkannten Zweckmäßigkeit ungeachtet, noch so manches zu wünschen übrig gelassen, daß es nicht auffallen konnte, wenn seine Unzulänglichkeit gleich im ersten Falle, wo er zur Anwendung kam, eine außerordentliche Maaßregel der Bundes Versammlung nothwendig machte. Die gewaltsame Störung des Besitzstandes von Seiten der Lippe-Detmoldischen Regierung in ihrer Streitsache mit Schaumburg-Lippe, das angemessene Verfahren der Bundes Versammlung in diesem Vorfalle, und die dadurch veranlaßte vertrauliche Mittheilung des Königlich-Würtembergischen Gesandten gegen Ew. Excellenz und andere ­ Gesandten am Bundestage2: dies Alles, in Verbindung mit neuern Vorgängen, läßt auch mich erwarten, daß man am Bundestage bald auf eine Berathung über Modifizirung des erwähnten Beschlusses vom Jahre 1817 zurückkommen werde. Es ist mir angenehm und interessant gewesen, in Ew. Excellenz verschiedenen Berichten über die angeführten Gegenstände, und namentlich in dem ausführlichen Berichte vom 31ten Januar d. J.3 einen reichhaltigen Stoff zur Beurtheilung der Sache nach ihrem ganzen Umfange vorzufinden. Wie sehr ich zugleich in den darin aufgestellten Ansichten einverstanden bin, und deren Anwendbarkeit auf die obwaltenden Verhältnisse anerkenne, davon werden Sich Ew. Excellenz gefälligst aus nachstehenden Aeusserungen überzeugen, welche die Grundsätze enthalten, nach welchen die Sache Preußischer Seits auf dem Bundestage ferner zu behandeln seyn wird. In dem mehrerwähnten Beschlusse vom Jahre 1817 lassen sich zwei Haupt­ elemente unterscheiden, insofern derselbe entschieden-feststehende, oder nur provisorische Bestimmungen enthält. Was auch in Hinsicht der letztern künftig beschlossen werden sollte; so werden die erstern, bei ihrer innern Zweck­ mäßigkeit, fortbestehen können und müssen; nur wird es nöthig seyn, sie, nach Maasgabe des entstandenen Bedürfnisses, durch angemessene Zusätze zu ergänzen. Die neuerlich gemachte Erfahrung hat ergeben, welch ein dringendes Bedürfniß zunächst verfassungsmäßige Sicherstellung des Besitz­ standes unter den Bundesstaaten erfordert. Hierüber fehlt es noch gänzlich an einer feststehenden Bestimmung, und es kömmt daher jetzt darauf an, daß sich die Bundes Versammlung über ein Mittel vereinige, wodurch jenem Bedürfnisse am zweckmäßigsten abgeholfen werden könne. In dem Verhältnisse von Bundesstaaten, die miteinander in Streitigkeiten verwickelt sind, kann nicht füglich alles dasjenige als Störung des Besitz­ standes angesehen werden, was in privatrechtlichen Verhältnissen als solche erscheint und behandelt wird. Hiernach besteht unter den Störungen des 1 Vgl. Dok. 139. 2 Vgl. Dok. 142. 3 Vgl. Dok. 144.

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­ esitzstandes, die ein Bundesstaat gegen den andern ausübt, ein wichtiger B Unterschied. Wenn eine Regierung einen andern Bundesstaat innerhalb ihres eigenen Gebietes oder unter ihrer Landeshoheit an der Ausübung von Rechten hindert, die er bis dahin ungehindert ausgeübt hatte; oder wenn sie ihm Leistungen verweigert, die er bis dahin von ihr unverweigert empfangen hatte: so liegt darin zwar eine Störung des Besitzstandes, aber keine solche, zu deren Abstellung ein possessorisches Verfahren von Seiten der Gesamtheit des Bundes erforderlich wäre. In einem solchen Falle erscheint die Störung des Besitzstandes nur als Veranlassung einer Streitigkeit zwischen Bundesstaaten; die Sache bedarf alsdann keiner eigenthümlichen Behandlung, ­sondern kann sofort an die Bundes Versammlung gebracht werden, um auf ordnungsmäßigem Wege entweder durch die Vermittelung, oder die Austrägal-Instanz ihre Erledigung zu erhalten. Anders aber verhält es sich mit solchen Störungen des Besitzstandes, wo ein Bundesstaat außerhalb des Gebietes, welches ihm mit unbestrittener Ausschließlichkeit angehört, oder ausser den Grenzen seiner Landeshoheit zur Durchsetzung von Rechts-Ansprüchen gegen einen andern Bundesstaat gewaltsame Maaßregeln ergreift, wodurch die Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit desselben gefährdet wird. Hier tritt der Fall eines Verstoßes wider die Bundes Akte ein, welcher einer schleunigen Abhülfe bedarf, und nicht erst weitläuftiger Erörterung unterworfen werden kann. Eine nähere Untersuchung der Rechts Verhältnisse ist dabei auch nicht nöthig, weil dieselben hinsichtlich des Besitzstandes in der Regel schon an sich klar und einfach sind; wie denn überhaupt ein Eingriff in die Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit einer Regierung von Seiten einer andern als etwas Auffallendes eben so leicht zu erkennen, als zu beurtheilen ist. Nur für Fälle dieser Art wird eine Bestimmung über Sicherstellung des Besitzstandes von der Bundes Versammlung festzusetzen seyn. Es muß mithin eine organische Einrichtung getroffen werden, wornach es verfassungsmäßig möglich ist, das, den Besitzstand störende Bundesglied zur ungesäumten Wiederherstellung des status quo anzuhalten, wie es im privatrechtlichen Verhältniße durch summarisch-possessorische gerichtliche Erkenntnisse geschieht. In der Lippischen Streitsache ist ein ­ ­solches Erkenntniß, nach dem natürlichen Gange der Dinge, von der Bundes Versammlung schon einmal mit Erfolg ausgesprochen, und ihre Competenz dazu faktisch behauptet worden. Das einfachste Mittel zur bleibenden Sicherstellung des Besitzstandes auf verfassungsmäßigem Wege, besteht hiernach unstreitig darin, die Competenz der Bundes Versammlung zur Fassung summarisch-possessorischer Erkenntnisse durch einen gemeinsamen Beschluß nachträglich anzuerkennen und zu bestätigen. Es fragt sich indessen: ob bei der Bundes Versammlung die Fähigkeit zur Ausübung der gedachten Funktion unbedenklich vorauszusetzen sey? Denn

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die Fassung solcher summarisch-possessorischer Entscheidungen, sogar der einfachsten, verlangt mancherlei Kenntnisse, Vorsicht und Erfahrung, wie sie nur durch Uebung richterlicher Geschäfte gewonnen werden. Dagegen ist es, nach der verfassungsmäßigen Zusammensetzung der Bundes Versammlung keinesweges nothwendig, daß dieselbe ganz oder auch nur zum Theil aus Rechtskundigen im engern Sinne d. h. aus richterlich geübten, rechtserfahrenen Personen bestehe. Durch die Verfassung wird daher auch die Gewißheit4 nicht verbürgt, im Schooße der Bundes Versammlung irgend ein judicium formatum dergestalt constituiren zu können, daß den Rechtssprüchen desselben richterliche Autorität und Zuverläßigkeit beizulegen seyn würde. Diese Einwendung widerlegt sich aber von selbst, wenn man von dem Buchstaben der Verfassung absieht, und auf die Natur der Sache zurückgeht. Die Frage ist nur: ob überhaupt mit Gewißheit vorausgesetzt werden könne, daß die Bundes Versammlung jederzeit die Fähigkeit besitze, summarischpossessorische Erkenntnisse zu fassen? Das Vorhandenseyn einer solchen ­Gewißheit kann man wohl nicht ableugnen. Wenn überhaupt ein geordneter, sicherer Geschäftsgang am Bundestage Statt finden soll, so darf es der Bundes Versammlung niemals an Mitgliedern fehlen, welche im Stande sind, der Ausrichtung eines so einfachen Rechtsgeschäfts, wie ein summarisch-possessorisches Erkenntniß enthält, die erforderliche Zuverläßigkeit und das nöthige Ansehen zu geben. Ohne dergleichen Mitglieder hätten am Bundestage nicht bis jetzt schon so viele und mannigfache Gegenstände und besonders Privat Reclamationen erledigt und genügend beurtheilt werden; hätte der Geschäftsgang niemals seine gegenwärtige Consistenz und Sicherheit erhalten können. Längere Erfahrung und Uebung werden unfehlbar dahin wirken, daß sich die Fähigkeit zu einer zuverläßigen Ausrichtung einfacher Rechtsgeschäfte in der Bundes Versammlung vermehre und vollkommener ausbilde. In der Regel werden die Besitzstörungen von Seiten eines Bundesstaats gegen den andern auch von der Art seyn, daß gleich von allen Gesandten eine umständliche Anzeige darüber bei ihren Höfen gemacht werden muß, und wenn man sich ein für allemal auf eine kurze Frist vereiniget, binnen welcher von diesen ihren Gesandten eine bestimmte Instruction für dergleichen Fälle zu geben sey, so können diese Instructionen die Bundes Versammlung noch besser in den Stand setzen, eine der Lage der Sache wohl angemessene Entscheidung zu treffen. Sollte daher die Modifizirung des Beschlusses vom Jahre 1817 über kurz oder lang zur Berathung kommen, so werden Ew. Excellenz in Ihrer Abstimmung darauf antragen können: 4 Doppelt unterstrichen.

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„daß die Bundes Versammlung sich selber durch gemeinsamen Beschluß die Competenz beilegen möge, summarisch-possessorische Erkenntnisse in allen Fällen auszusprechen, wo ein Bundesglied durch gewaltsame Störung des Besitzstandes die Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit eines andern Bundesgliedes beeinträchtiget hat.“ Nach Ew. Excellenz neuern Berichten ist zur Sicherstellung des Besitzstandes noch ein anderes Mittel, nemlich die Bildung einer permanenten Austrägal-Instanz in einem Bundes Gerichte, Königlich-Würtembergischer Seits als zweckmäßig empfohlen worden5, und den Umständen nach zu erwarten, daß selbiges ebenfalls in Vorschlag kommen werde. Dies Mittel, wobei es auf eine wichtige, tiefeingreifende, vielseitige und schwierige Einrichtung abgesehen ist, steht mit dem besondern Zwecke, der dadurch erreicht werden soll, so wenig in Verhältniß, daß schon um deswillen keine Rücksicht darauf zu nehmen seyn dürfte. Es ist auch kaum anzunehmen, daß die Absicht Statt finden könnte, ein Bundes-Tribunal zu errichten, dessen Hauptbestimmung nur darin bestände, in einigen seltenen Fällen summarisch-possessorische Erkenntnisse zu fassen. Wird aber das eingetretene Bedürfniß einer Sicherstellung des Besitzstandes nur dazu benutzt, die frühere Idee einer permanenten Instanz wieder in Anregung zu bringen, und die Berathung darüber zu veranlassen: ob eine solche überhaupt zu erreichen sey; so tritt die Sache unter einen andern Gesichtspunkt, und erfordert tiefere Erwägung. Die im Beschlusse vom Jahre 1817 enthaltenen Bestimmungen über die Art und Weise der Aufstellung einer Austrägal-Instanz für jeden vorkommenden Fall, sind zwar nur provisorisch oder, wie es daselbst heißt, vor der Hand festgesetzt, um dem Bedürfnisse des Augenblicks abzuhelfen; auch ist der Vorschlag wegen Errichtung einer permanenten Austrägal-Commission nicht aufgegeben, sondern der Vorbehalt hinzugefügt, den darauf Bezug habenden ersten Antrag in erneuerte Proposition zu bringen: ausdrücklich aber ist dabei bemerkt, daß solches nach dem Gange der Erfahrungen geschehen soll, welche sich bei Anwendung des gegenwärtigen Beschlusses im Laufe der Zeiten ergeben dürften.6 Fünfzehn Monate nach der Fassung dieses Beschlusses ist derselbe in der Lippischen Streitsache zum erstenmale wirklich zur Anwendung gekommen; indeß auch hierbei bis jetzt nur insofern, als er das Vermittelungs Verfahren näher angeordnet hat. Ueber die Tauglichkeit oder Untauglichkeit der eigentlichen provisorischen Bestimmungen des Beschlusses haben demnach durchaus noch gar keine Erfahrungen gemacht werden können. Für jetzt, und so5 Vgl. Dok. 141. 6 Vgl. Dok. 139, S. 643.

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lange nicht eine Reihe von Erfahrungen vorhanden ist, kann es also wohl nicht die Absicht der Bundes Versammlung seyn, das bestehende sehr zweckmäßige Provisorium, ihrem eigenen Beschlusse zuwider, schon aufzuheben. Auch abgesehen von der gegenwärtigen Lage der Sache hat die Bildung einer permanenten Instanz höchst bedeutende Schwierigkeiten und Inkonvenienzen, denn 1. steht die Beschaffenheit eines Bundestribunals in Widerspruch mit dem Begriffe einer wohlgeordneten Austrägal-Instanz, so wie sie von der Bundes Akte vorgeschrieben ist. Ausdrücklich und wohlbewußt hat man bei Abfassung der letztern an die Stelle der damals beseitigten Idee eines Bundes-Gerichtes die Idee erneuerter Austräge gesetzt, deren Wesen in gemeinschaftlicher Wahl des Richters, so wie in der Vermittelung durch Pares7 beruht. Beide Charactere einer Austrägal-Instanz würden in einem Bundestribunale verlöschen; denn derjenige Rechtsgang, wornach doch jetzt allemal, nach dem Mislingen des Vermittelungsversuches, zuerst die gewählten Regenten als Pares zur richterlichen Entscheidung zwischen streitenden Bundesgliedern eintreten, würde aufhören müssen, wenn die Streitsachen, nach mißlungener Vermittelung unmittelbar an das Bundes-Gericht übergeben würden; wie aber der ursprüngliche freie Wahlcharakter einer Austrägal-Instanz bei einem feststehenden Collegio Statt finden könne, welches nach verfassungsmäßiger Nothwendigkeit in allen Streitsachen zu entscheiden hat, ist nicht abzusehen, denn alle Versuche, in einem solchen Collegio die austrägalmäßig freizulassende Wahl des Richters darzustellen, scheinen nur auf leeren Schein hinauszulaufen, oder zu größerer Ausartung der Grund Idee führen zu müssen. Bei einer so offenbaren wesentlichen Verschiedenheit zwischen einer Austrägal-Instanz und einem Bundesgerichte kann übrigens die Errichtung des letztern keinesweges nur als Modalität der erstern angesehen werden, wie es im Jahre 1817 von mehrern Seiten her geschehen ist.8 2. Das Daseyn eines Bundestribunals würde entweder Prozesse erzeugen und nähren, oder im glücklichen Falle würde die Zahl der Streitigkeiten unter Bundesgliedern, nach Abzug derer, die gütlich vermittelt werden, allem Vermuthen nach, niemals groß genug seyn, um ein stark besetztes Collegium zu beschäftigen. Sollten aber alle Bundes Regierungen, wie es doch nöthig scheint, gleichzeitig in dem Bundestribunale repräsentirt werden; so würde es immer ein stark besetztes Collegium bilden müssen. 3. Für die Fassung etwa nothwendiger summarisch-possessorischer Erkenntnisse würde ein Bundestribunal ohne Zweifel Nutzen haben. Abgesehen davon, ist aber schwerlich ein Verzug aufzuzeigen, wodurch sich ein solches 7 Lat.: Gleichstehende, Standesgenossen. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 220. 8 Vgl. z. B. Dok. 132, S. 615.

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vor Tribunälen dritter Instanz in den Bundesstaaten auszeichnen müßte. Freilich mögen die Streitigkeiten unter Bundesgliedern in den meisten Fällen von so eigenthümlicher Natur seyn, daß zu ihrer Entscheidung eine Bildung und Uebung nützlich seyn dürfte, die man nur in einem eigends dazu errichteten Tribunale erwerben kann. Dieser Grund für die Errichtung einer permanenten Instanz kommt aber jetzt offenbar noch zu früh. An die Stelle der Rechtsquellen und Rechtsnormen, wornach vormals die Reichsgerichte zu sprechen vermogten, sind größtentheils ganz andere und neue getreten, welchen die erforderliche Ausbildung und Zuverläßigkeit noch ganz fehlt, und für’s Erste noch lange fehlen wird, weil in den Verhältnissen selbst, wo sie entscheiden sollen, noch so viel Verändertes, Neues und Unentwickeltes liegt. Das, worüber jetzt am Bundestage gestritten wird, und bisher gestritten worden ist, sind nicht sowohl rein juristische Gegenstände, als Ereignisse, Veränderungen und Verwickelungen, die nach Traktaten oder allgemeinen Principien diplomatisch beurtheilt werden müssen. Aus der Entwickelung und Aufklärung dieser Streit-Gegenstände am Bundestage selbst, wird und muß im Laufe der Zeit ein sicheres und bleibendes Rechts-Material für Streitsachen zwischen Bundesgliedern hervorgehen. Erst alsdann wird ein Bundestribunal den Stoff zu selbstständiger Thätigkeit haben; dagegen würde es jetzt, nur nach irgend einem übelangewandten Rechtsbuchstaben unzutreffende und in sich widerrechtliche Entscheidungen fällen, oder sich häufig auf Recurse an die Bundes Versammlung gründen müssen. In jedem Falle würde das Ansehen eines solchen Bundestribunals gleich von seiner unzeitigen Entstehung an, schwach seyn und bleiben. Erwägt man noch, mit welchen Kosten und sonstigen Schwierigkeiten die Errichtung einer permanenten Instanz unter den vorliegenden Verhältnissen verknüpft ist; so scheint eine Einrichtung, welche nach dem Obigen der Bundes Akte widersprechend, müßig, überflüßig, wenn nicht schädlich, seyn müßte, gegenwärtig noch durch gar nichts gerechtfertigt werden zu können. Die Bundes Versammlung hat sich in ihrem mehrerwähnten Beschlusse vom Jahre 1817 unter andern auch die nähere Bestimmung über Einführung einer Executions-Ordnung vorbehalten; es ist daher vorauszusetzen, daß auch dieser Gegenstand, der schon Königlich-Würtembergischer Seits unter der Hand in Anregung gebracht ist, bald am Bundestage in nähere Berathung werde gezogen werden. Auch die Idee einer zu errichtenden Executions-Ordnung kann ich, im Einverständnisse mit Ew. Excellenz nach den jetzigen Verhältnissen eben so wenig passend, als wesentlich finden.

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Die Bundes Akte gedenkt eines solchen zu stiftenden Zwangs-Mittels gar nicht, auch ist dazu kein Grund vorhanden. Sie begnügt sich damit, zu verordnen: daß sich die streitenden Theile den Aussprüchen der Austrägal-Instanz sofort zu unterwerfen haben.9 Die Nicht-Unterwerfung müßte demnach in einer, verfassungsmäßig entschiedenen Sache schon an und für sich als eine Störung des Bundes Vereins erscheinen. Fälle dieser Art können und werden schon deshalb nur selten vorkommen, und wenn es ja geschehen sollte, schon wegen ihrer Außerordentlichkeit zu einer ganz speciellen Behandlung von Seiten der Bundes Versammlung geeignet seyn. Diese wird am besten entscheiden können, durch welche Mittel das Bundesglied, das sich dem Ausspruche der Austrägal-Instanz nicht unterwerfen will, am zweckmäßigsten zur Anerkennung und Beobachtung seiner Bundespflicht anzuhalten seyn wird. Je nachtheiliger die Anwendung solcher Mittel dem Ansehen der sich widersetzenden Regierung werden müßte: um so weniger wird es dieselben wirklich eintreten lassen. Wenn man sich darüber vereinigt, diese Ansicht mittelst einer gemeinschaftlich zu fassenden Erklärung aufzustellen10; so fällt das Bedürfniß einer ­Executions-Ordnung von selbst hinweg, welche zwar in der ehemaligen ­deutschen Reichs-Verfassung unentbehrlich, und bei der bestehenden oberst­ richterlichen Gewalt von Kaiser und Reich passend und unanstößig war; jetzt aber, wegen des damit verbundenen Zwanges, mit den Verhältnissen e­ines freien Verbandes unabhängiger Staaten schwer vereinbar erscheint. Ew. Excellenz ersuche ich daher, Sich bei künftiger Berathung über diesen ­Gegenstand dahin zu erklären: „daß Preußen im Vertrauen auf die Einigkeit und Loyalität der Bundesglieder die Einführung einer Executions-Ordnung, aus den oben bemerkten Gründen, gegenwärtig für überflüßig und unpassend halte.“ Ich verkenne es nicht, daß unter andern Verhältnissen die Einführung einer Executions-Ordnung und noch mehr die Errichtung eines Bundestribunals ­besonders um deswillen wohlthätig seyn könnten, weil dadurch um die verbündeten Regierungen ein festeres Band geschlungen, und die Einheit Deutschlands deutlicher dargestellt werden würde, als es jetzt noch der Fall ist. Bundes Einrichtungen, durch welche dieser Zweck sicher erreicht wird, erscheinen der Preußischen Regierung so wünschenswerth, daß sie ihre wesentliche Entwickelung jederzeit nach Möglichkeit zu befördern geneigt ist; so wie schon auf dem Wiener Congreß die Ideen von Wiederherstellung eines innigern Zusammenhangs der deutschen Nation Preußischer Seits unterstützt   9 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512 (Artikel 11). 10 Doppelt unterstrichen.

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worden sind.11 Aber je wichtiger und heiliger der vorgesetzte Zweck ist, um so sorgfältiger muß geprüft werden, ob die Mittel, die dahin führen sollen, auch wirklich die rechten und so beschaffen sind, daß man sich den beabsichtigten Erfolg mit Gewißheit davon versprechen darf. Oberflächlich und all­ gemein betrachtet, scheint Manches zur Befestigung des neuern Verbandes ­dienen zu müssen, was gerade die entgegengesetzte Wirkung hervorbringen könnte, wenn es voreilig geschaffen würde. Dahin gehören namentlich die Errichtung eines Bundestribunals und die Einführung einer Bundes Execu­ tions-Ordnung. Für dergleichen Schöpfungen tritt der rechte Zeitpunkt erst dann ein, wenn alle dabei obwaltenden Interessen hinreichend aufgeklärt und ausgeglichen worden sind. Sie müssen sich, wie alle wesentlichen Einrichtungen aus der Natur des neuen Verbandes frei und allmählig entwickeln. Was ohne diesen Charakter zu haben, äußerlich bindend angelegt wird, kann nur Verhältnisse darbieten, die unter andern Umständen eben so leicht compromittirt, oder zurückgesetzt und abgeworfen werden dürften, als sie jetzt angelegt seyn würden. So würden selbst Einrichtungen, welche der Zukunft mit Vorsicht anvertraut 12einst wohlthätig12 wirken könnten, durch ihre Beeilung auch für die zukünftigen Zeiten leicht verletzt, alterirt und kraftlos gemacht werden. Durchdrungen von diesen Wahrheiten, die auch ich lebhaft anerkenne, werden Ew. Excellenz es Sich gefälligst angelegen seyn lassen, durch angemessene Verbreitung derselben die Gesinnungen der Preußischen Regierung und ihr Verhalten in Hinsicht der vorliegenden Angelegenheiten ins rechte Licht zu stellen. Bernstorff13

11

Vgl. insbesondere QGDB I/1, Dok. 31 (Hardenbergs „41 Artikel“, 1. Fassung), Dok. 34 (Hardenbergs „41 Artikel“, 2. Fassung) und Dok. 58 („Zwölf Artikel“). 12−12 Doppelt unterstrichen. 13 Christian Günther Graf von Bernstorff (1769−1835), dänischer und preußischer Staatsmann, 1789 dänischer Gesandtschaftssekretär in Berlin, 1791 Geschäftsträger ebd., 1791 außerordentlicher Gesandter ebd., 1795 außerordentlicher Gesandter in Stockholm, 1797 Staatssekretär der auswärtigen Angelegenheiten, 1800−1810 Außenminister, 1803 Mitglied des Geheimen Staatsrats, 1812−1815 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Wien, 1814/15 Bevollmächtigter auf dem Wiener Kongreß, 1815 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Berlin, 1818−1832 preußischer Außenminister. Vgl. ADB, Bd. 2, S. 494−499; NDB, Bd. 2, S. 139 f.; DBE, Bd. 1, S. 477; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 48, 50 f. u. 55; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 65 u. 307.

2. Die Einführung landständischer Verfassungen

Nr. 146

Frankfurt am Main, 28. November 1816

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146. Denkschrift Hendrichs die Garantie der sachsenweimarischen Verfassung betreffend

ProtDBV 1816, 8. Sitzung vom 2. Dezember 1816, Anlage 25, S. 160. Denkschrift. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 1, 1817, S. 128 f.; Ilse, Geschichte der deutschen Bundesversammlung, Bd. 2, S. 102 f.

Gesuch des Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach um Übernahme der Garantie der sachsen-weimarischen Verfassung vom 5. Mai 1816 durch den Deutschen Bund. Die nachgesuchte Garantie solle beinhalten, daß der Deutsche Bund im Falle einer Zuwiderhandlung eines Teils (Landesherr, Stände) jenen auf Anrufen des andern Teils zur Erfüllung der im Verfassungsvertrag eingegangenen Verbindlichkeiten anhalten oder gegebenenfalls auch nötigen werde.

Frankfurt am Main, 28. November 1816 Denkschrift des Großherzoglich Sachsen-Weimar-Eisenachischen Herrn Gesandten, Geheimen Raths von Hendrich, die Garantie des unterm 5. May 1816 errichteten Grundgesetzes über die landständische Verfassung des Großherzogthums Sachsen-Weimar-Eisenach betreffend. Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Weimar und Eisenach, haben in dem 129. § des unter dem 5. May dieses Jahres erschienenen Grundgesetzes über die landständische Verfassung des Großherzogthums Sachsen-WeimarEisenach, ihren Ständen versprochen, dem deutschen Bunde die Sicherstellung dieser Verfassung zu übertragen.1 Da Fürst und Land in dem schönsten Einverständniß stehen und nichts mehr wünschen, als daß die mit Berathung der ständischen Abgeordneten entworfene Verfassung auch für die Zukunft gegen alle denkbare Eingriffe gesichert werden möge; da es in der Geschichte nicht an Beyspielen fehlt, daß Verträge zwischen Landesherrn und Unterthanen von ganz fremden Regenten garantirt worden sind, es aber wohl vorzüglich in dem Zweck des deutschen Bundes liegt alles das zu entfernen, was die Ruhe im Innern künftig stören könnte: so würde der Unterzeichnete es für überflüssig halten, der Bitte um die Garantie noch etwas beyzufügen, wenn nicht von einer der verehrten Gesandtschaften, mit welcher er vorläufig über diese Angelegenheit gesprochen, der Wunsch wäre geäußert worden, daß bestimmt erklärt werden möge, was man unter der Garantie verstehe. Hierdurch veranlaßt, erklärt der Unterzeichnete: Die Uebernahme der Garantie enthält die Versicherung des Garants, daß er, wenn künftig ein Theil, es sey der Landesherr oder die Stände, den in dem 1 Vgl. Grundgesetz über die Landständische Verfassung des Großherzogtums Sachsen-WeimarEisenach, Weimar, 5. Mai 1816, in: Boldt (Hrsg.), Reich und Länder, S. 265−294, hier S. 294.

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Denkschrift Hendrichs

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Verfassungsvertrag übernommenen Verbindlichkeiten entgegen handeln würde, auf Anrufen des andern Theils alle zweckdienlichen Mittel anwenden wolle, um jenen zu Erfüllung desselben zu bewegen, oder auch zu nöthigen. Ein solcher Fall ist weder in der jetzigen, noch in der nächstkünftigen Generation zu besorgen, und jedem Sachkundigen wird es einleuchten, daß schon die Uebernahme der Garantie ihn hindern müsse. Man wagt das Unrechtliche nicht, wenn man die Hoffnung nicht hat, es durchsetzen zu können. Uebrigens erlaubt sich der Unterzeichnete noch beyzufügen, daß nach seiner Ueberzeugung die Bundesversammlung, auch ohne ausdrücklich übernommene Garantie verbunden seyn würde, den Theil, welcher über Verletzung des Verfassungsvertrages zu klagen hätte, zu unterstützen, weil er nicht einsieht, wie auf andere Weise bey einer von Seiten des Landesherrn oder der Stände eintretenden Weigerung die Gefahr einer Despotie oder Anarchie entfernt werden könne. Die Verhandlungen über den Entwurf der Congreßakte2 beweisen, daß man fast einstimmig die Sicherheit gegen jene inneren Feinde der Staaten für einen der ersten Zwecke des Bundes gehalten hat, und daß von mehreren Seiten die Sicherstellung der Landes-Verfassungen unter die Garantie des Bundes verlangt worden ist3. Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach wünschen indessen, daß die Bundesversammlung jene Verbindlichkeit zur Garantie ausdrücklich anerkennen möge, und haben den Unterzeichneten beauftragt, das oberwähnte Grundgesetz nicht nur der Bundesversammlung zu überreichen, damit es in deren Archiv niedergelegt werden könne, sondern auch sämmtlichen verehrten Gesandschaften, die zur Einsendung an ihre Höfe nöthigen Exemplare abzugeben, und um ausdrückliche Anerkennung der Garantie zu bitten. Indem er dieses bewirkt, giebt er sich die Ehre, die Versicherung seiner vollkommensten Hochachtung zu wiederholen. (gezeichnet:) Franz Josias von Hendrich

2 Gemeint ist die Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815; vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1503− 1518. 3 Vgl. u. a. QGDB I/1, Dok. 109, S. 708; Dok. 177, S. 1067; Dok. 178, S. 1090; Dok. 194, S. 1164; Dok. 195, S. 1168; Dok. 216, S. 1248; Dok. 225, S. 1287; Dok. 248, Anlage 6, S. 1481.

Nr. 147

Frankfurt am Main, 31. Dezember 1816

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147. Berg an Herzog Peter Friedrich Ludwig von HolsteinOldenburg

StA Oldenburg, Best. 31−AB, Nr. B 2. Bericht. Behändigte Ausfertigung.

Aufenthalt des Königs von Württemberg in Frankfurt, der Hoffnungen weckt, daß man auch von Stuttgart aus den Versuch nicht scheuen wird, ob aus dem Deutschen Bund wirklich etwas Zweckgemäßes zu machen sei. Sachsen-weimarischer Antrag in der Bundesversammlung wegen Garantie der Landesverfassung durch den Deutschen Bund, der zur Zeit noch besser unterblieben wäre: Plessen spricht sich dafür aus, daß die Nachsuchung einer solchen Garantie dem freien Ermessen eines jeden Bundesglieds überlassen bleiben solle. Die österreichische Proposition setze voraus, daß die Bundesversammlung Kenntnis von der Erfüllung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte verlangen könne, während er bislang der Meinung gewesen sei, daß nach dem Inhalt der Bundesakte dieser Fall nur eintreten könne, wenn über Nichterfüllung des Artikels 13 Beschwerde geführt werde. Unstreitig wäre es jedoch zweckmäßig, wenn die Bundesversammlung von allen Landesverfassungen Kenntnis erhielte und darüber ein Beschluß gefaßt würde. Erbittet Instruktionen für den Fall, daß wegen der Garantie der sachsen-weimarischen Verfassung eine Erklärung in der Bundesversammlung abgegeben werden müsse. Anwesenheit des Grafen von Bentinck in Frankfurt und dessen Bemühungen um die Wiedererlangung der Souveränität in den Herrschaften Kniphausen und Varel.

Nro. 118.



Frankfurt am Main, 31. Dezember 1816 Durchlauchtigster Herzog, gnädigster Herzog und Herr!

Euer Herzoglichen Durchlaucht gnädigstes Rescript vom 24ten dieses1 habe ich heute Mittag zu erhalten das Glück gehabt, und zwar gerade in Gegenwart Seiner Durchlaucht, des Erbprinzen, Höchstwelchem ich also die beiden Beylagen sogleich zugestellt habe, da Seine Durchlaucht eben im Begriff waren, sich zur Tafel Seiner Majestät des Königs von Württemberg zu begeben. Ich hatte das Glück, Ihren Königlichen Majestäten vorgestern Abend vorgestellt und gestern zur Königlichen Tafel gezogen zu werden. Der König hat fast allen hiesigen Gesandten Audienz ertheilt, unterhält sich aber besonders oft mit dem Baron von Stein, der, zu meiner Verwunderung, ganz gemäßigte Grundsätze angenommen hat, so daß wir, was fast selten der Fall war, jetzt öfters in unsern Ansichten zusammen treffen. Der hiesige Aufenthalt seiner Majestät dürfte wenigstens die Folge haben, daß man auch von Stuttgardt aus den Versuch nicht scheuen wird, ob aus dem deutschen Bunde wirklich etwas Zweckgemäßes zu machen sey? 1 Vgl. StA Oldenburg, Best. 43 A, Nr. 168.

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Was Euer Herzoglichen Durchlaucht in dem höchsten Rescrip[t] vom 24ten dieses über den gegenwärtigen Zustand des Bundes äußern, kann allerdings zu keinem allzuunverhältnißmäßigen Opfer reitzen. Allein da Höchstdieselben die vorsichtigen Schritte, welche weiter führen und einen reellen Sicherheitszustand begründen können, (was ich freylich nur von langsamen Schritten, nach einer Reihe von Jahren erwarte, wenn kein Zufall das Fortschreiten hemmt), nicht mißbilligen; so gehen Höchstdieselben − und, nach meiner ­festen Überzeugung, mit dem vollsten Recht − schon weiter, als es bis dahin die Meynung des Königs war, der durch ein passives Verhalten in der That negativ zu wirken in Gefahr war, so wenig er auch dieß beabsichtigte. Der grosherzoglich-Sächsische Antrag wegen der Garantie der Landes­ verfassung2 wäre gewiß besser noch zurückgeblieben und ich suchte auch ­dahin unter der Hand zu wirken. Man hatte aber eine Bestimmung darüber einmahl in das Grundgesetz aufgenommen3, und sonach schien mir, als der Schritt geschah, zur Abwendung als Präjudiz nur der Ausweg angemessen, daß man die Nachsuchung einer solchen Garantie eben so sehr von dem freyen Ermessen eines jeden Bundesgliedes abhängig erkläre, als die Ertheilung derselben. Die Frage könnte zunächst bey den Württembergischen Verhandlungen wieder auf eine bedeutende Weise in Anregung kommen, und ich war, mit mehreren meiner Collegen, der Meynung, der König würde auf ein deßfallsiges Verlangen der Stände erwidern können, daß er das neue Grundgesetz der Garantie des deutschen Bundes gern übergeben wolle, wenn, der Regel völliger Rechtsgleichheit aller Bundesgenossen gemäs, die Nothwendigkeit solcher Garantie für alle deutsche Bundesstaaten allgemein anerkannt werde; man könnte vielleicht hinzusetzen: allgemein und von allen durch die That selbst − anerkannt werde. Die mit ungetheiltem Beyfall aufgenommene Kaiserlich-Österreichische Proposition4 setzt voraus, daß die Bundesversammlung Kenntniß von der 2 Vgl. Dok. 146. 3 Vgl. Grundgesetz über die Landständische Verfassung des Großherzogtums Sachsen-WeimarEisenach, Weimar, 5. Mai 1816, in: Boldt (Hrsg.), Reich und Länder, S. 266−294, hier S. 294 (§ 129): „Außerdem wird die Sicherstellung dieser Verfassung dem Teutschen Bunde übertragen werden. An den Teutschen Bund sollen sich die Landstände durch ihre Vertreter auch in dem Falle wenden duerfen, wenn einem Erkenntnisse, welches das Appellationsgericht zu Jena, auf eine von dem Landtage erhobene Anklage, gesprochen hat, und wogegen kein Rechtsmittel weiter Statt gefunden (§. 115.), die Vollziehung verweigert wuerde.“ 4 Vgl. ProtDBV 1816, 8. Sitzung vom 2. Dezember 1816, § 35, S. 150. Der österreichische Präsidialgesandte Buol hatte sich dort zum Garantiegesuch Sachsen-Weimars für seine landständische Verfassung folgendermaßen geäußert: „er zweifle keineswegs, daß sein Allerhöchster Hof in diesem Vorgange Sr. Königlichen Hoheit von Sachsen-Weimar, einen neuen Beweis ihrer patriotischen Gesinnungen erkennte, und daher gern für die Uebernahme der angetragenen Garantie stimmen werde, zu welchem Ende er sich beeilen werde, den geeigneten Bericht zu erstatten.“

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Erfüllung des 13ten Art. verlangen könne. Ich war sonst der Meynung, daß nach dem Inhalt der Bundesacte dieser Fall nur eintreten könnte, wenn über Nicht-Erfüllung Beschwerde geführt würde. Unstreitig aber wäre es zweckmäßig, wenn die Bundesversammlung von allen Landesverfassungen Kenntniß erhielte, und wenn darüber ein Beschluß gefaßt würde. Für diesen Zweck jetzt den Grosherzoglich-Sächsischen Antrag anzunehmen, ertheilen Euer Herzoglichen Durchlaucht mir gnädigste Anweisung. Wenn aber eine bestimmte Erklärung wegen der Garantie durch die Abstimmungen der übrigen Bevollmächtigten unvermeidlich würde; so bitte ich unter­thänigst um höchsten Verhaltungsbefehl, wie ich alsdann mich äus­sern und insonderheit, ob ich der Mehrheit beytreten soll? Des Grafen von Bentink5 hiesiges Benehmen entspricht ganz Euer Herzoglichen Durchlaucht Erwartungen. Er scheint bald vernünftigern Vorstellungen nachzugeben, bald verfällt er auf die sonderbarsten Propositionen.6 In diesen Tagen hoffe ich von dem geh. Rath von Anstett7 ausführliche Nachricht über den Gang der bisherigen gütlichen Versuche zu erhalten. Ich ersterbe in tiefstem Respect Euer Herzoglichen Durchlaucht unterthänigst − treu − gehorsamster von Berg

5 Wilhelm Gustav Friedrich Reichsgraf von Bentinck (1762−1835), Erb- und Landesherr der Herrschaften Kniphausen und Varel. Vgl. NDB, Bd. 2, S. 57; DBE, Bd. 1, S. 429; ADB, Bd. 2, S. 344−346. 6 Anspielung auf die Bemühungen des Grafen von Bentinck um Wiedererlangung der Souveränität in den seit 1813/14 von Oldenburg besetzten Herrschaften Kniphausen und Varel. Sein Versuch einer Aufnahme in den Deutschen Bund auf dem Wiener Kongreß scheiterte ebenso wie der Handstreich auf Kniphausen am 7. Oktober 1815. Erst durch das „Berliner Abkommen“ vom 8. Juni 1825 erhielt der Graf die Landeshoheit über Kniphausen zurück, wobei Oldenburg die vormaligen Hoheitsrechte von Kaiser und Reich übernahm, während Varel 1830 wieder in den Besitz des Grafen von Bentinck zurückgelangte. Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 766−775; Klee, Das Ende der Herrlichkeit, S. 187−226; Müller, Die Außenpolitik Peter Friedrich Ludwigs von Holstein-Oldenburg, S. 351−360. 7 Johann (Iwan Ossipowitsch) von Anstett (1770−1835), russischer Diplomat. Der Sohn eines Straßburger Advokaten trat zunächst in russische Militärdienste ein und wechselte 1801 in die Kanzlei des Ministers Graf Panin, 1801−1811 Mitglied der russischen Gesandtschaft in Wien, zuletzt mit dem Charakter eines Staatsrats, 1812 Direktor der diplomatischen Kanzlei bei der Armee des Feldmarschalls Fürst Kutusov, 1813 Geheimer Staatsrat, 1814/15 Mitglied der russischen Gesandtschaft auf dem Wiener Kongreß, 1815−1835 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister bei der Deutschen Bundesversammlung in Frankfurt. Vgl. DBE, Bd. 1, S. 149; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 342; DBA I, 27, 352−355; DBA III, 19, 436.

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Österreichische Abstimmung über die Verfassung Sachsen-Weimars

Nr. 148

148. Österreichische Abstimmung die Garantie der landständischen Verfassung des Großherzogtums Sachsen-Weimar durch den Deutschen Bund betreffend

ProtDBV 1817, 18. Sitzung vom 19. März 1817, § 93, S. 144−145. Abstimmung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 2, 1817, S. 103−105; CJCG, Bd. 2, S. 39 f.; Ilse, Geschichte der deutschen Bundesversammlung, Bd. 2, S. 114−116.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Bundesversammlung die Kompetenz hat, im Namen des Deutschen Bundes die von Sachsen-Weimar nachgesuchte Garantie seines Grundgesetzes über die landständische Verfassung vom 5. Mai 1816 zu übernehmen. Erste und unbedingte Voraussetzung ist allerdings, daß das Grundgesetz den Bedingungen der Bundesakte nicht widerstreitet. Unter dieser Modifikation bleibt in der Zukunft jedoch alles der freien Vereinigung zwischen Fürsten und Ständen überlassen. Die noch ausstehende Festsetzung der organischen Verhältnisse des Deutschen Bundes kann den Bundestag nicht davon abhalten, dem Antrag des Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach zu willfahren. Österreich stimmt deshalb für die Übernahme der nachgesuchten Garantie.

Frankfurt am Main, 19. März 1817 Der auf Veranlassung Sr. Königlichen Hoheit des Großherzogs von SachsenWeimar in der achten Sitzung dieser Bundesversammlung vom 2. December v. J. zur Berathung gekommene Antrag1, die landständische Verfassung des Großherzogthums Sachsen-Weimar-Eisenach unter die Garantie des deutschen Bundes zu nehmen, verdient, sowohl in staatsrechtlicher Beziehung als in jener der Ausbildung der in der Bundesacte nur angedeuteten Bestimmungen, die tiefste Erwägung. In Folge des Antrages Sr. Königlichen Hoheit des Großherzogs glaubt der Kaiserlich-Königliche Hof vor allem bemerken, und hiermit zum Protokoll erklären zu müssen, daß die Competenz der Bundesversammlung, jenem Antrage im Namen des deutschen Bundes zu willfahren und die gewünschte Garantie zu übernehmen, nach diesseitiger Ansicht, und zwar mit blosser Rücksicht auf die Bundesacte, keinem gegründeten Zweifel unterliegen dürfte. Sollte dieser Grundsatz, (welchem der Kaiserlich Oesterreichische Hof vollkommen beipflichtet) selbst nicht unbedingt angenommen werden; so bedarf es wohl keiner Erörterung, daß der deutsche Bund in seiner Gesammtheit eine hohe Stelle in dem europäischen Staaten-Systeme einzunehmen, demnach als eine Macht zur Ausübung jedes seinen Grundbegriffen gemäßen Rechts berufen sey. So wie nun aber jede Macht, als solche, ohne Rücksicht auf die Form ihrer eigenen inneren Verfassung, zur Uebernahme von Garantien überhaupt eben so, wie zur Uebernahme anderer äusserer Staats-Verpflichtungen berechtigt ist; so wie die europäische und unsere vaterländische deutsche Staatenge1 Vgl. ProtDBV 1816, 8. Sitzung vom 2. Dezember 1816, § 35, S. 150−154, und Dok. 146.

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schichte uns zeigt, daß auch selbst während des Bestandes der deutschen Reichsverfassung einzelne deutsche Staaten in Garantie-Verhältnissen unter sich, und auch mit auswärtigen Mächten stunden; wie könnte man zweifeln, daß Deutschland im Ganzen, im neuen hohen Vereine seiner Fürsten und freien Städte, heute die Garantie der ständischen Verfassung eines deutschen Bundesstaats zu übernehmen, nicht ebenfalls berufen seyn sollte? Die erste und unbedingte Rücksicht jedoch, welche der deutsche Bund bei der Uebernahme der Garantie der ständischen Verfassungen in den2 ihn bildenden souverainen Staaten zu nehmen hat, ist sicher die, daß die ständische Verfassung des einzelnen Staates nicht den Bedingungen der Bundesacte widerstreite; denn neuere Verpflichtungen können nur mit früheren Fundamental-Bestimmungen übereinstimmen, und ein Staaten-Verein würde mit sich in Widerspruch fallen, wenn er die Garantie von Grundsätzen in ihrer Anwendung übernehme, welche mit dem Ur-Vereine in offenem Widerstreite stünden. Ohne daher sich auf ganz ungeeignete Art in die allgemeine Würdigung jener landständischen Verfassung des Großherzogthums einzumischen, sondern während man vielmehr in dieser Hinsicht die Ueberzeugung aussprechen muß, daß unter der erwähnten Modification übrigens im Allgemeinen der vereinte Willen der Fürsten und der Stände zu erkennen und zu achten ist, und ohne eben daher auch die Unveränderlichkeit dieses Willens festsetzen zu wollen, sondern während eben so in dieser Hinsicht alles der freien Vereinigung zwischen Fürsten und Ständen vollkommen im Laufe der Zeit überlassen bleibt, kann also der uns leitende Gesichtspunkt für die Gegenwart, so wie für die Zukunft nur durch die Bundesacte als gegeben betrachtet werden. Zugleich soll aber diese Kaiserlich-Königliche Bundestags-Gesandtschaft noch erinnern, daß so wenig unter souverainen Mächten bei Uebernahme solcher Garantien immerhin auch die Form deren Wirksamkeit in allen einzelnen Beziehungen nothwendig festgesetzt wird, sondern so wie dieses theils in den unter souverainen Fürsten überhaupt geltenden völkerrechtlichen Bestimmungen, und üblichen allgemeinen Staatspraxis, nach Zeugniß der Geschichte, seine Erledigung findet, theils aber im deutschen Bunde jede mögliche Lücke durch die fernere Entwickelung der Bundesacte ausgefüllt werden wird; so glaubt auch der Kaiserlich-Königliche Hof, daß der Abgang der Festsetzung der organischen Verhältnisse des deutschen Bundes, welcher Deutschland mit gerechter Erwartung entgegensieht, uns nicht abhalten kann, dem Antrage Sr. Königlichen Hoheit zur Beruhigung von Fürsten und Ständen unter den berührten Bestimmungen zu willfahren. Der Kaiserlich-Königliche Hof stimmt demnach, in Erwägung aller oben berührten Rücksichten, für die Uebernahme der Garantie. 2 Emendiert nach ProtDBV(Q), Bd. 2, 1817, S. 104. Vorlage: der.

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149. Smidt über die Notwendigkeit einer baldigen Einführung landständischer Verfassungen in ganz Deutschland

StA Hamburg, 111-1 Senat, Cl. I., Lit. Sb No. 2, Vol. 14, fol. 11–17. Denkschrift. Behändigte Reinschrift mit nachträglichen Korrekturen Smidts.

Die Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten ist als Zweck des Deutschen Bundes anerkannt und ausgesprochen. Die politische Instabilität in Frankreich erfordert, daß sich der Bundestag neben der Herstellung einer kräftigen Militärorganisation auch mit der Einführung landständischer Verfassungen beschäftigt, um die moralische Kraft Deutschlands zu stärken. Unterschiedlichkeit der Verfassungssituation in Deutschland: 1. In einigen Bundesstaaten sind die landständischen Verfassungen niemals aufgehoben oder nach dem Ende der Fremdherrschaft sofort wiederhergestellt, zum Teil vervollkommnet oder neu eingeführt worden (Österreich, Königreich Sachsen, Kurhessen, Luxemburg, sächsische Häuser mit Ausnahme Coburgs, beide Mecklenburg, Schwarzburg-Rudolstadt, Reuß, Schaumburg-Lippe, Waldeck, die freien Städte). 2. Andere Bundesstaaten sind derzeit mit der Einführung oder Vervollkommnung ständischer Verfassungen beschäftigt (Württemberg, Holstein, Braunschweig, Nassau, Lippe). 3. Schließlich gibt es Bundesstaaten, in denen keine landständische Verfassung existiert, eine solche noch nie vorhanden war oder gegenwärtig ausgesetzt ist und sich nicht absehen läßt, wann und wie eine solche zustande kommen wird (Preußen, Bayern, Baden, Hessen-Darmstadt, Sachsen-Coburg, Oldenburg, Anhalt, SchwarzburgSondershau­sen, Hohenzollern, Liechtenstein). Daraus folgt eine zeitliche Flexibilisierung bei der Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte. Die Vereinbarung verbindlicher Fristen zur Einführung noch ausstehender landständischer Verfassungen würde jedoch einen wohltätigen Eindruck in Deutschland hervorrufen.

Frankfurt am Main, Anfang Oktober 1817 Erhaltung der äußern und innern Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten ist als Zweck des deutschen Bundes anerkannt und ausgesprochen.1 Die nächste Veranlassung zu dieser Sicherungsmaaßregel gab die vieljährige Uebermacht Frankreichs und die so mühsam erkämpfte Befreiung von seinem drückenden Joche. Es ist dem Deutschen daher fortwährendes Bedürfniß, sich vor allem von dieser Seite gesichert zu wissen, und die Frage: ob dem so sey? wird mit gesteigertem Interesse aufgeworfen, je näher das Jahr heranrückt, in welchem entschieden werden soll, ob die im letzten Frieden bedungenen militärischen Sicherungsmaaßregeln aufhören dürfen oder noch weiter fortzusetzen sind.2 1 Vgl. Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815, QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508 (Artikel 2). 2 Im Zweiten Pariser Frieden vom 20. November 1815 wurden Frankreich Kriegsreparationen in Höhe von 700 Mill. Francs auferlegt und zur Sicherstellung ihrer Zahlung in den sieben französischen Departements, die an den Grenzen zu den Vereinten Niederlanden und ­

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Obgleich die beiden großen deutschen Mächte bei der Entscheidung darüber ein kräftiges Wort zu reden haben, so hängt sie doch nicht von ihnen allein ab, und es könnte selbst der Fall zutreffen, daß über die Criterien jener Entscheidung eine Verschiedenheit der Ansichten einträte. Denn, wenn von der einen Seite eine stärkere Consolidirung der Bourbonischen Dynastie, die erkämpfte Einheit im Ministerium und die wahrscheinliche Popularität der Kammern nach ihrer neuesten Ergänzung dafür angesehn werden mögten, daß die Beruhigung Frankreichs durch diesen Zustand der Dinge als bereits vorhanden anzunehmen sey, so läßt es sich von der andern Seite doch auch möglich denken, daß die Fortdauer dieser momentanen Eintracht von einem Benehmen Frankreichs gegen seine letzten Besieger abhängig sey, wodurch ihre, und namentlich der deutschen Bundesstaaten Unsicherheit als die Bedingung der Ruhe und Sicherheit Frankreichs erschiene. Wenigstens spricht man in Paris nicht mehr leise von gewissen Projekten, die nach Eröffnung der Kammern und bei den Deliberationen derselben zur Sprache kommen dürften, und deren Zweck sey, den Alliirten durch Aner­ bietung gewisser mäßiger in Terminen abzutragender Geldopfer, für deren ­Sicherstellung die ersten Banquiers der Hauptstadt mit ihrem persönlichen Credit eintreten würden, bei ihren weitern Berathungen über Fortdauer oder Nicht-Fortdauer der Occupation zuvorzukommen, dagegen schnelle und gänzliche Räumung aller besetzten Plätze und Übernahme aller noch unberichtigten Liquidationen zu begehren, und bei der Oeffentlichkeit dieser Verhandlungen die Nationalehre des Volks dergestalt aufzuregen, daß bei einer abschlägigen Antwort ein neuer Krieg für kein Wagstück zu achten sey. Existirt ein solcher Plan und wird die öffentliche Meinung Frankreichs für die Realisirung desselben gewonnen, so könnte sich vielleicht die herrschende Dynastie nicht stark genug finden, persönliche Ansichten, Neigungen und Gefühle der Dankbarkeit dagegen in die Wagschaale zu legen, und es wäre zum Deutschen Bund lagen, fünf Jahre lang 150 000 Mann alliierte Truppen stationiert, für deren Unterhalt der französische Staat aufkommen mußte. Im Falle einer raschen Begleichung der Kriegsschulden war ein vorzeitiger Abzug jedoch schon nach drei Jahren vorgesehen. Die französische Regierung setzte deshalb alle Hebel in Bewegung, um diese Bedingung möglichst rasch zu erfüllen. Nachdem mit Hilfe britischer, niederländischer und französischer Banken die Staatsfinanzen konsolidiert werden konnten, wurden die Besatzungstruppen bereits im April 1817 auf 120 000 Mann reduziert. Auf dem Aachener Kongreß einigte man sich dann auf den Abzug der Besatzungstruppen Ende November 1818 und die Absenkung der Restschuld der Kriegsentschädigungen auf 265 Mill. Francs. Frankreich wurde zudem wieder in das Konzert der europäischen Mächte aufgenommen, wenngleich auf britischen Wunsch die Quadrupelallianz (Großbritannien, Rußland, Österreich, Preußen) bestehen blieb, da man einen Umschwung der innenpolitischen Lage in Frankreich und damit eine Änderung der französischen Außenpolitik potentiell für möglich hielt. Vgl. Erbe, Revolutionäre Erschütterung und erneuertes Gleichgewicht, S. 361 f.

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nicht unmöglich, daß sie es vorzöge, mit voller Energie jenes System zu verfolgen, als bei dessen Bekämpfung sich aufs Neue auf unsicherm Boden zu fühlen. Wenn aber der Nationalenthusiasmus dieses, die Zukunft niemals kalt berechnenden, Volkes einmal wieder erwacht ist und die Faktionen in seinem Innern zum Schweigen gebracht hat, so könnte es der Regierung vollends schwer werden, in ihren Unterhandlungen das Maaß zu behaupten, welches einen friedlichen Ausgang derselben sichert. Sie kann im Drange der Umstände zu Forderungen oder zu Drohungen genöthigt werden, welche uns nur die Wahl zwischen Kriegserklärung oder schimpflicher Nachgiebigkeit übrig lassen. Scheint es gleich in diesem Augenblicke noch nicht, daß dieser Gang der Dinge eintreten werde – so dürfte er doch an der andern Seite zu den Er­ eignissen gehören, welche nicht unbeachtet bleiben dürfen, wenn von der ­Ueberzeugung die Rede ist, daß für die Sicherstellung der Unverletzbarkeit Deutschlands hinreichend gesorgt sey. Mit welchem Grunde können wir uns aber einer solchen Ueberzeugung hingeben, mit welcher Ruhe und Sicherheit kann Deutschland dem möglichen Falle, daß binnen Jahresfrist ein neuer Krieg mit Frankreich ausbrechen könne, und ferner selbst dem wenigstens nicht unmöglichen Falle entgegensehn, daß nicht die ganze vorige Koalition in einem solchen Kriege ihm zur Seite stehen werde? Diese Fragen scheinen jetzt die Gemüther vieler redlich gesinnter Deutschen zu beschäfftigen, und man macht es der Bundesversammlung zum Vorwurf, daß sie in dieser Hinsicht nicht so thätig gewesen sey, als man sich einbildet, daß sie es hätte seyn können. Zwei Gegenstände sind es besonders, deren Verzögerung oder Vernachläßigung man ihr zur Last legen will, nämlich die Betreibung einer kräftigen Militärorganisation und der allgemeinen Einführung landständischer Verfassung. Frankreich, heißt es, kann in jedem Augenblicke, wo an seine Nationalgarde ein von der öffentlichen Meinung unterstütztes allgemeines Aufgebot erfolgt, gerüsteter und streitfertiger dastehen, wie wir, und man hat ihm eine Konstitution gelassen, die mit unbe­ deutenden, einer Verbesserung leicht empfänglichen, Ausnahmen, dem all­ gemeinen Wunsche völlig entspricht, während in einem großen Theile von Deutschland die Unzufriedenheit mit den dermaligen Einrichtungen nicht vermindert ist, sondern eher als gesteigert angesehen werden dürfte. Zu welchen Aussichten, oder vielmehr zu welchen Besorgnissen berechtigt uns ­dieser Zustand der Dinge bei der Möglichkeit eines neuen, vielleicht lang­ wierigen Kampfes? Wie schuldlos die Bundesversammlung bei Vorwürfen der Art sich fühlen muß, wie vielmehr von ihr geschah, was unter den vorwaltenden Umständen

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irgend geschehen konnte, wissen die Mitglieder derselben sich selbst am besten zu sagen, aber doch scheint von ihr gefordert werden zu können, daß sie bei Erneuerung ihrer Sitzungen diesen Zustand der Dinge ernst und lebendig ins Auge fasse, und ihre Ueberzeugung von dem, was zur Sicherstellung Deutschlands mehr oder minder dringend erforderlich sey, nicht verhehle. Die Militärorganisation Deutschlands wird ohne Zweifel einen der Hauptgegenstände ihrer nächsten Berathungen ausmachen, und doch scheint es fast, als ob dieser zur Beförderung der gedachten Sicherstellung noch nicht der ­allerdringendste sey. Denn noch ist das Militär in den Bundesstaaten nicht so reducirt, wie es bei gegründeten Aussichten auf einen langen Friedenszustand vielleicht werden dürfte, noch stehen militärisch organisirte deutsche Armeecorps auf Frankreichs Boden, deren Verstärkung durch Anschließungen viel leichter zu bewirken ist, als neue Formationen; und daß Verabredungen und Beschlüsse über Eintheilungen und Anschließungen der Art, wenn bei völligem Ruhestande auch ein Jahr lang darüber discutirt und negociirt werden könnte, doch im Fall der Noth sich auch in wenig Tagen zu Stande bringen lassen, hat sich im Sommer 1815 hinreichend bewährt gefunden. Aber die Erfahrung der neuesten Zeiten hat wiederholt bestätigt, was die Geschichte der ältern schon vielfach bezeugte, daß es die militärische Organisation der Heere nicht allein ist, was Gewinn und Verlust der Schlachten entscheidet, und daß selbst eine beträchtliche Ueberzahl an Streitern keine sichere Bürgschaft des Sieges gewährt, sondern daß bei gleicher Kriegskunst und Disciplin weniger von der physischen Macht als von der moralischen Impulsion der Kämpfenden das glückliche oder unglückliche Resultat eines Krieges zu erwarten ist. Zu diesen moralischen Impulsionen gehören vor andern Liebe und Haß, Ehre und Schande, Furcht, eine glückliche Lage einzubüßen, Hoffnung von einer unglücklichen erlöst zu werden und einen bessern Zustand der Dinge zu erringen. In den beiden letzten Kriegen mußten sich alle diese Impulsionen am stärksten auf der Seite der Verbündeten und namentlich der Deutschen aussprechen, und die Resultate liegen am Tage – aber wird das auch bei einem neuen Kampfe bei allen, und namentlich bei allen Deutschen der Fall seyn? Kann man von den Ländern und Provinzen, welche Frankreich gegenwärtig von unserer Seite begränzen, von Belgien bis zu Baden, eine solche Liebe zu ihren jetzigen Regenten und zu der bestehenden Verfassung, eine solche Furcht dieselben zu verlieren oder zu verwechseln, ein solches Gefühl für vaterländische Nationalehre, einen solchen Haß gegen Frankreich, eine solche Hoffnung, durch Besiegung des Feindes eine glücklichere Lage zu erringen oder von einer unglücklichen sich erlöst zu sehen, erwarten, daß sich die

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junge Mannschaft unaufgefordert zum Landsturm drängen und Gut und Blut gern und freiwillig in die Wagschale legen werde, oder ist nicht vielmehr zu besorgen, daß ihnen Frankreich unter den Bourbons und unter der Charte3 in einem ganz andern Lichte erscheine, wie unter der Zuchtruthe Napoleons? Und wie sieht es im Innern von Deutschland aus, um die völlige Zufriedenheit seiner Völker mit dem bestehenden Zustande der Dinge, und die Furcht, solchen bei einem unglücklichen Kriege einzubüßen oder anders gestaltet zu sehen? Wenn man Oestreich, Hannover, Holstein (?) und die kleinern Staaten, welche in der Bundesversammlung gemeinschaftliche Stimmen führen, als solche bezeichnen wollte – dürfte noch viel zu illuminiren übrig bleiben? Blickt man dagegen auf Frankreich, so mag die Liebe zu der herrschenden Dynastie noch so gering seyn, der Franzose ist zu klug und versteht sich zu gut auf seinen Vortheil, als daß man dieselbe, wenn es die Befreiung von fremder Herrschaft, Herstellung verlohrener Waffenehre und Rache an den Feinden gilt, nicht als einmal vorhandenes und bestehendes Panier der Einheit wenigstens so lange in Ehren aufrecht erhalten sollte, bis man sich wieder im Stande sieht, ohne Berücksichtigung auswärtigen Einflusses ­seine innern Angelegenheiten zu regeln, wie man es dann für zweckmäßig halten wird, und die Hoffnung und Aussicht, nicht allein dahin zu gelangen, sondern zugleich auch wieder ein mächtiges Gewicht in die Wagschale ­Europens zu legen, bildet sich zum Vereinigungspunkte aller Partheien. Man sagt es sich dabei unverholen, daß man die Soldaten Napoleons nicht aussterben lassen und den Zeitpunkt wo die Nachbarn durch Einführung konstitutioneller Einrichtungen ihre moralischen Kräfte verstärkt haben würden, nicht erst abwarten müsse, um solches zu beginnen, und daß vielmehr bei diesem Zustande der Unzufriedenheit in Deutschland4 und Bel­ 3 Charte constitutionnelle: Bezeichnung für die von König Ludwig XVIII. gegebene Verfassung Frankreichs vom 4. Juni 1814. Die Bezeichnung „Constitution“ wurde ausdrücklich vermieden, da dieser Begriff seit 1789 eine vom Volk beschlossene Verfassung meinte, während die Charte von Ludwig XVIII. oktroyiert wurde. Sie begründete ein konstitutionelles System mit einer starken monarchischen Spitze und wurde zum Vorbild für die Verfassungsentwicklung in Deutschland nach den Befreiungskriegen. Vgl. Fuchs/Raab, dtv-Wörterbuch zur Geschichte, Bd. 1, S. 153; Meyers Taschenlexikon Geschichte, Bd. 1, S. 271 und Bd. 3, S. 276. 4 Die Enttäuschung darüber, daß auf dem Wiener Kongreß kein einheitliches deutsches Staatswesen mit einem nationalen Vertretungsorgan zustande gekommen war und nach der Gründung des Deutschen Bundes zudem die deutschen Fürsten zögerten, Artikel 13 der Deutschen Bundesakte in „einem modernen repräsentativen Sinn zu erfüllen“, hatte dazu geführt, daß sich die national und liberal gesinnten Kreise, zu denen vor allem die Turner und die Burschenschaften gehörten, zu organisieren begannen, um die „Idee eines einheitlichen deutschen Nationalstaats mit gewählten Volksvertretern zu verbreiten und den staatlichen Paternalismus zu bekämpfen“. Das Wartburgfest vom 18./19. Oktober 1817, das unmittelbar nach der Ent­ stehung der Denkschrift Smidts stattfand, war eine der ersten großen Manifestationen dieser

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gien5 und Sardinien6, bei dieser gänzlichen Paralysirung Spaniens7, das unmöglich scheinende durch festen Willen und vereinte Energie sich möglich machen lassen werde. Beruhigung Deutschlands, Beschwichtigung seiner unzufriedenen Gemü­ ther, Belebung der Hoffnung, daß ein erwünschterer Zustand der Dinge den Regierungen nicht abgenöthigt zu werden brauche, sondern mit gutem Willen und Einverständnisse derselben, auf dem ordentlichen Wege baldmöglichst herbeigeführt werden dürfte, und dadurch von selbst bewirkte Niederschlagung alles etwanigen revolutionären Stoffes – dies mögte daher als das Eine, was uns vor allem andern Noth ist, erscheinen, um die moralische Kraft Deutschlands dergestalt wieder zu beleben und zu verstärken, daß wir weder einen erneuten Krieg, noch zur Vermeidung desselben einen schimpflichen Vertrag zu fürchten, und daher keins von beiden zu besorgen haben. Bewegung und markierte zugleich den „Bruch der deutschen Patrioten mit dem Deutschen Bund“. Vgl. dazu allgemein Hahn/Berding, Reformen, Restauration und Revolution 1806− 1848/49, S. 112−127 u. 132−144, Zitat S. 125; Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 62−75 u. 142−148, Zitat S. 145; Fehrenbach, Verfassungsstaat und Nationsbildung, S. 1−8; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 696−732. 5 Das auf dem Wiener Kongreß auf Betreiben der Großmächte, insbesondere Englands, durch den Zusammenschluß der ehemaligen habsburgischen Niederlande und der (nördlichen) Niederlande geschaffene Königreich der Vereinigten Niederlande war als Bollwerk gegenüber Frankreich gedacht. An der einheitsstaatlichen Struktur des neuen Staatswesens, in dem der König ein klares politisches Übergewicht gegenüber der Volksvertretung besaß, entzündete sich jedoch schon bald Kritik, vor allem im katholischen und frankophonen Süden, dem späteren Belgien, wo insbesondere die Kirchen-, Schul- und Sprachenpolitik Wilhelms I. Anstoß erregte. Vgl. Petri, Belgien, Niederlande, Luxemburg, S. 930−967, hier S. 940−950. 6 Piemont-Sardinien kehrte unter König Viktor Emanuel I. nach 1814 zu einem vorfranzösischen absolutistischen Herrschaftssystem mit neuerlichen Adelsprivilegien zurück und setzte sich damit über die ökonomischen Interessen sowie konstitutionellen und nationalen Forderungen des Bürgertums hinweg. Die daraus resultierenden Spannungen entluden sich schließlich im März 1821 in einem Aufstand der Carbonari, und Viktor Emanuel mußte zugunsten seines Bruders Karl Felix abdanken. Weil dieser abwesend war, übernahm sein liberaler Neffe Karl Albert die Regentschaft, der sofort eine Verfassung nach spanischem Vorbild bewilligte. Als Karl Felix I. kurze Zeit später zürückkehrte, machte er alle Maßnahmen Karl Alberts wieder rückgängig und warf mithilfe österreichischer Truppen schon im April 1821 die Revolution nieder. Vgl. Lill, Geschichte Italiens vom 16. Jahrhundert bis zu den Anfängen des Faschismus, S. 98 f. u. 101 f. 7 Der nach Spanien wieder zurückgekehrte König Ferdinand VII. hatte 1814 die liberale Verfassung von Cádiz (1812) für nichtig erklärt und ein repressives absolutistisches Herrschaftssystem errichtet. Die daraus entstehenden politisch-gesellschaftlichen Spannungen entluden sich schließlich in der Revolte des Oberst Riego, der 1820 die Verfassung von 1812 restaurierte. Infolge der französischen Intervention in Spanien 1823 wurde die Konstitution jedoch abermals aufgehoben und das absolutistische Regime Ferdinands VII. erneuert. Vgl. Konetzke, Die iberischen Staaten von der Französischen Revolution bis 1874, S. 886−929, hier S. 898−904; Bernecker, Geschichte Spaniens, S. 57−62.

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Was kann aber in dieser Hinsicht von dem deutschen Bunde und von der Bundesversammlung geschehen, insofern diese eine solche Sorge nicht als ihr fremd zu betrachten hat? Viele Hoffnungen und fröhliche Aussichten sind den deutschen Völkern vor und bei den Wiener Verhandlungen eröffnet. Nur einige von denselben hat die Bundesakte zusichernd ausgesprochen und keine Frist für die Erfüllung solcher Verheißungen festzusetzen gewagt. Dies ist besonders bei dem 13[t]en Artikel der Bundesakte8 der Fall, worin die Versicherung gegeben ist, daß in allen Bundesstaaten eine landständische Verfassung stattfinden solle; die provisorische Kompetenz der Bundesversammlung ist indeß dahin ausgesprochen, daß sich dieselbe berufen erkenne, die Bundesakte in ihren einzelnen Bestimmungen und Andeutungen zu entwickeln und zu vollenden, und der gedachte 13te Artikel ist ausdrücklich unter denen nahmhaft gemacht, von denen es in der Kompetenzbestimmung heißt: die Bundesversammlung sey berufen, darauf zu achten, daß die in denselben den einzelnen Staaten zur Ausführung vorgeschriebenen öffentlichen Verhältnisse in Erfüllung gebracht werden.9 So sehr man auch Ursache haben mag, das wann? und wie? und wo? in dieser Hinsicht als crux interpretum10 zu betrachten, die Sache läßt sich nicht umgehen, sie muß einmal pflichtmäßig von der Bundesversammlung zur Sprache gebracht werden, Verzögerung hat so gut Verantwortlichkeit zur Folge, wie Uebereilung, und es ist nicht zu läugnen, daß die Vornahme dieser Angelegenheit wenigstens einer baldigen ernstern Ueberlegung werth scheint, wenn solche auch aus dem Gesichtspunkte der Sicherstellung des deutschen Bundes und der Verstärkung seiner intensiven Kräfte gegen etwanigen feindlichen Angriff nicht als gleichgültig betrachtet werden darf. Die Lage der Sache ist offenbar die, daß einige Bundesstaaten ihre landständischen Verfassungen entweder niemals aufgehoben, oder doch, wo ­solches durch fremden Einfluß oder im Drange unglücklicher Begebenheiten geschehen, sofort wieder hergestellt, und zum Theil auf eine Zeit und Umständen angemessene Weise vervollkommt oder neu eingeführt haben. Es dürfen dahin zu zählen seyn: Oestreich, das Königreich Sachsen, Hannover, Churhessen, Luxenburg, die sächsischen Häuser 11mit Ausnahme Coburgs11, beide Mecklenburgs, Schwarz­ burg-Rudolstadt, Reuß, Schaumburg-Lippe, Waldeck und die freien Städte.   8   9 10

Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513. Vgl. Dok. 121, S. 567. Lat.: „Kreuz der Erklärer“, d. h. eine schwer zu erklärende Stelle eines Schriftstücks. Vgl. Meyers Großes Konversations-Lexikon, Bd. 4, S. 358. 11–11 Nachträgliche Ergänzung von Smidts Hand.

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Andere befinden sich in procinctu12 der Einführung, Herstellung, oder Vervollkommnung ständischer Verfassungen, und können als reell damit beschäfftigt angesehen werden. Hieher dürften gehören: Württemberg, Holstein, Braunschweig, Nassau und Lippe. Die dritte Klasse endlich begreift diejenigen Staaten, in welchen keine landständische Verfassung als existirend angenommen werden kann, wo solche entweder nie statt gefunden, oder doch gegenwärtig quiescirt, die zwar eine solche einzuführen oder herzustellen beabsichtigen, von denen es sich aber noch nicht absehen läßt, wann und wie sie damit zu Stande kommen werden. Als solche dürften angesehen werden können: Preußen, Baiern, Baden, das Großherzogthum Hessen, 13Sachsen Coburg13[,] Oldenburg, Anhalt, Schwarzburg-Sondershausen, Hohenzollern und Lichtenstein. Es ist indeß möglich, daß diese Klassifikation noch einige Berichtigung bedarf; indem vielleicht in einzelnen, besonders in kleinern Bundesstaaten, in solcher Hinsicht einiges geschehen seyn kann, was nicht zu hinlänglicher öffentlicher Kunde gelangt ist. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, muß man nicht verkennen, daß die Einführung, Herstellung oder Vervollkommnung landständischer Verfassungen in größern Staaten mit weit bedeutendern Schwierigkeiten verknüpft ist, als in kleineren, daß diese Schwierigkeiten besonders da sehr gesteigert werden, wo ein Staat ältere Provinzen verloren hat und durch neuere vergrößert worden ist, wo verschiedene Sitten, verschiedene Kultur, verschiedene Gesetze in den einzelnen Provinzen vorwalten, und daß selbst das Bedürfniß, durch solche Verfassungen der Willkühr zu steuern oder einen geordneten Staatshaushalt zu sichern, sich in größeren Staaten weit weniger ausspricht, als in denjenigen mittleren und kleineren, wo das alte Reichsregiment sich kräftiger aussprach, und ein Surrogat desselben deshalb desto schmerzlicher entbehrt wird. Wenn daher bei jenen größeren Staaten eine Uebereilung in dem Verfassungswerke nur schädliche und nachtheilige Wirkungen hervorbringen dürfte, und die öffentliche Meinung darüber leicht zu berichtigen und zu verständigen seyn mögte, daß ihnen die erforderliche Zeit dazu gelassen werden müsse, so darf man es sich an der andern Seite doch auch nicht verschweigen, daß grade die Zögerung dieser Staaten auf diejenigen mittleren und kleineren, bei welchen solche Verhältnisse und Beweggründe entweder gar nicht oder doch in weit geringerem Maaße vorwalten, den nachtheiligsten Einfluß hat, indem man sich auf das Beispiel derselben beruft, und sich durch dasselbe gegen jede Annäherung von Innen oder von Außen hinreichend gesichert und entschuldigt glaubt. 12 Lat.: in Vorbereitung. 13–13 Nachträgliche Ergänzung von Smidts Hand.

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Sollte nun, wenn die Bundesversammlung sich anders berufen glaubt, der allgemeinen Erwartung in Deutschland, daß sie den 13[te]n Artikel der Bundesakte nicht länger unberücksichtigt lassen werde, entsprechen zu müssen, nicht das beste Auskunftsmittel darin gefunden werden können, daß sie einmal offen mit der Sprache herausgehe, und der Natur der Sache gemäß, den Grundsatz aufstelle, es sey zu der Einführung landständischer Verfassungen in den größeren Bundesstaaten eine längere Frist erforderlich, als in den kleineren. Und sollte dieses nicht am anständigsten auf die Weise geschehen können, daß zuvörderst durch vertrauliche Verabredungen und Unterhandlungen jeder einzelne Bundesstaat zu einer Erklärung über die Frist bewogen würde, welche ihm zur Einführung der Verfassung nothwendig seyn dürfte? Wenn eine solche Verabredung und Unterhandlung den gewünschten Zweck nicht verfehlte, und dann in der Bundesversammlung eine Vereinbarung der deutschen Fürsten, welche noch keine landständischen Verfassungen eingeführt haben, publicirt würde, worin die Frist, in welcher solche Ein­ führung statt finden solle, bestimmt und unzweideutig ausgesprochen wäre, welchen wohlthätigen Eindruck würde es nicht in Deutschland hervorbringen, welches erneute und verstärkte Zutrauen würde nicht die unmittelbare Folge einer solchen Erklärung seyn! Oestreichs erhabener Monarch steht so fest in der Liebe seiner Völker – die Bande des alten Vertrauens in ganz Deutschland strecken sich nach erneuten Anknüpfungspunkten zu Ihm aus. Sollte Er sich nicht zu einer Einleitung der Art berufen fühlen, dürfen wir nicht hoffen, daß Er uns auch hier wieder als moderator rerum Germaniae14, als semper Augustus15 erscheine? Smidt

14 Lat.: Lenker der Angelegenheiten Deutschlands. 15 Semper Augustus (lat.): „allzeit Erhabener“; später unter dem Einfluß Isidors von Sevilla (um 560−636 n.  Chr.), der Augustus von der Funktion der „Ländervermehrung“ (augere terre) herleitete, mit „allzeit Mehrer des Reichs“ übersetzt. In dieser Form wurde „semper Augustus“ seit dem 12. Jahrhundert Teil der Titulatur der römisch-deutschen Kaiser und Könige bis zum Ende des Heiligen Römischen Reichs. Dahinter stand die Idee der Amtsnachfolge der römisch-deutschen Herrscher im Sinne der Vorstellung, daß das römische Reich an die Deutschen übertragen worden sei. Vgl. Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, Sp. 1231−1233 (Artikel „Augustus“); Müller-Mertens, Römisches Reich im Besitz der Deutschen, S. 1−58, hier S.  54 ff.

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150. Wangenheim an König Wilhelm I. von Württemberg

HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 313, Nr. 5. a) Bericht. Behändigte Ausfertigung. b) Denkschrift. Reinschrift.

[a) Bericht]

Zuverlässige Informationen, daß Metternich bestrebt sei, die Wirksamkeit des Bundes zu lähmen und den Bundestag in seinem Organisations- und Entwicklungsprozeß nur langsam vor­anschreiten zu lassen. Dem stehe das Bemühen der übrigen Bundesglieder gegenüber, die Tätigkeit und Wirksamkeit des Bundestags zu befördern. Notwendigkeit eines Mittelwegs zwischen Ohnmacht und Übermacht der Bundesversammlung. Werde dieser Mittelweg nicht geöffnet, dann liege das weniger an dem falschen Begriff der Fürsten über die Souveränität als an der Furcht der höheren Staatsdiener, die eigene Willkür beschränkt zu sehen; darin liege auch der Grund, warum der Artikel 13 der Bundesakte nicht zur Sprache gebracht werden soll. Übersendet in Anlage seine Betrachtungen über den Artikel 13, von dessen richtiger Vollziehung die Sicherheit der Throne und die Wohlfahrt der Völker abhänge.

Litt. D



Frankfurt am Main, 3. Dezember 1817 Königliche Majestät!

Wenn ich schon in meinem lezten Nebenberichte Litt. C1 die Thatsache, daß das Oesterreichische Cabinet oder vielmehr Fürst Metternich, die Wirksamkeit des Bundes zu lähmen strebe, nicht bezweifelte, so ist mir die Richtigkeit dieser Voraussetzung jezt durch einen Mann von Wien aus bestätigt worden, der sich beinahe täglich in seiner Gesellschaft befindet. Ich glaube den Innhalt dieses vom 23t[en] November datirten, aber erst am t[en] 25 abgegangenen Schreibens an mich um mehr als einer Beziehung willen Euerer Königlichen Majestät nicht verbergen zu dürfen. Man schreibt mir nemlich unter Anderem: „Wir kennen uns lange genug, und ich halte diese Gelegenheit für sicher genug, um ganz offen mit ihnen reden zu dürfen. – Man fängt hier an sich vor dem Heranwachsen und Mannbarwerden des Bundestags noch weit mehr zu fürchten, wie vor dem – des jungen Napoleon2, so ungemeine Freude man auch bei der Geburt beider an den Tag legte, obgleich beide en depit du bon 1 Vgl. Bericht Wangenheims an König Wilhelm I. von Württemberg, Frankfurt am Main, 29. November 1817, HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 313, Nr. 4. 2 Napoléon François Bonaparte, Herzog von Reichstadt (1811–1832) (als Kaiser der Franzosen Napoleon II.). Einziger Sohn Napoleons I. aus dessen Ehe mit Marie Louise von Österreich. Bei seiner Geburt zum „König von Rom“ proklamiert, wurde er nach den wiederholten ­Abdankungen seines Vaters zu seinen Gunsten (1814/15) in Schönbrunn erzogen. 1817 seiner Erbansprüche beraubt, erhielt er 1818 die böhmische Herrschaft Reichstadt, die zum Herzogtum erhoben wurde. Vgl. Meyers Taschenlexikon Geschichte, Bd. 5, S. 120 f.

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sens, zum Hohn einer gesunden Oesterreichischen Politik, gezeugt waren. – Beide treten noch nicht einmal in die Schlingeljahre, und schon weiß man keinen Rath, was mit den Ausgeburten angefangen werden soll. – Bis mit der Zeit Rath kommt, sollen beide einstweilen deutsch reden. Der kleine Napo­ leon soll fleißig lernen, der Bundestag aber nicht, weil er schon zuviel weiß; im Gegentheil ist sein Mentor, Buol, angewiesen, das arme Kind auf den ­bereits gesammelten Lorbeeren ausruhen zu laßen, und sowenig als möglich anzustrengen, aus gerechter Furcht, es möchte sich schaden. – Ich scheine über diese Instruction zu spotten, und doch billige ich sie unbedingt (?!), wie die ganze höchst geschikte weise, mit welcher das hiesige Cabinet in den lezten 2 Jahren sich aus all’ den unendlich delikaten Fragen gezogen hat, die in allen politischen Verhältnißen, nicht blos Europa’s, sondern beider Hemisphären zu lösen waren. – Bei dem entschiedenen Willen, den Bundestage in seinem Organisations- und Entwikelungsprozeß, insolange wenigstens, bis die öffentliche Stimmung sich gesezt und beruhigt haben wird, nur höchst langsam und bedächtlich vorschreiten zu laßen, war ihre Ernennung an demselben hier nicht angenehm, weil man nicht nur ihre bekannte Thätigkeit, sondern auch zwischen ihren politischen Grundsätzen und denen von Gagern, Berg und Consorten einige Affinität fürchtet. Daß das Leztere nicht der Fall sey, habe ich unbedenklich verbürgt. Alle Verfaßungsfragen soll der Bundestag bei nahmhafter Pön unbedingt von der Hand weisen! – Die Vorgänge auf der Wartburg3 machen hier gewaltige Sensation.“ Ich erlaube mir diese Nachrichten und Ansichten meines Correspondenten mit einigen Reflexionen zu begleiten. Wenn ich einen Augenblik zugebe, was mir noch immer problematisch scheint, daß Oesterreich oder der Fürst Metternich ein wohlverstandenes Intereße haben könne, den Bundestag, wie sich mein Correspondent ausdrükt, nicht heranwachsen und mannbar werden zu laßen: so müßte ich behaupten, daß eben deßwegen die übrigen Bundesglieder das Heranwachsen und Mannbarwerden deßelben recht eifrig wünschen und recht thätig würden befördern müßen. Denn bliebe der Bundestag unmündig und könnte Metternich diesem Unmündigen einen Mentor, welcher bei nahmhafter Pön zu verbieten und zu gebieten vermöchte, was zur Sprache gebracht werden soll oder nicht: so wäre ja der Bund für Oesterreich allein nützlich, während alle übrigen Fürsten nur Werkzeuge seiner egoistischen Politik würden. Dann wäre es offenbar für alle übrigen weniger nachtheilig, gar keinen Bund geschloßen zu haben, als einen solchen, der blos die Glieder bände, ohne den Geist zu lösen. 3 Zum Wartburgfest vom 18./19. Oktober 1817 vgl. Dok. 152, Anm. 18.

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Der Bund muß scheitern, wenn die, welche das Steuer führen, ihn nicht zwischen seiner Scÿlla und seiner Charÿbdis durchzuführen verstehen. – Jene erblike ich in der Unmacht, diese in der Uebermacht der Bundesversammlung. Beide sind gleich verderblich. Ist die Versammlung ohne alle Macht, so wird sie unfehlbar zum Deckmantel, unter welchem die präponderirenden Mächte das, Allen verderbliche, Spiel mir ihren heiligsten Intereßen ungestraft treiben können und werden; ist die Versammlung aber zu mächtig, so sezt sie sich an die Stelle der Regierungen und wird ein vielköpfiges Ungeheuer. In jenem Falle würde sie verächtlich, in diesem fürchterlich, in beiden aber verderblich werden. Nur in der rechten Mitte gehalten, kann und wird sie wohlthätig wirken; in diese aber kann sie nur dann kommen, wenn sie einerseits in keinem Falle, als da, wo es blos die einfache Anwendung unzweifelhafter Normen oder die Gestaltung des Geschäftsgangs gilt, ohne Instruction, in gar keinem Falle aber ohne Rechenschaft zu geben, handeln darf; andererseits aber, wenn sie durch Instructionen auch wirklich in die Lage gesezt wird, wahrhaft Intereßantes zu berathen und dadurch ins Leben einzuführen: denn es liegt tief in der menschlichen Natur gegründet, daß man lieber ein Gegenstand der Furcht, als ein Gegenstand der Verachtung seyn will. Auf diesem Kreutzwege steht jezt die Versammlung in der That; der Himmel gebe, daß ihr ein dritter Weg, der Mittelweg, möge geöffnet werden! – Wird dieser Mittelweg nicht geöffnet: so liegt die Schuld weniger an dem falschen Begriffe der Fürsten über die Souveränität – wie man den Völkern so gern glauben machen möchte – als an der Furcht der höhern Staatsdiener, die eigene Willkühr beschränkt zu sehen, und darin liegt auch der Grund, warum der Art. XIII der Bundesakte4 nicht zur Sprache soll gebracht werden. Aus diesen Reflexionen sind die beiliegenden Betrachtungen entstanden, welche ich dazu benütze, um in Gemäßheit der Höchsten Befehle Euerer Königlichen Majestät, die Frage über jenen Artikel zur Sprache zu bringen, von deren richtigen Beantwortung jezt hauptsächlich die Sicherheit der Thronen, wie die Wohlfarth der Völker abhängt. In diesem Memoire habe ich auch die in oben angeführten Briefe geäußerte thörichte Hoffnung Metternich’s gewürdigt, daß sich die schlechte öffentliche Stimmung beßern könne, ohne daß die Regierungen dadurch das Ihrige dazu beitragen, daß sie anfangen, Wort zu halten. Was die Bürgschaft betrifft, die mein Correspondent für mich einzulegen für gut fand, so hat er dabei nichts gewagt, denn es liegt in mir sowenig eine Neigung zum einseitigen Aristokratismus, den man dem Freyherrn v. Gagern und v. Berg vorwerfen kann, als zum einseitigen Demokratismus, deßen in der Versammlung niemand verdächtig ist. Aber in Wien ist es schon genug, 4 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513.

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kein Anhänger der absoluten Selbstmacht auf dem Throne zu seyn, um verdächtig zu scheinen. Dieses Schiksal habe ich für mich schon in Stuttgart vorausgesehen und gesagt. In tiefster Ehrerbietung verharre ich Eurer Königlichen Majestät allerunterthänigster, treugehorsamster Wangenheim

[b) Denkschrift: Wenn ein Bund sein soll, was ist seine dringendste Aufgabe in jetziger Zeit?]5 Die deutschen Staaten haben einen Bund geschlossen, teils um das gemeinsame Vaterland gegen Angriffe von Außen und Innen zu sichern, teils um auch in diesem Rahmen die vorhandenen Anlagen zur Vollkommenheit entwickeln zu können. Der Bund wird wie jede menschliche Vereinigung nur dann Bestand haben, wenn das Interesse des einzelnen mit dem des Ganzen zusammenfällt. Die dem Bund eigentümlichen Gefahren liegen in der Ungleichheit der Macht und Richtung der Bundesglieder. Deutschland kann seine Stellung als das Herz von Europa nur durch eine Einigkeit doppelter Art behaupten: durch die Einigkeit der einzelnen Bundesstaaten unter sich und durch die Einigkeit zwischen den Häuptern der einzelnen Bundesstaaten und deren Bürgern. Für die erste Art der Einigkeit sorge der Artikel 11 der Bundesakte, für die zweite Art der Artikel 13, wonach in allen Bundesstaaten eine landstän­dische Verfassung stattfinden werde. Wer die Zeichen der Zeit zu deuten ver­stehe, dem könne nicht verborgen bleiben, daß die Ausführung dieses Artikels die nächste und dringendste Angelegenheit des Bundes oder doch der B ­ undesglieder selbst sein müsse. Dabei stelle sich allein die Frage, ob die Herstellung landständischer Verfassungen blos Sache der Einzelstaaten oder ob sie Aufgabe des Bundes sein soll? Tritt dafür ein, der Bundesversammlung die Aufgabe zu übertragen, allgemeine Grundsätze über Wesen und Form der den deutschen Staaten in Artikel 13 der Bundesakte zugesicherten landständischen Verfassungen festzustellen. Plädiert in diesem Zusammenhang für ein Zweikammersystem zumindest in den großen und mittleren Bundesstaaten und für eine freiwillige Gewährung der wesentlichsten landständischen Rechte. Denn nur derjenige könne Dank ernten, der gerne und zur rechten Zeit gibt.

5 Die mit * gekennzeichnete Originalfußnote wird im folgenden als Endnote wiedergegeben.

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Wenn ein Bund seyn soll, was ist seine dringendste Aufgabe in jetziger Zeit? Die deutschen Staaten haben einen Bund geschloßen, theils um das gemeinsame Vaterland gegen Angriffe von Außen und von Innen zu sichern, theils aber auch um in dieser Sicherheit die Bedingung zu finden, unter welcher sie sich allein auf eigenthümliche Weise zu der Vollkommenheit entwikeln können, zu welcher die Anlage unverkennbar in ihnen liegt. Der Bund ist geschloßen, und es kann daher die, an sich leichte, Mühe erspart werden, zu beweisen, daß und warum er geschloßen werden müßte, auch wenn er noch nicht da wäre. Näher läge vielleicht eine Entwikelung der Gründe, aus welchen bewiesen werden könnte, daß es ein kleineres Unglük seyn würde, keinen Bund ­geschloßen zu haben, als einen solchen, der nichts verbände: allein dieser Satz dürfte seinen Beweis wohl ebenso unverkennbar in sich selber tragen, als ein anderer, daß nemlich keine Hoffnung beßer sey, als eine täuschende, oder auch der, daß es beßer sey, keinen Freund um sich zu haben, als einen ­falschen. Noch intereßanter könnte es scheinen, sich die Klippen recht lebhaft vor Augen zu stellen, an welchen die Innigkeit, ohne welche der Bund nur eine täuschende Hoffnung und ein falscher Freund seyn würde, scheitern könnte: allein wer kennt nicht diese Klippen, welche allgemein jeder menschlichen Vereinigung drohen? und wer weiß es nicht, daß nur jene Vereinigungen ­Bestand haben können, in welchen das Intereße der Einzelnen mit dem des Ganzen so in Eins zusammenfällt, daß der Einzelne, indem er nur seinen wohlverstandenen Vortheil verfolgt, zugleich den Vortheil Aller begründet? Aber auch die besondern, dem deutschen Bunde eigenthümlichen Gefahren, welche in der Ungleichheit der Macht und Richtung der Bundesglieder gesucht werden, wurden den Freunden des Bundes zu oft vorgebildet und von diesen zu tief erwogen, als daß es noch einer Aufzählung sowohl der Besorgniße, als der Beruhigungsgründe, bedürfte, vor weßen Einbildungskraft hätte nicht die, so eminent überwiegende, Macht zweier großen Bundesstaaten irgend einmal als drohendes Gespenst gestanden, und vor weßen prüfendem Verstande wäre dieses Phantom nicht in der Betrachtung zum leeren Nichts zerfloßen, daß das in einem Staatenbunde hergestellte Deutschland nur solange als das Herz von Europa betrachtet und geliebt werden könne, als es einer blos relativen Selbstständigkeit (eine absolute würde es unfehlbar zum erobernden Staate machen) genießt; daß diese sekondäre Selbstständigkeit von keinem der beiden überwiegenden Bundesstaaten gefährdet werden

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d­ ürfe, ohne sogleich den mächtigen Schutz des Andern zu erfahren; und daß auch eine offene Vereinigung beider Bundesmächte gegen jene sekondäre Selbstständigkeit nicht möglich sey, ohne ebenso sicher ganz Europa gegen sich zu bewaffnen. Selbst ein physisch und moralisch ganz unbewaffnetes Deutschland könnte nur in einer Zeit, wo alle Europäischen Mächte in die Barbarey des Isolirungssystems zurükgefallen wären, Polens früheres Schiksal theilen. Weniger überflüßig, als Betrachtungen solcher Art, dürfte aber eine wiederholte Erwägung der Mittel seyn, wodurch Deutschland eine, wenn gleich nur sekondäre, dennoch ins Europäische Staatensystem kräftig einwirkende Selbstständigkeit sich zu sichern hoffen könne. Deutschland kann seine Stellung als das Herz von Europa mit Würde nur durch eine Einigkeit doppelter Art behaupten, nemlich durch die Einigkeit der einzelnen Bundesstaaten unter sich, und dann durch die Einigkeit zwischen den Häuptern der einzelnen Bundesstaaten und den Bürgern derselben. Für die erste Art von Einigkeit sorgt der 11te Artikel der Bundesakte6, und es ist von den Häuptern der deutschen Staaten Alles geschehen, was geschehen mußte, um den Zwek zu erreichen; für die zweite Art von Einigkeit will der 13te Artikel durch die Bestimmung sorgen, daß in allen Bundesstaaten eine landständische Verfaßung statt finden soll – eine Bestimmung, zu deren Ausführung jedoch von Seiten des Bundes noch nichts geschehen ist. Wer die Zeichen der Zeit zu deuten versteht, dem kann es nicht entgehen,* daß die Ausführung dieses Artikels die nächste und dringendste Angelegenheit des Bundes oder doch der Bundesglieder selbst dann seyn würde, wenn er sich auch nicht auf eine feierliche Zusage gründete, welche nur frühere Zusicherungen wiederhohlt. Die Frage kann daher hier nicht mehr die seyn: ob überhaupt in den deutschen Staaten landständische Verfaßungen ins Leben zu rufen seyen? sondern nur die: ob die Herstellung landständischer Verfaßungen blos Sache der einzelnen deutschen Staaten, oder ob sie Aufgabe des Bundes seyn soll? Es war gewiß ein schöner Gedanke, das Verfaßungswesen lediglich dem Einverständniße zwischen Haupt und Gliedern in den einzelnen Staaten zu überlaßen: allein der Erfolg hat der billigen Erwartung keineswegs entsprochen. Der Grund dieser unerfreulichen Erscheinung scheint mir hauptsächlich in der Mangelhaftigkeit der ständischen Einrichtungen in Deutschland überhaupt, sowohl jener Einrichtungen, welche aufgehoben, als auch derer, welche beibehalten wurden, dann aber auch darinn zu liegen, daß es so überaus schwer ist, bei dergleichen Dingen, zumal in heftig bewegter Zeit, das rechte Maß zu finden. Auf andere Weise scheint es, läßt sich die Klage nicht erklä6 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1512.

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Abb. 5: Carl August Freiherr von Wangenheim (1773–1850)

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ren, welche in vielen Ländern darüber geführt wird, daß man bei den alten Einrichtungen stehen bleibe, während sie in andern Ländern und zwar gleichzeitig darüber vernommen wird, daß man nicht zu den alten Einrichtungen zurükkehren wolle. Eine andere, nicht unwichtigere, Bemerkung dringt sich dem Beobachter auf, die nemlich, daß der unliebenswürdige Streit weniger über das Wesen oder den Innhalt der Verfaßung, als über die Form, in welcher die verfaßungsmäßigen Rechte lebendig werden sollen, geführt wird. Nun scheint es allerdings, daß solcher Streit von einzelnen Staaten auf eine genügende weise nur sehr schwer geschlichtet werden könne; leichter hingegen von einer Gesammtheit von Staaten, theils weil ihr die durch oft nur unbedeutende Einzelheiten erregte Leidenschaftlichkeit der Partheien nicht so schroff entgegenstehen, theils aber auch, weil eine Gesammtheit von Staaten sich nothwendig auf einen allgemeinern Standpunkt stellen muß, von welchem aus sie gleichsam nur die Bedingungen gibt, unter welchen sich in den einzelnen Staaten auf friedliche weise die Verfaßungen lokal und also auf eigenthümliche, selbstständige Weise nach und nach ausbilden, und darum eben nun desto wirksamer und haltbarer gestalten können. Denn es kommt bei Gründung neuer oder auch bei Umänderung veralteter Verfaßungen gar nicht darauf an, daß die neue oder erneuerte Verfaßung gleich vollständig da stehe, wohl aber kommt alles darauf an, daß in die Grundlage derselben kein Element aufgenommen werde, das in seiner Fortbildung zum schlechten führen müße. Der Aufnahme verderblicher Elemente kann aber aus den angegebenen Gründen die gemeinsame Grundlegung beßer widerstehen, als die durch einzelne Staaten. Auch gefährdet jene gemeinsame Grundlegung niemand, am wenigsten die Autonomie der einzelnen Regierungen, weil sie ja alle zu dem Gesetze selbstständig mitwirken, zugleich aber beseitigt sie die ebenso schwierige, als gefährliche Frage: wie zwischen Regenten und Volk über Verfaßungen übereinzukommen sey? Würde dieser Weg eingeschlagen werden dürfen: so würde nichts natürlicher seyn, als auf das zurükzukommen, was schon in den Verhandlungen, welche auf dem Wiener Congreß der Errichtung des deutschen Bundes vorausgiengen, von den Stiftern deßelben als ihre Überzeugung ausgesprochen wurde, daß nemlich die wesentlichen, und daher überall zuzugestehenden Rechte landständischer Corporationen in allen Bundesstaaten bestehen müßen 1. in der Mitwirkung bei der Gesetzgebung; 2.  in der Nothwendigkeit ihrer Einwilligung zur Fortsetzung öffentlicher ­Abgaben, verbunden mit der hievon untrennbaren Mitaufsicht über deren Verwendung;

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3. in der wirksamen Beschwerdeführung über Mißbräuche oder Mängel in der Landesverwaltung und insbesondere in dem Recht, gesetzmäsige Bestrafung schuldiger Staatsdiener zu fordern. Allein diese Bestimmungen würden jezt nicht mehr genügen, da sie blos den nothwendigen Innhalt der Verfaßungen geben, der kaum irgendwo mehr bestritten wird, dermalen aber der Hauptstreit über die Einrichtung der landständischen Corporationen, welche jene Bestimmungen voraussetzen, nur zu lebhaft geführt wird. Niemand kann die Gährung verkennen, die sich in allen Staaten der bekannten Welt, besonders aber in den deutschen Staaten erzeugt hat, und niemand kann sich der Hoffnung überlaßen, daß ohne zeitige und zwekmäßige Leitung dieses moralisch-chemischen Prozeßes aus dieser Gährung ein feindlicher Niederschlag hervorgehen könne. Die Geschichte aller Zeiten, in ­welchen sich Eine Richtung einmal fixirt hatte, widerspricht solcher Hofnung und weiset sie als eine trügerische nach. Wer der herrschenden Idee irgendeiner Zeit blos widerstrebend entgegengetreten ist, hat nie ihren Durchbruch hindern, er hat dadurch nur die Ver­ anlaßung geben können, daß sie sich gewaltsam und also verderbend in heilloser Excentrizität Bahn gebrochen hat, wo man hingegen die Idee selbst freundlich und zur rechten Zeit in sich aufgenommen hat, da gelang es auch, sie in schöne Formen zu gestalten und jeden Auswuchs zu hindern. Die französische Revolution von ihren vorbereitenden Erscheinungen an bis zu ihrem Durchbruche und sogenannten Ende, könnte über diesen Gegenstand viel Beherzigungswerthes lehren. So verschieden auch Frankreich von Deutschland ist, so gleichartig sind die Elemente der ursprünglichen Gährung in beiden Ländern. Auch in Deutschland ist, wie es früher in Frankreich der Fall war, das erste und lauteste Geschrey nicht etwa nach Freiheit, welche die Schreyer nur für sich, keineswegs für Andere ansprechen, sondern nach Gleichheit, aber wieder nicht nach Gleichheit vor dem Gesetze, sondern nach einer Gleichheit der Stände. Vorerst ist zwar nur dem Adel der Krieg erklärt, ist aber der Adel nieder­ geworfen, so entspinnt sich nothwendig der noch verderblichere Krieg der Eigenthumslosen gegen die Eigenthümer. Die Tiraden über die bestehenden und neu zu entwerfenden Steuersysteme, bereiten jenen Kampf schon jetzt auf unverkennbare Weise vor. Einleuchtend ist freilich für jeden Verständigen, daß es, solange es verschiedene Intereßen gibt, auch verschiedene Stände geben müße, und daß, solange diese verschiedene Stände nicht in eine Stellung gebracht werden, in welcher sie das allgemeine Wohl schon um deßwillen befördern müßen, weil sie ihr eigenes sichern wollen, auch eine Verfaßung nicht entstehen und be­ stehen könne; allein jene Schreyer wollen auch keine Verfaßung, welche die

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Sicherheit der Rechte Aller herbeiführe, begründen, sondern sie wollen nur, daß sich unter dem Paniere der Verfassung, nach welcher auch die Redlichen streben, eine große Maße sammle, welche ihnen die Macht anvertraue, nach der allein sie streben. Zwar täuschen auch sie sich in ihren herrschsüchtigen Erwartungen: allein der Zeit der Enttäuschung, geht eine Zeit des Jammers und des Verderbens voran. Der größte Gegensatz ist zwischen den Eigenthümern und Eigenthumslosen; dieser gleicht sich nun zwar in einem ruhigen Zustand der Dinge von selbst aus, ein ruhiger Zustand der Dinge aber kann nur in der Ausgleichung des zweiten engern Gegensatzes zwischen Grund­reichthum und Geldreich­ thum herbeigeführt werden. Daher ist in unserer Zeit die einzig rettende Form landständischer Korporationen nur in der Theilung der Repräsentation in zwei Kammern zu suchen, und wenigstens für Staaten ersten und zweiten Rangs dringend zu empfehlen; in zwei Kammern, in deren einer vorzugsweise das Intereße der großen Grundbesitzer seine Vertreter findet, während die andere die Stellvertreter der kleinern Güterbesitzer und jeglichen Gewerbs in sich aufnimmt. Es wäre in solcher Einrichtung sogar möglich, den zum Gegenstand eines weit verbreiteten Haßes gewordenen Adel sicher zu stellen, ohne ihn auch nur zu nennen. Immer aber bleibt das Wichtigste, daß man nur anfange zu thun, was man versprochen; das heilsamste aber, daß man es recht anfange. In dem nemlichen Augenblike, in welchem in den einzelnen deutschen Staaten so geformte Korporationen die wesentlichsten Rechte ausüben dürfen und wirklich ausüben, ist der Sturm sicherlich beschworen, weil damit die Allgemeinheit der Forderungen gebrochen, der einzelne Streit aber in gesetzmäßige Schranken zurükgeführt ist, innerhalb welcher er nur nützen, niemals schaden kann. Denn nur7 darin, daß Repräsentativ-Verfaßungen statt haben sollen, ist Deutschland einig, nur der Streit darüber hat ein allgemeines Intereße und bringt allgemeine Gährung hervor, und nur diese allgemeine Gährung ist bedenklich, ja gefährlich. Sobald aber diese glüklich zu Ende gebracht ist, so werden die einzelnen Regierungen schnell die Macht wieder gewonnen haben, welche sie – verbergen wir es uns nicht – in der öffentlichen Meinung zum Unglüke Aller größtentheils verlohren haben. Das Gewicht dieser allgemeinen Betrachtungen und der daraus hervorgehenden Überzeugung, daß keine Zeit zu verlieren sey, die Bundesversammlung mit der Feststellung ganz allgemeiner Grundsätze über Wesen und Form der für die deutschen Staaten Art. XIII der Bundes Akte zugesicherten landständischen Verfaßungen, zu beschäftigen, könnte noch durch die Darstellung 7 Doppelt unterstrichen

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des Verhältnißes, in welches Deutschland zu seinen nicht deutschen Nachbarstaaten unerwartet schnell gesetzt werden könnte, und in welchem wieder die ganze moralische Kraft in Deutschland gefordert werden müßte, gar sehr verstärkt werden: allein hier sey nur noch die Bemerkung erlaubt, daß das, was ohne ein gemeinschaftliches Wirken in Beziehung auf Verfaßungsangelegenheiten freiwillig oder abgenöthigt in den einzelnen deutschen Staaten geschehen möchte, für alle übrigen von hohem Intereße seyn müße, da die Forderungen der Volksredner in dem Maße überall werden gesteigert werden, in welchem sie in einzelnen Staaten durchgesezt wurden. Was aber eine Regierung voraussichtlich dem fortgesezten Verlangen künftig doch nicht verweigern könnte, das gibt sie mit größerem Erfolge frei­ willig: denn nur dem wird gedankt, der gerne und zur rechten Zeit gibt. * Indem ich dieß wieder lese, erfahre ich, daß sich in ganz Deutschland herum Comite’s gebildet haben sollen, um die Erfüllung des XIIIten Art. vom Volke aus zu betreiben. Die Hanauer und Wormser Zeitungen geben Proben davon.

151. Martens an Wangenheim

HStA Stuttgart, E 65, Bü 14, No. 6. Schreiben. Eigenhändige Ausfertigung.

Die Mitwirkung an der Erfüllung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte gehört zu den wichtigsten Pflichten der Bundesversammlung, doch würde die Beschließung eines organischen Gesetzes zur Entwicklung dieses Artikels derzeit mehr Negatives als Positives erzeugen. Der Erlaß einzelstaatlicher Verfassungen ist hingegen ein wahrer Gewinn für das Ganze. Die Verabschiedung von Grundzügen der ständischen Ver­ fassung in Form eines allgemeinen Gesetzes für Deutschland ist zwar grundsätzlich möglich, doch ist kaum zu hoffen, daß dadurch die allgemeine Ruhe in Deutschland wieder hergestellt werden könne. Gründe für eingetretene Verzögerungen in den Bundesstaaten. Eine allgemeine theoretische Bestimmung des Artikels 13 würde entweder nicht die erforderliche Mehrheit im Bundestag erhalten oder müßte so abgeschwächt und unbefriedigend ausfallen, daß sie weder dem Bundestag zur Ehre noch Deutschland zum Vorteil gereichen würde. Im letzteren Fall drohe sogar die Rücknahme bereits gewährter Verfassungszusagen durch einzelne Fürsten. Bekräftigt seine Auffassung, daß ständische Verfassungen baldmöglichst zustande gebracht werden mögen.

[Frankfurt am Main], 19. Dezember 1817 Ew. Excellenz statte ich den verbindlichsten Dank ab für die vertrauliche Mittheilung des beygehend zurük­erfolgenden Aufsatzes1 der gewiß meine ganze Aufmerk1 Vgl. Dok. 150b.

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samkeit gefeßelt hat und ich glaube das mir durch diese Mittheilung bezeugte schätzbare Vertrauen nicht besser als durch eine freimüthige Äusserung über die Puncte erwidern zu können in Ansehung deren mir Zweifel übrig bleiben. Ich bin vollkommen damit einverstanden daß die Mitwirkung zu Erfüllung des 13ten Artikels2 eine der wichtigsten und würdigsten Pflichten der Bundesversamlung sey daß wenn sie aber schon jezt damit sich beschäftigen wollte in einem organischen Gesez diesem Artikel die Entwickelung zu geben deren er allerdings bedarf sie dadurch nicht nur den Absichten der Höfe welche sie vorstellt vorgreifen sondern auch dadurch mehr uebles als gutes stiften würde daß hingegen jede Feststellung der Verfassung in einem einzelen Lande ein wahrer Gewinn für das ganze sey und wenn diese, es sey mit oder ohne Mitwirkung des Bundes in mehreren Landen Statt gefunden dieses Beyspiel mehr auf die übrigen wirken würde als jedes darüber gegebene allgemeine Gesetz, da es wohl unverkennbar ist daß ein jeder das was er thun soll lieber aus sich selbst thut als auf eine allgemeine Vorschrift zu der er nur mitgewirkt hat und ich zweifle daß Ihr König den Ständen die Anerbietungen die er freigebig gethan hat gethan haben würde wenn die Bundesversamlung die Macht und den Willen gehabt hätte diese zu einem allgemeinen Gesez in Deutschland zu machen. Ich zweifle nicht an der absoluten Möglichkeit eines allgemeinen Gesetzes für Deutschland worin die Grundzüge der ständischen Verfassung festgesezt und sogar eine Theilung derselben in 2 Cammern vorgeschrieben würde, glaube aber daß dies nicht nur für uns mit unübersteiglichen Schwierigkeiten verbunden seyn würde sondern zweifle auch an der Zweckmäßigkeit einer solchen Bestimmung und vollends daran daß sie den herrschenden Geist des Mißvergnügens dämpfen und allgemeine Ruhe in Deutschland herstellen könne. Ich bin völlig damit einverstanden daß noch abgesehen von der Art der Volksrepresentation die natürlichen Grundlinien der ständischen Rechte sich darauf beschränken daß 1) keine Steuern ohne Zustimmung der Stände als representa[n]ten erhoben werden könne[n] und als natürliche Folge dieses Rechts auch das sey daß ihnen die Bedürfniße des Staats vorgelegt und die Verwendung der ­Steuern ihnen nachgewiesen mithin von ihnen controllirt werden können und müßen; 2) daß sie vor Abfassung allgemeiner Gesetze eine berathende Stimme ablegen auch 3) gemeinsam ihre Beschwerden und Bitten dem Landesherrn zur Remedur vorlegen können, wohin auch die Anklage der Minister gezählt werden mag. 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513.

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Ew. Excellenz wißen aber wieviel selbst diese, einfachen zu Wien vorgeschlagenen Bestimmungen widerspruch gefunden und eben daraus die erbärmliche Fassung des 13ten Artikels erwachsen ist. Diese Schwierigkeiten sind dadurch nicht entfernt daß die Sache nach Frankfurt verwiesen worden und wir würden sie hier eben so wieder entstehn sehn, abgerechnet daß selbst diese Grundlinien mit denen man zu Wien sehr zufrieden gewesen wäre, jezt die Volksbearbeiter so wenig befriedigen würde daß selbst in dem kaum zu hoffenden Falle daß dafür jezt noch ein organisches Gesez constitutions­mäßig zu Stande gebracht werden könnte wir nicht viel weiter als jezt seyn würden und warlich damit die Ruhe in dem inneren von Deutschland nicht hergestellt seyn würde. Der Grund dieses unverkennbaren allgemeinen Mißvergnügens liegt nach meinem Bedünken weniger in dem Mangel einer ständischen Verfassung in so vielen Ländern als darinn daß mit der Abschüttelung des fremden Joches nicht die Spuren die es zurükgelaßen hat vertilgt werden können, es auch dem gemäßigtesten Fürsten nicht möglich gewesen den Unterthanen die erwarteten Seegnungen des Friedens durch hinreichende Erleichterungen der Steuern sofort zu verschaffen. Wenn ihnen dieses möglich gewesen so würde wie ich glaube der Drang nach Verfassungen weit geringer seyn so wie ich umgekehrt überzeugt bin daß wenn auch mit dem Tage der Unterzeichnung der Bundesacte es möglich gewesen wäre in allen Ländern ständische Verfassungen es sey mit 1, 2 oder 3 Cammern einzuführen auch die Stände diesem Uebel nicht hätten abhelfen können das allein die Zeit und ein längerer Ruhestand und mit ihm die mögliche Beschränkung des Militairs, hoffen lassen kan. Daß es möglich sey ständische Verfassungen durch einen Machtspruch schnell einzuführen davon haben wir Beyspiele; eines derselben bietet das Königreich Westphalen. Der eiserne Arm der es schuf konte ihm auch eine allgemeine ohne Rüksicht auf Localitaeten angeblich aus allen Classen zusammengesetzte ständische Verfassung dictiren und es möglich machen daß schon 4 Monat nach der Geburt des Staats eine ständische Versamlung in ihrem ganzen äußeren Glanze da stand, aber schon die erste und noch mehr die 2te und lezte Versamlung enthüllte das leere Blendwerk und zeigte daß die Stände mehr ein Schutzmantel für die Willkühr als eine beschützende Kraft gegen dieselbe darboten.3 3 Im Königreich Westfalen war bereits am 15. November 1807 eine Verfassung nach französischem Vorbild erlassen worden. Da die Reichsstände des Königreichs, in denen der grundbesitzende Adel dominierte, die Reformpolitik der Regierung vielfach blockierten, wurden diese nach 1810 nicht mehr einberufen und die verfassungsmäßigen Organe von der Regierung vielfach umgangen. Vgl. Rob (Bearb.), Regierungsakten des Königreichs Westphalen, S. 41−57; Grothe, Model or Myth? The Constitution of Westphalia of 1807 and Early German Constitutionalism.

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Solche Verfassungen wollen wir ohne Zweifel nicht; lassen sich aber andere auf die Lage und Localitaeten berechnete Stände zumal auf heterogene so neu mit einander verbundene Provinzen so schnell hervorbringen? und wenn auch die Grundlinien dazu von aussen her gegeben wärn würde über deren Anwendung nicht so viel und mehr Zeit vergehn als jezt über die Vorbereitungen welche einer wünschenswerthen Verfaßung voran gehn müßen. Kan man einem einzigen deutschen Fürsten vorwerfen daß er sich mit diesen Vorbereitungen gar nicht beschäftiget habe und ist ein Zeitraum von 2½ Jahren ein Rechtfertigungsgrund um an dem Erfolg zu zweifeln wen[n] man nicht durch allgemeine von aussen herkommende Normen zu Hülfe komt welche diese Arbeit vielleicht mehr stören als befördern würden. Und wenn es einen oder einige Fürsten geben sollte welche bisher noch gar nichts gethan hätten um den 13ten Art. der Bundesacte zu vollziehn ist es nicht zwekmäßiger die Beschwerden darüber zu erwarten und ihnen möglichst abzuhelfen als um dieser wenigen willen den Versuch einer allgemeinen theoretischen Bestimmung zu machen von der vorauszusehn ist daß sie entweder nicht die constitutionelle Majoritaet erhält oder so geschwächt und unbefriedigend gefaßt werden muß daß sie weder der Bundesversamlung zur Ehre noch Deutschland zum Vorteil gereicht. Werden nicht die Beschwerden welche aus einzelen Landen an uns gelangt sind oder noch gelangen dürften eine weit natürlichere und von Anmaßung entfernte Veranlassung geben um erst einzelne Puncte zur Entscheidung zu bringen als wenn jezt die Bundesversamlung (meiner Ueberzeugung nach) mit Ueberschreitung ihrer Befugniße sich ohne solche Beschwerden zu erwarten in allgemeine Theorien über ständische Verfaßung einlaßen wollte. Ist nicht selbst das zu besorgen daß wenn wie notwendig der Fall seyn würde die Bundesversamlung nur ziemlich beschränkte Grundsätze über die Rechte der Stände auszusprechen vermöchte dieser oder jener Fürst davon den Vorwand nehmen könnte von seinen schon gemachten Zusagen abzugehn und dann die Schuld auf die Bundesversamlung zu wälzen. Aus diesen Gründen gestehe ich daß ohne durch meine Instructionen gebunden zu seyn, ohne für Hannover das mindeste besondere Intereße dabey zu haben weil dieses den 13ten Artikel schon vollzogen hat4, es bedenklich 4 Im Königreich Hannover gab es zunächst sieben getrennte Landschaften (Calenberg-Grubenhagen, Lüneburg, Hoya, Bremen-Verden, Osnabrück, Hildesheim, Ostfriesland). Am 15. De­ zember 1814 traten zwar erstmals Gesamtstände zusammen, doch wurde eine alle Landesteile umfassende Ständeversammlung erst durch das Patent vom 7. Dezember 1819 errichtet. Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 86; Meier, Hannoversche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Bd. 1, S. 321−351; Boldt (Hrsg.), Reich und Länder, S. 257−261 (Text der Verfassung von 1819); Kolb/Teiwes, Beiträge zur politischen, Sozial- und Rechtsgeschichte der Hannoverschen Ständeversammlung, S. 1−65; Mjindert, Staatseinheit und Landesvertretung.

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finden würde wenn die Bundesversammlung schon jezt in der Sache vorschreiten und ein ständisches jus publicum5 für ganz Deutschland auf den Grund des 13ten Artikels in Berathung ziehen wollte. Ich bitte Ew. Excellenz diese freymütigen Zweifel nicht ungeneigt aufzunehmen. In einem democratischen Staat gebohren und erzogen6 und einem Lande zugethan das für seine milde durch Stände gemäßigte Verfassung bekant ist habe ich gewiß selbst persönlich keinen Grund um nicht zu wünschen daß überall in Deutschland die monarchischen Verfassungen durch Stände ­gemildert werden mögen und daß dies bald möglichst zu Stande gebracht werde, nur in der Ansicht des Weges der dazu führen könnte kan ich nicht ganz mit Ew. Excellenz einstimmen obwohl ich für jede Belehrung empfänglich bleiben werde. Ich beharre mit vorzüglichster Hochschätzung Ew. Excellenz gehorsamster Diener Martens

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HStA München, Gesandtschaft Bundestag, Nr. 96, fol. 81−91’ und 93−93’. Bericht. Behändigtes Reinkonzept mit nachträglichen Korrekturen1. Exped.: 20. Dezember 1817.

Bericht über die vertrauliche Bundestagssitzung vom 18. Dezember 1817: Garantiegesuch für die mecklenburgische Patentverordnung über die Beilegung von Streitigkeiten zwischen den Fürsten und den Ständen in Angelegenheiten der Landesver­ fassung und Motion Plessens wegen Erfüllung des Artikels 13 der Bundesakte in den deutschen Bundesstaaten. Vergeblicher Versuch Aretins, Plessen von der Einbringung seiner schon seit längerem geplanten Motion abzuhalten. Verlauf der vertraulichen Aussprache: u. a. Bericht Aretins über den Stand der landständischen Angelegenheiten in Bayern, auch um dem Eindruck zu begegnen, daß Bayern nicht nur selbst die Erfüllung des Artikels 13 hinauszögere, sondern in diesem Sinne auch auf andere Höfe, insbesondere den Wiener Hof, einzuwirken versuche. Ansicht Wangenheims, daß der Bundestag zwar keine verfassunggebende Versammlung sei, aber die Pflicht habe, die deutschen Regierungen über die wahre Lage der Dinge aufzuklären und Vorschläge zur Beförderung der allgemeinen Wohlfahrt zu unterbreiten; Wangenheim habe zudem die unbestreitbaren Rechte der Stände betont. Martens hält den Zeitpunkt noch nicht für gekommen, um allgemeine Grundsätze auszusprechen; beim derzeitigen Stand würde das auf ein Minimum von Rechten hinauslaufen, womit man hinter allen Erwartungen zurückbleiben und die Unzufriedenheit verstärken würde. Buol 5 Lat.: öffentliches Recht, Staatsrecht. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 168. 6 In der Freien und Hansestadt Hamburg.

1 Die Vorlage trägt oben links den Kanzleivermerk: „König. Landständische Verfaßungen bet[r].“

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weist darauf hin, daß der Wortlaut des Artikels 13 den Zeitpunkt der Einführung und die Ausgestaltung der landständischen Verfassungen dem Ermessen der einzelnen ­Regierungen überlasse. Präzisierung Plessens, daß es nicht seine Absicht gewesen sei, zur Abgabe der geforderten Erklärungen einen festen Termin festzusetzen. Beschluß: Wegen der mecklenburgischen Patentverordnung wird Verlaßnahme auf sechs Wochen genommen, während in der Frage des Artikels 13 Instruktionseinholung ohne festen Termin beschlossen wurde.

Frankfurt am Main, 19. Dezember 1817 A[llerdurchlauchtigster] G[roßmächtigster] H[err]. In meinem alleruntertänigsten Berichte2 über die gestrige Sizung3 habe ich mir ehrerbietigst vorbehalten, wegen der darin zur Sprache gebrachten Landständischen Verhältniße besonderen Bericht zu erstatten. Bereits früher hatte ich angezeigt, daß Freiherr von Plessen sich vorgesezt hatte, die erste Gelegenheit zu ergreifen, wo dieser Gegenstand zur Anregung kommen könnte. Diese ergab sich nun, als er die Grosherzoglich Meklenburgische Verordnung über die Bestimmungen wegen Beilegung der zwischen dem Fürsten und den Ständen entstehenden Zwistigkeiten zur Kenntniß der Versammlungen bringen, und die Garantie des Bundes begehren sollte.4 Von dem Grafen Buol unterstüzt suchte ich Herrn von Pleßen seitdem immer zu bewegen, daß er damit noch zuwarten, oder wenigstens sich auf den speziellen Gegenstand beschräncken möchte. Er hielt eine Zeitlang mit Vielem willen zurück; endlich gelang es uns nicht länger, ihn dazu zu bewegen, und er erklärte, mit seiner Motion um so mehr noch vor den Weihnachtsferien hervortreten zu müßen, als er für durchaus nothwendig halte, daß die Sache in der Versammlung zur Sprache komme, [be]vor die allgemeine Petition übergeben würde, was um das Neue Jahr geschehen sollte. Dieser Ansicht stimmten in den vorläufigen Unterredungen sehr viele Bundesgesandte bei, und einige wie Herr von Wangenheim, Hendrich etc. versprachen ihn nachdrücklichst zu unterstüzen: Graf von Goltz erklärte, keineswegs dagegen zu seyn. Wir konnten also wohl bewirken, daß er den Antrag wegen des 13t[en] Artikels überhaupt mäßigte, nicht aber daß er ihn länger zurück hielt, als bis zur gestrigen Sizung. Graf von Buol veranlaßte, um die Sache noch ein paar Tage 2 Vgl. Aretin an König Maximilian I. Joseph, Frankfurt am Main, 18. Dezember 1817, HStA München, MA 1335. 3 Vgl. ProtDBV 1817, 57. Sitzung vom 18. Dezember 1817, S. 849 (Vertrauliche Sitzung, ohne Protokoll). 4 Vgl. Dok. 154. Abdruck der Mecklenburgischen Patentverordnung vom 28. November 1817 in ProtDBV 1817, 58. Sitzung vom 22. Dezember 1817, Beilage, S. 878−881.

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hinzuhalten, daß gestern nur vertrauliche Sizung war, so daß die Sache erst am Montag in der förmlichen Sizung zum Protokolle kommen wird.5 Freiherr von Plessen machte also in gestriger vertraulicher Sizung die ­Anzeige von der Meklenburgischen Verordnung über die Beilegung der Streitigkeiten zwischen Fürst und Ständen durch Compromiße, und verlangte die ­Garantie des Bundes, und daß hierüber eine bestimmte Verlaßnahme beschloßen werde.6 Man stimmte ohne Discussion bei, daß hierüber Instructionen eingeholt und ein bestimmter Verlaß genommen werden sollte. Mit dieser Anzeige verband Herr von Plessen eine Motion wegen Erfüllung des 13t[en] Artikels überhaupt unter Berufung auf das Commissarische Gutachten über die Reihenfolge7 und was wegen des 12ten und 14ten Artikels8 geschehen, und trug darauf an, die Erklärungen einzuholen, was hierüber in den einzelnen Staaten geschehen, und einen Termin zur bestimmten Verlaßnahme anzusezen. Hierüber wurde nun vorläufig abgestimmt. 1. Graf von Buol nahm die Sache lediglich ad referendum9, wiederholte aber hiebei, was er hierüber bei jeder Gelegenheit sagt, daß Oesterreich die Sache gar nicht aufhalte, aber die Verlegenheiten ehre, welche andere Regierungen etwa dermal noch abhalten könnten, mit der Einführung Landständischer Verfaßungen voran zu gehen. Oesterreich sey um so weniger für sich intereßirt, die Sache aufzuhalten, als es in den meisten Staaten bereits Stände habe10, und da wo sie noch nicht sind, wie in Salzburg, solche in Bälde einführen werde. Man könne hieran nicht zweifeln, wenn man bedenkt, daß dieß selbst in Gallicien geschehen11, wo kein 13ter Artikel dem Kaiser es zur Pflicht gemacht.   5 Vgl. ProtDBV 1817, 58. Sitzung vom 22. Dezember 1817, § 416, S. 851−854.   6 Vgl. Dok. 154.   7 Vgl. Dok. 114.   8 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513−1515.   9 Lat.: zur Berichterstattung. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S.25. 10 Eine Übersicht über die auf dem Gebiet des späteren Kaisertums Österreich existierenden Landstände bietet Krüger, Die Landständische Verfassung, S. 23−25 (Stichjahr 1769); vgl. außerdem die kurzen Hinweise in: Die Habsburgermonarchie 1848–1918. Bd. 7/2: Die regionalen Repräsentativkörperschaften, passim. 11 Galizien besaß seit 1775 Landstände, bestehend aus Vertretern des Herren- und Ritterstandes sowie der größeren Städte. Die Geistlichkeit bildete keinen eigenen Stand, die Bischöfe und Äbte waren jedoch im Herrenstand vertreten. 1782 konstituierten sich die Landstände erstmals. Mit der dritten Teilung Polens 1795 kamen zwar die westgalizischen Gebiete hinzu, doch wurden die Landstände danach nicht mehr einberufen. Nachdem im Vertrag zwischen Rußland und Österreich vom 25. April/3. Mai 1815 vereinbart worden war, daß die Polen in Österreich eine Vertretung erhalten sollten, erneuerte Kaiser Franz I. mit Patent vom 13. April

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2. Für Preußen hielt Herr von Martens in Abwesenheit des Grafen von Goltz das Protokoll offen. 3. Ich hatte mir anfangs vorgenommen, die Sache lediglich ad referendum zu nehmen, und gar nicht weiter darauf einzugehen. Nachdem ich aber erfahren hatte, daß mehrere Gesandten näher darlegen wollten, wie weit ihre Regierungen gekommen seyen, welche Schwierigkeiten noch im Wege stünden, oder woran es liege, daß hierin noch nichts geschehen konnte; so glaubte ich um so mehr ein gleiches Benehmen beobachten zu müßen, als nicht bloß im Publikum sondern selbst in der Versammlung gerade Baiern am meisten beschuldigt wird, nicht nur selbst die Erfüllung des 13t[en] Artikels zu verzögern, sondern auch auf andere Höfe, besonders den von Wien in diesem Sinne zu wirken. Um diese Vorwürfe von Baiern abzuhalten, hielt ich es daher für angemeßen, und E. K. M. Allerhöchsten Gesinnungen nicht entgegen, daß ich historisch darlegte, was über diesen Gegenstand theils verfügt, theils eingeleitet wurde, welche Hinderniße den gänzlichen Vollzug bisher noch aufgehalten und was E. K. M. verfügt haben, um die Vorarbeiten zu beschleunigen. Es ist mir um so lieber, daß ich diese Erläuterung vorlegte, als ich wahrnehmen konnte, daß dieselbe als sehr befriedigend aufgenommen und gefunden wurde, es sey weit mehr geschehen, als man gedacht hätte. Man ließ den Gesinnungen E. K. M. volle Gerechtigkeit wiederfahren, und ich schmeichle mir, daß allerhöchst dieselben mein Benehmen zu billigen geruhen werden, da es vielleicht E. K. M. einer weiteren Erklärung vor der Hand gänzlich enthebt. Die schriftliche Ausführung wie sie künftigen Montag in das Protokoll kömmt12, werde ich gehorsamst nachtragen. Uebrigens gab ich mir bei dieser Abstimmung noch alle Mühe, – jedoch fruchtlos – den Herrn von Pleßen zu bewegen, daß er den zweiten Theil seines Antrags bloß auf die vertrauliche Sizung allein beschränken möchte. Ich suchte noch die Gründe zu entwickeln, warum es mir gerathen scheine, nicht mit Eile in dieser Angelegenheit zu Werke zu gehen, und trug am lebhaftesten darauf an, daß wenigstens kein bestimmter Verlaß genommen und kein Termin bestimmt werde. 4. Für Sachsen hielt Herr von Martens das Protokoll offen. 5. Für Hannover gab derselbe ein weitläufiges Votum ab, in welchem er sich an die von mir geäußerten Ansichten anschloß, und noch näher ausführ

1817 die galizischen Landstände. Vgl. Pölitz, Die europäischen Verfassungen seit dem Jahre 1789 bis auf die neueste Zeit, Bd. 3, S. 55−58 (Text des Patents vom 13. April 1817); Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände, Bd. 4, S. 491; Grodziski, Der Landtag des Königreiches Galizien und Lodomerien, S. 2131 f. 12 Siehe Anm. 31.

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te, und gut entwickelte, warum er glaube, daß diese Angelegenheit nicht übereilt werden sollte. Er berief sich darauf, daß bekanntlich Hannover die Ständischen Verfaßungen bei allen Gelegenheiten am meisten betrieben, und die diesfalsigen Bestimmungen vorzüglich unterstüzt habe. Hannover habe selbst bereits die ständische Verfaßung eingeführt13, und könne also um so freier über die Sache verhandeln. Herr von Martens stellte aber die Gründe näher dar, welche ihm die Ansicht gäben, daß die Angelegenheit im Ganzen noch keineswegs reif, und in der Allgemeinheit nicht geeignet sey, sie mit Lebhaftigkeit zu betreiben. Wohl sey die Sache dahin beschaffen, daß man allmählig die einzelnen Erklärungen aufnähme, welche die Regierungen in dem Falle wären, über die bereits berichtigten Verhältniße, oder über die im Wege liegenden Anstände an die Bundes Versammlung zu bringen. Man müsse das Mittel zwischen denjenigen halten, welche alles übereilen, und denjenigen welche alles auf das Unbestimmte verschieben wollen, zwischen denen, welche Rom in einem Tage aufbauen, und denen, welche nie damit fertig werden wollen. Darum, daß eine Regierung es etwa noch nicht zeitgemäß gefunden habe, die ständische Verfaßung schon wirklich in Vollzug zu sezen, dürfe man sie nicht gleich des üblen Willens beschuldigen, daß sie solches nie thun wolle. Man müße die einzelnen Verhältniße beachten, und dem Worte der Fürsten mehr Vertrauen schenken. Er trug darauf an, daß ohne Beschlußnahme, und ohne Terminsbestimmung lediglich die Instructionen von den Höfen eingeholt werden möchten. 6. Herr von Wangenheim unterstüzte den Antrag des Herrn von Pleßen lebhaft, und entwickelte mündlich die Gründe, die in dem E. K. M. bereits allerunterthänigst eingesendeten Aufsaze14 ausgeführt sind. Er suchte aber vollständig nachzuweisen, daß und wie Württemberg dem 13t[en] Artikel genüget habe, und welche Umtriebe den gänzlichen Vollzug bisher gehindert hätten. Der König habe noch immer dieselben Gesinnungen, er halte sich für einen Sklaven seines Wortes, und würde auch wenn durch Aufstellung allgemeiner Grundsätze Gelegenheit gegeben würde, mindere Bewilligungen den Ständen zu ertheilen, hievon keinen Gebrauch machen, und nicht von dem zurück gehen, was er einmal verheißen. Wenn das Gute, was der König so unumwunden wollte, nicht zur Ausführung kam, so sey es nicht deßen Schuld, und die bestehenden Verwickelungen habe nicht Er herbeigeführt. Wenn Württemberg die gemachte Motion unterstüzt, sey es nicht das besondere Interesse dieses Staats, sondern der Blick auf das, was im Allgemeinen Noth thut. 13 Vgl. Dok. 151, Anm. 4. 14 Vgl. Dok. 150b.

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Von da gieng er auf eine lebhafte Bestreitung der vom Herrn von Martens entwickelten Ansichten über. Rom sollte keineswegs in einem Tage aufge­ bauet, aber es müsse doch einmal mit dem Bau der Anfang gemacht werden, und es soll das redliche Bestreben erscheinen, den Bau zwar nicht schnell, aber allmählig desto solider aufzuführen. Es sey keineswegs nöthig, daß eine Verfaßung gleich mit dem ersten Guße in ihrer Vollkommenheit dastehe, sondern es eigne sich mehr der Natur der Sache, daß das Gebäude wenn es einmal nach dem angelegten Plane im Allgemeinen, wenn gleich noch nicht vollends ausgebildeten Zustande auf­ gestellt sey, allmählich verbeßert, vervollkommnet, erweitert und ausgeziert werde. Aber ein Plan müße vorliegen, und mit Erbauung einzelner abgerißener Zimmer und Behälter dürfe man sich nicht begnügen. Dieß würde geschehen, wenn man nach und nach die einzelnen Bestimmungen erwarten wollte, welche eine Regierung auf diese, die andere auf jene Art, eine dritte vielleicht gar nicht geben würde. Aus solchen disparaten Elementen könne man keine innere Einrichtung zusammensezen, von welcher die deutschen Staaten Heil zu erwarten hätten. In einigen Hauptbestimmungen müßten alle zusammentreffen, wenn nicht der ganze Zweck Landständischer Verfaßung vereitelt, und der Fall herbeigeführt werden sollte, daß deutsche Untertanen sich mit Recht beschweren könnten, in wesentlichen Rechten hinter anderen deutschen Untertanen zurück stehen zu müßen. In den Nebenbestimmungen könnten und müßten allerdings die einzelnen Verfaßungen nach Localverhältnißen von einander abweichen. Aber die allgemeinen Hauptgrundsätze müßten zum voraus aufgestellt, und von der Bundesversammlung nach erholten Instruktionen der Höfe ausgesprochen werden. Er bezog sich dießfalls auf die Verhandlungen des Wiener Congreßes, in welchen diese Bestimmungen bereits zur Sprache gekommen seyen.15 Hier unterbrach ihn Graf von Buol mit der Aeußerung, daß man nicht auf die Verhandlungen sondern auf das Resultat derselben Rücksicht zu nehmen habe. Nicht die vorgängigen Besprechungen, sondern der Wortlaut des 13ten Artikels sey Gesez. Dieser bestimme nur, daß eine Landständische Verfaßung überall seyn sollte: das wann und wie sey den Regierungen überlaßen. Die Untertanen hätten nur ein verfaßungsmäßiges Erwartungsrecht. Allgemeine Grundsätze könnten durchaus nicht aufgestellt werden; jede Regierung werde ermessen, was sie gewähren kann. Man sollte also nur die einzelnen Staaten nach und nach vorgehen laßen; gleich viel ob sie wenig oder viel zugestehen. Wenigstens werde Oesterreich, wenn auch ein anderer Staat, z. B. Württem15 Vgl. insbesondere QGDB I/1, Dok. 31, S. 186 (Hardenbergs „41 Artikel“, 1. Fassung), Dok. 34, S. 205 (Hardenbergs „41 Artikel“, 2. Fassung) und Dok. 58, S. 369 („Zwölf Artikel“).

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berg noch so viele Vorrechte bewilligt, sich keineswegs genöthigt glauben, dem Beispiele folgen zu müssen. Man müsse daher lediglich erwarten, was die Höfe für Instruktionen zu ertheilen für gut finden. Herr von Wangenheim nahm hierauf das Wort wieder, und suchte die Idee zu berichtigen, als glaubte er, diese Grundsätze sollten von der Versammlung unabhängig von den Instructionen der Höfe ausgehen. Er sehe wie wir alle die Bundes Versammlung keineswegs für eine assemblée constituante16 sondern für ein Collegium von Bevollmächtigten der deutschen Regierungen an. Aber das glaube er, daß dies Collegium nicht bloß das Recht habe, sondern dazu verpflichtet sey, die Regierungen auf die wahre Lage der Sachen aufmerksam zu machen, und die Vorschläge vorzulegen, wie die gemeine Wohlfarth, und die der besonderen Staaten in allgemeinen Angelegenheiten am ­besten befördert werden könnte. Herr von Martens unterbrach denselben mit einer Wiederholung der Gründe, aus denen er glaubte, daß es nicht der Zeitpunkt wäre, in welchem all­ gemeine Grundsätze ausgesprochen werden sollten. Er fügte denselben noch diesen bei, daß außer der zu beachtenden individuellen Lage mancher Staaten, es schon darum bedenklich wäre, dermal auf die Festsetzung allgemeiner Bestimmungen zu dringen, weil höchstwahrscheinlich gegenwärtig hiebei ein solches minimum von Rechten zum Vorschein kommen würde, welches unter allen Erwartungen bliebe, niemand beruhigte, und die Unzufriedenheit, die jezt meist bloß in einigen exaltirten Köpfen spukte, [sich] ziemlich allgemein ausbreiten würde. Herr von Wangenheim erwiederte, daß er dieß von Regierungen, welche die Lage Deutschlands und ihre Zeit kennen, nicht befürchten zu müssen glaube. Es gebe unbestreitbare Rechte der Stände, welche wenn sie einmal bestehen sollen, nicht entzogen werden könnten. Das Gefährlichste sey, den Gang der Zeit aufhalten zu wollen: es seyen nicht die Studenten von der Wartburg17, 16 Frz.: Verfassunggebende Versammlung. − Eine verfassunggebende (National-)Versammlung ist eine temporäre Einrichtung, um einem Staat eine erste oder eine neue Verfassung zu geben. Verfassunggebende Versammlungen haben sich meistens in einem revolutionären Umfeld konstituiert. Vgl. Hattenhauer, Europäische Rechtsgeschichte, S. 600 f.; Köbler, Lexikon der europäischen Rechtsgeschichte, S. 2004; Deutsches Rechts-Lexikon, Bd. 3, S. 4439. 17 Am 18./19. Oktober 1817 versammelten sich etwa 500 Mitglieder der Burschenschaften (etwa 5  % der deutschen Studenten) auf der Wartburg bei Eisenach zum Gedenken an den Beginn der Reformation 1517 und die Völkerschlacht bei Leipzig 1813. Aufrufe zur Einheit und Freiheit Deutschlands bestimmten sämtliche Ansprachen. Am Abend des 18. Oktober wurden von einer Minderheit der Teilnehmer in Nachahmung der öffentlichen Verbrennung der päpstlichen Bannandrohungsbulle durch Luther (1520) ca. 25−30 Bücher, die als Zeugnisse reaktionärer Gesinnung oder der napoleonischen Fremdherrschaft galten, ein preußischer Ulanenschnürleib als Zeichen des Protests gegen die deutschen Obrigkeiten, ein Zopf als Symbol des Absolutismus und ein österreichischer Korporalstock verbrannt. Vor allem in

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nicht Beck18 und Consorten, nicht einzelne exaltirte Köpfe, die zu beachten seyen, sondern die Stimme der Völker sey es, die über diesen Punkt von allen Seiten unverkennbar erschalle, die Verheißungen, die Erwartungen, zu denen man sie berechtigte, die allgemeine Spannung, die durch die neueren Ereigniße hervorgebracht werde, die rege Theilnahme an dem öffentlichen Leben, zu ­welcher man die Völker selbst aufgereizt habe. Man müsse den Gang der Begebenheiten, den Geist der Zeit, wie er wirklich ist beachten: wo man das Rad nicht aufhalten kann, müsse man suchen, es gut zu lenken. Wer seine Zeit nicht kennt, werde sich nicht erhalten; wer den rechten Zeitpunkt verfehlt, müsse in der Folge weit mehr geben, als man anfangs als Geschenk verdanket hätte. Wo der Fluß aufschwillt, und ein­ geengt wird, ohne ihn wohlthätig abzuleiten, möge man den Damm noch so hoch dagegen anstemmen: er werde durchbrechen, und die Fluren, die bei rechter Beobachtung des Zeitpunkts befeuchtet werden konnten, zerstörend überschwemmt. Es lägen zwei grosse Ereigniße vor Augen, die doch endlich die gegebene große Lehre fruchtbar machen sollten. Die Reformation, und die französische Revolution. Beide hätten zwar nicht vermieden, aber von ihren Gräueln und unglücklichen Begleitungen befreit, und wohlthätiger für das Menschengeschlecht gemacht werden können, wenn die damaligen Machthaber zur rechten Zeit das gewähret hätten, was man ihnen in der Folge in vervielfachtem Maaße mit Gewalt entriß. Graf von Buol schien gereizt und reizte wieder. Er äußerte, es scheine, daß die Verwickelungen in denen sich Württemberg befinde, es der Regierung wünschenswerth mache, die Sache bei der Bundes Versammlung zur Sprache gebracht zu sehen. Warum bringe also statt dieser allgemeinen Anregung der König nicht selbst seinen einzelnen Fall an die Bundes Versammlung, wo er gewiß die angemessenste Unterstützung finden würde? Herr von Wangenheim antwortete schon aus dem Grunde, weil der König nicht geneigt19 seyn werde, die Hülfe ausser sich zu suchen, so lange er sie noch in seinen eigenen Ressourcen fände. Er würde also wohl so spät als

Preußen und Österreich erregte das Wartburgfest großes Aufsehen und weckte das Mißtrauen der Regierungen und gab schließlich den Anstoß zu den sogenannten Demagogenverfolgungen. Vgl. Taddey (Hrsg.), Lexikon der deutschen Geschichte, S. 1261; Malettke (Hrsg.), 175 Jahre Wartburgfest. 18 Der hessen-darmstädtische Justizrat Ferdinand Beck (1789−1862) aus Michelstadt im Odenwald initiierte im Oktober 1817 eine Petition an den Frankfurter Bundestag, in der eine zügige Erfüllung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte gefordert wurde. Zwar gelang es bis zum Frühjahr 1818 rund 2000 Unterschriften in Frankfurt zu hinterlegen, doch blieb die Resonanz hinter den Erwartungen zurück. Vgl. Franz, Justizrat Becks Mission. 19 Emendiert. Vorlage: gemeint.

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möglich davon Gebrauch machen, an andere zu recurriren. Uebringens könnte den König vielleicht auch noch die Betrachtung davon abhalten, daß wenn er solchergestalt durch Dazwischenkunft der Bundes Versammlung seine Constitution fest sezte, er allein in einem gelähmten Zustande sich befinden würde, während andere ihn umgebende oder sonst nicht entfernte Staaten sich von gleichem Zwange befreit zu erhalten suchten. 7. Freiherr von Berkheim stimmte unter Berufung auf mein Votum auf Instructions Einholung ohne Termin, und zeigte in Kürze an, welche Vorbereitungen in Baden seit den Wiener Congress Verhandlungen getroffen worden, um den 13te[n] Artikel in Vollzug zu sezen. 8. Herr von Lepel nahm die Sache ebenfalls ad referendum ohne Terminsbestimmung. Er zeigte an, was in Churheßen geschehen, und daß es vorzüglich dem Widerspruche der privilegirten Stände zuzuschreiben sey, daß bisher der gänzliche Vollzug des 13ten Artikels vereitelt worden.20 9. Herr von Harnier schloß sich an meine und des Herrn von Martens Abstimmung an, und suchte ebenfalls in Kürze darzustellen, was man bisher im Grosherzogtum Heßen verfüget habe, und wahrscheinlich in Bälde näher werde vorlegen können. 10. Graf von Eyben zeigte in einer schriftlichen Erklärung an, was von der Königlich Dänischen Regierung für Einleitung und Vorbereitung geschehen, um die Einführung einer Landständischen Verfaßung in den Herzogtümern Holstein und Lauenburg zu bewirken. Der König werde zur Anzeige bringen laßen, welche Vorrrechte er seinen Ständen zu bewilligen gedenke. Bei den auf solche Art fast allenthalben gemachten Erklärungen glaubte er, möchte es allenfalls gar keiner weiteren Instructions Einholung mehr bedürfen. 11. Freiherr von Gagern glaubte, man sollte nicht nur die von Meklenburg getroffene Verfügung nach Verdienst beloben, sondern im Allgemeinen dahin wirken, nicht daß sogleich alle Constitutionen auf einmal fertig zur Schau gestellt, sondern nur daß an dem Faden fleißig fortgesponnen werde. Er berief sich diesfalls auf seine Schriften21 und auf seine Worte, die er vor Europa gesprochen. Er glaubte, man sollte offen überall darstellen, was geschehe, wenn es auch noch nicht die nächste Vollendung zeigte. Nicht sowohl Zögern als Schweigen scheine ihm nachtheilig. 12. Herr von Hendrich glaubte die Motion um so mehr unterstützen zu mü20 Zu den kurhessischen Verfassungsverhandlungen 1815−1821 vgl. ausführlich Speitkamp, Restauration als Transformation, S. 124−339 u. 433−489; Seier (Hrsg.), Akten zur Entstehung und Bedeutung des kurhessischen Verfassungsentwurfs von 1815/16. 21 Die Position Gagerns ist am besten greifbar in der wenig später erschienenen Schrift: Ueber Deutschlands Zustand und Bundes-Verfassung. Stuttgart/Tübingen 1818, bes. Kap. VI: Innere Ruhe, der IIte und XIIIte Art. der Bundes-Acte, Verfassungen und ihre Elemente.

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ßen, als er von den Grosherzoglich und Herzoglich Sächsischen Häusern überzeugt wäre, daß sie hierin fast22 ganz gleiche Gesinnungen theilten, und die baldige allgemeine Ausführung wünschten. Weimar und Gotha23 habe bereits den 13t[en] Artikel in Vollzug gesezt: von Hildburghausen24 werde er es nächstens vorlegen, wahrscheinlich auch bald von Meiningen25, und in Coburg26 werde man mit den bisherigen Ständen über die neue Verfaßung übereinkommen. 13. Herr von Martens zeigte für Braunschweig an, daß der Entwurf der Verfaßung bereits nach London an den Prinzen Regenten abgeschickt worden sey. Für Nassau führte derselbe an, daß ungefähr dieselben Verhältniße und Hinderniße bestünden, wie sie wegen Baiern angeführt worden. Indeßen könne er erklären, daß wahrscheinlich schon im Laufe des nächsten Monats die bisherigen Landstände einberufen werden würden, um das Verfaßungsgeschäft mit denselben zu berathen.27 14. Freiherr von Plessen erläuterte noch seinen Antrag dahin, daß seine Absicht nicht gewesen sey, zu Abgebung der Erklärungen der Höfe einen Termin festzusezen, sondern er habe geglaubt, wenn die Instructionen eingekommen wären, sollte man einen Zeitpunkt zum Vortrage darüber bestimmen. Er wolle also nicht weiter darauf antragen, daß dermal gleich ein Termin festgesezt werde. Ueberhaupt sollte nur einmal ein ernstlicher Anfang mit dieser Angelegenheit gemacht werden, die allerdings noch nicht so schnell beendiget seyn könnte. Es wäre nur gut zu wißen, was zur Erfüllung des 13ten Artikels bereits geschehen, oder was allenfalls für Hinderniße obwalteten. In Wien habe man über allgemeine Grundsätze, die aufzustellen waren, nicht bloß gesprochen, sondern förmlich verhandelt28, und mehrere Höfe hätten solche durch ausdrückliche Erklärungen anerkannt. Bei näherer Erläuterung von Tractaten müsse man immer vor allem auf die vorausgegangenen Verhandlungen zu22 Emendiert. Vorlage: falls. 23 In Sachsen-Gotha bestand bis zum Aussterben des Hauses Sachsen-Gotha-Altenburg im Jahr 1825 mit der altständischen Städteordnung von 1653/66 noch eine Feudalverfassung, die auch nach der Vereinigung Gothas mit Sachsen-Coburg bis 1849 weiterbestand, da eine Ausdehnung der Coburger Verfassung von 1821 auf das Herzogtum Gotha am Gothaer Adel scheiterte. Vgl. Herntrich, Thüringen, S. 103. 24 Sachsen-Hildburghausen erhielt am 19. März 1818 eine Verfassung. Vgl. Herntrich, Thüringen, S. 77−82. 25 Sachsen-Meiningen erhielt am 4. September 1824 eine Verfassung. Vgl. Herntrich, Thüringen, S. 94–97. 26 Sachsen-Coburg-Saalfeld erhielt am 8. August 1821 eine Verfassung. Vgl. Dressel, Die Entwicklung von Verfassung und Verwaltung in Sachsen-Coburg, S. 352–474; Herntrich, Thüringen, S. 82–93. 27 Vgl. dazu auch Dok. 163. 28 Vgl. oben Anm. 15.

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rückkommen. Dieß hätte er wohl in seinem schriftlichen ­Antrage auch mit a­ nführen können, sich aber dessen bis jezt noch enthalten wollen. 15. Herr von Berg war mit dem Antrage gänzlich einverstanden; er äußerte, es sey sehr wünschenswerth und nach der Lage der Dinge ganz unvermeidlich, daß der 13t[e] Artikel einmal in Vollzug gesezt werde: man müsse sich über diese grosse Angelegenheiet mit Ernst und Nachdruck erklären: Die ­Sache müsse einmal wirksam zur Sprache gebracht werden; mit Zaudern sey nichts mehr zu gewinnen. Was übrigens seine Höfe betrifft, so seyen sie insgesamt damit beschäftiget, indeßen wären noch hier und da Schwierigkeiten zu bekämpfen, welche er zum Theil aufzählte, zum Theil aber nicht vorlegen zu können, angab, da sie zu sehr mit Familien- und individuellen Verhältnißen verknüpft wären. Graf von Buol nahm die Veranlaßung zu erinnern, daß wenn die Staaten, welche Herr von Berg repraesentirte, so grosse Schwierigkeiten zu überwinden wären, und man darin noch nicht weiter gekommen wäre, es wohl billig seyn dürfte, dem Kaiser von Oesterreich, dem König von Preußen, oder dem König von Baiern es nachzusehen, wenn sie allenfalls damit noch nicht ganz in das Reine gekommen wären. 16. Herr von Lepel29 als für die 16te Curie substituirt nahm die Sache lediglich ad referendum. 17. Syndicus Smidt erklärte sich für die freien Städte zu Gunsten des Antrags: indeßen seyen seine Committenten eigentlich bei der Frage nicht in dem Maaße wie die übrigen inter­eßirt.30 Nach den auf solche Art in vertraulicher Sizung statt gefundenen Diskußionen zog Graf von Buol vorläufig als Resultat der Mehrheit den Beschluß, daß a) der spezielle Gegenstand von Meklenburg zur Berichts Erstattung mit einer bestimmten Verlaßnahme, b) die allgemeine Frage aber lediglich zur Berichts Erstattung um Einholung von Instructionen ohne irgend einen Termin, ausgesezt werden sollte. Graf Buol schlug noch vor, ob man nicht sagen wollte, „zur allenfalsigen 29 Georg Ferdinand Freiherr von Lepel (1779–1873), kurhessischer Staatsmann, 1814/15 Zweiter Bevollmächtigter auf dem Wiener Kongreß, 1816 Gesandter in Wien und München, 1817–1823 Bundestagsgesandter in Frankfurt, 1836 Oberkammerherr, 1836–1839 Außen­ minister, 1840–1846 Staatsminister in Sachsen-Coburg und Gotha. Vgl. NDB, Bd. 14, S. 302–304; DBE, Bd. 6, S. 335; QGDB I/1, S. 384. 30 In den Freien Städten waren nach der Wiedererlangung der Eigenstaatlichkeit 1813/14 die altständisch-patrizischen Verfassungen wiederhergestellt worden. Die danach aufbrechenden Verfassungsdiskussionen führten lediglich in Frankfurt (Konstitutionsergänzungsakte vom 18. Oktober 1816) und Bremen zu signifikanten Veränderungen. Die vier Stadtregierungen sahen damit das Verfassungsgebot des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte erfüllt. Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 656; Roth, Die Herausbildung einer modernen bürgerlichen Gesellschaft, S. 244 ff.; Schulz, Vormundschaft und Protektion, S. 261 ff.

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Einholung von Instructione[n]“ wogegen aber die anderen Stimmen sich erklärten. Ich äußerte mich hiebei, ohne eine Erwiederung, daß wenn dies Wort auch nicht dabei stünde, es doch im Erfolg gleichgültig wäre; denn wenn etwa ein Hof fände, er brauche dem was von seinem Gesandten erklärt worden vor der Hand nichts mehr beizusezen, so werde man auf eine weitere ­Instruction nicht dringen wollen. Auf diese Art endigte sich diese lange fortgesezte, und manchmal etwas lebhafter gewordene Diskußion, mit deren Resultat im Ganzen E. K. M. wie ich mir schmeichle nicht unzufrieden seyn werden, wenn denn doch nicht verhindert werden konnte, daß dieser Gegenstand zur Sprache kam. Es wird sich nun zeigen, was hievon in die nächste förmliche Sizung übergetragen werden wird31, worüber ich schleunigen Bericht alleruntertänigst zu erstatten nicht säumen werde. In allertiefster Ehrfurcht ersterbend etc. Aretin

153. Plessen an Großherzog Friedrich Franz von MecklenburgSchwerin

LHA Schwerin, 2,21-1: Geheimes Staatsministerium Schwerin, Nr. A 14, fol. 142–142’ und 147– 147’. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: Schwerin, 26. Dezember 1817.

Um revolutionäre Bestrebungen auf den Weg der Ordnung zu bringen, habe er anläßlich der Vorlage der mecklenburgischen Verordnung über die Regelung von Streitigkeiten zwischen Landesherrn und Ständen in der vertraulichen Sitzung der Bundesversammlung vom 18. Dezember 1817 einen Antrag auf Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte eingebracht, den er in der nächsten förmlichen Sitzung am 22. Dezember 1817 zu Protokoll geben werde.

No 68. Mit Beilage A.



Frankfurt am Main, 20. Dezember 1817

Allerdurchlauchtigster Großherzog, Allergnädigster Herr. Schon in mehrern meiner letzten Berichte habe ich die Wichtigkeit und selbst die Nothwendigkeit für den Bundestag gezeigt einen entscheidenden öffentli31 In das Protokoll der 58. Sitzung vom 22. Dezember 1817 wurden nur der Antrag auf Übernahme der Garantie der mecklenburgischen Patentverordnung vom 28. November 1817 durch den Deutschen Bund, die Motion Plessens wegen Erfüllung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte sowie der Beschluß des Bundestags auf Verlaßnahme innerhalb von sechs Wochen bezüglich der mecklenburgischen Verfassungsverordnung sowie auf Instruktionseinholung bezüglich der Motion Plessens aufgenommen. Vgl. ProtDBV 1817, § 416, S. 851−854.

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chen Schritt zu thun, um auf der einen Seite sich beschäftigt mit denjenigen Gegenständen zu erweisen, welche die allgemeine Aufmerksamkeit gegenwärtig auf sich ziehen, wie auch auf der andern die revolutionairen Strebungen welche immer mehr überhand nehmen und laut zu werden drohen, auf den Weg der Ordnung zurückzuführen, indem man mit Sicherheit das Rechte zu finden und freiwillig zu ertheilen weiß. Aus Pflicht und Ueberzeugung wünschte ich daß von dem hiesigen Standpunkt aus gehandelt und dazu die Erfüllung des 13ten Art. der Bundes-Acte1 wegen Einführung Landständischer Verfassungen in allen Bundes-Staaten in Anregung gebracht werden mögte. Nachdem der Oesterreichische Gesandte Graf Buol zu verschiedenen Malen erklärt: wie er dazu nicht den Antrag machen könne, jedoch Oesterreichischer Seits kein Bedenken dabei habe und nicht hindern wolle daß ­solches von andern geschehe, auch der Preussische Gesandte Graf Goltz mir geäussert: daß er einen solchen Antrag weder aufhalten könne noch wolle, und nach Berlin schon längst so berichtet habe; so glaubte ich keinen längern Anstand nehmen zu dürfen einen Antrag dieser Art mit aller möglichen Schonung und Rücksicht in Wort und Inhalt vorzulegen, als sich mir die passende und günstige Veranlassung darbot, daß ich das merkwürdige Verfassungs-Gesetz, welches die beiden Großherzoglichen Höfe in Betref der Streitigkeiten zwischen den Landesherrn und den Ständen neuerdings publicirt haben, bei dem Bundestag einzureichen und, so weit es bestimmt, dessen Garantie nachzusuchen hatte. Die Art und Weise wie ich solches durch einen Vortrag in der vorgestrigen Sitzung2 gethan, geruhen Ew. Königlichen Hoheit aus dem Anschluß Lit. A.3 allergnädigst zu ersehen. Ich habe darin dieses organische Staats-Gesetz mit einigen Ansichten und Erläuterungen begleitet, wie ich es sowohl für dorten wie für hier anwendlich gehalten, und um auch die Vortheile welche in der Verfassung selbst für die Landesherrliche Gewalt daraus hervorgehen und manche ständische Widersprüche leichter beseitigen, allgemein bemerklich zu machen. Mit dem besondern Antrag der betreffenden Garantie dieses organischen Staats-Gesetzes habe ich dann den andern allgemeinen Antrag wegen Erfüllung des 13ten Art. in einer solchen Verbindung zu setzen gesucht, um zu zeigen, wie der Bundes-Tag nach seinen bisherigen Verhandlungen und den Beschlüssen die er über andere damit in Beziehung stehende Artikel genommen, es nicht länger unterlassen könne auch von dem Art. 13 eine angemessene Kenntniß zu nehmen. Ich wünsche daß diese doppelten Anträge so ent1 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513. 2 Vgl. ProtDBV 1817, 57. Sitzung vom 18. Dezember 1817, S. 849 (vertrauliche Sitzung). 3 Vgl. LHA Schwerin, 2,21-1: Geheimes Staatsministerium Schwerin, Nr. A  14, fol. 143–145’ (Reinschrift).

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Plessen an Großherzog Friedrich Franz von Mecklenburg-Schwerin

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wickelt seyn mögen, um die Zufriedenheit und den Beifall Ew. Königlichen Hoheit zu erhalten. Einiges Aufsehen wird die Sache wohl machen, und ich habe auch mit manchem Widerstand4 und vieler Aengstlichkeit von mehrern Bundes-Gesandten zu kämpfen gehabt; es kann auch seyn, daß einige Höfe es nicht gerne sehen werden. Indessen kann es auf die Gunst oder auf das Wohlbehagen einzelner Höfe, die vielleicht selbst noch ihr eigenes Interesse verkennen, nicht weiter ankommen, sobald Pflicht und Ehre der Versammlung, von welcher man Mitglied ist, noch zu rechter Zeit zu sprechen gebieten. Ueberdem wußte man mit Gewißheit daß von einigen, insonderheit südteutschen, Höfen ohne einen solchen Impuls nichts geschehen und die Anführung von Schwierigkeiten nur dazu dienen sollte, um die Verbindlichkeit unbestimmt hinauszusetzen. Instructionen dieser Art, die ich gesehen, sind noch vor etlichen Tagen von Bayern eingegangen. – Ich habe mich wenigstens bemühet den Antrag auch mit äusserster Vorsicht und in den abgemessensten Ausdrücken zu machen, und nicht gleich zu weit vorzuschreiten, sondern nur einen Anfang zu machen von dem sich die Folgen erwarten lassen. Sonst würde ich in unsern Verhandlungen selbst und in den frühern Präsidial-Anträgen noch Mittel gefunden haben ein mehreres zu verlangen. Hierüber habe ich nur mündlich in der vertraulichen Sitzung vorgestern allerlei noch nachgetragen. Nach einer Debatte von ein paar Stunden ist darauf mein gesammter Antrag durchgegangen, um auch über die Erfüllung des 13ten Art. von den Höfen Instructionen einzuholen. Ich werde nun in der nächsten förmlichen Sitzung am 22ten dieses, der letzten vor den Feiertagen, meinen Antrag ordentlich zu Protocoll geben5, und es werden dann auch die übrigen Abstimmungen, welche die andern Gesandten hierüber vorläufig ins Protocoll noch zu legen für gut finden, abgegeben werden. Indessen will ich diese Meinungen die mir aus den vorgestrigen Erörterungen schon bekannt sind, hier nicht anticipiren, sondern erwarten, wie sie zu Protocoll kommen und eingereicht werden. Ew. Königlichen Hoheit habe ich nur von diesem Vorgang sogleich die schuldigste Anzeige mit heutiger Post zu erstatten nicht verfehlen wollen, und behalte mir vor, von den übrigen Gegenständen mit nächsten weiter zu berichten. In tiefster Ehrerbietung beharrend Ew. Königlichen Hoheit

4 Vgl. Dok. 152 5 Vgl. Dok. 154.

allerunterthänigster L. H. Plessen

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154. Plessens Antrag auf Übernahme der Garantie der mecklenburgischen Patentverordnung vom 28. November 1817 durch den Deutschen Bund und auf Erfüllung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte

ProtDBV 1817, 58. Sitzung vom 22. Dezember 1817, § 416, S. 851–854. Antrag. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 4/1, 1817, S. 107−111.

Antrag Plessens auf Übernahme der Garantie der mecklenburgischen Patentverordnung vom 28. November 1817 über die Mittel und Wege, um bei streitigen Fällen in Angelegenheiten, welche die Landesverfassung betreffen, zur rechtlichen Entscheidung zu kommen, durch den Deutschen Bund. Die Großherzöge von MecklenburgSchwerin und Mecklenburg-Strelitz haben damit Artikel 13 der Deutschen Bundesakte vollständig erfüllt. Sodann wird der Wunsch geäußert, daß die Bundestagsgesandten die Bundesversammlung über den Stand der Erfüllung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte in ihren Staaten in Kenntnis setzen und der Bundestag die Einholung diebezüglicher Instruktionen beschließen möge.

Frankfurt am Main, 22. Dezember 1817 Die Großherzoge von Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz haben nach gehaltener Berathung und Verhandlung mit Ihren Ständen eine gleichlautende landesherrliche Verordnung erlassen, um die angemessenen Mittel und Wege zu bestimmen, wie die Streitigkeiten, welche zwischen dem Landesherrn und den Ständen über die Verfassung, die Grundgesetze, deren Anwendung, so wie überhaupt bei der Ausübung der landesherrlichen Gewalt entstehen möchten, auf einer dem Sinn und den Grundsätzen der Verfassung gemäßen Weise, künftig zur Ausgleichung oder Entscheidung gebracht werden sollen. Es ist dieses gewiß eine der wichtigsten staatsrechtlichen Fragen, deren allerdings schwierige Auflösung zwar von manchen individuellen Beschaffenheiten und Eigenthümlichkeiten der einzelnen Staaten abhängt und bedingt wird, wofür jedoch immer in jeglicher Verfassung selbst eine Fürsorge und Vorkehr erforderlich scheint, wenn auf der einen Seite die Verfassung in ihren Grundgesetzen und nach den Gerechtsamen aller Theile gehörig und bleibend sicher gestellet, und auf der andern auch der wesentliche Sinn und Geist derselben bei den verschiedenen Veränderungen und Gestaltungen aufrecht erhalten werden sollen, welche Fortgang, Entwickelung und schon die bloße Zeit allmählich herbeiführen müssen; eben um das Princip der Freiheit und des Rechts ferner darin walten zu lassen. Mit so lobenswerthem Eifer und strenger Unparteilichkeit auch die vormaligen Reichsgerichte, mehrere Zeitalter hindurch, den besondern Verfassungen zum Schutz und Schirm gedienet haben; so läßt sich doch nicht verkennen, daß wenn sie dabei nur auf dem Wege des förmlichen Prozesses, einzelne Streitpuncte, durch Rechtserkenntnisse zu beseitigen vermochten, die Auf­

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gabe nicht jedesmal nach dem Geist der Verfassung im Ganzen gelöset werden, sondern nur der Bestand derselben in Einzelheiten, nach dem Buchstaben eines vorliegenden Gesetzes oder Vertrages, festgehalten werden durfte. Es lag dieses unvermeidlich in der civilrechtlichen Form eines eigentlichen und einzelnen Prozesses. Daher denn auch die so häufigen als langwierigen Prozesse, welche auf die staatsrechtlichen Verhältnisse zwischen Landesherrn und Ständen im Allgemeinen oft nachtheilig gewirkt haben. Weniger aber noch, wie vormals die Reichsgerichte, werden die obersten civilrechtlichen Instanzen in den Staaten selbst geeignet seyn, die Streitigkeiten über die Verfassung und über die Ausübung der landesherrlichen Gewalt, auf eine geeignete Art, im Gange des Prozesses und durch ihre Rechtserkenntnisse zu beseitigen. In einzelnen Fällen mag freilich sehr zweckmäßig und mit gutem Erfolg auf sie von beiden Theilen compromittirt werden. Sollten sie aber gesetzet seyn, über die Handlungen der Regenten als solche zu richten, oder die Einwendungen zu beurtheilen und zu entscheiden, die staatsrechtlich dagegen erhoben werden; so würde in der That nur ein höheres Regiment noch in die Hände jener obersten Gerichte gelegt, welches ihnen doch eben so wenig übergeben als auf ihrem Standpunct richtig geführt werden kann. Staatsrechtliche Gegenstände werden daher am zweckmäsigsten durch die Mittel erlediget, welche jede Verfassung in sich selbst darbieten muß. Schon die freie Erörterung richtig gestellter Aufgaben und die vorzuschlagenden Abhülfen eintretender Erfordernisse, werden in den meisten Fällen zu einer genügenden Ausgleichung führen. Zur sichernden Erhaltung der Verfassungen bedarf es nur eines solchen Stützpunctes, der bei wirklich entstandener Streitigkeit, in einer endlichen Bestimmung, dem bestehenden Rechte Schutz und Gewähr darbietet. Allein die Mittel dazu sollen so beschaffen seyn, daß sie die Entwickelung der Verfassung im Ganzen befördern und durch zeit­ gemäße Richtung stets das thätige Leben in derselben erhalten; so, daß die neuen Gesetze nur den vorhandenen Zustand bezeichnen, und die nothwendigen Veränderungen allmählich herbeigeführet, nicht aber durch zu ängstliches Festhalten an Formen verhindert werden. Durch die vorliegende Verordnung haben Ihro Königliche Hoheiten die Großherzoge von Mecklenburg die bestehende, im Drange der Zeitumstände und in langer Erfahrung bewährte Verfassung ihrer Lande durch einen neuen zeitgemäßen Stützpunct bekräftiget; Sie haben dieselbe vorher mit Ihren Ständen genugsam berathen, und darauf landesherrlich verfügt. Die darin aufgestellten Mittel und Wege können nicht fehlen, jenen doppelten Zweck zu erreichen: eine Verschiedenheit in den staatsrechtlichen Ansichten so auszugleichen oder zu entscheiden, wie es sowohl den bestehenden Rechten und Eigenthümlichkeiten als dem Geist der Verfassung gemäß ist; wie zugleich die Sicherung und die fortgehende Ausbildung derselben andeutend erhei-

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schen wird, ohne durch prozessualische Formen und Weiterungen in dieser lebendigen Bewegung aufgehalten zu seyn. Die landesherrliche Macht wird in ihrer nöthigen Ausübung und Behauptung durch einen bloßen Widerspruch oder eine Verweigerung ständischer Seits nicht gestöhrt oder gehindert werden können, so daß der Landesherr nicht in dem Fall sich befindet, klagbar wegen Ungehorsam gegen seine Stände aufzutreten. Wohl aber ist dafür gesorgt, daß den Ständen die Wege bestimmt werden: um ihre Anträge und Beschwerden gegen die Ausübung der landesherrlichen Gewalt zur unparteiischen Erörterung und Erledigung vorzubringen, und solche in gewissen Fällen eines Recurses, zuletzt noch an den Bundestag gelangen zu lassen. Nachdem ich mir nun diese wenigen Erläuterungen über das betreffende Staatsgesetz erlaubt habe, so entledige ich mich des mir gewordenen ausdrücklichen Auftrages meiner beiden höchsten Höfe: indem ich dasselbe hier in vidimirter1 Abschrift übergebe, zur Kenntniß der hohen Bundesversammlung bringe, und in die Archive des Bundes niederlege, mit dem2 bestimmten Antrage: daß der deutsche Bund durch die Bundesversammlung den Inhalt dieses organischen Staatsgesetzes dahin garantiren möge, um alle Bestimmungen desselben, in welchen auf den Bundestag Bezug genommen worden ist, jederzeit aufrecht erhalten zu wollen. Zu welchem Ende ich die verehrlichen Gesandtschaften ersuche, in einer anzusetzenden Verlaßzeit die Instructionen ihrer höchsten Höfe und Committenten gefälligst einzuholen. Wenn jedoch solchergestalt von Seiten der beiden Großherzoge von Mecklenburg nicht nur, in Folge vorausgegangener Erklärungen über die Beachtung des 12. Art. der Bundesacte wegen der obersten Instanzen in den einzelnen Bundesstaaten3, der hohen Bundesversammlung genügende Auskunft ertheilet, sondern durch den gegenwärtigen Schritt auch der gewiß für alle so wichtige Art. 13 der Bundesacte, daß in allen Bundesstaaten eine landständische Verfassung statt finden soll4, zur vollständigen Erfüllung gebracht ist; so bietet sich mir die natürliche Veranlassung dar, diesen Gegenstand auch im Allgemeinen wiederum in Anregung zu bringen, nachdem bereits das durch einen Beschluß in der 17. dießjährigen Sitzung überhaupt genehmigte CommissionsGutachten über die Reihefolge der Geschäfte, in seiner allgemeinen Zusammenstellung der Vorschriften, welche uns durch die Bundesacte aufgegeben sind, diejenigen Gegenstände in einer Classe bemerkt hat, „worüber eine entschiedene Disposition in jener Acte bereits vorliegt; so daß die Bundesver1 Vidimieren: beglaubigen. 2 Emendiert. Vorlage: den. 3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513. 4 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513.

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Berg an Herzog Peter Friedrich Ludwig von Holstein-Oldenburg

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sammlung sich nur damit zu beschäftigen haben würde, in wie fern und wie bald solche Einrichtungen, wozu man durch die Bundesacte sich schon grundgesetzlich verstanden hat, allgemein in allen Bundesstaaten zur wirklichen Ausführung zu bringen seyn werden.“5 In dem Commissions-Gutachten ist, auch nach Anleitung des ersten Präsidial-Vortrags6, die Vollziehung der Art. 12, 13 und 14 hierunter gleichmäsig gezählt. Und in dem Beschluß der 34. dießjährigen Sitzung wegen der Competenz heißt es: „die Bundesversammlung ist berufen, darauf zu achten, daß die in der Bundes­acte Art. 12, 13, 14 etc. den einzelnen Staaten zur Ausführung vorgeschriebenen öffentlichen Verhältnisse in Erfüllung gebracht werden.“7 Für den ersten und letzten ist bereits eine leitende Vorkehr getroffen; für den in der Mitte und in mannigfacher Beziehung mit ihnen stehenden 13. Artikel wird also der Bedacht, den die Bundesversammlung auf dessen gleichmäsige Erfüllung zu nehmen beabsichtigt hat, nur noch weiter auszusprechen seyn, um die prüfenden Vorbereitungen, welche inzwischen in mehrern Bundesstaaten zur neuen Gründung oder Vervollständigung ihrer landständischen Verfassungen gemacht worden, durch einen baldigen Anfang verwirklicht, allenfalls durch gemeinsame Rücksprache befördert zu sehen. In dieser Hinsicht darf ich bei der gegebenen Veranlassung zur Zeit nur den dringenden Wunsch Ihro Königlichen Hoheiten vortragen: daß es den verehrlichen Gesandtschaften gefällig seyn möge, in der Art, wie solches wegen des 12. Art. schon mehrfältig geschehen, und wegen des 14. Art. beschlossen worden, ebenfalls über die Erfüllung des Art. 13 sich erklären und die Bundesversammlung in Kenntniß setzen, auch die Einholung angemessener Instructionen dieserhalb beschließen zu wollen.

155. Berg an Herzog Peter Friedrich Ludwig von HolsteinOldenburg

StA Oldenburg, Best. 31−AB, Nr. B 4. Bericht. Behändigte Ausfertigung.

Der mecklenburgische Antrag wegen Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte hat Bewegung in die landständische Angelegenheit gebracht. Während Österreich und Bayern Bedenken haben, diesen Gegenstand in gemeinsame Beratung zu nehmen, sei in der Bevölkerung schon Bewegung in die Sache gekommen. Historischer Überblick über die Entstehungsgeschichte des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte vom Untergang des Heiligen Römischen Reichs bis zum Wiener Kongreß. Bayern und Österreich als Befürworter einer möglichst allgemeinen Fassung des Ar5 Vgl. Dok. 114, S. 498. 6 Vgl. Dok. 100. 7 Vgl. Dok. 121, S. 567.

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tikels 13, da beide Regierungen sich durch repräsentative Verfassungen nicht noch mehr binden wollen. Unbedenklichkeit des Plessen’schen Antrags. Die Entwicklung von Grundsätzen im Bundestag ist geeignet, das Publikum von unrichtigen Urteilen und unmäßigen Forderungen abzubringen. Vorschläge für aufzustellende Grundsätze: alles, was die landständischen Verfassungen betrifft, muß von den Regenten ausgehen; in Bundesstaaten, wo die rechtmäßige Regierung fortbesteht, wäre ein neuer Verfassungsvertrag ein Unding; in der Einführung der Verfassung und im Grundvertrag des Deutschen Bundes liegt alle nötige Garantie; die konstituierten Stände können allezeit Verbesserungsvorschläge auch im Hinblick auf die Verfassung unterbreiten. Eine Staatsverfassung beruht nicht bloß auf der Existenz von Landständen, diese sind vielmehr berufen, die Verfassung zu bewachen und dabei gewisse Rechte aus­ zuüben. Unproblematisch sind eine Mitwirkung der Stände an der Gesetzgebung und der Besteuerung sowie das Petitionsrecht, eine Mitwirkung an der Verwaltung steht ihnen jedoch nicht zu. Befürwortet eine Bundesgarantie für die mecklenburgische Patentverordnung. Buols Ängstlichkeit hat dazu geführt, daß man sich mit Äußerungen zur Sache zurückgehalten hat.

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Durchlauchtigster Herzog, gnädigster Herzog und Herr! Die öffentliche Berührung der Landständischen Verfassung, welche das unterthänigst angefügte Protocoll enthält1, hat viele Bewegungen veranlaßt. Vielleicht hätte man diesen Gegenstand, wie jeden andern behandlen, und die Wichtigkeit, die er ohnehin schon hat, durch eine − fast schüchterne Behandlung nicht vermehren sollen. Ich habe bereits unterthänigst bemerkt, daß der Wiener und der Münchner Hof vorzüglich Bedenken trugen, ihn in gemeinsame Berathung zu nehmen, der eine − weil er sein System ungestört zu vollenden wünscht, wozu nur noch eine Constitution für Salzburg2 nach Art der ­Tirolischen3 fehlt, der andere, weil er mit den Mediatisirten allein leichter ­einig zu werden hofft, beide − weil ihnen Feststellung allgemeiner Grund­ 1 Vgl. ProtDBV 1817, 58. Sitzung vom 22. Dezember 1817, § 416, S. 851–854. 2 Nach dem Wiedererwerb Salzburgs durch Österreich 1816 wurde zwar eine neuerliche Einrichtung der Salzburger Landstände ins Auge gefaßt, doch wurde erwogen, die Salzburger Landstände mit denen des Landes Österreich ob der Enns, mit dem Salzburg eine gemeinsame Landesregierung hatte, zu vereinigen. In der Folge kam es nur zur Versammlung eines Landschaftsausschusses am 18. April 1827, der sich zwar einhellig für eigene Salzburger Landstände aussprach. Da die Angelegenheit aber von der Landesregierung verschleppt wurde, erhielt Salzburg erst am 6. April 1861 einen ständisch zusammengesetzten Landtag. Vgl. Dopsch/ Spatzenegger (Hrsg.), Geschichte Salzburgs. Stadt und Land, Bd. 2/2, S. 671 u. 721. 3 Vgl. Herstellung der ständischen Verfassung in Tirol, Wien, 24. März 1816, in: Dippel (Hrsg.), Verfassungen der Welt vom späten 18. Jahrhundert bis Mitte des 19. Jahrhunderts, Bd. 2, S. 215−221.

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sätze in Beziehung auf die Rechte der Landstände unangenehm wäre, welche sie jedoch als das letzte Resultat gemeinsamer Erörterungen erwarten zu müssen glauben. Die Sache war indeßen schon seit einiger Zeit durch die Bewegung unter dem Volke so weit gediehen, daß es meiner Ueberzeugung nach, gewiß gut ist, sie jezt in Anregung gebracht zu haben. Die Bundesversammlung hat es in ihrer Hand, sie, wie es seyn muß, mit Ernst, Festigkeit und Vorsicht zu behandlen, und dadurch die unrichtigen Urtheile und ungeziemenden Anmaßungen zu berichtigen, die immer mehr zunehmen würden, wenn man fortführe, darüber zurückhaltend zu seyn. Um diese Ansicht zu rechtfertigen, muß ich mir die Erlaubniß unterthänigst erbitten, eines Theils auf die Veranlassung zurückzugehen, welche dem 13[te]n Art. in der Bundesacte einen Platz verschafte, und andern Theils die Art, wie ich glaube, daß dieser Gegenstand in der Bundesversammlung zu behandeln wäre, höchste Prüfung ehrerbietigst zu unterwerfen. Wenn durch die französische Revolution wenigstens das Spiel mit constitutionellen Formen in einem Theile Deutschlands herbeigeführt wurde; so giengen dagegen alte Verfassungen in der Souveränität, die der Rheinbund stiftete, unter, während eine ganz nach der französischen geformte repräsentative Verfassung in zwei neu geschaffenen Staaten4 gleichsam als Vorbild aufgestellt wurde. Es ist nicht zu läugnen, daß durch alles dieses und selbst durch die so häufig wechselnden Ereignisse in Frankreich, in einem großen Theile Deutschlands ein politischer Geist gewekt wurde, den der unvermeidliche Druk der Zeiten zu einem fast allgemeinen Streben nach Verfassung und Volksvertretung, die man als Heil- und Schutzmittel betrachtet, ausbildete. Nur − wo eine weise und feste Regierung auch eine milde bleiben konnte, fand dieser Geist keine Nahrung und das Volk bewegte sich in gewohnter ­Zufriedenheit, die allgemeine[n] Leiden mit Geduld ertragend. Erst aber in Preussen wurde der Gedanke lebendig, durch eine freye repräsentative Ver4 Gemeint sind die napoleonischen Satellitenstaaten Westfalen und Berg. Im Großherzogtum Berg wurde am 15. März 1812 ein organisches Statut erlassen, das die Errichtung eines Staatsrats und einer Repräsentation des Landes auf der Basis eines Zensuswahlrechts vorsah. Es regelte nur Teilbereiche und konnte eine Verfassung nicht ersetzen, außerdem geriet die Umsetzung des Statuts ins Stocken. Vgl. Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 3, S. 45−47 u. Dok. 533, S. 562−573; Severin-Barboutie, Französische Herrschaftspolitik und Modernisierung, S. 255−276; Schmidt, Das Großherzogtum Berg 1806−1813, S. 88−95. − Im Königreich Westfalen wurde bereits am 15. November 1807 eine Verfassung nach französischem Vorbild erlassen. Da die Reichsstände des Königreichs, in denen der grundbesitzende Adel dominierte, die Reformpolitik der Regierung vielfach blockierten, wurden diese nach 1810 nicht mehr einberufen und die verfassungsmäßigen Organe von der Regierung vielfach umgangen. Vgl. Rob (Bearb.), Regierungsakten des Königreichs Westphalen 1807−1813, S. 41−57; Grothe, Model or Myth? The Constitution of Westphalia of 1807 and Early German Constitutionalism.

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fassung, Regierung und Volk aufs innigste zu verbinden, und indem man dieses zu den höchsten Opfern für das Vaterland aufforderte, zeigte man ihm in der Form, nach der siegreichen Rükkehr aus den zu bestehenden Gefahren einen Zustand, wo die Staatsform selbst jedes künftige Opfer nur von seiner freyen Einwilligung abhängig machen sollte. Bei solchen Versprechungen, die zum Theil Nachahmung fanden, war es natürlich, daß die allgemein verkündete Befreiung Deutschlands von sehr Vielen als gleichbedeutend mit der Einführung constitutioneller Regierungen angenommen wurde. Wie nun, nach dem endlich errungenen Siege der gerechten Sache, die Wiederherstellung des Reichs, in welchem Schutz gegen Willkühr gesetzlich gegründet war, und dessen Verfassung allerdings wesentliche Verbesserungen hätte erhalten müßen, nicht angemessen oder ausführbar, und eben so wenig die weitere Unterdrükung kleinerer Staaten, und die Bildung größerer Massen, möglich befunden wurde, auch selbst ein engerer Verband und eine gewisse Unterordnung der Mindermächtigen, unter die Mächtigern welche die in Vorschlag gebrachte Kreisverfassung bezweckte, nicht durchgesezt werden konnte; so fühlte man doch, daß an die Stelle des Schutzes, den die deutschen Unterthanen sonst durch die Reichsgesetze, bei den Reichsgerichten finden konnten, in dem zu errichtenden Staatenbunde irgend ein Ersatz treten müsse, und, da man diesen in einer höhern Autorität der Gesammtheit zu suchen Bedenken trug; so glaubte man ihn auf eine der Unabhängigkeit der Bundesstaaten am meisten angemessene Art, in geordneten, von Landständen bewachten, von dem Bunde garantirten Verfassungen zu finden. In allen Entwürfen eines Bundesvertrags wurde daher die allgemeine Einführung Landständischer Verfassungen als eine vorzügliche Bedingung aufgeführt. Bei weitem die meisten dieser Entwürfe rührten von Preussen her, und in denselben waren die Rechte der Landstände im allgemeinen so ausgesprochen, daß, was man ein Minimum nannte, schwerlich bedeutende Zusätze verstattete, wollte man Landstände nicht zu Mit-Regenten erheben. Der bekannte Gang der Wiener Verhandlungen konnte wohl gegen solche Liberalität einigen Verdacht erregen, und, wenn die Gesandten der deutschen Fürsten hören mußten, wie die große Politick das Bestehen kleiner Staaten verwerfe, die gegen äußere Gewalt und innere Despotie gleich wenig Sicherheit hätten, so mochten sie mit Recht glauben, daß ein öffentlicher Schritt, eine förmliche Erklärung für einen festen Verein und für Entfernung aller Willkühr so eigennützigen Tadel begegnen würde. Auf diese Weise entstand die Note vom 16ten November 18145, welche − fast für alle jetzige Bundesglieder − zuförderst die vollste Bereitwilligkeit zur Einführung landständischer Verfassung förmlich erklärte, 5 Vgl. QGDB I/1, Dok. 128, S. 778−781

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und wenn dieser Schritt bey den damahligen zusammentreffenden Umständen, besonders aber bey den späteren Ereignissen nicht nothwendig gewesen seyn sollte; so hielten ihn doch alle Gesandte dafür, da sie jene − vorzüglich den Zerfall des Comité der Fünf6 − noch nicht wußten, diese aber nicht voraussehen konnten. Gewiß ist es auch, daß er auf alle Fälle seine nützlichen Dienste gethan hat, wäre es auch nur durch den Beweis, daß die gerechte Sache der Mindermächtigen das Licht nicht scheue, und die Macht nicht, die gegen sie verbunden zu seyn schien. Zu läugnen ist jedoch nicht, daß die Erklärung über die Rechte der Landstände etwas vorsichtiger hätte gefaßt werden können, allein eines Theils wollte man sich durch die Großen nicht überbieten lassen, andern Theils hielt man sich durch die Clausel, daß jedem Staat die Einrichtung der landständischen Verfassung nach dem Volkscharakter, den Localitäten und dem Herkommen überlassen bleibe, hinreichend gedekt. Wie es indessen bey der Errichtung des Bundes zum Abstimmen kam, hatten sich die Großen besonnen, und selbst Preussen betrieb die Aufstellung eines gewissen Maasstabes für die landständischen Rechte keinesweges mit Eifer. Jene Clausel mußte den Grund für die einfache Abfassung des 13. Art. hergeben. Baiern, in seiner wahren, politischen Gestalt, weit weniger, als andere, bey der Sache interessirt, hatte den lautesten Widerspruch geführt. Eigentlich aber war es Oesterreich, welches recht ernsthaft wollte, daß der Satz von den Landständen in der Bundesacte so allgemein als möglich gehalten werde. Ausser Ungarn hat es keine andere Landstände als solche, die, wenn sie gefragt werden, ihren Rath zu geben, und ausserdem die Steuern zu vertheilen und ihren Eingang in die Staatscassen zu befördern haben. In diesem Geiste ist die neue Tirolische und die Lombardisch-Venetianische Verfassung7 eingerichtet. Wie konnte die oesterreichische Regierung auf ein Maximum oder Minimum landständischer Rechte sich einlassen? Späterhin fand man auch in Preussen die Sache weit schwieriger, als der8 Enthusiasmus des Wiedererhebens der Monarchie sie gefunden hatte. Jede Regierung, die durch eine repräsentative Verfassung gehemmt wird, muß freylich wünschen, daß die benachbarten Staaten auf eine ähnliche Weise constituirt seyn, weil dieses allerdings ein wichtiger Punct für das politische Gleichgewicht ist, und so haben Frankreich und England die constitutionellen Umtriebe in 6 Die Verhandlungen des sogenannten Deutschen Komitees endeten ergebnislos mit der Sitzung vom 16. November 1814. Vgl. QGDB I/1, Kap. III.2. 7 Die Verfassung des Königreichs Lombardo-Venetien vom 14. Mai 1815 schuf Provinzialstände für die beiden Teilprovinzen, in denen, entgegen dem Wortlaut des Verfassungstextes, fast ausschließlich adelige Grundbesitzer saßen. Vgl. Pölitz, Die europäischen Verfassungen seit dem Jahre 1789 bis auf die neueste Zeit, Bd. 2, S. 394−399 (Verfassungstext, dt. Übers.); ­Dipper, Deutscher und italienischer Adelsliberalismus im Vergleich, S. 67−93, hier S. 73. 8 Emendiert. Vorlage: den.

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Deutschland gewiß nie ungern gesehen. Rußland hat sie bekanntlich mit Eifer begünstigt, sich selbst von ähnlichen Versuchen frey haltend. Wenn aber Staaten, die eine Hauptrolle im europäischen System behaupten wollen, ohnehin schon ihre eigenthümlichen Hemmungen haben, wie Oesterreich und Preussen in der Art ihrer Zusammensetzung und Leztes noch dazu in seinem Mangel an geographischem Zusammenhang; so ist es natürlich, daß sie sich durch eine repräsentative Verfassung nicht noch mehr binden wollen, als gerade nöthig ist. Diese Rüksichten finden bei den rein-deutschen Staaten nicht Statt, und es ist nur erforderlich, daß ihre Regierungen ihren ursprünglichen Character und ihre gehörige Stellung gegen die Unterthanen mit Ernst und Würde behaupten. Aber auch hier zeigt sich, daß die sonst so nützliche Verbindung mit jenen europäischen Mächten die freye innere Entwikelung unserer Verfassung wenigstens erschwert. Dieses darf jedoch, wie mir däucht, nicht so weit führen, daß man den Anschein auf sich lade, die öffentliche Berührung eines Gegenstandes zu scheuen, mit welchem man, unter Deutschlands allgemeinem Beyfall zuerst öffentlich und förmlich hervorgetreten ist, vielmehr scheint mir in dem ganzen Gange, welchen diese Sache genommen hat, ein Antrieb zu liegen, öffentlich und gemeinsam dafür zu handeln, ohne deshalb die Rücksicht auf die eigenthümliche Lage der großen Bundesstaaten oder den Gesichtspunct aus dem Auge zu verlieren, aus welchem, wie ich gleich anfangs bemerkte, die Sache bei der Bundesversammlung zu behandeln wäre. Aus den im Publicum vollständig bekannten Wiener Verhandlungen9 geht hervor, daß von verschiedenen Seiten her, die Feststellung gewisser landständischer Rechte, und selbst die Bestimmung eines Termins zur Einführung landständischer Verfassungen in allen deutschen Staaten verlangt worden war. Die Mehrheit wollte sich darauf; und besonders auf den lezten Vorschlag − mit Recht − nicht einlassen; aber gewis hatte Niemand die Absicht, dadurch Zeit in’s Unendliche zu gewinnen. Wenn nun, wie schon mehrmahls anerkannt worden ist, die Erfüllung des 13. Art. der Bundesacte zu den Angelegenheiten des Bundes gehört; so dürfte gerade in der Unbestimmtheit des Termins die Aufforderung liegen, die Einführung landständischer Verfassungen in den Bundesstaaten zu einem stehenden Artikel in der Geschäftsordnung der Bundesversammlung nicht nur, wie schon geschehen ist, zu machen, sondern nur als solchen wirklich zu behandeln. Es scheint mir zuvörderst keiner Bedenklichkeit unterworfen zu seyn, daß die Bundesglieder sich bereit willig erklären, einander von den Fortschritten der Bearbeitung dieses Gegenstandes in ihren Staaten − es sei durch vertrauliche, oder öffentliche Mittheilungen − bey der Bundesversammlung in Kenntniß zu setzen. Es möchte überdieß leichter, und vielleicht selbst anständiger 9 Vgl. Klüber, Acten des Wiener Congresses in den Jahren 1814 und 1815, Bd. 1−9.

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seyn, in den Protocollen dieser Versammlung Grundsätze zu entwikeln und niederzulegen, welche geeignet sind, die Urtheile des Publicums zu berichtigen und Anmaßungen in ihrem Entstehen zu unterdrücken, welche bey sich zu bekämpfen, manche Regierung eben so unangenehm als beschwerlich werden könnte. So weit sind bereits − und wohl nicht durch die Wohlthat der Zeit − die Sachen gekommen, daß nicht mehr von Sicherstellung mäßiger Hoffnungen, sondern von der Abhaltung unmäßiger Forderungen die Rede ist. Meiner geringen Einsicht nach würde zuvörderst der Grundsatz festzu­ stellen seyn, daß alles, was die landständischen Verfassungen betrift, von den Regenten selbst ausgehen muß; daß da, wo die rechtmäßige Regierung unerschüttert fortbesteht, ein neuer Verfassungsvertrag ein Unding wäre; daß in der Einführung der Verfassung und in ihrer Wirksamkeit, so wie in dem Grundvertrage des Bundes alle nöthige Garantie liege, die übrigens demnächst durch eine ausdrükliche Erklärung von Seiten des Herrn und der Stände, so wie die Bundesglieder, zu verstärken, nicht unzuläßig sey; daß endlich Verbesserungsvorschläge, auch für die Verfassung, zu machen, den einmal constituirten Ständen allezeit verstattet seyn, und daß eben dadurch die Verfassung auf eine − Herrn und Land gleichmäßig verpflichtende Weise − ihre Befestigung und weitere Entwikelung gewinnen müsse. Sodann: daß, da nach Begründung der Souveränität, ein Vertrag zwischen Fürst und Volk nicht denkbar, und nach der Auflösung des Reichs, eine gerichtliche Entscheidung über Staatsverträge und Verfassungsverhältnisse unmöglich sey, jedes Verfassungsgesetz, einmahl von dem Regenten ausgegangen, in sich selbst seine verbindliche Kraft trage, jedoch, nach Einführung der Verfassung, immer noch ein Gegenstand weiterer Erörterungen zwischen Landesherrn und Ständen sowohl, über die Grundsätze, als über deren Anwendung werden könne, und daß eben für solche und ähnliche Fälle, unter genauer Bestimmung ihrer eigenthümlichen Qualification, Mittel der Erledigung aufgefunden werden müssen. In dieser Hinsicht scheint mir die grosherzoglichMeklenburgische Verordnung sehr zwekmäßig verfaßt zu seyn, und ich bin mit demjenigen, was der Staats Minister von Plessen darüber gesagt hat, ­völlig einverstanden. Ferner scheint mir die Bemerkung einer genaueren Erwägung nicht unwerth zu seyn, daß eine Staatsverfassung überhaupt nicht blos auf der Existenz von Landständen beruhet, sondern daß diese ganz eigentlich berufen und bestimmt sind, eine bestehende Verfassung zu bewachen und in dieser Hinsicht gewisse Rechte auszuüben. Dieser Rechte Bestimmung nun ist der Hauptstein des Anstoßes. Ich sehe jedoch keine Gefahr dabei, wenn man allgemein ausspräche, daß den Landständen überall eine in ihren näheren Bestimmungen von den eigenthümlichen Verhältnissen und dem Herkommen

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der einzelnen Staaten abhängige Concurrenz zu der allgemeinen Gesetzgebung und zu der Besteuerung, so wie das Petitionsrecht, im weiteren Sinne des Worts, durchaus aber kein Mitregierungsrecht oder einige Theilnahme an der Verwaltung zustehen müsse. Es war zuerst die Absicht der meisten Gesandten, sich über den Antrag des Staatsministers von Plessen10, der übrigens, nach dem Wunsche der Grafen von Buol und von der Golz, welcher noch durch die Meinung des Fürsten von Hardenberg unterstützt wurde, bey der Abgabe zum Protocoll eine ge­ milderte Form erhalten hat, mit einiger Ausführlichkeit zu äußern, und Jeder gedachte − mehr oder weniger − in dem eben angezeigten Sinne zu sprechen. Diejenigen, welche es konnten, wollten auch sogleich von der Lage der Verfasungsangelegenheit in ihrem Vaterlande eine kurze Nachricht geben. In diesem Falle war insonderheit der Bairische, der Würtembergische, der Holsteinische, der grosherzoglich und Herzoglich Sächsische, der Waldeckische und der Schaumburg Lippische Gesandte. Andere wollten sich darauf beziehen, daß bei ihnen die alte Verfassung ungekränckt erhalten werde. Der Badische und besonders der Hessen Darmstädtische Gesandte würden auf die Schwierigkeiten aufmerksam gemacht haben, welche in beiden Grosherzogthümer[n] wegen der Verhältniße der Mediatisirten erst aus dem Wege geräumt werden müssen, um die Verfaßung gehörig ordnen zu können. Die Aengstlichkeit des Grafen von Buol bewirkte, daß man mit allen Aeußerungen zurück blieb und sonach habe ich auch von dem anliegenden Entwurf keinen Gebrauch gemacht. Sollten nun Euer Herzoglichen Durchlaucht gnädigst geruhen wollen, mich in Ansehung dieses Gegenstandes mit einer Erklärung zum Protocoll der Bundesversammlung zu beauftragen; so gebe ich unterthänigst anheim, ob und wie fern eine oder die andere Idee welche ich in diesem Aufsatze und in dem gegenwärtigen unterthänigsten Bericht berührt habe, dabei weiter zu entwikeln seyn dürfte? Was das Garantie-Gesuch der Grosherzoglich-Meklenburgischen Häuser betrift; so scheint mir dasselbe nach dem Zwecke und den näheren Bestimmungen des vorliegenden Gesetzes, nur Beyfall zu verdienen. Ich ersterbe in tiefstem Respect Euer Herzoglichen Durchlaucht unterthänigst − treu − gehorsamster von Berg

10 Vgl. Dok. 154.

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Rechberg an Aretin

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156. Rechberg an Aretin

HStA München, Gesandtschaft Bundestag, Nr. 96, fol. 126−126’. Weisung. Behändigte Ausfertigung.

Der König verspricht sich keine besonderen Vorteile davon, daß am Bundestag die Frage über das Wann und Wie der Einführung landständischer Verfassungen in den deutschen Staaten zur Sprache gebracht wird und Grundsätze über das Minimum oder Maximum der den Ständen einzuräumenden Rechte verabredet werden. Weisung an Aretin, sich der entgegengesetzten Ansicht Österreichs anzuschließen, aber dem Präsidialgesandten Buol den Vortritt bei der Bekämpfung der dem österreichischen Interesse am meisten entgegengesetzten Anträge zu überlassen.

Frankfurt am Main, 5. Januar 1818 Der Bericht vom 24[te]n v. M. und J.1 über landständische Verfassungen, ist eingekommen. Inzwischen hat der p. Freiherr v. Stainlein2, welchem der Bericht vom 19[te]n3 mitgetheilt worden war, um von dessen Innhalte während der An­ wesenheit des Staatsraths v. Jordan4 geeigneten Gebrauch zu machen, den abschriftlich anliegenden Bericht vom 30[te]n v. M. und J.5 erstattet. 1 Vgl. HStA München, Gesandtschaft Bundestag, Nr. 96, fol. 99–99’ (Konzept). 2 Johann Gottlieb Eduard (seit 1815 Freiherr von) Stainlein (1785−1833), bayerischer Diplomat, war zunächst Kammerreferendär in Bayreuth, seit 1810 bei der Gesandtschaft in Wien beschäftigt, 1812 Legationssekretär ebd., 1816 Dienstcharakter als Legationsrat, 1817−1826 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Wien, 1819 Dienstcharakter als Geheimer Rat, 1830 Erhebung in den erblichen ungarischen Grafenstand mit dem Beinamen Saalenstein und Judigena. Vgl. Schärl, Die Zusammensetzung der bayerischen Beamtenschaft, S. 339 f.; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 46; DBA I, 1210, 208; DBA II, 1249, 105. 3 Vgl. Dok. 152. 4 Johann Ludwig (seit 1816) von Jordan (1773−1848), preußischer Beamter, Studium der Rechte in Halle, 1799 Geheimsekretär im Außenministerium, 1802 Kriegsrat ebd., 1809 Geheimer Kriegsrat ebd., Juli 1810 Vortragender Rat ebd., September 1810 Staatsrat ebd., 1814 Wirklicher Geheimer Legationsrat ebd., 1819−1848 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in Dresden. Vgl. ADB, Bd. 14, S. 506; DBA I, 611, 91−101; DBA III, 447, 391; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 313. Jordan hielt sich im Auftrag der preußischen Regierung von Dezember 1817 bis Januar 1818 in Wien auf, um dort Unterhandlungen mit der österreichischen Regierung über die Geschäfte am Bundestag zu führen. Zur Sprache kamen dabei insbesondere folgende Gegenstände: Bundesmilitärverfassung, Bundesfestungen, Artikel 13 der Deutschen Bundesakte und die Einführung landständischer Verfassungen in den deutschen Bundesstaaten, Pressefreiheit, Religionsangelegenheiten, Judensachen, Aufhebung der Fruchtsperren im Innern Deutschlands und das Problem der Barbaresken. Vgl. GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 171; GStAPK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 1857. 5 Vgl. Bericht Stainleins, Wien, 30. Dezember 1817, HStA München, Gesandtschaft Bundestag, Nr. 96, fol. 127−128 (Abschrift).

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Frankfurt am Main, 5. Januar 1818

Seine Majestät der König vermögen sich keine besonderen Vortheile davon zu versprechen, daß die Fragen über das Wann und Wie der in den deutschen Staaten einzuführenden landständischen Verfassungen auf dem Bundestage zur Sprache gebracht6, einer Diskussion daselbst unterworfen, und dort allgemeine Grundsätze über das Maximum oder Minimum der den Ständen einzuräumenden Rechte oder über deren Organismus verabredet werden, wenn gleich nicht verkannt werden kann, daß der k. würtembergischen Regierung ein solcher Ausweg aus ihrer übrigens zum Theile durch eigene Mißgriffe verursachten Verlegenheit allerdings willkommen seyn möchte, und daher sich wohl begreifen läßt, daß ein darauf abzwekender Vorschlag von ihr vorzüglich unterstützet wird. Es ist inzwischen von Seite des unterzeichneten Staats Ministeriums keine Aeusserung geschehen, welche das k. würtembergische Ministerium zu der Erwartung hätte berechtigen können, daß in diese Anträge eingegangen und dem gemäß Instruktion ertheilet werden würde. Seine Majestät wollen vielmehr, daß sich der kg. Gesandte der auch von Oesterreich unterstützten entgegen gesetzten Ansicht anschließe, jedoch dabei nicht mehr als unumgänglich nothwendig ist, vortrete, sondern es vorzüglich dem Grafen v. Buol überlasse, den am meisten dem öesterreichischen Interesse entgegen gesetzten Antrag zu bekämpfen. Wie sich denn überhaupt in dieser Sache soviel möglich passiv zu verhalten ist. Auf Seiner Majestät des Königs allerhöchsten Befehl Gr. v. Rechberg Durch den Minister der General-Secretär v. Baumüller7

6 Durch den mecklenburgischen Bundestagsgesandten Leopold von Plessen; vgl. Dok. 154. 7 Paul Joseph (seit 1813) Ritter von Baumüller (1770/71−1832), bayerischer Beamter, 1800 Kanzlist im Außenministerium, 1802 Sekretär ebd., 1803 Geheimer Registrator ebd., 1808 Generalsekretär des Außenministeriums, 1817 Rang eines wirklichen Kollegialdirektors, 1830 Kanzleidirektor ebd. und Geheimer Rat. Vgl. DBA I, 65, 179 f.; DBA II, 80, 133; Schärl, Die Zusammensetzung der bayerischen Beamtenschaft, S. 309.

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Schlossers Vorschläge über Grundsätze landständischer Verfassungen

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157. Schlossers Vorschläge über Grundsätze landständischer Verfassungen

GLA Karlsruhe 48/1838. Eingabe. Druckschrift. Praes.: Frankfurt am Main, 10. Januar 1818.1

Es ist wünschenswert, daß durch den Bundestag sowohl über die Form der in den Bundesstaaten zu gründenden oder zu erneuernden Verfassungen als auch über den Begriff und das Wesen ständischer Verfassung nähere Grundsätze festgestellt werden. Bisherige Verfassungen sollen nicht als aufgehoben betrachtet und durch willkürliche Neuschöpfungen ersetzt, jedoch notwendige Modifikationen unter Beiziehung der bisherigen Landstände sowie von Repräsentanten bislang ausgeschlossener Stände ermöglicht werden. Repräsentation vor allem der gewerbetreibenden und der landbauenden Bevölkerungsklassen in den Landständen unter Anerkennung erblicher Vertretungsrechte größerer Grundbesitzer. Wünschbarkeit einer authentischen Interpretation des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte durch den Bundestag, der dabei sowohl die Unabhängigkeit der Einzelstaaten als auch die Einheit des deutschen Staatenbundes aufrechtzuerhalten hat.

[Frankfurt am Main, 10. Januar 1818] § 1. Das Verhältniß, welches dem hohen Bundestage, rücksichtlich der in sämmtlichen Bundesstaaten zu gründenden oder zu erneuenden ständischen Verfassungen, zu wünschen wäre, möchte schwerlich treffender können bezeichnet werden, als es der erste Vortrag der Kaiserlich-Königlich Oesterreichischen vorsitzenden Gesandtschaft bezeichnet. Es sagt: „Zwei Zielpuncte werden uns hierbei“ – bei den Verhandlungen über die „Bestimmung der Bundesacte, Artikel 132, wegen Festsetzung einer landständischen Verfassung in den Bundes­staaten“ – „zu gleich sorgsamer Beachtung sichtbar bleiben müssen; nämlich Festsetzung derjenigen Grundsätze, welche, in dieser Hinsicht als gleichförmig anzunehmen zweckmäßig seyn möchte, und zugleich Ueber­ lassung aller derjenigen individuellen Bestimmungen, welche, nach örtlichen und Personalverhältnissen, den einzelnen deutschen Bundesstaaten, zum 1 Die Vorlage trägt oben links den Kanzleivermerk: „Ein Vorschlag zur aufstellung allgemeiner grundsätze bey errichtung Ständischer Verfassungen von Dr Schlosser in Frankfurt – im Jener 1818. R.[ein­hard].“ Wilhelm Reinhard (1776–1858), badischer Beamter, 1798 Hofadvokat in Karlsruhe, 1803 Geheimer Sekretär, 1806 Regierungsrat, 1807 Kammerprokurator, 1809 Finanzrat, 1813 Finanzkommissär und Direktor des Fiskalats, 1815 Geheimer Referendar, 1818 Direktor des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten, 1819 Mitglied der Gesetzgebungskommission und des Oberzensurkollegiums, 1820 Wirklicher Staatsrat und ordentliches Mitglied des Staatsministeriums, 1822 Dienstenthebung. Vgl. DBA I, 1018, 40 f.; Großherzoglich Badisches Staatsund Regierungs-Blatt 1820, S. 50; ebd. 1822, S. 101. 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513.

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wechselseitigen, nie trennbaren Nutzen der Fürsten und Völker, vorbehalten bleiben. In Beobachtung dieser zwei Directiven,“ fährt er fort, „werden wir das Wohl der deutschen Staaten befördern, und den Dank der Zeitgenossen, so wie der spätern Zukunft, erndten.“3 § 2. Der gegenwärtige, von so manchen widersprechenden Ansichten bewegte Augenblick, scheint räthlich zu machen, bei Feststellung der Grundsätze, welche für ständische Verfassung in den deutschen Bundesstaaten als gleichförmig anzuerkennen sind, keimenden Mißverständnissen vorzubeugen, indem man mit ihr zugleich, sowohl über die Form der in den einzelnen Staaten zu gründenden oder zu erneuenden Verfassungen Näheres bestimmt, als auch den Begriff und das Wesen ständischer Verfassung überhaupt näher und auf solch eine Weise bezeichnet, daß keinem Trugbilde über ihre wahre Bedeutung fortan Raum kann gegönnt seyn. § 3. Was die Form der zu erneuenden Verfassungen in einzelnen Staaten angeht, so möchte vor allem auszusprechen seyn, daß bißherige Verfassungen, wo sie gesetzlich vorhanden gewesen, – wenn gleich für Viele eine bis in die Anordnung ihrer Elemente dringende Erneuung nothwendig ist, – nicht als aufge­ hoben zu betrachten, und von neuen und willkührlichen Schöpfungen, so wie die Noth des Tages sie factisch eine Weile verdrängt hatte, rechtlich zu verdrängen seyen. Die Einleitung vorzunehmender Erneuung würde unter die den obersten Staatsbehörden einzelner Staaten überlassenen Gegenstände zu rechnen seyn. Doch könnte, für streitige Fälle, als allgemeine und rechtlich zu handhabende Norm festgesetzt werden, daß, wo und insoferne es sich von Aufnahme neuer Elemente in ein Verfassungs-Ganzes, also von organischer Abänderung desselben hinsichtlich der activen Repräsentation handle, um diese zu bestimmen, neben den früheren gesetzlich vorhandenen Landständen, eine Versammlung landeingesessener Männer aus denjenigen Ständen, zu Rathe zu ziehen sey, die, bisher von der unmittelbaren Vertretung des Ganzen ausgeschlossen, künftig gesetzlich in sie sollen aufgenommen werden. § 4. Was den Begriff und das Wesen ständischer Verfassung überhaupt angeht, so möchte nützlich seyn, mit Entschiedenheit als Grundsatz auszusprechen, daß sämmtliche zur Landesvertretung berufene Individuen, dieses Rufes fähig sind, nicht durch ihre, freilich unerläßliche, Eigenschaft als Staatsbürger, son3 Vgl. Dok. 100, S. 427 f.

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Schlossers Vorschläge über Grundsätze landständischer Verfassungen

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dern neben dieser, zugleich und vorzüglich, durch ein besonderes, in der ­Vertretung des Ganzen unmittelbar wesentliches, sie staatsbürgerlich näher bezeichnendes, und dem Ganzen eigenthümlicher verbindendes Interesse. Daraus würde von selber folgen, daß, wo früher unbekannte, oder nur mittelbar gestellte Interessen, nun kenntlicher hervortreten, und eine unmittelbare Stellung zu dem Ganzen fordern, diesen der Zutritt zu ständischer Berathung in ihm nicht zu versagen sey. Ebenso würde dadurch der in unseren Tagen allzuwenig beachtete Unterschied zwischen Landständen und sogenannt gesetzgebenden und berathenden Versammlungen ins Klare gesetzt; ein gefährliches Uebertragen der Stimmführung an streitlustige, dem Interesse, welches sie verfechten sollen, nicht staatsbürgerlich angehörige Sachverwalter vermieden; den Verfassungen selbst aber, als auf die ihnen inwohnenden und sie constituirenden Interessen gegründet, einerseits die nöthige Festigkeit, andererseits, und zwar an der Stelle, an welcher sie nütze ist, die nöthige Biegsamkeit verliehen werden. § 5. Wäre dieser Grundsatz ausgesprochen, so würde leicht zu entscheiden seyn, wie in den wenigen deutschen Staaten, in welchen, durch ein Zusammen­ treffen zufälliger Ereignisse, bisher keine ständischen Verfassungen waren, solche für die Zukunft zu errichten seyen. Die ihnen mit den übrigen Bundeslanden gleichen Interessen, würden eine ähnliche Form der Vertretung auch in ihnen bedingen. § 6. Die Grundsätze, welche, bei Festsetzung landständischer Verfassungen in den deutschen Bundesstaaten, als gleichförmig anzunehmen zweckmäßig seyn möchte, scheinen weniger, eine erschöpfende Bestimmung aller den Landständen deutscher Lande zustehenden Rechte, in sich zu schließen, als vielmehr und zunächst, eine genauere Bestimmung der Hauptverhältnisse, durch welche die Landstände deutscher Lande zu constituiren sind. Daß Rechte der Landstände im Besonderen bestimmt werden, mag um so nützlicher seyn, als durch eine solche Bestimmung der Thätigkeit derselben Richtung, ihrer Pflicht aber und ihrer Verantwortlichkeit Gränze gegeben wird. In den meisten Puncten gehört es, unter die, von der oben angeführten hohen Gesandtschaft, als „individuellen Bestimmungen, örtlichen und Personalverhältnissen“ unterworfen, den einzelnen Bundesstaaten zugewiesenen Gegenstände. Vieles ausserdem, was über die, Landständen im Allgemeinen zustehenden Rechte, unter uns geäussert wird, ist in die Reihe jener metapolitischen Probleme zu stellen, die weiser umgangen als berücksichtiget werden, weil sie, aus Meinungen und Theorien entsprungen, ohne Verhältniß zum Wirklichen,

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wo man sie zur That zuließe, nicht dienen könnten Einsicht zu fördern, wohl aber endlosen Verwirrungen die Bahn zu öffnen. § 7. Sollen die Hauptverhältnisse bestimmt werden, durch welche die Landstände deutscher Lande zu constituiren sind, so möchten unter die bedeutendsten folgende gehören: 1. Anerkennung der zwei Hauptinteressen des Staates; des der gewerbetreibenden, des der landbauenden Klasse. 2. Ausdehnung der Vertretung der gewerbetreibenden Klasse, welche bisher meist nur einigen privilegirten Städten zustand, über alle ihr angeschlossenen, mit inneren, städtischen Einrichtungen versehenen Gemeinden. 3. Geordnete und angemessene Selbstvertretung der landbauenden Klasse, auch in demjenigen Theile derselben, welcher bisher nicht unmittelbar selbstvertretend war; in so ferne nämlich freies, bäuerliches Eigenthum in ihm vorhanden ist. 4. Anerkennung des Rechtes erblicher Vertretung für den untrennbaren, in bestimmtem Maase bedeutenden, mit Geschlechtsfolge gesetzlich verknüpften Grundbesitz. 5. Anerkennung des Rechtes unerlöschlicher Vertretung, für auf Grund­ besitz beruhende, in das Staatsganze wirksam verflochtene, von dem Staate sanctionirte Anstalten. § 8. Allgemeine, von dem hohen Bundestage, in Form einer authentischen Aus­ legung des Art. 13 der Bundesacte, festgesetzte Anordnungen über ständische Verfassung sämmtlicher dem Bunde einverleibter Staaten, würden geeignet seyn, sowohl den noch zu gründenden oder zu erneuenden Verfassungen Norm zu geben, als in schon errichteten Verfassungen, wo diese sich den gleichförmigen, allgemeinen Grundzügen nicht entsprechend zeigen, Modificationen zu veranlassen. Segensvoll für den inneren Frieden der einzelnen deutschen Staaten würde seyn, wenn der hohe Bundestag, mit diesen Anordnungen zugleich, eine gesetzliche Weise feststellen könnte, bei landtäglichen Berathungen in deutschen Staaten etwa sich erhebende Mishelligkeiten, schiedsrichterlich auszugleichen. § 9. Das gegenwärtige Deutschland stellt sich, den Beschlüssen seiner höchsten Theilnehmer zufolge, als einen Staatenbund dar. Die einzelnen Staaten, welche vereinigt diesen Bund ausmachen, haben ihre heutige Gestalt oft erst in den neuesten Zeiten erhalten; schließen oft sehr entgegengesetzte gesellige

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Metternich an Buol

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Zustände in sich. Es läßt sich nicht bergen, daß unsere in allen ihren Be­griffen so rasch vorwärts eilende, und ihre Begriffe, wahre wie falsche, in so thätigen Umtrieb setzende Zeit, sehr viele und entgegengesetzte Gedanken-Zustände in sich schließe. Die Vermittelung für alles dieses zu finden; Verirrungen aller Art durch Feststellung des Rechten zu verhüten; die Unabhängigkeit der einzelnen deutschen Staaten, und die Einheit des gesammten deutschen Staatenbundes gleichmäßig aufrecht zu erhalten; in die einzelnen Verfassungen Kraft, und zugleich Schranken dieser Kraft zu legen; würde, wie so allgemein gefühlt wird, eine in ihrer Lösung wahrhaft wohlthätige, der Würde des hohen Bundestages gewiß nicht unangemessene Aufgabe seyn.

158. Metternich an Buol

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Kart. 2, Konv. 2: Ministerialreskripte 1818, fol. 36−39. Weisung. Behändigte Ausfertigung.

Der natürliche Trieb der Bundesversammlung zum Guten kann im gegenwärtigen Augenblick nicht durch tägliche Geschäftswirksamkeit unterstützt werden; die Folge ist eine Bewegung im Geiste. Betonung der Kontinuität der österreichischen Politik. Zwei Parteien in der deutschen und europäischen Politik: die eine fürchtet den Drang des Zeitgeistes, die andere sucht ihn für verruchte Zwecke zu benutzen. Österreich steht in der Mitte. Beispiel des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte: In allen deutschen Staaten sollen und müssen ständische Verfassungen bestehen. Dort, wo es keine gibt, müssen solche eingeführt werden. Aus dem freiwillig geleisteten Versprechen der Bundesfürsten folgt, daß ständische Verfassungen sobald wie möglich eingeführt werden sollen. Interesse Österreichs, daß diese Angelegenheit gut ausgeführt werde. Tritt Gerüchten entgegen, daß in Wien eine Furcht oder Scheu vor dem Bundeswesen im allgemeinen und der Bundesversammlung im besonderen bestehe. Gegenteilige Behauptungen soll Buol kräftig bekämpfen.

Hochgeborner Graf!

Wien, 21. Januar 1818

Im Augenblick, als ich gestern im Begriff stand, den gegenwärtigen Kurier abgehen zu lassen, traf der Kurier Beck hier ein. Ich habe den Abgang des ersteren augenblicklich aufgehalten, um mir die Möglichkeit zu verschaffen, Hochdenselben noch einige Worte in Beziehung sowohl auf Ihre Expedition als einige − mir in Folge derselben nöthig scheinenden Erörterungen über meine gegenwärtige zukommen zu lassen. Es ereignet sich heute in Frankfurt, was ich Eurer Excellenz bei Ihrer letzten Anwesenheit in Wien bereits mehrere Mahle vorhergesagt habe. Die ­daselbst anwesenden B. T. Gesandten bilden einen Körper, welcher − wie es seyn muß und soll, aus erleuchteten und gewandten Geschäftsleuten besteht,

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deren natürlicher Trieb zum Guten in dem gegenwärtigen Augenblicke nicht gehörig durch eine tägliche Geschäfts-Wirksamkeit unterstüzt werden kann. Die natürliche Folge eines ähnlichen Standes der Dinge ist eine Bewegung im Geiste, welche durch die Vielseitigkeit der Ansichten und der Gerüchte, welche sich aus den verschiedenen Theilen Teutschlands in Frankfurt concentriren, daselbst zu manchen, ganz ungegründeten Vermuthungen, eine schwer zu vermeidende Veranlassung geben. Eine ähnliche Lage kann wohl niemanden natürlicher scheinen, als mir. Der Gang des Oesterreich. Kabinets ist sich von jeher gleich geblieben, und er wird es stets bleiben. Die Bewegung, welche an manchen Orten bestehet, das Treiben in der öffentlichen, von jeder Parthei anderst beurtheilten und für sich in Anspruch genommenen öffentlichen Meinung, wird von unserm ruhigen Standpuncte aus am sichersten bemerkt und beobachtet. Es liegt in der Natur der Dinge, daß Individuen, welche auf einem sich bewegenden Körper stehen, sehr geneigt sind, ihre eigene Bewegung ganz irrig in dem1 unbeweglich bleibenden Gegenstand zu suchen. Daß wir nicht das Spielwerk einer ähnlichen Täuschung sind, steht außer allem Zweifel. Das Oesterreich. Staatsgebäude steht auf seinem alten und festen Grunde. Das Kabinet weicht nicht von der Überzeugung, daß sein höchster und schönster Beruf selbes zu der Aufrechthaltung jeder Wahrheit, jedes richtigen Grundsatzes, des schlichten und einfachen Rechtes, auffordern. Alle Phenomene, welche heute sowohl in Teutschland als beinahe in ganz Europa statt finden, sind die Folge der Existenz von zweien, sich sich stets kreuzenden, in ihren Ansichten und Absichten nicht zu vereinigenden Partheien. Die eine fürchtet den Drang des Zeitgeistes; die andere sucht ihn zum Behufe verruchter Zwecke zu steigern und zu benützen. Wir stehen in der Mitte; wir theilen weder die angemessene Furcht der Einen, noch die Hoffnungen der Andern; unser Gang ist fest und ruhig, und unsere Absicht geht dahin, in eben dem Maße die schwächende Furcht und die gewagten Hoffnungen der beiden Partheien zu bekämpfen. Die unvermeidliche Folge eines ähnlichen Unternehmens muß das falsche Urtheil der beiden Partheien seyn, und die Möglichkeit dem Andrange so ­vieler gewagten Urtheile zu widerstehen, ist sicher nur einer gediegenen und großen Macht gegeben. Wenn ich hier in wenigen Worten den moralischen Standpunct des kk. Hofes beleuchte, so ergibt sich die Folge, daß keine Regierung mehr als die Oesterreich., die thätigste Mitwirkung ihrer sämmtlichen, in einer hohen ­ Dienst-Kathegorie stehenden eigenen Staatsdiener in Anspruch zu nehmen berufen ist. Ich habe Eure Excellenz während Ihrer letzten Anwesenheit von der Bestimmtheit Sr M. des Kaisers unterrichtet, Sich nie und in keinem ­Falle, 1 Emendiert. Vorlage: den.

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von den2, von Allerh. Denselben besonders in Verfolgung der teutschen ­Angelegenheiten gewählten moralischen Stand Puncten verdrängen zu lassen. Ich habe Hochdieselben aufgefordert, jedes dieser festen Bestimmung entgegengesetztes Vorurtheil zu bekämpfen, jedes schiefe Urtheil selbst ohne ei­ gene Instruction auf das bestimmteste zu wiederlegen; und sosehr ich dem Gange, welchem Eure Excellenz in Ihrem äußerst schweren Geschäfte treu bleiben, die volleste Gerechtigkeit leiste, eben so sehr vermisse ich in Ihren eigenen Berichten sowohl, als in manch andern, welche mir aus F[rank]furt zu Gesichte kommen, die so nöthige feste und bestimmte Widerlegung so mancher, falschen täglich daselbst hinströmenden oder sich daselbst erzeugenden Gerüchte und Urtheile über die Grundsätze und den festen Willen unsers Kabinets. Ich wähle, um Eurer Excellenz ein Beispiel − aus welchem Sie unsre Ansicht in dieser Rücksicht beurtheilen können, aufzustellen, einen Gegenstand, welcher allerdings der Art ist, heute die ganze Aufmerksamkeit der gesammten teutschen Nation zu fesseln − den 13ten Art. der B. Acte.3 Es sollen und müßen ständische Verfassungen in allen teutschen Staaten bestehen; d. h. es sollen und müßen dort, wo es keine gibt, ständische Verfassungen eingeführt werden. Dieses Versprechen haben die t.[eutschen] Fürsten, bei der Abfassung der B. Acte aus freiem Antriebe geleistet, und eben dieses Versprechen ist, durch die Bekanntmachung der B. Acte, aus freiem Antriebe geleistet, und eben dieses Versprechen ist, durch die Bekanntmachung der B. Acte, das Gemein-Gut der Fürsten und ihrer Völker geworden. In der Natur eines Versprechens liegt die Folge, daß seine Erfüllung nicht unbedingt verschoben bleibe, sondern vielmehr sobald als möglich statt finde. − Indem ich diese Grundsätze ausspreche, welche ganz und vollkommen die unsrigen sind, muß ich jedoch einen nicht minder triftigen berühren, dessen hohes Interesse in der Anwendung wohl heute weniger als nie in Zweifel gestellt werden kann; den nämlich, daß es nicht genüge eine Sache ohne Rücksicht auf ihren Werth thun zu wollen, sondern vielmehr, daß es in der Weisheit und Billigkeit liege, nicht allein, daß sie geschehe, sondern daß sie gut ausgeführt werde. − Se M. der Kaiser bedauern, daß das J. 1818 eingetreten sey, ohne daß der Art. 13 in den sämtlichen Staaten erfüllt ist. S. M. der Kaiser wünschen nichts sehn­ licher als daß er sobald wie möglich erfüllt werde; überzeugt, daß durch ­Zögern in der Sache nichts gewonnen werden kann. Allerhöchstdieselben ­begreifen, daß, gleichwie das Zeitungs- und Libellenwesen in Teutschland der Freiheit der teutschen Pressen den empfindlichsten Stoß gibt, ebenfalls die Umtriebe der rein-revolutionären Parthei auf das nachtheiligste in dem Verfassungswesen wirken; daß der Mißbrauch, welcher von der Weimarschen 2 Emendiert. Vorlage: dem. 3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513.

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Constitution gemacht wird, und das Beispiel, welches der mißlungene Versuch in Würtemberg geliefert habe, − allerdings geeignet sind, bei den t.[eutschen] Höfen eine Aufsichtigkeit zu erregen, welche, indem sie Furcht erzeugt, selbst Lähmung zur Folge haben kann. Da wir übrigens nächstens in der Lage seyn werden, uns über diesen Gegenstand sehr rein und ausführlich auf dem B. T. auszusprechen, so verlasse ich vor der Hand diese Frage mit der Betheurung meiner großen Verwunderung, daß einsichtsvolle Männer in Frankfurt sich über die Ansicht des kk. Hofes, über die Erfüllung irgend eines B. Artikels, über jene irgend einer Pflicht, oder über die Anwendung eines Grundsatzes, in die Irre führen zu lassen, so bereit sind. Wenn das Oesterreich. Kabinet Kraft genug, und besonders diese Kraft in den t.[eutschen] ­Angelegenheiten so mannigfaltig bewiesen hat, wie es offenbar der Fall ist, so hegt dieses Kabinet ebenfalls das Gefühl seines vollen Rechtes, daß man ihm glaube, und besonders, daß man ihm nicht einen Wankelmuth zutraue, welcher keineswegs in seinem Karacter liegt, und zu welchem keine seiner Handlungen berechtiget. Ich fordere Eure Excellenz insbesondere auf, diesem Gesichts-Puncte treu zu folgen, und durch Ihr eigenes fest ausgesprochenes Vertrauen auf jenes Anderer zu wirken. Der Kaiser ist bestimmt, den Weg des Rechtes nie zu verlassen; Er wird in Seinen Ansichten nie beschränkt zurückstehen; Er wird Sich stets am rechten Tage und Orte ohne Scheu noch Hehl aussprechen; Er wird aber auch stets die Feinde der öffentlichen Ruhe bekämpfen, ihre gewagten Behauptungen entlarven, und so, mit Gottes Hülfe, mit dem Beistande der teutschen Regierungen, und mit jenem, welchen Er in einem festen aber ruhigen Gange der t.[eutschen] B. V. erblickt, Sich einst sagen können, daß Seine Unbefangenheit, Seine richtige Erkenntniß dessen, was wahrhaft gut ist, zu Seinem eigenen, wie zu dem Heile Seiner Mitverbündeten wesentlich beigetragen hat. Einen zweiten Punct kann ich hier unmöglich umgehen. Eben so irrig die Folgerung wäre, welche man aus den Worten meiner Depesche an H. v. ­Hruby4 v. 11. Dezemb.5 gegen den Wunsch Oesterreichs schöpfen wollte: daß 4 Carl Eduard (seit 1814) Freiherr von Löwenherz-Hruby und Geleny (1778–1838), österreichischer Diplomat, 1806/07 Geschäftsträger und Legationssekretär in Stuttgart, 1807 Erhebung in den Ritterstand, 1808/09 Geschäftsträger in Berlin, 1813−1816 Geschäftsträger in Dresden, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister 1813−1818 in München, 1820−1827 in Karlsruhe, 1827−1838 in Kassel und 1833−1838 in Braunschweig. Vgl. Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 289 u. 294−296; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 98, 274, 280 f. u. 283; DBA I, 573, 335; GGT F 1848, 186 f. 5 Metternich an den österreichischen Gesandten Hruby in München, Wien, 11. Dezember 1817, HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Kart. 1, fol. 349−359 (Abschrift); Abschrift auch in HStA Stuttgart, E 65, Bü 14, Nr. 8; Abdruck in Chroust (Bearb.) Gesandtschaftsberichte aus München, Abt. 2, Bd. 1, S. 173−178.

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nicht nur der 13. Artikel erfüllt, sondern selbst sobald wie möglich erfüllt werde − eben so irrig wäre jene, daß in Wien irgend eine Furcht oder Scheu vor dem Bundeswesen im Allgemeinen, und insbesondere vor der B. V. bestehe. Das, was wir anderstwo bekämpfen, sollte man uns wahrlich nicht selbst zutrauen. Diesen Satz bitte ich Eure Excellenz ausdrücklich auf den Sinn anzuwenden, welcher der, in der heutigen Expedition unter der No [ ] begriffenen Depesche zum Grunde liegt. Wir fürchten nicht, und werden uns nie fürchten, Grundsätze, auf welchen das B. Sistem beruhet, auszusprechen und zu wiederholen. Wenn ich ähnliche Depeschen an Eure Excellenz richte, so geschieht dieses keineswegs in Folge einer Vermuthung, daß die in selber enthaltene[n] Sätze und Gesichtspuncte in F[rank]furt verkannt werden dürften, oder wirklich verkannt werden. Ich sehe hiebei die alleinige Absicht Eurer Excellenz das, was Sie bereits wissen zu wiederholen, Sie, ungeachtet Ihrer Entfernung, an unsern Standpunct zu fesseln, und demnach in die Lage zu setzen, jede irrige Behauptung über irgend eine Ansicht Ihres Hofes stark und kräftig zu bekämpfen. Empfangen Eure Excellenz die Versicherung meiner vollkommensten Hochachtung. F. v. Metternich

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HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 314, Nr. 57½. Bericht. Behändigte Ausfertigung.

Verwahrt sich gegen Aretins Schilderung des Verlaufs der vertraulichen Bundestagssitzung vom 18. Dezember 1817. Tendenz des bayerischen Ministeriums, den Deutschen Bund so locker als immer möglich zu halten und alles zu hintertreiben, was der Ausübung unbeschränkter Willkür Schranken setzt. Überzeugung König Wilhelms I., daß die Bundesversammlung, wenn Ruhe und Sicherheit in Deutschland erhalten werden sollen, sich ernstlich mit Artikel 13 der Deutschen Bundesakte beschäftigen müsse. Versprechen Wangenheims, in dieser Sache nicht voranzugehen. Schreibt sich jedoch zu, den Antrag Plessens veranlaßt zu haben. Die Weisung Zeppelins vom 15. Januar 1818 in der Streitsache der lippischen Stände gegen die Fürstin zur Lippe ist nicht mit dem System des Königs zu vereinbaren: Die Bundesversammlung müsse das Recht haben, in der lippischen Streitsache vermittelnd dafür zu sorgen, daß die den Regierungen überlassene Gesetzgebung nicht in einer Art ausgeübt werde, daß die Erfüllung des Artikels 13 selbst unmöglich gemacht werde. Laut Bundesakte sollen überall Verfassungen zur Erhaltung der inneren Sicherheit hergestellt werden; nur gute Verfassungen können diesen Zweck erreichen. Wer der Zweck gewollt hat, muß auch die Mittel gewollt haben: die vermittelnde Dazwischenkunft des Bundes durch die Bundesversammlung, wenn Streit über die Art der Errichtung landständischer Verfassungen entsteht. Wenn Aretin als Referent in dieser Sache den Antrag auf Nicht-Kompetenz des Bundes stellt, werde er in der Kommission wie auch in der Bundesversammlung wohl überstimmt werden.

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Frankfurt am Main, 1. Februar 1818 Euer Excellenz haben die Güte gehabt, mich unter dem 15ten Januar dieses Jahrs1 von einem Berichte des Grafen von Wintzingeroda aus Wien2 in Kenntniß zu ­setzen, nach welchem die Darstellung des Freyherrn von Aretin über das, was sich in der 58sten (soll wohl heißen 57sten Sitzung3) begeben hat, ­wesentlich von der abweiche, welche ich davon gemacht hätte, namentlich darin, daß der Freyherr von Aretin von dem Grafen Buol und seinem ­Benehmen eine sehr vortheilhafte, von mir und meinem Benehmen hin­ gegen eine ganz entgegengesezte, also unvortheilhafte, Schilderung mache, indem er behaupte 1. daß ich eine sichtbare Vorliebe für den Pleßen’schen Antrag und für die Verfassungsfrage überhaupt, sowie 2. in der Discußion mit Herrn von Martens eine, die Grenzen diplomatischer Mäßigung überschreitende Lebhaftigkeit gezeigt habe.4 Die Tendenz des Bairischen Ministerii geht bekanntermaßen dahin: den deutschen Bund so loker als immer möglich zu halten und alles zu hintertreiben, was nur immer der Ausübung unbeschränkter Willkühr Schranken zu setzen geeignet scheint. Zu diesen, von jenem Ministerio verabscheuten, Schranken gehört nun ­namentlich die Vorschrift der Bundes-Akte, daß in allen deutschen Landen Verfaßungen seyn sollen. Da nun der Graf Buol in jener Sitzung Grundsätze aussprach, welche, wenn sie befolgt werden, den 13ten Artikel der BundesAkte5 zu einem Unding machen: so ist es sehr natürlich, daß das Benehmen des Grafen Buol von Seite Baierns vortrefflich gefunden und geschildert wurde, während ich jene jesuitischen Grundsätze für abscheulich halten muß, da sie alle Treu und Glauben völlig zu untergraben so geeignet sind, daß, werden sie ausgesprochen und befolgt, das Schlimmste davon zu befürchten wäre. – Uebrigens habe ich diesen Abscheu weder in der Sitzung selbst, noch auch nur in dem darüber erstatteten Berichte ausgesprochen, und erst in der Kritik 1 Vgl. HStA Stuttgart, E 65, Bü 14, Nr. 13. 2 Vgl. Relation der württembergischen Gesandtschaft in Wien, 3. Januar 1818, HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 314, Nr. 41. 3 Die 57. Sitzung vom 18. Dezember 1817 war eine vertrauliche Sitzung, so daß kein gedrucktes Protokoll vorliegt. Vgl. ProtDBV 1817, S. 849. 4 Vgl. Dok. 152. 5 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513: „In allen Bundesstaaten wird eine Landständische Verfassung statt finden.“

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des Oesterreichischen Schreibens6 an den Freyherrn von Hruby7 in München habe ich meinem Gefühle Worte gegeben. Seiner Majestät, dem Könige, ist dieses nemliche Gefühl nicht fremd geblieben, denn Sie hat in dem Rescripte8, mit welchem mir jenes Aktenstük mitgetheilt wurde, ausdrüklich gesagt, daß Sie jene Ansichten nicht theilen könne. Wie solche verderbliche und unsittliche Maximen auf das unbesprochene Gefühl rechtlicher Menschen wirken, geht auch aus der beiligenden Abschrift eines Schreibens9 des Ministers von Stein an den Legationsrath Eichhorn10, dermalen in der Suite des Staatskanzlers, deutlich genug hervor, und die Deutung, welche der Fürst Metternich jezt, da er den Eindruk, den das sogenannte Memorandum11, das er selbst nur allzu sehr verbreitet hat, wahrnimmt, diesem elenden Machwerck gibt, bestätigt vollkommen, was ich gleichanfangs vorausgesagt habe, daß nemlich jene Maximen, auch bei dem schlimmsten oder doch unerleuchtetsten Willen, weder amtlich so ausgesprochen, noch weniger aber befolgt werden können. Fürst Metternich – unterrichtet von dem bößen Eindruk, den das Memorandum (wie er sein Schreiben nach München nennt) überall gemacht hat, und überzeugt davon, daß dieser Weg nicht einmal zu seinem Ziele führen könne – hat in diesen Tagen dem Grafen Buol umständlich darüber geschrieben12, und große Empfindlichkeit darüber bezeigt, daß man seine redliche Absicht bei jenem Memorandum so gar arg mißdeutet habe?! Er habe die ­intimste Ueberzeugung – und die, welche ihn näher kennten, könnten und sollten diese seine Ueberzeugung nicht bezweifeln – daß der Bund innig und stark seyn müße, daß seine organischen Gesetze immer mehr entwickelt werden sollten, und daß namentlich der 13te Artikel der Bundes-Akte keine bloße Spiegelfechterei bleiben dürfe?! – Er habe nur die Abneigung Baierns gegen den Bund mildern, und dieses Gouvernement besonders wegen des 13ten Arti 6 Metternich an den österreichischen Gesandten Hruby in München, Wien, 11. Dezember 1817, vgl. Dok. 158, Anm. 5.   7 Emendiert. Vorlage: Rhuby.   8 Weisung König Wilhelms I. an das Außenministerium, Stuttgart, 9. Januar 1818, HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 314, Nr. 36.   9 Vgl. Schreiben Steins an Eichhorn, 2. Januar 1818, HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 314 (Abschrift); abgedr. in Stein, Briefe und amtliche Schriften, Bd. 5, S. 689−694. 10 Johann Albrecht Friedrich Eichhorn (1779–1856), preußischer Staatsmann, 1796–1799 Studium der Rechtswissenschaft in Göttingen, 1800 Eintritt als Auskultator in den preußischen Staatsdienst, 1810 Kammergerichtsrat, 1813–1815 Mitarbeiter Steins im Zentralverwaltungsrat der verbündeten Mächte, 1816 Geheimer Legationsrat im Außenministerium, 1817 Mitglied des Staatsrats, 1831 Direktor im Außenministerium, 1840–1848 Kultusminister. Vgl. NDB, Bd. 4, S. 376 f.; DBE, Bd. 3, S. 51 f. 11 Wie Anm. 6. 12 Vgl. Dok. 158.

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kels einstweilen beschwichtigen wollen: allein die Instruction13, welche Graf Buol über diesen Artikel demnächst klar und rund erhalten werde, solle beweisen, daß Oesterreich auf die redliche Erfüllung deßelben ernstlichen Bedacht nehme?! Graf Buol hat dieses Schreiben mehreren Personen vorgezeigt, und ist eigens deßwegen auch zu mir in meine Wohnung gekommen, um mir umständlich und – unverständlich durch volle anderthalb Stunden hindurch darüber zu sprechen. – Er behauptet sogar zu wißen, daß Fürst Metternich zugleich mit dem Memorandum an Graf Rechberg geschrieben und ihn dringend ermuntert habe, für die Herstellung einer Verfaßung in Baiern zu wirken, da es nicht die Absicht seyn könne, die Erfüllung des 13ten Artikels über die ­Gebühr zu verzögern?!! Mir ist der Grund dieser unwahren, und zugleich schwachsinnigen Handlungsweise ebenso klar, als die Folge davon. Man wird sich glüklich preisen können, wenn daraus kein größeres Uebel entsteht, als das seyn wird, daß Preußen als der alleinige Retter der Völker zu erscheinen Gelegenheit erhält, eine Erscheinung, die, wenn sie auch bloßer Schein ist, diesem Staate eine nur zu bedenkliche Stellung in Deutschland geben würde! Doch ich verlaße – um mich nicht wieder dem Vorwurf „unangemeßener Anträge“ bloßzustellen – dieses weite Feld politischer, auch für Württemberg wichtiger Conjuncturen, und kehre zu meinem eigentlichen Thema, der Aretinschen Denunziation (wenn sie wirklich eine Aretinsche seyn sollte) zurük. Sie ist – wie das gewöhnlich bei allen Denunziationen der Fall zu seyn pflegt – gegründet und ungegründet zugleich. Gegründet, wenn sie sagt, daß ich in jener Sitzung eine sichtbare Vorliebe für den Pleßenschen Antrag und für die Verfaßungsfrage überhaupt bewiesen habe; sie ist ungegründet, wenn sie mir bei der Discußion mit Herrn v. Martens eine, die Grenzen diplomatischer Mäßigung überschreitende Lebhaftigkeit schuld gibt. Daß der zweite Theil der Denunziation völlig und in jeder Hinsicht unwahr sey, dafür kann – solange mir nicht erlaubt wird, Zeugniße meiner Collegen zu fordern und vorzulegen – nur mein Ehrenwort bürgen, das ich darauf auf das feierlichste hiermit gegeben haben will. Es kann dabei nicht einmal eine Selbsttäuschung unterlaufen; da über die ruhige Art, wie ich die Discußion geführt, nur eine Stimme ist. Daß hingegen der erste Theil der Denunziation ebenso gegründet sey, als der zweite ungegründet war, geht schon aus meinem Berichte Nro. 11014, den 13 Vgl. Dok. 164. 14 Bericht Wangenheims Nr. 110 an König Wilhelm I., Frankfurt am Main, 19. Dezember 1817, HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 1293.

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ich über die 57ste Sitzung erstattet habe, hervor, die vollkommene Rechtfer­ tigung meines Benehmens aber werden Euer Excellenz gewiß in der Erin­ nerung an meine, auf das System Seiner Majestät des Königs gegründeten Aufträge und Instructionen finden. Schon einige Zeit vorher, ehe wenigstens ich von meiner Sendung hierher eine Ahnung haben konnte, sprach des Königs Majestät, ohne einen von mir gegebenen Anlaß, als Seine Ueberzeugung aus, daß die Bundesversammlung, wenn Ruhe und Sicherheit in Deutschland erhalten werden solle, sich ernstlich mit der Realisirung des 13ten Artikels der Bundes-Akte beschäftigen müße. Ich konnte nicht anders, als diese auf gewichtigen Gründen beruhende, Ueberzeugung des Königs theilen. Als ich später zum Bundestagsgesandten ernannt wurde, befahl mir des Königs Majestät, aus allen Kräften dahin zu wirken, daß irgend ein Bundesglied mit einem auf die Erfüllung des 13ten Artikels gerichteten Antrage vorangehe. Um ein solches Vorangehen zu erleichtern, sollte ich das Anschließen seiner Majestät versprechen. Zunächst sollte ich zwar auf die Gesandten von Baiern und Baden zu wirken suchen, es ­jedoch auch bei Andern versuchen, wenn jene keine Empfänglichkeit zeigen sollten. Dieser Fall trat, wenn auch nicht gerade von Seiten der Gesandten, doch von der der Höfe ein. Das gieng aus der Art hervor, wie meine kleine Denkschrift über das Dringendste, was der Bund in jetziger Zeit zu thun habe15, aufgenommen wurde. Desto mehr Empfänglichkeit fand ich bei den Gesandten der kleineren Höfe, und namentlich versprach mir der Mecklenburgische, den gewünschten Impuls zu geben. Die Gelegenheit bot sich in der bekannten Erklärung der Mecklenburgischen Höfe bald ganz dar.16 Freyherr von Pleßen hielt sein Wort, wie es einem Mann von Ehre ziemt. Nun frage ich Euer Excellenz, ob ich in einem Augenblike, wo mir noch nichts zugegangen war, was auf eine Aenderung des Systems des Württembergischen Cabinets schließen ließ und wo blos davon die Rede war, daß ich die Initiative in der Versammlung vor der Hand noch nicht nehmen sollte, hätte gegen den Pleßenschen, von mir veranlaßten Antrag und gegen die Verfaßungsfrage überhaupt sprechen können, ohne meine erste Instruction zu verletzen, und den Glauben an den König und, wenn Sie wollen, auch an meine Wahrhaftigkeit zu untergraben? Ich mußte für den Antrag und für die Verfaßungsfrage überhaupt sprechen, das ist sonnenklar. Daß und wie ich es that, habe ich umständlich berichtet17, 15 Vgl. Dok. 150b. 16 Vgl. Dok. 154. 17 Wie Anm. 14.

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und Euer Excellenz werden aus meinem Votum18 ersehen haben, daß ich es auf eine Art that, die des Königs Majestät nicht compromittiren konnte. Erst nachdem ich mich geäußert, erhielt ich den Befehl auf den Pleßenschen Antrag, insofern er auf die Realisirung des 13ten Artikels gerichtet war, zu erklären, daß ich keine Instruction hätte. Da eine solche Erklärung, nach dem, was vorausgegangen war, den Vorwurf der Inconsequenz veranlaßt und den Glauben der Gesandten der Mindermächtigen an die Zuverläßigkeit Württembergischer Zusicherungen getrübt haben würde: so hielt ich mich zu der ebenso ehrerbietigen, als dringenden Bitte an Seine Majestät verpflichtet, mich nicht in die Lage zu setzen, daß ich, keine Instruction zu haben, erklären müßte. Seine Majestät der König hat mir hierauf, wie von Seiner Weisheit vorauszusehen war, unter dem 18ten Januar dieses Jahrs im Voraus (ehe noch eine Antwort von Wien eingegangen war) die Versicherung ertheilt, daß meine Instruction den Verhältnißen und Bedürfnißen der Zeit entsprechen werde und fremde Ansichten und Plane, welcher Art sie auch seyn möchten, den Gesichtspunkt von welchem Höchstdieselbe ausgehen, nicht verrüken werden. Diese ebenso gerechte, als tröstliche Versicherung beweist nun auch, daß des Königs Majestät Ihr System nicht einen Augenblik geändert hatten, und daß mein Benehmen in der 57sten Sitzung nicht blos durch die ursprünglichen Gründe deßelben, sondern auch durch den Erfolg gerechtfertigt sey. Ebendeßwegen aber muß ich mir pflichtmäßig die Erlaubniß ausbitten, Euer Excellenz auf eine Weisung an mich aufmerksam zu machen, die sich, wie mir scheint, mit dem so klar ausgesprochenen System Seiner Majestät des Königs nicht vereinbaren läßt – ich meyne die Weisung, welche mir, in Sachen der Lippe-Detmoldischen Stände gegen die Fürstin von Lippe-­ Detmold, mittelst Recripts vom 15ten Januar dieses Jahrs19 dahin zugieng, zu ­erklären, daß die Bundes-Versammlung in Betreff des von den vormaligen Landständen des Fürstenthums Lippe-Detmold angebrachten Gesuchs, für jezt nicht als zuständig anzusehen sey. Ich will heute und hier gar nicht behaupten, daß die Bundes-Versammlung für die Entscheidung dieses Streits competent sey: allein ich denke verpflichtet zu seyn, meinen Zweifel über das Motiv, warum sie für incompetent zu erklären sey, auszusprechen, und weiterer Prüfung dringend zu empfehlen. „Für alle Competenz-Bestimmung ist die einzige und untrügliche Quelle die Bundesakte“, sagt das Rescript, und ich widerspreche dieser Behauptung nicht, 18 Vgl. Abstimmung Wangenheims zum Antrag Plessens in der vertraulichen 57. DBV-Sitzung vom 18. Dezember 1817 (= Anlage zum Bericht Wangenheims Nr. 110 an König Wilhelm I., Frankfurt am Main, 19. Dezember 1817), HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 1293. 19 Vgl. HStA Stuttgart, E 50/01, Bü 314, No. 37.

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wenn es erlaubt ist, daß ich nicht blos das Wort, sondern auch den Sinn dieser Urkunde, nicht blos als Urkunde, sondern auch die weitere Ausbildung und Entwickelung, die sie durch definitive oder auch durch provisorische Beschlüße erhalten hat, in Anspruch nehmen darf, und, daß man das nicht allein dürfte, sondern sogar müße, wird wohl kein Unterrichteter im Ernste bezweifeln. „Die Bundes-Akte“ – heißt es weiter – „bleibt in ihrem 13ten Artikel dabei stehen, daß sie sagt: ‚In allen Bundesstaaten wird eine landständische Verfaßung statt finden‘ mithin ist die Competenz der Bundesversammlung nur dahin begründet, zu sorgen, daß landständische Verfaßungen bestehen, nicht aber zu bestimmen, wie solche errichtet werden sollen, oder auf welche Art die schon bestandenen den Forderungen der jetzigen Verhältniße angepaßt werden können.“ Ich widerspreche auch dieser Behauptung nicht, wenn es erlaubt ist, hinzuzufügen, daß wenn auch nicht die Bundesversammlung dermalen gesetzgebend einzuschreiten befugt ist, sie doch vermittelnd dafür zu sorgen habe, daß die, den einzelnen Regierungen überlaßene, Gesetzgebung nicht in einer ­solchen Art geübt werde, daß die Erfüllung des 13ten Artikels, so nackt und bloß er auch da steht, selbst unmöglich gemacht werde. Wer an die Möglichkeit denkt, daß irgend eine Regierung, um dem Buchstaben des 13ten Artikels zu genügen, eine Verfaßung gebe, die keine, oder noch etwas Schlimmeres wäre, und deßwegen von den Unterthanen, die doch durch diesen Artikel ihr ursprüngliches Recht auf Verfaßungen bestätigt erhalten haben, nicht angenommen werden könnte, der muß auch eingestehen, daß irgend eine Behörde seyn müße, die das Eludiren20 der Bundesgesetze verhindern, und wo könnte diese Behörde anders gesucht werden, als in der durch den Bund constituirten, an Instructionen gebundenen, Bundes-Versammlung? Wenn nun auch in der Lippe-Detmoldischen Angelegenheit der schlimme Fall nicht eingetreten ist, den ich blos, um die Dringlichkeit einer vermittelnden und endlich auch entscheidenden Behörde, anschaulicher zu machen, als möglich unterstellte, so ist doch nicht zu läugnen, daß auch in diesem Falle, die Erfüllung des 13ten Artikels, für welche der Bund zu sorgen hat, suspendirt bleibt, wenn sich die Bundes-Versammlung zur Annahme der, von den Ständen erhobenen Klage für incompetent erklären müßte. Es wird aber von allen Seiten zugegeben, daß sie nicht suspendirt bleiben, daß Verfaßung in den einzelnen deutschen Staaten ins Leben treten soll. Es sollen Bundesschlußmäßig Verfaßungen überall hergestellt werden. Der Schluß gieng aus der Ueberzeugung der Fürsten hervor, daß Verfaßungen zur 20 Eludieren (von lat. eludere): vereiteln, fruchtlos machen. Vgl. Heyse, Allgemeines verdeutschendes und erklärendes Fremdwörterbuch, S. 227.

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Erhaltung der innern Sicherheit nothwendig seyen. – Nur gute Verfaßungen können den Zweck erreichen. – Wer den Zweck gewollt hat, muß auch die Mittel gewollt haben. Das Mittel, Verfaßungen und zwar gute herzustellen, ist, wenn Streit über die Art der Errichtung entsteht, die vermittelnde Dazwischenkunft des Bundes durch die Bundes-Versammlung, und ohne Anwendung dieses Mittels, kann der Zweck selbst nicht allein nicht erreicht, er kann sogar vernichtet werden. Ich bin daher überzeugt, daß, wenn kein anderes, als das im Rescripte vom 15ten Januar angeführte, Motiv vorhanden seyn sollte, die Bundes-Versammlung sich nothwendig für competent erklären müße. Wenn ich aber diese meine Ueberzeugung unumwunden auszusprechen, pflichtmäßig mich gedrungen fühle, will ich damit die weitere Frage: ob die Fürstin von Lippe-Detmold verbunden erachtet werden könne, die von ihr als nicht aufgehoben erklärte alte Verfaßung in ihrem ganzen Umfange herzustellen, ehe über deren Modifikationen unterhandelt ­werde? keineswegs bejaht haben! Ich glaube vielmehr, daß diese Frage von der Bundes-Versammlung verneint werden müße, und diese Verneinung gar einleuchtend und bündig mo­ tivirt werden könne, sowie ich denn, außer dem Beginnen der Stände in Württemberg, nichts thörichteres kenne, als daß die Lippe-Detmoldischen Stände Unterhandlungen über Modifikationen der alten Verfaßung, die in Wien ausdrüklich, sogar von Hannover, für nothwendig anerkannt wurden, von der Hand wiesen. Die Fürstin hat, nach meinem Dafürhalten, übel daran gethan, daß Sie, den Baiernschen Einflüsterungen folgend, Ihren ersten Vorsatz, die Vermittlung des Bundes nicht nur anzunehmen, sondern zu suchen, aufgab. Uebrigens habe ich allen möglichen Grund zu glauben, daß der Freyherr von Aretin, wenn er in der Commißion, als Referent, den Antrag auf die Nicht-Competenz des Bundes richtet, nicht allein dort, sondern auch in der Versammlung selbst, wird überstimmt werden. Die Majorität wird gewiß ihren Antrag auf eine Vermittlungs-Commißion richten. Indem ich Euer Excellenz dringend ersuche, diese Sache zum Gegenstand einer nochmaligen Prüfung zu machen, benutze ich diese Gelegenheit, die Versicherung der ausgezeichnetesten Hochachtung zu erneuern, mit welcher ich bin, Euer Excellenz ganz gehorsamer Diener Wangenheim

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Preußische Abstimmung über die Vollziehung des Artikels 13

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160. Preußische Abstimmung über die Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte

ProtDBV 1818, 7. Sitzung vom 5. Februar 1818, § 26, S. 61–63. Abstimmung. Druckfassung.1 Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 4, 1817/18, S. 230−234; Ilse, Geschichte der deutschen Bundesversammlung, Bd. 2, S. 146−150.

Das Verfassungsversprechen Friedrich Wilhelms III. vom 22. Mai 1815. Vorrang der Integration der wiedergewonnenen und neuen Gebiete in die preußische Verwaltung. Ankündigung der Einführung von Provinzialständen. Die Verschiedenheit der deutschen Bundesstaaten erfordert unterschiedliche Lösungen in der Frage ständischer Einrichtungen. Der Bundestag könne demgegenüber nur abstrakte Grundsätze hinsichtlich der Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte aufstellen, was dessen Umsetzung eher verzögern als beschleunigen würde. Absicht der preußischen Regierung, die Bundesversammlung nach Ablauf eines Jahres über den Stand und Fortgang der ständischen Einrichtungen in Kenntnis zu setzen

Frankfurt am Main, 5. Februar 1818 Die Anregung, welche von der Mecklenburg-Schwerinischen und Mecklenburg-Strelitzischen Gesandtschaft wegen Erfüllung des 13. Artikels der Bundesakte2, in der 58. Sitzung der Bundesversammlung, am 22. December v. J.3 gemacht worden, ist der Preussischen Regierung kein unwillkommener Anlaß, über diese Angelegenheit sich näher zu äussern. Bis jetzt hat dieselbe hierzu deßhalb keinen Beruf gefühlt, weil sie es vorzog, die Einrichtung ständischer Verfassung in ihren Landen, deren eigen­ thümlichen Lage und Verhältnissen gemäß, auf alle Weise vorzubereiten, statt eine Berathung zu veranlassen, von welcher sie sich, wenigstens für diesen Zweck, keinen Erfolg versprechen konnte. Indeß nun einige Bundesstaaten ihre günstigen Verhältnisse redlich benutzt, und den Artikel 13 bereits in Ausführung gebracht haben4, auch eine Garantie für ihre Verfassung bei dem Bunde suchen, muß es den übrigen, welche bis jetzt noch nicht zu diesem Ziele gelangen können, höchst wünschenswerth seyn, über alles, was von ihnen zur Ueberwindung vorgefundener Schwierigkeiten bereits geschehen oder vorbereitet ist, sich näher auszusprechen, und zugleich den ernsten Willen zu beweisen, daß eine Verheissung, welche von allen Bundesstaaten gegeben worden, auch von allen erfüllt werde. 1 Der Text dieser Abstimmung wurde Goltz durch Reskript Hardenbergs (Engers, 31. Januar 1818) mitgeteilt, dessen Inhalt beide in Engers miteinander besprochen hatten (vgl. GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 782). Das Reinkonzept mit eigenhändigen Korrekturen Hardenbergs befindet sich in GStAPK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 8087, fol. 120–124’. 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513. 3 Vgl. Dok. 154. 4 Vgl. Dok. 146 (Sachsen-Weimar) und Dok. 154 (beide Mecklenburg).

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Frankfurt am Main, 5. Februar 1818

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Seine Majestät der König von Preussen haben, noch ehe die Bundesacte den Grundsatz für alle deutschen Staaten aufgestellt, eine ständische Verfassung der Lage ihres Staates für angemessen erkannt, und die Einführung e­ iner solchen durch eine Verordnung vom 22. Mai 18155 Ihren Landen verkündiget. Nur die Schwierigkeiten aller Art, welche schon bei einer oberflächlichen Betrachtung des Preussischen Staats nicht entgehen können, haben zwar keinesweges die Gesinnungen Seiner Majestät geändert, wohl aber verhindert, daß das Königliche Wort in dem bisher verflossenen Zeitraume in Erfüllung gehen konnte. Ein Krieg, welcher alle Kräfte des Ganzen und der Einzelnen für Freiheit und Selbstständigkeit in Anspruch genommen, war eben beendiget, und hatte, der seegenreichen Folgen des Sieges ungeachtet, in allen Verhältnissen, besonders der nach dem Tilsiter Frieden6 der Preus­sischen Monarchie verbliebenen Provinzen, unendliche Störungen und Verwickelungen, welchen die Regierung ihre ungetheilte Aufmerksamkeit zuwenden mußte, hinterlassen. Verlorne Provinzen waren wieder gewonnen, aber durch neue Institutionen dem Mutterlande entfremdet, ohne die alten klar und deutlich aufgegeben zu haben. Neue Provinzen kamen hinzu, ganz verschieden in den meisten bürgerlichen Einrichtungen. Hierauf brach der neue Krieg vom Jahre 18157 aus, und veranlaßte neue Hindernisse. 5 GS Preußen 1815, S. 103 f. Zu diesem sogenannten zweiten königlichen Verfassungsver­ sprechen und dessen Bruch vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 302−304; Koselleck, Preußen zwischen Reform und Revolution, S. 214−216; Obenaus, Anfänge des ­Parlamentarismus in Preußen, S. 81 ff. 6 Der Frieden von Tilsit (7./9. Juli 1807) beendete den 4. Koalitionskrieg (1806/07). Durch den preußisch-französischen Friedensvertrag vom 9. Juli 1807 verlor Preußen über die Hälfte seines Territoriums mit ca. 5 Millionen Einwohnern, insbesondere alle Besitzungen links der Elbe, die zum größten Teil zur Bildung des neuen Königreichs Westfalen verwandt wurden. An das Königreich Sachsen mußte Preußen den Cottbuser Kreis abtreten sowie die Erwerbungen aus der zweiten und dritten polnischen Teilung, aus denen das Herzogtum Warschau mit König Friedrich August I. von Sachsen an der Spitze gebildet wurde. An Rußland mußte Preußen den polnischen Kreis Bialystok abtreten, und Danzig wurde zur Freien Stadt unter preußischem und sächsischem Schutz erklärt. Durch den Tilsiter Frieden schied Preußen faktisch aus dem Kreis der europäischen Großmächte aus, in den es erst durch die Befreiungskriege und den Wiener Kongreß wieder zurückkehrte. Vgl. Taddey (Hrsg.), Lexikon der deutschen Geschichte, S. 1202; Meyers Taschenlexikon Geschichte, Bd. 6, S. 87. 7 Noch während des Wiener Kongresses war Napoleon am 1. März 1815 in Südfrankreich gelandet und hatte die Herrschaft in Frankreich wieder übernommen. Die vier großen europäischen Mächte erneuerten daraufhin das Bündnis von Chaumont und legten militärische Maßnahmen zur endgültigen Niederringung Napoleons fest. In der Schlacht bei Waterloo (Belle Alliance) erlitt der französische Kaiser dann am 18. Juni 1815 eine vernichtende Niederlage, mußte zum zweiten Mal abdanken und wurde nach der Gefangennahme durch die Engländer auf die Insel St. Helena im Südatlantik verbannt. Der zweite Pariser Frieden (15. November

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Der bisherige kurze Zeitraum reichte kaum hin, die Preussischen Provinzen durch ein allgemein übereinstimmendes Band der Verwaltung an den Staat anzuschliessen. Unter den so dringenden Sorgen für die Gegenwart in den mannigfaltigen Reibungen entgegengesetzter politischer Elemente, in der Unsicherheit, welche eine vollkommene Kenntniß und Aufnahme des Zustandes neuer Provinzen begleiten muß, dürfte sich die Preussische Regierung die Schöpfung ständischer Verfassung, welche keine Zauberworte hervorzubringen vermögen, sondern die nur aus dem Boden gründlicher Erfahrung, aus klarer Kenntniß der Bedürfnisse, und unter der Pflege wechselseitigen Vertrauens wachsen und ein wahres Leben gewinnen kann, in einem zweijährigen Zeitraume nicht als Aufgabe stellen. Sie hat aber nie, was sie einmal für das gemeinsame Wohl als nothwendig erkannt, aus den Augen verloren. Nach der allgemeinen Einrichtung der Provinzial-Behörden in ihren neuen und wiedervereinigten Provinzen hielt sie für den nöthigsten Schritt, der ständischen Verfassung sich zu nähern, daß sie der obersten Verwaltung eine Einrichtung hinzufügte, wodurch recht mannigfaltige Ansichten und Kenntnisse von dem Zustande der einzelnen Provinzen, von Dingen und Personen, in die Summe der Berathung gebracht würden, und so unter vielseitiger Einwirkung, Grundsätze, recht practisch und anwendbar, reifen könnten. Dieß ist durch die Errichtung des Staatsraths geschehen. – Gleich bei dessen erstem Zusammentritt ernannten auch Seine Majestät der König von Preussen aus selbigem eine Commission8, welche sich besonders mit der Berathung über ständische Verfassung beschäftigen sollte. Von ihr sind drei Mitglieder, durch Rang und Würde ausgezeichnet, in die Provinzen ausgegangen, um dort mit sachverständigen Männern Rücksprache zu nehmen, und die Wünsche und Bedürfnisse der einzelnen Lande zu erkundigen.9 Die gesammelten Mate­rialien werden nun bald die Sache dahin vorbereitet haben, daß ständische Provinzial-Einrichtungen wirklich ins Leben treten können, wodurch zur Ausführung der Verordnung vom 22. Mai 1815 der wesentlichste Schritt geschehen seyn wird. 1815) beendete dann diese letzte Phase der sogenannten Befreiungskriege. Vgl. Taddey (Hrsg.), Lexikon der deutschen Geschichte, S. 102 u. 1262 f.; Erbe, Revolutionäre Erschütterung und erneuertes Gleichgewicht, S. 349 f. 8 Die bereits in der Verordnung vom 22. Mai 1815 vorgesehene Verfassungskommission wurde durch Kabinettsorder an den Staatsrat vom 30. März 1817 ins Leben gerufen. Sie bestand aus 22 Mitgliedern des Staatsrats unter dem Vorsitz Hardenbergs, trat aber nur ein einziges Mal am 7. Juli 1817 zusammen. Die Gegensätze innerhalb der Kommission verhinderten eine Entscheidung in der Verfassungsfrage. Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 306 f.; Koselleck, Preußen zwischen Reform und Revolution, S. 288 ff.; Obenaus, Anfänge des Parlamentarismus in Preußen bis 1848, S. 95 f. 9 Die Befragung wurde durchgeführt durch die Minister Karl Friedrich von Beyme (1765−1838), Karl Freiherr vom Stein zum Altenstein (1770−1840) und Wilhelm Anton von Klewitz (1760−1838). Vgl. Obenaus, Anfänge des Parlamentarismus in Preußen bis 1848, S. 96.

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So wird die Preussische Regierung an der Hand der Erfahrung und nach Anleitung des erkannten Bedürfnisses fortschreiten, zuerst feststellen, was das Wohl der einzelnen Provinzen fordert, und dann zu demjenigen weiter gehen, was sie für das gemeinsame Band aller Provinzen in einem Staat für nöthig und angemessen erkennen wird. Da sie sich des ernsten Willens bewust ist, ständische Verfassung in dem Augenblick und in dem Umfang ­eintreten zu lassen, wie selbige eine nur das Wohl der Unterthanen und alle billigen und gerechten Aussprüche der öffentlichen Meinung darüber berücksichtigende Prüfung für angemessen achten wird, so kann auch kein anderer Verzug ihre Bemühungen aufhalten, als welcher aus innern Schwierigkeiten der Sache selbst entspringt. Die große Verschiedenheit der deutschen Bundesstaaten, welche nothwendig auch auf die ständische Verfassung Einfluß äussert, bringt es mit sich, daß über Grundsätze, die für alle passen, und über eine Zeit, wo selbige in jedem Staate in Kraft treten können, eine gemeinsame Berathung auf der Bundesversammlung wenigstens mit Erfolg nicht statt finden kann. Denn nur aus der innersten und genauesten Kenntniß eines jeden Landes, wie sie Eingebornen beiwohnt, aus einer unmittelbaren Berührung der verschiedenen Organe des politischen Lebens eines jeden unter sich, aus einer vertrauensvollen innern Berathung und Verhandlung kann die Grundlage der ständischen Verfassung, die Art und der Moment ihrer Geburt naturgemäß und zum wahren Heil der Sache hervorgehen. Solche Erfordernisse, um ständische Einrichtungen zu berathen und zur Reife zu bringen, finden sich aber in der Bundesversammlung, nach der Weise, wie dieselbe gebildet ist, nicht beisammen. Sie könnte nur abstracte Sätze aufstellen, die ungefähr auf alle paßten; je mehr aber dieß der Fall ist, desto mehr müßte sie sich in einer bloßen Negation halten, welche ganz unfruchtbar für die Anwendung bliebe. Auch würde man kaum dergleichen Sätze aufstellen können, worüber die Meinungen sich vereinigten. Indeß man in dieser Berathung beschäftigt wäre, und sie unter schwankenden oder entgegengesetzten Meinungen sich hinzöge, würden in der Erwartung des Erfolgs daheim in den einzelnen Bundesstaaten die Vorbereitungen gelähmt, und statt einer Beförderung würde sogar eine weitere Verzögerung die Folge von einer solchen Berathung auf dem Bundestage seyn. Ein wahres Gedeihen ständischer Verfassung kann nur da seyn, wo ein aufrichtiger und ernster Wille ist, den Artikel 13 der deutschen Bundesacte zu erfüllen. Diesen kann man bei allen deutschen Staaten voraussetzen, und von sehr vielen ist er auch durch die rühmlichsten Anstrengungen, wenn diese auch bis jetzt noch nicht immer von einem glücklichen Erfolge gekrönt worden, zu allgemeiner Anerkennung bethätiget. Je mehr aber die Erfüllung des Artikels einem jeden Staate zur innern Verhandlung heimgegeben wird, desto angemessener scheint es dem ganzen Ver-

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Herzoglich sächsische Abstimmung über die Vollziehung des Artikels 13

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hältniß des Bundes, welcher zu gegenseitiger innerer und äusserer Erhaltung der Ordnung gegründet ist, daß jeder einzelne Staat von den Fortschritten, welche er in dem Verfassungswerke macht, nach Verlauf eines Zeitraums den Bund in Kenntniß setze. Ist auch das Werk selbst bis dahin noch nicht vollendet, so wird es doch zur eigenen Genugthuung jeder deutschen Regierung gereichen, daß sie für die anderen, welche mit ihrer Aufgabe bereits zu S ­ tande gekommen, und in der allgemeinen Erfüllung des 13. Artikels die wahrhafte Garantie ihres besondern Rechtszustandes erkennen, die Bundesversammlung von den statt gefundenen Hindernissen unterrichte. In dieser Absicht wird die Preussische Regierung es sich angelegen seyn lassen, nach Verlauf eines Jahres von dem Fortgange und der Lage ihrer ständischen Einrichtung den Bund in Kenntniß zu setzen. – Es wäre sehr zu wünschen, daß auch alle übrigen Staaten, welche noch keine Stände haben, sich zu derselben Anzeige, in gleiche[r] Frist, vereinigten. Und diesen Wunsch ist die Preussische Gesandtschaft angewiesen: „hierdurch dringend zu erkennen zu geben.“ Eine Berathung über die Art der Erfüllung selbst des 13. Artikels wird aus den früher bemerkten Gründen als unzeitig erkannt werden.

161. Großherzoglich und herzoglich sächsische Abstimmung über die Garantie der mecklenburgischen Patentverordnung vom 28. November 1817 durch den Deutschen Bund und die Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte

ProtDBV 1818, 7. Sitzung vom 5. Februar 1818, § 26, S. 64–65. Abstimmung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 4, 1817/18, S. 236−238.

Zustimmung zur Übernahme der Garantie der mecklenburgischen Patentverordnung vom 28. November 1817 durch den Deutschen Bund. Der von mecklenburgischer Seite geäußerte Wunsch, daß sich die Bundesversammlung mit der Erfüllung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte beschäftigen möge, wird unterstützt und zugleich für nötig erachtet, daß man sich über allgemeine Grundsätze als Basis aller landständischen Verfassungen einige. Derzeitiger Stand der landständischen Angelegenheiten in den sächsischen Staaten.

Frankfurt am Main, 5. Februar 1818 Von meinen Höfen bin ich angewiesen, dahin zu stimmen, daß der Bund die von dem Großherzoglich-Mecklenburgischen Gesandten in der 58. vorjährigen Sitzung erbetene Garantie der Verordnung und Uebereinkunft, wie es

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g­ ehalten werden solle, wenn Streit zwischen Fürsten und Ständen über die durch die Verfassung bestimmten Verhältnisse entstehe1, übernehme. In Ansehung des von dem Großherzoglich-Mecklenburgischen Gesandten bei dieser Gelegenheit geäusserten Wunsches, daß die Bundesversammlung sich mit Erfüllung des 13. Artikels der Bundesacte2 in der Art beschäftigen möge, wie es in Ansehung des 12. und 14.3 geschehen, bin ich ermächtiget, im Namen meiner höchsten Comittenten, zu erklären, daß Ihnen eine solche, aus der Mitte des Bundes selbst kommende Anregung zu Erfüllung der allen Deutschen in der Bundesacte gegebenen Zusicherungen sehr willkommen gewesen sey; daß Sie es für nöthig halten, sich mit diesem Gegenstande, auch von Seiten der Bundesversammlung, zu beschäftigen, und obgleich nicht alle landständische Verfassungen, wegen der verschiedenen Localverhältnisse, gleich seyn können, sie doch gern dahin mitwirken werden, daß man sich über gewisse allgemeine Grundsätze, als Basis aller landständischen Verfassungen, vereinige. Von des Herrn Großherzogs zu Sachsen-Weimar-Eisenach, Königliche Hoheit, so wie von des Herrn Herzogs zu Sachsen-Hildburghausen, Durchlaucht, ist mir noch besonders befohlen worden, zu erklären, daß Höchstdieselben noch jetzt, wie damals, die in der am 16. November 1814 von Ihren CongreßBevollmächtigten auf Ihren Befehl unterzeichneten Note ausgesprochene Ueber­zeugung in Rücksicht der Rechte hätten, welche den Landständen in den Verfassungen der verschiedenen deutschen Staaten als das Minimum zu verwilligen seyen.4 Da nach dem Antrag, der zu dieser Abstimmung Veranlassung gab, die hohe Bundesversammlung von der dermaligen Lage der landständischen ­Angelegenheiten in Kenntniß gesetzt werden soll, so bemerke ich hierbei noch Folgendes: Die Großherzoglich-Weimar-Eisenachische Grundverfassung5 hat bekanntlich längst die Garantie des durchlauchtigsten Bundes erhalten6. In dem Sachsen-Gothaischen und dem Sachsen-Altenburgischen hat, unter allen Verhältnissen, die landständische Verfassung so fortbestanden, wie unter dem gemeinschaftlichen Ahnherrn der vier Herzoglich-Sächsischen Linien, 1 Vgl. Dok. 154. 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513. 3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513 f. 4 Vgl. die sogenannte Kaisernote der mindermächtigen deutschen Staaten, Wien, 16. November 1814, QGDB I/1, Dok. 128, hier S. 780. 5 Vgl. Grundgesetz über die Landständische Verfassung des Großherzogtums Sachsen-WeimarEisenach, Weimar, 5. Mai 1816, in: Boldt (Hrsg.), Reich und Länder, S. 266−294. 6 Vgl. ProtDBV 1817, 18. Sitzung vom 13. März 1817, § 93, S. 147.

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Herzoglich sächsische Abstimmung über die Vollziehung des Artikels 13

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dem Ernst7, dem die Liebe zu seinen Unterthanen und die Treue, mit der er seine Regentenpflichten übte, den schönen Beinamen des Frommen erwarben.8 Eben so im Sachsen-Meiningischen, mit Ausnahme einiger bei den Erbvertheilungen von andern Landestheilen abgerissenen Aemter, die nun aber auch mit der Meiningischen Landschaft vereiniget werden sollen.9 Uebrigens haben sich die Gothaische und die Meiningische Regierung bis jetzt gescheuet, etwas Wesentliches an dieser Verfassung abzuändern, bei welcher sich Fürsten und Unterthanen so lange wohl befunden haben. Auch im Sachsen-Hildburghäusischen besteht noch die alte ständische Verfassung, doch hat man es für zweckmäsig gehalten, sich mit den Ständen über einige Modificationen zu vereinigen, durch die man theils den Finanzzustand für künftige Zeiten fester zu gründen, theils eine den dermaligen Verhältnissen angemessenere und der öffentlichen Meinung mehr entsprechende Volksvertretung herzustellen beabsichtigt. Diese neue Grundver­ fassung hoffe ich der hohen Bundesversammlung baldigst zur Garantie vorlegen zu können.10 In Coburg haben des Herrn Herzogs Durchlaucht, in Berücksichtigung der Wiener Erklärung vom 16. November 1814, schon unterm 16. März 1816 den Unterthanen die Zusicherung zur Erlangung einer ständischen Verfassung er­ theilt und die Grundlinien derselben vorläufig gegeben, auch bereits durch das Regierungs-Collegium einen Entwurf einer landständischen Verfassung abfassen lassen, durch welchen die vormals getrennten Sachsen-Cobur­ gischen und Sachsen-Saalfeldischen Landschaften mit den übrigen Landes­ theilen in einen landständischen Körper vereiniget werden sollen.11

  7 Ernst I., der Fromme (1601−1675), seit 1640 Herzog von Sachsen-Gotha, begründete nach dem Anfall des größten Teils des Herzogtums Sachsen-Altenburg 1672 das Haus SachsenGotha-Altenburg. Nach seinem Tod wurden die Besitzungen unter den sieben Söhnen aufgeteilt. Vgl. NDB, Bd. 4, S. 622 f.; ADB, Bd. 6, S. 302−308; DBE, Bd. 3, S.161 f.   8 Vgl. Dok. 152, Anm. 23.   9 Sachsen-Meiningen erhielt am 4. September 1824 eine Verfassung. Vgl. Dok. 152, Anm. 25. 10 Sachsen-Hildburghausen erhielt am 19. März 1818 eine Verfassung. Vgl. Dok. 152, Anm. 24. 11 Sachsen-Coburg-Saalfeld erhielt am 8. August 1821 eine Verfassung. Vgl. Dok. 152, Anm. 26.

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162. Goltz an Hardenberg

GStAPK Berlin, III. HA, MdA  I, Nr. 8087, fol. 143–144’. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 24. Februar 1818.1

Die preußische Erklärung in der Bundesversammlung über die Erfüllung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte vom 5. Februar 1818 ist in Frankfurt und Deutschland positiv aufgenommen worden und hat bereits eine merkliche Milderung des gereizten Tons in der Öffentlichkeit zur Folge gehabt. Wenn dieser Effekt anhalten solle, müsse die versprochene Frist zur Abgabe von Erklärungen über den Stand der landständischen Angelegenheiten in den Bundesstaaten eingehalten und die inhaltliche Diskussion auf einzelstaatlicher Ebene weitergeführt werden. Die Anregung Buols in seiner Eröffnungsrede, gleichförmige Grundsätze im Sinne des auf dem Wiener Kongreß diskutierten Minimums landständischer Rechte festzusetzen, ist zwar kürzlich von den großherzoglich und herzöglich sächsischen Häuser unterstützt worden, doch sei mit einer diesbezüglichen Initiative in der Bundesversammlung kaum mehr zu rechnen. Da eine Schlichtung der lippischen Streitsache nicht erfolgen könne, ohne auf Grundsätze in einer Weise einzugehen, die für die landständische Angelegenheiten zum ­Präjudiz werden könnten, schlägt Goltz vor, die Sache an die streitenden Teile zur inneren Ausgleichung zurückzugeben. Hält nun eine ruhige Entwicklung der Landständesache für ziemlich entschieden, da bereits landständischen Verfassungen in nicht unbedeutender Zahl vorliegen und die angebahnte Entwicklung zu einer end­ lichen Erteilung noch ausstehender Verfassungen die gemäßigten Kräfte bedeutend vermehren werde. Außerdem sei eine heilsame Wendung in der Diskussion e­ ingetreten: man beschäftige sich weniger mit den zu gewinnenden Rechten der Landstände gegenüber den Regierungen, sondern wende sich mehr der Frage der richtigen Konstituierung der Stände zu.

Frankfurt am Main, 21. Februar 1818 Die besonderen Vorlegungen, die Erfüllung des 13ten Artikels der BundesAkte betreffend, die ich, in Folge der durch das diesseitige Votum2 geschehenen Einleitung, zu machen, mich demnächst in dem erwünschten Falle zu befinden hoffe, kann ich jetzt, in ehrerbietiger Beziehung auf den dahin ge­ hörigen Inhalt des Protokolls 7ter Sitzung3, mit der Bemerkung eröffnen, daß das diesseits gegebene Beispiel eines öffentlich erklärten, und unverkennbar ausgesprochenen aufrichtigen Wollens eigener Erfüllung, so wie die tiefe Angemessenheit und die erschöpfende Umsicht, die, in allgemeiner Beziehung, den wesentlichen Inhalt des diesseitigen Voti, und jedes Wort seiner Fassung bestimmt haben, hier, so wie in allgemeiner Verbreitung im Umfange Deutschlands, gewiß empfunden und gewürdigt sind, auch, vereinigt mit anderen, von Ew. Durchlaucht, mehr oder weniger unmittelbar ausgegangenen 1 Die Vorlage trägt oben rechts den Kanzleivermerk: „Erledigt durch die Expedition vom 16. Juny 1818“ (= Dok. 167). 2 Vgl. Dok. 160. 3 Vgl. ProtDBV 1818, 7. Sitzung vom 5. Februar 1818, § 26, S. 60−65.

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Goltz an Hardenberg

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Einwirkungen, bereits eine merkliche Milderung des gereizten Tones öffent­ licher Aeußerung zur Folge gehabt haben. Inzwischen wird hier, bei der Bundes Versammlung, nun freylich nicht zu vergessen seyn, daß jenes Votum in der Entfernung hiesiger Beschäftigung mit dem Innern des Gegenstandes, und in der zwar nicht in die Erledigung, doch in die Wirklichkeit der Lokal-Beschäftigung4 gelegten Zeitfrist5 – zwei unzertrennliche Bestandtheile hat, und daß demnach eine förmliche und ausdrückliche Vereinigung, so wie sie am Schluße des Votums dringendst in Antrag gebracht worden, nach bisherigen Erfahrungen allerdings ein noch übriges unerläßliches Erforderniß für den jetzigen Zeitpunkt ist, wenn die erfolgte so wohl bemeßene Einwirkung eine bleibende Spur hinterlassen, und als wirklicher Anfang ordnungsmäßiger Erledigung, so wie sie in dieser näheren Bestimmung zu den unverkennbaren Verpflichtungen der Bundes-Versammlung gehört, zu verdienter Geltung kommen soll. Indessen ich daher auf dasjenige, was für eine Vereinigung dieser Art zu wirken ist, meine besondere Aufmerksamkeit richten werde, kann ich in Ueber­sehung dessen, was in der Angelegenheit überhaupt hier vorliegt, doch nicht unbemerkt lassen, daß, so wie von Oestreich in dem ersten bei Eröffnung der Bundes-Versammlung, gemachten Vortrage6 auf Festsetzung gleichförmiger Grundsätze im Sinne des zu Wien besprochenen Minimums bestimmt gewiesen war, und dieselbe Spur in vielfachen Aeußerungen im Umfange Deutschlands, und zwar meistens von dem achtungswertheren Thei­le der Urtheilenden verfolgt worden, auch unter den jetzt abgestimmt habenden Regierungen von den Großherzoglich- und Herzoglich-Sächsi­schen Häusern ein dahin gerichteter Wunsch nochmals förmlich erklärt worden ist7. Wenn inzwischen im Gange allgemeiner Berathung, in so fern man von Seiten Würtembergs die Sache nicht in solcher Art bestimmter wieder aufnehmen sollte, ein bedeutendes Andringen auf Feststellung eines Minimums nicht leicht mehr zu erwarten seyn dürfte; so kann ich doch nicht unbemerkt lassen, daß die Bundes-Versammlung in einem einzelnen Falle von beiden Theilen sich bereits bestimmt ausgesprochen findet, in das Innere des Gegenstandes, wenn nicht im engeren Sinne, oder nach den beizulegenden Rechten, doch in so weit einzugehen, als ein stattfindender Streit in Betreff der Constituirung der Landstände nach den Bestandtheilen so wie über die Form, nach welcher alte landständische Verfassungen gegenwärtig modifizirt werden ­sollen, der Bundes-Versammlung zur Beylegung übergeben ist. Es ist Solches 4 „Beschäftigung“ doppelt unterstrichen. 5 Doppelt unterstrichen. 6 Vgl. Dok. 100. 7 Vgl. Dok. 161.

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in der Lippischen Streitsache8 geschehen, in welcher auf Anlaß der zuerst von Seiten der Stände erfolgten Beschwerde unter dem 13ten October v. J. berichtet worden, und in welcher nun durch eine jetzt erfolgte ausführliche Vorlegung von Seiten der Fürstin alles Erforderliche zur Beurtheilung vollständig vorliegt. Im Zusammenhange der jetzt erfolgten allgemeinen Wendung des Gegenstandes scheint nun irgend eine specielle Eingehung in diesen besondern Streit allerdings unangemessen und schwierig, indem derselbe nicht untersucht und geschlichtet werden kann, ohne in Grundsätze auf eine Weise einzugehen, die für die Landstände-Sache überhaupt zum Präjudiz in irgend einer Art ausfallen, und den allgemeinen Gegenstand aus dem Geleise bringen würde, in welchen derselbe jetzt wenigstens für ein nächstes Jahr gebracht werden soll, so wie denn auch die hiesige Eingehung in diesen besondern Fall wahrscheinlich sehr bald mehrere ähnliche und leicht noch schwierigere Anbringungen zur Folge haben, demnach, was im Allgemeinen hier einstweilen vermieden worden, dennoch im Besonderen hierher verlegt werden dürfte. Meines Erachtens würde daher von der Bundes-Versammlung die dermalige Bemühung in dieser Angelegenheit für’s Erste noch dahin zu richten seyn: 8 Im Fürstentum Lippe hatte sich die altständische Vertretung, bestehend aus Ritterschaft und Städten, bis zum Untergang des Alten Reiches erhalten können. Während der Rheinbundzeit wurde der Landtag zwar nicht mehr einberufen, doch scheute Fürstin Pauline, die für ihren minderjährigen Sohn Leopold das Land regierte, vor einer förmlichen Aufhebung der alten Verfassung zurück. Nach dem Untergang des Rheinbundes 1813 forderten die Landstände die Einberufung des Landtags, der sich die Fürstin jedoch widersetzte. Statt dessen ließ sie einen Verfassungsentwurf ausarbeiten, der dem bislang ausgeschlossenen Bauernstand ein Repräsentationsrecht gab. Die Stände lehnten diesen Verfassungsentwurf entschieden ab und legten dem Bundestag ihre Position in Form einer umfangreichen „Darstellung“ dar und forderten eine vollständige Wiederherstellung der alten Verfassung. Die Regierung antwortete darauf mit einer Gegendarstellung, woraufhin es zu einem langwierigen Streit kam, den die Fürstin durch Oktroyierung einer neuen Verfassung beendete. Die Verfassung vom 8. Juni 1819 hob die altständische Versammlung auf und ersetzte sie durch einen ungeteilten Landtag, bestehend aus je sieben Vertretern von Ritterschaft, Städten und Bauernstand, die nun die Gesamtheit des lippischen Landes repräsentieren sollten. Dessen Kompetenzen waren allerdings eng begrenzt im Vergleich zu den süddeutschen Repräsentativverfassungen. Die alten Stände appellierten daraufhin an den Bundestag und konnten dort in der Zeit der restaurativen Wende 1819/20 eine Suspension der neuen Verfassung durch die Fürstin erreichen. Unmittelbar nach dem Tod Paulines 1820 nahm ihr Sohn Fürst Leopold II. zwar neue Verhandlungen mit den Ständen auf, doch kam es erst 1836 zu einer Einigung. Davon profitierte in erster Linie die Ritterschaft, die durch Teilung des Landtags in zwei Kurien (Ritterschaft; Städte und Bauernstand) außer in Budgetfragen wieder eine dominierende politische Stellung erlangte. Der rückständige Charakter der lippischen Verfassung von 1836 zeigte sich im übrigen auch in der Regelung der landständischen Kompetenzen. Vgl. Ilse, Geschichte der deutschen Bundesversammlung, Bd. 2, S. 184−236; Kiewning, Fürstin Pauline zur Lippe 1769−1820, S. 536−594; ders., Hundert Jahre lippischer Verfassung 1819−1919, S. 5−89; Ehrle, Volksvertretung im Vormärz, T. 1, S. 182−188; Engelbert, Der Konstitutionalismus in den deutschen Kleinstaaten, S. 111 f.

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daß dieselbe unter möglichst allgemein gehaltenen Empfehlungen und Andeutungen, wenigstens für jetzt nochmals an die streitenden Theile zu thunlicher innerer Ausgleichung zurückgegeben würde, indem diese Wendung durch die Wendung der allgemeinen Angelegenheit nunmehr füglich motivirt werden könnte. Die Schrift der Lippischen Stände9, war übrigens als Eingabe eines hiesigen Bevollmächtigten10, der Eingaben-Commission zur Begutachtung übergeben; und befand sich von Seiten dieser in den Händen des Königlich-Baierschen Gesandten, in welchen sie, wie vorauszusehen war, seit Eintritt der Sommer-Ferien, ganz unberührt verblieben ist. Nach jetzt erfolgter Deduction von Seiten der Fürstin11 dürfte aber der Gegenstand wohl angemeßener zur Erwägung einer besondern Commission sich eignen, wenn nicht eine nochmalige allgemeinere Zurückgabe der Differenz an die streitenden Theile in obiger Art einzuleiten und kürzlich zu beschließen wäre. Im Allgemeinen scheint übrigens eine ruhige Entwickelung der Landstände-Sache im Umfange Deutschlands nunmehr wohl ziemlich entschieden, da Beispiele derselben jetzt in nicht unbedeutender Zahl bereits vorliegen, und die hier jetzt hoffentlich gesicherte Wendung einer, die Regierungen zwar nicht drängenden, doch aber für eine endliche Ertheilung gewährleistenden Frist, bei dem Charakter der Nation zureichen dürfte, die Zahl gemäßigter Theilnehmer an dieser Entwickelung bedeutend zu vermehren; so wie man es denn auch wohl für eine heilsame Wendung in dem Ideengange über diese Angelegenheit rechnen darf, daß man sich neuerlich weniger damit beschäftigt, zu gewinnende Rechte der Regierung gegenüber zu zählen, als eine in dem Interesse der Regierungen und der Völker gleich begründete richtige Constituirung der Stände nach den Bestandtheilen zu erwägen. Goltz   9 Geschichtliche und rechtliche Darstellung der in dem Fürstlich Lippe-Detmoldischen Lande rechtmäßig und vertragmäßig bestehenden jedoch dem Lande vorenthaltenen Landständischen Verfassung und der pflichtmäßigen aber vergeblichen Schritte der Landstandschaft die Wiederherstellung derselben herbeizuführen. Der Hohen Deutschen Bundes-Versammlung mit angehängter Bitte ehrerbietigst überreicht von dem Bevollmächtigten der Landstände von Ritterschaft und Städten des Fürstenthums Lippe-Detmold. Frankfurt am Main 1817 (Druckschrift, 56 Seiten). Vgl. GStAPK Berlin, III. HA, MdA I, Nr. 8087, fol. 69−96’. 10 Johann Friedrich Heinrich Schlosser. 11 Christian Gottlieb Clostermeier, Kritische Beleuchtung der von Seiten der Landstände von Ritterschaft und Städten des Fürstenthums Lippe der hohen Deutschen Bundesversammlung übergebenen Druckschrift unter dem Titel: Geschichtliche und rechtliche Darstellung der in dem Fürstlich Lippe-Detmoldischen Lande rechtmäßig und vertragmäßig bestehenden jedoch dem Lande vorenthaltenen Landständischen Verfassung und der pflichtmäßigen aber vergeblichen Schritte der Landstandschaft die Wiederherstellung derselben herbeizuführen. Lemgo 1817. Vgl. Kiewning, Fürstin Pauline zur Lippe, S. 556 Anm. 1.

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Frankfurt am Main, 23. Februar 1818

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163. Nassauische Abstimmung über die Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte

ProtDBV 1818, 11. Sitzung vom 23. Februar 1818, § 40, S. 112–117. Abstimmung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 5, 1818, S. 15−20; Ilse, Geschichte der deutschen Bundesversammlung, Bd. 2, S. 154−160 (ohne den ersten Absatz).

Die individuelle historische Entwicklung und Struktur der deutschen Staaten bedingt unterschiedliche Lösungen in der landständischen Verfassungsfrage. Unmöglichkeit für diejenigen Bundesstaaten, in welchen landständische Verfassungen neu gegeben oder restauriert werden sollen, einen festen Termin für die Eröffnung der Landstände festzusetzen, da hier die Reorganisation der Staatsverwaltung und die Herstellung eines wechselseitigen Vertrauens zwischen Regierung und Regierten der Einberufung landständischer Versammlungen vorausgehen muß, damit die landständische Ver­ fassung heilsame Wirkungen entfalten kann. Ankündigung der in wenigen Tagen erfolgenden Eröffnung der ersten nassauischen Ständeversammlung und damit Voll­ ziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte durch das Herzogtum Nassau.

Frankfurt am Main, 23. Februar 1818 Ueber die Vollziehung des 13. Artikels der Bundesacte in den einzelnen deutschen Staaten, welche von den Großherzoglich-Mecklenburgischen Höfen in Anregung gebracht worden ist1, versäumt man von Herzoglich-Nassauischer Seite nicht, sich in allgemeiner Hinsicht sowohl, als in besonderer auf das Herzogthum Nassau, dem gefaßten Beschlusse gemäß zu äussern. Wenn wir die einzelnen deutschen Bundesstaaten betrachten, so stossen wir überall auf die größten Verschiedenheiten, welche einen Jeden dieser Staaten auf das bestimmteste individualisiren. Diese Verschiedenheiten sind bekanntlich hervorgegangen, in ihrem Ursprunge, aus abweichenden Sitten, Gewohnheiten und Bildungsstufen der einzelnen deutschen Volksstämme. Durch die, Jahrhunderte lang fortgesetzte politische Trennung dieser Volksstämme, sind diese ursprünglichen Abweichungen in dem Laufe einer langen Zeit noch vergrößert worden. Dieser Trennung verdanken bekanntlich die Deutschen eine vielseitigere Volksbildung, als man sie anderwärts in größern geschlossenen Staaten finden wird. Eben darum muß aber auch das Institut der Landstände, welches nur als Resultat früherer geschichtlichen Verhältnisse, und insbesondere früherer Verwaltungs-Einrichtungen, die aus jenen hervorgegangen sind, betrachtet werden kann, in jedem einzelnen Staate eigenen, und selbst den abweichendsten Modificationen unterliegen. 1 Vgl. Dok. 154.

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Nassauische Abstimmung über die Vollziehung des Artikels 13

Nr. 163

Hierauf gründet sich die, alle Eigenheiten im Einzelnen, in Beziehung auf Landstände, zulassende einfache und kurze Redaction des 13. Artikels der Bundesacte. „In allen Bundesstaaten wird eine landständische Verfassung statt fin­den.“2 Nur bei denjenigen Staaten, die in Gemäßheit dieses und des damit in Verbindung zu setzenden 14. Art. der Bundesacte3 landständische Verfassungen einführen werden, lassen sich, in Hinsicht auf Zusammensetzung und Befugnisse der Stände, mehrere Uebereinstimmungen, als bei denjenigen, in welchen das Institut der Stände schon besteht, erwarten, weil die Stände dieser Staaten einerlei geschichtlichen Ursprung haben werden, während die geschichtliche Entstehung der schon vorhandenen ältern deutschen Stände eben so verschieden ist und bleiben muß, als die Individualität der Staaten, denen sie angehören. Die ältern Landstände sind bekanntlich in dem Mittelalter, oder bald nach demselben, aus der alten Lehnsverfassung, aus den Verträgen, unter welchen mehr oder weniger zuvor unabhängige Herren, Edelleute, Geistlichkeit oder Städte, sich einem Fürsten unterwarfen; aus dem Bedürfniß der Fürsten, Steuern zu erheben, oder auch aus von den Fürsten ihren Vasallen oder Unterthanen bei verschiedenen Veranlassungen ertheilten Privilegien, Freiheitsbriefen, Familiengesetzen und letzten Willens-Dispositionen hervorgegangen. Ihre Entstehung ist also eben so verschieden, wie die Geschichte der einzelnen deutschen Territorien. Ein längerer oder kürzerer Zeitraum hat diese, schon durch ihren Ursprung sich unendlich unterscheidenden Verfassungen nach und nach zu ihren gegenwärtigen Gestalten umgebildet, die, wie es früher schon geschehen, auch noch ferner die Bedürfnisse der Staaten und ihrer Bewohner weiter modificiren und abändern werden. Die ältern ständischen Verfassungen aller deutschen Staaten tragen daher, in ihrer innern Organisation, Spuren ihrer geschichtlichen Entstehung, und diese dürften sich in der Zukunft leicht eher verstärken, als verwischen. Die neuen landständischen Verfassungen in denen Staaten, die noch keine Stände haben, oder in welchen die ältern in der früheren Form nicht mehr fort existiren können, und in welchen sie, in Gemäßheit der Artikel 13 und 14 der Bundesacte, erst eingeführt werden, haben dagegen, wie schon bemerkt worden ist, einen ähnlichen geschichtlichen Ursprung, und daraus werden einige Uebereinstimmungen in den ständischen Verfassungen dieser Staaten hervorgehen, die aber doch darum auch bei ihnen die Verschiedenheiten nicht überwiegen werden, weil auch hier die neuen Verfassungen der Individualität 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513. 3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513–1515.

Nr. 163

Frankfurt am Main, 23. Februar 1818

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e­ines jeden solchen Bundesstaats, oder der einzelnen Provinzen desselben, da, wo nur Provinzial-Stände neu eingeführt werden können, seinem oder ­seiner Provinzen gegenwärtigen Bildungszustande und den Bedürfnissen des gegenwärtigen Zeitalters im allgemeinen entsprechen, auch alle diese Verfassungen von den Regenten gegeben werden müssen: indem hier von mit dem Volke oder Magnaten abzuschliessenden neuen Staatsgesellschafts-Verträgen (die bekanntlich nur in der Theorie, niemals aber in der Wirklichkeit existirt haben, und da, wo man sie in die Wirklichkeit rufen wollte, überall eine Quelle unabsehbaren Unglücks geworden sind) niemals die Rede seyn kann. Hieraus folgt weiter, daß es unmöglich erscheint, für die einzelnen Bundesstaaten, in welchen landständische Verfassungen neu gegeben oder restaurirt werden sollen, einen Zeitraum zu bestimmen, innerhalb welchem die wirk­ liche Eröffnung solcher Versammlungen, wenn sie ihrem Zweck entsprechen und nicht nachtheilig wirken sollen, geschehen kann. Dieses ist schon in der Königlich-Preussischen Abstimmung4 über diesen Gegenstand auseinandergesetzt, und so gründlich entwickelt worden, daß es überflüssig wäre, sich hierüber weiter zu verbreiten. Man glaubt nur noch auf folgende, vielleicht nicht minder wichtige Betrachtungen aufmerksam machen zu müssen: Unter die Vortheile, welche Stände den Staaten, wo sie noch nicht existiren und erst eingeführt oder erneuert werden müssen, bringen werden, wird bekanntlich Vereinfachung des Ganges der bestehenden Verwaltungen nicht gehören. Die Verwaltungen werden vielmehr durch ihre Einwirkungen in mancher Hinsicht verwickelter und schwieriger werden, und darum ist es unerläßliche Bedingung für die Regierungen, diesem neuen Elemente in dem Staats-Organismus die Verwaltung im voraus anzupassen, wenn nicht Verwirrung und Hemmungen aller Art entstehen, oder Stände nur dem Namen nach und nicht mit nütz­ licher Wirksamkeit auf des Landes Wohl organisirt werden sollen. Solche Anordnungen fordern aber bald einen längern, bald einen kürzern Zeitraum in jedem einzelnen Staat, und erscheinen nirgends als eine leicht zu lösende Aufgabe. Die Schwierigkeit in der Ausführung und Lösung dieser Aufgabe wird in den meisten Staaten, wo Stände neu errichtet werden, gegenwärtig durch das eigne Verhältniß noch erhöht, daß diese Staaten beinahe durchgehends nicht aus Staatsgebieten bestehen, deren Theile längst verbunden waren, sondern, daß sie vielmehr solche Staaten sind, deren Staatsgebiet durch die Begebenheiten der neuern Zeit erst neu gebildet und neu begrenzt worden ist. Die Bewohner dieser Länder sind daher überall, wo dieser Fall eintritt, nicht gewohnt, ein gemeinschaftliches Landes- oder Provinzial-Interesse zu 4 Vgl. Dok. 160.

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Nassauische Abstimmung über die Vollziehung des Artikels 13

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verfolgen. Die Spuren älterer Verhältnisse sind in der Erinnerung nicht verwischt. Durch kaum vorübergegangene langwierige Kriege sind dem allgemeinen Wohlstande tiefe Wunden geschlagen worden, die Viele mit Unrecht mehr als Wirkungen der neuen politischen Veränderungen anzusehen geneigt sind, als der Begebenheiten, von welchen sie wirklich herrühren. Dadurch entsteht häufig Abneigung gegen die neue Regierung, die noch dadurch vermehrt wird, daß insbesondere in den südlichen Staaten Deutschlands, die in dem Fall sind, Stände neu zu errichten, viele ihrer angesehensten Einwohner und Staatsangehörigen in ihren frühern Rechten, in den Vortheilen, die ihnen persönliche Unabhängigkeit und Freiheit ihrer Besitzungen von neu auf sie gelegten Lasten gab, sich gekränkt fühlen müssen; indem ihnen eine neue, in ihren bleibenden Folgen noch unentwickelte Ordnung der Dinge dasjenige bisher noch nicht ersetzen konnte, was ihnen ein früherer unabhängiger Zustand gab. Hieraus, und aus mehreren andern mitwirkenden Ursachen, ist gerade in den Staaten, wo ständische Verfassungen neu eingeführt werden sollen, ein Zustand und eine Stimmung einer zahlreichen Classe der Einwohner hervorgegangen, die der Gründung eines politischen Instituts nichts weniger als günstig erscheinen dürfte, welches als nothwendige Vorbedingung wechselseitiges Vertrauen zwischen Regierung und Regierten unterstellt, wenn es anders heilsame Wirkungen hervorbringen soll. In eben diesen Ländern sind auch die Begriffe der Mehrzahl der Einwohner über das, was ständische Verfassungen seyn und was sie wirken sollen, noch nicht geordnet, und das eben geschilderte Verhältniß mancher, unter ihren einflußreichsten und angesehensten Bewohnern zu den Regierungen, trägt nicht dazu bei, diese Begriffe in dem gegenwärtigen Moment zu berichtigen. Allgemein verbreitet ist das Vorurtheil, daß Stände und Regierung ein von einander abweichendes Interesse zu verfolgen haben, mithin die Stände in den ständischen Versammlungen, wenn auch nicht gerade der Regierung feindselig gegenüber zu stehen, doch die Rechte des Volks gegen die Angriffe der Regierungen zu vertheidigen, vorzüglich durch ihre Institution selbst bestimmt seyen. Dieses Vorurtheil wird noch dadurch bestärkt, daß wirklich in manchen Ländern, wo frühere ständische Verfassungen bestanden haben und noch bestehen, die Stände gegen die Regierungen solche Stellungen angenommen haben, und häufig in sie nothwendig versetzt werden mußten, weil ihnen ihre Bestimmung nicht klar vorschwebte, und sie hier und da von irrigen Voraussetzungen ausgehend, oder durch ihnen verfassungsmäsig eingeräumte Rechte dazu veranlaßt, in die Ausübung der Staatsverwaltung einzugreifen versucht haben, wodurch bekanntlich in dem Princip der wahre Standpunct der Stände, Fürsorge für die verfassungsgemäße Wirksamkeit der Landesver­

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Frankfurt am Main, 23. Februar 1818

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waltung, verrückt wurde, und immer ein Kampf entstehen mußte, der den ­ egierten und der Regierung gleich nachtheilig wird. Die Zeit, aber auch die R Erfahrung und Uebung werden diese Begriffe berichtigen, die Einwohner werden sich davon überzeugen, daß Regierung und Stände nur ein gemeinschaftliches Interesse haben, daß, indem die Verfassung den Ständen das Recht der öffentlichen Fürsorge für die Wirksamkeit der Verwaltung in Gemäßheit der gegebenen Verfassung in ihrer Thätigkeit wirklich einräumt, und die Art der Ausübung dieses Rechts bestimmt, schon durch die Existenz dieser ständischen Befugnisse und ihrer möglichen und leichten Ausübung durch die Stände die Regierungen werden verhindert werden, auch wenn sie dazu Neigung haben könnten, ihre Gewalt zu mißbrauchen oder auf Abwege zu gerathen; so, daß die Fälle zu den höchst seltenen und aus­sergewöhnlichen sicher gehören werden, wo Stände und Verwaltung, anstatt sich wechselseitig aufzuklären, nur gleiche Zwecke zu verfolgen, und in den ihnen durch die Natur der Verhältnisse und die Verfassungen bestimmten Schranken ­stehen zu bleiben, sich feindselig gegenüber stehen, und in offene Fehden ­fallen. Zeit, Erfahrung und Uebung werden die schwierige Bahn ebnen5. Darum ist es nicht zu verkennen, daß die vorliegenden ungünstigen Verhältnisse um so schneller werden überwunden werden, wenn die Regierungen, welche neue landständische Verfassungen anzuordnen haben, unter Beobachtung alles dessen, was Vorsicht fordert, mit Vertrauen den Erwartungen der Unterthanen in dieser Beziehung entgegen gehen, und die Eröffnung der Landstände nicht zu sehr verzögern. Denn auch bei dieser Gelegenheit wird sich der gerade biedere Sinn der Deutschen, die Wirkung ihrer vielseitigen Bildung aussprechen, und vorgefaßte Meinungen und unrichtige Ansichten werden bald um so gewisser verschwinden, als auch unsere Regenten nicht Zwecke zu verfolgen gewöhnt sind, die mit dem Wohl der Regierten sich nicht vereinigen lassen. Was insbesondere das Herzogthum Nassau anlangt; so haben die verstorbenen Regenten schon in der zweiten Hälfte des Jahres 1814 und vor Eröffnung der Unterhandlungen des Wiener Congresses, nachdem allen Einwohnern verfassungsmäsige Rechte bereits früher eingeräumt waren, dem Lande zu deren Aufrechthaltung auch eine Vertretung durch Landstände gegeben, von deren Form und Natur eine hohe Bundesversammlung durch die mit gegenwärtiger Abstimmung übergeben werdenden Edicte vom 1. und 2. September 18146, und 3. und 4. November 18157 man in Kenntniß zu setzen nicht ver­ 5 Emendiert. Vorlage: ebenen. 6 Nassauische Verfassung vom 1./2. September 1814, VBl. Nassau 1814, S. 67–73. 7 Nassauisches Edikt über die Neueinteilung der Wahlbezirke und die Festsetzung des Wahlzensus in den neuerworbenen Gebieten vom 3./4. November 1815, VBl. Nassau 1815, S. 136 f.;

766

Nassauische Abstimmung über die Vollziehung des Artikels 13

Nr. 163

säumt. Große Territorial-Veränderungen, als Folge der Wiener Congreßbeschlüsse, und die Einführung einer gleichen Verwaltung für das ganze neu gebildete Land, in finanziellen und andern Beziehungen, aus welcher erst ein übereinstimmendes Landes-Interesse für die Einwohner des Landes, welches die Stände zu beobachten und in ihrem Wirkungskreise verfassungsmäsig zu befördern und weiter auszubilden berufen sind, hervorgehen konnte, hatten die frühere Zusammenberufung bis jetzt unmöglich gemacht.8 In wenigen Tagen wird aber, nachdem die unerlässigen Anordnungen, durch welche jede zweckmäsige Wirksamkeit einer Ständeversammlung bedingt erscheint, in dem Laufe der letzt verflossenen zwei Jahre getroffen worden sind, die erste ständische Versammlung eröffnet9, und dadurch die Bestimmungen des 13. Art. der Bundesacte und der hierauf sich beziehenden Vorschriften des 14. Artikels erfüllt werden. Seine Herzogliche Durchlaucht sind zu der Hoffnung berechtigt, daß die Thätigkeit der neuen ständischen Versammlung Höchstihrer Erwartung und der des Landes entsprechen und dadurch sich Ansprüche auf eine besondere aufmerksame Theilnahme dieser hohen Versammlung an ihren Verhandlungen um so mehr erwerben wird, als diese Ständeversammlung die erste ist, die nach der Constituirung des deutschen Bundes in einem Lande eröffnet wird, welches aus Theilen zusammengesetzt ist, von welchen keiner dieser Theile sich einer ihm eigenen landständischen, noch bestehenden, abgesonderten Verfassung zu erfreuen hatte. Die Anlagen wurden unter den Zahlen 7 und 8 diesem Protokolle beigefügt.10



Nassauisches Edikt über die neue Zusammensetzung der Herrenbank vom 3./4. November 1815, VBl. Nassau 1815, S. 137 f.   8 Zu den umfassenden Verwaltungsreformen in Nassau 1815−1818 vgl. Treichel, Primat der Bürokratie, S. 119−236.   9 Die nassauische Ständeversammlung trat am 3. März 1818 erstmals zusammen. Zum ersten Landtag vgl. Schüler, Das Herzogtum Nassau 1806−1866, S. 88−94. 10 Vgl. ProtDBV 1818, 11. Sitzung vom 23. Februar 1818, Beilagen 7 und 8, S. 129−136.

Nr. 164

Frankfurt am Main, 6. April 1818

767

164. Österreichische Abstimmung über die Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte

ProtDBV 1818, 15. Sitzung vom 6. April 1818, § 79, S. 205−206. Abstimmung1. Druckfasssung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 5, 1818, S. 126 f.; Ilse, Geschichte der deutschen Bundesversammlung, Bd. 2, S. 167−169

Artikel 13 der Bundesakte muß ausgeführt werden. Er bestimmt, daß in allen deutschen Staaten ständische Verfassungen bestehen müssen und folglich da, wo es keine gibt, solche eingeführt werden. Dieses an keinen bestimmten Zeitpunkt gebundene Versprechen soll sobald und so gut wie möglich erfüllt werden, den Regierungen billigerweise aber die dazu erforderliche Zeit vergönnt werden. Wunsch der meisten Regierungen, diese vaterländische Angelegenheit nach den individuellen Verhältnissen ihrer Staaten festzustellen; um der ständischen Verfassung eine sichere Grundlage zu geben, müssen vorher aber die verschiedenen Gebietsbestandteile zu einem Ganzen verbunden werden. Beitritt Österreichs zu dem preußischen Antrag, daß die Bundesversammlung binnen Jahresfrist von den weiteren Einleitungen und erzielten Resultaten in Kenntnis gesetzt werde.

Frankfurt am Main, 6. April 1818 Seine Kaiserliche Majestät haben durch Allerhöchstdero Gesandtschaft am Bundestage in der Sitzung vom 16. Februar dem Antrage der GroßherzoglichMecklenburgischen Höfe, das mit ihren Ständen am 28. November vorigen Jahres abgeschlossene Staatsgesetz unter die Garantie des Bundes zu stellen, Allerhöchstdero Zutimmung ertheilt.2 Die Kaiserlich-Königliche Gesandtschaft ist nunmehr in den Stand gesetzt, auch die damals noch vorbehaltene Erklärung über die Vollziehung des 13. Artikels der Bundesacte3 abzugeben. Als zur Zeit der Wiener Congreßverhandlung, und insbesondere bei der damaligen Erörterung der Bundesacte, die im Laufe der Zeitereignisse und vielfältiger Territorial-Veränderung bewirkte Auflösung der einzelnen ständischen Verfassung in Deutschland in Anregung kam, schon damals haben sich Seine Majestät der Kaiser über diesen Gegenstand in einer Art erklärt, welche über Allerhöchstdero Ansichten keinem Zweifel Raum lassen konnte. Der Artikel 13 der Bundesacte war eines der Resultate der damaligen Vereinigung der Fürsten und freien Städte. Er besteht; er muß demnach ausgeführt werden, d. h., es sollen, es müssen in allen deutschen Staaten ständische Verfassungen bestehen, und folglich da, wo es deren keine giebt, eingeführt werden. 1 Der Text dieser Abstimmung wurde Buol von Metternich mit Schreiben, Wien, 31. März 1818, übersandt. Vgl. HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Kart. 2, Fasz. 1 (Weisungen 1818), Konv. 2 (Ministerialreskripte 1818), fol. 106 (die Anlage, der hier abgedruckte Text, fehlt jedoch). 2 Vgl. ProtDBV 1818, 9. Sitzung vom 16. Februar 1818, § 32, S. 72 f. 3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513.

768

Österreichische Abstimmung über die Vollziehung des Artikels 13

Nr. 164

In der Natur eines an keinen bestimmten Zeitpunct gebundenen Versprechens liegt, daß dessen Erfüllung sobald und so gut als möglich statt finde. Die Weisheit der Regierung, und ihr, von dem der Regierten unzertrennliches Interesse fordern, daß man in einer Angelegenheit von so großem Gewichte nach dem Besten, was unter den gegebenen Umständen erreichbar ist, strebe. Es unterliegt daher keinem Zweifel, daß die Vorschrift des 13. Artikels der Bundes­acte in allen den Staaten, wo landständische Verfassungen noch nicht eingeführt oder die früher bestandenen zu Grunde gegangen sind, in ihrem wahren Sinn und Zweck vollzogen werden muß. So wünschenswerth aber auch, zur gemeinschaftlichen Beruhigung der Regenten und der Völker, die möglichste Beschleunigung der auf die landstän­ dischen Verfassungen Bezug habenden Vorarbeiten seyn mag; so billig ist es jedoch, daß den Regierungen zur reifen und erschöpfenden Behandlung eines nicht bloß für die Gegenwart, sondern für die ganze Zukunft so wichtigen Geschäftes die erforderlich Zeit vergönnt werde. Seine Majestät hielten es nicht ausser dem Kreise der Geschäftsbeförderung in dem Präsidial-Vortrage vom 11. November 18164, die Voraussetzung aufzunehmen, daß die nähere Erörterung der Sache durch die Bundesversammlung hätte gewünscht werden können; da indessen, seit jener ersten Eröffnung, die meisten der Regierungen den Wunsch zu erkennen gegeben haben, diese vaterländische Angelegenheit nach den individuellen Verhältnissen der einzelnen Staaten zu behandeln und festzustellen, da insbesondere diejenigen Staaten, welche durch die Entscheidungen des Congresses bedeutende Territorial-Veränderungen erfahren hatten, allerdings damit anfangen müßten, ihren neuen Wirkungskreis kennen zu lernen, die gerechten Ansprüche ihrer alten und neuen Unterthanen gegen einander abzuwägen, und die verschiedenen Bestandtheile ihres Gebiets zu einem regelmäsigen Ganzen zu verbinden, um dem aufzuführenden Gebäude eine sichere Grundlage zu geben5; so sprechen Seine Majestät, im Gefühle Ihres vollesten Vertrauens in die Weisheit der Regierungen, den aufrichtigen Wunsch aus, daß der 13. Artikel der Bundesacte in den Staaten, welche noch in dem Fall sind, ihn zu erfüllen, auf eine seinem hohen Zweck angemessene Weise zu Vollziehung gebracht, und jede nicht in der Sache gegründete Verzögerung vermieden werden möge. Seine Majestät treten übrigens dem Königlich-Preussischen Antrage6, daß binnen Jahresfrist die Bundesversammlung von den ferneren Einleitungen, und, wo möglich, von deren endlichen Resultate in Kenntniß gesetzt werde, vollkommen bei.

4 Vgl. Dok. 100, S. 427 f. 5 Vgl. Dok. 160, S. 752. 6 Vgl. Dok. 160, S. 754.

Nr. 165

Frankfurt am Main, 4. Mai 1818

769

165. Niederländisch-luxemburgische Abstimmung über die Garantie der mecklenburgischen Patentverordnung vom 28. November 1817 durch den Deutschen Bund und die ­Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte

ProtDBV 1818, 22. Sitzung vom 4. Mai 1818, § 106, S. 266–268. Abstimmung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 5, 1818, S. 218−220; Ilse, Geschichte der deutschen Bundesversammlung, Bd. 2, S. 178−179 (gekürzt).

1. Zustimmung zu der erbetenen Garantie der mecklenburgischen Verfassungsordnung vom 28. November 1817 durch den Deutschen Bund, da diese der Bundesakte nicht widerstreitet und nur solche Bestimmungen derselben betrifft, welche die Bundesversammlung ohnehin aufrecht zu erhalten sich berufen finden müßte. 2. Hinsichtlich der Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte wird die Auffassung vertreten, daß der Ausdruck „wird“ weder eine Gleichzeitigkeit der Einführung noch einen bestimmten Zeitpunkt, bis zu welchem die Einführung landständischer Verfassungen geschehen sein müsse, impliziert. Durch die niederländische Verfassung vom 24. August 1815 hat das Großherzogtum Luxemburg bereits zusammen mit allen anderen Provinzen seine eigenen Landstände erhalten.

Frankfurt am Main, 4. Mai 1818 Der Königlich-Niederländische, Großherzoglich-Luxemburgische Bundestagsgesandte ist, in Betreff des in der 58. vorjährigen Sitzung § 416 zu Protokoll gegebenen doppelten Antrags des Großherzoglich-Mecklenburgischen Herrn Bundestags-Gesandten1, in Folge erhaltener Weisung seines allerhöchsten Hofes, Folgendes zu erklären beauftragt: 1) Rücksichtlich der Anzeige von der Großherzoglichen Verordnung vom 28. November vorigen Jahres: über die Mittel und Wege, um bei streitigen Fällen, in Angelegenheiten, welche die Landesverfassung betreffen, zur rechtlichen Entscheidung zu gelangen, und des hierauf gestützten bestimmten Antrags: einer durch den deutschen Bund vollständig zu gebenden Garantie dieses organischen Staatsgesetzes, theilen Seine Majestät die durch die früheren Abstimmungen der respectiven Höfe bereits entwickelte, begründete und ausgesprochene Ansicht, daß dieser Garantie-Leistung kein wahres Hinderniß im Wege stehe; Sie sind deßhalb insbesondere mit Hannover (Protokoll der 15. Sitzung vom Jahr 1818, § 79, sub 1)2 der Meinung, und erklären sich, wie hier geschieht, für Luxemburg zu der gebetenen Garantie bereit: 1 Vgl. Dok. 154. 2 Vgl. ProtDBV 1818, 15. Sitzung vom 6. April 1818, § 79, S. 206−208, hier S. 206.

770

Luxemburgische Abstimmung über die Vollziehung des Artikels 13

Nr. 165

„da das vorgelegte Staatsgesetz den vereinten Willen der Regierungen und Stände ausspricht, keine Bestimmung desselben mit der Bundesacte streitet, und diese Garantie in dem Maase, wie sie begehrt und geleistet wird, nur die Aufrechthaltung derjenigen Bestimmungen desselben betrifft, in welchen auf den Bundestag Bezug genommen worden ist, und welche die Bundesversammlung ohnehin aufrecht zu erhalten, sich berufen finden müßte.“ Was sodann 2) den weiteren Antrag betrifft: daß es den verehrlichen Gesandtschaften gefällig seyn möge, in der Art, wie solches wegen des 12. Artikels3 schon mehrfällig geschehen, und wegen des 14. Artikels4 beschlossen worden, ebenfalls über die Er­ füllung des 13. Artikels sich erklären, und die Bundesversammlung in Kenntniß setzen, auch die Einholung angemessener Instructionen dieserhalb beschliessen zu wollen; so gehen Seine Majestät dabei von folgenden einfachen Gesichtspuncten aus: Der 13. Artikel der Bundesacte stellt den Satz auf, und er ist Gesetz für alle deutsche Bundesstaaten: „In allen deutschen Bundesstaaten wird eine landständische Verfassung statt finden.“5 Der Zeitpunct der Einführung kann bei der Menge der einzelnen Staaten und bei der Verschiedenheit ihrer Regierungs-Grundsätze, Formen und Einrichtungen unmöglich gleichzeitig seyn; der Ausdruck: „wird“ zeigt genug, daß man sehr weise und mit Vorbedacht bei Fassung des Artikels weder Gleichzeitigkeit der Einführung, noch einen bestimmten Zeitpunct, bis zu welchem die Einführung geschehen seyn müsse, hat bezwecken wollen. Indem jedoch, nach dem 4. Artikel der Bundesacte, die Bundesversammlung die Angelegenheiten des Bundes zu besorgen hat, so befindet sich allerdings, in Beziehung auf den in dem Großherzoglich-Mecklenburgischen Antrag ausgesprochenen Wunsch einer Erklärung: „über die Erfüllung des 13. Artikels“, der Königlich-Niederländische, Großherzoglich-Luxemburgische Bundestags-Gesandte dermalen auch officiell dazu ermächtiget, und er erkläret hiermit: daß, wenn auch der König, sein Herr – von aller Anmaßung entfernt, mit seinem Beispiele anders, als durch dessen Verwirklichung vorangehen zu wollen – in der Abstimmung hier der Letzte ist, es doch eben so weltkundig bei Höchstdessen Regierungsantritt Sein erster Gedanke gewesen ist: eine eben so frei durchdacht und erwogene, als willig angenommene Verfassung 3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513. 4 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513−1515. 5 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513.

Nr. 166

Frankfurt am Main, 25. Mai 1818

771

einzuführen6, mittelst welcher das Großherzogthum Luxemburg zugleich mit allen andern Provinzen seine eignen Landstände erhalten hat, und in deren Geist übrigens wesentlich enthalten ist, daß, während daselbst in regem aber gesetzlichen Leben das Wohl und Gedeihen des Staats befördert wird, jede durch Erfahrung und Zeitumstände natürlich herbeigeführte Ausbildung und Modification in derselben gemeinschaftlich und ordnungsmäsig vorgenommen werden kann, und daß demnach dem Sinn des 13. Artikels der Bundes­ acte, in Beziehung auf Luxemburg, in der That mehr als zur Genüge und zwar im Voraus entsprochen worden ist.

166. Bundesbeschluß über die Garantie der mecklenburgischen Patentverordnung vom 28. November 1817 durch den Deutschen Bund und die Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte

ProtDBV 1818, 26. Sitzung vom 25. Mai 1818, § 127, S. 302. Bundesbeschluß. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 5, 1818, S. 266−267; Ilse, Geschichte der deutschen Bundesversammlung, Bd. 2, 183−184.

Übernahme der Garantie der mecklenburgischen Patentverordnung vom 28. November 1817 über die Mittel und Wege, um bei streitigen Fällen in Angelegenheiten, welche die Landesverfassung betreffen, zur rechtlichen Entscheidung zu gelangen, durch den Deutschen Bund. Hinsichtlich der Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte hat die Bundesversammlung mit Beruhigung die Erklärungen der Bundestagsgesandten derjenigen Staaten, in denen die Vollziehung des Artikels 13 noch nicht realisiert worden ist, vernommen und sieht den binnen Jahresfrist abzugebenden Mitteilungen über den Fortgang der landständischen Angelegenheiten vertrauensvoll entgegen.

Frankfurt am Main, 25. Mai 1818 Beschluß: I. Die deutsche Bundesversammlung hat auf den in der 58. Sitzung des vorigen Jahres von Ihren Königlichen Hoheiten den Großherzogen von Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz durch Ihre Bundesgesandtschaft gemachten Antrag1 beschlossen: 6 Die niederländische Verfassung vom 24. August 1815. Vgl. Pölitz, Die europäischen Verfassungen seit dem Jahre 1789 bis auf die neueste Zeit, Bd. 2, S. 205−229 (Verfassungstext, dt. Übers.), hier bes. Kap. 4: Von den Provinzialständen, S. 219−221.

1 Vgl. Dok. 154.

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Bundesbeschluß über die Vollziehung des Artikels 13

Nr. 166

daß der deutsche Bund durch die Bundesversammlung den Inhalt des Großherzoglich-Mecklenburg-Schwerin- und Mecklenburg-Strelitzischen organischen Staatsgesetzes, über die Mittel und Wege, um bei streitigen Fällen, in Angelegenheiten, welche die Landesverfassung betreffen, zur rechtlichen Entscheidung zu gelangen2, ganz nach dem Antrage dahin garantire, um alle Bestimmungen desselben, in welchen auf den Bundestag Bezug genommen worden sey, jederzeit aufrecht erhalten zu wollen. II. Was hiernächst den bei diesem Anlasse von Ihren Königlichen Hoheiten den Großherzogen von Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz ausgedrückten Wunsch, wegen näherer Angabe über die Erfüllung des 13. Artikels der Bundesacte3 in den deutschen Bundesstaaten, betrifft, so hat die Bundesversammlung aus den Erklärungen der Bundesgesandtschaften jener Staaten, welche durch die von ihnen angeführten unverwerflichen Gründe noch zur Zeit an der vollständigen Erfüllung des 13. Artikels der Bundesacte verhindert worden, mit gerechter Beruhigung die Versicherung entnommen, daß die betreffenden Regierungen diesen Artikel der Bundesacte auf eine, seinem hohen Zweck angemessene Weise in Vollziehung zu bringen und dabei jede nicht in der Sache gegründete Verzögerung zu vermeiden, kräftigst entschlossen und beflissen sind, auch nicht unterlassen wollen, der Bundesversammlung binnen Jahresfrist die geeigneten Mittheilungen von den fernern Einleitungen in den ständischen Einrichtungen, von deren Fortgange und, wo möglich, von ihrem allerseitigen endlichen Resultate zu machen, welchen dieselbe sofort vertrauensvoll entgegensieht.

2 Vgl. Mecklenburg-schwerin- und -strelitzische Verordnung über die Mittel und Wege, um bei streitigen Fällen in Angelegenheiten, welche die Landesverfassung betreffen, zur rechtlichen Entscheidung zu gelangen, Schwerin/Neustrelitz, 28. November 1817, ProtDBV 1817, 58. Sitzung vom 22. Dezember 1817, Beilage 87, S. 878−881. 3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1513.

Nr. 167

773

Berlin, 16. Juni 1818

167. Hardenberg an Goltz

GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 659, fol. 36–36’. Weisung. Behändigte Ausfertigung.

Der Bundesbeschluß über die Erfüllung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte vom 25. Mai 1818 stimmt in seinem ganzen Wesen mit der preußischen Abstimmung vom 5. Februar 1818 überein. Bezogen auf den Streit der Fürstin zur Lippe mit ihren alten Ständen müßten nicht nur die Kompetenz der Bundesversammlung, sondern auch die Frage, welches Recht die alten Landstände aufgrund früherer Verfassungen nach der Auflösung des deutschen Reichs beibehalten haben, erörtert werden. Diese Fragen sind von so zarter Natur, daß in denjenigen deutschen Staaten, wo ständische Verfassungen noch nicht zur allgemeinen Zufriedenheit zur Ausführung gekommen sind, vor jeder bestimmten Erklärung im Bundestag die Klärung der landständischen Angelegenheiten zu einer höheren Reife gediehen sein sollten. Teilt die Ansicht von Goltz, daß die Streitsache der lippischen Stände zur inneren Ausgleichung verwiesen werden soll. Eine Schlichtung könne allerdings nur dann erreicht werden, wenn alte und neue Ansprüche, frühere und jetzige Verhältnisse unter Abwägung des allgemeinen und besonderen Wohls miteinander ausgeglichen werden.

Berlin, 16. Juni 1818 Durch den in der 26ten Sitzung der Bundes Versammlung am 25ten May d. J. über die Erfüllung des 13ten Artikels der Bundes-Akte gefaßten Beschluß1, der in seinem ganzen Wesen mit der dießeitigen Abstimmung übereinstimmt2, sind alle Anregungen, welche bisher in Beziehung auf die Einrichtung der Landstände bei dem Bundestage gemacht worden, bis zum Ablauf der in dem Beschlusse angenommenen Jahresfrist erlediget. Man kann dies selbst auf den Streit der Fürstin von der Lippe mit ihren alten Ständen, worüber von beiden Seiten der Bundes-Versammlung Deductionen übergeben worden sind3, ausdehnen. Wollte man auf diese Differenz gegenwärtig schon eingehen, so müßte nicht nur 1. die Competenz der Bundes-Versammlung, welche die Fürstin bestreitet4, sondern auch 2. die Frage: welches Recht die alten Landstände auf den Grund früherer Verfassungen in den deutschen Bundesstaaten, nach der Umwandlung seit Auflösung des deutschen Reichs, beibehalten haben? zur Erörterung gestellt werden.

1 Vgl. Dok. 166. 2 Vgl. Dok. 160. 3 Vgl. Dok. 162, Anm. 9 und 11. 4 Vgl. Dok. ProtDBV 1818, 48. Sitzung vom 21. September 1818, § 222, S. 480.

774

Hardenberg an Goltz

Nr. 167

Diese Fragen sind so zarter Natur, daß in denjenigen deutschen Staaten, wo ständische Verfassung noch nicht wirklich zur allgemeinen Zufriedenheit in Ausführung gekommen, vor jeder bestimmten Erklärung am Bundestage erst der Zeitpunkt abgewartet werden muß, wo in jedem Staate diese Angelegenheit zu einer höheren Reife gediehen, und das Verhältniß der Stände, sowohl nach Innen als nach Aussen, in allgemein deutlichen Zügen zur dauernden Fortbildung sich gestaltet hat. In diesem Zusammenhange theile ich ganz die Ansicht Ew. Excellenz, welche bereits in dem geehrten Schreiben vom 21ten Februar d. J.5 angedeutet ist, daß unter Beziehung auf den Beschluß der in der 26ten Sitzung der Bundes Versammlung, ohne irgend auf eine der Streitfragen einzugehen, die Sache der alten Lippeschen Stände zur innern Ausgleichung zu ver­ weisen sey. Ew. Excellenz stelle ich anheim, aus diesem Gesichtspunkte, wenn die Sache zur Abstimmung kommt, Ihre Erklärung abgeben zu wollen. Recht und Besitz, in der Einrichtung und dem Verhältnisse der Stände zur Regierung, sind unter den großen Veränderungen der Zeit; der Regel nach so unsicher und schwankend geworden, daß, wenn man einzig an diesen Maasstab sich halten will, der Streit wohl nirgends eine Vereinigung finden dürfte. Unendlich viel Elemente sind zusammenzufassen, was nicht dem einseitigen Behaupten des Rechtspunkts, sondern nur einer uneigennützigen und gegen­ seitig vertrauensvollen Erwägung alter und neuer Ansprüche, früherer und jetziger Verhältnisse, aus der Sorge für das gemeinsame und besondere Wohl ausgehend, gelingen kann, um ein solches Ziel zu erreichen. C. F. v. Hardenberg

5 Vgl. Dok. 162.

3. Initiativen zur wirtschaftlichen Integration

Nr. 168

Frankfurt am Main, 19. Mai 1817

777

168. Württembergischer Antrag auf Aufhebung von Beschränkungen des gegenseitigen Verkehrs mit den unentbehrlichsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Bundesstaaten

ProtDBV 1817, 29. Sitzung vom 19. Mai 1817, § 180, S. 342. Antrag. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 3, 1817, S. 45−46; Vorgeschichte und Begründung des Deutschen Zollvereins 1815−1834, Bd. 1, S. 314−315.

Durch Anordnungen in den Nachbarstaaten gegen den freien Fruchtverkehr ist Württemberg gezwungen worden, die Fruchtausfuhr zunächst durch höhere Abgaben zu beschränken und dann ganz zu verbieten sowie die Abgaben auf den Viehexport retorsionsweise dem bayerischen Zollsatz anzugleichen. Durch solche Zwangsmaßnahmen und Partikularsperren deutscher Bundesstaaten untereinander werde das allgemeine Wohl jedoch wenig gefördert. Württemberg stellt deshalb den Antrag, daß von allen Mitgliedern des Deutschen Bundes erwogen und beraten werde, wie durch Aufhebung aller außerordentlichen Beschränkungen des gegenseitigen Verkehrs mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Staaten sowie durch gemeinsame Maßregeln in dieser Angelegenheit das gemeine Wohl aller gefördert und die Bundesstaaten einander nähergebracht werden können.

Frankfurt am Main, 19. Mai 1817 Des Königs von Württemberg Majestät sind durch die in den Nachbarstaaten gegen den freien Fruchtverkehr getroffenen Anordnungen in die unangenehme Nothwendigkeit gesetzt worden, die Fruchtausfuhr aus Allerhöchst Ihren Landen Anfangs durch höhere Imposte1 zu beschränken, dann aber durch Anlegung einer gänzlichen Sperre zu verbieten, und den Impost von der Vieh­ ausfuhr gegen Baiern retorsionsweise auf den, dem Baierischen Zollsatz gleichkommenden Betrag zu erhöhen. Allerhöchstdieselben verkennen nicht, wie wenig durch solche Zwangsmaasregeln und Particular-Sperren deutscher Bundesstaaten unter einander das allgemeine Wohl Aller gefördert werde, und wie wenig dieselben derjenigen Stellung gemäß seyen, in die Sie sich als Staaten Eines Bundes befinden sollten. Seine Königliche Majestät ertheilen daher der diesseitigen Gesandtschaft den Befehl, mit der Erklärung, wie ungern Allerhöchst Dieselben sich genöthigt gesehen haben, in Ihren Staaten diese Zwangsmaasregeln zu treffen, den Wunsch auszudrücken, daß von den Mitgliedern des deutschen Bundes gemeinsam erwogen und berathen werde, wie durch Aufhebung aller solcher 1 Impost: Abgabe, Auflage, Warensteuer. Vgl. Heyse, Allgemeines verdeutschendes und erklärendes Fremdwörterbuch, S. 359.

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Martens über die Freiheit des Handels mit Getreide und Schlachtvieh

Nr. 169

ausserordentlichen Beschränkungen des gegenseitigen Verkehrs, mit den nothwendigsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Staaten unter einander, und durch gemeinsame Maasregeln in dieser Angelegenheit der gemeinen Wohlfahrt Aller, die Bundesstaaten einander näher gebracht, und das gemeine Beste Aller befördert werden könne.

169. Martens über die Freiheit des Handels mit Getreide und Schlachtvieh zwischen sämtlichen deutschen Bundesstaaten

ProtDBV 1817, 32. Sitzung vom 2. Juni 1817, Anlage Ziffer 1 zur Beilage 64, nach S. 502 (5 unpaginierte Seiten). Separatvotum. Druckfassung.

Die Herstellung eines allgemeinen freien Handelsverkehrs mit allen Produkten innerhalb des Deutschen Bundes ist von so großer Wichtigkeit und greift so tief in die inneren Verhältnisse und die Verfassung der Einzelstaaten ein, daß sie einer umfassenden Prüfung und Erörterung bedarf, für die in der gegenwärtigen Notsituation aber die erforderliche Zeit fehlt. Die Bundestagskommission sollte sich deshalb zunächst auf die Abstellung aktueller Notstände, insbesondere beim Handel mit Getreide und Schlachtvieh konzentrieren. Gibt eine ausführliche Schilderung der Hindernisse und Probleme, die sich einer Einführung des freien Handelsverkehrs mit den lebens­ notwendigsten Lebensmitteln zwischen den Mitgliedern eines Vereins freier Staaten ergeben. Außerdem Erörterung der Problematik von Fruchtsperren gegen das benachbarte Ausland und der Einbeziehung der nicht zum Deutschen Bund gehörenden Provinzen der Mitgliedstaaten.

Frankfurt am Main, 30. Mai 1817 Die Uebereinkunft über einen allgemeinen freien Handelsverkehr mit allen Producten innerhalb des deutschen Bundes, ist zwar eine grosse, herzerhebende und der zu Einer Nation vereinigten Staaten würdige Idee; ihre Ausführbarkeit und Wohlthätigkeit ist auch schon in manchen Privatschriften sehr scheinbar gezeigt worden. Allein sie ist von so grosser Wichtigkeit, und greift so tief in die Lage und Verfassung der einzelnen Staaten ein, daß sie nur die Folge anhaltender reifer Prüfungen und bedächtiger Unterhandlungen seyn könnte, die nothwendig lange Zeit erfordern müßten: daher die Verfolgung dieser Idee in dem gegenwärtigen Augenblick einer Verzichtleistung auf die schleunige Hülfe gleich seyn würde, die der gegenwärtige Nothstand und das schon eingerissene Uebel erfordert; ich glaube daher ad 1) daß die Einführung eines solchen allgemeinen freien Handelsverkehrs ausserhalb der Grenzen der gegenwärtigen Commissions-Vorschläge liege.1 1 Der Auftrag der Bundestagskommission beschränkte sich auf den freien Verkehr mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen. Vgl. Dok. 170, Anm. 2.

Nr. 169

Frankfurt am Main, 30. Mai 1817

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Ad 2) scheint es auch für jetzt nicht nothwendig die völlige Freiheit des Verkehrs auf alle Gegenstände des ersten Bedürfnisses auszudehnen, da hierunter alsdann auch Holz, Salz und andere Gegenstände zu zählen seyn würden, deren völlige Freilassung der Bedarf des gegenwärtigen Augenblicks nicht erheischt, oder die, wie z. B. die Ausfuhr des Holzes, mehr zu besondern Conventionen zweier benachbarten Staaten, als zu allgemeinen Verfügungen Anlaß geben könnten. Ich glaube vielmehr ad 3) daß man sich zwar nicht ausschließlich auf die Verfügungen zu beschränken habe, welche die gegenwärtigen Verhältnisse der Getreidetheuerung in Anspruch nehmen, sondern daß die Commission wo möglich bemühet seyn müsse, Vorschläge zu thun, die selbst dann noch aufrecht zu erhalten wären, wenn auch durch die günstigen Aussichten zur Erndte, oder durch ­andere sich ereignende Umstände, die jetzige Getreidetheuerung bedeutend gemäsiget und vielleicht noch eher gehoben würde, ehe die Vorschläge der Commission die Zustimmung der Höfe erhalten hätten. Daß aber ad 4) nur a) Getreide aller Art in Körnern, Mehl, Graupen u. s. f., rauhe Fourage, Gemüse aller Art, insbesondere Kartoffeln; b) Schlachtvieh, mithin Lebensmittel im strengsten Sinne des Worts, darunter zu begreifen, und nicht einmal nothwendig sey, dieses auf Fische zu erstrecken, so fern hier noch nicht vom blossen Transito-Handel die Rede ist. Ad 5, 9 und 10 scheint mir, daß, wenn der Zweck erreicht werden soll, nicht nur alle Ausfuhrverbote, in Ansehung der sub. n. 4 bezeichneten Gegenstände, von den einzelnen Bundesstaaten unter sich, sondern auch alle die­ jenigen Ausfuhrzölle aufzuheben seyen, welche nicht, entweder in wohlfeilen und selbst den wohlfeilesten Zeiten erhoben zu werden pflegten, oder über die man sich jetzt unter den Bundesstaaten allgemein als eines Maximums des zu erhebenden Exportations-Zolles vergliche; daß hingegen die nach den Preißen der Früchte steigenden Zollsätze allerdings als Sperrgesetze zu betrachten und unter der Aufhebung zu begreifen seyen, weil es in der Natur der Sache wie in der Erfahrung liegt, daß gerade diese dem freien Verkehr am mehrsten im Wege sind, und sobald sie eine gewisse Höhe erreicht haben, der wirklichen Sperre oder dem völligen Zuschlag gleich gelten; daß auch, wenn 1) dieses Erhöhen der Zollsätze als ein Mittel zu Vermehrung der Einkünfte des Staats eingeführt und benutzt wird, es zu denen gehört, die mittelbar dem Staate selbst am allerschädlichsten werden, weil diese Erschwerung der Ausfuhr so gut wie eine völlige Sperre ist, indem sie der freien Benutzung des Eigenthums entgegen steht, den Ackerbau drückt und darniederschlägt; hingegen der Staat in der durch Freiheit vermehrten Circulation der Producte und des Geldes die Vortheile mittelbar wieder findet, die er scheinbar durch

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Einbüßung dieser Zolleinnahmen verliert. Wenn aber 2) dieses Erhöhen der Zollsätze in polizeilicher Hinsicht betrachtet wird, und dazu dienen soll, um den Unterthan vor Mangel zu sichern, es dieses Nothbehelfs gar nicht mehr bedarf, wenn in einem so ausgedehnten Lande, wie Deutschland der freie Verkehr gesetzlich eingeführt ist; mithin was aus dem einen Lande exportirt worden, ihm aus andern wieder zufließt, und daher weder Hungersnoth gedenkbar noch übermäsiges Steigen der Preiße zu besorgen ist, ohne daß es nur einmal dazu des Anlegens der Magazine bedürfte, wodurch zugleich der Staat das kostbare Verschreiben des Getreides aus entfernten Ländern, an das er selbst oft bedeutend verliert, ersparen kann. Die früheren Beispiele des Benehmens Württembergs und Badens, die in den bedenklichsten Jahren die Freiheit der Ausfuhr aufrecht erhielten, das noch neue Beispiel von Nassau, das sich neun Monate lang mitten unter Privatsperren einzelner Staaten sehr glücklich bei der Freiheit erhielt, und nur sperrte, als das Benehmen Darmstadts augenblickliche Maasregeln erforderte, scheinen darüber belehrend. ad 6) So wünschenswerth es auch seyn möchte, daß sich der freie Verkehr für alle Lebensmittel, auch mit allen europäischen Staaten, selbst denen die nicht in dem Bunde sind, einführen liesse; so scheinen sich doch für jetzt der Ausführbarkeit dieses Plans Gründe entgegen zu stellen, die schwerlich je werden beseitiget, am wenigsten aber so schnell gehoben werden können, daß die Aufhebung aller Fruchtsperren unter den deutschen Bundesstaaten darnach aufgehalten werden dürfte; denn eine jede Stipulation der Art hat die Reciprocität und die Garantie dieser letzteren zur unerläßlichen Bedingung. Wie viel Monate erfordert werden, um durch Unterhandlungen mit auswärtigen Mächten sich über eine solche Reciprocität zu vereinigen, läßt sich nicht genau, aber im allgemeinen leicht einsehen, daß darüber sehr viel Zeit vergehen würde. Auch an der Garantie der Erfüllung dieser Bedingung dürfte es in dem Verhältnisse mit den Staaten ermangeln, mit denen kein anderes als das allgemeine völkerrechtliche Band besteht. Nicht so schwierig scheint die Sache, wenn man sich auf die blossen Bundesstaaten unter einander beschränkt; denn hier kann durch die, den im ­Centralpuncte des deutschen Bundes vereinigten Gesandten von ihren Höfen er­theilte Instructionen eine Vereinigung sehr bald zu Stande kommen, und wenn diese einmal erreicht würde, so böte der Bundesverein selbst für die Erfüllung der übernommenen Verpflichtung eine Garantie dar, weil, im Fall alsdann ein Theil den Vertrag verletzen sollte, der dadurch gefährdete Staat von der Bundesversammlung2 erwarten und fordern könnte, daß sie gemein2 Emendiert. Vorlage: Bundesdesversammlung.

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schaftliche Sache mit ihm mache, um durch alle constitutionellen Wege den verletzenden Staat zur Erfüllung des von ihm eingegangenen Vertrags zu bewegen. So fern ist selbst zwischen den fremden Mächten, die mit einem Theile ihrer Besitzungen zu dem Bunde gehören, und den ganz fremden Mächten noch ein Unterschied; weil, wenn die Freiheit des Verkehrs auch mit den gesammten Staaten der ersteren eingeführt würde, kaum ein Fall gedenkbar ist, wo sie in der Eigenschaft als fremde Macht den Vertrag verletzen könnten, ohne zugleich auch als Bundesstaaten in Anspruch genommen werden zu können, und daher die Bundesversammlung um so ungezweifelter auch gegen sie aufgefordert werden könnte. Wenn aber auch bei dieser Ausdehnung Bedenken gefunden würde, und man den freien Verkehr nur unter den Bundesstaaten allein vorerst einführen wollte; so scheint es, daß bei der Frage: welcher der Umfang der Gebiete sey, auf welche diese Verfügungen auszudehnen seyen? der Art. 1 der Bundes­ acte3 ein zu diesem Zwecke allenfalls hinreichendes Prinzip aufstelle, das so lange zu befolgen ist, als das Detail der Frage, ob diese oder jene Provinz mit in den Bund gehöre, noch unentschieden ist4, – und man nicht Ursache habe, deßfalls allein einen so dringenden Gegenstand aufzuschieben, zumal, wenn der allgemeine Satz in dem Vertrag aufgestellet wird „alle Bundesstaaten“, er auch in der Folge diejenigen mitbegreift, welche nach einer doch wohl nicht mehr sehr entfernten Bestimmung, als in den Bund begriffen, erklärt werden würden. ad 7) Wenn aber der freie Verkehr nur auf die Bundesstaaten beschränkt wird, so entsteht die allerdings sehr wichtige Frage: wie läßt es sich am zweckmäsigsten verhindern, daß von dieser Freiheit des Verkehrs kein Mißbrauch gemacht, und, statt sie nur zu benutzen, um die Bundesstaaten selbst vor Mangel und Theurung zu schützen, das aus einem Staat Ausgeführte, fremden Ländern zugeführt werde, welche die Reciprocität nicht beobachten, wovon die Folge seyn könnte, daß die Ausführung aus einem Staat in das Ausland so beträchtlich werde, daß er durch die nur aus Bundesstaaten Statt findenden Wiedereinführung nicht mehr vor Mangel oder Theuerung ge­ sichert werde, oder seine Zuflucht dazu nehmen müßte, aus sehr entfernten Ländern, und mit oft sehr beträchtlichem Kostenaufwande, sich den nöthigen Ersatz zu verschaffen. Dieser Punct ist allerdings schwierig, und zeigt den Unterschied der Einführung eines solchen freien Verkehrs zwischen den Mitgliedern eines Ver3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508. 4 Die Bundesgebiete Österreichs und Preußens wurden erst im April bzw. Mai 1818 bestimmt. Vgl. Dok. 51 und 54.

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eins freier Staaten und zwischen den Provinzen eines und desselben Reichs; in letzterem kann das Gouvernement an den Grenzen dafür sorgen, daß, so weit sich dieses durch Verbote erreichen läßt, die Exportation in das Ausland gehemmt werde. Dieß ist aber in einem Staatenverein für die nicht an der Grenze gelegenen Staaten nicht hinreichend, weil, wenn die Frucht ihre Grenze passirt hat, die weitere Verführung in das Ausland von ihnen nicht mehr verwehrt werden kann. Es scheinen hier daher nur drei Mittel möglich; entweder 1) daß derjenige, der aus einem solchen Staat exportiren will, Caution leiste, daß das Ausgeführte innerhalb der deutschen Bundesstaaten verbraucht werden soll; 2) daß der Staat, dem oder dessen Unterthanen zugeführt werden soll, Certificate ausstelle, daß er dahin wachen wolle, daß das Ausgeführte nicht in das Ausland gebracht werden solle; 3) daß die Ausfuhr nur gegen solche Bundesstaaten frei gelassen werde, welche darthun, daß nach den bei ihnen bestehenden Verordnungen die Ausfuhr in das Ausland untersagt sey, und auch von ihnen gegen andere Bundesstaaten nur in so fern frei gelassen werde, als diese ebenmäsig die Ausfuhr in einen nicht zu dem Bunde gehörenden Staat untersagen. Daß keines dieser drei Mittel hinreiche, um allen und jeden Mißbrauch zu verhüten, muß man zugestehn; allein dieß dürfte auch um so weniger er­ forderlich seyn, als die Erfahrung ergiebt, daß selbst ein Staat, der einen Zuschlag oder einen diesem gleichkommenden hohen Exportations-Zoll einführt, dennoch bei sich selbst nicht alle heimliche und verordnungswidrige Exportation verhüten kann; mithin dürfte der Einwurf, der aus der natürlichen Unvollkommenheit aller solchen Maasregeln entspringt, nicht hinreichend scheinen, um unter diesem Vorwand sich der Einführung eines freien Verkehrs unter den Bundesstaaten zu entziehen. Unter den vorgeschlagenen drei Mitteln scheint mir der erste Weg der schwierigste, weil leicht über die Art und Bedingungen der zu bestellenden Caution Schwierigkeiten entstehen könnten, welche den wohlthätigen Zweck grossentheils vereiteln würden. Der zweite scheint mir der zweckmäsigste, sofern über die Form der Ausstellung solcher Certificate eine befriedigende und gleichförmige Abrede getroffen wird. Der dritte würde manche Schwierigkeiten, insonderheit in Ansehung der Staaten haben, die nur zum Theil zu dem Bunde gehören, und die alsdann von der Wohlthat der Vereinbarung fast ganz ausgeschlossen bleiben würden, weil in wenig Fällen gedenkbar ist, daß in dem zu dem Bunde gehörenden Theile Verordnungen erlassen würden, wodurch alle Ausfuhr gegen andere, nicht zum Bunde gehörenden Staaten derselben Macht verboten würde.

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Er würde auch, in Hinsicht des Verhältnisses zu dem Auslande, die bedenkliche Seite haben, daß der Bund das Verbot der Ausfuhr in das Ausland zur Bedingung zu machen und dadurch gleichsam zu befördern scheine. Er würde auch manche Bundesstaaten, die nach ihrer Lage die Ausfuhr mit dem Auslande begünstigen müssen, und mit demselben einen beträchtlichen Transito-Handel führen, ganz von der Wohlthat des freien Verkehrs ausschliessen. Ad 8) Nur in dem Falle, daß keines der vorgeschlagenen Mittel hinreichend schiene, und kein besseres in Antrag gebracht würde, müßte man sich auf den sehr unbefriedigenden Vorschlag beschränken, daß, statt einer allgemeinen Aufhebung der inneren Sperrverordnungen, man sich auf bestimmte Quantitäten vergleiche, welche auf legale Certificate des eignen Bedürfnisses und Verbrauchs von einem Bundesstaat in den andern frei passiren sollen. Durch eine solche Vereinbarung würde, wenn sie schnell zu Stande käme, zwar vielleicht eine augenblickliche Verlegenheit einzelner Staaten gemindert werden können; allein zu einer permanenten Einigung scheint mir dieser Vorschlag wenig geeignet zu seyn, durch den übrigens auch für die höhere Ansicht, welche ein völlig freier, gesicherter Verkehr in allen Bundesstaaten für das wahrhafte Beste und das Aufblühen des Ackerbaues in denselben eröffnet, fast gar nichts gewonnen würde. Wie soll auf eine permanente Weise der Bedarf angeschlagen werden, dessen freie Einführung jeder Staat auf Certificate fordern könnte? soll diese Einführung auf die zunächst gelegenen Nachbarstaaten beschränkt, oder auf die entfernteren ausgedehnt werden? In dem ersten Falle, soll der Bedarf nach dem bestimmt werden, was ein Staat in ordentlichen Zeiten aus den benachbarten Ländern beziehen muß; so wird sich dieß in Deutschland auf sehr wenig reduciren, weil bei mittleren Erndten jeder Staat wohl so viel ziehen kann, als er bedarf, falls er nicht exportirt; soll allein auf schlechte Erndten calculirt werden, so ist auch hier das Bedürfniß, das hieraus erwächst, so verschieden, daß die Vorausbestimmung des Maases sehr schwierig ist, und vollends dann, wenn die Frage aufgeworfen werden kann, ob dieser Bedarf nicht durch ­Exportationen erwachsen ist, mithin hätte vermieden oder gemindert werden können. In dem zweiten Falle, wo die festzusetzende Quantität auch entfernteren Staaten verabfolget werden soll, treten noch andere Bedenklichkeiten ein, welche zu manchen Schwierigkeiten Anlaß geben können, sobald ein Staat sich der übernommenen Verpflichtung zu Gestattung der Exportation zu entziehen sucht; denn, wenn z. B. ein Staat seinen Bedarf zur Hälfte zu ein Viertel u. s. f. von einem jedem Bundesstaat beziehen könnte, nach seiner Lage aber im Stande wäre, ihn aus mehreren kommen zu lassen; so würde auf der einen Seite der Fall eintreten können, daß er weit mehr bezöge, als er bedarf, mithin dieß zu Speculationen benutzte, welche eigentlich ausserhalb der

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Grenzen des zunächst vorliegenden Zweckes liegen, auf einer andern Seite, daß ein Staat ihm die Ausfuhr untersagte oder beschränkte, unter dem Vorwande, daß er von andern diesen Bedarf zu beziehen berechtiget und im ­Stande sey. Nur die ausgesprochene völlige und an keine bestimmte Quantität gebundene Ausfuhrfreiheit kann diesen und vielen andern Schwierigkeiten begegnen, nur diese kann den allen Staaten wichtigen Zweck auf eine der Lage vereinigter Bundesgenossen angemessene und würdige Weise erreichen lassen. Ad 9 und 10) habe ich oben ad 5 schon meine Meinung geäussert; hohe, oder mit dem Preiße der Getreide steigende Zölle, scheinen mir einer wahren Sperre gleich zu kommen, und werden jene nicht gemildert, so scheint die Aufhebung der Sperre nur ein Wortspiel, das selbst in Ansehung des Gebrauchs von Retorsionen aller Art nicht irre leiten kann. Ad 11) scheint allerdings kein rechtlicher Grund vorhanden zu seyn, um nicht die völlige Freiheit des Transito-Handels mit Getreide als Grundsatz auszusprechen, und da mit diesem nur mäsige Transito-Gebühren bestehen können, diese soviel möglich auf einen billigen und gleichmäsigen Fuß zu reguliren. Für diese Freiheit des Durchgang-Handels sprechen schon die Bestimmungen des westphälischen Friedens5, und selbst die Analogie dessen, was zu Wien in Hinsicht der Flußschiffahrt6 festgesetzt worden. Nur in einem Falle scheint hier eine Ausnahme eintreten zu können, wenn nämlich von dem Transito nach einem Staate zu die Rede ist, der selbst dem Handel Fesseln anlegt, und gegen den kein anderes Mittel übrig bliebe, um ihn zu billigeren Maasregeln gegen seine Nachbarn zu bewegen. Ein Fall dieser Art sollte billig nie zwischen Staaten eintreten können, die ein gemein­ sames Band vereiniget; allein als möglich muß er allerdings gedacht werden, und ein Staat der sich selbst gegen andere isolirt, muß sich auch von andern isoliren lassen. So fern stehen Sperren der Exportation und des Transito und übertriebene Zölle für beides in Verbindung. Ad 12) Daß ein Sperrgebot auf erweislich früher bereits erkaufte Quantitäten sich der Regel nach nicht erstrecken solle, scheint aus dem Grundsatze schon zu folgen, daß kein Gesetz eine retroactive Kraft habe, und die zur Zeit des Ankaufs bestandene Freiheit der Exportation, scheint noch dann ihre Kraft äussern zu müssen, wenn auch die wirkliche Exportation erst nach dem 5 Vgl. IPO, Art. IX, in: Müller (Hrsg.), Instrumenta Pacis Westphalicae, S. 49 f. (lateinischer Text) und 136 (deutsche Übersetzung). 6 Vgl. Wiener Kongreßakte vom 9. Juni 1815, Anlage 16: „Reglemens pour la libre navigation des rivières“, in: Acte du Congrès de Vienne du 9 Juin 1815, avec ses annexes, S. 306−331.

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Zuschlag erfolgen sollte. Daß indeß zu Verhütung des Mißbrauchs ein strenger Beweis gefordert werden könne und müsse, ist wohl eben so gewiß, als daß es wahre Nothfälle geben kann, welche eine Ausnahme begründen. Das scheinen aber nur diejenigen zu seyn, in welchen ein Staat den Unterthan zwingen kann, ihm sein Eigenthum gegen eine volle Entschädigung abzu­ treten. Martens

170. Plessen über die Freiheit des Handels mit Getreide und Schlachtvieh zwischen sämtlichen deutschen Bundesstaaten

ProtDBV 1817, 32. Sitzung vom 2. Juni 1817, Anlage Ziffer 3 zu Beilage 64, nach S. 502 (6 Seiten, unpaginiert). Separatvotum. Druckfassung.

Artikel 19 der Deutschen Bundesakte zielt auf die Förderung des gesamten Handelsverkehrs zwischen den deutschen Bundesstaaten. Der engere Auftrag der Kommission ist jedoch geeignet, die Befreiung des übrigen Verkehrs vorzubereiten. Der gegenseitige Verkehr zwischen den Bundesstaaten wird durch Aufhebung der Beschränkungen desselben befördert und zunächst auf alle Lebensmittel, zumindest jedoch auf die ­lebensnotwendigsten Bedürfnisse zu erstrecken sein. Durch die freie Zufuhr wird die möglichste Verteilung von Getreide und die Ausgleichung der Preise befördert und damit dem Mangel in einzelnen Gegenden vorgebeugt und der Spekulation entgegengewirkt. Die Herstellung des freien Verkehrs mit den notwendigsten Lebensmitteln ist gleich einer Nationalangelegenheit auf alle Staaten des Deutschen Bundes auszudehnen und Sperren gegen das Ausland nach den entwickelten Grundsätzen sind weder erforderlich noch nützlich, allenfalls gegenüber der Schweiz und Frankreich vorerst beizubehalten. Der Übergang vom Begrenzungs- und Sperrsystem zum freien Verkehr macht auch Modifikationen des Zollwesens erforderlich: u. a. sollen die von einem Bundesstaat in den anderen durchgehenden Lebensmittel ungehindert passieren dürfen und keinen außerordentlichen Abgaben unterliegen, was sich aus dem Begriff und den Verhältnissen eines gemeinsamen Nationalbundes von selbst ergibt.

Frankfurt am Main, 30. Mai 1817 Auf den Antrag des Königlich-Württembergischen Bundesgesandten in der 29. Sitzung1 ward eine Commission erwählt und bestimmt beauftragt: „über Aufhebung der Beschränkungen des gegenseitigen Verkehrs mit den nothwendigsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Staaten baldigst ein Gutachten zu erstatten“.2 Um dieser Aufgabe möglichst so viel nach Lage der Sachen und im Drange der Zeit geschehen kann, zu genügen, hat die Commission 1 Vgl. Dok. 168. 2 Vgl. ProtDBV 1817, 29. Sitzung v. 19. Mai 1817, § 180, S. 342–344, Zitat S. 344.

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gewisse Fragen und Puncte herausgehoben, auf deren Erörterung es hiebei vorzüglich anzukommen scheint, um zur Beförderung einer gemeinsamen Uebereinkunft die Instructionen der Höfe darüber einzuholen: 1) Die Bestimmung der Bundesacte im Art. 19 wegen des Handels und Verkehrs zwischen den verschiedenen Bundesstaaten in Berathung zu treten3, läßt sich wohl nur auf die hierdurch ausgesprochene Absicht deuten: den gesammten Handelsverkehr zwischen den Bundesstaaten durch allgemein verabredete Beschlußnahme zu befördern, und von allen einseitigen Störungen und Beschränkungen zu befreien. Je wünschenswerther und richtiger dieses schon damals geschienen, um so mehr dürfte auch von dem vorliegenden Fall die Veranlassung zu nehmen seyn, um zur Beförderung des freien Handelsverkehrs überhaupt die weitern Berathungen in der Folge einzuleiten. Die Commission wird sich jedoch zur Zeit, in Gemäßheit des erhaltenen Auftrags, um so strenger in den Grenzen desselben halten müssen, als derselbe dringend, und zuförderst einer gemeinsamen Maasregel zu bedürfen scheint, und dadurch zugleich die Befreiung des übrigen Verkehrs mehr vorbereitet werden dürfte. 2) Der gegenseitige Verkehr zwischen den Bundesstaaten wird hiebei durch Aufhebung der Beschränkungen desselben befördert, und auf alle Lebensmittel, oder doch auf die nothwendigen Bedürfnisse des Lebens zu erstrecken seyn, wenn die Absicht nur einigermaßen erfüllt, oder nur einige Wirkung davon erreicht werden soll. Die richtigen Grundsätze und Ansichten hierüber sind längst bekannt, und die Theorie derselben ist nur aus zusammengestellten mehrfachen Erfahrungen hergeleitet. Die Lage und der verschiedene Zustand der Staaten des deutschen Bundes machen dieselben auch vorzüglich geeignet eben jene Grundsätze bei sich in Anwendung zu bringen, wenn auf dem weiten Umfang, in den vielen auf mannichfaltige Weise fruchtbaren Gegenden Deutschlands zugleich sich kein völliger Mißwachs denken läßt, auch fast kein Beispiel davon vorhanden ist, also ein ungehinderter Austausch und Umsatz solcher Gegenstände des Lebensbedürfnisses unter den Staaten derselben Nation nur durchaus zweckmäßig seyn kann, um theilweisen Mangel und überspannten Preisen in denjenigen Ländern wo wirklicher Mißwachs eingetreten, zu begegnen, und durch die grossen Communicationen der Ströme und Meeresküsten selbst einem eingetretenen Mangel durch zeitige Einfuhren noch abhelfen zu können, wenn mit gemeinsamer Uebereinkunft der Handel nur zu seinen Unternehmungen die nöthige Sicherheit gegen eintretende Beschränkungen findet. Die Eigenthümlichkeiten des Getreidehandels und die Art wie er geführet wird, befördern insonderheit die möglichste Ver­ theilung und Ausgleichung im Preise, nach den Bedürfnissen bei dem wenig3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1517.

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sten Transport, indem der nächste Markt, wo das Getreide am theuersten ist, immer gesucht, dagegen aber eben so von den Gegenden wo es wohlfeiler ist, nachgeschoben wird, um verhältnißmäsig an diesen theuren Preisen noch einigen Theil zu haben. Diese freie Concurrenz auf den Märkten wird alsdann auf der einen Seite die allmählige Zufuhr der Bedürfnisse allenthalben bewirken, je nachdem es anfängt daran zu mangeln; eben auf der andern Seite die übertriebenen Speculationen und den Wucher dabei hindern, und die Preise immer so stellen, wie es die Production und der natürliche Gang des Handels bei dieser wie bei allen übrigen Waaren mit sich bringt. Und die Speculation so wie der Aufkauf von Getreide werden alsdann die Preise nicht willkührlich in die Höhe treiben können, weil der fortgehende Nachschub immer aus den Nachbarschaften bis in der weitesten Entfernung, und die sichere Ansammlung des Getreides auf den grossen Handelsplätzen, wo es durch die Communicationen zu Wasser auch noch herbeigeführet werden kann, wenn sich in dem ganzen grossen Reich deutscher Nation Mangel zeigen sollte, natürlich jeder Steigerung entgegenwirken, die über die verhältnißmäsigen Kosten des Transports hinausgehen. Die Handels-Speculationen mit Getreide können alsdann sogar noch den Nutzen haben4, daß sie gewisse Vorräthe bis spät im Jahre in einzelnen Orten und Ländern festhalten, und oft von einer Erndte in die andere übertragen, also zu der allgemeinen Ausgleichung auch noch mithelfen. Ausserdem wird die Production der Gegenstände selbst, mithin die Masse der Bedürfnisse vermehret, wenn der Umsatz derselben gesichert und frei ist, und die Industrie wird mehr dahin gewandt, wo das Bedürfniß sich zeigt, wenn sie ungehindert auf Belohnung und Preis rechnen kann. Die Sperren dagegen benehmen dem Landmann offenbar durch ein willkürliches und einseitiges Verfahren einen bedeutenden Theil seines Verdienstes; es liegt darin nichts anderes, als daß auf seine Kosten die andern Classen ernähret werden sollen, und man nimmt ihm dabei meistens noch mehr wie auch hiezu nöthig ist, indem man nicht bloß die eigene Consumtion des Landes, sondern unbedingt alles was darin erzeugt wird, mithin auch denjenigen Ueberschuß zurückhält, der vortheilhaft hätte auswärts verkauft werden und einen ansehnlichen Verdienst verschaffen können. Die Sperren wirken ohnedem im endlichen Erfolg auch noch gegen ihre eigene Absicht. In den Jahren, wo die Erndten geringer wie gewöhnlich und unter dem Bedürfniß ausfallen, vermehren die Verbote der Ausfuhr die Consumtion solcher Artikel, indem sie sie anfangs zu niedrigen Preisen halten, und verursachen zuletzt einen wirklichen Mangel, oder doch eine Theuerung, die gar nicht entstanden seyn würde, wenn man die Sache in ihrem ­natürlichen Gang gelassen, weil die häufige Erfahrung gezeigt hat, daß dann 4 Emendiert. Vorlage: haber.

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von denjenigen Artikeln die theurer im Preise stehen, weniger verbraucht wird, und man sich auf eine andere Art zu helfen sucht. In ein gesperrtes Land kann die Einfuhr von aussen nicht allmählig und bedeutend genug wirken, um dem Mangel in Zeiten vorzubeugen, da niemand Getreide an einen Ort hinführet, wo er nicht nach seiner Convenienz darüber disponiren kann, und die Regierungen sich am Ende genöthiget sehen, die Bedürfnisse aus der Ferne mit grössern Kosten von Transport und wie sonst der Fall gewesen wäre, auf ihre Rechnung anzuschaffen. Es ist nach alle diesem klar und durch vielfache Erfahrung erwiesen, wie der ungehinderte freie Verkehr mit den Lebensbedürfnissen von einem Lande ins andere das eigentliche Mittel ist, dem Mangel in einzelnen Gegenden vorzubeugen und abzuhelfen, so wie auch der Uebersteigerung der Preise entgegen zu wirken; daß also die deutschen Bundesstaaten in jeder Hinsicht geeignet sind, einen solchen ungehinderten Verkehr unter einander einzuführen. Es werden sich hiernach die andern dahin gehörigen Puncte in der Kürze bestimmt beantworten lassen, indem dabei nur auf den besondern Zustand und die Einrichtungen einzelner Bundesstaaten die erforderliche Rücksicht zu nehmen ist. 3) Wollte man sich darauf begrenzen, nur Maasregeln gemeinschaftlich zu verabreden, wodurch bloß die gegenwärtige Verlegenheit und die Theuerung des Getreides gehoben werden möchte; so würde dieses keinesweges für den Zweck genügen können, der mehr darauf gerichtet seyn muß, dergleichen Verlegenheiten für die Zukunft vorzubeugen, die Verfügungen hinterher aber auch nicht völlig ausreichend zu treffen sind. Die Ursachen der jetzigen Noth und Theuerung sind vielfach und verwickelt, sie beruhen auf dem ganzen Zustand der Dinge, auf einer Störung und einem Mißverhältniß im Erwerb, und auf einer Menge von Umständen, die sich erst allmählig in einem richtig geordneten Gang wieder ausgleichen lassen; die Folgen davon werden sich aber noch öfterer zeigen, und können nicht durch einzelne und theilweise Maasregel, die nur der augenblicklichen Noth abhelfen sollen, vermieden werden. 4) Der freie Verkehr sollte auf alle Lebensmittel (Consumtibilien) ohne Unterschied, hauptsächlich auf alle Getreidearten, Kartoffeln und auf Schlachtvieh ausgedehnt werden; weil eine Gattung der Lebensmittel im Verbrauch die andere unterstützt, und von den theurern dann weniger genossen wird. 5) Alle wirkliche Ausfuhr-Verbote, rücksichtlich dieser Artikel, würden von den einzelnen Bundesstaaten unter sich, mittelst einer durch gemeinsame Beschlußnahme hier zu treffenden Uebereinkunft, aufzuheben seyn, so daß nur auf eben dem Wege bei eintretenden Veranlassungen nach darüber an­ gestellten Berathungen, veränderte allgemeine Anordnungen oder besondere Ausnahmen statt finden könnten.

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So nothwendig und wesentlich indessen eine solche allgemeine Beschlußnahme sich ergiebt; so läßt sich doch auch nicht verkennen, daß die bisherige Gesetzgebung, und die mancherlei auf Sperre oder Beschränkungen gebauten Einrichtungen einzelner Bundesstaaten eine Veränderung erleiden dürften, die, wenn sie gleich an sich nur durchaus heilsam und nützlich seyn kann, doch hin und wieder wohl der allmähligen Uebergänge erst bedürfte, um durch einen zu plötzlichen Wechsel von einem System zum andern, nicht mancherlei darauf begründete Anstalten umzuwerfen. Dieses könnte dann für einzelne Bundesstaaten gewisse Modificationen in der Art und Zeit der Ausführung noch zulassen, die jedoch von ihnen selbst, nach örtlichen Beschaffenheiten und Einrichtungen nur näher anzugeben seyn dürften; aber auch nur als soviel besondere Ausnahmen von der übrigens festzusetzenden Regel gelten könnten; so daß die andern Bundesstaaten sich dadurch nicht abhalten lassen dürften den freien Verkehr, und zwar zuvörderst mit den besagten Lebensmitteln von dem Zeitpunct gleich nach der nächsten Erndte, vielleicht vom 1ten October dieses Jahres an, unter sich eintreten zu lassen, und wenn auch einige Bundesstaaten solches nur auf eine modificirte Weise für sich annehmen, und eben so erwiedert erhalten könnten; so dürfte die Ausführung keinesweges daran gebunden oder aufgehalten werden. Von der Zeit des jetzigen Augenblicks bis dahin wird zwar auch einige Abhülfe, jedoch nur interimistisch gewährt werden können, nur in der Hinsicht um die wirklichen Vorräthe nicht über den eigenen Bedarf unnöthigerweise zurückzuhalten. Denn die unnatürlichen Beschränkungen und Sperren haben bereits die Sache aus dem regelmäsigen Gang, worin sie sich selbst ausgleicht, herausgebracht, haben grosse Aufkaufungen im Innern veranlaßt und möglich gemacht, und doch den5 Handel, der die grössere Zufuhr von der Ferne her bei Zeiten einleiten könnte, verscheucht. Es werden daher mehrere Regierungen gegenwärtig Bedenken tragen, schon gleich vor der Erndte alle Beschränkungen aufzuheben, und die ungehinderte Ausfuhr zu gestatten. Aus6 diesem Fall könnte ein Interimisticum bis zu der festzusetzenden Zeit nach der Erndte dahin eintreten: daß die Regierungen, welche nicht gleich die Ausfuhr unbeschränkt gestatten wollten, doch den Ueberschuß der sich noch über den Bedarf fast in allen diesen gesperrten Ländern vorräthig findet, auszuführen gestatteten, entweder durch freie Erlaubnißscheine, die sie ihren Unterthanen dazu ertheilten, oder auf die Ansuchungen, die deßhalb von andern Regierungen an sie zu er­lassen wären. Es ist dabei sehr wahrscheinlich, daß schon die Aussicht eines nach der Erndte eintretenden freien Verkehrs, die Getreide-Speculanten und Wucherer 5 Emendiert. Vorlage: dem. 6 Emendiert. Vorlage: Auf.

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von selbst antreiben wird, in dieser Zwischenzeit den größten Theil ihrer Aufhäufungen wieder zu veräussern, um sich nicht den geringern Preisen auszusetzen, die alsdann der beschränkte Handel damit herbeiführen könnte. Schon dadurch allein, und indem so die Besorgnisse für die Zukunft benommen werden, läßt sich in dieser Zwischenzeit eine gute Wirkung erwarten, wenn die Regierungen nur, nach einem hier zu fassenden gemeinsamen Beschluß, den Umsatz solcher nicht bedürftigen Vorräthe frei lassen wollen, 6 und 7) Die Verfügung wäre wie in Betreff einer National-Angelegenheit unbedenklich auf alle Staaten des deutschen Bundes auszudehnen. Diejenigen Staaten die zugleich europäische Mächte sind, werden die Grenzen derjenigen Länder, womit sie zum deutschen Bunde gehören, immer genau bezeichnen, und dann, wenn solches als nothwendig verlangt werden sollte, selbst am füglichsten bestimmen, auf welche Weise die freie Einfuhr, die in ihren deutschen Bundesländern von andern geschieht, nicht in ihren ausser denselben sich befindenden Provinzen, zu gestatten seyn würde. Ich muß aber nach allen Begriffen eines freien Handels bekennen, daß ich keinen Nachtheil oder eine Besorgniß davon abzusehen weis, wenn diese Grenze, die doch immer sehr schwierig zu ziehen und zu beobachten seyn würde, auch gar nicht statt fände, sondern solches den eignen Maasnehmungen überlassen würde. Denn von Seiten Oesterreichs können die Italiänischen Staaten am füglichsten von der See aus versorgt werden; Tirol, Brixen und Trident7 sind aber ohnedem deutsche Länder. Und die Preussischen Provinzen die allenfalls ausser dem Bunde stehen möchten, sind sämmtlich sehr kornreich. Dänemark ist in dem Fall, daß es seine Erfordernisse zur See bezieht, und seine fruchtbaren deutschen Länder, Holstein und Lauenburg, können unbedenklich dahin aus­ führen. Wegen Luxemburg dürfte die nähere Erklärung der Niederlande, mit welchem Königreich es auch hiebei in so unzertrennlicher Verbindung steht, zu erwarten seyn. Indessen ist einleuchtend, daß bei gesteigerten Preisen die Niederländischen Häfen an Deutschland ebensowohl Getreide wieder zuführen, als sie bei mässigen es von daher beziehen werden. Nach den entwickelten Grundsätzen wäre selbst die Sperre gegen die übrigen Grenzen des Auslandes weder erforderlich noch nützlich. Diejenige Ausund Einfuhr die zur See von den norddeutschen Küsten und Häfen geschieht, ist selbst sogar nothwendig, um den freien Umsatz zu befördern, und nach den jedesmaligen Umständen die Bedürfnisse abzusetzen und herbeizuschaffen. Ich kann es aber auch nicht weiter für gefährlich halten, wenn auch nach der Schweiz und nach Frankreich hin der Verkehr mit gewissen Lebensmitteln frei gelassen würde, sobald derselbe nur nach deßhalb eingeleiteten Verhandlungen auf einer völligen Reciprocität von beiden Seiten beruhet, auch 7 Trient (lat. Tridentum).

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keine besondere Einfuhr-Prämien, die den ordentlichen Gang des Handels unter­brechen, durch eine besondere Anreitzung den Zug dahin leiten wollen. Unter dieser Bedingung also würden die deutschen Bundesstaaten auch ohne Gefahr die Ausfuhr nach der Schweiz und Frankreich, so wie der freie Handel es ergiebt, und es den sonstigen Handelsverbindungen gemäß ist, zulassen können. Denn sobald es sich zeigt, daß die benachbarten Bundesstaaten, wie Baden, Würtemberg, Baiern selbst der Zufuhr bedürfen, wird ihnen solche aus den weiter nordwärts gelegenen Ländern durch allmähliges Nachschieben immer wieder zufliessen, sobald nur keine Sperren dazwischen treten, wie es in diesem Jahre der Fall war, und wodurch die Unternehmungen der Zufuhr gestöret, und die Preise in den hiesigen Gegenden so gesteigert worden sind, während in den nordischen Ländern, woher das Getreide zu beziehen war, man über Absatz klagt, die Preise sehr gesunken, und mehrere Handelsunternehmungen damit gescheitert sind. Hält man es aber durchaus für nöthig etwa vorerst, und bis man von dem Gang des freien Handels sich selbst mehr überzeugt haben wird, gegen die Schweiz und Frankreich die strengen Sperren noch bestehen zu lassen, und verlangen die längst der Grenze gelegenen Bundesstaaten es als wesentliche Bedingung ihres Beitritts; so bedarf es ja nur einer Verabredung der drei oder vier Bundesstaaten, welche in dieser Lage sind, um die bisherigen Sperranstalten gegen diese Grenzen des Auslandes auch ihrerseits gemeinschaftlich fortzusetzen, so wie sie seither dadurch die Ausfuhr nach jenen Seiten ab­ zuhalten suchten, indessen sie doch ausnahmsweise bedeutende Ausfuhren dahin, bekanntlich auch noch in diesem Jahre, von Regierungswegen zu überlassen in dem Fall waren. 8) Durch legale Certificate des eigenen Bedarfs und Verbrauchs wodurch ein Bundesstaat von dem andern die Bewilligung zur Ausfuhr von einer bestimmten Quantität Getreide für sich erwirkte, dürfte der vorliegende Zweck wohl keineswegs erreicht werden. Denn es würde dieses grade die Fortdauer von einer übrigens strengen Sperre gegen einander voraussetzen, und nur eine einzelne Ausnahme von derselben seyn, die aber in den Fällen wirklicher Noth oder bei sehr theuren Preis kaum einigen Erfolg erwarten läßt, da es doch immer von der besondern Beurtheilung oder nur von der Meinung einer jeglichen ­Regierung abhängen wird, in wie ferne sie dergleichen Anträgen Gehör geben zu müssen, und noch einen Ueberschuß im Lande vorräthig glaubt, von dem sie abgeben könnte; und dieß wird gerade unter Zeit und Umständen wo es erforderlich, am wenigsten der Fall seyn, da auch im jetzigen Moment, so viel man erfährt, in den meisten Ländern noch grössere Vorräthe, als wie bis nach der nächsten Erndte gebraucht werden dürften, befindlich seyn sollen, also noch abgegeben werden könnten. Ein Gegenstand zum gemeinsamen Bundesbeschluß bei dem jetzigen Antrage über den freien Verkehr dürften diese le­

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galen Certificate immer nicht seyn, da sie nur auf einem blossen Versprechen beruhen würden, über etwas, das befreundete Regierungen auch ohnedem sich nicht zu versagen pflegen, dessen Erfüllung in der Anwendung, oder doch nur ganz von dem Willen und der Meinung des einen Theils abhängig bleibt. 9) Auf die bestehenden Zölle wird sich die beabsichtigte Aufhebung aller Sperrverordnungen wohl in so weit erstrecken müssen, als dadurch die Ausführung der Producte, welche Lebensmittel ausmachen, und der freie Verkehr damit mehr oder weniger gehindert und beschränkt werden, weil es einleuchtend ist, daß ohnedem indirecte auf diesem Wege die völligste Sperre verfügt, und dadurch dann die andern Bundesstaaten zu gleichen Gegenmaasregeln gebracht werden könnten. So erklären auch gegenwärtig alle Regierungen die Zwangsmaasregeln nur aus Retorsion, um sich gegen die Nachtheile zu schützen, welche aus den Beschränkungen der andern Staaten für sie selbst ent­ stehen würden, eingeführet zu haben. Darnach würde es also nur darauf ankommen, die Veranlassung und den ersten Anfang davon zu verhüten. Will man demnach nun von einem bisherigen Beschränkungs- und Sperr-System zum freien Verkehr übergehen, so dürfte[n] sich auch unter den bestehenden ordentlichen Zöllen wohl mehrere finden, die nur darauf berechnet und angelegt sind, die Ausfuhr zu hindern oder zu hemmen, und die also in so weit sie diese Wirkung hervorbringen und als Beschränkungen des Verkehrs betrachtet werden können, aufgehoben oder modificiret werden müßten. Es wird sich dieses hauptsächlich aus der Höhe der Zölle ergeben. Ein Prinzip, was hiebei vielleicht zu einiger Leitung dienen möchte, würde seyn, wenn die Zölle von den ausgehenden Lebensmitteln etwa den Consumtions-Steuern, nach deren Beschaffenheit in den einzelnen Bundesstaaten gleich gesetzet sind, und ohne deßhalb den Regierungen etwas vorschreiben zu können; so würde doch darin die Idee richtig seyn, daß für die Ausfuhr solcher Lebensmittel in einen andern Bundesstaat keine Beschränkung aufliegt, wenn die eigenen Unterthanen den Verbrauch derselben im Innern eben so hoch zu versteuern haben. 10) Das Vorgesagte gilt noch mehr von ausserordentlichen Zöllen, die eigends und directe auferlegt sind, um die Ausfuhr jener Artikel ganz oder für eine Zeitlang zu hemmen oder zu erschweren. Die Absicht die Preise der Lebensmittel im Innern niedrig zu erhalten, und zugleich von den ausgehenden einen Vortheil für die landesherrlichen Cassen zu ziehen, ist gewöhnlich dabei verbunden. Die nach den Preisen der Früchte steigenden Zollsätze, wenn sie auch wie einmal eingeführt und ordentliche bestehen, können wohl ihrer ganzen Anlegung nach nicht anders wie hierher gehörig und als theilweise Sperrgesetze und entschiedene Beschränkungen betrachtet werden, die nach obigen Grundsätzen aufzuheben oder zu modificiren seyn würden, wenn mit den andern und benachbarten Bundesstaaten ein freier Verkehr der Lebensmittel gleichmäsig und sicher getrieben werden soll.

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11 und 12) Das von einem Bundesstaat zum andern durchgehende Getreide und die sonstigen Lebensmittel sollten demnach ebenfalls nicht bloß allenthalben ungehindert passiren, und mit keinen ausserordentlichen Abgaben beschwert werden, was sich schon aus richtigen Begriffen und bei den freundschaftlichen Verhältnissen von Staaten eines gemeinsamen Nationalbundes von selbst ergiebt; sondern es würde in eben dieser Gemäßheit auch festzusetzen seyn: daß solche durchgehende Lebensmittel bei gehöriger Bescheinigung wohin sie geführt werden, künftig selbst von allen sonstigen Transitgebühren zu Lande frei bleiben sollten. So lange aber noch Sperren und Verbote überhaupt oder theilweise ergehen, dürfte billig als Regel anzunehmen seyn, daß solche auf die erweislich früher bereits im Lande angekauften Quantitäten nicht zu erstrecken seyn werden. Plessen

171. Eyben über die Freiheit des Handels mit Getreide und Schlachtvieh zwischen sämtlichen deutschen Bundesstaaten

ProtDBV 1817, 32. Sitzung vom 2. Juni 1817, Anlage Ziffer 2 zu Beilage 64, nach S. 502 (3 unpaginierte Seiten). Separatvotum. Druckfassung.

In Europa beginnt man die schädlichen Wirkungen des Prohibitiv- oder Merkantilsystems zu fühlen, es wird jedoch noch lange dauern, bis es abgeschafft werden wird. Die Einführung eines allgemeinen freien Handelsverkehrs liegt im Interesse der deutschen Nation und jedes einzelnen Bundesstaats. Da eine solche Übereinkunft derzeit schwer zu erreichen ist, soll sich der Bundestag auf die Herstellung des freien Verkehrs mit den notwendigen Lebensmitteln konzentrieren. Das Bedürfnis des freien Handelsverkehrs steigt für die Einwohner in dem Grade, wie sich der Preis der Lebensmittel erhöht. Jede Regierung handelt gegen das Interesse der Konsumenten, wenn sie in dieser Situation an Zollauflagen und Territorialsperren festhält. Letztere wirken um so nachteiliger, je geringer der Umfang des Staatsgebiets ist. Vordringlich ist der freie Verkehr mit Getreide und Kartoffeln und wünschenswert die Ausdehnung der freien Zirkulation von Lebensmitteln auf sämtliche Bundesstaaten und die angrenzenden Nachbarstaaten. Existiert im Innern der deutschen Staaten ein freier Verkehr mit Lebensmitteln, ist deren Ausfuhr in das Ausland nicht zu fürchten. Da eine Aufhebung der Grenz- und Binnenzölle in den Bundesstaaten derzeit nicht zu bewirken sein wird, sollen diese die Zölle entweder gar nicht oder zumindest nicht im laufenden Finanzjahr erhöhen

[Frankfurt am Main, 2. Juni 18171] Ad 1) Seit einigen Jahren fängt man in Europa ziemlich allgemein an, die schädlichen Wirkungen des bisher üblichen Prohibitiv- oder Mercantil-­ 1 Eingebracht in der 32. Sitzung vom 2. Juni 1817; vgl. ProtDBV 1817, § 209, S. 420.

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Systems2 zu fühlen. Die Erfahrungen der letzten zwanzig Jahre haben die ­Ueberzeugung hervorgebracht, daß, indem man durch Anwendung dieses Systems einem Theile der Nation einigen Vortheil verschafft, man diesen durch grössere Opfer des andern und grösseren Theils der Nation erkaufen läßt. Die Preussische Regierung hat namentlich kürzlich angefangen diese Wahrheit auszusprechen, in der Deputirten-Kammer zu Paris sind mehrere vorzügliche Reden darüber gehalten worden, und der französische Staatswirthschaftsgelehrte Jean Baptist Say hat ein äusserst merkwürdiges Werk über die nachtheiligen Folgen des eingeschränkten Getreidehandels her­aus­ gegeben3. Vorauszusehen ist es jedoch, daß es noch lange dauern muß und wird, ehe dieses so genannte Mercantil-System in Europa allgemein fällt; es wird diesem Systeme durch die Manufacturisten und die Kaufleute zu sehr das Wort geredet, da sie vorzüglich dabei gewinnen. – Das Interesse der Einzelnen, die durch das eingeführte Mercantil-System in einem Staate gewinnen, ist für jeden einzelnen Betheiligten grösser, als das Interesse des Einzelnen der dadurch verliert, weil der Verlust die ganze Masse der Producenten der ersten Erzeugnisse in einem Staate trifft, und sich unter diese ganze ­Masse vertheilt, während der Gewinn aus Prohibitiv-Maasregeln nur wenigen zu Theil wird. Es wird also lange dauern, ehe man von Prohibitiv-Maasregeln in den europäischen Staaten zurückkommt, besonders da auch der Uebergang von dem Mercantil-System zu dem entgegengesetzten für jede Regierung, wo ersteres besteht, nichts weniger als leicht ist, weil ein solcher plötzlicher 2 Unter Merkantilsystem oder Merkantilismus versteht man die zwischen dem späten 16. und der Mitte des 18. Jahrhunderts vorherrschenden ökonomischen Lehren und Bestrebungen, die auf eine Mehrung von Macht und Reichtum des jeweils eigenen Landes zielten. Als Mittel dazu diente vor allem die Steigerung der gewerblichen Produktion und des Exports von Fertigwaren ins Ausland bei gleichzeitiger Förderung des Imports von Rohstoffen, um eine aktive Handelsbilanz und einen Zufluß an Geld zu erreichen. Hinzu kam eine aktive Bevölkerungspolitik, um das Arbeitskräftepotential, das als wichtiger Produktionsfaktor angesehen wurde, zu vergrößern. In den europäischen Ländern erfuhr der Merkantilismus je nach Entwicklungsstand und Interessenlage ganz unterschiedliche Ausprägungen. Als ökonomische Lehrmeinung wurde er im Laufe des 18. Jahrhunderts in Frankreich durch die Lehren der Physiokraten und in England durch die klassische Nationalökonomie von Adam Smith abgelöst, während in Deutschland merkantilistische Auffassungen noch bis zur Jahrhundertwende bestimmend blieben. Der Begriff Merkantilismus ist retrospektiver Natur und war „zunächst negativ konnotiert“, stellte der Merkantilismus aus der Sicht des Wirtschaftliberalismus des 19. Jahrhunderts doch ein „irregeleitetes System des Protektionismus und der Reglementierung [dar], das einzelne Handelsinteressen(ten) beförderte und den freien Wettbewerb behinderte“. Vgl. Meyers Taschenlexikon Geschichte, Bd. 4, S. 109 f.; Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 8, Sp. 380−387, die Zitate Sp. 381; Rössler/Franz, Sachwörterbuch zur deutschen Geschichte, S. 728−731. 3 Vgl. Jean-Baptiste Say, Traité d’economie politique ou simple exposition de la manière dont se forment, se distribuent et se consomment les richesse. Réimpression de l’edition 1841. Osnabrück 1966, Livre premier, chapitre XVII, § IV: Des règlemens relatifs au commerce des grain, S. 206−218.

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Wechsel das Capitalvermögen einer zahlreichen Einwohner-Classe plötzlich vermindert, und manche Gewerbe umstürzt. Wir sehen es an den Würkungen der nur wenige Jahre bestanden habenden Napoleonischen Continental-Sperre4 auf unsere deutschen Manufacturen, und an den Wirkungen der wiederhergestellten Freiheit auf diese künstlich zu Tage geförderten Anstalten. Ungeachtet nun in Deutschland das Mercantil-System wegen zu grosser Theilung des Staatsgebietes niemals tiefe Wurzeln schlagen konnte, und Deutschland darum ein Staat geblieben ist, in dem sparsam nur – in der Regel – Industrie-Anstalten blühen, die auf den seichten Boden des Prohibitiv-Systems gepflanzt sind; so ist doch in einzelnen Theilen unseres Staatenbundes dem Mercantil-System gehuldiget worden, und darauf gründe ich die Beantwortung der ersten Frage dahin, daß, so sehr dem Interesse der Nation und jedes einzelnen Bundesstaates die Einführung eines allgemein freien Handelsverkehrs mit allen Producten entsprochen würde, eine solche Uebereinkunft gegenwärtig schwer zu erreichen seyn dürfte. Alles was uns daher dieser Freiheit nähert, ist als Gewinn anzusehen, und dieser Gewinn könnte entgehen, wenn man zu viel auf einmal zu erlangen strebte. Ad 2) Dagegen wird es leichter werden, unter den gegenwärtigen Verhältnissen den freien Verkehr mit Lebensmitteln und den Gegenständen des ersten Bedürfnisses herzustellen. Man muß wenigstens von Seiten des Bundestags den Versuch machen, damit so weit zu kommen, als es möglich ist, und dazu bieten die Begebenheiten des Tages die schönste Veranlassung dar. – Abstrahirt von vielen andern sich hier Jedem aufdringenden Bemerkungen, braucht man, um die Möglichkeit und Nothwendigkeit des freien Verkehrs mit Lebensmitteln, besonders in Zeiten der Noth, zur höchsten Evidenz zu 4 Die Kontinentalsperre (1806−1813) war ein Handelsembargo der unter napoleonischem Einfluß stehenden west- und mitteleuropäischen Länder gegen britische Manufakturwaren sowie „über Großbritannien gehandelte Kolonialwaren“, das ergänzt wurde durch eine Ausfuhrsperre für kontinentaleuropäisches Getreide nach Großbritannien. Ziel dieser Maßnahmen war es ­einerseits, den Entwicklungsvorsprung der englischen Industrie gegenüber der kontinentaleuropäischen zu verringern, andererseits sollte Großbritannien politisch in die Knie gezwungen werden. Die wirtschaftlichen Konsequenzen der durch Schmuggel vielfach durchbrochenen Kontinentalblockade waren höchst unterschiedlich. Während der Wegfall britischer Produkte in einigen Industriezweigen und Regionen (z. B. Baumwollspinnerei in Sachsen) einen auch langfristig wirkenden Entwicklungsschub auslöste, erlebten exportorientierte Branchen wie die Leinenindustrie durch das Wegbrechen des englischen Marktes einen Niedergang. Schwer getroffen wurden auch die Hafenstädte an Nordsee und Atlantik sowie die vom Getreideexport nach England abhängigen Länder, in denen sich die sozio-ökonomische Situation enorm verschärfte. Hingegen wurde die britische Wirtschaft durch die Kontinentalsperre weit weniger geschädigt als erwartet, so daß Napoleon Großbritannien nicht zum Frieden zwingen konnte. Vgl. Meyers Taschenlexikon Geschichte, Bd. 3, S. 278; Taddey (Hrsg.), Lexikon der ­deutschen Geschichte, S. 670; Rössler/Franz, Sachwörterbuch zur deutschen Geschichte, S. 558 f.; Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 6, Sp. 1148−1150, Zitat S. 1148.

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bringen, nur den einfachen Satz aufzustellen, daß der Staat besonders dann auf Verminderung der Preiße zu wirken verpflichtet ist, wenn diese Preiße eine solche Höhe erreichen, daß die grosse Masse der Consumenten dieselben nicht mehr aufbringen kann; daß also der Staat dafür zu sorgen hat, daß jeder sich sein Bedürfniß, besonders in Zeiten der Theuerung, mit dem geringst möglichen Aufwand von Zeit und Kraft zu verschaffen in den Stand gesetzt werde; daß dieser Aufwand von Zeit und Kraft für den Consumenten nur dadurch möglichst vermindert wird, wenn nichts ihn verhindert denjenigen Markt aufzusuchen und zu benutzen, der ihm am nächsten ist, und wo er sich sein Bedürfniß mit dem geringsten Aufwande verschaffen kann; daß also jede Zollauflage auf den freien Transport der Lebensmittel von einem Orte zum andern, und noch vielmehr eine gänzliche Territorial-Sperre im Allgemeinen (da locale Wirkungen hier nicht in Betracht kommen dürfen) den Preiß für den Consumenten erhöhen, dadurch, daß ihm entweder der ihm zunächst ­liegende Markt gänzlich geschlossen und er gezwungen wird, sein Bedürfniß aus der Ferne mit grösserem Aufwande zu beziehen, oder sich doch der zu bezahlenden Zollabgabe zu unterwerfen, welche um ihren Betrag den Preiß des Lebensbedürfnisses erhöht. Dieses reicht hin, um zu zeigen, daß das Bedürfnis des freien Handelsverkehrs für die Einwohner in eben dem Grade steigt, in welchem der Preiß der Lebensmittel sich ausserordentlich erhöht, daß also eine jede Regierung ganz gegen das Interesse der Consumenten handelt, wenn sie in solchen Zeitpuncten durch Sperre und hohe Zölle den freien Verkehr mit Lebensmitteln hemmt, mithin gerade das Gegentheil von dem thut, was sie bezweckt und ihr zu thun obliegt. Gänzliche Sperren wirken in eben dem Verhältniß nachtheiliger, in welchem sie vervielfältigt werden, und geringer der Umfang der Territorial-Massen ist, welche auf diese Art von einander isolirt werden. In grossen Staaten fühlt man das Nachtheilige der Sperre besonders nur auf den Grenzen, und nicht tief im Innern, weil (Wassertransporte ausgenommen) sich die ersten Lebensmittel und Bedürfnisse niemals auf grosse Distanzen zu Lande transportiren lassen, da der Aufwand des Landtransports, auch bei sehr hohen Preißen, den Werth der Lebensbedürfnisse bald übersteigt; in kleinen Staaten wirkt aber die Sperre nachtheilig auf die ganze Masse des Landes, und darum äussern sich diese Maasregeln am nachtheiligsten in denjenigen Gegenden Deutschlands, wo kleine Staaten sich berühren. Ad 3) Aus dem Vorhergehenden beantwortet sich diese Frage von selbst. Je ausgedehnter die Freiheit des Verkehrs mit Lebensmitteln seyn wird, um so besser wird für das Interesse der Einwohner der deutschen Staaten gesorgt seyn. Ad 4) Ist freier Verkehr nur für einzelne Gattungen von Lebensmitteln zu erlangen, so müssen alle Getreidearten zunächst als Gegenstand dieses freien

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Verkehrs betrachtet werden; dann folgen die Kartoffeln, da diese nach der Erndte, besonders Transporte zu Wasser auf grosse Distanzen erlauben. Ad 5) Kann nach allem Vorhergesagtem nur mit Ja beantwortet werden. Ad 6) Auf sämmtliche Bundesstaaten. Machen sich auch die an den deutschen Bund stos­senden Staaten verbindlich, die freie Circulation mit Lebensmitteln zwischen ihnen und dem deutschen Bunde nicht zu hemmen, so ­würde dieses nur um so wünschenswerther seyn. In welcher schrecklichen Verlegenheit würden wir seyn, hätten gegenwärtig die nordischen Bundesstaaten, auch nur die Niederlande, den Getreidehandel gehemmt. Ad 7) Ist im Innern der deutschen Staaten freier Verkehr mit Lebensmitteln, dann haben wir die Ausfuhr in das Ausland nicht zu fürchten. Nur das Isolirungs-System der deutschen Staaten gegen einander durch förmliche Sperren sowohl, als durch Zölle, hat den gegenwärtigen partiellen Mangel veranlaßt. – Häufige Erfahrungen, und vorzüglich die des letzten und gegenwärtigen Jahres, lehren, daß der Staat, der durch einen, einem Ausfuhrverbot gleichkommenden Ausgangszoll die Getreidepreiße im Lande gleich nach der Erndte niedriger erhielt, als die freie Exportation sie gestellt haben würde, dadurch unnatürlich die Getreide-Consumation in seinem Lande erhöhet, die zum Vortheil des Landes und des übrigen Deutschlands sich wegen der steigenden Preiße schon in diesem Zeitpuncte würde vermindert haben, und veranlaßt selbst dadurch den Mangel, über den gegenwärtig geklagt wird. Nicht die Ausfuhr, sondern die grosse Consumation, eigentlich Verschwendung, in dem Innern des Landes erzeugt die Theuerung und den Mangel, und wir sehen, daß gerade in den Ländern, in denen gleich nach der Erndte die Sperre oder der hohe Ausfuhrzoll verfügt ward, das Brod am theuersten geworden ist. Dasselbe gilt von Sperren, die die an Deutschland angrenzende[n] europäische[n] Staaten anlegen. Veranlassen wir diese Staaten, gegen uns nicht zu sperren, indem wir das Reciprocum zusichern, so gewinnen sie und wir, weil die Preiße künstlich weder bei ihnen noch bei uns alterirt werden. Daß durch Hemmung des freien Fruchtverkehrs zwischen Deutschland und den angrenzenden Staaten auch die Fruchtspeculanten, die von dem Auslande Früchte zuführen, gehemmt werden, wirkt auch nachtheilig auf die Fruchtpreiße. Niemand bringt Getreidevorräthe in ein Land, von dem er nicht weis, ob ihm morgen nicht die Disposition über sein Eigenthum erschwert wird. Wäre nicht, in Folge der Congreßacte5, das auf dem Rhein herbei gebrachte Getreide gegen jede Territorial-Sperre gesichert, unsere gegenwärtige Verlegenheit wäre ungleich grösser. 5 Die Wiener Kongreßakte vom 9. Juni 1815 bestimmte u. a. die Freiheit der Schiffahrt auf allen Flüssen, die durch mehrere Anrainerstaaten flossen. Zugleich sollte niemandem der Handel auf

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Ad 8) Eine auf die bezeichnete Art beschränkte Freiheit der freien Circulation des Getreides in Deutschland, ist für das Allgemeine wenig werth, und wird eine neue Quelle von Unterschleifen aller Art. Ad 9) Es ist vorauszusehen, daß, so wünschenswerth es auch in vielen Beziehungen wäre, eine Aufhebung der Grenz- und Binnenzölle in den deutschen Bundesstaaten nicht zu bewirken seyn wird. Diese Zölle sind an manchen Orten eng mit den Landesfinanzen verwebt, ohn­er­achtet ihr Ertrag im Allgemeinen weniger bedeutend erscheint, da die Erhebungskosten immer einen grossen Theil des Revenüen-Ertrags absorbiren, und der reine Ertrag selten die Hälfte der ersten Einnahme beträgt. Zu dem Zweck der Handhabung einer freien Circulation der ersten Lebensbedürfnisse in den Bundesstaaten reicht es hin, wenn die Staaten die Verbindlichkeit übernehmen, diese Zölle entweder gar nicht, oder doch nicht in dem Laufe des Finanzjahres zu erhöhen, sondern sich an selbstgesetzte und gewöhnlich hergebrachte Tarife zu halten. Schon die alten Reichsgesetze6 verordneten dieses. Ad 10) Findet seine Erledigung durch die Beantwortung der vorstehenden Frage. Ad 11) Kann nur bejahet werden, das Gegentheil wäre ein vollkommener Eingriff in das Eigenthumsrecht. Ad 12) Jede Sperre ist eine gewaltsame Maasregel, die um so schreiender wird, je störender sie auf die Freiheit des Getreidehandels wirkt, und dieses geschiehet, wenn auch auf Entrepots7 fremder Früchte und früherer Aufkäufe für fremde Rechnung die Sperre ausgedehnt werden kann. Eyben

diesen Flüssen untersagt werden. Zu beschließende Reglements sollten im Hinblick auf den Handel für alle gleichförmig und für den Handel aller Nationen so günstig wie möglich abgefaßt werden. Vgl. Acte du Congrès de Vienne du 9 Juin 1815, avec ses Annexes, S. 80 f. (Artikel 108 f.) 6 Vgl. Artikel 8, § 1 der Wahlkapitulation Kaiser Franz’ II. vom 12. Juli 1792, in: [Böhmer], Das Zollwesen in Deutschland geschichtlich beleuchtet, S. 30. 7 Entrepôt (frz.): Eine Niederlage für durchgehende und andere Waren, ein Lagerhaus, Stapelplatz oder Stapel­ort. Vgl. Heyse, Allgemeines verdeutschendes und erklärendes Fremdwörterbuch, S. 238.

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172. Kommissionsvortrag über die vollständige Herstellung des freien Verkehrs zwischen den deutschen Bundesstaaten vorzüglich in Hinsicht auf die unentbehrlichsten Lebensmittel

ProtDBV 1817, 32. Sitzung vom 2. Juni 1817, Beilage 64, nach S. 424 (5 Seiten, unpaginiert)1. Kommissionsvortrag. Druckfassung.

Die Herstellung des allgemeinen freien Handelsverkehrs zwischen den deutschen Bundesstaaten ist eine zu komplizierte Materie, als daß sie unter dem Druck der gegenwärtigen Notlage umfassend erörtert werden könnte. Deshalb beschränkt sich die Kommission auf die Herstellung des freien Verkehrs von Getreide und Kartoffeln. Wünschbarkeit eines allgemeinen freien Fruchthandels im ganzen Gebiet des Deutschen Bundes sowie von einvernehmlichen Sperrmaßnahmen gegen das benachbarte Ausland. Empfehlung der Kommission, daß bis zur Einführung des freien Fruchthandels die einzelstaatlichen Regierungen auf die Bedürfnisse der angrenzenden Bundesstaaten Rücksicht nehmen und zwischenstaatliche Vereinbarungen über die Aufhebung von Fruchtsperren getroffen werden. Übergabe eines Entwurfs einer Übereinkunft zwischen sämtlichen deutschen Bundesstaaten über die Freiheit des Handels mit Getreide und Schlachtvieh mit der Bitte um rasche Instruktionseinholung. Bis zum Eintreffen sämtlicher Instruktionen soll es möglich sein, eine einstweilige Übereinkunft zwischen denjenigen Bundesstaaten zustande zu bringen, die sich dazu bereit erklärt haben werden.

Frankfurt am Main, 2. Juni 1817 Commissions-Vortrag über die vollständige Herstellung des freien Verkehrs zwischen den deutschen Bundesstaaten, vorzüglich in Hinsicht auf die unentbehrlichsten Lebensmittel. Aus Veranlassung einer Erklärung des Königlich-Württembergischen Bundesgesandten in der XXIX. Sitzung wurde am 19. Mai eine Commission von fünf Mitgliedern erwählt und derselben der Auftrag ertheilt, über Aufhebung der Beschränkungen des gegenseitigen Verkehrs mit den nothwendigsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Staaten baldigst ein Gutachten zu erstatten.2 Die Unterzeichneten haben nicht gesäumt, über diesen gemeinwichtigen Gegenstand miteinander in Berathung zu treten: es hat sich ihnen aber bald die Ueberzeugung aufgedrungen, welche grosse Schwierigkeiten mit der Lösung dieser Aufgabe verbunden sind, da die Sache, so einfach sie an sich ist, durch die Ereignisse und einzelnen Verfügungen aus der natürlichen Ordnung gänzlich verrückt wurde, und von so allgemeinem Interesse für alle deutsche 1 Hier nach dem Exemplar in StA Bremen, 2−M.3.b.2.a.2. 2 Vgl. ProtDBV, 29. Sitzung vom 19. Mai 1817, § 180, S. 342–344 und Dok. 168.

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Staaten sie ist, für jeden einzelnen Staat die abweichendsten individuellen Beziehungen statt finden. Um jedoch den gegebenen Auftrag, so viel es die Lage der Sachen und die beschränkte Zeit zulassen, möglichst zu erfüllen, und eine solche Einleitung zu bewirken, wodurch am ersten ein gemeinsames Einverständniß der Bundesglieder über diesen Gegenstand möglich würde, hat die Commission sich bemüht, eine gleichheitliche Grundlage zur Instructions-Einholung herzustellen, und zu solchem Ende folgende Fragen und Puncte herausgehoben, auf deren Erörterung es hiebei vorzüglich ankommen dürfte: 1) Soll sich diese Uebereinkunft auf den gesammten freien Handelsverkehr mit allen Produkten innerhalb des deutschen Bundes; 2) oder wenigstens auf alle Lebensmittel und Gegenstände des ersten Bedürfnisses ausdehnen; oder 3) in engerer Begrenzung auf die Verfügungen beschränken, welche die gegenwärtigen Verhältnisse der Getreidetheuerung in Anspruch nehmen; 4) welche Artikel von Lebensmitteln sollen als Gegenstand der zu treffenden Verfügungen angenommen werden? 5) Sind alle Ausfuhrverbote rücksichtlich dieser Artikel von den einzelnen Bundesstaaten unter sich aufzuheben? 6) Welches ist der Umfang der Gebiete, auf welche diese Verfügungen auszudehnen wären? 7) Welche Anstalten wären an den Grenzen der verbündeten Staaten gegen das Ausland zu treffen? 8) Würde es hinreichen, anstatt einer allgemeinen Aufhebung der innern Sperrverordnungen, auf bestimmte Quantitäten überein zu kommen, welche auf legale Certificate des eigenen Bedürfnisses und Verbrauchs von einem Bundesstaate in den andern frei passirt werden sollten? 9) In wieweit könnte sich eine allenfallsige Verfügung freien Getreidehandels zwischen den deutschen Bundesstaaten auch auf die bestehenden Zölle beziehen? 10) Wären die nach den Preißen der Früchte steigenden Zollsätze auch als Sperrgesetze zu betrachten, und als unter der Aufhebung begriffen anzusehen? 11) Sollte nicht in jedem Falle das transidirende Getreide mit blosser Entrichtung der Transit-Gebühren allenthalben unaufgehalten durchpassiren? 12) Kann ein allenfallsiges Sperrgebot auf die erweislich früher bereits erkauften Quantitäten erstreckt werden? Nach wiederholten Berathungen, bei welchen die unter Ziffer 1, 2 und 3 beigefügten schriftlichen Abstimmungen3 vorzüglich dazu beitrugen, die 3 Vgl. Dok. 169, 170 und 171.

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Grund­sätze näher zu entwickeln und festzustellen, vereinigte sich die Commission auf nachfolgende Beantwortung der aufgeworfenen Fragen: ad 1) Die gegenwärtige Uebereinkunft soll sich auf die Herstellung des ­allgemeinen freien Handelsverkehrs zwischen den Bundesstaaten nicht ausdehnen, da die Lösung dieser Aufgabe, nach der vollen Bestimmung des 19. Artikels der Bundesacte4, nur die Folge anhaltender reifer Prüfungen und bedächtlicher Unterhandlungen seyn könnte, welche wegen des tiefen Eingreifens in die innersten Verwaltungs-Verhältnisse der einzelnen deutschen Staaten, weit mehr Zeit in Anspruch nehmen, als der Drang der gegenwärtigen Umstände erlauben würde. Man glaubte daher sich auf die engern Grenzen des gegebenen Auftrags beschränken zu müssen, dabei aber voraussetzen zu dürfen, daß die gegenwärtige Veranlassung von selbst die einzelnen Regierungen geneigt machen werde, die allgemein gestellte Frage bei ihren Behörden in Berathung zu nehmen und den Gegenstand so vorbereiten zu lassen, daß man sich in der Folge eine allgemeine Uebereinkunft darüber versprechen kann. ad 2) Auch glaubt die Commission nicht, daß man die dermalige Verfügung auf alle Lebensmittel und Gegenstände des ersten Bedürfnisses erstrecken sollte, da, wenn man hierunter auch Holz, Salz, Wein u. s. f. begreifen wollte, rücksichtlich welcher so verschiedene individuelle Verhältnisse der einzelnen Staaten eintreten, eine weit mehr umfassende Prüfung und Erwägung der Rücksichten erfordert würde, als gegenwärtig statt finden kann. Man hätte sich daher auf den Fruchthandel zu beschränken, darüber aber eine nicht bloß auf den Augenblick berechnete, sondern auch für die Folge geltende allgemeine Uebereinkunft zu treffen. ad 3) Wenn man sich jedoch schon auf die Verfügungen nicht begrenzt, welche die gegenwärtigen Verhältnisse der Getreidetheuerung in Anspruch nehmen, sondern dahin zu wirken trachtet, daß ähnlichen Verlegenheiten für die Zukunft auf eine wirksame Weise vorgebeugt werde, so wäre doch, in so fern nicht schon die allgemeine Uebereinkunft auch auf den dermaligen Zustand von selbst wohlthätig einwirkt, insbesondere möglichste Sorge zu tragen, daß die angemessensten Maasregeln ergriffen werden, um den gegenwärtigen Mißverhältnissen so viel thunlich abzuhelfen. ad 4) Als Gegenstand der gegenwärtigen Uebereinkunft wären alle Arten von Getreide, dann Kartoffel zu begreifen, weiter aber dermal die Nothwendigkeit des freien Verkehrs mit Lebensmitteln nicht auszudehnen. ad 5) Mit sämmtlichen Getreidearten und Kartoffeln soll unter allen Bundesstaaten durchgehend freier Verkehr seyn, und alle Ausfuhrverbote und Sperrgesetze sollen gegenseitig durchgehends aufgehoben bleiben. Würden je 4 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1517.

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Veranlassungen entstehen, hierin Ausnahmen oder Abänderungen eintreten zu lassen; so dürfte dieß niemal[s] durch einseitige Verfügung eines Bundesgliedes, sondern auf demselben Wege gemeinsamer Uebereinkunft geschehen, wie gegenwärtige Bestimmung. Es wäre zwar sehr zu wünschen, daß dieser allgemein freie Fruchthandel alsbald eintreten könnte, da man sich nur durch dieses Mittel versprechen darf, daß sich allmählig die durch mancherlei Verfügungen gestörte natürliche Ordnung wieder herstellen werde. Indessen läßt sich nicht verkennen, daß die gegenwärtigen Bestimmungen der einzelnen Regierungen mit so vielen a­ ndern Einrichtungen und Verhältnissen in Verbindung stehen, die vielleicht eine augenblickliche Auflösung des dermaligen Zustandes nicht allenthalben räthlich machen. In einzelnen Staaten kann es für nützlich, vielleicht nothwendig erachtet werden, dem Uebergange von einem System zu dem andern einigen Raum zu gönnen, um den Nachtheilen eines zu schnellen Wechsels zu begegnen. Es dürfte daher ein etwas entfernterer Zeitpunct angenommen werden, von welchem anfangend der durchgehend freie Verkehr mit Getreide statt finden sollte. Die vollendete Erndte dürfte diesen Zeitpunct am entsprechendsten bestimmen, und wegen der grossen örtlichen Verschiedenheiten allenfalls der 1. October dieses Jahres hiezu allgemein angenommen werden. ad 6) Die gegenwärtige Uebereinkunft wäre auf den ganzen Umfang des deutschen Bundes auszudehnen. Im Allgemeinen giebt hierüber der Erste ­Artikel der Bundesacte den Stützpunct, und dann wird ohnehin auch die ­namentliche Bezeichnung der Bundesstaaten in Bälde zu erwarten seyn.5 ad 7) An den Grenzen der Bundesstaaten gegen das Ausland wären die Sperranstalten da noch fortzusetzen, wo bei aufgehobener Sperre die Verhältnisse eine solche Ausfuhr befürchten ließen, welche das eigene Bedürfniß in Gefahr setzen könnte, da die gegenwärtige Ueber­einkunft nur das gemeinschaftliche Wohl der im deutschen Bunde vereinigten Staaten, nicht aber jenes der Grenznachbarn zum Zwecke hat, selbst wenn sie zum Theile einem Bundesgliede unterworfen wären. Dermal dürfte die Getreidesperre gegen Frankreich und die Schweiz fortwähren; in wie weit sie gegen die Niederlande oder Italien anzuwenden wäre, wird einer nähern Erwägung der Umstände erfordern. Ueberhaupt wäre in Antrag zu bringen, daß die deutschen Bundesstaaten dahin übereinkommen, an den Grenzen gegen das Ausland keine einseitige Verfügung zu treffen, weder eine Sperre anzulegen, noch aufzuheben, sondern jede Veränderung hierin dem gemeinsamen Einverständnisse zu über­lassen. 5 Die in Artikel 1 der Deutschen Bundesakte (vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508) nur allgemein bezeichneten Bundesgebiete Österreichs, Preußens und Dänemarks wurden in Dok. 51, 54 und 49 näher konkretisiert.

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ad 8) Es würde nicht genügen, anstatt einer allgemeinen Aufhebung der Sperrverordnungen im Innern des deutschen Bundes-Complexes, bestimmte Quantitäten festzusetzen, welche auf beglaubte Zeugnisse des eigenen Bedürfnisses und Verbrauches von einem Bundesstaate in den andern frei eingebracht werden sollen. Da, wo die einzelnen Regierungen dieses auf Ansuchen eines Nachbarstaates thun wollen, bedarf es einer besondern Uebereinkunft nicht, und wo man hiezu keine Bereitwilligkeit hat, oder haben zu dürfen glaubt, kann es an ­einem Vorwande nicht fehlen, solches abzulehnen oder zu vereiteln. Quantitäten lassen sich in einer allgemeinen Uebereinkunft unter so verschiedenartigen Theilnehmern nicht bestimmen, und allgemeine Grundsätze, welche einen Maasstab zur Anwendung für die einzelnen Fälle liefern können, dürfte es schwer seyn aufzustellen. Eine beengende Bestimmung würde nichts wirken: eine erweiternde würde Unterschleifen Platz geben, oder einer gänzlichen Sperraufhebung gleich kommen, also von jenen Regierungen, nicht angenommen werden, welche dermal noch Bedenken finden, durchgehends freien Verkehr zu gestatten. Verfügungen, welche sich auf eine Untersuchung und Aufzeichnung des eignen Bedarfs und der Vorräthe gründen sollten, dürften um so weniger räthlich seyn, als einerseits niemal[s] eine solche Aufzeichnung auch nur von ­einiger Verlässigkeit ist, andrerseits die Erfahrung genug gelehrt hat, daß dergleichen Maasregeln statt des beabsichteten Zweckes immer nach­ theilige Wirkungen hervorgebracht haben. Bei gegenwärtigem Einverständniß wird man sich daher darauf zu beschränken haben, den allgemeinen Wunsch auszudrücken, daß bis zur Einführung des freien Fruchthandels diejenigen Regierungen, welche es etwa noch nicht für angemessen finden sollten, schon gleich jetzt die Getreidesperre aufzuheben, auf die angrenzenden Bundesstaaten, deren Bedürfniß es erfordert, durch einzelne Ausfuhrbewilligungen gegen beglaubte Zeugnisse nachbarliche Rücksicht nehmen möchten. Damit aber schon früher als der allgemein angenommene Zeitpunct des freien Fruchtverkehrs eintritt, einstweilen so viel möglich den gegenwärtigen Mißverhältnissen abgeholfen, ein allmähliger Uebergang desto mehr erleichtert und denjenigen Staaten, welche es für angemessen finden, schon jetzt die Sperrgesetze aufzuheben, früher die wohlthätigen Folgen des freien Verkehrs, wenn auch noch nicht in vollem Maase zu Theil werden, so könnten sich die Bundesglieder vorbehalten, einstweilen mit ihren nächsten Nachbarn, oder mit Einigen unter sich über alsbaldige gegenseitige Sperraufhebung übereinzukommen. Je ausgedehnter der Umfang einer solchen Verbindung wäre, desto wohlthätiger würden die Wirkungen seyn, und desto mehr die übrigen Bundesglie-

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Kommissionsvortrag über die vollständige Herstellung des freien Verkehrs

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der veranlaßt werden, ebenfalls beizutreten. Gegen diejenigen Bundesstaaten, welche nach ihren Verhältnissen den freien Fruchtverkehr noch nicht einführen zu können glauben, wäre sodann von den zur Handelsfreiheit vereinigten Landen gleichwohl noch die Getreidesperre erwiedernd fortzusetzen. ad 9) Die allgemeine Festsetzung des freien Getreidehandels zwischen den deutschen Bundesstaaten kann auf die bestehenden Zölle keinen Bezug ­haben, so fern hierunter die gewöhnlichen einfachen Ausfuhrzölle, Wegzölle, oder allenfalls solche Consumtions-Abgaben begriffen werden, welche auch bei dem Verbrauch im Inland gereicht werden müssen. ad 10) Dagegen wären die nach den Preißen der Früchte steigenden Zollsätze allerdings als Sperrverfügungen anzusehen und unter der Aufhebung mitzuverstehen. Dieselben hätten also vom 1. October, oder dem sonst zu bestimmenden Zeitpuncte an, aufzuhören, und würden sie nicht etwa früher schon abgestellt, so wären sie der Erwiederung, oder der Gegensperre der Nachbarstaaten unterworfen. ad 11) In jedem Falle soll allenthalben das transitirende Getreide mit blosser Entrichtung der gewöhnlichen Durchgangsgebühren allenthalben unaufgehalten durchgeführt werden können. Für die gegenwärtigen Verhältnisse wäre es noch sehr erwünschlich, wenn sämmtliche Bundesstaaten mit einander übereinkämen, daß sie, was ohnehin bereits mehrere mit freundschaftlicher Bereitwilligkeit bei einzelnen Transporten bewilliget haben, bis zur nächsten Erndte das durchgehende Getreide von allen Transit-Gebühren frei lassen wollen. ad 12) So wie kein Gesetz in der Regel eine rückwirkende Kraft haben kann; so soll auch ein allenfallsiges Sperrgebot auf die verweislich bereits früher erkauften Fruchtvorräthe nicht erstreckt werden. Nach diesen Voraussetzungen hat die Commission für zweckmäsig gefunden, eine Ueber­einkunft zu entwerfen, welche hier unter Ziffer 4 dem Vortrage beigefügt ist6, und worüber die Instructionen von den Regierungen einzuholen wären. Da aber der Gegenstand an sich von dringender Natur ist, und wenn die Maasregeln etwas wirken sollen, solches nur dann geschehen kann, wenn sie bald eintreten; so dürfte ein enger Zeitraum zu bestimmen seyn, innerhalb dessen man sich den Einlauf der Instructionen zu erbitten hätte, damit ein nicht zu entfernter Tag anberaumt werde, an welchem zur Schlußfassung abzustimmen wäre. Da es aber wohl möglich wäre, daß bis dahin doch noch nicht alle Instructionen eingetroffen wären; so sollte dieß doch nicht hindern, an jenem Zeit6 Vgl. Dok. 173.

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puncte einstweilen eine Uebereinkunft zwischen jenen Bundesstaaten zu Stande zu bringen, welche sich bis dahin dazu bereit erklärt haben werden. Die übrigen können sodann nach Gefallen und nach ihren eigenen Verhältnissen entweder der Uebereinkunft ebenfalls beitreten, oder sich davon entfernt halten, und den Nachbarstaaten überlassen, ihre Maasregeln zu erwiedern. Indem die Commission auf solche Art das Resultat ihrer Arbeiten der hohen Versammlung vorlegt, fühlt sie wohl selbst, daß sie hinter dem vorgesteckten Ziele und ihren eigenen Wünschen zurückgeblieben, findet aber die Beruhigung darin, daß sie glaubt, nach Kräften bei Lösung der Aufgabe geleistet zu haben, was Zeit und Verhältnisse gestatteten. Aretin Martens Mandelsloh Eyben Plessen

173. Entwurf einer Übereinkunft zwischen sämtlichen deutschen Bundesstaaten über die Freiheit des Handels mit Getreide und Schlachtvieh

ProtDBV 1817, 32. Sitzung vom 2. Juni 1817, Anlage Ziffer 4 zu Beilage 64, nach S. 502 (2 unpaginierte Seiten). Druckfassung. Weiterer Druck: Vorgeschichte und Begründung des Deutschen Zollvereins 1815−1834, Bd. 1, S. 315 f.

Vom 1. Oktober 1817 an soll ein freier Verkehr mit Getreide, Hülsenfrüchten, Kartoffeln und Schlachtvieh zwischen allen Staaten des Deutschen Bundes stattfinden; alle Ausfuhrverbote und Sperrgesetze werden aufgehoben. Notwendige Änderungen und Ausnahmen sollen künftig nicht einseitig, sondern durch gemeinsame Übereinkunft erfolgen. Übergangsbestimmungen bis zum Inkrafttreten der Übereinkunft. Fortbestehen der gewöhnlichen Ausfuhrzölle und Durchgangsgebühren auf Getreide.

Frankfurt am Main, 2. Juni 1817 Entwurf einer Uebereinkunft zwischen sämmtlichen deutschen Bundesstaaten, über die Freiheit des Handels mit Getreide und Schlachtvieh. Mit Hinsicht auf den 19. Artikel der Bundesacte1, und zu dessen theilweiser Erfüllung sind sämmtliche Staaten des deutschen Bundes über folgende Bestimmungen übereingekommen. 1 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1517.

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Entwurf einer Übereinkunft über die Freiheit des Handels

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I. Unter dem Vorbehalt einer näheren Uebereinkunft über den allgemeinen freien Handels-Verkehr unter den deutschen Bundesstaaten, welchen gemeinwichtigen Gegenstand sie unverzüglich durch ihre Behörden zur gemeinschaftlichen Berathung vorbereiten lassen wollen, sind dieselben dahin einverstanden, daß vorläufig ein freier Verkehr in Rücksicht des Getreides und Schlachtviehes statt finden soll. II. Vom 1. October des gegenwärtigen Jahres an, soll allenthalben unter allen Staaten des deutschen Bundes, ein durchgehend freier Verkehr mit allen ­Arten von Getreide, Hülsenfrüchten und Kartoffeln, wie auch Schlachtvieh eintreten, und alle Ausfuhrverbote und Sperrgesetze aufgehoben seyn und bleiben. III. Würden in der Folge Veranlassungen entstehen, in dieser Bestimmung Aenderungen oder Ausnahmen zu machen, so verbinden sich die sämmtlichen Bundesglieder, solches nicht einseitig zu verfügen, sondern auf dem Wege gemeinsamer Uebereinkunft. IV. Eben so soll es nur von dem gemeinschaftlichen Einverständnisse abhängen, ob an den Grenzen der Bundesstaten gegen die zu dem Bunde nicht gehörige Staaten Sperr-Anstalten bestehen sollten oder welche Verhältnisse darüber einzutreten hätten. In Rücksicht auf die gegenwärtigen Umstände ist man übereingekommen, die bestehende Getreidesperre gegen Frankreich und die Schweiz noch fortdauern zu lassen. V. Da vor der gegenseitigen Aufhebung der Fruchtsperren im Inneren, noch in einigen Landen des Bundes in Hinsicht des Getreid-Bedarfs Verlegenheiten entstehen könnten; so werden die benachbarten Regierungen durch einzelne Ausfuhrs-Bewilligungen gegen beglaubte Zeugnisse hierauf billige Rücksicht nehmen. VI. Damit aber schon früher, als der allgemein angenommene Zeitpunct des freien Frucht-Verkehrs eintritt, einstweilen so viel möglich den gegenwärtigen Mißverhältnissen abgeholfen, ein allmähliger Uebergang erleichtert, und denjenigen Staaten, welche schon jetzt die Sperrgesetze aufzuheben für gut finden, früher die wohlthätigen Folgen des freien Verkehrs, wenn auch noch

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nicht in vollem Maaße zu Theil werden; so behalten sich die Bundesglieder bevor, nach Umständen einstweilen mit ihren nächsten Nachbarstaaten, oder einigen unter ihnen, sich über alsbaldige gegenseitige Sperr-Aufhebung einzuverstehen. VII. Gegen diejenigen Bundesstaaten welche nach ihren Verhältnissen den freien Fruchtverkehr noch nicht einzuführen für gut finden, behalten sich die hierzu schon früher vereinten Staaten bevor, die Getreidesperre erwiedernd fortzusetzen. VIII. Unter der allgemeinen Freiheit des Getreidehandels zwischen den deutschen Bundesstaaten ist eine Befreiung von den gewöhnlichen gleichbleibenden Ausfuhrzöllen nicht begriffen. IX. Das in einem Staate nur durchgehende Getreide, soll mit blosser Entrichtung der gewöhnlichen Durchgangsgebühren innerhalb der Grenzen des deutschen Bundes allenthalben unaufgehalten durchgeführt werden können. In Rücksicht auf die gegenwärtigen Verhältnisse kamen die sämmtlichen Bundesglieder überein, bis zur nächsten Aerndte das durchgehende Getreide von allen Transit-Gebühren frei zu lassen. X. Auch da wo Sperrgesetze noch bis zum 1ten October bestehen, können sich dieselben auf die erweislich bereits vor deren Erlassung erkauften Fruchtvorräthe nicht erstrecken. Frankfurt a.  M., den     1817.

174. Fürstin Pauline zur Lippe1 an Leonhardi

GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 118, XXX, Nr. 2. Weisung. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 15. Juni 1817.

Stimmt dem Vortrag der Bundestagskommission zu, insofern er Handelsfreiheit begründet, und bedauert, daß der württembergische Antrag auf Aufhebung von Beschränkungen des gegenseitigen Verkehrs mit den unentbehrlichsten Lebensbedürf1 Pauline Fürstin zur Lippe (1769−1820), übte 1802−1820 die Regentschaft für ihren minder­ jährigen Sohn Fürst Leopold II. aus. Vgl. ADB, Bd. 25, S. 275−277; NDB, Bd. 14, S. 653; Kiewning, Fürstin Pauline zur Lippe 1769−1820.

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Fürstin Pauline zur Lippe an Leonhardi

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nissen in den deutschen Staaten nicht sofortige Wirkung gezeigt hat, sondern die nachteiligen Frucht- und Viehsperren noch bis zum 1. Oktober 1817 andauern dürfen. Nur durch unbedingte wechselseitige Handelsfreiheit in allen Staaten des Deutschen Bundes können die großen Hoffnungen befriedigt werden, die Artikel 19 der Deutschen Bundesakte geweckt hat. Nur wenn alle Handelsartikel und Erzeugnisse der deutschen Staaten ungehindert getauscht werden können, wird man die Verbrüderung der deutschen Länder erkennen und werden Handel und Wohlstand wieder aufblühen können. Die Aufhebung von Frucht- und Viehsperren gegen das benachbarte Ausland ist ebenfalls wünschenswert.

Detmold, 10. Juni 1817 Zum Bericht No. 364 allg. No. 29. Aufhebung der Fruchsperre betreffend. Ich stimme dem ganzen Project der Commission1 gern bey in so fern es Handelsfreyheit begründet, und bedaure nur, daß der liberale Königlich Würtembergische Antrag2 nicht sofort Würckung erzeugt und die so nach­ theilige Frucht und Viehsperre noch bis zum 1sten October fortdauern darf. Nur durch unbedingte wechselseitige Handelsfreyheit in allen Staaten des deutschen Bundes werden die schönen großen Hoffnungen befriedigt, die bereits der 19te Artickel der Bundesacte3 verlieh, und die man allgemein erwartet. Nur wann alle Handelsartickel und Erzeugnisse der verschiedenen Staaten Deutschlands, die Lebensmittel und Gegenstände des ersten Bedürfnißes freylich ganz vorzüglich, ungehindert mit einander vertauscht werden, kein Transito, keine andre drückende Abgabe mehr Statt hat, sie heiße wie sie wolle, wird man die Verbrüderung der deutschen Länder erkennen, ihr Handel sich heben, ihr Wohlstand wieder aufblühn. Daß Frucht und Viehsperre nach Abrede gegenseitig auch gegen alle benachbarte fremde Staaten aufhöre wünsche ich sehr und bitte den Herrn Gesandten dieses besondere Votum für Lippe abzulegen, wann die übrigen Abstimmungen der 16ten Curie zu spät eintreffen und nicht ganz die nehmliche tendenz ­haben. Pauline

1 Vgl. Dok. 172 und 173. 2 Vgl. Dok. 168. 3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1517.

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Berlin, 23. Juni 1817

175. Hardenberg an Goltz

GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 1193. Weisung. Behändigte Ausfertigung.

Weisung an Goltz, dem Entwurf einer Übereinkunft zwischen sämtlichen deutschen Bundesstaaten über die Freiheit des Handels mit Getreide und Schlachtvieh zuzustimmen; die Sache ist wichtig und eilig. Über den Artikel VIII des Entwurfs muß man sich näher einverstehen, da hohe Ausfuhrzölle oder Mauten einem Verbot gleichkommen; auch hier sind übereinstimmende Grundsätze notwendig und wünschenswert.

Berlin, 23. Juni 1817 Mit einem lebhaften Interesse habe ich Ew. Excellenz Bericht vom 9[te]n Juny über die Fruchtsperre gelesen, und seine gedrukten Beilagen erwogen, be­ sonders den Entwurf1 einer Ueber­einkunft zwischen sämtlichen deutschen Bundesstaaten über die Freiheit des Handels mit Getreide und Schlachtvieh. Die Sache ist eben so wichtig als eilig. Ich trage, nach reiflich erwogener Sache, kein Bedenken, die Ansicht des Preußischen Hofes Ew. Excellenz hiermit dahin zu äußern, daß Sie sich ­beistimmend zu dem gedachten in X Artikeln verfaßten Entwurfe erklären können, als wozu ich Ew. Excellenz hiermit autorisire, und Ihren fernern Berichten über diesen Gegenstand entgegensehe. Es ist aber wichtig, sich über den Art. VIII näher einzuverstehen, denn hohe Ausfuhrzölle oder Mauthen, kommen einem Verbot gleich. Auch hierin werden übereinstimmende Grundsätze nothwendig und zu wünschen seyn. Besonders haben bisher dergleichen Mauthen in den Bayrischen Staaten bestanden. C. F. v. Hardenberg

176. Bayerische Abstimmung über den gegenseitigen freien Verkehr mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Bundesstaaten

ProtDBV 1817, 37. Sitzung vom 23. Juni 1817, § 258, S. 512–514. Abstimmung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 3, 1817, S. 274−278; Vorgeschichte und Begründung des Deutschen Zollvereins 1815−1834, Bd. 1, S. 317 (Auszug).

Bayern hat den Grundsatz des freien Getreidehandels seit langer Zeit angewandt und auf jüngst verhängte Fruchtsperren benachbarter Staaten moderat reagiert. Bayern ist deshalb bereit, der vorgeschlagenen Übereinkunft über den freien Verkehr mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen unter den deutschen Staaten beizutreten, jedoch 1 Vgl. Dok. 173.

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Bayerische Abstimmung über den gegenseitigen freien Verkehr

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nur unter der Voraussetzung, daß: 1. sämtliche deutsche Staaten mit allen ihren Provinzen, sie mögen zum Bund gehören oder nicht, unwiderruflich beitreten; 2. die Bestimmung des inneren Verkehrs in den Einzelstaaten der freien Anordnung der Regierungen überlassen bleibt und diese auch in Jahren gewöhnlicher Fruchtbarkeit gegen das Ausland keiner Beschränkung durch den Bundestag unterworfen werden. Bis zur Herstellung eines solchen allgemeinen Vereins ist Bayern bereit, den freien Getreidehandel wie früher wieder herzustellen und mit jedem deutschen Nachbarstaat über den wechselseitig freien Bezug der Lebensbedürfnisse zu verhandeln. Gegen den Inhalt der Artikel 9 und 10 des Entwurfs hat man nichts zu erinnern.

Frankfurt am Main, 23. Juni 1817 Ich bin von meinem allerhöchsten Hofe angewiesen, über die Freiheit des Handels mit Getreide und Schlachtvieh nachfolgende Erklärung abzugeben: Den Grundsatz des freien Getreidehandels hat Baiern seit langer Zeit nicht allein förmlich ausgesprochen, sondern auch bisher in volle Anwendung gebracht, und eine wirkliche Fruchtsperre niemals angeordnet. Die in der Mauthordnung1 festgesetzten, mit den Preisen sich höhernden Ausgangszölle bestehen in so mäßigen Beträgen, daß sie den freien Verkehr mit Früchten keineswegs erschweren. Wenn seine Majestät der König in neuerer Zeit sich veranlaßt gefunden haben, die fortwährende Wandelbarkeit dieser Zölle zu fixiren und sie auf eine bestimmte höhere Summe zu steigern, so war selbst diese Anordnung keine Abänderung des angenommenen Systems, sondern nur eine nothwendige, erst spät abgedrungene Folge der Verfügungen benachbarter Staaten, und selbst der dringenden Zeitverhältnisse. Die vorausgegangenen Kriege, durch welche dem Ackerbau arbeitende Hände, Vieh und Zeit bedeutend entzogen wurden, hatten schon seit mehreren Jahren auf die Erzeugnisse, sowohl hinsichtlich der Menge als Eigenschaft, den nachtheiligsten Einfluß geäussert, und unglücklicherweise waren durch die noch zum geringsten Theil bezahlten Leistungen und Durchmärsche im Jahre 1815 die wenigen Vorräthe vollends erschöpft worden. Die ganze Hoffnung ruhte also auf der Ernte des vorigen Jahres, welche leider nicht bloß in Baiern, sondern beinahe in ganz Deutschland sehr ungünstig ausfiel.2 Verschiedene Staaten glaubten sich daher gleich nach der Ernte zu strengern Maasregeln aufgefordert, um ihren Unterthanen den Bedarf der nöthig1 Vgl. Zoll- und Mautgesetz vom 23. September 1811, Königlich-Baierisches Regierungsblatt 1811, Sp. 1345−1448. 2 Vgl. allgemein Abel, Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Europa, S. 341 ff., und zu Bayern ausführlich Müller, Hunger in Bayern 1816−1818.

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sten Lebensmittel zu sichern, und das benachbarte Oesterreich, welches Baiern in einer so grossen Ausdehnung umgrenzt, verfügte schon im September vorigen Jahres eine gänzliche Sperre aller Victualien. Dessen ungeachtet blieben Seine Majestät Ihrem bisherigen Systeme getreu, enthielten Sich selbst der sonst gerechten Erwiederung, und suchten nur durch strengere Aufsicht den allenfallsigen Unterschleifen zu begegnen. Als aber durch die eingegangenen Berichte die Unergiebigkeit der Ernte und die Unzulänglichkeit der Vorräthe, den inländischen Bedarf bis zur nächsten ­Ernte zu decken, sich offenbar darstellte; als die Zollregister das fortwährende Ausströmen der bedeutendsten Quantitäten von Getreide in auswärtige Länder zeigten, aus welchen nie mehr ein Rückgang zu erwarten war; als die übrigen Grenzstaaten, welche selbst für ihr Bedürfniß nicht gedeckt waren, keine Aushülfe mehr darboten; und als endlich die eigenen Unterthanen wiederholt und dringend um die Sicherung ihres Selbstbedarfs baten; hielten es Seine Majestät der König den Pflichten gegen Ihr Volk gemäß, der Ausfuhr wenigstens durch Bestimmung höherer Zollsätze gewisse Schranken zu setzen, ohne die gehässige Maasregel einer gänzlichen Sperre eintreten zu lassen. Allein, auch hiebei beobachteten Allerhöchstdieselben noch alle völkerrechtlichen Rücksichten, indem den an der Grenze wohnenden, auswärtigen Eigenthümern von ihren, in den Königlichen Staaten gelegenen Besitzungen die freie Ausfuhr ihrer Selbsterzeugnisse, ihres Gilt- und Zehntgetreides bewilliget wurde. Diese Befugniß wurde erst neuerlich, als die Krone Württemberg Ihrerseits dieses Verständniß zurücknahm, auch diesseits aufgehoben; allein, auch darnach suchten Seine Majestät den Grenzverkehr und dem täglichen Bedürfnisse der jenseitigen Grenzbewohner alle Erleichterung dadurch zu verschaffen, daß die Ausfuhr des Brodes bis zu einem gewissen Werthe ganz frei gegeben, überdieß aber mit einem unbedeutenden Ausgangszolle belegt und nach den örtlichen Verhältnissen noch manche Begünstigung bewilliget wurde, während man von den Nachbarstaaten nicht der mindesten Erwiederung sich zu erfreuen hatte. Baiern kann sich demnach von jedem Vorwurfe einer illiberalen Handlungsweise mit Recht loszählen; daß es aber seine wenigen Vorräthe nicht vollends fremden Speculationen, seine eigenen Unterthanen dem Hunger preis gab, dieß wird ihm bei Erwägung seiner geographischen Lage um so minder zum Vorwurfe gemacht werden können, als es von allen nächsten Umgebungen auch nicht die geringste Aushülfe zu erwarten hatte, und noch jetzt gezwungen ist, den grossen Abgang eigenen Bedarfs mit sehr bedeutenden Kosten von der entfernten Ostsee zu holen. Selbst diese dringenden Umstände haben jedoch Seine Majestät den König nicht abgehalten, noch dermal in einzelnen Fällen durch Bewilligung freier

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Bayerische Abstimmung über den gegenseitigen freien Verkehr

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Ausfuhr nachbarliche Hülfe zu leisten, in so fern nicht die in Baiern zu einer nie gehörten Höhe gestiegenen Preise selbst ein Hinderniß waren, hievon Gebrauch zu machen. Diese Darstellung der Verhältnisse glaubte man vorausschicken zu müssen, um sich über die in Antrag gebrachte Uebereinkunft3 selbst desto kürzer erklären zu können, was hiemit auf folgende Art geschieht: 1) Baiern nimmt um so minder einen Anstand, der vorgeschlagenen Uebereinkunft unter den deutschen Bundesstaaten über einen allgemeinen freien Verkehr mit Getreide, Kartoffeln, Hülsenfrüchten und Schlachtvieh beizutreten, als gerade in diesen Artikeln die vorzüglichsten Landeserzeugnisse bestehen, deren ausgedehnteste Verwerthung sohin nur wünschenswerth seyn muß. Jedoch kann 2) dieser Beitritt nur unter der Voraussetzung und ausdrücklichen Bedingung geschehen, daß der Verein nicht auf einige wenige Staaten eingeengt und hierdurch die Aushülfe im Falle des Mangels zu sehr beschränkt werde, sondern, wenn demselben sämmtliche deutsche Bundesstaaten mit dem ganzen Zusammenhang ihrer Provinzen, sie mögen zum deutschen Bunde gehören, oder nicht, unwiderruflich beitreten, wobei es sich 3) von selbst versteht, daß die Bestimmungen des innern Verkehrs eines jeden Staates der freien Anordnung der Regierung überlassen bleibe, und daß in Jahren gewöhnlicher Fruchtbarkeit der Handel mit Getreide nicht bloß in Deutschland, sondern auch gegen das Ausland keiner wie immer Namen ­habenden Beschränkung des Bundestages unterworfen seyn könne, im Falle einer allgemein als nothwendig erkannten Sperre hingegen die Bewilligung der durch frühere Handelsverträge bedungenen Ausfuhr einer mäsigen Quantität von Lebens-Bedürfnissen an andere benachbarte Staaten vorbehalten bleibe. 4) Bis zur Herstellung eines solchen allgemeinen Vereins ist die Baierische Regierung bereitwillig, nicht allein den freien Getreidehandel, wie früher, unter günstigen Verhältnissen sogleich wieder herzustellen, sondern auch nach allenfallsig besonderm Erforderniß mit jedem deutschen Nachbarstaate über einen bemessenen, wechselseitigen freien Bezug der Lebens-Bedürfnisse zu unterhandeln. Nur muß sie 5) bedauern, wenn die dermalige Lage der unerschwinglich hohen Ge­ treidepreise und des bis zur Ernte noch hier und da drohenden Mangels, welchem selbst nur durch kostspieligen Ankauf ausländischen Getreides zum Theile abgeholfen werden konnte, es ihr nicht erlaubt, schon gegenwärtig ihre volle Bereitwilligkeit in das Werk zu setzen. 3 Dok. 173.

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6) Da der freie Durchgang in Bayern nie erschwert, sondern auf Verlangen ohne Anstand bewilliget worden ist, und dieß auch ferner geschehen wird; so findet man gegen die im 9. Artikel hierüber angetragenen Bestimmungen, so wie gegen die des X. Artikels nichts zu erinnern.

177. Nassauische Abstimmung über den gegenseitigen freien Verkehr mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Bundesstaaten

ProtDBV 1817, 39. Sitzung vom 30. Juni 1817, § 278, S. 551–555. Abstimmung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 3, S. 333−338.

Der freie Verkehr mit Lebensmitteln ist gerade für diejenigen deutschen Staaten, deren Umfang begrenzt ist und die unregelmäßige Grenzlinien aufweisen, ein dringendes Bedürfnis. Auflistung der wichtigsten Nachteile, die durch Hemmung des freien Verkehrs mit Lebensmitteln in Form von Fruchtsperren oder Zöllen für Produzenten, Händler und Konsumenten entstehen. Durch den freien Verkehr mit Lebensmitteln gewinnen nicht nur sämtliche deutsche Bundesstaaten im allgemeinen, sondern er wirke auch auf jeden einzelnen von ihnen mehr oder weniger vorteilhaft. Schilderung der positiven Auswirkungen, die die Aufhebung aller Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchgangszölle im Herzogtum Nassau seit dem Jahr 1816 gezeitigt habe. Allerdings sei die nassauische Regierung durch die von Hessen-Darmstadt verfügten Getreidesperren im April 1817 zu Eingriffen in den Getreidehandel gezwungen worden. Nassau spricht sich deshalb für den von der Kommission vorgelegten Entwurf einer Übereinkunft zwischen sämtlichen deutschen Bundesstaaten über die Freiheit des Handels mit Getreide und Schlachtvieh aus, dessen Verabschiedung nicht vom Beitritt solcher Bundesstaaten abhängig gemacht werden soll, die nicht zum Deutschen Bund gehörende Provinzen besitzen. Unterstützung des mecklenburgischen Vorschlags, den Handel zur See keiner gemeinschaftlichen Regelung zu unterwerfen. Hinweis darauf, daß sich das fortdauernde Umschlagsrecht der Städte Mainz und Köln nachteilig auf die Getreidepreise im südlichen Deutschland auswirke.

Frankfurt am Main, 30. Juni 1817 Indem man sich vorbehält, von Seiten Braunschweigs in dieser Materie das Weitere nachzutragen, bemerkt man von Nassauischer Seite über diesen wichtigen Gegenstand Folgendes: Man geht von der Ueberzeugung aus, daß für Staaten, deren Gebiete, wie die der meisten deutschen Bundesstaaten, in ihrem Umfang beschränkt sind, und deren Grenzen unregelmäsig sich durchkreuzen, und häufig in einander laufen, der freie Verkehr mit Lebensmitteln in eben dem Grade dringenderes allgemeines Bedürfniß wird, in welchem, als Folge von Mißwachs oder ähnlicher Zufälle, die Lebensmittel seltner werden.

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Nassauische Abstimmung über den gegenseitigen freien Verkehr

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Die Hauptgründe, welche diese Behauptung rechtfertigen, sind folgende: 1) Durch Hemmung des freien Verkehrs mit Lebensmitteln werden die Bewohner einzelner Theile benachbarter Staaten verhindert, ihre Lebensmittel von denjenigen Orten zu beziehen, von welchen diese für sie am wohlfeilsten bezogen werden können. Sie müssen in solchen Fällen, durch Territorial-Sperren oder Zölle dazu gezwungen, häufig aus entferntern Gegenden, und unter Aufwendung grösserer Transportkosten, dasjenige aus dem In­ lande theuerer beziehen, was ihnen das benachbarte Ausland wohlfeiler im freien Verkehr überlassen könnte, während der inländische Producent doch nicht die Preise von dem Inländer erhält, die ihm das nähere Ausland geben würde; also verlieren durch die Sperre häufig Producent und Consument zugleich. Jede Sperre hat also für alle Staaten, wenigstens in einzelnen nach der Localität mehr oder weniger ausgedehnten Gebietstheilen derselben, ein Steigen der Preise der Lebensmittel zur unmittelbaren und nothwendigen Folge. – Jede Sperre erhöht also die Preise der Lebensmittel, oder die Theuerung im Allgemeinen, bringt mithin der Masse aller Bundesstaaten zusammen genommen, und ihren Bewohnern schon durch ihre Existenz directen Nachtheil, indem sie das Uebel im Ganzen vergrössert, daß sie zu vermindern bezweckt. 2) Indem die Territorial-Sperre oder jede den freien Verkehr mit Lebensmitteln hemmende Staatsanstalt den Preis der Lebensmittel für die Masse der Staaten, auf die sie wirkt, im Allgemeinen erhöht, bewirkt sie zugleich, daß die Preise der Lebensmittel dennoch in einzelnen Gebietstheilen solcher Staaten sich niederer stellen, als sie sich ohne diese Hemmung stellen würden. Hiervon ist nothwendige Folge, daß in solchen Gebietstheilen mehr Lebensmittel von den Einwohnern consumirt werden, als consumirt worden ­wären, wenn eine künstliche Preisverminderung durch die Hemmung des Verkehrs nicht eingetreten wäre. Es ist nämlich eine bekannte Sache, daß bis auf einen gewissen Grad jede Theuerung die Consumtion mindert. Indem also Hemmung des freien Verkehrs in einzelnen Gegenden die Preise der Lebensmittel künstlich niederer hält, vermehrt dieselbe die Consumtion da, wo sonst Lebensmittel für das Ausland erspart worden seyn würden. Diese vermehrte Consumtion wird auch nicht durch die in Folge der Sperre anderwärts verminderte compensirt, weil Ueberfluß und Mangel sich bei Hemmung der freien Circulation der Lebensmittel nicht ausgleichen können. Auf diese Art wird also durch Sperre die Masse der disponiblen Lebensmittel in Zeiten allgemeiner Noth nicht nur vermindert, sondern auch durch Vermehrung der Consumtion dem Nationalvermögen – des den freien Verkehr hemmenden Staats – alles das entzogen, was dasselbe durch Minderung der Consumtion vermehrt haben würde. Der den freien Verkehr hemmende

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Staat handelt also auch in dieser Beziehung nicht nur gegen das Interesse seiner Nachbarn, sondern auch gegen sein eigenes. 3) Hohe Preise der Lebensmittel sind für den Producenten das stärkste und natürlichste Reitzmittel, ihn zum Anbau derselben, also zu sorgfältigerem Anbau und Landwirthschaft aufzumuntern. Jeder Staat, der den freien Verkehr mit Lebensmitteln hemmt, also die Preise derselben künstlich für den Producenten mindert, während doch der Consument durch diese Minderung nicht in gleichem Verhältniß gewinnt, vermindert eben dadurch die Production in seinem Gebiete, und handelt zu seinem eignen Nachtheil, so wie zu dem seiner Nachbarstaaten. 4) In Zeiten des Mangels an Lebensmitteln muß der Handel mit Lebensmitteln, anstatt gehemmt und gestört, gerade aufgemuntert und von Staats­ wegen begünstigt werden. Sperren aber hemmen den Handel, beengen und erschweren Speculationen der Kaufleute, die zwar im Voraus die Wirkungen der Naturbegebenheiten auf die Preise der Lebensmittel, nicht aber die Wirkungen der den freien Verkehr hemmenden Verfügungen einzelner Regierungen, die plötzlich einzutreten pflegen, berechnen können. Gerade in Zeiten der Noth, wo die Vermittelung des Kaufmanns dem Consumenten am unentbehrlichsten ist, wird also durch Sperre und ähnliche Verfügungen, die Thätigkeit desselben gelähmt, oder wenigstens beschränkt. Diese Gründe beweisen unwiderlegbar, daß durch den freien Verkehr mit Lebensmitteln nicht nur sämmtliche deutsche Bundesstaaten im Allgemeinen gewinnen, sondern daß dieser freie Verkehr auf jeden1 einzeln derselben mehr oder weniger vortheilhaft wirkt. Mit dieser Behauptung stimmen die Erfahrungen überein, welche in der gegenwärtigen Zeit gemacht worden sind. Die Bundesstaaten, in welchen der freieste Verkehr mit Lebensmitteln bisher statt gefunden hat, leiden, wie die Erfahrung es beweist, nicht grössern Mangel, als diejenige, welche den freien Verkehr gleich nach der Ernte und später gehemmt haben. In dem Herzogthum Nassau sind seit dem Jahr 1816 alle Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchgangszölle gänzlich aufgehoben.2 Auch die Kornausfuhr ist 1 Emendiert. Vorlage: jedem. 2 Durch Edikt vom 9./11. Dezember 1815 wurden mit Wirkung vom 1. Januar 1816 zur „Herstellung eines vollkommen freien Verkehrs Unserer Unterthanen, unter sich sowohl als mit den angränzenden Staaten […] alle Gränz- und Binnenzölle im Umfang Unseres Herzogthums, mit Einschluß der Lahnzölle in Diez und Lahnstein, aufgehoben“. Davon ausgenommen waren ­lediglich der Rheinoktroi und der Wasserzoll zu Höchst am Main. Die nassauische Regierung behielt sich allerdings vor, unter Mitwirkung der Landstände angemessene Zollabgaben an Grenzorten des Landes anzuordnen, wenn Maßnahmen benachbarter Staaten oder andere Umstände solches notwendig machen würden. Vgl. Verordnungsblatt des Herzogthums Nassau 1815, S. 153−158, Zitat S. 154 (§ 1).

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in diesem Bundesstaate auf keine Weise bis zur Mitte des vorigen Monats mit Abgaben belegt, gehemmt oder erschwert worden.3 Eine Folge davon war, daß schon im vorigen Herbste die Getreidepreise stiegen, und dieses Steigen veranlaßte sogleich, zum Besten des eigenen Landes und des Auslandes, eine höchst bedeutende Minderung der Getreide-Consumtion in dem Lande, und grosse Exportation in das Ausland. Der Brodpreis stieg zwar sogleich nach der Ernte hoch, war aber auch selbst für die ärmere Einwohner-Classe nicht unerschwinglich; Mangel äusserte sich nirgends, und der Preis des Brods würde, wie er gegenwärtig noch steht, der Freiheit des Verkehrs ungeachtet, ohne alle Einschreitung der Regierung auf sechs bis sieben Kreuzer für das Pfund Brod, selbst in diesem ausserordentlichen Mißjahre stehen geblieben seyn, wenn nicht zu Ende Aprils sich die Großherzoglich-Hessische Regierung veranlaßt gesehen hätte, die gegen Osten an das Nassauische Gebirgsland grenzende getreidereiche Wetterau und die gegen Westen an das Nassauische Weinland grenzende eben so getreidereiche Pfalz zu sperren.4 Ein plötzliches Steigen der Brodpreise war hiervon in dem Herzogthum eine nothwendige Folge, da das Rheingau und die an die Wetterau stoßenden Nassauischen Gebirge, die ihr Korn in der Nähe aus der Pfalz und der Wetterau zu ziehen gewohnt waren, nunmehr aus grös­serer Entfernung, aus dem Innern des Landes, vorzüglich aus den fruchtbaren Lahngegenden, mit Getreide versehen werden mußten. Unter diesen Umständen blieb der Regierung kein anderer Ausweg übrig, als plötzlich die noch vorhandenen Vorräthe für die inländische Consumtion unter Aufhebung alles Handelsverkehrs zu consigniren5, und die DomanialVorräthe den inländischen Consumenten zu öffnen.6 3 Vgl. Auszug des „Berichts der zur Abwendung eines befürchteten Brodmangels und übermäßiger Getraidetheurung angeordneten ausserordentlichen Regierungs-Commission“, Wiesbaden, 26. Juli 1817, Verordnungsblatt des Herzogthums Nassau 1817, S. 159−168. 4 Vgl. Verordnung vom 10. März 1817, Großherzoglich Hessische Zeitung, Nr. 31 vom 13. März 1817, S. 293 f., und Verordnung vom 26. Mai 1817, ebd. Nr. 63 vom 27. Mai 1817, S. 577. Die Aufhebung der Fruchtsperren zwischen den hessen-darmstädtischen Provinzen sowie gegen das Ausland erfolgte durch die Verordnung vom 30. Juli 1817, ebd. Nr. 91 vom 31. Juli 1817, S. 861, und die Verordnung vom 2. August 1817, ebd. Nr. 92 vom 2. August 1817, S. 869. 5 Konsignieren (von lat. consignare): bezeichnen, überschreiben. In der Wirtschaft ist damit gemeint: das Übergeben von Waren an einen anderen (Konsignatär), damit dieser sie gegen eine Provision für Rechnung des Auftraggebers verkaufe. Im konkreten Fall ist gemeint, daß vorhandene Lebensmittelvorräte für den inländischen Verkauf reserviert werden sollen. Vgl. Kehrein, Fremdwörterbuch, S. 352; Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in zehn Bänden, Bd. 5, S. 2217. 6 Durch Erlaß vom 14. Mai 1817. Vgl. Wagner, Eine Getreidesperre in Nassau vor hundert Jahren, S. 18−22; Menn, Zur Vorgeschichte des deutschen Zollvereins, S. 21 f.

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Frankfurt am Main, 30. Juni 1817

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Ungeachtet in dem Herzogthum Nassau wahrer Mißwachs in den Aemtern des hohen Westerwaldes im vorigen Jahre statt gefunden hatte; so lieferte die Consignation der vorhandenen Vorräthe, die in der Mitte Mai’s erfolgte, doch das Resultat, daß diese Vorräthe die Consumtion der Einwohner in den meisten Gegenden nicht nur decken, sondern daß noch ansehnliche Quantitäten von Waizen und Haber zur Ausfuhr frei gegeben werden konnten, während es der Regierung leicht wurde, die wenig bedeutende Quantität Roggen und Gerste, welche vorzüglich denjenigen Gegenden fehlte, die von ihren gewöhnlichen Märkten in der Pfalz und der Wetterau abgeschnitten worden ­waren, durch Ankauf auf dem Rhein anzuschaffen, wodurch sie in den Stand gesetzt wurde, für die nicht mit eigenen Vorräthen oder andern Hülfsmitteln versehene Masse der Einwohner den Preis des Brodes bis zur Ernte auf sechs bis sieben Kreuzer für das Pfund zu fixiren; ein Preis, der meistens noch unter dem Brodpreis der mitteldeutschen und süddeutschen Staaten steht, die Sperre oder hohe Zollabgaben auf die Getreide-Exportation früher angeordnet ­haben. Man glaubt, daß diese Erfahrungen den Beweis liefern dürften, daß auch ohne Vorkehrungen, welche die freie Circulation des Getreides zwischen den deutschen Bundesstaaten hemmen oder erschweren, und immer mit Eingriffen in das Privateigenthum des Producenten und Grundeigenthümers verbunden sind, sich auch unter ungünstigen Verhältnissen die Subsistenz der Einwohner jedes einzelnen Bundesstaates sichern läßt, besonders wenn in Mißjahren noch verdoppelte Vorsorge für die Armen von den Regierungen getroffen wird, welchen überall, auch ohne die Exportation zu hemmen, mit geringerem Aufwand für den Staat, wohlfeilere Lebensmittel verschafft werden können. Es darf dabei nicht ausser Acht gelassen werden, daß die Hemmung des freien Verkehrs mit Lebensmitteln auch dem Grundeigenthümer und Landwirthe einen Theil des Ertrags seines Grundes und Bodens – wie oben gezeigt worden – zum öftern nur scheinbaren Vortheil des Rentirers, des Besoldeten, des Handwerkers und anderer Gewerbetreibenden entzieht. Diese Entziehung scheint sich in dem gegenwärtigen Zeitpunct um so weniger mit den Regeln der Gerechtigkeit und Billigkeit vereinigen zu lassen, als es gerade die Grundbesitzer und nicht die von Renten lebende oder Gewerbetreibende Classe der Einwohner der deutschen Staaten war, welche die Hauptlasten des kaum beendigten Kriegs zu tragen hatte. Jene hatten die – nach Maasgabe ihres Grundbesitzes bei ihnen einquartirten Soldaten zu ernähren; auf das Grundeigenthum wurden Requisitionen und Lieferungen aller Art für die Armeen repartirt7. Nichts scheint daher gerechter und billiger, 7 Repartieren: zuteilen.

818

Nassauische Abstimmung über den gegenseitigen freien Verkehr

Nr. 177

als daß man zu Gunsten der Gewerbetreibenden dem so sehr belasteten Grundeigenthümer nicht einen Theil des Ertrags seines Grundeigenthums entziehe, welches geschieht, indem man durch Hemmung der freien Circulation der Lebensmittel die Preise derselben zu mindern sucht. Da alle diese Rücksichten für den von der Commission vorgelegten Entwurf8 sprechen, so folgt hieraus von selbst, daß das allgemeine Wohl sämmt­ licher Bundesstaaten in eben dem Verhältniß mehr befördert wird, in w ­ elchem alles das, was den freien Verkehr mit Lebensmitteln hemmt, vollständiger entfernt werden kann. Läßt sich dennoch der freie Verkehr nicht in seiner größten Ausdehnung erlangen; so scheint kein Grund vorzuliegen, deßwegen einer Uebereinkunft, durch die man sich dem Zwecke nur nähert, ganz zu entsagen. Darum kann man diesseits der Ansicht nicht beistimmen, daß die abzuschliessende Uebereinkunft von dem Beitritt solcher Bundesstaaten, welche Reiche und Provinzen besitzen, die nicht zu dem Bunde gehören, mit diesen dem Bunde fremden Provinzen abhängig gemacht werden müsse. Indem man dem Commissions-Entwurf beistimmt, bemerkt man ad 4) mit Mecklenburg übereinstimmend9, daß der Handel zur See keiner gemeinschaftlichen Verfügung zu unterwerfen seyn dürfte, und ad 8) daß die Abgabe eines Theils des einzuführenden Getreides an öffentliche Magazine, oder zu andern Zwecken, einem erhöhten Ausfuhrzoll, oder, wenn die abzugebende Quantität groß ist, einer wahren Sperre gleich geachtet werden muß. Schließlich glaubt man bei dieser Veranlassung auf die bedeutenden Hindernisse aufmerksam machen zu müssen, welche das, den Wiener Congreßbeschlüssen entgegen, noch fortdauernde Umschlagsrecht, welches die Städte Mainz und Cölln noch bis auf diesen Augenblick ausüben, dem Transport des Getreides auf dem Rhein, zum Nachtheil der südlich von diesen Städten gelegenen Staaten, entgegen setzt. Die Verhandlungen der schon lange zu Mainz wegen der Rheinschifffahrt, in Gemäßheit der Congreßacte10 versammelten Central-Commission11, wel-

  8 Vgl. Dok. 173.   9 Vgl. Dok. 170. 10 Vgl. Wiener Kongreßakte vom 9. Juni 1815, hier Art. 118 sowie Anlagen 16 (Reglements über die freie Flußschiffahrt). Vgl. Acte du Congrès de Vienne du 9 Juin 1815, avec ses Annexes, S. 84 f. u. 306−331. 11 Die Errichtung der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt, die am 15. August 1816 erstmals zusammentrat und ihren Sitz in Mainz hatte, war eines der Ergebnisse des Wiener ­Kongresses. Zu ihren Aufgaben gehörten die Sicherstellung der Freiheit des Rheins als Wasserstraße, die Sicherheit des Rheinverkehrs sowie die wirtschaftliche Förderung des Schiffsverkehrs auf dem Rhein. Vgl. van Eysinga, Die Zentralkommission für die Rheinschiffahrt.

Nr. 178

Frankfurt am Main, 14. Juli 1817

819

che aus Commissarien der Uferstaaten besteht, hat die verordnete Aufhebung dieses Umschlagsrechts noch nicht bewirkt. Dadurch sind die Getreide-Transporte auf dem Rhein nicht nur verzögert, sondern auch Speditions- und anderen Gebühren unterworfen worden, welche nachtheilig auf die Getreidepreise im Süden von Deutschland fortwährend wirken.

178. Österreichische Erklärung über den gegenseitigen freien Verkehr mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Bundesstaaten

ProtDBV 1817, 43. Sitzung vom 14. Juli 1817, § 337, S. 651−652. Erklärung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 3, 1817, S. 431; Vorgeschichte und Begründung des Deutschen Zollvereins 1815−1834, Bd. 1, S. 318 f.

Der hochwichtige und gemeinnützige Gegenstand der Sicherung des freien Verkehrs mit den notwendigsten Lebensmitteln in den deutschen Bundesstaaten ist zu spät zur Sprache gebracht worden, um sich schon jetzt darüber mit Bestimmtheit äußern zu können. Die Abwesenheit des Kaisers von seinen zum Bund gehörigen Staaten verhindert derzeit die Erteilung einer diesbezüglichen Weisung. Es ist jedoch der Wunsch des allerhöchsten Hofes, daß nach reiflicher Erwägung die zweckmäßigste Vereinigung unter den Bundesstaaten zustande kommen möge.

Frankfurt am Main, 14. Juli 1817 Oesterreich bedauert aufrichtig, daß der so hochwichtige als gemeinnützige Gegenstand der Sicherung eines freien Verkehrs mit den nothwendigsten Lebensmitteln in den Bundesstaaten zu spät zur Sprache gebracht worden ist, um sich schon jetzt darüber mit der Bestimmtheit äussern zu können, welche der Zweck eines förmlichen gemeinsamen Beschlusses dieser hohen Versammlung erheischen würde; die dermalige Abwesenheit Seiner KaiserlichKöniglichen Majestät von Ihren zum Bunde gehörigen Staaten kann den ­Administrativ-Stellen nicht erlauben, sich für dieselbe ohne Einholung allerhöchster Weisungen verbindlich zu erklären, sie kann es noch weit weniger, wenn die Ausdehnung dieser Verbindlichkeit sich sogar auf Ihre zum Bunde nicht gehörige mehrere Königreiche erstrecken sollte; in dieser Lage kann der Gesandte sich nur auf die Erklärung beschränken, daß sein allerhöchster Hof darum nicht weniger sehnlich wünschet, daß die bezielte, heilsame Vereinigung unter den Bundesstaaten, vor der Hand lediglich als eine solche, in ­dieser Art zu Stande kommen möge, welche sich nach reiflicher Erwägung als die zweckmäsigste empfehlen wird.

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Präsidialantrag über Grundsätze einer definitiven Übereinkunft

Nr. 179

179. Präsidialantrag über Grundsätze einer definitiven Übereinkunft über den gegenseitigen freien Verkehr mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Bundesstaaten und Beschluß zur Instruktionseinholung

ProtDBV 1817, 43. Sitzung vom 14. Juli 1817, § 337, S. 652−653. Antrag und Beschluß. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 3, 1817, S. 431−433.

Da die Aussicht auf eine gesegnete Ernte die eingeführten Beschränkungen und Sperren von selbst aufhebt, kann es sich bei dem zu fassenden Beschluß des Bundestags über den freien Verkehr mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen nur um zukünftige Maßregeln handeln. Unbeschadet jetzt schon zu schließender besonderer Übereinkünfte einzelner Bundesstaaten unter einander gibt das Präsidium den Gesandtschaften anheim, über folgende in der Mehrheit der vorliegenden Abstimmungen ausgesprochenen Grundsätze Instruktionen einzuholen, um eine definitive Übereinkunft abschließen zu können: 1. der freie Verkehr mit Getreide, Hülsenfrüchten, Kartoffeln und Schlachtvieh wird zwischen allen deutschen Bundesstaaten und innerhalb der Grenzen des Deutschen Bundes wiederhergestellt und gesichert; ­ 2. Ausnahmen von dieser Bestimmung sollen nur durch gemeinsame Übereinkunft erfolgen; 3. eine Befreiung von den gewöhnlichen Ausfuhrzöllen ist damit nicht verbunden, und diese Zölle sollen auch nicht vom Steigen oder Fallen der Fruchtpreise abhängig gemacht werden; 4. die Durchfuhr von Getreide durch einen Staat soll gegen Entrichtung der gewöhnlichen Transitgebühr innerhalb der Grenzen des Deutschen Bundes ungehindert erfolgen können; 5. der Beitritt der nicht zum Deutschen Bund gehörenden Staaten eines Bundesmitglieds zu dieser Übereinkunft ist nicht erforderlich; 6. die Ausfuhr und der Handel zur See sollen durch die zu treffende Übereinkunft nicht gehindert werden, wie auch der Handel mit dem Ausland kein Gegenstand dieser Konvention ist. Sämtliche Stimmen treten dem Antrag des Präsidiums bei.

Frankfurt am Main, 14. Juli 1817 Präsidium: Da die Aussicht zu einer so gesegneten nahen Ernte nicht nur alle Besorgniß wegen Fruchtmangel verscheucht, sondern auch die von einzelnen deutschen Bundesstaaten theils aus Vorsicht, theils retorsionsweise eingeführten Beschränkungen und Sperren von selbst aufhebt; so kann es sich bei dem von der hohen Bundesversammlung zu fassenden Beschlusse über den freien Verkehr mit den nothwendigsten Lebensbedürfnissen nur allein von der Zukunft, das heißt, von bleibenden Maasregeln handeln, und Präsidium stellt daher sämmtlichen vortrefflichen Gesandtschaften anheim, ob nicht − un­ beschadet der etwa schon jetzt über den freien Verkehr mit Früchten etc. zu schliessenden besondern Uebereinkunft einzelner Bundesstaaten unter sich − vor’s erste an die höchsten Höfe und Committenten Bericht zu erstatten sey, um sich über die in der Mehrheit der vorliegenden Abstimmungen enthaltenen Anträge, namentlich dahin

Nr. 179

Frankfurt am Main, 14. Juli 1817

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1) daß eine gemeinsame Uebereinkunft getroffen werde, welche den freien Verkehr mit allen Arten von Getreide, Hülsenfrüchte und Kartoffeln, wie auch Schlachtvieh, zwischen allen deutschen Bundesstaaten und innerhalb der Grenzen des deutschen Bundes wieder herstellt und dessen Fortdauer sichert; 2) daß wenn sich Veranlassungen ergäben, in dieser Bestimmung eine Ausnahme zu machen, solche nicht anders, als auf dem Wege einer gemeinsamen Uebereinkunft geschehe; 3) daß unter der allgemeinen Freiheit des Handels mit Getreide und Schlachtvieh zwischen den deutschen Bundesstaaten eine Befreiung von den gewöhnlichen gleichbleibenden Ausfuhrzöllen nicht begriffen sey, diese Zölle aber auch von dem Steigen oder Fallen der Fruchtpreise nicht abhängig gemacht werden; 4) daß das in einem Staate nur durchgehende Getreide, mit blosser Entrichtung der gewöhnlichen Durchgangsgebühren, innerhalb der Grenzen des deutschen Bundes allenthalben unaufgehalten durchgeführt werden könne; 5) daß der Beitritt der nicht zum deutschen Bunde gehörenden Staaten eines Bundesmitgliedes zu dieser gemeinsamen Uebereinkunft nicht erforderlich sey, so wenig als 6) die Ausfuhr und der Handel zur See durch dieselbe gehindert werden wolle, so wie überhaupt der Handel mit dem Auslande keinen Gegenstand dieser Convention ausmacht, mittelst Instructions-Ertheilung zu äussern, damit alsbald nach wieder eröffneten Sitzungen hierüber eine definitive Uebereinkunft gefaßt werden könne? Sämmtliche Stimmen traten dem Präsidio bei, daher Beschluß: Daß über den Verkehr mit allen Arten von Getreide, Hülsenfrüchte und Kartoffeln, wie auch Schlachtvieh, innerhalb der Grenzen des deutschen Bundes, Bericht an die höchsten Höfe und Committenten zu erstatten sey, um eine definitive Uebereinkunft treffen zu können, welche nach den in der Mehrheit der vorliegenden Abstimmungen1 ausgesprochenen Grundsätzen dahin gemeinsam abzuschliessen wäre, daß 1 Vgl. ProtDBV 1817, 36. Sitzung vom 19. Juni 1817, § 243, S. 493−495 (Hessen-Darmstadt); Dok. 176 (Bayern); ProtDBV 1817, 37. Sitzung vom 23. Juni 1817, § 258, S. 514−521 (Sachsen, Württemberg, Baden, Kurhessen, 12. Kurie, Holstein-Oldenburg und Schwarzburg, 16. Kurie); 38. Sitzung vom 26. Juni 1817, § 269, S. 536−538 (Mecklenburg); Dok. 177 (Nassau); ProtDBV 1817, 40. Sitzung vom 3. Juli 1817, § 293, S. 569 f. (Preußen, Holstein-Lauenburg); 42. Sitzung vom 10. Juli 1817, § 319, S. 627−629 (Hannover, Freie Städte); Dok. 178 (Österreich); ProtDBV 1817, 43. Sitzung vom 14. Juli 1817, § 337, S. 652 (Anhalt).

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Rechberg an Aretin

Nr. 180

1) der freie Verkehr mit allen Arten von Getreide, Hülsenfrüchte und Kartoffeln, wie auch Schlachtvieh, zwischen allen deutschen Bundesstaaten und innerhalb der Grenzen des deutschen Bundes wieder hergestellt und gesichert werde; 2) daß wenn sich Veranlassungen ergäben, in dieser Bestimmung eine Ausnahme zu machen, solche nicht anders, als auf dem Wege einer gemeinsamen Uebereinkunft geschehe; 3) daß unter der allgemeinen Freiheit des Handels mit Getreide und Schlachtvieh zwischen den deutschen Bundesstaaten eine Befreiung von den gewöhnlichen gleichbleibenden Ausfuhrzöllen nicht begriffen sey, diese Zölle aber auch von dem Steigen oder Fallen der Fruchtpreise nicht abhängig gemacht werden; 4) daß das in einem Staate nur durchgehende Getreide, mit blosser Entrichtung der gewöhnlichen Durchgangsgebühren, innerhalb der Grenzen des deutschen Bundes allenthalben unaufgehalten durchgeführt werden könne; 5) daß der Beitritt der nicht zum deutschen Bunde gehörenden Staaten eines Bundesmitgliedes zu dieser gemeinsamen Uebereinkunft nicht erforderlich sey, so wenig als 6) die Ausfuhr und der Handel zur See durch dieselbe gehindert werden wolle, so wie überhaupt der Handel mit dem Auslande keinen Gegenstand dieser Convention ausmacht.

180. Rechberg an Aretin

HStA München, Gesandtschaft Bundestag, Nr. 371. Weisung. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 29. Januar 1818.

Bayern ist an der Einführung des freien Getreideverkehrs in Deutschland gelegen und hat diesen liberalen Grundsatz schon vor Jahren zur Ausführung gebracht. Aus staatsrechtlichen und staatswirtschaftlichen Gründen ist man allerdings nicht bereit, auf das Recht jeder Modifikation zu verzichten und Mehrheitsbeschlüsse des Bundestags als verbindlich anzuerkennen. Da die projektierte Übereinkunft nur in zwei Punkten von den bisherigen Instruktionen des bayerischen Bundestagsgesandten abweicht, wolle Bayern sich einem Abschluß nicht prinzipiell widersetzen. Anweisung an Aretin, den Beitritt Bayerns zur projektierten Übereinkunft unter folgenden Bedingungen zu erklären: 1. daß sämtliche deutsche Staaten wenigstens mit ihren deutschen Ländern dem Verein beitreten und daß diejenigen Bundesstaaten, welche nur mit einem Teil ihrer Länder dem Deutschen Bund angehören, den Transit auslän­ dischen Getreides auch durch ihre nichtdeutschen Länder ohne Beschränkung frei­ geben, 2. daß hinsichtlich der Erhebung von Ausfuhr- und Durchgangszöllen die ­Bestimmungen des bayerischen Zoll- und Mautgesetzes von 1811 in Kraft bleiben können. Außerdem müsse man sich vorbehalten, die Getreideausfuhr in die Schweiz unbeschränkt regulieren zu können.

Nr. 180

Nr. 23

München, 25. Januar 1818



823 München, 25. Januar 1818

Da nach dem Berichte des kg. Gesandten Freiherrn von Aretin vom 11[te]n v. M. und J.1 in der vertraulichen Sitzung von diesem Tage die Frage wegen des freien Verkehres mit Lebens Mitteln in den deutschen Bundesstaaten wieder an­ geregt worden ist, und es vielleicht auch zu weiteren Abstimmungen über das in Folge Beschlusses vom 14[te]n July v. J. den Höfen vorgelegte Projekt einer Uebereinkunft2 kommen dürfte; so haben Seine Majestät diesen wichtigen ­Gegenstand einer neuerlichen reifen Ueberlegung unterziehen lassen. In den allerhöchten Entschließungen vom 4[te]n und 6[te]n Juny v. J.3 ist bereits dem k. Gesandten bemerkt worden, daß, wenn einer der deutschen Staaten sich über die Einführung des freien Getreide Verkehrs in Deutschland zu freuen, und nach Kräften zu diesem wohlthätigen Zweke mitzuwirken sich aufgefordert fühlt, es gewiß der baierische Staat ist, welchem an der Bewerkstelligung desselben nicht allein wegen seiner innern Produktion alles gelegen seyn muß, sondern der auch schon vor vielen Jahren den liberalen Grundsatz des freien Getreidhandels in wirk. Ausführung gebracht hat. Wenn jedoch dieser Grundsatz so festgestellt werden wollte, daß den einzelnen Regierungen, selbst unter allen noch so imperativen Verhältnissen, das Recht jeder Modifikation für immer benommen, und daß die auf die innern staatswirthschaftlichen und finanziellen Verhältniße gegründeten, seit vielen Jahren ohne irgend eine Beschwerde hierüber bestandenen Normen ohne weiters aufgehoben werden sollten, so könnten sich Seine Majestät auf keine Weise für verpflichtet halten, die Stimmen Mehrheit des Bundestages hierinn als verbindlich anzuerkennen. Zwar nennt der Art. 7 der Bundesakte4 „gemeinnützige Anordnungen“, wohin diese Uebereinkunft gezählt werden will, nicht unter jene Gegenstände, bei denen Einstimmigkeit zur Gültigkeit des Beschlußes gefodert wird, indessen erhält der Art. 195, aus dem jene Uebereinkunft ursprünglich hergeleitet wird, lediglich den Vorbehalt, wegen des Handels und Verkehrs in Berathung zu treten. Uebrigens hat schon das Verfahren des Bundestags selbst jene Ansicht bestätiget: denn ausserdem würde der Beschluß nach der wirklich vorhandenen Stimmen Mehrheit gezogen, nicht aber erst hiernach ein neues Projekt entworfen, und solches zur Instruktions Erholung ausgesetzt worden seyn. 1 Vgl. HStA München, MA 1335, No. 31. 2 Vgl. Dok. 179. 3 Vgl. Rechberg an Aretin, München, 4. Juni 1817, HStA München, Gesandtschaft Bundestag, Nr. 371. 4 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1510 f. 5 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1517.

824

Rechberg an Aretin

Nr. 180

Sollte dessen ungeachtet hierüber noch ein Zweifel angeregt, und die Stimmen Mehrheit gegen Baiern geltend gemacht werden, so würde, ausser den eben entwikelten staatsrechtlichen Gründen, auch noch aus staatswirthschaft. sich bestreiten lassen, ob wohl überhaupt die absolute Freiheit des Verkehrs mit Lebensmitteln zwischen verschiedenen von einander unabhängigen Staaten, Gegenstand eines Bundesgesetzes, oder selbst nur einer definitiven und ewigen Uebereinkunft vernünftiger Weise bilden könne. Es würde sich ­wenigstens dagegen anführen lassen, daß die Frage, ob absolute Freiheit des Getreide­handels unter allen Umständen ausführbar und zwekmäßig sey, eben so in der Theorie streitig als die Praxis der Regierungen hierüber verschieden sey, daß im Staate, wo solche Fragen praktisch zur Entscheidung kommen müssen, die Bürger auf die Einsicht und den guten Willen ihrer Regierung kompromittiren können und müssen, daß aber in einem Staatenbunde es eben so die Unabhängigkeit der einzelnen Regierungen verletzend, als grausam ­gegen ihre Unterthanen seyn würde, wenn jenen die wirk. oder vorgegebene Ueberzeugung einer oft von ganz entgegen gesetzten Interessen geleiteten Mehrheit als Norm für ihre Handlungsweise vorgeschrieben, und ihnen daher das Recht und die Gewalt benommen werden wollte, für die Subsistenz ihrer Unterthanen und für die Erhaltung von deren Leben, was Vorbedingung von aller Rechtsausübung ist, auf diejenige Weise zu sorgen, die ihnen die angemessenste scheint. Es würde sich selbst aus dem Begriffe von Freiheit des Getreidehandels als nothwendig entwikeln lassen, daß gerade diese fordern, daß die Autonomie der einzelnen Staaten, die in ihren Verhältnißen gegen einander nur als einzelne, theils größere, theils kleinere, theils mehr produ­ zirende, theils mehr konsumirende Familien zu betrachten sind, nicht beschränkt, sondern jedem derselben überlassen werde, die Rüksicht auf Dekung des eigenen Bedarfes mit der Rüksicht auf möglichen Handelsgewinn auf die ihm am besten dünkende Art mit einander zu vereinigen. Hiernach könnten sich Seine Majestät allerdings berechtiget und durch die geographische Lage von Baiern und dessen staatswirthschaft. Verhältniße aufgefordert halten, den Beitritt zur frag. Uebereinkunft überhaupt abzulehnen, und sich nur auf die feierliche Zusage zu beschränken, daß Allerhöchst Sie das seit 1804 in Ansehung des Getreidehandels beobachtete System gegen die Bundesstaaten sowohl, als auch gegen fremde Staaten so lange beobachten lassen werden, als gegen Baiern ein Gleiches beobachtet wird, wie denn die Beobachtung dieser Reziprozität durch die allerhöchste Verordnung vom 13[te]n Sept. v. J.6 schon ausgesprochen worden ist. 6 Vgl. Verordnung vom 13. September 1817, Königlich-Baierisches Regierungsblatt 1817, Sp. 803−816, hier Sp. 805 (Art. III).

Nr. 180

München, 25. Januar 1818

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Nachdem indessen das in der 43[te]n Bundestags Sitzung beschloßene Projekt der Uebereinkunft7 von den dem k. Gesandten ertheilten Instruktionen vorzüglich nur mehr in zwei Punkten abweicht, näm. daß der Beitritt der nicht zum deutschen Bunde gehörenden Staaten eines Bundes Mitgliedes zu dieser Uebereinkunft nicht erfordert wird, und daß durch dieselbe der Bezug aller von dem Steigen und Fallen des Getreid Preises abhängigen Zölle ausgeschlossen werden soll; so wollen sich Seine Majestät gleichwohl dem Abschluß derselben im Allgemeinen nicht entziehen, über die zwei abweichenden Punkte jedoch folgendes erklären. Was näm. den ersten Punkt betrifft, so hätten seine Majestät gewünscht, daß der k. Gesandte die Gründe, welche Allerhöchstdieselben zur Beifügung jener beschränkenden Bedingung be­ wogen, in seiner Abstimmung etwas näher ausgeführt hätte und dadurch der Meinung zuvorgekommen wäre, als würde jene Beschränkung nur beigefügt, um, da man deren Einräumung im Voraus als unmöglich ansehen dürfe, die Durchführung eines Systems zu vereiteln, welches doch Baiern seit 18 Jahren vielleicht zuerst in Deutschland aufgestellt, selbst aller widrigen Einwirkungen der Nachbar Staaten ohngeachtet, fortan behauptet, und erst dann Modi­ fikationen unterworfen hat, als Verfügungen eben dieser Nachbar Staaten, gegen die keine Uebereinkunft auch künftig zu sichern vermag, es dazu ­ zwangen, wenn es nicht das Leben und die Gesundheit seiner Unterthanen fremden Spekulationen Preiß geben wollte. Jene Meinung ist zwar (wenn sie gleich nach den Berichten des Gesandten sich bei mehreren Gesandten erzeugt hat,) nicht ausgesprochen worden, dagegen hat der Graf von Eyben in seiner in der XLten Sitzung abgelegten Abstimmung8 sich geäußert, als wollte Baiern überhaupt eine Verbindlichkeit für diejenigen Staaten, welche nur mit einem Theile ihrer Länder zum deutschen Bunde gehören, auch mit den übrigen Staaten der Uebereinkunft beizutreten, behaupten, und diese Verbindlichkeit auf die (allerdings irrige) Voraussetzung gründen, daß diese Länder in einem andern staatsrecht. Verhältniß gegen den deutschen Bund stehen, als einem freundnachbarlichen. Diese Aeusserung wird dem k. Gesandten, wenn es nochmals zur Abstimmung kommen sollte, eine Veranlassung geben, auf die Motive, welche jener Beschränkung zum Grunde lagen, zurük zu kommen, und durch deren Dar­ legung auch jener ersten Mißdeutung indirekt zu begegnen. Diese Gründe sind, wie dem k. Gesandten bereits eröffnet worden, im Wesentlichen, weil einerseits gerade die nicht in dem Bunde gelegenen Länder der österrreich. und preußi. Monarchie wie das kornreiche Ungarn, das Lombardisch Venezianische Königreich, Posen, dann die Niederlande, diejenigen 7 Vgl. Dok. 179. 8 Vgl. ProtDBV 1817, 40. Sitzung vom 3. Juli 1817, § 293, S. 593 f.

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Rechberg an Aretin

Nr. 180

Länder sind, aus denen die deutschen Bundesstaaten in Zeiten des Mangels und der Theuerung vorzüglich ihren Bedarf deken könnten, und weil sich andererseits kaum eine Garantie denken läßt, durch welche der deutsche Bund gegen einseitige, der Uebereinkunft zuwider in Zeiten der Noth von jenen mächtigeren Staaten zu treffende, durch das Recht der Selbst Erhaltung gewissermassen zu rechtfertigende Verfügung sicher gestellt werden könnte. Diese beiden Gründe treten in verstärktem Maase ein, wenn nach dem ­neuen (hierinn übrigens ganz mit den diesseitigen Wünschen übereinstimmenden) Projekte der Handel mit dem Auslande den Verfügungen der einzelnen Regierungen und somit also auch der Handel mit den zum Bunde nicht gehörigen Ländern jener Staaten ganz ihnen selbst überlassen bleibt. Sollte z. B. in Italien ein Mangel eintreten, oder die Regierung dort Magazine anlegen wollen, so darf die österreichische Regierung bei den italiänischen Mautämtern nur die Verfügung treffen, daß blos ausländisches, mit dießfalsigen Ursprungs Zeugnissen versehenes Getreide eingeführt, aber keines ausgeführt werden soll; so wird das Getreide aus den deutschen Bundesstaaten nach ­Italien ziehen, aber nicht mehr wiederkehren, ohne daß die Uebereinkunft ein Mittel gegen die Gefahr einer vorzüglich Baiern treffenden Aushungerung darböthe. Würde hingegen der Mangel in Deutschland eintreten, so bliebe wieder Oesterreich unbenommen, die Ausfuhr des italiänisch venezianischen Getreides lediglich auf seine Länder zu beschränken, und es dort in Magazinen, die nur den Eingebohrnen zugänglich wären, aufzuhäufen. Es würde sonach der Vortheil von dieser Freiheit des Getreidehandels lediglich auf Seite der größeren Mächte seyn, und könnte von ihnen jedesmal für ihre Zweke benützt werden. Wollte aber der Handel mit dem Auslande nach dem früheren Projekte den gemeinsamen Verfügungen des Bundestages unterworfen werden, so würde dieß die rein deutschen Staaten sehr beschränken, ohne ihnen gegen die eben bemerkten Inkonvenienzen einen bedeutenden Schutz zu gewähren. Die Schwierigkeit der Controlle gegen Schwärzungen in das Ausland, welche schon der Gesandte von Martens in seinem Separatvotum vom 30[te]n Juny bemerkt hat9, würde dort in doppeltem Maase eintreten, wo das Ausland mit dem deutschen Gränzlande einen und denselben Staat ausmacht, und bei allen Betheuerungen deutscher Gesinnungen, läßt sich von einer Regierung weder billiger Weise fordern, noch vernünftiger Weise erwarten, daß sie das Wohl ihrer nicht deutschen Unterthanen dem Interesse des deutschen Bundes aufopfern soll und werde. Wird nun zu diesen allgemeinen Ansichten noch die Rüksicht auf die geographische Lage von Baiern gesellt; so könnte seiner Regierung auf keine Art verarget werden, wenn sie ihren Beitritt zu der Uebereinkunft von der Beizie9 Vgl. Dok. 169 (vom 30. Mai [sic] 1817).

Nr. 180

München, 25. Januar 1818

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hung der ausser dem Bunde gelegenen österreichi. und preußi. kornreichen Län­ der abhängig machte. Zwar gehört Baiern glüklicherweise zu jenen Ländern, welche in der Regel überflüßig Getreide erzeugen, allein es ist zu drei Viertheilen von Oesterreich und überhaupt von Nachbar Staaten umgeben, wovon ein grosser Theil selbst bei gewöhnlicher Fruchtbarkeit, seines Getreides nicht ­entbehren, und der andere Theil ihm wenig oder gar nichts überlassen kann, ­zumal die Natur Ereigniße, welche in Baiern einen Mißwachs verursachen, gewöhnlich auch die Nachbar Staaten treffen. Es ist daher vielmehr sehr wahrscheinlich, daß wenn Oesterreich nicht auch den freien Verkehr mit Italien, Ungarn und Gallizien gestattet, und Preußen nicht den Bezug des nöthigen Bedarfes aus den kornreichen polnischen Provinzen bewilliget, die Bewohner von Baiern nicht blos in Jahren einer mißlungenen Erndte, sondern selbst bei mittleren Fruchtjahren, wo nicht einen wirk. Mangel, doch wenigstens einem Druke so hoher Frucht Preise unterliegen müßten, daß solcher in seinen Wirkungen dem Uebel eines wirk. Mangels wenig nachstünde, besonders da die Lage des Landes durch die von demselben ausströmenden Hauptflüße (der Donau und des Mains) die Ausfuhr seines Getreides in eben dem Maase für die Nachbaren erleichtert, als sie die Zufuhr auswärtiger Früchte erschwert. Um jedoch einen Beweis zu geben, wie sehr Seine Majestät geneigt sind, alle gemeinnützigen Anordnungen zu befördern, wollen Allerhöchstdieselben Ihren Gesandten ermächtigen, seinen Beitritt zur Uebereinkunft unter der ­Bedingung zu erklären, daß alle10 deutschen Bundesstaaten ohne Ausnahme, wenigstens mit ihren deutschen11 Ländern (sohin auch Oesterreich12 mit den zum deutschen Bunde gehörigen Provinzen) dem Vereine beitreten, und daß die Bundes Staaten, welche nur mit einem Theile ihrer Länder zum deutschen Bunde gehören, den Transit des ausländischen Getreides auch durch ihre ­übrigen Länder 13die nicht dem deutschen Bunde einverleibt sind13, ohne ­Beschränkung freigeben. Wenn auch zur Begründung dieser Anträge nicht ­erwähnt werden will, daß Vereine dieser Art, bei welchen es sich um die ­Subsistenz ganzer Provinzen handelt, nur dann mit Erfolg wohlthätig wirken können, wenn ihr Umfang möglichst ausgedehnt ist, so wird bei Baiern schon seine Lage die Wichtigkeit dieser Bedingungen rechtfertigen, denn woher könnte es wohl bei mißlungener Erndte, während die wenigen Vorräthe vielleicht von den westlichen und nördlichen Nachbaren vermöge der Freiheit des Getreidehandels an sich gezogen würden, noch eine Nachhülfe erwarten, wenn ihm auch der Osten und Süden gänzlich geschlossen wäre? 10 Doppelt unterstrichen 11 Doppelt unterstrichen 12 Doppelt unterstrichen 13−13 Doppelt unterstrichen

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Rechberg an Aretin

Nr. 180

Auch hinsicht. des zweiten Anstandes, näm. der vom Steigen und Fallen des Getreide Preises abhängenden Zölle ist das Verhältniß Baierns gegen jenes der übrigen deutschen Staaten ganz verschieden, und ohne alle staatswirthschaft. Rücksichten zum Nachtheile des National Einkommens bei Seite zu setzen, könnte in Baiern für die Getreide Ausfuhr nie ein bleibender, unter allen Verhältnißen unveränderlicher Essitozoll14 angenommen werden, denn während in den übrigen deutschen Staaten, selbst in gewöhnlichen Jahren kaum der Selbstbedarf erzeugt wird, ist die innländische Produktion so groß, daß nur der Absatz in das Ausland den Produzenten zu entschädigen vermag, und demnach auch nicht die mindeste Belegung erlaubt, vielmehr durch ­Prämien befördert zu werden verdient. Allein eben dieser Ueberfluß und die hierdurch erzeugte Wohlfeilheit der Lebensbedürfniße ist mit den häuslichen Verhältnißen der Consumenten so enge verwebt, daß jeder zu grelle Absprung den Wohlstand derselben mit einem Male zerrütten würde. Es war sonach Pflicht der Regierung, diesen Uebergang durch möglichste Erhaltung von Vorräthen in den Tagen eines drohenden Mangels zu erleichtern, und das Ausströmen der nöthigsten Lebensbedürfniße durch zwekmäßige Belegung verhältnißmäßig zu mindern, ohne dadurch die Freiheit des Getreidehandels im Allgemeinen zu beschränken. Hieraus entstand das bisherige Mauth System, welches seit 1804, ohne die geringste Beschwerde des Auslandes in Anwendung war, und für einen akerbauenden Staat als das vortheilhafteste und liberalste bisher allgemein angepriesen worden war. Bei unbefangener Würdigung der Lage von Baiern kann daher nicht gefordert werden, von diesem Systeme abzugehen, welches auch mit der ganzen übrigen Maut Organisation in analoger Verbindung steht, die nur Gewichts und Werth Maut kennt, und unter leztern vorzüglich solche Artikel aufführt, deren Preise der Veränderlichkeit unterworfen sind. Alles was Seine Majestät hinsicht. dieses Punktes, um sich dem Wunsche der übrigen Bundes Staaten möglichst zu nähern, noch zu bewilligen vermögen, würde darinn bestehen, daß der lezte Tarif15 vom 23[te]n September 1811 (LXI[t]e St. des Reggs. Blattes16) wornach das innländische Getreide von der Essito Maut Reichniß so lange ganz befreiet ist, als der Werth desselben nicht eine gewisse, in dem § 43 der erwähnten Verordnung bestimmte Stufe erreicht, bei Uebersteigung dieses Werthes hingegen von 100 f. Werth mit 1 bis 15 f. belegt wird, ohne weitere Abänderung

14 Ausgangszoll. Vgl. Heyse, Allgemeines verdeutschendes und erklärendes Fremdwörterbuch, S. 246. 15 Emendiert. Vorlage: Tariff. 16 Vgl. Zoll- und Mautgesetz vom 23. September 1811, Königlich-Baierisches Regierungsblatt 1811, Sp. 1345−1448, hier Sp. 1360 (§ 43) und 1410 f.

Nr. 181

Frankfurt am Main, 16. Februar 1818

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und Steigerung, welche seitdem noch nachträglich angeordnet wurde, als fest und bleibend beibehalten werden soll. Das Mässige dieser Zoll Erhebung fällt von selbst auf, und liefert gewiß den überzeugendsten Beweis, wie sehr die königliche Regierung dem beabsichteten Vereine selbst ihre finanziellen und übrigen Rücksichten zu opfern sich beeifern. Endlich glauben Seine Majestät des Umstandes nicht mehr besonders ­erwähnen zu dürfen, daß es der kg. Regierung in jedem Falle vorbehalten bleiben müße, die Ausfuhr des Getreides in die Schweitz (in Folge der mit selber bestehenden Salzhandlungs Verbindungen) nach ihrem Ermessen ­unbeschränkt reguliren zu können, indem dieses Recht ohnehin17 schon von mehreren der übrigen Bundes Mitglieder in Anspruch genommen worden ist, und durch den § 6 der in der 43[te]n Sitzung projektirten Uebereinkunft ohnehin zugestanden wird. Der k. Gesandte wird ermächtiget, hiernach auf den Fall, daß die Sache nochmals in Anregung kommen sollte, seine Erklärung abzugeben, zu deren Motivirung von den obigen Bemerkungen der geeignet scheinende Gebrauch zu machen ist. Auf Seiner Majestät des Königs allerhöchsten Befehl Gr. v. Rechberg

Durch den Minister der General Sekretär v. Baumüller

181. Abstimmung der Freien Städte über den gegenseitigen freien Verkehr mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Bundesstaaten

ProtDBV 1818, 9. Sitzung vom 16. Februar 1818, § 34, S. 101. Abstimmung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 4, 1817/18, S. 290.

Erklären ihre Bereitschaft, den sechs Punkten vom 14. Juli 1817 wie auch jeder Vereinbarung beizutreten, die eine Begünstigung des freien Verkehrs zum Zweck hat. Sollten die Umstände es noch nicht erlauben, sich über eine gänzliche Entfernung aller Einschränkungen zu vereinigen, würde jede Art von Übereinkunft, die sich ­diesem Zweck näherte, wünschenswert und dem gegenwärtigen Zustand der Dinge vorzuziehen sein. Wenn Deutschland noch nicht der Wohltat eines freien Verkehrs teilhaftig werden kann, so werden die heilsamen Folgen eines freieren Verkehrs am Ende doch zu einem ganz freien Verkehr führen. 17 Emendiert. Vorlage: öhnehin.

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Österreichische Abstimmung über den gegenseitigen freien Verkehr

Nr. 182

Frankfurt am Main, 16. Februar 1818 Der Gesandte der freien Städte muß, unter Beziehung auf die, für dieselben in der 42. vorjährigen Sitzung gegebene Abstimmung1, die Erklärung wiederholen, daß die freien Städte bereit sind, sowohl den in der 43. vorjährigen Sitzung vorgeschlagenen sechs Puncten2 beizutreten, als an einer jeden, auch beschränkten, Vereinbarung über diesen Gegenstand Theil zu nehmen, welche die Begünstigung des freien Verkehrs zum Zweck hat. Sollten, wie zu befürchten ist, die Umstände es noch nicht erlauben, daß alle Bundesstaaten sich über eine gänzliche Entfernung aller Einschränkungen des freien Verkehrs vereinigen, so würde doch eine jede Art von Uebereinkunft, wodurch man sich dem Zwecke näherte, schon wünschenswerth und dem gegenwärtigen Zustande der Dinge vorzuziehen seyn. Kann Deutschland jetzt noch nicht der Wohlthat eines freien Verkehrs theilhaftig werden, so wird auch schon ein freierer als bisher statt gefunden hat, heilsame Folgen haben, und durch die überzeugende Erfahrung, welche davon gemacht wird, endlich zu einem ganz freien Verkehr führen.

182. Österreichische Abstimmung über den gegenseitigen freien Verkehr mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Bundesstaaten

ProtDBV 1818, 37. Sitzung vom 9. Juli 1818, § 165, S. 374–378. Abstimmung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 6, 1818, S. 74−79.

Der württembergische Antrag auf Aufhebung bestehender Beschränkungen des Verkehrs mit den notwendigsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Staaten ist ein achtenswerter Beweis für das Bemühen, die Wohlfahrt der einzelnen Bundesstaaten wie auch des gesamten Deutschen Bundes zu befördern. Eine durch den Bundestag zu beschließende Konvention muß alle deutschen Staaten umfassen und auf gleichförmigen Grundsätzen beruhen. Bayern trete dem Entwurf einer Übereinkunft jedoch in drei wesentlichen Punkten nicht bei und fordere u. a. die Einbeziehung der nicht zum Bund gehörenden Staatsgebiete aller Bundesglieder zumindest im Hinblick auf die Transitzölle. Da zwischen den zum Deutschen Bund gehörenden und den übrigen Ländern der österreichischen Monarchie entweder keine Zollgrenzen existieren oder nur niedrige Zollgebühren erhoben werden, würde angesichts der Fruchtbarkeit der österreichischen Gebiete bei Herstellung des freien Verkehrs mit Lebensmitteln zwischen sämtlichen deutschen Staaten den übrigen Bundesstaaten ein großer Vorteil entstehen. Unter diesen Umständen müsse die Regelung dieser Materie besonderen 1 Vgl. ProtDBV 1817, 42. Sitzung vom 10. Juli 1817, § 319, S. 628 f. 2 Vgl. Dok. 179.

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Konventionen überlassen werden. Wunsch Österreichs, daß es der Zukunft vorbehalten sein möge, sich in dieser Frage auf gemeinsame Grundsätze zu einigen. Bedauern darüber, daß die Beratungen in dieser wichtigen Nationalangelegenheit noch zu keiner Verabredung geführt haben; man hoffe aber, daß dieser Gegenstand in erneute Anregung gebracht und zu einem Resultat geführt werden möge.

Frankfurt am Main, 9. Juli 1818 Der von dem Königlich-Württembergischen Hofe in der 29. Sitzung vom 19. Mai v. J. vorgetragene Wunsch1, daß von den Mitgliedern des deutschen Bundes gemeinsam erwogen und berathen werde, wie durch Aufhebung der verschiedenen, seither üblich gewesenen, ausserordentlichen Beschränkungen des gegenseitigen Verkehrs mit den nothwendigsten Lebensbedürfnissen in den deutschen Staaten und durch gemeinsame Maasregeln, diese sich einander näher gebracht und das gemeine Beste Aller befördert werden möge; dieser Antrag ward von sämmtlichen deutschen Regierungen als ein achtenswerther Beweis aufgenommen, wie sehr man beabsichte, daß das gemeinsame, alle deutschen Staaten vereinigende Band, sich zugleich auch wohlthätig für das individuelle Wohl der einzelnen Gebiete bewähren solle. Die dadurch veranlaßten Commissions-Berathungen, so wie mehrere darüber erfolgten Abstimmungen, athmen einen gleichen Geist und beruhen auf der schon in ihrer Erkenntniß wohlthätigen – nie genug zu würdigenden – Wahrheit, daß Deutschland in seiner Gesammtheit nur durch ganz ausserordentliche Elementar-Zufälle in einen Zustand allgemeiner Noth, hinsichtlich der ersten Lebensbedürfnisse, versetzt werden könne, wenn nur alle deutschen Staaten sich, auch in diesem Sinne und nach den Andeutungen des Art. XIX der Bundes­ acte2, als ein für gemeinsames Wohl und Sicherheit vereintes Ganze ansehen; so wie hingegen der in den verschiedenen Bundesstaaten sich zeigende Mangel und Theuerung einzelner Lebensbedürfnisse, in Beziehung auf die Gesammtheit von Deutschland, gewöhnlich nur theilweise statt findet, sehr oft auch bloß erkünstelt und selbst durch die in den einzelnen Staaten, nach isolirten Rücksichten, getroffenen Anordnungen veranlaßt ist. Bei diesem unverkennbaren genauen Zusammenhange, bei dieser gleichsam bedingten Wohlfahrt der einzelnen deutschen Gebiete, durch gleiche Umfassung des Ganzen, schien auch Seiner Majestät eine gemeinsame Be­ rathung, in dieser Beziehung, geeignet zu seyn, um eine, eben so für die einzelnen Staaten, als für die Gesammtheit, wohlthätige Anordnung, in Art einer freundschaftlichen Uebereinkunft, zu bewirken. 1 Vgl. Dok. 168. 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1517.

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Österreichische Abstimmung über den gegenseitigen freien Verkehr

Nr. 182

Man glaubte auch um so vertrauensvoller ein entsprechendes Resultat erwarten zu können, da, nebst dem Grunde, welchen schon das gemeinsame, alle deutschen Lande vereinigende Nationalband zum Abschluß einer angemessenen Convention enthält, auch noch das gegenseitige Interesse eine verstärkte Einladung dazu gewährt. Dieses – in allgemeiner Beurtheilung einer erwünschbaren Uebereinkunft – vorausgesetzt, ward übrigens aber nicht nur bereits von andern Bundesgesandtschaften bemerkt, sondern es liegt auch schon im Wesen, Begriffe und Zwecke einer solchen bei dem Bundestage zu berathenden Convention, daß selbige alle deutschen Staaten umfassen, und auch für alle nach gleichförmigen Grundsätzen abgeschlossen seyn müsse; ist eine dieser Voraussetzungen nicht anwendbar, so würde die gewünschte Gesammt-Berathung nicht mehr zum Zwecke führen, die wohlgemeinte Absicht nur durch Separat-Conventionen erreichbar und also diesen vorzubehalten seyn. Nach den vorliegenden Abstimmungen, insbesondere nach jener in der 9. Sitzung vom 16. Februar dieses Jahres3, tritt aber die Königlich-Baierische Regierung in drei wesentlichen Puncten dem in der 43. Sitzung vom 14. Juli vorigen Jahres zur Instructions-Einholung vorbehaltenen Entwurfe einer Uebereinkunft4 nicht bei. Es wird nämlich: 1) anstatt der alldort begutachteten unwandelbaren Unabhängigkeit der Ausfuhrzölle, vom Steigen und Fallen der Fruchtpreise, dieses mit dem ­Königlich-Baierischen Mauth-System als unvereinbar erkannt, und sich nur zu einem bedingten Maximum verstanden; 2) ferner, während die Beibehaltung der gewöhnlichen Durchgangsge­ bühren im Allgemeinen für das bloß durchgehende Getreide im Conventions-­ Entwurfe begutachtet wird, glaubt die Königlich-Baierische Regierung, daß ­diejenigen Bundesstaaten, welche nur mit einem Theile ihrer Länder zum deutschen Bunde gehören, gerade für diese Gebiete den Transito ohne Beschränkung frei geben sollen, und endlich 3) während, gemäß dem in Antrag gebrachten Entwurfe, der Beitritt der nicht zum deutschen Bunde gehörenden Staaten eines Bundesmitgliedes als nicht erforderlich angesehen wird, und überhaupt der Handel mit dem Auslande gar keinen Gegenstand dieser Convention ausmachen soll, dehnt die Königlich-Baierische Abstimmung selbige auch auf die nicht deutschen ­Gebiete und Reiche von Bundesregierungen so aus, daß deren Aufnahme, wenigstens in Beziehung auf den angeführten Transito, als unerläßliche Bedingung des Baierischen Zutritts angesehen wird. 3 Vgl. ProtDBV 1818, 9. Sitzung vom 16. Februar 1818, § 34, S. 93−97. 4 Vgl. Dok. 179.

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Unter diesen Umständen, und da man es allerdings einer jeden deutschen Regierung, also auch der Königlich-Baierischen, individuellen eigenen Würdigung überlassen muß, ob und unter welchen Voraussetzungen dieselbe eine solche Uebereinkunft den besondern Verhältnissen und der speciellen Wohlfahrt ihres Gebiets entsprechend findet; da ferner auch, selbst bei einer ganz verschiedenen Ansicht über diese wahre National-Angelegenheit, wodurch man eine wohlthätige Vereinigung der verschiedenen deutschen Staaten beabsichtet, dennoch gewiß jede deutsche Regierung weit entfernt ist, den entscheidenden Standpunct zu verkennen, worauf sich eines einzelnen Landes eigene Regierung in solchartigen Landespolizei-Verhältnissen befindet, so könnte man sich von Seiten des Kaiserlich-Oesterreichischen Hofes dermalen also einzig darauf beschränken, auch die abweichendesten, mit Umsicht und Unbefangenheit vorgetragenen, Ansichten zu ehren, übrigens aber nach den obigen Vordersätzen bei dieser Geschäftslage den vorliegenden Gegenstand nur besondern Conventionen vorbehalten zu betrachten. Man könnte also eine weitere Bundestags-Berathung bis zu dem Zeitpuncte ausgesetzt an­ sehen, wo zugleich auch etwa die jetzt noch bestehenden abweichenden Interessen, durch Annahme einer verschiedenen Meinung über das gegenseitige wohlverstandene Beste, sich genähert haben dürften; allein die verehrliche Abstimmung der Königlich-Baierischen Bundesgesandtschaft enthält zugleich, sowohl in besonderer Anwendung auf das Verhältniß der Oesterreichischen Monarchie zu Baiern, hinsichtlich des Getreideverkehrs, als auch in Ansehung der in den Kaiserlich-Oesterreichischen Staaten bestehenden Ordnung im Handel und Wandel mit Lebensmitteln, verschiedene Angaben, welche schon deßhalb eine diesseitige Erläuterung erheischen dürften, weil sodann auch eine ganz andere Ansicht der darauf gestützten Folgerungen statt finden möchte; und in dieser Beziehung ist daher die Kaiserlich-Oesterreichische Bundesgesandtschaft beauftragt, auch noch folgende historische Bemerkungen in das Protokoll zu geben: Weil man sich – wie so eben bemerkt ward – darauf beschränken will, einige Bemerkungen zur fernern Erwägung nur in Ansehung derjenigen Angaben noch beizufügen, welche sich auf die speciellen Oesterreichischen Commerzial-Verhältnisse beziehen, so kann man den ersten Punct der abweichenden verehrlichen Baierischen Ansicht, wegen des steigenden Ausfuhrzolles nach dem jedesmaligen Steigen oder Fallen der Fruchtpreise, ganz unberührt lassen, sonst würde auch in dieser Hinsicht eine weitere Erwägung verdienen: ob nicht dieses System des mit dem Getreidpreise steigenden Ausfuhrzolles für jeden Staat isolirt betrachtet und gegen das Ausland im Allgemeinen gerichtet, zwar das zweckmäsigste seyn dürfte, aber zugleich die Frage sich aufdringen, ob auch alldort, wo es sich um eine besondere freundschaftliche Ueber­einkunft und um gegenseitige Hülfe, oder – was noch mehr und der

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richtige Standpunct ist – wo es sich um eine wohlthätige Annäherung der mehreren, in nationeller Beziehung vereinten, deutschen Staaten handelt, eine solche dem Wechsel unterworfene Mauthbestimmung eben so anwendbar seyn möchte, indem selbige die beabsichtete Hülfe immer mehr erschwert, je mehr man in der Verlegenheit ist, dieselbe, ungeachtet der höhern Preise, ­dennoch suchen zu müssen; man würde ferner noch bemerken können, daß Oesterreich bei der in diesem Jahre bewilligten Getreideausfuhr durch die Beibehaltung der alten höchst unbedeutenden Ausfuhrzölle von dem Grundsatze ausgegangen ist, daß, sobald der eigne Vorrath eine Ausfuhr gestattet, schon die Rücksicht auf den Producenten eine hohe Zollbelegung nicht zu­ lasse; allein dieses alles und was sich noch, schon nach den verschiedenen vorliegenden, in gleichem Sinne mit dieser Ansicht des Kaiserlich-Oesterreichischen Hofes gefaßten verehrlichen Abstimmungen darüber bemerken liesse, gehört, unter den bestehenden Verhältnissen, nur kaum noch in dieser kurzen Andeutung hierher, sondern bloß in Ansehung der unter den Kaiserlich-Oesterreichischen Provinzen und Reichen bestehenden gesetzlichen Ordnung des Verkehrs mit Lebensmitteln, so wie wegen des alldort üblichen Transitozolles, dürften nachstehende Erläuterungen zur Berichtigung abweichender Meinungen geeignet seyn. Zwischen den zum deutschen Bunde gehörigen und den übrigen Provinzen der Oesterreichischen Monarchie besteht durchaus keine Getreidesperre; denn befinden sich diese mit jenen in einem gemeinschaftlichen Zollverbande, wie Gallizien, so findet bei dem ganz freien Getreideverkehr auch gar keine ZollEntrichtung statt, sind sie aber durch einen Zwischen-Cordon getrennt, wie dieses mit Ungarn und Siebenbürgen, und (jedoch nur für diesen Augenblick, und zwar, nach bereits getroffenen Einleitungen, nur für einen ganz kurzen Zeitraum) noch mit dem Lombardisch-Venetianischen Königreiche und Tyrol der Fall ist, so tritt zwar die Entrichtung eines unbedeutenden, gleichsam nur eine Controlltaxe bildenden Zollbetrages ein, gegen Entrichtung dieses sehr geringen Zolles ist aber der Verkehr mit Getreide wechselseitig ungehindert gestattet. Das Getreide, welches hiernach aus einer deutschen in eine nicht deutsche Provinz der Monarchie entweder ganz zollfrei, oder gegen den geringen Zwischenzoll verführt worden ist, wird in der letztern gleichsam nationalisirt; das ist, es erhält ganz die Eigenschaft des eigenen Products derselben und wird mit diesem in der Ausfuhr gleich behandelt. Bei der Herstellung eines freien Getreideverkehrs zwischen allen deutschen Bundesstaaten würde demnach (wenn auch diese Uebereinkunft sich nur auf die deutschen Provinzen der zum deutschen Bunde gehörenden Staaten erstreckte) der freie Bezug des Getreides aus den nicht zum deutschen Bunde gehörigen Provinzen der Oesterreichischen Monarchie, den fremden

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deutschen Bundesstaaten in eben dem Maase zu Theil werden, als desselben die nicht zum deutschen Bunde gehörenden Provinzen dieser Monarchie geniessen; und diese Begünstigung könnte den fremden deutschen Bundesstaaten – da das Getreide weder der Stempelung noch einer andern Bezeichnung unterzogen werden kann, um bei der Ausfuhr das Product der deutschen von jenem der nicht deutschen Provinzen der Monarchie zu unterscheiden – auf keine andere Art entzogen werden, als wenn die eigenen deutschen Provinzen der Wohlthat des freien Getreideverkehrs mit den übrigen Provinzen der Monarchie beraubt würden; dieses kann aber offenbar schon des eigenen Wohls wegen – ohne andere Rücksichten zu berühren – nie geschehen, vielmehr ist man eben im Begriffe, zwischen allen Provinzen der Monarchie, bloß mit Ausnahme Ungarns, Siebenbürgens und der Militärgrenze, einen immerwährenden, vollkommen zollfreien Verkehr mit Getreide und allen ­ ­übrigen Lebensmitteln herzustellen. Bei diesen Verhältnissen unter den verschiedenen Provinzen und Gebieten der Oesterreichischen Monarchie, hinsichtlich des Verkehrs mit Lebensmitteln, und bei der notorischen Fruchtbarkeit des gesammten Oesterreichischen Gebiets, ist also auch der größere Vortheil unverkennbar, welcher, bei dem in Antrag gebrachten freien Verkehr unter den sämmtlichen Bundesstaaten, auch hierdurch den letztern gewährt und auf selbige sich verbreiten würde. Wenn übrigens, gemäß der verehrlichen Baierischen gesandtschaftlichen Abstimmung, die Kaiserliche Regierung die Hemmung der Getreideausfuhr von einer nicht zum deutschen Bunde gehörigen Provinz, z. B. in Italien, in eine deutsche Provinz desselben Staates für leicht ausführbar hält, so dürfte sich die Frage aufdringen, wie die Controlle gegen Schwärzungen aus einer deutschen, in eine nicht deutsche Provinz derselben Monarchie höchst schwierig scheinen könne? In Ansehung des Getreidehandels im Innern ist Oesterreich dem schon seit mehreren Jahren angenommenen Grundsatze eines ganz freien unbeschränkten Getreidehandels im Innern, auch in den letzten Jahren des Mißwachses und des Mangels, getreu geblieben, ohne beschränkende Schranengesetze5, oder sonstige lästige Bestimmungen bei dem innern Landesverkehr in Anwendung zu bringen. In Beziehung endlich auf den in den Kaiserlich-Königlichen Staaten be­ stehenden Transitozoll ist zu bemerken, daß dieser bei dem Getreide für alle altösterreichischen Provinzen, mit Einschluß Ungarns, Siebenbürgens und der

5 Schranne: In Süddeutschland Bezeichnung für den Getreidemarkt, in Österreich auch für das Gerichtsgebäude. Hier sind die Getreidehandelsgesetze gemeint. Vgl. Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. 12, H. 7/8, Sp. 1133−1136; HRG, Bd. 4, Sp. 1488.

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Militärgrenze, so wie Galliziens, einen Kreuzer vom Metzen6 beträgt, folglich die in den Oesterreichischen Staaten deßhalb bestehende Ordnung von der im Königreiche Baiern wesentlich abweicht, da allhier der Transitozoll mit 2 pf. für jede Stunde des Wegs bemessen wird, so, daß der Durchfuhrzoll um so größer ist, je größer die Vortheile sind, welche der längere Durchzug dem Lande gewährt. In der Lombardei, im Venetianischen und in Tyrol bestehen zwar gegenwärtig noch besondere Transitozölle, die, wenn sie gleich sehr unbedeutend sind und lange nicht das Maas anderer Tarife bei einer etwas längeren Durchfuhr erreichen, dennoch, in manchen Fällen, die Inconvenienz einer zweifachen Abnahme des Transitozolles zur Folge haben können, die man jedoch ehestens zu beseitigen bereits bedacht gewesen ist. Diese wenigen Erläuterungen über die in der Oesterreichischen Monarchie, hinsichtlich des Verkehrs mit den nothwendigsten Lebensbedürfnissen, geltenden Grundsätze, glaubt der Kaiserlich-Oesterreichische Hof, bei Veranlassung der über diesen wichtigen Gegenstand zu gebenden Abstimmung, noch beifügen zu sollen, um diesemnach diese Angelegenheit seiner Zeit mit mehr Umsicht erwägen und beurtheilen zu können. Man wünscht übrigens, vereint mit den, gleiche Ansicht aussprechenden deutschen Regierungen, daß es der Zukunft vorbehalten seyn möge, sich auch in diesem wichtigen Puncte über gemeinsame Grundsätze zu einigen, und so auch in dieser, das individuelle Wohl der einzelnen deutschen Bundesstaaten eben so sehr, als jenes der Gesammtheit betreffenden Angelegenheit, den wahrhaften Nationalsinn zu bewähren, welcher allein den großen deutschen Staatenverein in seiner Kraft und Würde zu erhalten vermag. Seine Majestät der Kaiser von Oesterreich bedauern daher aufrichtigst, wenn die Berathungen über diese für die einzelnen deutschen Staaten und für die Gesammtheit so wichtige Angelegenheit dermalen also, noch zu keiner gemeinnützigen Verabredung führten, nähren jedoch die Hoffnung, daß, nach mehreren etwa jetzt noch zweckmäsig scheinenden vorläufigen Erörterungen, demnächst dieser Gegenstand wieder in erneuerte Anregung gebracht werden, und sodann die Verhandlungen ein angemessenes gemeinsames Resultat haben möchten.

6 Metze oder Metzen: Getreidemaß: 1 Metze = 1/8 Scheffel: Vgl. Krüger, Vollständiges Handbuch der Münzen, Maße und Gewichte aller Länder, S. 192.

Nr. 183

Frankfurt am Main, 14. April 1819

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183. Bittschrift deutscher Kaufleute und Fabrikanten um Aufhebung der Zölle und Mauten im Innern Deutschlands und um Aufstellung eines auf dem Prinzip der Retorsion beruhenden allgemeinen deutschen Zollsystems gegen die angrenzenden Staaten

BA  Berlin-Lichterfelde, DB  1/I, Nr. 166, T. 1, Konv. I. Bittschrift. Druckschrift (8 Seiten). Druck: List, Schriften, Reden, Briefe, Bd. 1, S. 491−496; Vorgeschichte und Begründung des Deutschen Zollvereins 1815−1834, Bd. 1, S. 320−324.

Schilderung der traurigen Lage von Handel und Gewerbe in Deutschland und deren Ursachen. Zurückweisung der Ansicht, daß die inländische Wirtschaft durch Zölle und Mauten gefördert werden könne; diese könnten nur als Verteidigung gegen das Ausland gerechtfertigt werden. Die Natur des Deutschen Bundes erfordert die Vereinigung der Kräfte und Interessen aller deutschen Völkerstämme zur Beförderung der Nationalwohlfahrt im Innern sowie den Schutz der Interessen des deutschen Volkes gegen das Ausland durch Bundeszölle. Die bestehenden 38 Zoll- und Mautlinien im Innern Deutschlands verhindern das Aufkommen von Nationalwohlstand und Nationalgefühl. Das preußische Zollgesetz vom 26. Mai 1818 und seine Auswirkungen auf Handel und Verkehr in Deutschland. Bitte der Unterzeichner an die Deutsche Bundesversammlung, daß die Zölle und Mauten im Innern Deutschlands aufgehoben und ein auf dem Grundsatz der Retorsion beruhendes allgemeines deutsches Zollsystem gegen ausländische Staaten aufgestellt werden möge bis zur Anerkennung des Grundsatzes der europäischen Handelsfreiheit.

Frankfurt am Main, 14. April 1819 Allerunterthänigste Bittschrift der zur Oster-Messe 1819 in Frankfurt am Main versammelten deutschen Kaufleute und Fabrikanten um Aufhebung der Zölle und Mauthen im Innern Deutschlands und um Aufstellung eines allgemeinen deutschen, auf dem Prinzip der Retorsion beruhenden Zollsystems gegen die angränzenden Staaten. Eingereicht durch Professor List1 aus Tübingen als Bevollmächtigten der Bittsteller den 20sten April 1819 1 Friedrich List (1789−1846), deutscher Nationalökonom. Nach einer Verwaltungslaufbahn zunächst Professor der Staatsverwaltungspraxis in Tübingen, 1819 Mitbegründer des Deutschen Handels- und Gewerbsvereins, bei dem er als Konsulent angestellt wurde. Sein Einsatz für liberale Ideen und die Aufhebung der Binnenzölle im Deutschen Bund führten zum Konflikt mit der württembergischen Regierung, so daß er im Mai 1819 seine Professur aufgab und später wegen Abfassung einer Petition der Stadt Reutlingen zu Festungshaft verurteilt wurde. 1825 Auswanderung in die USA und Erwerb der amerikanischen Staatsbürgerschaft. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1831 propagierte List den Eisenbahnbau und trat für eine deutsche Zolleinigung ein. Seine Beiträge zur theoretischen Nationalökonomie machten ihn zu einem wichtigen Wegbereiter der Historischen Schule der Nationalökonomie. Vgl. DBE, Bd. 6, S. 424; NDB, Bd. 14, S. 694−697.

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Bittschrift deutscher Kaufleute und Fabrikanten

Nr. 183

Erhabene Bundes-Versammlung! Wir Unterzeichneten, zur Messe in Frankfurt versammelten deutschen Kaufleute und Fabrikanten, nahen uns, tiefgebeugt durch den traurigen Zustand des vaterländischen Handels und Gewerbes, diesem Höchsten Vorstand deutscher Nation, um die Ursachen unsrer Leiden zu enthüllen und Hülfe zu er­ flehen. In einem Lande, wo notorisch die Mehrzahl der Fabriken entweder ein­ gegangen ist, oder ein sieches Leben kümmerlich dahin schleppt, wo die Messen und Märkte mit Waaren fremder Nationen angefüllt sind, wo die Mehrzahl der Kaufleute fast unthätig geworden ist, bedarf es da noch nähern Beweises daß das Uebel den höchsten Grad erreicht habe? Entweder liegt die Ursache dieses schauerlichen Zerfalls deutscher Gewerbe und Handlung in dem Einzelnen oder in der gesellschaftlichen Ordnung. Wer aber mag den Deutschen zeihen, daß es ihm an Kunstsinn und Fleiß fehle? Ist nicht sein Lob unter den Völkern Europens zum Sprichwort geworden? Wer mag ihm Unternehmungsgeist absprechen? Haben nicht einst die, welche sich jetzt von Fremden zu Verschleußern gebrauchen lassen, den Welthandel geführt? Einzig in den Mängeln der gesellschaftlichen Ordnung in Deutschland suchen und finden wir die Ursache des Uebels. Vernünftige Freiheit ist die Bedingung aller physischen und geistigen Entwickelung des Menschen. Wie der menschliche Geist niedergehalten wird durch Bande des Gedanken-Verkehrs, so wird der Wohlstand der Völker gebeugt durch Fesseln, welche der Produktion und dem Verkehr materieller Güter angelegt werden. Nur alsdann werden die Völker der Erde den höchsten Grad des physischen Wohlstandes erreichen, wenn sie allgemeinen, freien, unbeschränkten Handelsverkehr unter sich festsetzen. Wollen sie sich aber gegenseitig recht schwächen, so müssen sie nicht nur die Ein- und Ausfuhr und den Durchgang fremder Güter durch Verbote, Auflagen, Sperrung der Schifffahrt etc. erschweren, sondern die gegenseitige Kommunikation ganz aufheben. Es ist unter den Staatspraktikern eine Meinung Lehrsatz geworden, deren Irrigkeit jedem gebildeten Kaufmann und Fabrikanten als ausgemachte Sache erscheint: daß nämlich die inländische Industrie durch Zölle und Mauthen geweckt werden könne. Solche Auflagen werden auf der einen Seite zu Prämien für den Schleichhändler, welcher somit nicht nur den angeblichen Hauptzweck des Staats (Erhöhung der inländischen Industrie) sondern auch den angeb­ lichen Nebenzweck (Erhebung einer Abgabe) zugleich gefährdet. Auf der ­andern Seite wirkt sie wieder in gleicher Maaße nachtheilig auf die inländische Industrie zurück, weil der bemauthete Staat dann auch der Industrie des Mautherhebenden Staats gleiche Fesseln anlegt.

Nr. 183

Frankfurt am Main, 14. April 1819

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Wenn freilich der Nachbarstaat nicht Gleiches mit Gleichem vergilt, wenn dieser sich ruhig durch Einfuhr-Verbote und hohe Zölle ausziehen und verderben läßt, so mag wohl auf Einen Theil das Zollsystem ersprießlich wirken. Dieß ist der Fall bei den Nachbarstaaten Deutschlands. Umgürtet von eng­ lischen, französischen, niederländischen etc. Douanen, thut Deutschland als Gesammtstaat nichts, was jene nöthigen könnte, zur allgemeinen Handelsfreiheit, durch welche Europa allein den höchsten Grad der Civilisation erreichen kann, die Hände zu bieten. Dagegen beschränken aber die Deutschen sich selbst um so mehr. Achtunddreißig Zoll- und Mauthlinien in Deutschland lähmen den Verkehr im Innern, und bringen ungefähr dieselbe Wirkung hervor, wie wenn jedes Glied des menschlichen Körpers unterbunden wird, damit das Blut ja nicht in ein anderes überfließe. Um von Hamburg nach Oesterreich, von Berlin in die Schweiz zu handeln, hat man zehn Staaten zu durchschneiden, zehn Zoll- und Mauthordnungen zu studiren, zehnmal Durchgangszoll zu bezahlen. Wer aber das Unglück hat, auf einer Gränze zu wohnen, wo drei oder vier Staaten zusammenstoßen, der verlebt sein ganzes Leben mitten unter feindlichgesinnten Zöllnern und Mauthnern; der hat kein Vaterland. Trostlos ist dieser Zustand für Männer, welche wirken und handeln möchten; mit neidischen Blicken sehen sie hinüber über den Rhein, wo ein großes Volk vom Kanal bis an das mittelländische Meer, vom Rhein bis an die Pyrenäen, von der Gränze Hollands bis Italien auf freien Flüssen und offenen Landstraßen Handel treibt, ohne einem Mauthner zu begegnen. Zoll und Mauth können, wie der Krieg, nur als Vertheidigung gerechtfertigt werden. Je kleiner aber der Staat ist, welcher eine Mauth errichtet, desto größer das Uebel, destomehr würgt sie die Regsamkeit des Volkes, desto größer die Erhebungskosten; denn kleine Staaten liegen überall an der Gränze. Daher sind diese achtunddreißig Mauthlinien dem Volke Deutschlands ungleich schädlicher als eine Douanenlinie an Deutschlands Gränzen, wenn auch die Zollsätze dort dreimal höher wären. Und so geht denn die Kraft derselben Deutschen, die zur Zeit der Hansa, unter dem Schutze eigener Kriegsschiffe, den Welthandel trieben, durch achtunddreißig Mauth- und Zollsysteme zu Grunde. Wir glauben Gründe genug angeführt zu haben, um diese Erhabene Bundes-Versammlung zu überzeugen, daß nur die Aufhebung der Zölle und Mauthen im Innern Deutschlands, und die Errichtung einer allgemeinen Zolllinie des ganzen Bundes, dem deutschen Handels- und Gewerbstand, und somit dem Nahrungsstande überhaupt, wieder aufhelfen könne. Als Hauptgrund, welcher der Ausführung dieser Maasregel entgegenstehe, wird gewöhnlich der dadurch entstehende Ausfall in den Finanzen der einzelnen Staaten vorgeschützt. Indessen ist dieser Einwurf leicht zu heben, denn

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Bittschrift deutscher Kaufleute und Fabrikanten

Nr. 183

1) hat noch keine Regierung öffentlich behauptet, daß sie Zölle und Mauthen anlege in der einzigen Absicht um dadurch zu Gelde zu kommen; es läßt sich vielmehr in den Voreingängen der meisten Zollordnungen nachweisen, daß die Zölle angesetzt werden, um die inländische Industrie zu heben. Wenn wir aber beweisen, daß eben dadurch die inländische Industrie zu Grunde gerichtet wird, so kann der Nebenumstand, daß damit Staats-Ausgaben gedeckt werden, kein Grund seyn, dieselben länger beizubehalten. 2) Durch den Ertrag der Bundes-Douanen wird ein beträchtlicher Theil des Ausfalls gedeckt. Das Uebrige könnte mit großem Vortheil für die Staaten sowohl, als für den Handel- und Gewerbstand durch directe Besteurung er­ hoben werden. Die Regierungen würden dadurch eines, viele Aufsicht und Arbeiten erfordernden Administrationszweiges für die Zukunft überhoben seyn; die Bürger hingegen würden den ganzen Betrag der so beträchtlichen Administrationskosten gewinnen. 3) Erhebt man sich noch eine Stufe über den finanziellen Standpunkt, so erscheint der Gewinn, welchen die deutschen Staaten durch die Aufhebung der Zölle und Mauthen im Innern Deutschlands erringen, ungleich größer. Es muß endlich frei bekannt werden, daß die Umgehung der Zölle sogar von sonst ganz rechtlichen Männern nicht mehr für ein Unrecht gehalten wird. Der Einzelne sieht sich gegen die Mauthsysteme in den Kriegszustand versetzt und kämpft gegen sie mit den Waffen der List. Aber nichts gefährdet die Moralität der Völker mehr, als wenn die Staaten den Bürger nöthigen, die Gränzen des Erlaubten zu überschreiten, zumal wenn diese dem gebildeten Theil des Volks angehören. Nichts setzt ferner das Ansehen der Staatsgewalt mehr herab, als wenn ein Theil der Staatsdienerschaft (das Zollpersonal) dem Volke feindlich gegenüber gestellt ist. 4) Endlich erheischt die Natur des deutschen Bundes unerläßlich die von uns vorgeschlagenen Maaßregeln. Vereinigung der Kraft und Interessen Aller deutschen Völkerstämme, zum Behuf der Vertheidigung nach Aussen, der Beförderung der National-Wohlfahrt im Innern (in soweit dieselbe nicht von den einzelnen Regierungen erreicht werden kann) dieß ist der Zweck des Bundes. Aber die Interessen des deutschen Volkes werden nicht blos durch das Schwert fremder Staaten gefährdet, ihre Douanen sind ein nagender Wurm des deutschen Wohlstandes. Hieraus erklären wir uns die Verpflichtung des Bundes, uns nicht nur durch bewaffnete Macht sondern auch durch Bundes-Douanen zu schützen. Ein Staatenbund, wie jede andere bürgerliche Gesellschaft, wird immer nur der Form, nie dem Wesen nach bestehen, wenn derselbe nicht auf der Einheit der Interessen aller Individuen beruht. Daher halten wir die Zoll- und Mauthlinien im Innern Deutschlands, welche die Bewohner der übrigen deutschen Staaten und fremde ­Nationen gleich behandlen, für Bande, welche, solange sie in Deutschland

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bestehen, weder National-Wohlstand noch National-Gefühl aufkommen lassen. Nach allem Diesem erlauben wir uns der Veranlassung zu dieser unsrer allerunterthänigsten Vorstellung, nemlich der neuen preußischen Zollordnung2 Erwähnung zu thun. Dieses Mauthsystem hat, wir3 müssen es offen gestehen, uns − wie ganz Deutschland − in dem ersten Augenblick in die größte Bestürzung versetzt, denn es scheint bei dem ersten Anblick nicht sowohl gegen den Handel mit Frankreich und England, als gegen den Handel mit Deutschland gerichtet zu seyn. Die Zollsätze sind nach dem Gewicht angesetzt. Da nun die auswärtigen Nationen mit Preußen meistens nur in feinen Waaren verkehren, während die benachbarten deutschen Staaten, deren feine Fabrikation durch die englische Industrie bereits gelähmt ist, meistens nur gröbere sehr ins Gewicht fallende, dahin absetzen, so beträgt der Zoll, welchen fremde Nationen bezahlen, nur etwa 6 pCt während die deutschen Nachbarn meistens 25 bis 30, ja sogar öfters bis 50 pCt entrichten müssen, was eben so gut ist als ein förmliches Einfuhr-Verbot. Gleich drückend erscheint der Durchfuhrzoll. Die ord. Wollenwaaren z. B. sollen pr Ctnr., dessen Brutto-Werth ungefehr 150 Rthl. beträgt, 6 Rthl. 18 gr. 8 hl. also 4½ pCt Durchfuhrzoll bezahlen. Dadurch würde ganz Deutschland Preußen zinsbar in Ansehung aller derjenigen Güther, welche auf dem Rhein, auf der Weser und der Elbe durchpassiren, und die zur Leipziger-[,] Naumburger- und Frankfurter-Messe gehen. Indessen erholt man sich bald von dieser Bestürzung, wenn man bedenkt, daß durch die Aufrechthaltung dieses Zollgesetzes der deutsche Handel total ruinirt würde, und daß es also dem Geist des deutschen Bundes schroff ent­ gegenstehe. Man wird dadurch unwillkürlich auf den Gedanken geleitet, die liberale preußische Regierung, welche, der Lage ihrer Länder nach, vollkommene Handelsfreiheit in Deutschland vor allen andern wünschen muß, hege die große Absicht, durch dieses Zollsystem die übrigen Staaten Deutschlands zu veranlassen, endlich einer völligen Handelsfreiheit sich zu vergleichen. Diese Vermuthung wird fast zur Gewißheit, wenn man die Erklärung der preußischen Regierung berücksichtigt, daß sie sich geneigt finden lasse, mit Nachbarstaaten besondere Handelsverträge abzuschließen. Die allerunterthänigst Unterzeichneten erkennen hierin einen bedeutsamen Wink, welcher sie aufmerksam macht, auf das was ihnen Noth thut, und sie 2 Preußisches Zollgesetz vom 26. Mai 1818, GS Preußen 1818, S. 65−69; ebd. S. 70−144 die Zoll- und Verbrauchssteuertarife vom 26. Mai 1818. Zum preußischen Zollgesetz von 1818 vgl. den Überblick bei Hahn, Geschichte des Deutschen Zollvereins, S. 20−28, sowie ausführlich Ohnishi, Zolltarifpolitik Preußens bis zur Gründung des deutschen Zollvereins. 3 Emendiert. Vorlage: mir.

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Bittschrift deutscher Kaufleute und Fabrikanten

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wagen es demnach, einer hohen Bundesversammlung die allerunterthänigste Bitte vorzutragen: 1) Daß die Zölle und Mauthen im Innern Deutschlands aufgehoben, dagegen aber 2) ein auf dem Grundsatz der Retorsion beruhendes Zollsystem gegen fremde Nationen aufgestellt werden möchte, bis auch sie den Grundsatz der europäischen Handelsfreiheit anerkennen. Die allerunterthänigst Unterzeichneten fühlen wohl, daß die Verderblichkeit der Zölle und Mauthen im Innern Deutschlands durch Detail-Ausführungen und Berechnungen darüber, wie sie auf die einzelnen Länder, Städte, Handlungs- und Gewerbszweige wirken, näher nachgewiesen seyn sollte. Da sie sich aber im Augenblick nicht im Stande befinden diesen Mangel zu ergänzen, so versprechen sie, nachdem sie in ihre Heimath zurückgekehrt seyn werden, in Gemeinschaft mit dem sämmtlichen Handels- und Gewerbstand ihrer Länder dergleichen Darstellungen zu entwerfen und solche alsdann nachträglich allerunterthänigst einzureichen. In tiefster Ehrfurcht beharrend Einer Hohen Bundes-Versammlung Allerunterthänigst gehorsamste (folgen die Unterschriften von siebenzig deutschen Kaufleuten und Fabrikanten aus Sachsen, Bayern, Würtemberg, Chur-Hessen, Baden, Hessen-Darmstadt und Nassau.) Eine Menge von Unterschriften solcher deutschen Kaufleute und Fabrikanten, welche mit dieser Bittschrift einverstanden sind, steht noch zurück. Die Dränglichkeit des Gegenstandes läßt es indessen nicht zu, dieselben abzuwarten, und sie werden daher nachträglich allerunterhänigst eingegeben werden. Professor List als Bevollmächtigter des allgemeinen ­deutschen Handel- und Gewerbs Vereins zu Frankfurt am Main.

Nr. 184

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184. Provisorische Statuten des Deutschen Handels- und Gewerbsvereins

BA Berlin-Lichterfelde, DB 1/I, Nr. 166, T. 1, Konv. 1. Reinschrift. Druck: Olshausen, Friedrich List und der Deutsche Handels- und Gewerbsverein, S. 228−230.

Stiftung des Deutschen Handels- und Gewerbsvereins durch deutsche Kaufleute und Fabrikanten. Die provisorischen Statuten sollen bei der nächsten Zusammenkunft definitiv festgesetzt werden. Die Ziele des Vereins sind nicht politischer Natur: Hebung von Handel und Gewerbe in Deutschland auf verfassungs- und gesetzmäßigem Wege. Zusammenkunft des Vereins in Frankfurt am Main während der Oster- und Herbstmesse. Bestellung eines Ausschusses aus Korrespondenten eines jeden deutschen Staats und Anstellung eines Geschäftsführers. Unterrichtung der Bundesversammlung und des Senats der Stadt Frankfurt über die Gründung des Vereins. Die Kaufmannschaft derjenigen Staaten, die bei der Gründung des Vereins nicht anwesend war, wird zum Beitritt eingeladen.

Frankfurt am Main, 24. April 1819 Provisorische Statuten des Deutschen Handels- und Gewerbs-Vereins zu Frankfurt a/M. Die unterzeichneten deutschen Kaufleute und Fabrikanten stiften, in Beziehung auf die bisherigen Verhandlungen unter sich einen Verein unter der Benennung: Deutscher Handels- und Gewerbs Verein. Sie geben sich zu diesem Ende folgende Vereins-Gesetze, unter der ausdrücklichen Bedingung, daß diese Statuten bey der nächsten Zusammenkunft erst definitiv festgesezt werden sollen, da mehrere Theile des deutschen Handels und Fabrikanten-Standes an der Berathung nicht Antheil nehmen konnten. § 1. Der Zweck des Vereins ist: in Verfaßungs und Gesezmäßigem Weege zu streben, daß Handel und Gewerbe in Deutschland wieder gehoben werden. § 2. Der Verein ist durchaus nicht politischer Natur. − Er steht zum Staate ganz in demselben Verhältniß wie andere Privat-Vereine, z. B. Landwirthschaftliche, Gelehrten-Vereine. § 3. Der Ort der Zusammenkunf[t] des Vereins ist Frankfurt a/Mayn. Hier wird derselbe zur Zeit der Oster- und Herbstmesse seine Sitzungen halten. Die Verhandlungen sollen ohne Ausnahme öffentlich bekannt gemacht werden.

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Provisorische Statuten des Deutschen Handels- und Gewerbsvereins

Nr. 184

§ 4. Zum Behuf der geregelten Geschäfts-Führung, bestellt der Verein einen Ausschuß, welchem er die Leitung der Geschäfte überträgt. − Dieser Ausschuß besteht vor der Hand aus Einem Correspondenten der Kaufmannschaft eines jeden deutschen Staats, und Einem Ersatzmanne. In der Folge soll es aber1 dem Handelsstande jeder2 bedeutendern deutschen Stadt frey stehen, einen eigenen Correspondenten zu bestellen. § 5. Der Ausschuß bereitet mit Hülfe eines Gelehrten Geschäftsführers die Geschäfte vor, handelt in unbedeutenden Sachen für sich selbst, bringt bedeutendere an den ganzen Verein, und vollzieht die Beschlüße desselben durch einen Vorsteher. § 6. Die Art der Wahl eines Ausschußes, eines Vorstehers, und eines GeschäftsFührers soll erst in der Herbstmesse mit Uebereinstimmung aller Theile definitiv festgesezt werden, bis dahin aber soll bestellt werden Herr Johann Jacob Schnell3 von Nürnberg als Vorsteher Als Correspondenten Herr Leisler4 aus Hanau für Churheßen „ Hartmann5 aus Heidenheim für Würtenberg „ Ernst Weber6 in Gera für Sachsen „ Bergrath Buderus7 für Nassau. 1 Emendiert. Vorlage: aber aber. 2 Emendiert. Vorlage: jeden. 3 Johann Jakob Schnell (1760−1829), Kaufmann und Nationalökonom in Nürnberg, 1819 Vorstand des Deutschen Handels- und Gewerbsvereins. Vgl. Olshausen, Friedrich List und der Deutsche Handels- und Gewerbsverein, S. 349. 4 Wilhelm M. Leisler, Kaufmann in Hanau, 1819 Korrespondent für Kurhessen des Deutschen Handels- und Gewerbs Vereins. Vgl. Olshausen, Friedrich List und der Deutsche Handels- und Gewerbsverein, S. 347; Frankfurter Ober Postamts Zeitung No. 259 vom 16. September 1819. 5 Karl Ludwig Friedrich (seit 1833) von Hartmann (1766−1852), wüttembergischer Textilunternehmer und Wirtschaftspolitiker, 1791 Geschäftsführer und 1796−1802 Teilhaber einer ­Kattunfabrik in Sulz am Neckar, 1801 Ernennung zum Kommerzienrat, 1802 Übersiedlung nach Heidenheim und Fortführung der dortigen Filiale, nach dem Erwerb einer Bleicherei 1811 gründete H. eine weitere Kattunfabrik und Spinnerei, 1819 württembergischer Korrespondent des Deutschen Handels- und Gewerbsvereins, 1826−1830 Mitglied der württembergischen Abgeordnetenkammer, 1830−1848 Mitglied der Gesellschaft zur Beförderung der Gewerbe, 1843 Rückzug ins Privatleben. Vgl. NDB, Bd. 7, S. 734 f.; DBE, Bd. 4, S. 411. 6 Johann Friedrich Ernst Weber (1769−1834), Kaufmann und Unternehmer in Gera. Vgl. DBA I, 1335, 284; Olshausen, Friedrich List und der Deutsche Handels- und Gewerbsverein, S. 347. 7 Georg Friedrich Andreas Buderus (1777−1840), Industrieller und großherzoglich-­hessischer Bergrat, entwickelte das gleichnamige Familienunternehmen zum führenden Gußeisenliefe-

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§ 7. Nothwendige Geschäfte, welche in der Zwischenzeit vorfallen, sollen von dem provisorischen Vorsteher und dem Geschäfts-Führer erledigt werden. − An Herrn Schnell sollen alle Notizen eingeschickt, und von diesem dem ­Geschäfts Führer zur Vorbereitung für die künftige Herbstmesse mitgetheilt werden. § 8. Einer Hohen Bundes Versammlung der Höchstpreißlichen Regierungen der deutschen Staaten, und dem Hochpreißlichen Senate der freyen Stadt Frankfurt, sollen zur schuldigen Ehrfurchts-Bezeugung Exemplare dieser proviso­ rischen Statuten eingereicht werden. § 9. Auch sind sie der Kaufmannschaft aller derjenigen Staaten mitzutheilen, von welchen keine Mitglieder anwesend waren, und dieselben sollen zugleich eingeladen werden dem Verein beizutreten. Frankfurt a/M den 24t[en] April 1819. Unterschrift der Bevollmächtigten Joh. Jacob Schnell Commerzien Rath Hartmann in dessen Abwesenheit und auf Auftrag L. Pommer Buderus, Bergrath für Großherzogthum Hessen und Herzogthum Nassau Ludwig Herose8 für das Großherzogthum Baaden.

ranten an der Lahn und zu einem der größten Eisenlieferanten innerhalb des Deutschen Zollvereins, 1818 Mitglied der Deputiertenkammer der nassauischen Ständeversammlung. Vgl. Renkhoff, Nassauische Biographie, S. 89 f.; NDB 2, S. 716 f.; Rösner (Bearb.), Nassauische Parlamentarier, T. 1, S. 25 f. 8 Ludwig Herosé (1786−1854), aus dem schweizerischen Aargau stammender Textilfabrikant, übernahm 1812 zusammen mit seinem Bruder Gabriel die in Konkurs geratene Schlum­ berger’sche Kattunfabrik in Konstanz, 1819 badischer Korrespondent des Deutschen Handelsund Gewerbsvereins. Vgl. Olshausen, Friedrich List und der Deutsche Handels- und Gewerbsverein, S. 348; Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg, Bestand Y  246 [https://wabw.uni­hohenheim.de/73190.html (28.2.2011)].

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Martens über die provisorischen Statuten

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185. Martens über die provisorischen Statuten des Deutschen Handels- und Gewerbsvereins sowie die Petition Friedrich Lists um Aufhebung der Zölle und Mauten im Innern Deutschlands und die Anlegung einer allgemeinen Zollinie an Deutschlands Grenzen

ProtDBV 1819, 19. Sitzung vom 24. Mai 1819, Beilage 26, S. 329−336. Vortrag. Druckfassung. Weiterer Druck: List, Schriften, Reden, Briefe, Bd. 1, S. 973−977 (Teildruck).

Zweck, Organisation und führende Repräsentanten des Deutschen Handels- und Gewerbsvereins und dessen problematischer Anspruch, Vertretung des ganzen deutschen Handels- und Gewerbestandes zu sein. Solange die Anerkennung durch die Stadt Frankfurt noch aussteht, hat die Bundesversammlung keine Notiz von ihm zu nehmen und seine Eingaben als lediglich von Privatpersonen verfaßt zu behandeln. Empfehlung, die eingereichten Vereinsstatuten vorerst ad acta zu legen. − Hinsichtlich der Bittschrift deutscher Kaufleute um Aufhebung der Zölle und Mauten im Innern Deutschlands und um Aufstellung eines allgemeinen deutschen, auf dem Prinzip der Retorsion beruhenden Zollsystems gegen die angrenzenden Staaten wird auf die ­Hindernisse verwiesen, die eine Umsetzung der an sich begrüßenswerten Vorschläge erschweren: 1. der staatenbündische Charakter des Deutschen Bundes, der eine Mitwirkung aller Mitgliedsstaaten erfordert; 2. der bedeutende Anteil der Zölle und Mauten an den Landeseinkünften vieler Bundesstaaten, auf die nicht so ohne weiteres verzichtet werden könne; 3. die Ausschließung der nicht zum Bunde gehörenden ­Provinzen einzelner Bundesstaaten bei Errichtung einer Zollinie an den Grenzen des Bundes; 4. bestehende Handelsverträge mit ausländischen Staaten. Die an sich wünschenswerte Ermäßigung der Zölle und Mauten könne nur allmählich und eher durch zwischenstaatliche Vereinbarungen als durch allgemeine Bundestagsbeschlüsse erfolgen. Empfehlung, den Petenten folgendes zur Kenntnis zu bringen: Da das Zollwesen mit dem Handel und Verkehr in engster Beziehung steht, wird die Bundesversammlung auch diesen Gegenstand einer Prüfung unterziehen und dasjenige einleiten, was zur Beförderung des deutschen Handels und dem Gemeinwohl des Ganzen gereicht.

Frankfurt am Main, 24. Mai 1819 Vortrag des Königlich-Hannöverischen Herrn Gesandten von Martens, die von Johann Jacob Schnell überreichten provisorischen Statuten eines deutschen Handels- und Gewerb-Vereins1, dann die Vorstellung des Professors List zu Tübingen, um Aufhebung der Zölle und Mauthen im Innern Deutschlands und Anlegung einer allgemeinen Zoll-Linie an Deutschlands Grenzen, betreffend2. (ad § 103 des Protokolls der 19. Sitzung von 1819.) 1 Vgl. Dok. 184. 2 Vgl. Dok. 183.

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Unter Num. 43 des Einreichungs-Protokolls von 1819 hat Herr Johann Jacob Schnell in der Eigenschaft als erwählter Vorsteher eines hier errichteten Handels- und Gewerb-Vereins der Bundes-Canzlei die provisorischen Statuten dieses Vereins überreicht, um sie der Bundesversammlung vorzulegen. Nach dem Inhalte dieser provisorischen Statuten ist von einigen deutschen Kaufleuten und Fabrikanten, welche die hiesige Messe besucht haben, eine Gesellschaft unter der Benennung: „Deutscher Handels- und Gewerbs-Verein“, gestiftet worden, deren Statuten erst bei der nächsten Zusammenkunft definitiv festgesetzt werden sollen. Als Zweck dieses Vereins ist angegeben: im verfassungs- und gesetzmäsigen Wege zu streben, daß Handel und Gewerbe in Deutschland wieder gehoben werden, und dabei angegeben, daß dieser Verein nicht politischer Natur sey, sondern zu dem Staate in demselben Verhältnisse stehe, wie andere Privat-Vereine, z. B. Landwirthschaftliche, Gelehrten-Vereine. Zum Orte dieses Vereins ist Frankfurt am Main bestimmt, und festgesetzt, daß er seine Sitzungen in der Oster- und Herbstmesse halten, auch alle seine Verhandlungen öffentlich bekannt gemacht werden sollen. Zur geregelten Geschäftsführung bestellt der Verein einen Ausschuß zur Leitung der Geschäfte, der vor der Hand aus einem Correspondenten eines jeden deutschen Staates und einem Ersatzmanne bestehen soll. Dieser Ausschuß soll mit Hülfe eines gelehrten Geschäftsführers die Geschäfte vorbereiten, in unbedeutenden selbst handeln, bedeutendere an den ganzen Verein bringen und dessen Beschlüsse vollziehen., Vorerst ist zum Vorsteher Herr J. J. Schnell aus Nürnberg, zu Correspondenten, für Kurhessen: Herr Leisler3 aus Hanau, ” Würtemberg: ” Hartmann, ” Baden: ” Herrose, ” Sachsen: ” Weber aus Gera, und ” Nassau: ” Buderus ernannt, welche auch diese Statuten als Bevollmächtigte selbst, oder, so viel Herrn Hartmann betrifft, durch einen Andern unterschrieben haben; dabei ward beschlossen, der Bundesversammlung und dem Senate der Stadt Frankfurt zur schuldigen Ehrfurchtsbezeugung Exemplare dieser Statuten einzureichen. Gutachten. Sofern diese Statuten der Bundesversammlung bloß zu ihrer Notiz mitge­ theilt werden, kann diese sich dabei begnügen, dieselben ad acta zu legen und der freien Stadt Frankfurt überlassen, wiefern sie diesen in ihrem Gebiete errichteten Verein authorisiren wolle. 3 Emendiert. Vorlage: Leisner. Vgl. dazu Dok. 184, Anm. 7.

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Martens über die provisorischen Statuten

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Da aber dieser sich nennende deutsche Handels- und Gewerbs-Verein unter diesem Namen auch eine von siebenzig Kaufleuten unterschriebene Petition sub Nro. 40 des Einreichungs-Protokolls durch Herrn Professor List aus Tübingen, der sich als Bevollmächtigter des allgemeinen deutschen Handelsund Gewerb-Vereins angiebt, übergeben hat, worin derselbe auf die Abschaffung aller Zölle und Mauthen in dem Innern von Deutschland und auf die Anlegung einer allgemeinen Douanen-Linie gegen das Ausland anträgt; so wird die Bundesversammlung sich wohl darüber entscheiden müssen, ob sie diese Eingabe des Herrn Professors List als eine von der moralischen Person dieses Vereins, oder lediglich als eine von einzelnen Kaufleuten durch einen Bevollmächtigten eingereichte Bittschrift anzusehen und zu behandeln habe? Nun wird zwar Niemand Privatpersonen, mithin auch einzelnen Kauf­ leuten, die Freiheit beschränken wollen, über Gegenstände, die ihr Gewerbe ­betreffen und zu ihrer Competenz gehören, sich zu besprechen, auch zu dem Ende in Gesellschaften zusammen zu treten; und in den, in den vorliegenden Statuten angekündigten Zwecken dieses Vereins liegt an sich gewiß nichts Unerlaubtes oder Bedenkliches. Allein wenn diese Zusammentretung auf die Stiftung einer förmlich organisirten Gesellschaft gerichtet ist, welche ihren Vorsteher, ihren Ausschuß, ihre Correspondenten annimmt, und sich fortwährend auf festgesetzte Zeiten zu vereinigen und Beschlüsse zu fassen verabredet, und welche kurz nach ­ihrem Ursprunge schon beweist, daß ihr Zweck sich nicht darauf beschränke, wie andere Gelehrten-Vereine, durch wissenschaftliche Erörterungen einen Zweig des menschlichen Wissens seiner Vollkommenheit näher zu bringen, sondern den Regierungen Rathschläge zu geben und den darauf gerichteten Petitionen durch zahlreiche Unterschriften mehr Gewicht zu verschaffen, auch einer in der That nur noch aus einzelnen Kaufleuten und Fabrikanten einzelner Länder gebildeten Gesellschaft das Ansehen einer den Handelsstand aller deutschen Staaten repräsentirenden Gesellschaft zu geben; so kann nicht nur die Errichtung einer solchen Gesellschaft dem Staate, in welchem sie entsteht, nicht gleichgültig seyn, sondern sie setzt, um die Rechte einer Körperschaft zu erlangen, mindestens die Genehmigung des Staates voraus, worin sie bestehen soll. Schon unter diesem Gesichtspuncte glaube ich daher, daß, so lange die freie Stadt Frankfurt dieser bei ihr entstehenden Gesellschaft nicht ihre Genehmigung ertheilt und sie anerkannt hat, die Bundesversammlung von derselben als Verein gar keine Notiz zu nehmen; sondern ihre jetzigen und künftigen Eingaben lediglich als von einzelnen Privatpersonen eingereicht, zu beurtheilen und zu behandeln hat. Und wenn vollends, wie in dem vorliegenden Falle, Individuen einzelner Staaten sich als Bevollmächtigte eines ganzen Standes in denselben beneh-

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Abb. 6: Georg Friedrich von Martens (1756–1821)

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men und unterzeichnen, indeß sie doch nur von einigen wenigen derselben dazu authorisirt worden, und diese Bevollmächtigten aus wenigen einzelnen Staaten sich für berufen halten, einen Handels- und Gewerbs-Verein für ganz Deutschland zu stiften, so scheint dieß den Staaten, deren Unterthanen zu diesem Vereine gezogen werden, um so weniger gleichgültig zu seyn, je weniger sich die spätere Tendenz dieser Gesellschaft aus den bloßen Worten der provisorischen Statuten verbürgen läßt, und daher manche Staaten sich bewogen finden könnten, ihre Unterthanen in Zeiten vor der Theilnahme an Verbindungen zu warnen, deren spätere Entwickelung diese vielleicht nicht vorauszusehen vermögen. Da nun in den Statuten sich zwar nun die oben angeführten Vorsteher und Correspondenten unterzeichnet finden, in der sub Nro. 40 eingereichten Petition aber sich siebenzig Kaufleute und Fabrikanten aus einigen deutschen Staaten unterzeichnet haben, ohne daß sich jedoch die Aechtheit dieser Unterschriften weiter, als durch die von Herrn Professor List erfolgte Uebergabe dieser Schrift, verbürgt findet, und noch mehrere Theilnehmer angekündiget worden sind; so glaubt Referent, daß, so viel die sub Nro. 43 eingereichten Statuten betrifft, die Bundesversammlung selbige vorerst lediglich ad acta zu legen, die Namens des Vereins übergebene Petition Num. 40 als eine bloß von einzelnen Privatpersonen durch ihren Bevollmächtigten eingereichte Vorstellung zu beurtheilen, im Uebrigen aber den Herren Gesandten der Staaten, aus welchen Kaufleute und Fabrikanten an diesem Vereine Theil genommen, zu überlassen habe, das Verzeichniß derselben ihren Regierungen einzusenden und diesen die weiteren deßfallsigen Verfügungen zu überlassen; und da letzteres keines besondern Beschlusses bedarf, so würde der Beschluß auf Num. 43 sich bloß darauf beschränken können, daß die von dem Herrn J. J. Schnell unter Num. 43 eingereichten Statuten eines hier geschlossenen Vereins vorerst lediglich ad acta zu legen seyn. *** Was sodann die unter Ziffer 40 dieses Jahres durch Herrn Professor List aus Tübingen, als angeblichen Bevollmächtigten, eingereichte, so betitelte: „Allerunterthänigste Bittschrift der zur Ostermesse 1819 in Frankfurt am Main versammelten deutschen Kaufleute und Fabrikanten, um Aufhebung der Zölle und Mauthen im Innern Deutschlands und um Aufstellung eines allgemeinen deutschen, auf das Princip der Retorsion beruhenden Zoll-Systems gegen die angrenzenden Staaten“, betrifft, so ist der wesentliche Inhalt derselben folgender: In dieser Bittschrift wird, unter Vorstellung des schauerlichen Zerfalls deutscher Gewerbe und Handlung, die Ursache dieses Uebels in den Mängeln der gesellschaftlichen Ordnung in Deutschland gesucht.

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Der Wohlstand der Völker werde durch Fesseln gebeugt, welche der Production und dem Verkehr der Güter angelegt würden. Nur durch allgemeinen, freien, unbeschränkten Handelsverkehr könnten die Völker der Erde den höchsten Grad des physischen Wohlstandes erreichen. Daß inländische Industrie durch Mauthen und Zölle geweckt werde, sey irrig; diese würden nur zu Prämien für die Schleichhändler, und wirkten nachtheilig auf alle inländische Industrie zurück. Deutschland, umgürtet von engli[s]chen, französischen, niederländischen etc. Douanen, thue als Gesammtstaat nichts, was jene Nachbarstaaten nöthigen könnte, zur allgemeinen Handelsfreiheit für Europa die Hände zu bieten. Dagegen beschränkten die Deutschen sich selbst um so mehr; 38 Zoll- und Mauth-Linien in Deutschland lähmten den Verkehr im Innern. Zoll und Mauth könnten, wie der Krieg, nur als Vertheidigung gerechtfertiget werden, und je kleiner der Staat sey, der eine Mauth errichte, desto größer sey das Uebel. Daher seyen 38 Mauth-Linien dem Volke Deutschlands ungleich schädlicher, als eine Douanen-Linie an Deutschlands Grenzen, wenn auch die Zollsätze dort dreimal höher wären. Daher könne nur die Aufhebung der Zölle und Mauthen im Innern Deutschlands und die Errichtung einer allgemeinen Zoll-Linie des ganzen Bundes dem deutschen Handels- und Gewerbstande wieder aufhelfen. Als Hauptgrund wider diese Maasregel werde gewöhnlich der dadurch entstehende Ausfall in den Finanzen der einzelnen Staaten vorgeschützt; allein dieser Einwurf sey leicht zu heben, denn 1) habe noch keine Regierung öffentlich behauptet, daß sie Zölle und Mauthen anlege, in der einzigen Absicht, dadurch zu Gelde zu kommen, vielmehr ergäben die mehresten Voreingänge der Zollordnungen, daß die Zölle angesetzt würden, um die inländische Industrie zu heben; wenn also bewiesen werde, daß diese dadurch zerstört werde, so sey kein Grund, sie beizubehalten. 2) Durch den Ertrag der Bundes-Douanen werde ein beträchtlicher Theil des Ausfalls gedeckt, das Uebrige könne durch directe Besteuerungen ergänzt werden. 3) Die Erhebung der Zölle und Mauthen verleite zu unerlaubter Umgehung derselben, schade der Moralität der Völker und setze das Ansehen der Staatsgewalt herab, wenn ein Theil der Staatsdienerschaft (das Zollpersonal) dem Volke feindlich gegenüber gestellt werde. 4) Die Natur des deutschen Bundes erheische unerlässig die vorgeschlagenen Maasregeln; der Bund sey verpflichtet, die Mitglieder desselben gegen das Ausland nicht bloß durch bewaffnete Macht, sondern auch durch Bundes-­ Douanen zu schützen. Zoll und Mauthen im Innern des Bundes seyen Bande, welche weder National-Wohlstand, noch National-Gefühle aufkommen liessen.

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Martens über die provisorischen Statuten

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Hierauf erwähnen die Bittsteller der neuen Preussischen Zollordnung4, welche sie als die Veranlassung zu ihrer Bittschrift bezeichnen. Dieses Mauthsystem scheine, sagen sie, nicht sowohl gegen den Handel mit dem Auslande, als gegen den mit Deutschland gerichtet zu seyn, weil der Zoll nach dem Gewichte bestimmt sey, und daher, wenn die auswärtigen Nationen, welche mit Preussen meist nur mit feineren, mithin leichteren, Waaren verkehrten, nur etwa 6 Procent bezahlten, der für die deutschen, mit gröberen und schwereren Waaren Handelnden meistens 25 bis 30, ja öfters 50 Procent betrage, welches einem Einfuhr-Verbote gleich sey. Eben so drückend erscheine der Durchfuhrzoll, der für einige, z. B. ordinäre Wollen-Waaren 4 ½ Procent betrage, und ganz Deutschland Preussen zinsbar in Ansehung aller derjenigen Güter mache, welche auf dem Rhein, auf der Weser und Elbe durchpassirten, und die zur Leipziger, Naumburger und Frankfurter Messe giengen. Da durch die Aufrechterhaltung dieses Zollgesetzes der deutsche Handel total ruinirt würde, mithin dasselbe dem Geiste des Bundes schroff entgegen stehe, so müsse man annehmen, daß Preussen dabei die große Absicht hege, durch dieses Zollsystem die übrigen Staaten Deutschlands zu veranlassen, sich endlich einer völligen Handelsfreiheit, die Preussen selbst vor allen andern wünschen müsse, zu vergleichen. Nach diesen Prämissen tragen die Bittsteller der Bundesversammlung die Bitte vor: 1) daß die Zölle und Mauthen im Innern von Deutschland aufgehoben, dagegen aber 2) ein auf dem Grundsatz der Retorsion beruhendes Zollsystem gegen fremde Nationen aufgestellt werden möchte, bis auch sie den Grundsatz der Europäischen Handelsfreiheit anerkennen. Sie fügen noch hinzu, daß, da sie wohl fühlten, daß die Verderblichkeit der Zölle und Mauthen im Innern Deutschlands durch Detail-Ausführungen und Berechnungen nachgewiesen seyn sollte, sie diese in Gemeinschaft mit dem sämmtlichen Handels- und Gewerbstande ihrer Länder zu entwerfen und nachträglich einzureichen, sich vorbehielten. Gutachten. In der Form ist zuvörderst aus dem schon oben Gesagten zu bemerken, daß wenn gleich der Titel der Bittschrift besagt, daß sie Namens der in Frankfurt am Main versammelten deutschen Kaufleute und Fabrikanten eingereicht werde, der Herr Professor List sich auch als Bevollmächtigter des allge­ meinen deutschen Handels- und Gewerb-Vereins zu Frankfurt am Main unter­schrieben hat, dennoch dieselbe nur als eine von siebenzig Individuen unterschriebene Privat-Bittschrift Einzelner anzusehen ist, da weder der Bun4 Preußisches Zollgesetz vom 26. Mai 1818, vgl. Dok. 183, Anm. 2.

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desversammlung etwas von einem authorisirten allgemeinen deutschen Handels- und Gewerbs-Verein zu Frankfurt kund ist, noch auch die zu Frankfurt versammelten deutschen Kaufleute und Fabrikanten, wie der Titel besagt, sondern nur einzelne unter ihnen, und namentlich kein Frankfurter, an der Sache Theil genommen haben. Da übrigens Herr Professor List in Frankfurt nicht wohnhaft ist, so hat die Bundes-Canzlei ihn auffordern müssen, für den Fall seiner Abreise, einen hier wohnhaften Mann zu bevollmächtigen, an welchen die Ausfertigungen zu richten seyen; welche, dem Bundestags-Beschlusse völlig angemessene regel sogar in öffentlichen Zeitungen erwähnt, und ihr eine eigene Maas­ Wichtigkeit beigelegt worden ist, die sie nicht hat. In der Sache selbst ist zwar der Gegenstand, der in dieser Bittschrift behandelt wird, sofern er die Beförderung des Handels und Gewerbes betrifft, gar wohl geeignet, um in der Bundesversammlung erörtert zu werden, da in dem 19. Artikel der Bundesacte5 die Bundesglieder sich vorbehalten haben, bei der ersten Zusammenkunft der Bundesversammlung wegen des Handels und Verkehrs zwischen den Bundesstaaten in Berathung zu treten; und die Wichtigkeit und Dringlichkeit läßt sich nicht verkennen, wenn man auch hier unerörtert lassen kann, wiefern bei der in dieser Bittschrift enthaltenen Schilderung des schauerlichen Zerfalls der deutschen Gewerbe und Handlung richtig abgewogen worden, wie Vieles davon auf die Rechnung der Zölle zu setzen, und wie Vieles dem Zusammentreffen solcher Umstände beizumessen sey, in deren Folgen eine Stockung des Handels und Gewerbes augenblicklich fast in allen Ländern gefühlt und beklagt wird. Die Bundesversammlung hat ihren Wunsch, auch ohne Aufforderung von Privatpersonen, für das Beste des innern Verkehrs Sorge zu tragen, schon dadurch bethätigt, daß sie, auf die erste Veranlassung eines ihrer Mitglieder6, die Einführung eines freien Verkehrs mit den nothwendigsten Lebensmitteln zum Gegenstande einer sehr ernsten und sorgfältigen Berathung gemacht; allein die Erfahrung hat gelehrt, wie schwer es hält, selbst über diesen speciellen Punct zu einer allgemeinen Vereinbarung zwischen einer großen Zahl von einander unabhängiger Staaten zu kommen, wenn gleich die Hoffnung dazu nicht als aufgegeben anzusehen ist. Der viel weiter gehende Vorschlag, den diese Bittschrift enthält, alle inneren Zölle abzuschaffen und sie an die Grenze zu verlegen, kann allerdings theoretisch sehr scheinbar als vortheilhaft dargestellt werden, vollends wenn man den Ansichten der Bittsteller folgen zu können glaubte, daß durch diese Maasregel die fremden Mächte zur Einführung einer allgemeinen Handels5 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1517. 6 Vgl. Dok. 168.

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Martens über die provisorischen Statuten

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freiheit bewogen werden könnten, und so nach und nach in Europa, und wer weis, auch in andern Theilen der Welt, eine allgemeine Handelsfreiheit eingeführt werde, bei welcher alle Völker sich wie Brüder behandelten, und, bei völlig freiem Verkehr mit allen Producten der Natur und Kunst, nur demjenigen der Vorzug des Reichthums gebühren werde, der den höchsten Grad der Industrie bei sich zu erreichen wisse. Allein, indem die Bundesversammlung ihren hohen Committenten überlassen muß, wiefern diese eine solche Ansicht theilen und für ausführbar halten, kann sie, ohne denselben vorgreifen zu wollen, sich wohl nicht verheelen, welche große Schwierigkeiten sich der Erfüllung entgegen stellen, und wie der Antrag, so wie er gestellt worden, wohl nicht geeignet sey, um unmittelbar eine Berathung des Bundestags nach sich zu ziehen, wenn schon auch die in demselben enthaltenen Ideen mit berücksichtiget zu werden verdienen, wenn die Bundesversammlung die Erfüllung des 19. Artikels der Bundesacte ferner zum Gegenstande ihrer Berathung machen wird. Der Antrag enthält zwei Puncte: 1) die Abschaffung aller innern Zölle und Mauthen in Deutschland, 2) an deren Stelle die Anlegung einer allgemeinen Douanen-Linie gegen das Ausland. Was den ersten Punct betrifft, so lehrt die Erfahrung, wie schwer es selbst in einfachen, aus ursprünglich verschiedenen Provinzen bestehenden Reichen ist, die sämmtlichen Provinzial-Zölle abzuschaffen und an die Grenzen zu verlegen; davon hat Frankreich in den Zeiten vor der Revolution bei manchen deßfalls gemachten vergeblichen Versuchen ein redendes Beispiel gegeben, und wenn es der, alle vorigen Bande lösenden Revolution möglich war, dieß zu bewirken, so war der Vortheil davon um diesen Preis wohl zu theuer erkauft, und es ist gewiß die Absicht der Bittsteller nicht, diese hervorzurufen, oder Frankreich darum zu beneiden. Schon als Deutschland einer gemeinsamen höchsten Gewalt unterworfen war, ist viel, und oft mit Grund, über die Mannigfaltigkeit der Land- und Wasserzölle und Mauthen geklagt worden, doch ist es Niemanden eingefallen, auf mehr als auf die Ermäsigung und mögliche Vereinfachung derselben anzutragen, weil man wohl damals glaubte, seine Wünsche nur auf das Erreichbare beschränken zu müssen. Jetzt, wo Deutschland nach seiner selbst gewählten und von den Europäischen Mächten garantirten Verfassung nicht mehr einen Staat ausmacht, sondern aus souverainen, durch einen gleichen Staatenbund vereinigten Staaten besteht, ist die Schwierigkeit unverkennbar noch größer, eine so gänzliche Veränderung, wie die Bittsteller in Hinsicht der Zölle und Mauthen wünschen, durch eine Vereinbarung, zu der nothwendig alle und jede Mitglieder zustimmen müßten, zu bewirken.

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In Ländern, wo die Zölle und Mauthen einen bedeutenden Theil der Landes-Revenüen ausmachen, wird man es schwerlich dem Staate zumuthen können, diese aufzuopfern, um den Ersatz dafür theils durch einigen Antheil an den Ertrag der Grenzzölle, theils durch neue directe Steuern zu decken, welcher letztere Vorschlag wohl den Beifall der Kenner nicht erhalten wird, zumal wenn man bedenkt, daß, zur vollständigen Erreichung der bezweckten gänzlichen Handelsfreiheit, die Zölle und Mauthen, im strengeren Sinne des Worts, nicht die einzigen indirecten Abgaben seyn würden, die im Inneren abgeschafft werden müßten, und wenn auch dafür der Ersatz durch directe Steuern gedeckt werden sollte, sich dabei wohl der Handelsstand sehr gut, aber der Staat und die übrigen Stände in demselben desto schlechter befinden würden. Zweitens. Der Vorschlag der Errichtung einer allgemeinen, auf Retorsion gebaueten Douanen-Linie hat in der Ausführung wohl nicht weniger Schwierigkeiten, wenn man auch nur bedenkt, daß zu dem Ende alle oder doch die mehresten der zwischen einzelnen Staaten und dem Auslande bestehenden Handelsverträge über den Haufen geworfen werden müßten, auch daß einzelne Bundesstaaten in Ansehung einiger ihrer Provinzen zu dem Auslande zu zählen sind, und diesen wohl nicht zugemuthet werden kann, an der Grenze zwischen beiden eine Bundes-Douane zu dulden. Die Schilderung dieser Schwierigkeiten hat übrigens nicht zum Zweck, das theoretisch Wünschenswerthe dieses Antrags in Zweifel zu ziehen, wohl aber die Erwartungen von der Möglichkeit seiner baldigen Erreichung zu mäsigen. Daß es übrigens sehr wünschenswerth sey, daß sich die Bundesglieder baldmöglichst unter einander über eine billige Ermäsigung der Zölle und Mauthen, zumal der Transitozölle, vereinigen und sich dadurch der Nothwendigkeit der den freundschaftlichen Verhältnissen der Mitglieder so wenig entsprechenden Retorsionen überheben möchten, wird wohl ein Jeder einsehen, und dürfte es nicht erst der Aufforderung von Privatpersonen bedürfen, um die Bundesglieder geneigt zu machen, sich die Erfüllung des 19. Artikels angelegen seyn zu lassen, wenn gleich auch hierin mehr von besonderen Vereinbarungen zwischen einzelnen, insonderheit benachbarten Staaten, als von allgemeinen Bundestagsbeschlüssen zu erwarten seyn möchte. Uebrigens wird es den Kaufleuten und Fabrikanten eines jeden einzelnen Bundesstaates unbenommen seyn, wenn sie sich durch die in andern Staaten ergriffenen, die Freiheit des Gewerbes hemmenden Maasregeln beschwert fühlen, sich deßfalls an ihre eigenen Souveraine zu wenden, und von diesen zu erbitten, daß sie die Abstellung derselben durch Unterhandlungen auf diplomatischen Wegen zu erlangen suchten, und wenn diese den gehofften Erfolg nicht hätten, daraus aber gegründete Beschwerden, nicht bloß einzelner Kaufleute, sondern der Bundesstaaten unter einander, erwachsen würden, könnten sich diese Fälle zur wirksamen Verwendung des Bundes eignen.

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Da aber die Unterzeichner der Bittschrift diesen Weg nicht gewählt haben, den einzelnen Privatpersonen der verschiedenen Bundesstaaten aber in staatsrechtlichen Gegenständen dieser Art das Recht nicht eingeräumt werden kann, sich, mit Uebergehung ihrer Obrigkeit, mit ihren Beschwerden und Petitionen unmittelbar an die Bundesversammlung zu wenden; so scheint es, daß die Bundesversammlung sich nur bewogen finden könne, über den in Frage stehenden Gegenstand nachstehenden Beschluß zu fassen und zur Kenntniß der Unterzeichner der Bittschrift gelangen zu lassen: Beschluß: Da das Zollwesen mit dem Handel und Verkehr zwischen den verschiedenen Staaten in der engsten Verbindung steht, so wird die Bundesversammlung bei der ohnehin bevorstehenden Berathung, zu welcher sie nach dem Art. 19 der Bundesacte berufen ist, auch jenen Gegenstand reifer Prüfung unterwerfen, und dasjenige nach den Verhältnissen einzuleiten bemüht seyn, was wahrhaft zur Beförderung des deutschen Handels, vereiniget mit dem Gemeinwohl des Ganzen, gereicht. Zu dem Ende wird die Bundesversammlung von ihren Regierungen sich die nöthigen Erläuterungen über diesen Gegenstand erbitten, und werden ­diese ohne Zweifel von selbst darauf Bedacht nehmen, von dem Handelsund Gewerbstande ihrer Länder, da, wo sie es für nöhtig finden, Auskünfte zu begehren. Martens

186. Vorstellung thüringischer, vogtländischer, sächsischer und hessischer Handwerker, Fabrikanten und Kaufleute um Herstellung des freien Handelsverkehrs im Innern des deutschen Bundesgebiets und Sicherstellung des deutschen Gewerbefleißes durch eine kräftige gemeinsame Handelspolitik

HStA München, Gesandtschaft Bundestag, Nr. 371. Eingabe. Druckschrift1.

Unterstützen die Forderung des Deutschen Handels- und Gewerbsvereins nach Aufhebung der dermaligen Zoll- und Mauteinrichtungen im Innern Deutschlands und nach Einführung eines auf dem Grundsatz der Retorsion beruhenden Zollsystems gegen die auswärtigen Nationen zum Schutz des vaterländischen Handels und Gewerbes. Die Natur des Deutschen Bundes erfordere die vorgeschlagenen Maßregeln. Schilderung der Situation des darniederliegenden Handels und Gewerbes in den von 1 Die Fußnoten in der Vorlage werden hier als Endnoten mit eingeklammerten Anmerkungsziffern wiedergegeben.

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ihnen bewohnten Landstrichen. Negative Auswirkungen des preußischen Zollgesetzes von 1818. Das wirtschaftliche Wohl der von den Unterzeichnern vertretenen Gegenden Deutschlands hängt von einer folgerechten Ausbildung der Natur des Deutschen Bundes ab. Erinnerung an die Eröffnungsrede Buols, wonach der Bund ein zugleich die Nationalität sichernder Staatenbund sei. Die unverhältnismäßig hohen Zölle und Mauten im Innern des deutschen Bundesgebiets stehen in einem schneidenden Kontrast zu den nationalen Richtungen des Bundes. Besondere Bedeutung der Beseitigung von Fesseln und Hindernissen von Handel und Industrie im Innern und einer gemeinsamen Handelspolitik nach außen für die Entwicklung zu einer Nation.

Gotha, 1. Juli 1819 An die hohe deutsche Bundes-Versammlung. Allerunterthänigste Vorstellung und Bitte einer Anzahl von Handwerker, Fabrikanten und Kaufleute des thüringer Waldes und der daran liegenden voigtländischen, sächsischen und hessischen Länderstriche, um schleunige Herstellung des freien Handels und Gewerbsverkehres im Innern des deutschen Bundesgebiets, und Sicherstellung des deutschen Gewerbsfleißes gegen gänzliche Lähmung und Vernichtung durch eine kräftige gemeinsame Handelspolitik. Hohe Bundesversammlung! Vor dieser erhabenen Versammlung hat bereits ein Verein, zur Messe in Frankfurt a. M. versammelt gewesener, deutscher Kaufleute, mittelst einer am 14ten April dieses Jahres überreichten ehrerbietigsten Vorstellung2, den Schmerz des deutschen Handels- und Gewerbsstandes über den traurigen Zustand des vaterländischen Handels und Gewerbes, und dessen vertrauensvolles Flehen um Hülfe und Schutz gegen gänzliche Vernichtung ausgesprochen, und in der dort allerunterthänigst vorgetragenen Bitte, daß die dermaligen Zoll- und Mautheinrichtungen im Innern von Deutschland aufgehoben, dagegen aber die deutsche Industrie durch ein auf dem Grundsatze der Retorsion beruhendes Zollsystem gegen die auswärtigen Nationen, bis auch sie den Grundsatz der europäischen Handelsfreyheit anerkennen, in Schutz genommen werden möchte, ist der Inbegriff der Wünsche bereits laut geworden, welche auch wir, die allerunterthänigst Unterzeichneten, in Ansehung dieser wichtigen Angelegenheit im Herzen tragen. Demohngeachtet wird es uns, den unterzeichneten Bewohnern eines deutschen Landstriches, dem die Natur selbst in den Werkstätten der Fabrik- und Gewerbs-Industrie fast die einzigen Mittel der Erhaltung und des Fortschrei2 Vgl. Dok. 183.

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tens zu erhöhtem Wohlstande angewiesen hat, von Einer hohen Bundesversammlung gerne vergönnt seyn, unsere Stimme noch besonders zu erheben, in dieser das Wohl und Wehe vieler Millionen im weiten Umfange des deutschen Vaterlandes betreffenden Sache. Denn je mehrere Stimmen hierüber laut werden aus den einzelnen Ländern und Staaten, die dem deutschen Bunde angehören, desto sicherer wird diese erhabene Versammlung sich der Ueber­zeugung hingeben dürfen, daß jene Angelegenheit von den einzelnen Völkerschaften, ohngeachtet der sonst nicht selten unter ihnen obwaltenden getheilten Interessen, für eine gemeinsame Bundes-Angelegenheit erkannt, daß ihre Wichtigkeit für Alle gehörig gewürdigt werde. Und wie könnte in dem erleuchteten Vereine der Stellvertreter edler väterlicher gesinnter Fürsten aus einer solchen Ueberzeugung eine andere Folge hervorgehen, als das heilsame Bestreben, das, was in der Stimme des Volkes als die Stimme Gottes sich vernehmen läßt, mit weiser Umsicht und starker Thatkraft in’s Leben zu rufen, und die hülfreiche Hand der Macht und des National-Ansehens zu bieten, wo Hülfe und Schutz aus gerechtem Grunde so allgemein gefordert wird. Indem die Unterzeichneten sich in dieser Beziehung den von dem obengedachten Vereine deutscher Kaufleute und Fabrikanten angestellten Betrachtungen und vorgetragenen Beschwerden hiermit anschließen, beziehen sie sich zuvörderst, um das Gemälde, welches dort von dem beängstigenden Zustande des vaterländischen Handels und Gewerbes und von dem verderblichen Einflusse der bestehenden Zoll- und Mauthsysteme im Allgemeinen entworfen wurde, in Hinsicht auf den von ihnen bewohnten Länderstrich in seinen einzelnen Zügen weiter auszumalen, auf die ehrerbietigst angeschlossene Beylage, welche die näheren Andeutungen und Nachweisungen hierüber enthält. Hierauf aber sey es ihnen erlaubt, den dort ebenfalls bereits aufgestellten Satz weiter auszuführen und tiefer zu begründen: „daß die Natur des deutschen Bundes unerläßlich die vorgeschlagenen Maasregeln erfordere,“3 und zwar mit dem Hinzufügen, daß diese Maasregeln nach der Natur dieses Bundes auch eben so zulässig als erforderlich erscheinen müssen. Den Beruf hiezu giebt den Unterzeichneten vor allen Andern das vom Schicksale ihnen zugefallene Loos, solchen Staaten anzugehören, deren Erhaltung und Ge­ deihen ganz allein von der unverletzten Aufrechterhaltung und folgerechten Ausbildung der Natur des deutschen Bundes abhängig, für welche es also von ganz besonderer Wichtigkeit ist, daß nichts im ganzen Umfange des deutschen Bundesgebietes besteht, oder geschehe, was dem völkerrechtlich anerkannten Grundcharacter des Bundes gerade zuwider läuft, und daß dagegen 3 Vgl. Dok. 183, S. 840.

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aber auch nichts verabsäumet werde, was zur Befestigung desselben wesentlich erforderlich ist. Man hat die neuerlichen Vorschritte eines großen deutschen Staates4, durch welche das Uebel seine höchste Höhe zu erreichen scheint, öffentlich durch die Behauptung rechtfertigen hören: daß dieser Staat die gedachten Schritte habe thun müssen, um in dem Kreise der großen europäischen Staaten nicht zurückzubleiben, daß mithin seine Nachfolge in dem System der Zoll- und Mautheinrichtungen eine ganz natürliche, mit seinen Verhältnissen nicht allein vollkommen vereinbarliche, sondern sogar durch dieselben bedingte Erscheinung sey. Man hat sich nicht gescheut, das Vertrauen derer, die in der vorliegenden wichtigen Angelegenheit von der kraftvollen Einwirkung Einer hohen Bundesversammlung Abstellung, oder wenigstens Minderung des Uebels hoffen und erwarten, durch die trostlose Behauptung niederzuschlagen, daß Zollund Mautheinrichtungen Gegenstände der innern Staatsverwaltung seyen, in Beziehung auf welche die Bundes-Acte der Einwirkung dieser erhabenen Versammlung ein enges Ziel gesetzt habe. Wir können nicht glauben, daß diese Behauptungen vollkommen in der Wahrheit begründet sind; wir können nicht glauben, daß sie in den Augen ­Einer hohen Bundesversammlung das Fortbestehen der Zoll- und Mautheinrichtungen, und deren weitere Ausdehnung im Innern des deutschen Bundesgebiets zu rechtfertigen vermögen. Denn, wie könnte es hier vergessen seyn, jenes treffliche Wort, welches das hochverehrliche Präsidium dieser erhabenen Versammlung, bey deren feyerlichen Eröffnung, unter lauter Zustimmung aller übrigen hohen Bundestags-Gesandtschaften, aussprach: „daß Deutschlands Bestimmung, daß der Standpunct der deutschen Nation in der Reihe der übrigen Völker Europens, nicht ein blos politisches Schutz- und Trutzbündniß, sondern ein zugleich die Nationalität sichernder Staatenbund sey?“5 Wie könnte sie hier vergessen seyn, jene wichtige, von allen Bundesgliedern mit Beyfall aufgenommene Directiv-Ansicht, welche ebendasselbe hohe Präsidium in seinem damaligen ersten Geschäftsvortrage für den Beruf dieser erhabenen Versammlung aufstellte, indem es „eines Theils die Gleichheit der im deutschen Vereine verbrüderten deutschen Fürsten und freyen Städte, anderer Seits aber auch die sichtbare Richtung eines, sämmtliche souveraine Staaten wohlthätig umfassenden 4 Preußisches Zollgesetz vom 26. Mai 1818, vgl. Dok. 183, Anm. 2. 5 Vgl. Dok. 42, S. 176.

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Nationalbandes, als die zwey gleich festen Grundstützen, als den wahren Character des deutschen Bundes bezeichnete?“6 Wie könnte sie hier außer Acht gelassen werden, jene ebendaselbst ersichtliche, damals von keiner Seite bestrittene, höchst bedeutungsvolle Ableitung des 19ten Artikels der Bundes-Acte7, durch welchen eine Berathung wegen des Handels und Verkehrs zwischen den verschiedenen Bundesstaaten dem Bundestage vorbehalten wurde, aus der eben erwähnten Directiv-Ansicht, aus den nationellen Richtungen des Bundes? Wie könnte sie hier verkannt werden, die ebendaselbst zu erkennen gegebene Absicht der hohen Bundesglieder bey der Aufnahme jenes Artikels in die Bundes-Acte, vermöge welcher derselbe die deutschen Bundesstaaten in Hinsicht des Handels und Verkehrs, so wie der Schifffahrt, unter einander zu entfremden (d. i. zu befreunden, jede hindernde Scheidewand zwischen ihnen aufzuheben) bezwecken soll? Und wie könnte es nun, auf der andern Seite, dem Scharfblicke der hier versammelten erleuchteten Staatsmänner, wie der Weisheit der gesammten deutschen Cabinette entgehen, daß nichts mit den nationellen Richtungen des Bundes in so schneidendem Contraste stehe, nichts den einen Bestandtheil seines Grundcharacters, das sämmtliche souveraine deutsche Staaten umfassende Nationalband, so gewaltsam zu erschüttern und aufzulösen drohe, als die zunehmende Lähmung des Handels und Gewerbsverkehrs im Innern des deutschen Bundesgebiets durch die Erhebung unverhältnißmäßig hoher Zölle und durch die inquisitorischen Einrichtungen der Mauthen! – Wie könnte hier die große Lehre der Geschichte unbeachtet bleiben, daß unter allen Hebeln der wahren innigen Verbindung neben einander wohnender Völkerschaften zu einer Nation, keiner so mächtig und wohlthätig einwirkt auf die Gestaltung und Ausbildung solcher Verbindungen, als freye Bewegung des Gewerbsfleißes, freyer gegenseitiger Austausch der Naturproducte und Fabricate; – und daß dagegen zu allen Zeiten und in allen Zonen der Erde nichts so sehr als ein sicheres Kennzeichen des mangelnden Nationalverbandes gegolten hat, als das eifersüchtige Zurückweisen fremder Industrie, fremden Handels von den eigenen Gränzen, das geflissentliche Herabdrücken fremden Aufschwunges im Gebiete der Fabrication und des Handels, das unglückliche Streben nach Alleinbesitz der Mittel zur Erlangung von Wohlstand und Reichthum, das den Bewohner des Nachbarstaates auszuschließen sucht von dem friedlichen und unbelasteten Genusse der Gaben der Natur und des menschlichen Fleißes! So gewiß also der deutsche Bund kein bloßes politisches Schutz- und Trutzbündnis ist und seyn soll, so gewiß einem jeden Mitgliede desselben die 6 Vgl. Dok. 100, S. 426. 7 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1517.

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Befugniß zusteht, darauf zu dringen, daß der Bundescharacter und Bundeszweck in allen seinen Richtungen, mithin auch in jener nationellen Richtung, welche ihm in den besonderen Bestimmungen der Bundes-Acte und namentlich in deren 19ten Artikel gegeben ist, unverletzt erhalten werde; so gewiß und unverkennbar die ganze Existenz des Bundes und das politische Bestehen des größten Theils seiner Glieder von dem Augenblicke an untergraben seyn würde, in welchem es dahin gekommen wäre, daß deutsches Land gegen deutsches Land in den wichtigsten Beziehungen des Staats- und Privatlebens zum Auslande im eigentlichen Sinne würde, wie es Frankreich gegen England, und umgekehrt dieses gegen jenes ist: eben so gewiß und sicher halten die allerunterthänigst Unterzeichneten sich überzeugt, daß Eine hohe Bundesversammlung keinen Anstand finden werde, die Ergreifung gemeinsamer sachdienlicher Maasregeln zur Wegräumung der in den dermaligen Zoll- und Mautheinrichtungen im Innern des deutschen Bundesgebietes liegenden drückenden Fesseln und Hindernisse des deutschen Handels und der deutschen Industrie, in Beziehung auf die Natur des deutschen Bundes für eben so dringend nothwendig als vollkommen zulässig zu erkennen. Es bleibe den Unterzeichneten nun noch übrig, darzuthun, daß auch die vorgeschlagene Aufstellung eines auf dem Grundsatze der Retorsion beruhenden Zollsystems gegen die auswärtigen Nationen durch die Natur des deutschen Bundes dringend gefordert werde, und in Beziehung auf dieselbe zulässig sey. Zwar verkennen sie die Schwierigkeiten nicht, welche der Ausführung dieses Vorschlages im Wege stehen. Dennoch aber halten sie sich überzeugt, daß der deutsche Bund in die Länge einer solchen Maasregel nicht entbehren könne, und erlauben sich, in Folgendem die Gründe dieser Ueberzeugung mit Wenigem anzudeuten. Die Lage der Dinge in Beziehung auf Handel und Gewerbe ist nicht mehr dieselbe, wie sie noch am Ausgange des vorigen Jahrhunderts, wie sie zur Zeit der vormaligen deutschen Reichsverfassung gewesen, weder in Deutschland, noch überhaupt in unserem Welttheile, noch in den übrigen Theilen der Erde. Nicht in Deutschland: denn damals mochten die deutschen Fabriken, im Vergleiche mit der vorgerückten Industrie der Nachbarstaaten, als im Alter der Kindheit befangen sich darstellen, und mit minderer Gefahr für den gesammten Nationalwohlstand ihrem Schicksal überlassen werden. Jetzt aber findet sie der Vaterlandsfreund mit freudigem Stolze, bis vor Kurzem, zum Theil in kräftiger Entwicklung begriffen, und, unter unverkennbarer Mitwirkung des vormaligen Continentalsystems8, dem schönen Alter jugendlicher Blüthe genähert; jetzt war ein Theil dieser Anstalten der Industrie, bis vor Kurzem, nahe daran, sich mit denen des Auslandes in der Güte und Wohlfeil8 Zur sogenannten Kontinentalsperre vgl. Dok. 171, Anm. 4.

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heit des Erzeugnisses messen zu können, ja er hatte in mancher Beziehung bereits einen Vorsprung vor ihnen gewonnen; jetzt sind sie daher des kräftigsten Schutzes würdig, um mit Sicherheit auf der betretenen Bahn zum nahen Ziele vorzuschreiten, und vielleicht in wenigen Jahrzehenden das kräftige ­Leben und die Ausdauer des Mannesalters erreichen zu können; jetzt sind in denselben bedeutende Capitale angelegt, durch dieselben tausendfache Lebensverhältnisse hervorgelockt und begründet, die, nicht ohne empfindliche Erschütterung des Ganzen, der Gefahr der Zerstörung und dem Verzweiflungskampfe mit fremdem Uebergewichte und fremder Handelspolitik Preis gegeben werden können. Auch nicht im übrigen Europa steht es so, wie damals, um den Gang des Handels und der Industrie. Während zu jener Zeit Rußland eine Goldquelle für alle kunstfleißigen Völker des westlichen Europas war, verschließt es jetzt mit der Zunahme seiner eigenen Fabrikthätigkeit sich mehr und mehr dem Einflusse des Auslandes, und setzt die innere Industrie seiner eigenen un­geheuern Ländermasse in wohlberechneten Vertheidigungsstand gegen die Angriffe des fremden Gewerbsfleißes. Auch Frankreich ist durch strengere Douanen-Gesetze und Einrichtungen mehr verpallisadirt als in den Zeiten vor dem Ausbruche der Revolution. Fast ebendasselbe ist von den Niederlanden, von Schweden und von einigen andern europäischen Staaten zu sagen. Allenthalben hat das System der Handelspolitik, dessen Berechnungen die Völker Europas das, in weltbürgerlicher Hinsicht nie zu billigende, Institut der Mauthen verdanken, die möglichst größte Ausdehnung und Entwicklung e­ rreicht, weshalb die allenthalben eingeengte Industrie der übrigen europäischen Staaten sich nun auch mit doppelt ungemessener Ueberschwemmung über den einzigen Länderstrich dieses Erdtheils, der seine Gesammtgränzen noch nicht mit gleichen Schutzwehren umgürtet hat, ergießt, und die dort einheimische Gewerbsthätigkeit mit unaufhaltsamer Uebermacht zu Boden drückt. Und daß endlich auch in den übrigen Theilen unseres Erdkörpers, wenigstens in demjenigen, der seit seiner Entdeckung unter allen dem deutschen Gewerbsfleiße am zugänglichsten gewesen ist, in America nämlich, ein ­großer Wechsel der Dinge begonnen hat, wem läge dies nicht vor Augen? Spaniens und Hollands Colonien sind Theils jetzt einer andern Botmäßigkeit unterworfen, Theils für die deutsche Industrie nicht mehr das, was sie ehehin waren: dafür zeugen vor Allem die Klagen der Nürnberger in ihrer beher­ zigungswerthen Vorstellung an die Ständeversammlung des Königreichs ­Bayern.9 Selbst Nordamerica hört auf, sich und seinen eigenen innern Kunst9 Vgl. „Vorstellung mehrerer Fabricanten und Professionisten von Nürnberg die Handels-Beschränkungen durch die Einfuhr-Verbote, und hohen Zölle in verschiedenen Ländern betreffend mit Bitte um Abhülfe durch Abschließung von Handels-Tractaten etc.“, Verhandlungen

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fleiß unbedingt der Concurrenz europäischer Fabrikthätigkeit und Industrie bloß zu geben. So ist denn Alles anders gestaltet wie ehemals, anders der Umfang und die Bedeutendheit des Fabrikwesens im Innern Deutschlands auf der einen, anders der Handels- und Gewerbsverkehr dieses großen Länderstrichs mit den übrigen europäischen Staaten und den übrigen Erdtheilen auf der anderen Seite. Mochte nun auch im vormaligen deutschen Reiche der Mangel einer gemeinsamen kräftigen Handelspolitik nur für den einzelnen emporstrebenden Unternehmer, nicht für das Ganze, fühlbar gewesen seyn; so scheint doch jetzt die Annahme übereinstimmender Grundsätze, die Ergreifung gemein­ samer Maasregeln zur Abwehrung der ungemessenen Concurrenz fremder, hoch begünstigter, Gewerbsthätigkeit mit deutscher Industrie, nicht ohne Gefahr gänzlicher Vernichtung der letztern, nicht ohne gegründete Besorgniß einer höchst gewaltsamen Erschütterung des gesammten Nationalwohlstandes, dessen Blüthe und Erhaltung in dem dermaligen Culturzustande der Welt durch die Blüthe der Gewerbe und des Handels bedingt ist, in die Länge entbehrt werden zu können. Denn leider ist es, in Folge jener unseligen Handelspolitik nunmehr dahin gekommen, daß entweder alle Staaten Europas sich zur Wiederherstellung der natürlichen Freyheit des Handels und Verkehrs vereinigen, oder daß alle zu dem traurigen Grundsatze der Retorsion in Beziehung auf Ein- und Ausfuhrverbote, Zölle und Mauthen schreiten müssen, um wenigstens für den innern Umfang ihrer Gebiete die Erhaltung des Gleichgewichtes zwischen Consumtion und Production, und die Möglichkeit der Concurrenz inländischen Gewerbsfleißes mit dem der Fremden retten zu können. So wenig mithin die einseitige Ergreifung solcher Retorsions-Mittel, dem Obigen zu Folge, mit den Verhältnissen eines einzelnen deutschen Staates zum deutschen Bunde in Einklang gebracht werden kann, wenn dadurch zugleich die Gränzen desselben gegen die Industrie des übrigen Deutschlandes gesperrt werden, so vollkommen vereinbarlich mit der Lage und den Verhältnissen der das deutsche Bundesgebiet überhaupt bildenden Ländermasse gegen das Ausland, und so dringend nothwendig zum Bestehen und Gedeihen des Gesammt-National-Wohlstandes in Deutschland stellt es sich dar, daß der deutsche Bund als politisches Ganzes in dem Systeme der europäischen Handelspolitik dem Beyspiele seiner Nachbarstaaten folge, bis auch diese wieder der zweiten Kammer der Ständeversammlung des Königreichs Baiern 1819, Bd. 3, S. 76 u. 119 (Nr. 34); sowie „Rede des Abgeordneten Merkel aus Nürnberg über das neue Mautgesetz, am 3. Juni 1819“, ebd., Bd. 10, S. 103−112, bes. S. 111 f. (Herbeiführung eines Beschlusses über die Herstellung des freien Handelsverkehrs und Errichtung einer Zollinie an den Grenzen der deutschen Bundesstaaten).

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zu dem natürlicheren, beglückenderen, Systeme allgemeiner Handelsfreyheit zurückzukehren sich entschließen werden. Die Mittel und Wege zu finden, durch welche zu dem wünschenswerthen Ziele der Aufstellung und kräftigen Handhabung einer gemeinsamen deutschen Handelspolitik zu gelangen wäre, dieß wird aufhören für eine schwierige Aufgabe zu gelten, sobald das laut dafür sprechende gemeinsame Interesse von allen Regierungen der deutschen Bundesstaaten in seiner ganzen Wichtigkeit erkannt seyn und der kräftige Wille der hohen Bundesglieder zu diesem großen Nationalzwecke unverbrüchlich sich vereinigt haben wird. Indem die allerunterthänigst Unterzeichneten jedoch in dieser Hinsicht? vor der Hand der Weisheit Einer hohen Bundesversammlung durch nähere Vorschläge und Anträge vorzugreifen sich enthalten, sprechen sie nur schlüßlich das flehendliche Gesuch aus: daß Eine hohe Bundesversammlung, vor allen Dingen, baldigst in Erwägung zu ziehen geruhen möge, durch welche Mittel die in den bestehenden Zoll- und Mautheinrichtungen im Innern des Bundesgebiets liegenden drückenden Fesseln der deutschen Industrie und des deutschen Handels zu beseitigen seyn könnten, und daß diejenigen gemeinsamen Beschlüsse gefaßt, und durch kräftige Maasregeln unterstützt werden möchten, welche nach der wohlthätigen Absicht des 19ten Artikels der Bundes-Acte die deutschen Staaten unter einander, in Beziehung auf Handel und Verkehr, zu befreunden, und den deutschen Gewerbsfleiß gegen völlige Lähmung und Vernichtung sicher zu stellen im Stande sind. In tiefster Ehrfurcht beharrend, Einer hohen Bundesversammlung allerunterthänigst gehorsamste Fünf Tausend und Ein und Funfzig Handwerker, Fabrikanten und Kaufleute des thüringer Waldes und der daran liegenden voigtländischen, sächsischen und hessischen Länderstriche. In deren Namen, kraft der beygeschlossenen Vollmachten, und in Folge ­einer, ebenfalls beygefügten, hohen Weisung des herzoglich Sachsen-Gothaischen geheimen Ministerii ehrerbietigst unterzeichnet und übergeben von Ernst Wilhelm Arnoldi10. 10 Ernst Wilhelm Arnoldi (1778–1841), thüringischer Unternehmer. Nach einer kaufmännischen Ausbildung in Hamburg 1794–1799 wurde er Teilhaber des väterlichen Geschäfts in Gotha,

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Beylage zur Eingabe an Eine hohe Bundesversammlung. Um von den traurigen Folgen zu reden, welche einerseits die Mauthsysteme der größeren deutschen Staaten, andererseits der Mangel eines nationalen Gegengewichts gegen die Handelspolitik der für unsere Industrie unzugänglichen mächtigen Nachbarreiche, auf den Gesammtwohlstand des deutschen Volkes, besonders aber auf den Haushalt der kleineren Staaten des inneren Deutschlands bereits hervorgebracht haben, und, noch augenscheinlicher, in der nächsten Zukunft hervorbringen müssen, – um von diesen traurigen Wirkungen unnatürlicher Trennung des Nährstandes unserer Nation und den Gefahren zu reden, welche Deutschland bedrohen, wenn es nicht, wie im Kriege, auch im Frieden einig ist, und wenn es fortfährt, gegen die Anmaßungen der Fremden sich, wie zeither, nur leidend zu verhalten, dürfen wir nicht ­unterlassen, in Beziehung auf unseren Standpunct, zuvor an Folgendes zu erinnern: 1) Die Bewohner dieses Theils des großen Vaterlandes, die Voigtländer, Thüringer, Henneberger und Hessen, als Unterthanen deutscher Bundesstaaten, leben der Ueberzeugung, gleich den Staaten, denen sie angehören, nicht nur Pflichten gegen den Bund, sondern auch Rechte an denselben zu haben. 2) Diese kleineren Staaten sind zwischen größeren eingeklemmt, die, gegen den Geist und Character der Bundesverfassung, sich von jenen abgeschlossen und das wohlthätige Band gelöset haben, welches die großen Familien des deutschen Volkes zusammenhalten sollte, und bedürfen deshalb um so mehr des Schutzes von Seiten der Gesammtheit des Bundes. 3) Dasjenige, was im Allgemeinen mehr oder weniger von ganz Deutschland gesagt werden kann, ist besonders auf die Bewohner unserer Waldgebirge anwendbar, welche der rauhe Himmelsstrich und der lange Winter vorzüglich zur häuslichen Emsigkeit und zur Bearbeitung unserer Urproducte, des Holzes, des Eisensteins, des Quarzsandes, der Schafwolle und des Flachses bestimmt hat, und welche unvermögend sind, bey geringen Ernten, trotz alles Fleißes, dem bittersten Mangel zu begegnen. 4) Der thüringer, voigtländische und hessische Städter muß ebenfalls aus Mangel an Brod, in diesen Gegenden gleichbedeutend mit – Erwerb, schnel

errichtete 1804 eine Farbenfabrik und gründete 1809 eine Steingutfabrik in Elgersberg bei ­Ilmenau. 1819–1821 gründete er die „Gothaer Feuerversicherung“ und 1827 die „Gothaer Feuerversicherung auf Gegenseitigkeit“, womit er das ausländische Versicherungsmonopol durchbrach und dem Prinzip der Gegenseitigkeit Bahn brach. A. gründete Handelsschulen (u. a. 1818 in Gotha die erste deutsche Kaufmannschule), erreichte 1841 den Zusammenschluß der deutschen Zuckerfabrikanten und förderte die Verbreitung des Rübenzuckeranbaus. Neben Friedrich List, den er bei seinen Eisenbahnplänen in Thüringen unterstützte, war A. führend in der deutschen Zollvereinsbewegung tätig. Vgl. DBE, Bd. 1, S. 190, ADB, Bd. 1, S. 589−591; DBA I, 34, 289–292; DBA II, 41, 458–459; DBA III, 24, 391; NDB, Bd. 1, S. 389.

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ler verarmen, als der Südländer, der, außer den freywilligen Gaben der reicheren Natur seines Landes, das drückende Bedürfniß der Feuerung, der Betten, der wärmeren Kleidung, der dichteren Wohnungen nicht so fühlt. 5) Das Voigtland, die Grafschaft Henneberg und das thüringer Land haben sich keines schiffbaren Stromes zu erfreuen, der in theurer Zeit die Herbeyschaffung von Lebensmitteln erleichtert, und in glücklichen Perioden den vortheilhaften Betrieb des Ueberflusses gestattet. 6) Der Ackerbau, die Viehzucht und die geringe Masse der entübrigten Natur­erzeugnisse, die bey freyer Schifffahrt das Ausland begehrt, würden als gänzlich unzureichend für die Existenz der Bewohner dieser Länder erfunden werden, wenn man nicht den Fleiß des gewerbstreibenden Volkes, die kaufmännische Thätigkeit, mit einem Worte, den Werth der Arbeit in die Wagschale des Activhandels legte, gegen dasjenige, was der Passivhandel er­ fordert, was Ost- und Westindien, Nordamerica, die Levante, Spanien, Italien und Frankreich, Rußland und Schweden, die Niederlande, und die angränzenden preußischen und bayerischen Länder ihnen nur an Naturerzeugnissen liefern, der unzähligen Luxusartikel nicht einmal zu gedenken. 7) Der Culturzustand dieser Länder und ihre mäßige, jetzt leider sinkende, zum Theil völlig untergegangene, Wohlhabenheit ist die langsam gereifte Frucht unermüdlichen Fleißes und höchst mannichfaltiger Betriebsamkeit, eine Folge unendlicher Arbeit, einer nüchternen Lebensweise und einer bewundernswerthen Sparsamkeit vieler vorgegangenen Geschlechter. Wie vieler glücklicher Zufälle bedurfte es selbst noch bey dem früher ungehinderten Verkehr, ehe sie das wurden, was sie bis zur Einführung der neuen und neuesten Zoll- und Mauthsysteme waren! 8) Die Staaten, wie die Menschen, können ihre vielfältig vermehrten Bedürfnisse nur durch freye Volksthätigkeit, ungehemmten Verkehr im Inneren, und Schutz gegen den verderblichen Einfluß fremder Handelspolitik in solchen Ländern decken, welche, wie bereits bemerkt worden, weder in dem Handel auf Flüssen, noch in dem Acker- und Bergbau, noch in einer großen Viehzucht sichere und ergiebige Erwerbsquellen besitzen. Endlich 9) in solchen Ländern, welche vom nachbarlichen freyen Austausche der Bedürfnisse ausgeschlossen sind, muß der Wetteifer des Kunstfleißes erschlaffen, ihre Bewohner müssen verarmen. Der größere Theil wird gewaltsam gezwungen, seine Heimath zu verlassen und unter fremden Himmelsstrichen eine neue zu suchen, wo seiner vielleicht noch schrecklichere Schicksale harren, – und der Rückfall des an den väterlichen Herden gebliebenen Volkes in Rohheit, die ja immer der schreckliche Gefährte der Armuth ist, muß nothwendiger Weise erfolgen. Ueberschauen wir nun den Landstrich, welchen das Voigtland, der thüringer Wald und die daran liegenden Landschaften der sächsischen Herzogthü-

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mer, der schwarzburger Besitzungen und Churhessens bilden, so erblicken wir eine lange waldbewachsene Gebirgskette und an ihrem Fuße die Gränze der reichen Getraidefelder Frankens und des preußischen Thüringens, deren glücklichere Bebauer für die Bewohner jenes Landstriches – wenn anders keine Getraide-Ausfuhrverbote, gleich eisernen Ketten, die Gränzen nachbarlicher Völker eines Stammes versperren, – ihren Ueberfluß auf die Märkte von Eisenach, Gotha, Arnstadt etc. diesseits des Waldes, jenseits aber nach Schweinfurt, Coburg etc. bringen und jetzt dafür nur Geld nehmen können, anstatt daß sie sonst bey freyem Verkehr auch Erzeugnisse des Kunstfleißes und Producte des Waldes eintauschten. Von Cassel bis Greiz, von Altenburg bis Fulda ißt der Mensch sein Brod im Schweiße des Angesichts. Vom Werggespinnste an, wozu die Bergbewohnerinnen sonst das Material(1) gegen Waldbeeren im preußischen Thüringen eintauschen durften, bis zum weitschichtigen Gewerke, regt sich der Kunstfleiß in allen Abstufungen; er soll die Kargheit des Bodens ersetzen; für den Werth der Arbeit soll auf den Märkten des flachen Landes eingekauft werden, was der Ackerbau dem fruchtbaren Boden abgewinnt, der Kunstfleiß der städtischen Gewerbe erzeugt, und der Handel aus fernen Zonen herbeyschafft. Die Spinnerey, das Weben, Bleichen, Färben und der Handel mit den Geweben ernährte den größeren Theil des Volks in diesen Gegenden. Die Leineweberey im Werragrunde, im Fuldaischen, in Hessen – was sie war, erfährt man in Fulda, Vacha, Hünefeld11, Hersfeld, Eschwege, Allendorf, Witzenhausen, Sontra, Spangenberg, Lichtenau, Melsungen, Rothenburg(2). Seewärts hat der Abzug der Bleichtücher, die nach Westindien gingen, aufgehört, und landwärts stockt der Absatz anderer Linnengattungen(3). Was die Baumwolle begründete, vollendeten die deutschen Mauthen. Weil aber die Menschen nichts anderes gelernt haben, und weil sich für die Menge schwerlich jemals eine andere angemessenere Beschäftigung in diesen Ländern finden dürfte, so nagen die Armen fort am Hungertuche. Die Kinder und Weiber spinnen um den kargsten Lohn; der Vater webt, wenn zuweilen noch etwas bestellt wird; er webt auch wohl, um seine Arbeit zu verkaufen. Der Verleger aber giebt immer weniger und ist strenger bey der Schau. Da lassen denn am Ende die armen Weber die matten Arme sinken, und ergreifen den Bettelstab! Wie dieser klägliche Zustand der Gewerbe auf die Gemeinden wirkt, zeigt unter andern Spangenberg. Mit der Wollspinnerey und dem Tuch- und Zeugmacherhandwerk(4) sieht es nicht weniger traurig aus. Hersfeld, Eisenach(5), Meiningen, Waltershausen, Ohrdruff, Gotha, Arnstadt, Stadt-Ilm, Remda, Apolda, Lobenstein, Pösneck, Neustadt etc. zeugen davon. Durch den Verfall dieses Gewerbes(6) ist einer der ergiebigsten Zweige des vaterländischen Handels bereits verloren gegan11 Hünfeld.

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gen. Mangel an Schutz gegen die fremden Nationen läßt keinen Uebergang zu einer, dem Wechsel der Mode angemessenen, veränderten Wollmanufactur zu, und lähmt den Erfindungs- und Unternehmungsgeist der Fabrikherren. – An den Straßen und an den Wällen neuer Festungswerke findet man die Weber auf dem Wege zur hülflosen Armuth einem Schicksale entgegen gehen, welches sie selbst und ihre Kinder oft dem Verbrechen zuwendet. Auch die Gerbereyen leiden sehr(7); die Weißgerbereyen besonders sind seit Errichtung der österreichischen und bayerischen Mauthlinien zu Grunde gegangen. In einem Landstrich, welcher die Schafheerden als einen Haupt­ bestandtheil seines Reichthums betrachtet, ist der Verfall dieses Gewerbes und des damit verbundenen Handels einer der empfindlichsten Schläge, die ihn treffen können. Wollte man von Eschwege bis nach Gera den Zustand der Gerbereyen(8) von sonst und jetzt vergleichen, so würde sich ein ungeheurer Ausfall ergeben, aber nur geeignet, das Gemälde der Noth solcher Gemeinden noch greller darzustellen, welche eine außer allem Vergleich noch zahlreichere Classe, als die der Gerber, nämlich die Spinner, die Kämmer und Weber müßig sehen. Man gehe von Ort zu Ort, überall wird man finden, daß von der Wollspinnerey kaum noch eine Spur vorhanden, die Flachsspinnerey das kümmerlichste Brod der Armen, ein unnützer Zeitvertreib der Bemittelten(9), die Handspinnerey der Baumwolle aber ganz verschwunden ist. Viele Tausende von Menschen schützte sonst das Wollrad vor Dürftigkeit, und verschaffte dem Handel dieser Länder bedeutende Ausfuhrartikel, die ihm jetzt fehlen. Die Spinnmühlen, deren man bey Vacha, in Eisenach, Langenhayn, Laucha, einzelne, im Voigtlande, in dem Erzgebirge aber viele findet, kämpfen jetzt ohne Beystand gegen die des Auslandes. Sie gewährten doch einer Anzahl Kinder Unterhalt, die keinen andern finden werden. Die deutschen Mauth­ linien(10) vollenden die Lähmung dieser großen Unternehmungen, in welchen beträchtliche Capitale festsitzen. Ueberall findet man gleiche Noth aus gleichem Grunde. In Schwarzhausen, Schmerbach, Fischbach, Waltershausen, Ohrdruff, Friedrichroda und andern Waldorten feyern, neben den Zeug- und Tuchmachern, die hier vorherrschenden Drillichweber(11) mehrere Tage der Woche. Die Gurtmacher haben keinen Absatz. Den großen Bleichen in Friedrichroda und Ohrdruff thut es einen unglaublichen Abbruch, daß dem benachbarten Bewohner Gebesee’s und anderer Orte des preuß. Thüringens die Mauthlinie(12) im Wege steht, und ihn zwingt, in Bleicherode bleichen zu lassen, was er besser in Friedrichroda gebleicht erhalten würde. Obschon seit kurzem die Abgabe auf das von Halberstadt herbezogene Rohgarn gemindert worden, so drückt sie immer, und die Steuer auf das gebleichte Garn hemmt den Handel damit in die benachbarten Länder ganz und gar.

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Es folgen die vielen Huf-, Nagel-(13) und Messerschmiede, Schlosser und Beschlagmacher von Steinbach, Ruhla, Brotterode, Seligenthal, Kleinschmalkalden; die Eisen- und Stahlarbeiter, Büchsenschäfter und Gewehrfabrikanten von Stadtschmalkalden(14), Zella, Mehlis. Sie hatten immer ein spärliches Brod, doch ihr Fabricat war berühmt, wie es noch berühmt ist. Aber ihre Essen stehen jetzt kalt. Die Steinbacher arbeiten, weil die meininger Herrschaft sich ihres Elends erbarmt, an der Straße. Viele der andern werden sich dasselbe Loos wünschen(15). „Nur der Glückliche, der für den Fleiß seiner Hände seine Bedürfnisse eintauschen kann, mag der herrlichen Gottesgaben sich freuen, die dieses reiche Jahr verspricht; wir aber haben keine Freude daran.“ So sprechen die Leute am thüringer Walde, so sprechen sie alle, die Eisen- und Holzarbeiter, die Glasmacher und Weber. Der Holzarbeiter(16) gibt es eine unglaubliche Menge an und in diesem Walde. Sieb- und Korbmacher in Schönau, Schmerbach, Winterstein, Fischbach; Böttcher in Finsterbergen und vielen anderen Orten des Amtes Reinhardsbrunn; Muldenmacher bey Königsee, Tischler, welche für die Märkte arbeiten, in Langewiesen; Holzdrechsler, welche Spinnräder und Spielzeug liefern, in Möhrenbach; Schachtel- und Kastenmacher in Gräfinau und Breitenbach(17) etc. Alle diese betriebsamen Menschen, sie sind dem Hunger Preis gegeben durch den erdrückten Handel. Wer aber das Verderbliche der Mauthen und des stockenden Seehandels in seiner ganzen Größe sehen will, der gehe hin nach Neustadt und Sonnenberg. Unübertroffen und unerreichbar an Güte und in der Wohlfeilheit sind die dortigen leichten Holz- und Drechslerwaaren(18) aller Art, und die übrigen Erzeugnisse des dortigen Kunstfleißes; aber die thätigen Menschen, die sie verfertigen, stehen am Rande des Elendes. Wir gehen zu den Glashütten über, welche vielen Waldbewohnern, Handels- und Fuhrleuten Nahrung geben. Dietharz, Gehlberg, Stützerbach, Franzhütte, Neustadt, Altfeld, Lauscha, Glücksthal u. s. w., der größte Theil von ihnen ist im Sinken, weil das englische Fabricat die Seeplätze überschwemmt und die deutschen Mauthlinien(19) ihnen den Absatz des ihrigen im Innern erschweren. Noch wichtiger als sie sind die Porcellan- und Steingutfabriken zu Gotha, Elgersburg, Neustadt, Ilmenau, Rudolstadt, Veilsdorf, Wallendorf, Breitenbach, Limbach, Thettau, Rauenstein, Blankenhayn, Plaue, Roschütz, Pösneck, Gera(20) etc. Ein großer fruchtbarer Zweig unserer Industrie, aber er ist den Fremden Preis gegeben, und wird von den deutschen Nachbarstaaten gedrängt. In diesen Werken sind bedeutende Capitale angelegt und eine große Mannichfaltigkeit von Kunstfertigkeiten in den Personalen vereinigt, welches aber unter solchen Umständen, ohne außerordentliche Hülfsmittel, sich auf die Länge nicht zusammenhalten läßt.

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Die Töpfereyen von Allmerode, Ummerstadt, Bürgel(21), Weyda, Waldenburg etc. werden jetzt von den Porcellanfabriken beneidet(22). Diese Gewerbe und Fabriken, mit den Ho[c]höfen, Hammerwerken, Blechund Drathhämmern, Papier- und Schneidemühlen, wiederholen sich mehr oder weniger den ganzen Wald entlang bis ins Voigtland und weiter hin, wo die Webereyen und Druckereyen vorherrschen, und das Vorzüglichste im Fache der Tuch- und Wollwaaren, der Cattundruckerey, aller Gattungen baumwollener Zeuge und der Kunstfärberey hervorbringen. Plauen, Lobenstein, Pösneck, Neustadt, Weyda, Gera(23), Ronneburg, Schmöllen, Reichenbach, Zeulenroda, Greiz etc. sind lauter Städte, deren Bewohner fast allein dem Weberschiff ihren Unterhalt verdanken. Jetzt sinken sie. Die kräftigste Industrie, allein auf sich selbst beschränkt, vom Vaterlande übersehen, nahe daran, die Beute der unglückseligen Verhältnisse zu werden, in welche der deutsche Handel sich gegenwärtig verflochten sieht, ist unvermögend mehr zu thun, als um Hülfe zu flehen. Es liegt am Tage, daß, in Folge eines solchen Zustandes der Dinge, in den zwischen drey Mauthlinien eingeklemmten Ländern und bey der großen Anhäufung von Werkstätten aller Art in denselben, die bürgerliche Nahrung, Handel und Wandel verkümmern, die Landstädte in Verfall und alle Clasen der Unterthanen zurückkommen müssen. Die Mauthordnungen begünstigen die Einfuhr roher Stoffe, deren Ausfuhr dagegen starken Abgaben unterworfen ist. Die thüringer Schneide­ mühlen werden nicht so über Mangel an Beschäftigung, wie die Holzar­ beiter desselben Landes klagen, und wenn die Leinwand, das Tuch, der Barchent(24), das Garleder wegen der hohen Mauth nicht abgesetzt werden kann, so ist doch das Rohgarn, die Schafwolle, das Rohleder eingehend mit keiner Abgabe, ausgehend aber mit einem Zolle belegt. So sind unsere ­Gewerbe in den größten Nachtheil gegen die unserer Nachbarn gestellt, welchen wir den Einkauf und Verkauf nicht wehren, uns von ihnen aber beydes wehren lassen müssen. Nothwendig folgt daraus, daß Messen und Märkte nur noch ein Schatten von dem sind, was sie waren. Die Mehrzahl der Käufer bleibt aus, da die eingekauften Waaren der Verbrauchssteuer unterworfen sind. Der Handelsmann und Fabrikant aus diesen Ländern muß zu Hause bleiben, wenn er sich nicht den Plackereyen, die von den Mauth- und Meßordnungen unzertrennlich sind, unterwerfen will. Der Landsmann sieht sich vom Landsmann getrennt, und Städte, wie Sondershausen und Arnstadt, Frankenhausen und Rudolstadt, Altstedt und Weimar sind, obgleich unter einem Fürsten stehend, unzugänglich für den Handel befreundeter Länder. Wenn unter solchen Umständen die Straßenfuhrleute, die, wie die Schiffer an den Flüssen und in den Seeplätzen, am thüringer Walde einen Theil der

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Bevölkerung ausmachen, zum Theil zu Grunde gehen(25); wenn so viel weniger Waldbewohner beym Holzfällen Arbeit finden, als die Fabriken und Gewerbe weniger Holz gebrauchen, die Köhler mit den Eisengewerken die Arbeit einstellen, die Wälder nicht mehr zum Betrieb der Werkstätten fleißiger Unterthanen benutzt werden können; wenn an verlassenen Handelsstraßen die Gastwirthe über Nahrungslosigkeit klagen, und diese Klage sich in jedes Handwerkers und Krämers Mund wiederholt, so ist dieß in der Natur dieser traurigen Verhältnisse eben so begründet, wie die aus dem Allen hervorgehende Folge, daß die Staatseinkünfte geschmälert werden und die Quellen versiegen müssen, denen die öffentlichen Anstalten ihre Entstehung und Erhaltung zu verdanken haben. In der Geschichte dieser Gegenden ist ein solcher Zustand der Gewerbe beyspiellos. Das sind Wunden, die das Vaterland selbst sich schlägt. Das Elend des Volkes hat überall, wo der Staat demselben nicht zu steuern vermochte, die Sicherheit des Eigenthums gefährdet, die Verachtung der Gesetze, Ruchlosigkeit und Sittenverfall zur Folge gehabt. In Ländern, wo die Leibeigenschaft noch nicht abgeschafft ist, mag die Scholle den Armen ohne Murren ernähren, denn Stumpfsinn ist dort an der Stelle des Bewußtseyns; in diesen, zu einem hohen Culturland gelangten Ländern aber, wo der Mensch frey und als moralisches Wesen geachtet ist, muß er entweder seiner Freyheit, seiner Gaben, seiner Kunst froh werden können, oder er muß verkümmern. Die Stelle der Klöster nahmen zeither die Fabriken ein. Wenn die Fabriken verschwunden seyn werden, wird man die Klöster und endlich wohl gar die Leibeigenschaft wieder herbey wünschen müssen. Das zu seiner Zeit verhaßte Continentalsystem war in Deutschland so lange als ein mächtiger Hebel der Gewerbsthätigkeit zu betrachten(26), als die deutschen Küstenländer und Holland nicht von dem innern Verkehr der ­deutschen Länder durch eine französische Douanenlinie abgeschnitten waren. Jedermann hatte damals Gelegenheit, seine Geschicklichkeit, seine Ein­ sichten im Fache der Gewerbskunde geltend zu machen. Durch den freyeren Verkehr im Innern und ein gewisses Gefühl der Sicherheit gegen Englands Ueberschwemmungen, wurde man ermuthigt zu Unternehmungen, die unter den herkömmlichen Handelsverhältnissen Deutschlands zu England das ­erstere nicht hätte wagen können, wenn es nicht durch die Douanendämme Frankreichs geschützt worden wäre, welchem wir übrigens eine wohlthätige Absicht auf Deutschland keinesweges zuschreiben wollen. Der höhere Aufschwung des deutschen Kunstfleißes rührt von jener, für denselben denk­ würdigen Zeit her, welche mehr bewiesen, als wir beweisen können, und ­welche auf eine unwiderlegliche Weise dargethan hat, daß der Schwache des Schutzes gegen den Starken bedarf, um zu Kräften zu kommen, und daß die

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deutschen Gewerbe, wo sie sich dieses Schutzes zu erfreuen hatten, rasch und freudig emporgeblühet sind. So schützte der Krieg die Gewerbe, und so zerstört sie der Friede. Das zeigt ein Blick auf die Einfuhrlisten der Seeplätze. Die Einfuhr verhält sich zur Ausfuhr, wie 5 Kauffahrer zu einem Kahn. Jene bringen fremde Arbeit, der Kahn enthält rohe deutsche Stoffe. So muß die Schale des auswärtigen Handels herabsinken, die des deutschen steigen. – Warum die deutschen Gewerbe ohne Nachdruck betrieben werden, warum der Staat seinen Finanzverlegenheiten nur an den Börsen Abhülfe verschaffen kann, welche jene Kauffahrer mit fremder Arbeit, außerdem aber noch eine viel größere Zahl mit fremden Naturproducten, befrachten und es geschehen lassen, daß unsere wenigen Kauffahrer sich nicht auf’s Mittelmeer wagen dürfen; warum der, im Laufe von Jahrhunderten, durch gerechte Mittel langsam erworbene Nationalreichthum schnell verrinnen wird, läßt sich leicht und klar zur Anschauung bringen, wenn wir bemerken, daß, – der größten europäischen Handelsstaaten zu geschweigen – wir fast nicht mehr für Holland, gar nicht mehr für Spanien und seine Colonien, nur wenig für Nordamerica, Italien und die Levante, für uns selbst aber nur theilweise arbeiten; daß, wenn wir aus England und Frankreich, und aus allen Theilen der Welt in eigenen Schiffen die Waaren herbeyholen wollten, die uns in fremden zugeführt werden, daß wir dann zur Befrachtung unserer Schiffe im Allgemeinen nur Ballast(27) und Geld, oder Auswanderer und Geld aufzuweisen haben würden! – Es ist die höchste Zeit, daß der Nährstand in Deutschland unter den Schutz des Bundes gestellt, Kunst, Handel und Fleiß ermuntert, daß die Quelle unserer Nationalwohlfahrt gefaßt werde. Für den Glücklichen ist die Gegenwart zu flüchtig, die Zukunft zu fern; der Bekümmerte aber zählt die trägen Stunden; jedem kommenden Tage blickt er angstvoll entgegen, denn nur neue Sorgen steigen für ihn herauf! Wir gehören nicht zu den Glücklichen! Die Hoffnung aber, den letzten und einzigen Trost des Bedrängten, haben auch wir noch. Mit ihr schauen wir sehnsuchtsvoll in die Zukunft, bis uns an heitererm Himmel ein freundliches Gestirn zu Glück und Segen aufgeht. (1) Zahlt beym Ausgange 16 ggl. vom Centner, geht aber frey ein ins Preußische. (2) Fast in allen diesen Orten haben die Linnenhändler volle Böden und obendrein noch Lager in Hamburg und Bremen; todte Capitale, von tödtlicher Wirkung. (3) Preuß. Verbrauchssteuer für rohe Leinwand 2 Thlr. der Centner. Bayerische Mauth für alle Gattungen 1 fl. 40 Kr. für den bayerischen Centner. (4) Bayerische Mauth vom Centner Wollentuch 20 fl. Preußische von 5 ggl. 10 pf. bis 10 ggl. 4 pf. nach Güte vom Pfund. (5) Die Grundstücke, besonders die Häuser, sinken im Werthe mit den Gewerben dieser Städte. (6) Als Beleg, welcher glückliche Gewerbsfleiß in früheren Zeiten die Tuch- und Zeugmacher in Gotha, Ohrdruff und Waltershausen beschäftigte, dient Folgendes:   130 Meister, ohne diejenigen, welche aus Mangel an Betriebscapital als Gesellen arbei-

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teten, 80 Gesellen, ohne die Lehrlinge, waren mit dem Sortiren, Waschen und Kammen der inländischen Wolle beschäftiget. Es wurden daraus 1280 bis 1300 Centner Garn gesponnen. Die Gesellen bekamen (zu 1  gl. 6  pf. v. Pfund für Sortiren und Kammen) 8937 Thlr. 12 gl. Arbeitslohn und selbst das fast hülflose Alter erwarb einen großen Theil an der Summe von 23 833 Thlr. 8 gl. für Spinnlohn (zu 4 gl. vom Pfund). Rechnet man zu den hier angegebenen Summen noch 39 000 Thlr. für den Ankauf der Wolle, welche dabey im Durchschnittspreis von 6 Thlr. für den Stein angeschlagen ist, so ergiebt sich die ­Summe von 71 770 Thaler 20 Groschen, welche, nebst mehreren tausend Thalern für Kohlen, Holz, Fett, Oehl, Licht, Seife – lauter Landesproducte – als Betriebscapital erfordert wurde.   Ein Drittel der Garne wurde in’s Ausland nach Stockholm und Kopenhagen (späterhin nach Leiden, Amiens und Bern) gesandt. Die übrigen wurden theils in die benachbarten Staaten, nach Berlin, Gera, Ronneburg, Frankfurt am Mayn, Barmen, Elberfeld, Erfurt verkauft, und daselbst zu Etamin, Kamelot, Troquet, Harpin, Serge du Roi, Serge de Berry, Plüsch, Rasch, Chalon, Soy, Band verarbeitet und auch von da meistens in’s Ausland abgesetzt, theils wurden in Gotha, Ohrdruff, Waltershausen Rasche, Chalons und Flanelle daraus gemacht. Auch davon blieb im Gothaischen nur so viel, als zum eigenen Verbrauch nöthig war und sieben Achtel der ganzen Summe, welche in’s Ausland kamen, verbreiteten einen wohlthätigen Geldumlauf.   Einfuhrverbote und hohe Zölle, in Verbindung mit der wechselnden Mode, untergruben allmählig den Verkehr in’s Ausland, und im Jahr 1789 war auch die letzte und einzige noch übrig gebliebene Handelsverbindung mit dem Auslande – in Amiens – aufgelöset. Der Absatz in die benachbarten Staaten wurde durch dieselben Ursachen nach und nach fast einzig und allein auf Erfurt beschränkt.   Im Jahr 1797 wurde durch ein seltenes Zusammentreffen von niedrigen Wollenpreisen und starkem Begehr die Hoffnung zur Belebung des schon sehr gesunkenen Geschäfts erneuert; das bis auf 8 gl. vom Pfund gesteigerte Spinnlohn brachte unter der ärmern Klasse die Summe von wenigstens 60 000 Thlr. in Umlauf; wenige Jahre zuvor hatten die Spinnerinnen nur 25 000  Thlr. verdient. Aber dieß war das letzte Auflodern der verlöschenden Flamme. Das von Jahr zu Jahr mehr überhandnehmende Aufkaufen der Wolle von Fremden erhöhte die Garnpreise, und diese Erhöhung verursachte größtentheils den Mangel an Absatz. Mit dem Sinken der Band-Manufacturen in Erfurt versiegte das Garngeschäft dermaßen, daß gegenwärtig von 30 Tuchmachermeistern in Gotha nur Eilfe mit zehn Ge­ sellen ihr erlerntes Handwerk treiben. Der Fleiß dieser 21 Personen beschränkt sich aber mehr auf das Verarbeiten der Wolle zu Flanell und Tuch, als auf das Kammen, um Garn spinnen zu lassen. Von Zeugmachern sind nur noch zwey Meister und drey Gesellen mit dem Einkauf und Sortiren der Wolle für das Ausland beschäftigt. Ihr Haupterwerbszweig ist der Verkauf von verschiedenen Schnittwaaren.   In demselben Verhältniß, wie in Gotha, sank das Geschäft der Tuch- und Zeugmacher in Waltershausen und Ohrdruff. Der Verfall des für Eisenach, Mühlhausen und Langensalza so bedeutenden Handels mit Chalons und Raschen hatte auf ihre Betriebsamkeit den nachtheiligsten Einfluß, und selbst die wenigen Meister, welche noch Flanelle machen, werden durch das nicht genug verhinderte Hausiren der Bewohner des Eichsfeldes mit sehr wohlfeiler aber auch eben so geringer Waare dermaßen im Absatz beschränkt, daß auch sie vielleicht noch ihre Werkstätten leer lassen müssen.   Der von der Noth erzeugte Wunsch um Schutz gegen unsere deutschen Brüder vom Eichsfelde beweiset, wie verderblich die Sperre der deutschen Staaten gegenseitig einwirkt.   So lange das Geschäft mit wollenem Garn einen, die Betriebsamkeit hinlänglich in Anspruch nehmenden Fortgang hatte, war die Veranlassung, aus der inländischen Wolle Tuch

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zu machen, um so geringer, als diese vermöge ihrer Eigenschaften sich nicht wohl dazu eignete; denn in den 1770r. und 1780r. Jahren war, mit Ausnahme einiger wenigen Schäfereyen, die Landwolle noch nicht veredelt. Die für das Beste des Landes stets besorgte Regierung bezahlte zur Aufmunterung Prämien auf solche Tuche, welche einen gewissen Grad von Vollkommenheit erlangt hatten; aber weil die andern vollauf mit der Wolle zum Garn zu thun hatten, blieb das Tuchmachen immer nur die Beschäftigung einiger wenigen Meister und Gesellen, welche dabey mit mancherley Schwierigkeiten und Hindernissen zu kämpfen hatten; z. B. mit dem Anlernen der zum Tuchgarn erforderlichen Spinnerinnen. Spinnmaschinen gab es damals in Deutschland noch nicht.   Bey der darauf folgenden Veränderung verschwand mit dem versiegenden Wohlstand der Mehrzahl von Meistern denselben die Kraft, als Nebenbuhler der Tuchmacher aufzutreten, welche in Sachsen, Schlesien, der Mark Brandenburg und Böhmen ihre Gewerbe getrieben und schon bedeutende Vorschritte gemacht hatten. Die Wohlhabendern hatten größtentheils ihr ehemaliges Nebengeschäft, den Verkauf von sächsischen, schlesischen und niederländischen Tuchen und andern dahin einschlagenden Artikeln, durch die darin angelegten Capitalien zum Hauptgeschäft gemacht, und trugen Bedenken, bey der sehr starken Concurrenz bedeutende Versuche mit der Erzeugung einer Waare zu machen, deren Verbrauch schon vor zwanzig Jahren mit auf das Ausland z. B. Rußland, die Schweiz und Nordamerica berechnet war. In demselben Grad, als in den genannten Ländern der Gewerbsfleiß zugenommen hat und noch zunimmt, wird ihnen das deutsche Tuch entbehrlicher. Der Einfuhr von französischen und englischen feinen Tuchen – deren wir, vermöge der in Rheinpreußen und andern Gegenden Deutschlands befindlichen Manufacturen der Art, recht gut entbehren können, – steht in den kleinern deutschen Staaten kein Hinderniß entgegen, und dieß wirkt um so nachtheiliger auf das vaterländische Gewerbe, als von der deutschen feinen Wolle sehr starke Aufkäufe für England und Frankreich gemacht werden. Ein großer Theil der sonst hinlänglich beschäftigten Tuchmacher hat schon die Werkstätten verlassen und das Weberschiff mit der Hacke oder der Schaufel vertauschen müssen. (7) Preuß. Eingangszoll 2 Thlr. vom Centner, Verbrauchssteuer 1 gl. 4 pf. vom Pfund, für alles gare Leder ohne Unterschied. Rohe Felle gehen frey ein, zahlen beym Ausgang aber 1 Thlr. 12 gl. vom Centner. Bayerische Mauth für Garleder 10 fl. der Centner eingehend, ausgehend für Häute 5 fl. vom Centner. (8) In Gotha hat sich die Zahl der Lohgerbereyen von 34 bis auf 6, in Eisenach die der Weißgerber von 25 auf 5, vermindert, wonach sich der Verfall dieses Gewerbes beurtheilen läßt. (9) Es ist fast kein Unterschied zwischen dem Preise des Flachses und dem des Rohgarnes, welches daher auch aus diesem Grunde in die geschlossenen Handelsstaaten frey eingeführt werden darf. (10) Bayerische Mauth 5 fl. vom Centner. – Preuß. 6 Thlr. 14 gl. vom Centner für’s Garn, für baumwollene Waaren 10 gl. 4 pf. und 13 gl. 4 pf., nach Güte, für’s Pfund. (11) Preuß. Zoll- und Verbrauchssteuer 2 Thlr. vom Centner Drillich. – Der Absatz der Drilliche, einer leinenen gestreiften Köperwaare, welche häufig auf Schiffen zur Matrosenbekleidung verwendet wurde, ist durch den Verfall der deutschen und holländischen Schifffahrt, mehr aber noch durch die Einfuhrverbote und Mauthen, welche auch in Nordamerica bestehen, fast ganz verloren gegangen. (12) Preuß. Zoll für den Centner gebleichtes Garn 1  Thlr. Gebleichte Leinewand zahlt 1  gl. 4 pf. Zoll und ebensoviel Verbrauchssteuer für das Pfund. (13) Preuß. Zoll 2 Thlr. vom Centner, Verbrauchssteuer 1 gl. vom Pfund, welches unter andern die Klagen der Rodaer Nagelschmiede begreiflich macht, die ihre Arbeit auf 1/20 herabgesetzt sehen. Roda liegt bey Ilmenau und ist nur von Nagelschmieden bewohnt. – Messer, grobe, zahlen 5 gl. 4 pf., feine 17 gl. 4 pf. das Pfund. – Schlösser zahlen 2 Thlr. vom Centner Zoll und 1 gl. vom Pfund Verbrauchssteuer. – Stahlwaaren 5 gl. 4 pf. bis 17 gl.

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4 pf. das Pfund. – In Bayern zahlen diese Fabricate 3 fl. 20 Kr. bis 10 fl. der Centner. (14) Der Flächeninhalt der Herrschaft Schmalkalden begreift ungefähr 4 Quadratmeilen in sich, worauf 21 bis 22 000 Menschen vom Bergbau, den Eisen- und Stahlfabriken leben ­müssen, weil sie vom Ertrag des keiner Cultur fähigen Bodens nicht leben können. In Schmalkalden allein sind 100 Ahlenschmiede, 30 Bohrerschmiede, 24 Schlosser, 50 Zweckenschmiede, 28 Feilenhauer, 24 Messermacher, 10 Pfannenschmiede, 8 Klingen-, 3 Spick­ nadelmacher und 16 Zangenschmiedemeister ansässig. (15) Um in dieser Beziehung eine beherzigungswerthe Schrift zur Beachtung zu empfehlen, entlehnen wir daraus folgende Stelle: „Auf eine andere Seite des Tarifs muß aufmerksam gemacht werden, indem man hinweist auf Besteuerung der Metallwaaren, oder der Glaswaaren gedenkt. (Warum nicht auch des gemeinen Porcellans?) Die Begünstigung der schlesischen Hüttenerzeugnisse hat hier wohl wieder vorzüglich gewirkt; die nicht altpreußischen Provinzen können ohnmöglich im Geringsten berücksichtigt seyn. Daß, ohngeachtet des Reichthums des preußischen Staates an Metallen, das zerstreut und in gestreckter Linie Nebeneinanderliegen der einzelnen Länder auch in jenen Besteuerungssätzen die nachtheiligsten Störungen des Handels herbeyführen muß, ist nicht zu bezweifeln. Es sind ja manche Provinzen reich an der einen Metallart, entbehren aber den Selbstgewinn der andern; sie haben Kupfergruben, aber nicht den erforderlichen Eisenbedarf, der in dem unmittelbar daneben liegenden ausländischen Nachbarlande gewonnen wird; die Hüttenarbeiter des angränzenden Auslandes kamen bisher mit Nägeln, Aexten, Sensen, Spaten, Pflugeisen, Ketten u. s. f. (nicht weniger die Holzarbeiter, Glas- und Porcellanfabrikanten mit ihren Artikeln allgemeinen Bedarfs) in unser Gebiet, verkauften ihre Waaren, die jeder Land- und Hauswirth bedarf, und kauften für das gewonnene Geld ihre Bedürfnisse ein; dieß gab einen für beyde Theile ergiebigen Gränzverkehr, einen Kleinhandel, in welchem eigentlich die Industrie, der Tausch des gegenseitigen Bedarfes, lebt. – Alles dieß wird gestört, gehemmt und gewaltsam zerrissen, wo hohe Steuersätze für den inländischen Verbrauch ausländischer Waaren irgend einer Gattung eingeführt werden. Man sage nicht, daß das Gesetz selbst darauf hindeutet, wie mit Berücksichtigung der Localverhältnisse, örtlich, für nützlich erkannte Abänderungen vorgenommen werden sollen; es entsteht ja nothwendig ein großes Elend, wenn ein Gesetz von der Art ist, daß es hier und da und dort, und in diesem und jenem Stücke castrirt werden muß; da soll dann die Billigkeit walten, und je billiger man gern überall seyn möchte, je weniger kann das höchste Staatsprincip, die Gerechtigkeit, aufrecht erhalten werden. – Wie soll ein Gesetz bestehen und segensreich wirken, wenn es nicht eine rein allgemeine Norm ist, in der sich der Wille des Staates kund macht, damit er wieder der Wille jedes Einzelnen werde, der zum großen Staatsbunde gehört!“ Andeutungen zur Kritik der neuesten königl. preuß. Zoll- und Verbrauchssteuer-Gesetzgebung. Leipzig, bey Brockhaus, 1819.“ (16) Bayerische Mauth für Holzwaaren 1  fl. 40  Kr. bis 5  fl. vom Centner. Preuß., für grobe Böttcher- u. dgl. Waaren 12 gl. vom Ctnr., für feine 5 gl. 4 pf. das Pfund. (17) In Altenfeld bey Breitenbach, in Mellenbach bey Königsee, im Grunde von Neuhaus bey Steinach ernähren sich gegen 2000 Menschen von der Verfertigung von Mulden, Trögen, Kasten und Schachteln. (18) Kinderspielwaaren, Schachteln, Kasten und Spritzen, Orgeln, Nägel, Wagebalken, Schiefertafeln, Griffel, Wetzsteine, Schusser sind die Hauptgegenstände des Gewerbsfleißes und des Handels dieser Gegend. (19) Preuß. Zoll- und Verbrauchssteuer 3  Thlr. vom Cntr., bayerische Mauth 5  fl. vom Cntr. Brutto. (20) Dieser Fabrikzweig allein beschäftigte und ernährte an 4000 Menschen. (21) Bürgel ist bey weitem nicht so bedeutend wie Allmerode, führt aber jährlich 1000 Wagen Töpfergeschirr aus.

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Vorstellung von Handwerkern, Fabrikanten und Kaufleuten

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(22) Die preußische Eingangs- und Verbrauchssteuer für Töpfe ist vom Centner 8 ggl., der Ausgangszoll auf Thon aber 12  gl. vom Centner; Steingut zahlt 8  ggl. der Centner Brutto beym Eingang, und vom Pfund 1 ggl. Verbrauchssteuer. Porcellan 12 ggl. Eingang, und vom Pfund 2 bis 6 ggl. In Bayern 20 fl. vom Centner. Dieß beträgt auf 30 Dutzend blaue Tassen, welche 25 Thlr. werth sind, zum niedrigsten Ansatz 17 Thlr. Zoll und Verbrauchssteuer in Preußen und 32 fl. 4 Kr. in Bayern. (23) In Gera allein beschäftigen 11 Fabrikbesitzer 6000 Menschen. (24) Preuß. Eingangszoll 1 gl. 4 pf., Verbrauchssteuer 9 gl. das Pfund; in Bayern nur 5 fl. vom Cntr. (25) Ein einziges Beyspiel: aus den Dörfern Schwarzhausen und Schmerbach hatten sonst die Fuhrleute 200 Pferde auf den Straßen, jetzt kaum 40. (26) Zur Zeit des Continentalsystems wurden, um ein Beyspiel zu geben, in Meiningen, Neustadt an der Orla, Potsdam, Altbrandenburg und mehreren Orten sehr viele Hände mit der Fabrication von Biebern beschäftigt, und diese Waaren hatten, was die Haltbarkeit anlangt, zum Theil einen höhern Grad von Vollkommenheit als die englischen erlangt. Nur in der glänzenden und die Mehrzahl der Käufer blendenden Appretur (Zurichtung), welche jedoch durch einmal Naßwerden sogleich, außerdem aber allmählig verschwindet, behielt die englische Waare den Vorzug, und nachdem in den Jahren 1814 und 1815 der Handel mit England wieder vollkommen eingerichtet war, wurde Deutschland von da aus mit ­Biebern und Calmucks überschwemmt. Die preußischen Manufacturen sind allenfalls durch den Einfuhrzoll und die Verbrauchssteuer (10 gl. 4 pf. für das Pfund) wieder geschützt; wenn man aber von Neustadt an der Orla auf die andern der englischen Waaren­überschwemmung Preis gegebenen Orte schließen darf, so erhält man ein sehr niederschlagendes Resultat; denn jetzt wird daselbst in diesem ­Artikel kaum der dritte Theil von dem verfertiget, was 1812, 1813, 1814, 1815 jährlich versendet wurde, und zwar nur in ordinärer schwerer Waare, weil davon nur wenig aus England kömmt. Man schließe weiter, von der gemeinen Waare auf die Gegenstände der Mode! (27) Linnen, welche zuweilen noch nach den Colonien gesandt wurden, gaben neuerlich nur Verlust, den die Verbraucher der dafür erhaltenen Colonialwaaren zum Theil mit tragen mußten. Die leeren grünen Glasflaschen, welche noch nach Westindien gehen, und einige andere Artikel gleichen Werthes sind nicht viel besser als Ballast.

Nr. 187

Frankfurt am Main, 22. Juli 1819

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187. Erklärung der großherzoglich und herzoglich sächsischen Häuser über die Notwendigkeit einer Herstellung des freien Handelsverkehrs zwischen den deutschen Bundesstaaten und diesbezüglicher Beschluß

ProtDBV 1819, 26. Sitzung vom 22. Juli 1819, § 152, S. 461−463. Erklärung und Beschluß. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 8, 1819, S. 156−159.

Die bedrückende Lage von Handel und Gewerbe in Deutschland macht eine baldige Beratung über das Zoll- und Mautwesen in der Bundesversammlung nötig. Unterstützung des Gesuchs einer großen Anzahl von Kaufleuten, Fabrikanten und Handwerkern um Herstellung der Freiheit von Handel und Gewerbe innerhalb des Deutschen Bundes. Deutschland soll nach dem Buchstaben der Bundesakte und dem Geist des Vereins ein Ganzes bilden; das ist jedoch unmöglich, solange es durch Zoll- und Mautlinien im Innern durchschnitten wird. Die sächsischen Höfe erkennen es als ihre Pflicht an, immer und vor allen Dingen das deutsche Nationalwohl im Auge zu haben. Artikel 19 der Deutschen Bundesakte spricht deutlich aus, daß dieser Gegenstand bei der ersten Zusammenkunft des Bundestags in Beratung genommen werden soll. Notwendige Wahl eines Bundestagsausschusses zur Unterbreitung von Vorschlägen zur Überwindung der eingetretenen Übel. Diesbezüglicher Beschluß des Bundestags.

Frankfurt am Main, 22. Juli 1819 Nach dem im 103. § der 19. dießjährigen Sitzung vom 24. Mai genommenen Beschluß1 werden Erläuterungen über das mit dem Handel und Verkehr in der genauesten Verbindung stehende Zollwesen von den Bundesgliedern nach der, nöthigen Falls von dem Handel- und Gewerbstande ihrer Lande begehrten Auskunft erwartet. Die von allen Seiten laut werdenden Klagen, daß Deutschland mit Producten solcher auswärtigen Staaten überschwemmt werde, in welchen den Erzeugnissen des deutschen Arbeitsfleisses der Eingang versagt ist, und daß durch die neuerlich in einigen großen Bundesstaaten auf alle ein- oder auch nur durchgehende Waaren gelegten Zoll- und Mauth-Abgaben, die inländischen Fabriken und der Handel nicht nur auf das Höchste bedrängt, sondern hier und da ganz vernichtet werde, scheinen eine baldige Berathung über diese Angelegenheit nöthig zu machen. Meine höchsten Committenten haben aber, ausser dem allgemeinen An­ theil, den Sie an dieser National-Angelegenheit nehmen, noch einen nähern Beruf, diesen Gegenstand zur baldigsten Berathung zu empfehlen. Bekanntlich macht der so genannte Thüringer Wald einen bedeutenden Theil Ihrer Staaten aus. Die Bewohner desselben haben nur wenig Getreidebau, und müssen daher ihren Unterhalt durch Gewerbfleiß und Fabriken su1 Vgl. ProtDBV 1819, 19. Sitzung vom 24. Mai 1819, § 103, S. 282.

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Erklärung der sächsischen Häuser über den freien Handelsverkehr

Nr. 187

chen. Noch vor wenig Jahren waren diese in einem blühenden Zustand, der eine große Vermehrung der Bevölkerung zur Folge hatte; jetzt drückt sie Mangel an Arbeit und sie sehen der unglücklichsten Zukunft entgegen. Vereint mit benachbarten Gefährten ihrer kummervollen Lage, beschloß eine große Anzahl von Kaufleuten, Fabrikanten und Handwerkern jener Gegenden, noch ehe eine hohe Bundesversammlung den Bedrängten diesen Weg vorgezeichnet hatte, sich an ihre Landesherren zu wenden, damit solche die Freiheit des Handels und Gewerbes innerhalb der Bundesstaaten wieder herzustellen sich bemühen möchten. Das erste Ministerium, an das sie sich deßhalb wendeten, wies sie aber unter dem 3. Mai, also lange vor dem in der Sitzung vom 24. Mai gefaßten Beschlusse, an die Bundesversammlung. Diesen Weg haben Sie nun betreten und ich bin von allen meinen Höfen angewiesen, ihr billiges und auf die dem ganzen deutschen Volke in der Bundesacte gegebene Zusicherung begründetes Gesuch2, nach Möglichkeit zu unterstützen. Es liegt unwidersprechlich in den Worten der Bundesacte und mehr noch in dem Geiste des Vereins, daß Deutschland ein Ganzes bilden solle. Dieses ist aber unmöglich, so lange, durch Zoll- und Mauthlinien im Innern, benachbarte Bundesstaaten als Ausland behandelt und die Reibungen vermehrt, statt durch die Idee eines gemeinsamen Vaterlandes gemindert zu werden. Meine höchsten Committenten erkennen es als Pflicht an, immer und vor allen Dingen das deutsche Nationalwohl im Auge zu haben; und das ohnehin oft nur scheinbare Interesse des einzelnen Staates demselben unterzuordnen. Der Nachtheil, der Ihren Cassen daraus erwachsen könnte, wird Sie daher nicht abhalten, für die unbedingteste Erweiterung der Gewerbe- und Handelsfreiheit in sämmtlichen deutschen Bundesstaaten zu stimmen. Der 19. Artikel der Bundesacte3 spricht deutlich aus, daß bei der ersten Zusammenkunft der Bundesversammlung die Grundsätze wegen des Handels und Verkehrs zwischen den deutschen Staaten in Berathung genommen werden sollen, und es scheint daher dringend nothwendig, daß, ohne längeren Anstand, ein Ausschuß gewählt werde, der sich mit dieser wichtigen Angelegenheit beschäftige und Vorschläge thue, wie dem nicht bloß drohenden, sondern nun schon eingetretenen Uebel abgeholfen und den billigen Wünschen des deutschen Arbeitsfleisses entsprochen werden könne. So schwierig man auch die Lösung der Aufgabe auf den ersten Blick finden mag; so scheint solche doch um so weniger unmöglich, da der Königlich-Preussische Hof ganz neuerlich unter dem 6. Juni auf die liberalste, den Wünschen der Vaterlands2 Vgl. Dok. 186. 3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1517.

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Frankfurt am Main, 22. Juli 1819

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Freunde entsprechende Weise officiell seine Bereitwilligkeit zugesichert hat, „jedem deutschen Bundesstaate die freie Einfuhr seiner eigenen Landeserzeugnisse und Fabrikate in dem ganzen Umfang seines Gebiets zu gestatten, welcher nicht allein die Preussischen Landeserzeugnisse und Fabrikate Preussischer Unterthanen in gleicher Art zulasse; sondern auch in der Lage sey, Sicherheit dafür zu leisten, daß keine fremden Landeserzeugnisse und Fabrikate unter der Benennung der seinigen, oder vermischt mit denselben, in die Preus­sischen Länder eingeführt und dadurch dessen, auf den Schutz des deutschen Kunstfleisses gegen das Ausland gerichtete Anordnungen vereitelt würden“. Von der Mehrheit meiner höchsten Committenten bin ich noch besonders angewiesen, bei dieser Gelegenheit zu erklären, daß die durch den gesperrten Handel bewirkte Nahrungslosigkeit die Bewohner mancher Waldgegenden ganz unfähig gemacht habe, einige Abgaben zu bezahlen, und daher zu be­ sorgen sey, daß es, bei diesem Ausfall der Einnahme, den Höfen unmöglich werden würde, ohne allzuharten Druck der übrigen Unterthanen, die neuen Leistungen zu übernehmen, welche künftig der Militär-Etat fordern würde. Sämmtliche Stimmen vereinigten sich hierauf zu dem Beschlusse: 1) Die in Bezug auf den 19. Artikel der Bundesacte und in Gemäßheit des in der 19. dießjährigen Sitzung gefaßten Beschlusses §. 103 Num. 2 von den Großherzoglich- und Herzoglich-Sächsischen Häusern abgegebene Erklärung vorerst zur Sammlung zu nehmen; zugleich aber 2) an diejenigen Regierungen, welche ebenfalls hierüber Erklärungen abzugeben oder Erläuterungen nachzubringen gedenken, die Bitte zu wiederholen, dieselben bald, und noch im Laufe der nächsten Ferien, anher gelangen zu lassen, damit 3) nach Wiedereröffnung der Sitzungen eine eigene Commission ernannt werden könne, welche 4) die eingehenden Erklärungen zusammen zu stellen, mit ihrem Gutachten der Bundesversammlung vorzulegen, und dieselbe durch diese nöthige Vorarbeit in den Stand zu setzen hätte, demnächst diesen wichtigen Gegenstand einer reifen Berathung zu unterwerfen.

4. Pressefreiheit und Büchernachdruck

Nr. 188

Wien, 3. Januar 1818

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188. Über die in Betreff des Zeitungswesens in Deutschland zu ergreifenden Maßregeln

HHStA Wien, St.  K., Deutsche Akten (alte Reihe), Kart. 222, Fasz. 147 (alt), fol. 4−9’. Denkschrift. Reinschrift.

Die öffentliche Ruhe und Ordnung in Deutschland ist durch den Mißbrauch der Presse bedroht und kann nur wiederhergestellt und gesichert werden, wenn wirksame Maßregeln, die sämtliche deutsche Staaten umfassen sollen, durch den Bundestag beschlossen werden. Das Recht des Deutschen Bundes, solche Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit zu ergreifen, kann nicht in Zweifel gezogen werden, und diese stellen auch keinen Eingriff in die Souveränitätsrechte einzelner Bundesstaaten dar. Verhandlungen in der Bundesversammlung sind erst dann angebracht, wenn Österreich und Preußen sich über konkrete Maßregeln geeinigt haben. Um die Chancen einer Einigung im Bundestag zu erhöhen, wird eine Beschränkung der Maßregeln auf Tagesblätter und Flugschriften empfohlen. Es gibt zwei Wege, um den Mißbräuchen der Presse Schranken zu setzen: das Justiz- und das Polizeisystem, deren Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen werden. Plädoyer für das Polizeisy­stem und eine generelle Vorzensur, da es bei dem gegenwärtigen Zustand von Deutschland eine einheitlichere und effektivere Durchsetzung in allen Bundesstaaten ermögliche. Aufstellung von vier Grundsätzen für ein zu erlassendes Gesetz: 1. Politische Zeitungen, periodische Schriften und Flugschriften dürfen in keinem Bundesstaat ohne vorherige Zensur zum Druck befördert werden; 2. die Anordnung der Zensuranstalten bleibt den Bundesstaaten vorbehalten; 3. Erlaß eines einheitlichen Zensurreglements durch den Bundestag; 4. für alle anderen Kategorien von Druckschriften bleibt es den Einzelstaaten überlassen, entweder vollkommene Pressefreiheit zu gewähren oder andere eigene Regelungen zur treffen.

Wien, 3. Januar 1818 Ueber die in Betreff des Zeitungs-Wesens in Deutschland zu ergreifenden Maßregeln.1 Die einsichtsvollsten Männer in allen Theilen von Deutschland sind gegenwärtig überzeug[t,] daß der seit einigen Jahren mit den Tagesblättern, Zeitund Flug-Schriften getriebne Mißbrauch nicht länger mit Gleichgültigkeit angesehen werden kan, daß er die öffentliche Ordnung und Ruhe bedroht, und daß es Zeit ist, dem täglich anwachsenden Uebel eine Gränze zu setzen. Die ersten Deutschen Regierungen scheinen diese Ueberzeugung zu theilen. 1 Die Überschrift wie auch das Datum stammen von der Hand des Hofrats und Chefs des deutschen Büros in der österreichischen Staatskanzlei Kaspar Philipp Graf von Spiegel, der damit auch als Autor dieser Denkschrift in Frage kommt. Für Eisenhardt, Die Garantie der Pressefreiheit in der Bundesakte von 1815, S. 350, spricht hingegen einiges dafür, daß Metternich selbst der Verfasser ist.

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Über die in Betreff des Zeitungswesens zu ergreifenden Maßregeln

Nr. 188

Wenn die dieserhalb zu ergreifenden Maßregeln die sämmtlichen Deutschen Staaten umfassen sollen, so können sie nur durch den Bundestag eingeleitet werden. Das Recht des Deutschen Bundes, zu Maßregeln dieser Art zu schreiten, kan wohl nicht füglich in Zweifel gezogen werden. Es ist hier von keinem Eingriffe in die Souverainitäts-Rechte einzelner Staaten, von keiner Einmischung in ihre innre Verwaltung die Rede. Es gilt die Abwendung einer gemeinschaftlichen Gefahr. Wenn, nach den wohlverstandnen Grundsätzen des Deutschen Bundes, ein einzelner Staat nicht die Freiheit haben würde, in seinem Innern Unordnungen zu dulden, die in ihren wahrscheinlichen obschon entfernten Folgen, dem Ganzen schädlich werden könnten, so kan er noch weit weniger befugt seyn, Mißbräuche zu begünstigen, die unvermeidlich, und unmittelbar in die moralische und politische Existenz der Nachbar-Staaten eingreifen, und indem sie Unzufriedenheit und Unruhe über alle Deutsche Länder verbreiten, einen der ersten großen Hauptzwecke des Bundes – „die Aufrechthaltung der innern Sicherheit Deutschlands,“2 beeinträchtigen. Ehe man aber eine so schwierige, und heute von so vielen Seiten bedenkliche Maßregel zur Berathschlagung bringt, muß man nicht bloß auf Beystimmung der Höfe, deren Vereinigung in der Sache den Ausschlag geben soll, sondern auf die entschlossenste und kräftigste Mitwirkung rechnen können. Denn ein mißlungner, oder halb-gelungner Versuch würde das Ansehen derer, welche den Antrag dazu gemacht hätten, aufs Aeußerste compromittiren, und überdies das Uebel, welches bekämpft werden soll, zehnfach verstärken. Es ist daher keinesweges genug, daß dieser oder jener Hof etwa erkläre, es sey wünschenswürdig, dem Unfug der Zeitschriftsteller zu steuern, – ein darauf abzweckender Vorschlag werde ihm nicht unwillkommen seyn, – er werde die Sache bestens unterstützen u. s. f. Als brauchbare Theilnahme an diesem Schritte können nur diejenigen Deutschen Cabinetter betrachtet werden, die den ernstlichen Vorsatz aussprechen, nicht auf halbem Wege stehen zu bleiben, sondern das, was einmal, nach reifer Ueberlegung, zwischen den ein­ verstandnen Höfen als gut erkannt seyn wird, gegen alle Hindernisse zur Vollziehung zu bringen. Ohne ein vorläufiges festes Einverständniß dieser Art wäre es rathsamer, die Sache auf sich beruhen zu laßen, und günstigere Umstände zu erwarten. Nur unter der Vorausetzung, daß diese Vorfrage nach dem Wunsche der beyden ersten Höfe entschieden sey, kan man sich mit näherer Erörterung der beym Bundestage einzuleitenden Anträge beschäftigen. Da ein allgemeines, ganz Deutschland umfassendes Gesetz zur Bestimmung des Unterschiedes zwischen Gebrauch und Mißbrauch der Presse überhaupt, 2 Vgl. Artikel 2 der Deutschen Bundesakte, QGDB I/1, Dok. 250, S. 1508.

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Wien, 3. Januar 1818

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ein höchst schwieriges, und in der jetzigen Lage der Dinge vielleicht unausführbares Unternehmen seyn würde, die für den Augenblick dringende Aufgabe auch nur die Tagesblätter und Flugschriften angeht, so wird es in jedem Falle zweckmäßig seyn, die Maßregel auf diese Classe von Druckschriften zu beschränken, und größre Werke vor der Hand ganz davon auszuschließen. Es giebt bekanntlich zwey Wege, den Mißbräuchen der Presse Schranken zu setzen; den gerichtlichen, und den Polizeilichen; auf dem ersten wird durch Strafgesetze, die nur nach schon begangnem Vergehen ihre Anwendung finden können, auf dem andern durch vorbeugende Mittel, d. h. durch CensurAnstalten gewirkt. Dem Mißbrauch der politischen Tagesblätter und Flugschriften durch StrafGesetze Einhalt thun zu wollen, scheint in Deutschland aus folgenden Gründen nicht zuläßig: 1. Die Abfassung eines allgemeinen, in allen Deutschen Staaten gleich­ förmig geltenden Straf-Gesetzes gegen die Vergehungen der Zeitungs- und Broschüren-Schreiber, würde bey der großen Verschiedenheit der örtlichen Verfassungen, Gesetzgebungen, und Prozeß-Ordnungen, nicht viel weniger Schwierigkeiten haben, als die Abfassung eines ähnlichen Gesetzes gegen die Mißbräuche der Presse überhaupt, und würde um so mehr Widerstand finden, da ein solches Gesetz ohne gewisse Abänderungen in dem gewöhnlichen ­Gerichtsgange kaum denkbar ist. 2. Wollte man, in Ermangelung eines allgemeinen Gesetzes, sich bloß mit Aufstellung der gesetzlichen Vorschrift: „Es soll in jedem Bundes-Staate zur Verhütung der Ausschweifungen, deren Zeitungs-Schreiber, Journalisten u. s. f. sich schuldig machen können, bestimmte Strafgesetze geben“ – begnügen, sodann aber jeder einzelnen Regierung überlaßen, diese Strafgesetze nach eignem Gutbefinden zu entwerfen, so würden wir, allem Vermuthen nach, dreißig bis vierzig ganz verschiedne, vielleicht in den3 Haupt-Bestimmungen durchaus von einander abweichende Gesetze dieser Art in Deutschland erscheinen sehen; und da jeder Zeitungs-Redacteur, Zeitungs-Verleger etc. nur nach den Gesetzen seines Landes gerichtet und gestraft werden könnte, so würde hieraus nur eine sehr unvollkommne, für das Interesse des Ganzen wenig beruhigende Schutzwehr entspringen. 3. Noch schwieriger wäre es die strenge und gewissenhafte Vollziehung aller dieser localen Straf-Gesetze zu verbürgen. Denn, da es von den Regierungen allein abhängen würde, in welchen Fällen sie das Gesetz anrufen, und den Uebertreter vor Gericht stellen wollten, so hätten sie es durchaus in ihrer Macht, ihre Strafgesetze in einen todten Buchstaben zu verwandeln, oder höchstens in den seltnern Fällen geltend zu machen, wo die Furcht, grobes 3 Emendiert. Vorlage: dem.

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Über die in Betreff des Zeitungswesens zu ergreifenden Maßregeln

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Aergerniß zu geben, oder heftige Klagen von Seiten fremder Regierungen sie dazu nötigten. 4. Da Strafgesetze gegen Mißbrauch der Presse nicht gleichzeitig mit Censur-Anstalten bestehen können, vielmehr die Einführung der einen die Abschaffung der andern voraussetzt, so würde mehr als ein Bundesstaat gegen die Verfolgung der Preßvergehungen auf gerichtlichem Wege schon deshalb protestiren, weil er durch Annahme dieses Systems in die Nothwendigkeit gesetzt wäre, die Censur-Anstalten, an die er gewöhnt ist, und von denen er sich (nicht mit Unrecht) weit mehr Sicherheit als von allen Strafgesetzen verspricht, aufzuheben. Da es folglich sehr zweifelhaft ist, ob verschiedne der Bundes-Staaten, deren Mitwirkung nicht entbehrt werden kan, für den Antrag, den Mißbräuchen der Presse durch bloße Strafgesetze zu begegnen, je stimmen würden. Da ferner die unvermeidliche Verschiedenheit dieser Strafgesetze in den verschiednen Deutschen Staaten die Verwirrung ins Unendliche treiben, und die Verantwortlichkeit jeder einzelnen Regierung mehr oder weniger auflösen müßte; Da es an einer befriedigenden Bürgschaft für die Vollziehung solcher Gesetze ganz fehlen würde; und Da endlich, wie sich wohl nicht leicht verkennen läßt, das Uebel, welches Zeitungen und Flugschriften in der heutigen Lage von Deutschland stiften können, von so weitverbreiteter, so schnell-wirkender, und sehr oft so unheilbarer Beschaffenheit ist, daß4 Strafgesetze überhaupt, die immer erst lange nach der That wirken, es nicht einmal erreichen, vielweniger abwenden könnten; So würde die von einem solchen System zu erwartende Gewährleistung der innern Ruhe und Sicherheit Deutschlands, offenbar höchst unzulänglich und im Grunde nichts als eine leere Täuschung seyn. Wenn es mit diesem Schlusse seine Richtigkeit hat, so bleibt nur übrig, bey Polizeylichen Maßregeln, bey Censur-Anstalten Hülfe zu suchen. Es wäre hier eine müßige Untersuchung, ob Censur-Gesetze im Allgemeinen den Vorzug vor Straf-Gesetzen verdienen, oder umgekehrt. Die Frage konnte nur seyn, ob bey dem gegenwärtigen Zustande von Deutschland dem Mißbrauch der Presse anders als durch Censur-Gesetze gesteuert werden kan; und auf diese Frage scheint aus den bisher angeführten Gründen die Antwort ver­ neinend ausfallen zu müßen. Sollen Censur-Anstalten in Deutschland, auch nur in Hinsicht auf Zeit- und Flug-Schriften ihren Zweck nicht verfehlen, so müßen sie in allen Bundesstaaten nach möglichst gleichförmigen Grundsätzen gebildet seyn. Dies ist der Punkt, auf welchen durch den Bundestag vorzüglich gewirkt werden müßte. 4 In der Vorlage so mit Bleistift verbessert. Ursprünglich: das.

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Zu diesem Ende würde als Erster Allgemeiner Grundsatz auszusprechen seyn: „Politische Zeitungen, Periodische Schriften von ganz oder zum Theil politischen Inhalt, und politische Flugschriften von ungenannten Verfassern, oder deren genannte Verfasser sich nicht in eben dem Bundes-Staate befinden, in welchem die Flugschrift gedruckt wird, dürfen in keinem Deutschen Bundes-Staate ohne vorhergehende Censur zum Druck befördert, noch verbreitet werden. Zweyter Grundsatz. Jedem einzelnen Bundesstaat bleibt die Anordnung der Censur-Anstalten, und die Wahl der Censoren vorbehalten. Es muß aber den sämmtlichen Regierungen die hohe Wichtigkeit dieses Gegenstandes ans Herz gelegt, und ihnen vorgestellt werden, daß es bey den Maßregeln gegen die Tages-Presse, keinesweges auf Unterdrückung, sondern auf die zur Aufrechthaltung der Ordnung, des öffentlichen Anstandes, und eines Geistes der Eintracht und Mäßigung in Deutschland unumgänglich nothwendige Beschränkung, Regulirung, und Leitung derselben abgesehen ist; daß dieser Zweck aber vereitelt, und mehr als vereitelt werden müßte, wenn das CensurGeschäft nicht ohne Ausnahme, Männern, die durch ihre aufgeklärte Denkungs-Art, geprüfte Einsichten, und anerkannte Rechtlichkeit gerechten Anspruch auf das öffentliche Vertrauen erworben, anvertraut würde. Dritter Grundsatz. Keine Censur-Anstalt kan ohne ein Censur-Reglement bestehen. Sollte aber die Abfassung eines solchen Reglements jedem einzelnen Bundesstaate Preis gegeben werden, so würden wir ungefähr auf die nehmlichen Klippen stoßen, welchen die Zulaßung örtlicher, und nothwendig ungleichartiger Strafgesetze ausgesetzt wäre. Diesem Uebelstande läßt sich nur ausweichen, wenn am Bundestage selbst ein Censur-Reglement abgefaßt würde, welches allen Deutschen Staaten zur Norm dienen müßte. In diesem Normal-Reglement würden nach richtigen Begriffen von dem Zweck und der Bestimmung der Tagesblätter und politischen Zeitschriften, die von den Verfassern und Herausgebern derselben nicht zu überschreitende Gränz-Linie, zugleich aber die Pflichten der Censoren, mit möglichster Präcision dergestalt zu bestimmen seyn, daß weder die billigen Ansprüche des lesenden Deutschen Publicums, durch übermäßige Strenge gekränkt, noch die Würde der öffentlichen Autoritäten, die Ruhe in Deutschland, und das gute Vernehmen zwischen den einzelnen Bundesstaaten und den andern befreundeten Mächten, durch zu weit getriebne Nachsicht fernerhin verletzt werden könnten. Die Publication dieses Reglements gäbe nebenher eine günstige Veranlaßung, im Nahmen des Deutschen Bundes eine Sprache zu führen, welche das, was in allen Censur-Anstalten verdächtiges und gehäßiges liegt, und was besonders bey der jetzigen Richtung der Gemüther den hier vorgeschlagnen Maßregeln feindlich entgegen treten wird, wo nicht beseitigen, doch besänftigen und mildern, und den eigentlichen Sinn und Zweck der für nötig gehaltnen Beschränkungen in das gebührende Licht stellen würde.

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Promemoria der Deputation der deutschen Buchhändler

Nr. 189

Freylich wird die Abfassung eines allgemeinen Censur-Reglements wie jeder Schritt auf dieser dornigten Bahn, ihre Schwierigkeiten haben, und die Annahme desselben vielleicht manchen Widerspruch erfahren. Nichts desto weniger giebt es kein andres Mittel, um sich zu versichern, daß das CensurGesetz selbst nicht gleich nach seiner Erscheinung zur vollkommensten Nichtigkeit herabsinke, oder, welches eben so schlimm wäre, über die Auslegung und Anwendung desselben nicht tägliche Klagen und unabsehliche Streitigkeiten zwischen den einzelnen Bundesstaaten ausbrechen sollten. Vierter Grundsatz. In dem Gesetz müßte zugleich erklärt werden, daß in Ansehung aller der Druckschriften, die nicht zu einer oder der andern der oben bezeichneten Classen gehören, den einzelnen Staaten überlaßen bleibt, entweder vollkommne Preßfreiheit zu gewähren, oder die bisher bey ihnen bestandnen Vorschriften fortdauern zu laßen, oder, nach eigner Einsicht und eignem Bedürfniß, Abänderungen zu treffen.

189. Promemoria der Deputation der deutschen Buchhändler betreffend Erlaß eines organischen Gesetzes gegen den Büchernachdruck

BA Berlin-Lichterfelde, DB 1/I, Nr. 303, T. 1. Promemoria. Behändigte Reinschrift1; Anlage A2 und B: Druckschriften; Anlage C: Druckschrift mit handschriftlicher Ergänzung. Praes.: Frankfurt am Main, 15. Mai 1818. Teildruck: Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 4, S. 28−35 (= Anlagen A−C).

Bitte um Erlaß eines allgemeinen organischen Gesetzes gegen den Büchernachdruck durch die Deutsche Bundesversammlung, die eine Deputation der deutschen Buchhändler bereits auf dem Wiener Kongreß vorgetragen hat. In Anlage sind Dokumente beigefügt, welche die Deputation als Bevollmächtigte namhafter deutscher Buchhändler ausweisen.

Leipzig, Ostermesse 1818 Unterthänigstes Pro Memoria Durchlauchtigster Teutscher Bund! Die Unterzeichneten als bevollmächtigte Deputirte der teutschen Buchhändler überreichten im October 1814 den Erlauchten, bei dem Congresse zu Wien versammelten, Gesandten teutscher Staaten ehrerbietigst eine Denk1 Das Promemoria trägt oben den handschriftlichen Vermerk: „Vorgetragen in der 34. Sitz. v. 22. Juni 1818.“ (Vgl. ProtDBV 1818, 34. Sitzung vom 22. Juni 1818, § 159, S. 360−370, hier S. 360 f. sowie Dok. 192.) 2 Die Originalfußnote wird hier als Endnote wiedergegeben.

Nr. 189

Leipzig, Ostermesse 1818

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schrift über den Bücher-Nachdruck und zugleich Bittschrift um Bewirkung eines teutschen organischen Gesetzes gegen denselben.3 Sie hatten das Glück von dem Erlauchten Congresse anerkannt, und ihre unterthänigsten Vorstellungen; − welcher das4 13. Heft der Klüberschen gedruckten Acten des Wiener Congresses sämmtlich enthält5, − gnädigst aufgenommen zu werden. Unter diesen unterthänigsten Vorstellungen enthält die hier sub Lit. A angefügte gedruckte Beilage die richtige Darstellung des Geschäfts-Auftrags der Unterzeichneten, sowie ihre erhaltene Vollmacht, und die vollständige Liste ihrer sämmtlichen Committenten, zur Vertheidigung gegen ein schändliches falsum6, welches die Wiener Nachdrucker damals gegen die Deputation gewagt hatten, um ihre Würkung zu entkräften. Der Erlauchte Congreß, nur Teutschlands hohes und heiliges Gemeinwohl beachtend und kräftig begründend, achtete nicht auf solche boshafte Versuche der guten Sache der Nation zu schaden, und unsere wichtige Angelegenheit hatte das Glück mit in den 18. Artickel der teutschen Bundes-Acte, welcher den Unterthanen der teutschen Bundes-Staaten mehrere kostbare Rechte zusichert, aufgenommen, und sub Lit. d folgendermaasen bestimmt zu werden: „Die Bundes-Versammlung wird bei ihrer ersten Zusammenkunft sich mit Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die Preßfreiheit und die Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck be­schäftigen.“7 Durch diesen höchsterfreulichen Ausspruch und gnädigste Zusicherung sind die Unterzeichneten mit ihrem huldreichst anerkannten Gesuche nun an den Durchlauchtigsten teutschen Bund gewiesen, und ihre Sache also demselben übergeben worden. Um die Durchlauchtigste Bundes-Versammlung nun nicht zur Unzeit zu behelligen, und früher als dieselbe selbst unsere Angelegenheit in ihre Geschäftsreihe zu stellen geruhen würde, unsere unterthänigste Bitte derselben vorzutragen, ließen wir bis jetzt bescheiden unseren Auftrag ruhen; da der Durchlauchtigste Bund aber nunmehr unsere Sache in seine Geschäfts-Reihe zunächst selbst mit aufzustellen geruhet hat8, so erfordert es die Pflicht der Unterzeichneten ihren Auftrag und die unterthänigste Bitte der teutschen Buchhändler, 3 Abgedruckt in Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 4, S. 3−21. 4 Emendiert. Vorlage: der. 5 Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 4, S. 3−36. 6 Lat.: Fälschung. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 119. 7 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1517. 8 Vgl. u. a. Dok. 114, S. 491.

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Promemoria der Deputation der deutschen Buchhändler

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um kräftigen Schutz gegen den räuberischen Nachdruck durch ein allgemeines organisches Gesetz, der Durchlauchtigsten Bundes-Versammlung unterthänigst vorzutragen und zu gnädigster Gewährung, welcher wir hoffnungsvoll entgegen sehen, von neuem empfehlen. Leipzig, in der Ostermesse 1818. Dr. Friedrich Justin Bertuch G. Herz. S. Weimar. Legat. Rath Paul Gotthelf Kummer9 Friedrich Christian Wilhelm Vogel10 Johann Friedrich Hartknoch11 Carl Friedr. Enoch Richter12 Johann Friedrich Cotta von Cottendorf13 königl. preussischer Geheimer Hofrath14   9 Paul Gotthelf Kummer (1750–1835), Buchhändler und Verleger in Leipzig, 1801 Mitglied im Redaktionsausschuß der Buchhändlerdeputation und 1811–1833 Vorsitzender des Ausschusses für Zensur- und Raubdruckfragen der sächsischen Bücherkommission, 1814 Deputierter der deutschen Buchhändler auf dem Wiener Kongreß, rief während der Ostermesse 1817 zur Bildung einer neuen Interessenvertretung des Buchhandels auf und übernahm den Vorsitz des sogenannten Wahlausschusses, schloß sich dem 1825 gegründeten „Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig“ jedoch nicht an. Vgl. DBE, Bd. 6, S. 165; NDB, Bd. 13, S. 284−286; ADB, Bd. 51, S. 440 f. 10 Friedrich Christian Wilhelm Vogel (1774–1842), Buchhändler in Leipzig, 1814 Deputierter der deutschen Buchhändler auf dem Wiener Kongreß, 1817 Mitglied des Wahlausschusses der deutschen Buchhändler. Vgl. DBA I, 1311, 46–48; Schmidt-Funke, Auf dem Weg in die Bürgergesellschaft, S. 186. 11 Johann Friedrich Hartknoch (1768–1819), Buchhändler und Verleger in Riga, Leipzig, Rudolstadt und Dresden, 1814 Deputierter der deutschen Buchhändler auf dem Wiener Kongreß, 1817 Mitglied des Wahlausschusses der deutschen Buchhändler, erwarb sich Verdienste um die Organisation des Buchhandels. Vgl. DBA I, 447, 243 f.; NDB, Bd. 7, S. 717; SchmidtFunke, Auf dem Weg in die Bürgergesellschaft, S. 186. 12 Carl Friedrich Enoch Richter († 1831), Buchhändler in Leipzig, 1814 Deputierter der deutschen Buchhändler auf dem Wiener Kongreß, 1817 Mitglied des Wahlausschusses der deutschen Buchhändler. Vgl. Schmidt-Funke, Auf dem Weg in die Bürgergesellschaft, S. 163, 186 u. 497. 13 Johann Friedrich Cotta (seit 1817) von Cottendorf (1764–1832), württembergischer Verleger und Politiker, trat u. a. für die Pressefreiheit und gegen den Büchernachdruck ein, 1814 Delegierter der deutschen Buchhändler auf dem Wiener Kongreß, hatte wesentlichen Anteil am Zustandekommen der württembergischen Verfassung von 1819 und war 1826–1830 Vizepräsident der Zweiten Kammer des württembergischen Landtags, 1822 Erhebung in den erblichen Freiherrnstand durch König Maximilian I. Joseph von Bayern. Vgl. DBE, Bd. 2, S. 384; NDB, Bd. 3, S. 376−379; ADB, Bd. 4, S. 527−533. 14 Es folgt unten links der Kanzleivermerk: „Durch Herrn L. Sr Dr. Olbers überbracht[,] Handel“. Georg Heinrich Olbers (1790–1861), bremischer Jurist und Politiker, 1809 Studium der Rechte in Göttingen, 1813 Eintritt in den französischen Staatsdienst als Gerichtsbeisitzer,

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[Anlage A: Eingabe der Deputation deutscher Buchhändler, worin sie der Behauptung widersprechen, nur Vertreter der Leipziger Buchhändler zu sein] Die Unterzeichneten haben unter dem heutigen Dato einen so eben erschienenen Nachdruck ihrer dem Erlauchten Congresse übergebenen Denkschrift mit angeblichen Berichtigungen erhalten, und finden es nöthig, wegen bedeutender Verfälschung, die sich darin findet, öffentlich ein Wort darüber zu sagen. Es war zu erwarten, daß die Nachdrucker, geängstigt durch die Deputation, welche vom Buchhändlerstand und in dem Sinne der gesammten deutschen Gelehrten an den erhabenen Congreß nach Wien gesendet wurde, um für die Zukunft Schutz und gesetzliche Sicherstellung wegen des so sehr gekränkten literarischen Eigenthums zu suchen, Nothwaffen nach ihrer Art ergreifen würden. Ihre Beklommenheit mußte steigen, da sie hörten, daß die edelsten Männer der deutschen Nation, ein Fürst Metternich und Baron v. Wessenberg als Organe von Österreich, Fürst Hardenberg und Baron von Humbold als solche von Preußen, Fürst Wrede von Baiern, Graf Münster15 von Hannover u. a. m. die Rechtlichkeit, das Zeitgemäße jenes Gesuches erkannten, und ­ihren vollen Schutz dieser, − das geistige Wohl aller, durch die deutsche Sprache, als wahrem Nationalband verbundenen Völkerstämme befördernden − Sache zu versprechen geruhten. Diese hocherleuchteten Staatsmänner würden, wenn nur von dem Privatinteresse deutscher Kaufleute die Rede gewesen wäre, der obgedachten Deputation keineswegs Gehör gegeben, und sie

1813 Zuweisung zur Präfektur des Departements der Elbemündung, 1815 Generalauditeur der hanseatischen Truppen im Feldzug gegen Frankreich, 1816−1819 Privatsekretär des bremischen Bundestagsgesandten Johann Smidt und zeitweilig Legationssekretär der 17. Bundestagskurie in Frankfurt, 1822 zweiter Ratssyndikus, 1825–1860 Senator, 1834–1860 Leiter der Bremer Polizei. Vgl. Schulte/Wurthmann (Bearb.), Nachlass Johann Smidt Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen, S. 308; Wurthmann, Senatoren, Freunde und Familie, S. 500; DBA I, 915, 168 f. 15 Ernst Friedrich Herbert (seit 1792) Reichsgraf zu Münster-Ledenburg (1766–1839), hannoverscher Staatsmann, 1784–1787 Studium der Rechte in Göttingen, 1787 Auditor bei der Justizkanzlei in Hannover, 1791 Hof- und Kanzleirat, seit 1793 Begleiter des Prinzen August von England, des späteren Herzogs von Sussex, und mehrjähriger Aufenhalt in Italien (1794– 1798), 1797 Ernennung in Abwesenheit zum Wirklichen Kammerrat, 1798 Rat bei der Domänenkammer in Hannover, 1801–1804 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in St. Petersburg, 1805 Leiter der Deutschen Kanzlei in London (bis 1831) sowie Staats- und Kabinettsminister bei der Person des Königs, 1814/15 Erster Bevollmächtigter Hannovers auf dem Wiener Kongreß, 1819–1831 Erblandmarschall der hannoverschen Stände. Vgl. ADB, Bd. 23, S. 157–185; Allgemeine hannoversche Biographie, Bd. 2, S. 347–376; NDB, Bd. 18, S. 533–535; DBA  I, 875, S. 241–264; Jeserich/Neuhaus (Hrsg.), Persönlichkeiten der Verwaltung, S. 84–88; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 188 f.; Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815–1945, Rh. A, Bd. 10, S. 127.

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als unstatthaft zurückgewiesen haben. Doch dieses war keineswegs der Fall. Sie erkannten im Gegentheil an, daß die bisherige Duldung des Nachdrucks in einigen Staaten nur die traurige Folge der durch die letzten Zeitperioden herbeygeführten gewaltsamen Reibungen und Trennungen, wo selbst sonst innig vereinigte Staaten feindlich gegenüber standen, sey, und daß das große Befreyungswerk Deutschlands, auch durch gerechte, und gesetzlich feste Bestimmung des Geisteseigenthums nach dem Vorgange benachbarter europäischer Staaten, worunter die neuesten Verordnungen der vereinigten Niederlande16 und von Toscana17 sich auszeichnen, gekrönt werden müsse. Im festen und ehrfurchtsvollen Vertrauen auf die zu wiederhohlten Mahlen erhaltene hohe und gnädige Zusicherung, daß allen bisherigen sophistischen Discussionen und Verdrehungen über das literarische Eigenthum durch feste gesetzliche Bestimmungen ein Ende gemacht werden solle, könnten die unterzeichneten Deputirten zum Nachdruck ihrer Denkschrift, (denn die durch Parteygeist eingegebenen, und der Hauptsache stets ausweichenden Noten verdienen gar keine Beantwortung*), schweigen. Doch die Verfälschung, die sich der anonyme Herausgeber dabey erlaubt hat, macht es nothwendig, diese öffentlich aufzudecken. Diese Verfälschung, welche den ganzen Gesichtspunct, aus dem die Deputation zu betrachten ist, zu verrücken strebt, und ihm eine einseitige egoistische Absicht unterschieben möchte, betrifft nichts Geringeres als den Titel selbst. Dieser lautet in der von uns überreichten Schrift folgender Maßen: Denkschrift über den Büchernachdruck, zugleich Bittschrift um Bewirkung eines deutschen Reichsgesetzes gegen denselben. Den Erlauchten, bey dem Congreß zu Wien versammelten Gesandten deutscher Staaten ehrerbiethigst überreicht im Nahmen deutscher Buchhändler. Dagegen gibt der Nachdruck den Titel ganz abweichend so: Denkschrift gegen den Büchernachdruck. Den am Wiener Congresse versammelten Gesandten von einer Deputation der Leipziger Buchhändler überreicht, mit Berichtigungen der darin aufgestellten irrigen Ansichten von einem Österreicher.18 16 Vgl. Dekret vom 23. September 1814, in: Romberg, Compte rendu des travaux du congrès de la propriété littéraire et artistique, Vol. 2, S. 57−59 (Auszug); sowie Gesetz vom 25. Januar 1817, Staatsbladen von het Koningrijk der Nederlanden over de jaren 1813−1840, S. 247 (niederländisch) und Romberg, Compte rendu, Vol. 2, S. 59−61 (Auszug, frz.). Vgl. dazu auch Schriks, Het Kopijrecht 16de tot 19de eeuw, S. 420−427. 17 Vgl. „Proibizione di stampar Libri o altre cose senza l’opportuna licenza“, Florenz, 30. Mai 1814, Leggi del Gran Ducato della Toscana 1, 1814, S. 53 f. 18 [Martin Spahn,] Denkschrift gegen den Büchernachdruck. Den am Wiener-Congresse versammelten Gesandten von einer Deputation der Leipziger Buchhändler überreicht, mit Berichtigungen der darin aufgestellten irrigen Ansichten von einem Oesterreicher. O. O. [1815].

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In der Änderung deutscher Buchhändler in Leipziger Buchhändler, darin liegt die unverzeihliche Verfälschung, die man sich bey dem Nachdruck erlaubt hat. Die unterzeichneten Deputirten kamen nicht bloß als Abgeordnete der Leipziger Buchhändler nach Wien, sondern als Abgeordnete der angesehensten Buchhandlungen aller deutschen Staaten, die österreichische Monarchie mit einbegriffen. Da man nun durch jene Verfälschung in den Augen des Publicums die Gesammtsache der deutschen Literatur bloß zu einer Privatsache der Leipziger Buchhändler hat machen wollen, so ist es nothwendig, hier die Vollmacht, welche die unterzeichneten Deputirten von 8219 der achtungswerthesten Buchhandlungen Deutschlands zu ihrer Sendung empfingen, abdrucken zu lassen. Sie sind dieses dem Zutrauen ihrer Committenten, so wie der wichtigen Angelegenheit, welche sie zu vertreten gewürdigt worden sind, schuldig. Wien den 27ten Januar 1815. Cotta   Bertuch20 *

Was die rechtlichen Bestimmungen in Bezug auf den Nachdruck betrifft, die in gedachten Noten in Zweifel gezogen werden, so verweisen wir den Verfasser derselben auf einen der ersten österreichischen Rechtsgelehrten, den kaiserl. königl. Hofrath, Herrn v. Zeiler, in seinem natürlichen Privatrecht (Wien, bey Wappler und Buck 1808, 2te Auflage,) wo der § 158 folgendes sagt: Die Geschäftsführung ohne Auftrag (negotiorum gestio) ist kein Vertrag. Wer sich jedoch den dadurch bewirkten Vortheil zuwenden will, muß sich auch den damit verknüpften Ersatz des Aufwandes gefallen lassen. Mengte sich sogar jemand gegen den Willen des dritten in ein, bereits einem andern aufgetragenes, Geschäft, so verletzte er beyde in ihrem Rechte, und wäre beyden dafür verantwortlich. Aus diesem Gesichtspuncte läßt sich auch über die Rechtlichkeit des Büchernachdrucks urtheilen. Der Schriftsteller bevollmächtiget ausschließend seinen Verleger, in seinem Nahmen21 mit dem Publico zu sprechen. Der Nachdrucker mengt sich unberufen in das Geschäft ein, und entzieht dem rechtmäßigen Verleger den Vortheil, den er aus dem ihm überlassenen Rechte ziehen konnte und wollte. Er handelt somit widerrechtlich.22

19 Von „81“ in der ursprünglichen Druckfassung (von 1814) handschriftlich in „82“ umgeändert. Vgl. Anlage C. 20 Carl Bertuch (1777–1815), Weimarer Schriftsteller und Journalist, einziger Sohn Friedrich Justin Bertuchs, war 1814/15 in Vertretung seines Vaters Bevollmächtigter der deutschen Buchhändler auf dem Wiener Kongreß, verstarb als Schwarzburg-Rudolstädtischer Landkammerrat. Vgl. DBE, Bd. 1, S. 489; ADB, Bd. 47, S. 753 f. 21 In der Druckfassung folgt der Einschub: durch den Druck. 22 Vgl. Franz Edler von Zeiller, Das natürliche Privat-Recht. 2. Aufl. Wien 1808, § 138 (sic), S.  175 f.

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[Anlage B: Vollmacht für die Deputation der deutschen Buchhändler] Vollmacht. Da sich nach der glücklichen Wiederbefreyung Deutschlands auch die Wiederbelebung, Reinigung, und eine neue bessere Organisation seines so wichtigen Buchhandels höchst nöthig macht, und diese in gegenwärtiger sehr günstigen Periode sicher zu hoffen steht, so haben sich folgende, mit warmen und thätigen Eifer für die gemeinsame gute Sache der Literatur und des Buchhandels belebte Männer, nämlich: 1. Herr Paul Gotthelf Kummer zu Leipzig, 2. Herr Franz Christian Wilhelm Vogel zu Leipzig, 3. Herr C. Fr. Enoch Richter zu Leipzig, 4. Herr Dr. J. G. Cotta zu Tübingen, 5. Herr Joh. Friedr. Hartknoch zu Leipzig, 6. Herr Legationsrath Fr. Just. Bertuch zu Weimar zusammen verbunden, mit vereinter Kraft, und im Nahmen und Auftrag aller soliden und redlich gesinnten deutschen Buchhandlungen, zur Erreichung des obgedachten heilbringenden, und den deutschen Buchhandel allein sichernden Zwecks von jetzt an zu arbeiten, und thätigst zu wirken. Wir bevollmächtigen also dieselben hiermit, und durch unsere eigenhändige Unterschrift, als unsere Deputirten für dieß Geschäft in unserem Nahmen nach ihren besten Einsichten und erprobten praktischen Kenntnissen in dieser Sache zu handeln und thätigst zu wirken, und genehmigen vorläufig jeden Schritt, den sie gemeinschaftlich zur Erreichung dieses für ganz Deutschland so heilsamen Zwecks, beschließen und thun werden. Geschehen zu Leipzig in der Jubilate Messe 1814. Obigen ehrenvollen Auftrag unserer verehrten Herren Collegen nehmen wir hiermit, als Ihre Deputation, dankbar für Ihr Vertrauen an, und versprechen als Männer von Ehre für die gemeinsame gute Sache thätigst zu wirken. 1. Paul Gotthelf Kummer. 2. Friedr. Christ. Wilh. Vogel. 3. Carl Friedr. Enoch Richter. 4. Dr. Cotta. 5. Joh. Friedr. Hartknoch. 6. Dr. Friedrich Justin Bertuch, welcher zugleich das Secretariat der Gesellschaft übernimmt.

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[Anlage C: Liste der Unterzeichner der Vollmacht für die Deputation der deutschen Buchhändler] Liste der Unterzeichner.23   1. Gerhard Fleischer in Leipzig.   2. Hahn’sche Verlagsbuchhandlung in Leipzig.   3. Gebr. Hahn in Hannover.   4. Georg Aug. Grieshammer in Leipzig.   5. Wilhelm Gottl. Korn in Breslau.   6. Carl Tauchnitz in Leipzig.   7. Friedr. Frommann in Jena.   8. Breitkopf et Härtel in Leipzig.   9. Horvath in Potsdam. 10. Orell, Füßli et Comp. in Zürich. 11. Duncker et Humblot in Berlin. 12. Friedr. Wilmanns in Frankfurt am Main. 13. J. L. Brede in Offenbach. 14. Joh. Christ. Hermannsche Buchhandlung in Frankfurt am Main. 15. Schnuphase in Altenburg. 16. Vossische Buchh. in Berlin. 17. Friedr. Nicolovius in Königsberg. 18. Gebr. Gädicke in Berlin. 19. Weygandsche Buchhandl. Jasper in Leipzig. 20. Mohr et Zimmer in Heidelberg. 21. Boselli in Frankfurt am Main. 22. G. Hayn in Berlin. 23. Wilhelm Starke in Chemnitz. 24. Hemmerde et Schwetschke in Halle. 25. Schneider et Weigel in Nürnberg. 26. NN. Sauerländer in Aarau. 27. Joh. Friedr. Röwer in Göttingen. 28. Carl Aug. Frieße aus Pirna. 29. Joh. Carl Gottfr. Wagner in Neustadt an der Orla. 30. E. F. Amelang Y in Berlin. 31. E. A. Stuhr > 32. Schulbuchhandlung in Braunschweig. 33. Fr. Vieweg in Braunschweig. 34. Für J. E. Seidel in Sulzbach. 35. Buchhandlung des Waisenhauses von Halle. 36. G. Müller aus Gießen. 37. Joh. Ambr. Barth in Leipzig. 38. Andrä’nische Handlung Y in Frankfurt > am Main. 39. Varrentrapp et Sohn 40. Joseph Lindauer in München. 41. Vandenhoeck et Rupprecht aus Göttingen.

42. N. Koch in Schleswig. 43. Campe in Nürnberg. 44. Samuel H. Zimmermann in Wittenberg. 45. E. Heyder in Erlangen. 46. K. E. Stiller in Rostock. 47. Carl Nauck in Berlin. 48. Russische Verlagshandlung in Halle. 49. Erdmann Ferdinand Steinacker in Leipzig. 50. F. Temsky, Firma J. G. Calve in Prag. 51. G. Voßsche Buchhandl. in Leipzig. 52. E. J. G. Hartmann d. J. W. Felding aus Riga. 53. J. W. Hitzig aus Berlin. 54. Justus Perthes in Gotha. 55. Joh. Georg Heyse in Bremen. 56. Caspar Widtmann in Prag. 57. Weidmannsche Buchhandlung in Leipzig. 58. Friedr. Jos. Ernst in Quedlinburg. 59. K. A. Rottmann in Berlin. 60. H. L. Brönner in Frankfurt am Main. 61. F. G. Baumgärtner in Leipzig. 62. Industriecomptoir in Leipzig. 63. Fr. Aug. Leo in Leipzig. 64. Für H. Hinnrichs, Herold in Leipzig. 65. Carl Franz Koehler in Leipzig. 66. Aug. H. Unzer in Königsberg. 67. Carl Schaumburg et Comp. in Wien. 68. Friedr. Maurer in Berlin. 69. Joh. Benj. Georg Fleischersche Buchhandlung in Leipzig. 70. Carl Gerold in Wien. 71. Maurersche Buchhandl. zu Berlin. 72. Beckersche Buchhandlung zu Gotha. 73. G. J. Goeschen in Grimma. 74. Hoffmannsche Hofbuchhandlung in Weimar. 75. Landes-Industriecomptoir in Weimar. 76. Geographisches Institut in Weimar. 77. Hof- Buch- und Kunsthandlung in Rudolstadt. 78. B. F. Voigt in Sondershausen. 79. Wilhelm Hennings in Erfurt. 80. G. A. Keysersche Buchhandlung in Erfurt. 81. Camesinasche Buchhandlung in Wien. 82. Dr. Eberhardt für die Rengersche Buchh. in Halle.

23 Nr. 82 wurde nachträglich handschriftlich ergänzt.

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Sachsen-weimarischer Antrag über die Pressefreiheit

Nr. 190

190. Sachsen-weimarischer Antrag über die Pressefreiheit und den Mißbrauch derselben

ProtDBV 1817, 19. Sitzung vom 20. April 1818, § 99, S. 257–259. Antrag. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 5, 1818, S. 204−206; Collmann, Quellen, Materialien und Commentar des gemein deutschen Preßrechts, S. 163−168.

In der durch den Deutschen Bund garantierten sachsen-weimarischen Verfassung wird das Recht auf Freiheit der Presse anerkannt und gesetzlich begründet. In Artikel 18 der Deutschen Bundesakte war das schon früher von allen Bundesgliedern geschehen. Für den Staatsbürger wird die Ausübung dieses Freiheitsrechts durch das Wohl des Ganzen und die Rechte des einzelnen beschränkt. Durch den Grundsatz der Pressefreiheit begibt sich der Staat nicht des Rechts, den Mißbrauch derselben zu hindern und zu ahnden. Mehrere Vorfälle in neuerer Zeit scheinen indessen zu beweisen, daß eine bestimmtere und umfassendere Gesetzgebung über diesen Gegenstand notwendig ist. Um ein isoliertes Vorgehen Sachsen-Weimars zu vermeiden, ergehen folgende Anträge an die Bundesversammlung: 1. der Deutsche Bund möge gleich­ förmige Bestimmungen über den Gebrauch der Presse in Deutschland verabschieden; 2. nach den nunmehr gemachten Erfahrungen möge der Deutsche Bund nochmals seine Ansicht über die im Grundsatz von demselben anerkannte freie Presse des Großherzogtums erklären und gegebenenfalls zur Erhaltung der Ruhe und Sicherheit die gewünschten Grenzen der Regulierung der Presse aufzeigen, damit das gute Einvernehmen der großherzoglichen Regierung mit den Regierungen der übrigen Bundesstaaten aufrechterhalten werden kann.

Frankfurt am Main, 20. April 1818 In der von dem deutschen Bunde garantirten Sachsen-Weimar-Eisenachschen Grundverfassung wird das Recht auf Freiheit der Presse anerkannt und gesetzlich begründet.1 Das war früher schon in dem 18. Artikel der Bundes­acte2 von allen Bundesgliedern geschehen. Für den Staatsbürger wird indessen die Uebung jeder Freiheit durch das Wohl des Ganzen und die Rechte der Einzelnen beschränkt. Vernünftiger Weise kann daher nicht angenommen werden, daß sich der Staat, indem er den Grundsatz der Preßfreiheit ausspricht, des Rechts und der Pflicht begebe, den Mißbrauch derselben, so weit es möglich, zu hindern, und, wenn er dennoch eingetreten ist, zu ahnden. Seine Königliche Hoheit der Großherzog, solchen Mißbräuchen um so abgeneigter, je mehr Sie Freund der dadurch gestörten gesetzlichen Ordnung und einer freien Gedanken-Mittheilung sind, haben daher auch jederzeit diesen Mißbräuchen durch zweckmäsige Verordnungen entgegen zu wirken sich 1 Vgl. Grundgesetz über die Landständische Verfassung des Großherzogtums Sachsen-WeimarEisenach, Weimar, 5. Mai 1816, in: Boldt (Hrsg.), Reich und Länder, S. 266−294, hier S. 294, außerdem Dok. 146, 147 und 148 sowie die Einleitung, S. LXXVII f. 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1517.

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Frankfurt am Main, 20. April 1818

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bestrebt. Mehrere neuere Vorfälle scheinen indessen zu beweisen, daß eine bestimmtere und umfassendere Gesetzgebung über diesen Gegenstand in dem Großherzogthume nöthig sey.3 Von Seiner Königlichen Hoheit ist daher zwar auch unter dem 6. April eine Verordnung gegen Preß-Mißbräuche erlassen worden.4 Da Höchstdieselben aber theils wohl einsehen, daß solche für den beabsichtigten Zweck nicht hinreichend sey, theils in einer aus so vielen zum Theil kleineren Staaten bestehenden Gesammtheit Gleichförmigkeit in den Grundsätzen für ein wesentliches Erforderniß halten; so bin ich ausdrücklich angewiesen, nachstehende, in einem höchsten Rescripte vom 6. dieses Monats enthaltene Erklärung, resp. Antrag, in Höchstdero Namen zu Protokoll zu geben5: „Seit der deutsche Staatenbund die Verfassung Unserer Lande garantirte, und dabei, hinsichtlich der darin enthaltenen Freiheit der Presse, eine Ausnahme nicht begründete, mußten Wir, gewohnt nach Grundsätzen zu regieren, auch diesen anerkannten Grundsatz der Preßfreiheit aufrecht erhalten, wenn Wir gleich den Mißbrauch dieses, Unsern Unterthanen verfassungsmäsig ­zustehenden Rechts, wo er in Frechheit 6und Frevel6 ausartete, stets prompt untersuchen und gesetzlich darüber erkennen lassen. Der Grundsatz selbst brachte es indessen mit sich, daß, besonders von den Zeitungs- und JournalSchriftstellern, mit Beiseitsetzung der Rücksichten, welche Zartgefühl oder Klugheit gebieten, die Freimüthigkeit in Erörterung von Grundsätzen weiter getrieben werden konnte, als sich mit den Regierungs-Maximen anderer Staaten verträgt, oder in die Ansichten der Cabinette paßt, oder endlich als heilsam für die Ruhe der Völker hier und da beurtheilt wird. Publicität des Conflicts der Meinungen und Interessen, hinsichtlich der Formen der bürgerlichen Gesellschaft, der öffentlichen Angelegenheiten Deutschlands oder Europas, ist aber, in Deutschland wenigstens, so unmittelbare Folge der censurfreien 3

Anspielung auf das von der Burschenschaft veranstaltete Fest auf der Wartburg, wo es auch zu Bücherverbrennungen gekommen war, die dadurch ausgelöste Presseberichterstattung über das studentische Treiben und die Reaktion der sachsen-weimarischen Behörden. Weimarische Blätter hatten dabei in oft heftigem Ton deutsche Regierungen angegriffen und dadurch zumal in Berlin und Wien eine Mißstimmung gegen die Weimarer Regierung erzeugt. Daraufhin wurde die projektierte Burschen-Zeitung verboten, während die Heraus­ geber des Oppositions-Blatts und des Volksfreundes geschärfte Verwarnungen erhielten. Vgl. Collmann, Quellen, Materialien und Commentar des gemein deutschen Preßrechts, S. 166 f. Anm. 6; zur Pressepolitik Sachsen-Weimars und seinen Aktivitäten am Bundestag vgl. auch Ehrentreich, Die freie Presse in Sachsen-Weimar, S. 79−81. 4 Sachsen-weimarische Verordnung gegen den Mißbrauch der Presse, Weimar, 6. April 1818, Großherzogl. Sachsen-Weimar-Eisenachisches Regierungs-Blatt 1818, S. 29−32. 5 Vgl. Weisung Großherzog Carl Augusts von Sachsen-Weimar an Hendrich, Weimar, 6. April 1818, BA Berlin-Lichterfelde, DB 1/I, Nr. 332, T. 1 (Abschrift). 6−6 Fehlt in der Weisung Carl Augusts an Hendrich (wie Anm. 5).

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Sachsen-weimarischer Antrag über die Pressefreiheit

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Presse, daß, wer sie im Princip anerkannte, diese Folgen genehmigt zu haben erachtet werden mag. Daher würde kaum ein Gesetz sie so glücklich zu bedingen vermögen, daß, während der Mißbrauch gänzlich ausgeschlossen würde, die Freimüthigkeit der Presse noch fortdauern könnte“. „So einleuchtend dieß ist, so haben Wir doch häufig und mit Schmerz erfahren müssen, daß man die Consequenz Unserer Behörden in Aufrechthaltung des Grundsatzes der freien Presse, als Bestandtheils der garantirten Verfassung des Landes, auf welche sie vereidet sind, mit Unwillen betrachtet, deren Motive verkannt und ungeachtet des Bestrebens derselben, die Preßfrevel zu strafen, dennoch einen Mangel an Bereitwilligkeit, dem Unfug der Presse zu steuern, in den Vorschriften derselben hat zu finden geglaubt. Ehe Wir daher über diese Angelegenheit durch Gesetzgebung irgend etwas Neues bestimmen, müssen Wir Uns, je mehr Wir die Natur des Gegenstandes und die Beziehung desselben auf alle übrigen Bundesstaaten und den Bund selbst erwägen, um so dringender veranlaßt finden, zuvor den Rath und die Erklärung des durchlauchtigsten deutschen Bundes darüber zu vernehmen, damit bei Uns, weder im Prinzip, noch in den Folgen eine Isolation von den Grundsätzen statt zu finden oder beabsichtigt zu werden scheine, welche die gesammten Souveraine des Bundes als statthaft in ihren Staaten oder als heilsam dem Ganzen anzuerkennen für nöthig befinden. Was auf den Grund des Art. 18 der Bundesacte der durchlauchtigste Bund, hinsichtlich der Art und des Grades des Gebrauchs der Presse, in Deutschland gleichförmig zu verfügen für zweckmäsig erachten wird, das werden Wir kräftigst in Unsern Landen als Gesetz handhaben“. Hier soll ich förmlich darauf antragen: 1) „daß es dem durchlauchtigsten deutschen Bunde gefallen wolle, etwas Gleichförmiges über den Gebrauch der Presse in Deutschland zu bestimmen, welches, bei der nicht zu verkennenden verschiedenen Lage der einzelnen Bundesstaaten, geeignet seyn könne, den Verhältnissen aller und ihren gegenseitigen Beziehungen angemessen zu seyn“; 2) „daß der durchlauchtigste deutsche Bund nach nunmehr gemachten ­Erfahrungen, nochmals seine Ansicht über die im Grundsatz von demselben anerkannte freie Presse des Großherzogthums erklären, und die Bedenken eröffnen möge, welche ihm, hinsichtlich der Erhaltung der Ruhe und innern Sicherheit, bei dem Gebrauche derselben beigehen, wodurch sich zugleich ergeben wird, welche Grenzen der Regulirung derselben gewünscht werden, um das gute Einverständniß der Großherzoglichen Regierung mit den übrigen Regierungen aufrecht zu erhalten, auf ­welches Seine Königliche Hoheit der Großherzog den höchsten Werth legen“.

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191. Metternich an Buol

HHStA Wien, Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt, Kart. 2, Konv. 2 (Ministerialreskripte 1818), fol. 124−127. Weisung. Behändigte Ausfertigung.

Vertrauliche Mitteilung der sachsen-weimarischen Verordnung gegen den Mißbrauch der Presse vom 6. April 1818 und eines zu erwartenden Antrags Sachsen-Weimars in der Bundesversammlung auf Beschließung gleichförmiger Bestimmungen über den Gebrauch der Presse in Deutschland. Angesichts der Verschiedenheit der Gesetzgebung über die Presse in den deutschen Bundesstaaten ist eine einstimmige Ansicht im Bundestag, ohne die eine gleichförmige Gesetzgebung nicht zustande kommen kann, nicht zu erwarten. Die Regulierung der Presse gehört zur inneren Landespolizei, und die Regierungen wissen am besten, welcher Grad an Pressefreiheit zuträglich und wie dem Mißbrauch der Presse zu begegnen ist. Eine allgemeine Bindung der Bundesstaaten ist keineswegs notwendig und auch der Natur und Bestimmung des Deutschen Bundes nicht angemessen. Allerdings erfordert die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung in Deutschland und der freundschaftlichen Verhältnisse zwischen den Bundesstaaten Beratungen am Bundestag über Verletzungen und Beeinträchtigungen, die anderen Staaten aus einzelstaatlichen Regelungen erwachsen könnten. Die unbestimmte Fassung des Artikels 18d der Deutschen Bundesakte bezieht sich allein darauf. Hierdurch erledigt sich auch der beabsichtigte zweite Antrag Sachsen-Weimars. Behält sich nach Einbringung des sachsen-weimarischen Antrags weitere Instruktionen in dieser Sache vor und bittet Buol um Übersendung der Ausarbeitung des Bundestagsgesandten Berg über den Artikel 18d der Deutschen Bundesakte, bevor man zu weiteren Maßregeln schreite.

Wien, 25. April 1818 Hochgeborner Graf! Der Großherzoglich Weimar’sche Minister v. Fritsch1 hat dem Grafen Bombelles2 zu Dresden eine von der Weimar’schen Regierung erlaßene Verord1 Karl Wilhelm Freiherr von Fritsch (1769−1851), sachsen-weimarischer Staatsmann, Studium in Jena und Leipzig, 1789 Regierungsassessor in Weimar, 1791 Regierungsrat und Mitglied der Generalpolizeidirektion, 1805 Direktor der Generalpolizeidirektion, 1807 Präsident des Landespolizeikollegiums, 1811 Mitglied des Geheimen Consiliums, 1815 Wirklicher Geheimer Rat und Staatsminister, 1819 zugleich Außenminister, 1843 Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen. Vgl. ADB, Bd. 8, S. 113−115; NDB, Bd. 5, S. 623 f.; DBE, Bd. 3, S. 494; DBA  I, 353, 67−73; DBA II, 409, 427 f.; DBA III, 268, 424 u. 269, 41 f. 2 Ludwig Philipp Graf von Bombelles (1780−1843), österreichischer Diplomat französischer Abstammung, 1804 Gesandtschaftssekretär unter Metternich in Berlin, 1808−1813 Geschäftsträger ebd., 1811 Legationsrat, 1814 Geschäftsträger in Paris, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister 1815/16 in Kopenhagen, 1816−1820 in Dresden und Weimar, 1821−1829 in Florenz, Lucca und Modena, 1834−1837 in Turin und 1837−1843 in Bern. Vgl. Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 275 f. u. 280; ÖBL, Bd. 1, S. 101; NDB, Bd. 2, S. 440 f.; DBA  I, 124, 97−103; DBA  II, 152, 308−310; DBA  III, 97, 459 f.; HLS, Bd. 2, S. 556; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 290 u. 299.

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Metternich an Buol

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nung gegen Preß-Mißbräuche3, zugleich aber die Euer Excellenz bereits ­bekannte, an den Weimar’schen Gesandten beim Bundestage ergangene Instruction vom 6. d. M.4 den nähmlichen Gegenstand betreffend, vertraulich mitgetheilt. Da zu erwarten steht, daß der Weimar’sche Gesandte in Gefolge dieser Instruction nächstens einen förmlichen Antrag beim Bundestage machen wird5, so halte ich es für nöthig, Euer Excellenz vorläufig zu eröffnen, aus welchem Standpuncte wir diese Sache betrachtet und behandelt zu sehen wünschen. Es ist auf den ersten Anblick allerdings befremdend daß die Instruction, durch welche dem Weimar’schen Bundestags-Gesandten zu erkennen gegeben wird, „der Großherzog finde sich dringend veranlaßt, ehe in Ansehung der Preßfreyheit in seinem Staate durch Gesetzgebung etwas Neues bestimmt werde, zuvor den Rath und die Erklärung des Bundestages zu vernehmen“6 − von demselben Tage datirt ist, an welchem die obgedachte neue Verordnung, die doch in jedem Falle wenigstens als ein provisorisches Gesetz angesehen werden muß, publiziert wurde. Indeßen mag dieser Wiederspruch vor der Hand ungerügt bleiben, da aus der Instruction übrigens die nicht un­ erfreuliche Thatsache hervorgeht, daß der Herr Großherzog die aus seiner bisherigen Nachgiebigkeit gegen unbescheidene Schriftsteller für ihn selbst entstandenen Verlegenheiten und Mißverhältniße lebhaft fühlt, auch die Verordnung vom 6. April, wenn gleich noch manchens daran auszustellen wäre, im Ganzen in einem guten, und besonders mit der Achtung gegen auswärtige Regierungen nicht unverträglichen Sinne abgefaßt ist. Was nun die Anträge betrift, welche der Großherzoglich Weimar’sche Gesandte an den Bundestag gelangen laßen soll, so biethen sich darüber folgende Bemerkungen dar. ad 1. Das Verlangen, „daß der Bund über den Gebrauch der Preße in Deutschland etwas Gleichförmiges bestimmen möge, welches bei der nicht zu verkennenden verschiedenen Lage der Bundesstaaten den Verhältnißen und gegenseitigen Beziehungen aller entsprechend wäre“7, − scheint mir bedeutenden Schwierigkeiten zu unterliegen. Nicht nur, wie der Großherzog hier selbst anerkennt, in der Lage, den Verhältnißen und den gegenseitigen Beziehungen, sondern besonders auch in dem dermaligen Zustande der Ge3 Sachsen-weimarische Verordnung gegen den Mißbrauch der Presse, Weimar, 6. April 1818, Großherzogl. Sachsen-Weimar-Eisenachisches Regierungs-Blatt 1818, S. 29−32. 4 Vgl. Weisung Großherzog Carl Augusts von Sachsen-Weimar an Hendrich, Weimar, 6. April 1818, BA Berlin-Lichterfelde, DB 1/I, Nr. 332, T. 1 (Abschrift). 5 Vgl. Dok. 190. 6 Vgl. ebd. S. 898. 7 Vgl. ebd. S. 898.

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Wien, 25. April 1818

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setzgebung über die Preße in den einzelnen deutschen Bundesstaaten, herrscht eine so wesentliche Verschiedenheit, daß sich nicht wohl absehen läßt, wie sie durch ein allgemein geltendes Gesetz gehoben werden könnte. Denn so schwer es halten würde, diejenigen Bundesstaaten welche die Censur abgeschafft, und die Rüge der Preßmißbräuche den gerichtlichen und fiscalischen Behörden überlaßen haben, dahin zu vermögen, daß sie dieser Neuerung entsagten, und die Censur wieder einführten, so unbillig und unausführbar wäre es auf der andern Seite, solchen Staaten, welche von der Nothwendigkeit der Censur-Anstalten, und dem Vorzuge derselben vor dem unsichern, mit zahl­ losen Inconvenienzen verknüpften System der gerichtlichen Verfolgung der Preß-Mißbräuche fortdauernd überzeugt sind, die Abschaffung der Censur zuzumuthen. Über diesen Punkt läßt sich folglich bei der gegenwärtigen Lage der Sache, eine einstimmige Ansicht auf dem Bundestage, ohne welche doch die gewünschte gleichförmige Gesetzgebung nie zu Stande kommen könnte, nicht nur nicht erwarten, sondern kaum als möglich betrachten. Nach meiner Meynung ist es aber auch keineswegs nothwendig, ja vielleicht der richtigen Ansicht von der Natur und Bestimmung des deutschen Bundes nicht einmal angemeßen, die einzelnen Bundesstaaten, in Betreff eines durchaus in das Gebieth der innern Landes-Polizey gehörenden Gegenstandes, wie die Regulierung der Preße, durch allgemeine Vorschriften binden zu wollen. Jede Regierung muß am besten wißen und beurtheilen, welchen Grad von Preßfreyheit, und welche Art von Garantie gegen den Mißbrauch der Preße, ihrer eigenen Sicherheit und den wohlverstandenen Bedürfnißen ihrer Unterthanen am zuträglichsten ist. Dagegen erfordert die Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung in Deutschland und der freundschaftlichen Verhältniße zwischen den sämmtlichen Bundesstaaten, daß, wie auch die innere Gesetzgebung in Bezug auf die Preße in jedem einzelnen Staate geordnet seyn mag, aller Verletzung und Beeinträchtigung, die anderen Staaten daraus erwachsen könnte, aufs wirksamste vorgebeugt werden muß; und die Erörterung der diesem letzteren Zwecke am besten entsprechenden Maßregeln, ist nicht nur ein für gemeinschaftliche Berathungen am Bundestage vollkommen geeignetes, sondern auch in der jetzigen Lage von Deutschland ein nothwendiges und dringendes Geschäft. Die unbestimmte Abfaßung des 18. Artickels der Bundes-Acte8 giebt freylich zu mancherley Mißdeutungen Anlaß. Daß aber der Ausdruck „gleichförmige Verfügungen über die Preßfreyheit“, nicht im buchstäblichen Sinne − wo er entweder allgemeine Abschaffung oder allgemeine Einführung der 8 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1517: „Die Bundesversammlung wird sich bey ihrer ersten ­Zusammenkunft mit Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die Preßfreyheit und die ­Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck beschäftigen.“

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Metternich an Buol

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Censur zur Folge haben müßte − genommen werden, sondern sich nur auf solche Verfügungen in Ansehung der Preßfreyheit beziehen kann, welche die wechselseitigen Rechte und das wechselseitige gute Vernehmen der Bundesstaaten, mithin die Eintracht und Harmonie des Ganzen sichern sollen, scheint so einleuchtend und unverkennbar, daß es bei der bevorstehenden näheren Verhandlung dieser Sache hoffentlich nicht schwer seyn wird, die sämtlichen Bundestags-Gesandtschaften über diese einzig zuläßige Auslegung des 18. Artikels zu verständigen. ad 2. Hierdurch erledigt sich der zweyte Antrag des Herrn Großherzogs von Weimar − daß nähmlich der Bundestag sich von neuem über den in die Weimar’sche Landes-Verfaßung aufgenommenen Grundsatz der Preßfreyheit9 erklären mögte − von selbst. Denn, wenn jeder Regierung anheim gestellt bleibt, bei Regulirung der Preße das System zu befolgen, welches sie für das zweckmäßigste und rathsamste hält, so hat der Bundestag forthin auf die in Weimar bestehenden oder ferner zu erlaßenden Preßgesetze nur in so fern Rücksicht zu nehmen, als das Intereße anderer Bundesstaaten, und der allgemeinen Ordnung in Deutschland dabey zur Sprache kömt. Und da in der Instrucktion, mit ausdrücklichem Bezug auf Bestimmung der Gränzen der Preßfreyheit, gesagt wird, daß der Herr Großherzog von Weimar auf die Erhaltung des Einverständnißes seiner Regierung mit den übrigen Bundes-Regierungen den höchsten Werth legt, so läßt sich auch mit Zuversicht erwarten, daß S. K. Hoheit den deßhalb zu seiner Zeit in Vorschlag zu bringenden Maßregeln mit Bereitwilligkeit beitretten werden. Aus den vorstehenden Bemerkungen werden Euer Excellenz zu entnehmen belieben, von welchen Gesichtspuncten ich in dieser Sache ausgehe. Wenn der Geheime Rath v. Hendrich sich seines Auftrages entledigt haben wird, behalte ich mir vor, Ihnen nähere Instruction zukommen10 zu laßen, in der Voraussetzung, daß Euer Excellenz Sich bis dahin das Protokoll offen gelaßen haben werden. Sehr angenehm wäre es mir übrigens, wenn Euer Excellenz mir die dem Großherzog. Oldenburgischen Gesandten dem Vernehmen nach übertragene Ausarbeitung über den 18. Artickel11, bevor wir zu weiteren Maßregeln schreiten, zukommen laßen könnten. Empfangen Euer Excellenz die Versicherung meiner vollkommensten Hochachtung. F. v. Metternich

  9 Vgl. Grundgesetz über die Landständische Verfassung des Großherzogtums Sachsen-WeimarEisenach, Weimar, 5. Mai 1816, in: Boldt (Hrsg.), Reich und Länder, S. 266−294, hier S. 294. 10 Emendiert. Vorlage: zu kommen. 11 Vgl. Dok. 194.

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192. Berg über Verfügungen gegen den Büchernachdruck

ProtDBV 1818, 34. Sitzung vom 22. Juni 1818, § 159, S. 360–370. Vortrag.1 Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 6, 1818, S. 55−68.

Artikel 18 der Deutschen Bundesakte bestimmt, daß sich die Bundesversammlung mit der Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger beschäftigen soll. Hierauf gestützt, bitten die Deputierten der deutschen Buchhändler um kräftigen Schutz gegen den räuberischen Nachdruck durch ein allgemeines Gesetz. Auftrag der Bundesversammlung an Berg, die in den deutschen Bundesstaaten darüber bestehenden Verordnungen zu sammeln und in einer erläuternden Übersicht vorzutragen. Dieser gibt zunächst einen Überblick über die Geschichte des Verlagsrechts und das Eigentumsrecht der Schriftsteller, erläutert den Begriff des Nachdrucks und zeigt das Meinungsspektrum über die Frage auf: ob der Nachdruck rechtmäßig sei oder nicht? Unterschiedliche Arten des Nachdruckverbots und seine Grenzen (z. B. Beschränkung auf ein gewisse Anzahl von Jahren oder auf die Lebenszeit des Schriftstellers). Danach folgt ein Überblick über die gesetz­ lichen Bestimmungen zum Nachdruck in Sachsen, Hannover, Baden, Österreich, Württemberg, Preußen, Bayern, Holstein-Oldenburg und Nassau. Antrag Bergs, einen Ausschuß zur Erstattung eines Gutachtens über die Abfassung gleichförmiger Verfügungen zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck zu ernennen.

Frankfurt am Main, 22. Juni 1818 Zwei und achtzig Buchhändler, worunter sich auch einige um den deutschen Buchhandel wohlverdiente Fremde befinden*, haben in der Leipziger Jubilate-Messe 1814 sechs aus ihrer Mitte: Kummer, Vogel, Richter und Hartknoch zu Leipzig, Cotta zu Tübingen, und Bertuch zu Weimar, bevollmächtigt, für die Wiederbelebung, Reinigung und eine neue, bessere Organisation des deutschen Buchhandels kräftigst zu wirken. Die Schritte, welche diese Deputirten am Wiener Congreß gethan haben, um die gänzliche Abstellung des Büchernachdrucks zu bewirken, sind bekannt. In dieser Hinsicht ist im 18. Artikel der Bundesacte bestimmt: daß die Bundesversammlung sich bei ihrer ersten Zusammenkunft mit der Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck beschäftigen soll.2 Hierauf gestützt, bitten die Deputirten der deutschen Buchhändler um kräftigen Schutz gegen den räuberischen Nachdruck, durch ein allgemeines organisches Gesetz.3 1 Die Fußnote in der Vorlage wird hier als Endnote wiedergegeben. 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1517. 3 Vgl. Dok. 189, S. 890.

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Berg über Verfügungen gegen den Büchernachdruck

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Bereits in der 22. Sitzung des vorigen Jahres ist mir der Auftrag geworden die über Preßfreiheit und Büchernachdruck in den deutschen Bundesstaaten bestehenden Verordnungen mit den darauf sich beziehenden Eingaben zu sammeln, und dieser hohen Versammlung in einer erläuternden Uebersicht vorzutragen.4 Mit dieser, in mancher Hinsicht schwierigen Arbeit habe ich mich, so oft es andere Obliegenheiten verstatteten, eifrig beschäftigt, und nur der Wunsch, dem zuerst begonnenen Vortrag über die Preßfreiheit möglichste Vollständigkeit zu geben, hat dessen frühere Vollendung aufgehalten. Da beide Gegenstände von einander ganz unabhängig sind; so mache ich nunmehr den Anfang mit dem Nachdruck. Der Buchhandel ist ein durch seinen Gegenstand, seine Erfordernisse, seine Mittel und seine Geschäftsführung durchaus eigenthümlicher Theil des allgemeinen Verkehrs, mehr einer gemeinnützigen Anstalt ähnlich, als einem Unternehmen zum Gewinn des Einzelnen: ausgezeichnet durch den Zweck, dem er dient, durch die Verbreitung der Wissenschaften und Künste, die er befördert und erleichtert, durch die Unterstützung, die er dem Genie und dem Fleis­se gewährt, und durch den edlen Stolz, womit der ächte Buchhändler einen wohlverdienten, nicht ohne Wagniß erworbenen, durch manchen Verlust geschmälerten Gewinn dem Verdienste, seinen Zeitgenossen und der Nachwelt einen reichen Schatz geistiger Erzeugnisse gesammelt zu haben, allezeit nachsetzt. Wenn gleich des Buchhandels höchster Flor erst durch die Buchdruckerkunst möglich ward: so fehlte doch Buchhandel auch der früheren Zeit nicht, wo der literarische Verkehr nur noch das beschwerliche, kostbare und langsame Mittel der Abschriften kannte. Dem Buchhändler vertraute der Schriftsteller getreue Abschriften seiner Werke. Sein Wunsch, zu nützen, vielleicht auch zu glänzen, erlaubte ihm nicht, der Verfertigung anderer Abschriften zu widerstreben; die Schwierigkeit der Vervielfältigung der Geisteswerke machte selbst seine Einwilligung zur Pflicht. Die gemeinen Abschriften aber galten nie den beglaubigten oder gar der Urschrift gleich, und wer die einen für die andern auszugeben wagte, war der Verfälschung schuldig; selbst der Schriftsteller, der seine Werke einem Buchhändler überlassen hatte, theilte keine Abschriften mit, sondern verwieß an diesen, wie Martial5 that, der einem Freunde auf die Bitte um seine Schriften antwortete: Exigis ut donem nostros, tibi, Quinte, libellos. 4 Vgl. ProtDBV 1817, 22. Sitzung vom 26. März 1817, § 125, S. 200. 5 Marcus Valerius Martialis (38/41 n.  Chr. − 102/04 n.  Chr.), bedeutendster Epigrammatiker Roms. Vgl. Der Kleine Pauly, Bd. 3, Sp. 1052−1054; DNP, Bd. 7, Sp. 957−961.

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Non habeo, sed habet bibliopola Tryphon. – – Et faciet lucrum bibliopola Tryphon.6 Es gab also früher schon ein Verlagsrecht, wie es, noch früher vielleicht, gelehrten Diebstahl gab. Das Plagiat aber ward immer als eine rechtswidrige Handlung erkannt: der Plagiar des Diebstahls oder Betruges schuldig. Gilt nun dieß von dem, der eines Andern Geisteswerk für das7 Seinige ausgiebt: was (frägt man) ist der, welcher eines fremden Geisteswerkes, ohne des Urhebers Einwilligung, aus Gewinnsucht, sich bemächtigt? Es ist wohl kein Zweifel, daß nichts des Schriftstellers würdiger seyn könnte, als die Erzeugnisse seines Geistes den gegenwärtigen und künftigen Geschlechtern zum freien Geschenke darzubieten. Allein, daß in dem gegenwärtigen Zustand der Gesellschaft der Ehrensold dem Schriftsteller gewöhnlicher Weise unentbehrlich sey, bedarf so wenig eines Beweises, daß vielmehr die Absicht, dem Publikum mit einem Geisteswerke ein Geschenk, im eigentlichen Sinne des Wortes, zu machen, in der Regel nicht angenommen werden kann. Gewiß hat jeder Schrifsteller das Recht, seine Schriften auf die Art, welche ihm am zweckmäsigsten scheint, bekannt zu machen: sie nur Einzelnen mitzutheilen oder dem Publikum: eine oder mehrere Handschriften zu verkaufen: Abdrücke nur für Freunde oder sonst zu bestimmtem Zwecke ­machen zu lassen: den Druck und Verkauf Andern unter vortheilhaften Be­ dingungen zu übertragen. So lang er nicht ausdrücklich oder durch unzweideutige Handlungen dieß Recht aufgegeben hat, darf kein Dritter sich dasselbe anmaßen. Nachdem durch die Buchdruckerei die Vervielfältigung der Schriften so unendlich erleichtert ist, können keine Gründe der Gemein­ nützigkeit oder des Ehrgeitzes zu der Nachsicht bewegen, Dritte erndten zu lassen, wie sie nicht gesäet haben. Der Schriftsteller ist in sein volles, freies Eigenthumsrecht zurückgetreten; seine Einwilligung in eine willkührliche Vervielfältigung seiner Schriften kann nicht mehr vermuthet werden, und doch ist es diese Vermuthung aus der alten Zeit, welche in der neuen nur zu oft den Gesichtspunct verrückt hat. Ein anderer Umstand, aus den ersten Zeiten der Buchdruckerkunst, ist nicht minder die Quelle irriger Ansichten geworden. Damals waren die meisten Schriften ein Gemeingut der Völker: manche mußten es ihrer Natur nach seyn, wie die heiligen Schriften der Christen. Die Presse empfing sie und verbreitete sie in zahlreichen Abdrücken. Der Wetteifer der Druckherren, gereitzt durch 6 Lat.: „Du verlangst, Quintus, daß ich Dir meine Büchlein schenke. Ich hab sie nicht mehr, doch Tryphon, mein Verleger, hat sie. … Und Tryphon, der Buchhändler, dürfte dann noch immer Gewinn machen.“ Vgl. M. Valerius Martialis, Epigramme. Lateinisch-deutsch. Hrsg. u. übers. v. Paul Barié u. Winfried Schindler. Düsseldorf/Zürich 1999, libr. 4.72 und 13,3, S. 922 f. 7 Emendiert. Vorlage: daß.

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reichlichen Gewinn, fieng an, die Unternehmungen zu durchkreutzen, minderte, oder vereitelte gar, den gehofften Gewinn, und bedrohete das lebendige Gedeihen der herrlichen Erfindung in ihrer ersten Entwickelung. Die Gesetzgebung nahm den ersten Besitzer in Schutz, und Privilegien gründeten ein ausschließliches Verlagsrecht, das ursprünglich nur der Eigenthümer einer Handschrift geben kann. So verfügte die höchste Gewalt in gewisser Art über die kostbare Erbschaft der Völker, und indem sie bald auch die Presse ihrer nähern Aufsicht unterwarf, bildete sich die Idee eines Bücher-Regals, das die Schätze der Literatur gleichsam dem öffentlichen Eigenthum beigesellte. So entsprang dann auch der erste Begriff des Nachdrucks aus der Verletzung jenes ausschließlichen Rechts, welches Privilegien gegeben hatten, und so ist es gekommen, daß, um des Privilegiums willen, als Nachdruck geahndet wurde, was, als solcher, aus den in der Sache selbst liegenden Gründen gestraft werden mußte. Wer erkennt dieß nicht, wenn er in einem Kaiserlichen Patente liest: „Es sollen die gewinnsüchtigen Buchhändler, Führer und so weiter, die von dem Kaiser oder seinen Vorfahren im Reich privilegirte Bücher nachdrucken, und denjenigen, so mit Mühe und Kosten, und manchmal mit Schmälerung ihres ganzen Vermögens, ein Werk an sich erhandelt, und darüber ein Kaiserliches Privilegium erhalten, einen großen, ja oft unersetzlichen Schaden, zuwenden sogleich mittelst Schliessung ihrer Buchläden u. s. w. bestraft werden“.8 Der Schriftsteller, welcher dem Buchhändler seine Handschrift zum Druck überläßt und ihm die Befugniß ertheilt, die Druckschrift zu veräussern, um den daraus entspringenden Gewinn sich anzueignen, tritt demselben das Verlagsrecht ab, welches ihm ursprünglich zusteht, und welches, wie jedes eigenthümliche Recht, seiner Natur nach ausschliessend ist. Ob nun gleich der Ankauf eines Buches das unbeschränkte Eigenthum an dem erkauften Exemplare gewährt; so wird doch dadurch das Verlagsrecht auf keine Weise erworben, und der auf tausend und mehreren Abdrücken gleichförmig befindliche Inhalt, kann nicht Eigenthum des Käufers einzelner Exemplare werden. Dieser kann also auch nicht nach Willkühr über denselben verfügen, und ihn, wider den Willen des rechtmäsigen Verlegers, zu einem neuen Abdrucke gebrauchen. Ein solcher Abdruck wäre nichts anderes, als ein Nachdruck. „Unter Büchernachdruck[“], sagt Klüber9 (öffentl. Recht des deutschen Bundes 8 Vgl. Patent Kaiser Franz I., Wien, 10. Februar 1746, das Bücherwesen im Heiligen Römischen Reich und die hierüber allergnädigst gesetzte Kaiserliche Kommission betreffend, in: Collmann, Quellen, Materialien und Commentar des gemein deutschen Preßrechts, S. 31−39, Zitat S. 34. 9 Johann Ludwig Klüber (1762–1837), Staatsrechtslehrer, 1786 Professor der Rechtswissenschaft in Erlangen, seit 1791 Übernahme diplomatischer und staatsrechtlicher Aufgaben im Auftrag des preußischen Ministers Karl August von Hardenberg, 1804 badischer Kabinettsund Staatsrat in Karlsruhe, 1807 Professor der Rechte in Heidelberg, 1817 preußischer Geheimer Legationsrat, seit 1824 Privatgelehrter und Rechtsberater in Frankfurt am Main. Vgl. ADB, Bd. 16, S. 235−247; NDB, Bd. 12, S. 133 f.; DBE, Bd. 5, S. 607 f.

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§ 418)[, „]versteht man jede Vervielfältigung schriftlicher oder bildlicher Geisteswerke, gegen Willen und Absicht ihrer Urheber, oder deren Rechtsnachfolger; es sey durch Schreib-, Buchdrucker-, Steinschreiber-, Formschneide-, Kupferstecher-, oder irgend eine andere bildende Kunst“.10 Ein, auf so viele Gegenstände ausgedehnter Begriff dürfte jedoch nicht unerheblichen Zweifeln unterworfen seyn; besonders in Beziehung auf Kunstwerke, deren Nachbildung dem Nachdruck um so weniger gleichgestellt werden kann, je gewisser es ist, daß die beste Copie eines Kunstwerkes nicht, wie der getreue Abdruck eines Buches, an die Stelle des Originals treten kann. In der That werden auch durch Vermehrung der Gegenstände die Zweifel über die Rechtmäsigkeit der Handlung vermehrt. Meine Meinung, zu der ich schon längst mich öffentlich bekannt habe11, glaubte ich hier, obgleich nur mit der Abfassung einer erläuternden Uebersicht beauftragt, ohne Bedenken darlegen zu dürfen, da die Stifter des deutschen Bundes, wenn auch nicht ausdrücklich die Streitfrage über die Rechtmäsigkeit des Nachdrucks, doch das entschieden haben, daß Schriftsteller und Verleger gegen denselben sicher zu stellen seyen. Wie das Eine ohne das Andere ausgesprochen werden konnte? wird die folgende Erörterung zeigen. Allerdings waltet über die Frage: ob der Nachdruck rechtmäsig sey oder nicht? eine große Verschiedenheit der Meinungen ob. Während die Einen ihn für Diebstahl und Betrug erklären, sehen Andere in ihm nichts als recht­ mäsigen Gebrauch erworbenen Eigenthums und ein Beförderungsmittel der Cultur, eine Schutzwehr gegen Bücher-Monopol und unmäsige Gewinnsucht: eine dritte Partei endlich schlägt den goldnen Mittelweg ein, indem sie den Nachdruck, obgleich immer unbillig, oft sehr schädlich, doch dem strengen Rechte nach für erlaubt hält. Zahl der Stimmen, Ansehen der Stimmenden, Gewicht der Gründe – Alles scheint gegen den Nachdruck zu entscheiden. Feder12, Pütter13, 10 Johann Ludwig Klüber, Öffentliches Recht des Teutschen Bundes. 4. Aufl. Frankfurt am Main 1840, § 505, S. 747. 11 Vgl. Günther Heinrich von Berg, Handbuch des Teutschen Policeyrechts. T. 1. 2. Aufl. Hannover 1802, S. 409−414. 12 Johann Georg Gottfried Feder, Neuer Versuch einer einleuchtenden Darstellung der Gründe für das Eigenthum des Bücherverlags, nach Grundsätzen des natürlichen Rechts und der Staatsklugheit, in: Göttingisches Magazin der Wissenschaften und Litteratur 1, 1780, S. 1−37; ders., Ueber das Verlagseigenthum, in: ebd. S. 220−242. Johann Georg Heinrich Feder (1740–1821), Philosoph und Bibliothekar, 1767 Professor in Göttingen, 1797 Direktor des Georgianums in Hannover, 1802 zugleich Direktor der königlichen Bibliothek ebd., 1806 Direktor der Hofschule ebd., 1819 Geheimer Justizrat. Vgl. DBE, Bd. 3, S. 241; NDB, Bd. 5, S. 41 f. 13 Johann Stephan Pütter, Der Büchernachdruck, nach ächten Grundsätzen des Rechts geprüft. Göttingen 1774.

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Kant14, später: Becker15, Ganz16, Gräffe17 und Andere haben ihn mit kräftigen Waffen bekämpft. Die sinnreichsten seiner Vertheidiger: Knigge18 und ­Reimarus19, läugnen doch seine Unverträglichkeit mit der Moral nicht. Die Deputirten der deutschen Buchhändler haben in ihrer zu Wien überreichten Denkschrift20 Gründe und Gegengründe kurz und zweckmäsig zusammen gestellt. Ich beziehe mich darauf, da die Andeutung der verschiedenen Meinungen für den gegenwärtigen Zweck genügt, wo es nur darum zu thun ist,

Johann Stephan Pütter (1725–1807), Staatsrechtslehrer, seit 1746 Professor an der Universität Göttingen, gilt als der berühmteste Vertreter des Reichsstaatsrechts in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Vgl. DBE, Bd. 8, S. 87 f.; NDB, Bd. 21, S. 1 f.; ADB, Bd. 26, S. 749−777; Stolleis (Hrsg.), Juristen, S. 504−506. 14 Immanuel Kant, Metaphysik der Sitten. Erster Teil. Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, in: ders., Werke in sechs Bänden. Hrsg. v. Wilhelm Weischedel. Bd. 4: Schriften zur Ethik und Religionsphilosophie. Darmstadt 1983, S. 303–499, hier S. 404 f. Immanuel Kant (1724–1804), Philosoph, seit 1770 Professor an der Universität Königsberg. Vgl. DBE, Bd. 5, S. 425–427; NDB, Bd. 11, S. 81−97. 15 Rudolf Zacharias Becker, Das Eigenthumsrecht an Geisteswerken, mit einer dreifachen Beschwerde über das Bischöflich-Augsburgische Vikariat wegen Nachdruck, Verstümmelung und Verfälschung des Noth- und Hülfsbüchleins. Gotha 1791. Rudolf Zacharias Becker (1752–1822), thüringischer Publizist und Journalist, gab für den gebildeten Leser seit 1784 die „Deutsche Zeitung“ (seit 1796 „Nationalzeitung der Teutschen“) heraus. Vgl. DBE, Bd. 1, S. 381. 16 Johann Friedrich Ferdinand Ganz, Übersicht der Gründe wegen des Strafbaren des Büchernachdrucks und Vorschläge, wie diesem Übel durch ein allgemein verbindliches Reichsgesetz vorgebeugt werden könne. Regensburg 1790. Johann Friedrich Ferdinand Ganz (1741–1795), preußischer Beamter, Jurist und Schriftsteller, 1779 kurbrandenburgischer Legationssekretär in Regensburg, 1787 wirklicher Legationsrat ebd., 1793 Geheimer Hof- und Regierungsrat in Ansbach. Vgl. DBA I, 368, 285–295, DBA I, 493, 230; DBA I, 1428, 348–350; DBA III, 280, 312. 17 Ernst Martin Gräff, Versuch einer einleuchtenden Darstellung des Eigenthums und der Eigenthumsrechte des Schriftstellers und Verlegers und ihrer gegenseitigen Rechte und Verbindlichkeiten nebst einem kritischen Verzeichnisse aller deutschen besondern Schriften und in periodischen und andern Werken stehenden Aufsätze über das Bücherwesen überhaupt und den Büchernachdruck insbesondere. Leipzig 1794. Ernst Martin Gräff (1760–1802), Buchhändler in Leipzig. Vgl. DBA I, 413, 40–42. 18 Adolf von Knigge, Ueber den Buecher-Nachdruck: an den Herrn Johann Gottwerth Müller … in Itzehoe. Hamburg 1792. Adolf Freiherr von Knigge (1752–1796), Schriftsteller, Verfasser des Buchs „Über den Umgang mit Menschen“ (1788), des sog. „Knigge“. Vgl. DBE, Bd. 5, S. 621; NDB, Bd. 12, S. 184−186. 19 Johann Albert Heinrich Reimarus, Erwägung des Verlags-Rechts in Ansehung des Nachdruks. Hamburg 1792. Johann Albert Heinrich Reimarus (1729–1814), Mediziner und Naturphilosoph, Verfechter des Freihandelsgedankens und aufgeklärt-republikanischer Ideen. Vgl. DBE, Bd. 8, S. 211; ADB, Bd. 27, S. 704−709. 20 Abdruck in Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 4, S. 3–21.

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den Einfluß dieser Verschiedenheit auf die Gesetzgebung bemerklich zu ­machen. Die Anerkennung der innern Unrechtmäsigkeit des Büchernachdrucks und der daraus entspringenden Verbindlichkeit, das Eigenthum des Schriftstellers und Verlegers dagegen zu schützen, scheint ein besonderes Verbot desselben überflüssig zu machen, indem hiernach das richterlicher Amt, schon nach gemeinem Recht, seine Pflicht thun muß. So ist es auch in vielen deutschen Staaten (und in den meisten, die nicht nachher namentlich aufgeführt werden) immer gehalten worden; so haben auch Schöppenstühle und Spruchcollegien gleiche Grundsätze befolgt, wie beides zum Theil aus Sammlungen von Rechtsfällen und ähnlichen Schriften bekannt ist. Indessen – ein ausdrückliches Gesetz entfernt doch am sichersten jeden Zweifel, und beugt der immer möglichen Wandelbarkeit des Gerichtsbrauchs vor. Wird nun die innere Rechtswidrigkeit des Nachdrucks anerkannt, und als Grund der Gesetzgebung angenommen; so sollte allerdings kein anderes, als ein allgemeines und unbedingtes Verbot erfolgen. Und dennoch findet sich in mancher, den Nachdruck verdammenden Gesetzgebung eine dem ausländischen Verlag nachtheilige Ausnahme! Er wird des Nachdruckers Willkühr ohne Vorbehalt Preis gegeben. Wie soll man dieses erklären? Von der Verbindung, welche die Wissenschaften unter allen Völkern stiften und erhalten, gilt gewiß zuerst und vorzüglich, was Cicero21 sagt: „Qui autem civium rationem dicunt habendam, externorum negant, hi dirimunt communem humani generis societatem, qua sublata beneficentia, liberalitas, bonitas, justitia funditus tollitur: quae qui tollunt, etiam adversus deos immortales impii judi­ candi sunt: ab iis enim constitutam inter homines societatem evertunt“.22 ­Gerechtigkeit ist Pflicht gegen Fremde, wie gegen Einheimische. Ist der Nachdruck ein Diebstahl: welche Regierung wird erlauben, Fremde zu bestehlen? Allein es ist zu erwägen: erstens, daß ein Verbot, da, wo kein Schaden zugefügt wird, unangemessen wäre, weßhalb auch immer dafür gehalten ist, daß in Ländern, wohin fremder Buchhändler Speculationen sich nicht erstrecken, 21 Marcus Tullius Cicero (106 v. Chr. – 43 v. Chr.), römischer Politiker und Philosoph, berühmtester Redner Roms und Konsul im Jahr 63 v. Chr. Vgl. Der Kleine Pauly, Bd. 1, Sp. 1174−1186; DNP, Bd. 2, Sp. 1191−1202. 22 Cicero de off. 3,28 (lat.): „Die aber, welche sagen, Rücksicht sei auf die Mitbürger zu nehmen, nicht aber auf Fremde, die trennen damit die gemeinsame Gesellschaft des Menschengeschlechtes auseinander. Ist sie aufgehoben, ist auch Wohltun, Großzügigkeit, Gerechtigkeit von Grund aus aufgehoben. Die aber, die das aufheben, haben auch als Frevler gegen die unsterblichen Götter zu gelten. Die von ihnen nämlich unter den Menschen gestiftete Gesellschaft zerstören sie damit.“ Vgl. Marcus Tullius Cicero, Vom rechten Handeln. Lateinisch und Deutsch. Hrsg. u. übers. v. Karl Büchner. 3. Aufl. München/Zürich 1987, S. 240 f.

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deren Verlagswerke nachzudrucken, nicht unerlaubt sey; zweitens, daß, wenn fremde Staaten nur ihren Einwohnern gegen den Nachdruck Schutz verleihen, die Erwiederung gerecht ist; endlich, daß manche, besonders frühere ­Gesetzgebung, zwischen dem Grundsatze der Unrechtmäsigkeit und dem der bloßen Unbilligkeit des Nachdrucks unentschieden schwankt. In allen solchen Fällen können indessen dem Ausländer Privilegien gegen den Nachdruck nützliche Dienste leisten. Wenn der Nachdruck zwar an sich für rechtmäsig und erlaubt, aber für unbillig oder gemeinschädlich, oder für beides zugleich gehalten wird; so wird die (vermeinte) natürliche Freiheit zwar durch ein Verbot beschränkt: allein gewöhnlich mit mildernden Zusätzen, welche meistens dahin zwecken, dem ausschliessenden Eigenthum an einem Verlagswerke Grenzen zu setzen, durch Beschränkung entweder auf gewisse Jahre, oder auf die Lebenszeit des Schriftstellers. Wird der Nachdruck für erlaubt und unschädlich, vielleicht gar für nützlich gehalten; so kann ihm zwar der gesetzliche Schutz nicht entstehen, die Vorsorge der Regierung sucht aber ein gewisses billiges Gleichgewicht zwischen dem ursprünglichen und untergeschobenen Verleger herzustellen, weßhalb wenigstens dem Verfasser einer Schrift, oder seinem Stellvertreter, ein Erfindungs-Patent oder Privilegium auf gewisse Zeit nicht versagt wird. Die Gesetzgebung, welche den Büchernachdruck erlaubt, kann auf irrigen Ansichten beruhen. Des Gesetzes Abänderung nachzusuchen, ist dem Privatmann unverwehrt; das bestehende Gesetz muß er ehren, und daher geziemt es ihm nicht, den Nachdrucker, wegen einer in seinem Lande erlaubten Handlung, der Rechtswidrigkeit zu beschuldigen, ihn mit Vorwürfen zu verfolgen, die er nach andern Gesetzen vielleicht verdienen würde, oder gar seine bürgerliche Ehre anzugreifen, so sehr diese auch von der Achtung in der öffentlichen Meinung verschieden seyn kann. Da Deutschland den großen Vortheil eines allgemeinen VereinigungsPunctes für den Buchhandel in Leipzig besitzt23, und der literarische Verkehr der großen Bequemlichkeit, welche der so genannte Sortimentshandel darbie23 Leipzig entwickelte sich seit Mitte des 18. Jahrhunderts zur „Hauptstadt der Bibliopolie“ (O. Wigand). Neben der Buchmesse und dem hier konzentrierten Zwischenbuchhandel trugen dazu auch bedeutende Buch-, Zeitschriften und Musikalienverlage sowie Buchhandlungen und Antiquariate bei. Außerdem war es Sitz zentraler Organisationen und Bildungseinrichtungen des deutschen Buchhandels, und nicht zuletzt gingen von hier auch langfristig wirkende Innovationen aus. Vgl. dazu den Überblick in LGB2, Bd. 4, S. 447−463 (Artikel „Leipzig“); den kurzen Abriß von Buttkereit, Zensur und Öffentlichkeit in Leipzig, S. 35−40; außerdem Fischer, Die Abwanderung des Buchhandels von der Frankfurter Messe nach ­Leipzig; Goldfriedrich, Geschichte des Deutschen Buchhandels, Bd. 3, S. 471−555; sowie Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels, passim.

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tet, genießt, durch diesen aber vorzüglich eine ununterbrochene, wechselseitige Verbindung unter den Buchhändlern besteht; so war der Wunsch, einen gleichförmigen Schutz gegen den Nachdruck in allen deutschen Staaten zu erlangen, von jeher um so lebhafter, je weniger in dem weiten Gebiete der deutschen Literatur die immer mit Kosten verbundene Erwerbung von Privilegien einzelner Staaten volle Sicherheit zu gewähren vermag, und je lästiger in jeder Beziehung die Erwerbung einer hinreichenden Anzahl von Privile­ gien seyn würde. In dem Staate, worin der Hauptsitz des deutschen Buchhandels sich befindet, ist für diesen Schutz geschehen, was eine einzelne Regierung zu thun vermag, welche zugleich auf die Maximen anderer Regierungen Rücksicht zu nehmen hat, die mit ihr nicht gleiche Maasregeln zu ergreifen für gut finden. Nach den Gesetzen des Königreichs Sachsen ist der Nachdruck aller und jeder, für inländische oder ausländische Buchhändler, in den Königlich-Sächsischen Landen gedruckten Bücher gänzlich verboten. Nur muß der Verleger, der einen Nachdrucker belangen will, die redliche Erwerbung des Verlagsrechtes beweisen. Will er dieses Beweises überhoben, oder will ein Verleger auch wegen eines ausser den Königlich-Sächsischen Landen gedruckten Buches gegen den Nachdruck geschützt werden; so muß er entweder ein Königliches Privilegium ausbringen, oder seine Verlagsbücher in ein bei der Bücher-Commission zu haltendes Protokoll einzeichnen lassen, welches dieselbe Wirkung, wie ein ausdrücklich erlangtes Privilegium, hat. Dagegen sollen aber auch die des Königlichen Schutzes versicherten Buchhändler dahin sehen, daß das Publikum mit ihren Verlagsbüchern in hinlänglicher Menge von Exemplarien, auch mit correctem Drucke und gutem Papier, in billigen Preisen versorgt werde. Die Erlangung eines Königlichen Privilegiums, oder die Eintragung eines Buches in das Protokoll der Bücher-Commission24, wird den Buchhändlern durch Circulare, und, nach einer neuern Verordnung, zugleich durch die Leipziger Literatur-Zeitung bekannt gemacht. Eben diese Verordnung (vom 10. August 24 Die sächsische Bücherkommission in Leipzig (1569−1830) war eine landesherrliche Einrichtung, die dem Kirchenrat unterstand. Ihr oblag die Aufsicht über den Buchhandel, die Erteilung von Privilegien und deren Kontrolle sowie die Verhinderung der Verbreitung von Schriften gegen den Staat, die Religion und die guten Sitten. Sie setzte sich zusammen aus einem Professor der Universität Leipzig, der vom Kirchenrat ernannt wurde, das Direktorium und den Titel eines Bücherkommissars führte, sowie einem Vertreter des Stadtrats. Die Zensur wurde jedoch von den Fakultäten ausgeübt. Obwohl dem Kirchenrat unterstellt, zeichnete sich die Bücherkommission durch eine größere Toleranz aus, auch um den Buchhandel nicht zu behindern. Vgl. Goldfriedrich, Geschichte des Deutschen Buchhandels, Bd. 2, S. 182−201; Schaffer, Die Leipziger Bücherkommission als Zensurbehörde; Goldenbaum, Appell an das Publikum, S. 260 Anm. 240; Buttkereit, Zensur und Öffentlichkeit in Leipzig, S. 54−63; LGB2, Bd. 2, S. 3 (Artikel „Bücheraufsicht“).

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1812)25 enthält nähere Bestimmungen wegen der Uebersetzungen und der Auszüge aus Hauptwerken. Uebersetzungen desselben Werkes, welche wirklich, und nicht bloß durch einige unbedeutende Abänderungen von einander verschieden sind, sollen nicht als Nachdruck betrachtet werden; Auszüge aus Hauptwerken nur dann, wenn die bloße Weglassung einiger wenigen gleichgültigen Stellen einen verkappten Nachdruck anzeigt. In dem Königreich Hannover bestehen keine ausdrücklichen Gesetze über den Nachdruck. Die Regierung billigt jedoch denselben an sich keinesweges; sie glaubt aber, so lang er nicht im allgemeinen und allenthalben auf gleiche Weise untersagt ist, und unterdrückt wird, und so lange mithin Auswärtige immerfort aus dem Vertrieb der Nachdrücke einigen Vortheil ziehen, den Landes-Eingesessenen darunter nicht wohl engere Grenzen setzen zu können. Zum Nachtheil dieser wird jedoch die Verbreitung der Nachdrücke nicht geduldet, und der Verkauf derselben, von solchen Schriften, welche von inländischen Buchhandlungen oder Buchdruckereien verlegt, oder von inländischen Schriftstellern herausgegeben sind, ist unerlaubt. Das Landrecht des Großherzogthums Baden enthält ein eigenes Capitel vom Schrifteigenthum, in welchem der Begriff desselben und seine recht­ lichen Wirkungen bestimmt werden. Der Art. 577 d. h. verordnet: „Das Schrifteigenthum gedruckter Schriften erlöscht mit dem Tode des Eigenthümers, der sie in Verlag gab. Jeder Besitzer der Schrift kann alsdann einen Nachdruck veranstalten, so weit nicht besondere Gnadenbriefe, die der Ver­ leger hat, im Wege stehen“.26 In dieser Beziehung enthält das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch der Oesterreichischen Monarchie die Bestimmung: § 1169. Die Rechte des Schriftstellers, in Rücksicht einer neuen Auflage oder Ausgabe, gehen auf seine Erben nicht über.27 § 1170. Die Beschränkungen des Nachdruckes sind in den politischen Gesetzen enthalten.28 Diese verbieten den Nachdruck der inländischen und einem rechtmäsigen Verleger zugehörigen Auflagen. Der Nachdruck von Werken, welche in dem 25 Ihro Königl. Majestät von Sachsen etc. etc. etc. Mandat, das Censur- und Bücherwesen betreffend. De Dato Dresden, am 10ten August 1812. Dresden 1812; Teildruck in: Weiske, Handbuch der Strafgesetze des Königreiches Sachsen, S. 253−256 (§ 3 u. 4). Vgl. dazu auch Buttkereit, Zensur und Öffentlichkeit in Leipzig, S. 45. 26 Land-Recht für das Großherzogthum Baden, nebst Handelsgesetzen. Karlsruhe 1814, S. 162. 27 Vgl. Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten Deutschen Erbländer der ­Oesterreichischen Monarchie, T. 2, S. 331 (§ 1169). 28 In § 1170 heißt es im Wortlaut: „Wenn ein Schriftsteller nach einem ihm von dem Verleger vorgelegten Plane die Bearbeitung eines Werkes übernimmt, so hat er nur auf die bedungene Belohnung Anspruch. Dem Verleger stehet in der Folge das ganze freye Verlagsrecht zu.“ Vgl. ebd. S. 331 f.

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Auslande erschienen sind, wird geduldet. Die Erlaubniß dazu muß aber bei der Polizei-Hofstelle nachgesucht werden. Werke, welche von fremden Buchhändlern allein, oder in Gesellschaft mit inländischen im Manuscript der Censur vorgelegt, von dieser zugelassen, und dann erweislich in einer der Hauptstädte der Monarchie gedruckt werden, dürfen nicht nachgedruckt werden. Diese näheren Bestimmungen sind in einer Vorschrift, die Censur betreffend, vom 14. Sept. 181029 enthalten. In dem Königreich Württemberg besteht, in Beziehung auf den Nachdruck, eine Vorschrift vom 25. Febr. 181530, deren erklärter Zweck ist, das Interesse der Schriftsteller, welche eine von ihnen verfaßte Schrift, entweder selbst, oder durch einen andern, herausgeben, mit dem Interesse der Königlichen Unterthanen, in Absicht auf die Beförderung der Geistesbildung, und mit der ihnen gebührenden Gewerbsfreiheit, zu vereinigen. Zu dem Ende sollen auf besonderes Ansuchen der in- und ausländischen Schriftsteller, oder ihrer Verleger, Privilegien auf eine bestimmte Zeit von sechs, und, nach Umständen, mehreren Jahren, dahin ertheilt werden, daß das privilegirte Buch binnen dieser Zeit, ohne Erlaubniß dessen, der das Privilegium erhalten hat, von Niemand im Königreich nachgedruckt, auch ein auswärtiger Nachdruck nicht debitirt31 werden darf. Das Privilegium ist auf die Ausgabe, der es ertheilt ist, und auf die, während der Dauer desselben erscheinenden, unveränderten neuen Auflagen beschränkt, gilt aber nicht für eine Uebersetzung oder Umarbeitung der privilegirten Schrift, noch für einen Auszug aus derselben. Das Verbot des Nachdrucks hört auf, wenn die Zeit des Privilegiums erloschen ist. Bei einer neuen verbesserten Auflage kann ein neues Privilegium nachgesucht, und, nach Befund der Umstände, wenn die Auflage wesentlich verändert ist, auf sechs und mehrere Jahre ertheilt werden. Das neue Privilegium aber begreift das Verbot des Nachdrucks der ältern Ausgabe, oder einzelner, früher schon herausgekommenen Theile eines Werks nicht, wenn entweder die ältere Ausgabe mit gar keinem Privilegium versehen, oder die Zeit desselben erloschen ist. Das allgemeine Landrecht für die Königlich-Preussischen Staaten enthält im 20. Titel des 2. Theils, und dessen 15.32 Abschnitt, welcher von Beschädigungen des Vermögens durch strafbaren Eigennutz und Betrug handelt, über den Büchernachdruck folgende Vorschriften: 29 Zensurvorschrift vom 14. September 1810, in: Marx, Die österreichische Zensur im Vormärz, S. 73−76. 30 Königliches Rescript vom 25. Februar 1815, in: Paul, Württemberg 1797–1816/19, Dok. 19, S.  744 f. 31 Absetzen, verkaufen, verbreiten (von franz. débiter). Vgl. Heyse, Allgemeines verdeutschendes und erklärendes Fremdwörterbuch, S. 167. 32 Emendiert. Vorlage: 17.

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§ 1294. Bücher, auf welche ein Königlicher Unterthan das Verlagsrecht hat, soll Niemand nachdrucken. § 1295. Hat der rechtmäsige Verleger ein ausdrückliches Privilegium erhalten: so hat der Nachdrucker eines Buchs, welchem ein solches Privilegium vorgedruckt, oder dessen Inhalt auf oder hinter dem Titelblatte bemerkt ist, die in dem Privilegio angedrohete Strafe verwirkt. § 1296. a. Findet die Strafe aus einem besondern Privilegio nicht statt: so soll dennoch der Nachdruck, auf den Antrag des rechtmäsigen Verlegers, confiscirt und zum Verkauf unbrauchbar gemacht, oder dem Verleger, wenn er es verlangt, überlassen werden. § 1296.  b. Es muß aber, in diesem letztern Falle, der rechtmäsige Verleger, wenn er den Nachdruck übernehmen will, die von dem Nachdrucker darauf verwendeten Auslagen demselben auf die zu leistende Entschädigung anrechnen, oder, so weit sie dazu nicht erforderlich sind, an die Strafcasse heraus­geben. § 1297. a. So weit der Nachdruck selbst verboten ist, darf auch Niemand, bei gleicher Strafe, mit auswärts nachgedruckten Büchern Handel treiben.33 Aus dem ersten der angeführten Paragraphen erhellet, daß auch diese Gesetzgebung bloß den inländischen Verlag gegen den Nachdruck in Schutz nimmt. Nach einer im Laufe des vorigen Jahres öffentlich bekannt gewordenen Verfügung der Preussischen Regierung hat aber diese, in Rücksicht auf die Bestimmung des 18. Artikels der deutschen Bundesacte, und obgleich ein gemeinsamer Beschluß der Bundesglieder noch nicht erfolgt ist, sich be­ wogen gefunden, schon jetzt allen Unterthanen der deutschen Bundesstaaten diejenigen Rechte zu gewähren, welche die Preussische Gesetzgebung den Königlichen Unterthanen eingeräumt hat, und auch gegen diejenigen deutschen Staaten, wo der Nachdruck noch geduldet wird, weiter kein Vergeltungsrecht in Beziehung auf ein Gewerbe eintreten zu lassen, welches durch die Preussische Gesetzgebung als ein strafbarer Eigennutz verpönt ist. Die Gesetzgebung des Königreichs Baiern hat, zur Beschützung des Eigenthums an Geisteswerken, in dem Strafgesetzbuch den Nachdruck, sofern dabei Entwendung oder Betrug vorkömmt, verpönt, ausserdem aber dessen Bestrafung nebst dem Schadenersatz, nach dem Inhalt der Druckprivilegien, oder, in deren Ermangelung, nach den Vorschriften des Polizei-Strafcodex, vorbehalten. In dieser Hinsicht verordnet das Baierische Strafgesetzbuch im Art. 397 des 1. Theils Folgendes: „Auf welche Art das Eigenthum an Geisteswerken unter den besondern Schutz des Gesetzes gestellt werde, darüber sind die näheren Bestimmungen in dem bürgerlichen Gesetzbuche enthalten. Wer 33 Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794. Mit einer Einführung v. Hans Hattenhauer u. einer Bibliographie v. Günther Bernert. Frankfurt am Main/Berlin 1970, hier T. 2, Tit. 20, Abschnitt 15, S. 717.

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dagegen eine Rechtsverletzung durch Entwendung oder Betrug sich zu Schulden kommen läßt, ist in die Strafe dieser Verbrechen oder Vergehen zu verur­ theilen. Wer ein Werk der Wissenschaft oder Kunst ohne Einwilligung seines Urhebers, dessen Erben oder Anderer, welche die Rechte des Urhebers erlangt haben, durch Vervielfältigung mittelst Druckes, oder auf andere Weise in dem Publikum bekannt macht, ohne dasselbe zu eigenthümlicher Form verarbeitet zu haben, wird, nebst dem Schadenersatze, nach den in den einzelnen Druckprivilegien, oder, in deren Ermangelung, nach den in den Polizeistrafgesetzen enthaltenen Bestimmungen bestraft“.34 Es ist gewiß interessant, die Motive dieses Gesetzes kennen zu lernen. Die zu München erschienenen Anmerkungen zu dem Strafgesetzbuche für das Königreich Baiern35, setzen mich in den Stand, sie hier mitzutheilen. „Der Staat[“], heißt es in der Anmerkung zu dem angeführten Artikel[, „]muß jeden Erwerbszweig, jedes Eigenthum, jedes Capital und dessen Rente schützen. Das Eigenthum an Geisteswerken ist also nicht weiter ein Gegenstand der äusseren Gesetzgebung, als die Geistesproducte für ihren Erzeuger einen Gewinn von seinen Geistesarbeiten abwerfen können. Dieses gilt für alle Geistesproducte im ganzen Umfange des menschlichen Wissens und der Erfindungen ohne Unterschied. Das Werk eines Schriftstellers über einen wissenschaftlichen Gegenstand, das Werk des Künstlers im Gebiet der bildenden Künste, die Erfindung einer Maschine oder Zusammensetzung im technischen Felde der Gewerbe, Fabriken, oder Landwirthschaft, stehet unter einem und demselben Princip. Der Gedanke des Schriftstellers, der glückliche Einfall des Dichters oder Musikers, die gelungene Erfindung einer nützlichen Maschine ist, vor der Bekanntmachung, Eigenthum des Geistes seines Erfinders, nach der Bekanntmachung ist daran kein Eigenthum weiter denkbar, als der Erfinder die Bekanntmachung selbst als das Mittel benützt, von seinen Geisteskräften einen rechtmäsigen Gewinn zu ziehen. Nur eine widerrechtliche Entziehung dieses rechtmäsigen Gewinns ist demnach Beeinträchtigung der Eigenthumsrechte, und als solche ein Gegenstand der Rechtsgesetze. Durch chemische Zergliederung, durch erlaubte Nachforschungen sich die Kenntniß von Farbenmischungen oder von nützlichen Maschinen verschaffen und benützen, ist so wenig Eingriff in die Eigenthumsrechte des ersten Erfinders, als wenn Jemand nach einem Meisterwerke Raphaels seine eigene Kunst versucht. Politische Rücksichten können hiervon eine Ausnahme in jenen Staaten machen, wo, zur Begünstigung neuer Erfindungen und zur Belebung des Kunstfleisses der Erfinder, ein ausschliessendes Privilegium zur Production 34 Vgl. Strafgesezbuch für das Königreich Baiern. München 1813, S. 153. 35 Anmerkungen zum Strafgesezbuche für das Königreich Baiern. Nach den Protokollen des königlichen geheimen Raths. 3 Bde. München 1813/14, Ndr. Goldbach 2002.

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gewisser Fabrikate auf eine bestimmte Zeit (Brevet36, Patent37) erhält, deren Verletzung nach dem Inhalt solcher Privilegien bestraft wird, aber, nach den in der Einleitung § 8 und zum Artikel 2  § 3 angegebenen Gesichtspuncten, nur als Polizei-Uebertretung anzusehen ist. Eben dieses gilt von Geisteswerken, welche durch den Druck oder sonst dem Publikum mitgetheilt werden, um durch Verkauf der Exemplare einen Gewinn von den angewandten Geisteskräften zu ziehen. Arbeiten der Schriftsteller, Kupferstiche, Musikalien u. dgl. genie­s­sen gleicher Rechte. Aber nicht jede Beeinträchtigung des Eigenthums ist ein Verbrechen oder Vergehen; daher wurde 1) das Eigenthum und das Recht auf den Gewinn durch Geistesproducte im Allgemeinen vom Strafgesetzbuche zwar anerkannt, aber die nähere Bestimmung desselben mit seinen rechtlichen Folgen, besonders hinsichtlich des Schadenersatzes, dem bürgerlichen Gesetzbuche überlassen. 2) Was den Nachdruck von Werken der Kunst oder Wissenschaft (Büchernachdruck) insonderheit anbelangt, so wurde nebst dem Schadenersatz die Strafe dem Inhalte der Druckprivilegien und des Polizei-Strafcodex vorbe­halten. 3) Eben dieser Vorbehalt erstreckt sich auf andere, mit einem Königlichen Privilegium begnadigten Erfindungen. 4) Nur soweit dabei eine Entwendung oder ein Betrug unterlauft, konnte und mußte eine Beeinträchtigung der Rechte an Geistesproducten dem Strafgesetzbuche vindicirt werden; wonach denn eine solche Verletzung, den Bestimmungen des zweiten und dritten Buchs zufolge, nach Umständen als ein Verbrechen oder Vergehen anzusehen und zu bestrafen ist. Auf diese Weise wurden mehrere Artikel des Entwurfs, welche sich (Art. 334–343) weitläuftig über diesen Gegenstand verbreitet hatten, auf die einfachen Grundsätze zurückgeführt, welche der gegenwärtige Artikel enthält. Demselben zufolge sind Verletzungen dieser Rechte nur dann Verbrechen oder Vergehen, wenn dabei eine Entwendung oder ein Betrug begangen worden. Es ist nützlich, diese Bestimmung durch einige Beispiele aufzuklären. Wer einem Schriftsteller das Manuscript entwendet, und davon bei dem Publikum Gebrauch macht, oder wer das Recept einer Fabrik durch Entwendung oder Betrug an sich bringt, und dasselbe zu seinem Vortheile oder zum Schaden des Fabrikanten anwendet, ist als Dieb oder als Betrüger strafbar. Wer die Firma eines andern Kaufmanns oder Fabrikanten sich widerrechtlich zueignet, wer seine Waaren und Fabrikate mit den Zeichen eines andern F ­ abrikanten 36 Brevet (von frz. brevet, lat. breve): Schutz-, Verleihungs- oder Ernennungsurkunde. Vgl. Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 2, S. 660. 37 Urkunde, der ein Siegel angehängt oder aufgedrückt war, offen versandt wurde und eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse betraf. Vgl. Haberkern/Wallach, Hilfswörterbuch für Historiker, S. 473. HRG, Bd. 3, Sp. 1532 f.

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versiehet, der giebt falsche Thatsachen zu seinem Vortheile oder zum Schaden des Andern für wahr an: er ist also nach dem Art. 25638 ein Betrüger, denn er betrügt den Käufer, welcher, im Vertrauen auf diese Zeichen, Sachen kauft, welche er nicht kaufen wollte: er betrügt bei Gegenständen des öffentlichen Handels das Publikum und beschädigt den Fabrikanten, dessen Absatz er durch falsche nachgemachte Zeichen vermindert. Auf den inneren Gehalt der unter falschem Namen, Zeichen oder Firma in Umlauf gebrachten Waaren kommt es also eben so wenig, als auf den innern Gehalt der unächten Münze (Art. 34139) an, wo das Hauptmoment des Betrugs nicht eben in der Materie, sondern in der Form liegt. Nach eben diesen Rücksichten läßt sich bestimmen, wie ferne der Büchernachdruck als ein Betrug oder nur polizeilich zu bestrafen sey. Eignet sich der Nachdrucker den Namen des Verlegers zu; so giebt er falsche Thatsachen für wahr aus, er mißbraucht einen fremden Namen und eine fremde Handels-Firma, zu seinem Vortheile oder zu fremdem Schaden, auf eine widerrechtliche Art: er ist also Betrüger, ohne Unterschied, wie der Nachdruck beschaffen, wie der Preis desselben angesetzt ist, und unter welchem Vorwande der Nachdruck erscheint. Wer aber ohne Namen des Verlegers, es sey unter seiner eigenen Firma oder ohne alle Angabe des Verlegers, ein Buch nachdruckt, begehet einen einfachen Nachdruck ohne Betrug, ist also nur nach dem § 3 des gegenwärtigen Artikels zu beurtheilen. Alles dieses gilt von inländischen Geistesproducten und Fabrikaten ohne Einschränkung. Hinsichtlich der ausländischen Producte und Fabrikate aber entstehen, theils durch die Reciprocität der Rechte, theils durch Verhältnisse des Handels, theils durch staatswirthschaftliche Rücksichten, verschiedene Ausnahmen. Daß man die in den Privilegien eines fremden Staates bestimmten Strafen nicht verhängt, fällt in die Begriffe, weil das Recht, solche Privilegien zu ertheilen und die Wirkung derselben auf die Grenzen des verleihenden Staates beschränkt ist. Eben so wenig wird der Nachdruck eines Werkes bestraft, das in einem Staate erschienen ist, welcher den Büchernachdruck begünstiget. Andere, auf staatswirthschaftlichen oder Handelsverhältnissen beruhende Beschränkungen hängen von so vielen Umständen und Rücksichten ab, daß man deren Beurtheilung dem vernünftigen Ermessen der Behörden überlassen muß“.40 Der Polizei-Strafcodex von Baiern ist noch nicht erschienen, und es besteht gegenwärtig in Baiern über den Nachdruck keine andere gesetzliche Bestimmung, als diejenige, welche das Strafgesetzbuch enthält. Indessen wurde der Art. 397 desselben immer aus dem Gesichtspuncte angesehen, daß der Nach38 Vgl. Strafgesezbuch für das Königreich Baiern. München 1813, S. 101. 39 Vgl. ebd. S. 134. 40 Vgl. Anmerkungen zum Strafgesezbuche für das Königreich Baiern, Bd. 3, S. 261−265.

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druck schon vorläufig als eine polizeilich-strafbare Handlung erklärt, und sonach die Polizei ermächtigt sey, gegen die Nachdrucker einstweilen und bis das künftige Polizei-Gesetzbuch das Verfahren näher bestimmen wird, arbi­ trarisch einzuschreiten. Nach diesen Grundsätzen ist auch in vorkommenden Fällen verfahren worden, und ein im Februar d. J. auf die Beschwerde eines fremden Buchhändlers über den Verkauf eines Nachdrucks ergangenes Königliches Rescript sagt: „Wenn gleich zur Zeit ein ausdrückliches Verbot des Büchernachdrucks in Unserm Reiche nicht besteht; so ist doch derselbe, nach den Bestimmungen des Art. 397, 1. Theils Unseres Strafgesetzbuches, als eine unerlaubte und strafbare Handlung zu betrachten, und eine jede Theilnahme Unserer Unterthanen an solchen rechtswidrigen Eingriffen in fremdes Eigenthum erscheint daher strafbar“.41 Nach den mir gewordenen Mittheilungen ist in Baiern eine ausführliche Polizeigesetzgebung über den Büchernachdruck bald zu erwarten. Das Strafgesetzbuch für die Herzoglich-Holstein-Oldenburgischen Lande (das Baierische mit den nach den Local-Bedürfnissen und sonst angemessen befundenen Abänderungen und Zusätzen) verordnet im Art. 416: „Wer ein Werk der Wissenschaft oder Kunst ohne Einwilligung seines Urhebers, dessen Erben oder Anderer, welche die Rechte des Urhebers erlangt haben, durch Vervielfältigung mittelst Druckes oder auf andere Weise, in dem Publikum bekannt macht, ohne dasselbe zu eigenthümlicher Form verarbeitet zu haben, wird, nebst dem Schadenersatze, nach den in den einzelnen Druckprivilegien enthaltenen Bestimmungen und, in deren Ermangelung, mit Confiscation der nachgedruckten Auflage und einer dem Betrage des gestifteten Schadens gleichmäsigen Geldbuße bestraft“.42 In dem Herzogtum Nassau ist der Nachdruck durch das über Buchhandel und Buchdruckerei am 5. Mai 1814 erlassene landesherrliche Edict43 in der Maße verboten, daß den Buchdruckern zwar erlaubt ist, alle und jede Manuscripte durch Abdruck in ihren Werkstätten zu vervielfältigen, dahingegen, mit Androhung der Hinwegnahme und Vernichtung aller abgedruckten noch vorräthigen, und der baaren Bezahlung des Ladenpreises der etwa schon abgegebenen Exemplare an den beschädigten und darum ansuchenden Interessenten, untersagt ist, deutsch geschriebene und bei einem deutschen Buchhändler in Verlag gegebene Werke eines deutschen Schriftstellers, bei Lebzeiten des Letztern, und ohne seine vorher dazu erhaltene, förmliche Ein41 Reskript an die Regierungen des Oberdonau- und Regenkreises, München, 3. Februar 1818, abgedr. in: Sammlung der im Gebiete der inneren Staats-Verwaltung des Königreichs Baiern bestehenden Verordnungen, Bd. 14/3, § 768, S. 1510 f. 42 Strafgesetzbuch für die Herzoglich Holstein-Oldenburgischen Lande. Oldenburg 1814, S. 195. 43 Verordnung vom 4./5. Mai 1814, Verordnungsblatt des Herzogthums Nassau 1814, S. 47 f.

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willigung, nachzudrucken, weniger nicht solche Werke, worüber einem ausländischen Schriftsteller, oder einem Verleger, oder den Erben eines Schriftstellers, ein besonderes, den Nachdruck im Herzogthum untersagendes Privilegium ertheilt ist. Die Sammlung, welche ich zu machen in den Stand gesetzt worden bin, ist hiermit erschöpft. Vielleicht reicht das Vorgetragene hin, die verschiedenen Gesichtspuncte, aus welchen der Büchernachdruck betrachtet wird, zu erläutern; vielleicht kann es Einiges dazu beitragen, die Arbeit, welcher der 18. Artikel der Bundesacte verlangt, zu erleichtern. In dieser Beziehung und in Rücksicht auf das Gesuch der Deputirten der deutschen Buchhändler glaube ich darauf antragen zu können, daß ein Ausschuß zur Erstattung eines Gutachtens über die Abfassung gleichförmiger Verfügungen zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck, ernannt werden möge. *



Von diesen 82 sind 16 aus Leipzig, 12 aus Berlin, 6 aus Frankfurt am Main, 4 aus Halle, 3 aus Wien, 3 aus Weimar, 2 aus Prag, aus Braunschweig, aus Göttingen, aus Gotha, aus ­Erfurt, aus Nürnberg, aus Königsberg, und dann 1 aus Hannover, aus Breslau, aus Jena, aus Potsdam, aus Altenburg, aus Offenbach, aus Heidelberg, aus Chemnitz, aus Pirna, aus Neustadt an der Orla, aus Sulzbach, aus München, aus Gießen, aus Wittenberg, aus Erlangen, aus Rostock, aus Bremen, aus Rudolstadt, aus Sondershausen, aus Grimma, aus Aarau, aus Zürich, aus Schleswig, aus Riga.

193. Buol an Metternich

HHStA Wien, St. K., Deutsche Akten (alte Reihe), Kart. 222, Fasz. 147 (alt), fol. 62−62’. Praes.: 14. Oktober 1818. Bericht. Behändigte Ausfertigung.

Der Bundestagsgesandte Berg meint nicht umhinzukönnen, seinen Vortrag über die verschiedenen Gesetzgebungen über die Pressefreiheit noch vor den Ferien, wahrscheinlich in der Sitzung der Bundesversammlung vom 12. Oktober 1818, vorzulegen. Überlegungen Buols, wie man einem Beschluß der Bundesversammlung in dieser Sache, der den Beifall Metternichs nicht erhalten dürfte, zuvorkommen könne und wie er den nach den Ferien zu fassenden Beschluß ganz von den Weisungen Metternichs werde abhängig machen können.

No 58 b.



Frankfurt am Main, 5. Oktober 1818

Durchlauchtig-Hochgeborner Fürst! Der Herzoglich-Oldenburgische Gesandte und Präsident v. Berg, dessen Wunsch in Bälde in die Kenntniß Eurer Fürstlichen Gnaden hohen Ansichten

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Bergs „Übersicht der verschiedenen Gesetzgebungen über Preßfreiheit“

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über den von ihm verfaßten und unterm 6ten Mai d. J. No 28 H eingesandten Vortrag über die Preßfreiheit gesetzt zu werden, ich untereinstens pflichtschuldigst bemerkt habe, glaubt nicht umhin zu können, diesen Vortrag1 noch vor den instehenden Ferien der Bundes Versammlung vorzulegen; Er wird noch bis zur letzten wahrscheinlich am 12ten d. gehalten werdenden Sitzung Hochdero diesfälligen Winken entgegen sehen, wenn keine erfolgen sollten, so werde ich durch den Antrag auf eine Commission zur Begutachtung möglichst gleichförmiger Verfügungen nach dem Sinne des Artikels XVIII der Bundes-Acte2 auf alle Fälle jedem Beschlusse zuvorkommen, der etwa Eurer Fürstlichen Gnaden hohen Beifall nicht erhalten dürfte, und da ich sehr wahrscheinlich mitgewählt werde3, den nach den Ferien zu fassenden ganz von Hochdenselben abhängig machen können. Genehmigen Eure Fürstliche Gnaden die Versicherung meiner tiefen Verehrung G. v. Buol Schauenstein

194. Bergs „Übersicht der verschiedenen Gesetzgebungen über Preßfreiheit, besonders in Deutschland“

ProtDBV 1818, 51. Sitzung vom 12. Oktober 1818, Beilage 38, S. 601–646. Vortrag. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 6, 1818, S. 293−353; Collmann, Quellen, Materialien und Commentar des gemein deutschen Preßrechts, S. 175−252.

Es ist der Wunsch der Stifter des Deutschen Bundes, den ungestörten Genuß einer vernünftigen Pressefreiheit sicherzustellen. Auftrag an die Bundesversammlung, über die Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die Pressefreiheit zu beraten. Auftrag der Bundesversammlung an Berg, eine erläuternde Übersicht über die bestehenden Gesetzgebungen über Pressefreiheit, insbesondere in Deutschland zu erstellen. Übersicht Bergs: Theorie und Praxis der Pressefreiheit, ihrer verschiedenen Modifikationen und ihrer Anwendung in der Gesetzgebung. Hauptsysteme der Zensur: Justizsystem und Polizeisystem. 1. Grundsätze des Justizsystems über Preßvergehen nach seinen verschiedenen möglichen Abweichungen: Verbot gänzlicher Anonymität, Erschwerung der Bekanntmachung, Verantwortlichkeit der Drucker, spezielle Gesetz­ gebung, Ausnahmen von der Zensurfreiheit. Beispiele für das Justizsystem: England, Frankreich, Deutschland (Hessen, Mecklenburg, Holstein, Bayern, Nassau, Sachsen1 Vgl. Dok. 194. 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1517 3 Zu Mitgliedern dieser Kommission wurden die Bundestagsgesandten Buol, Martens, Wangenheim, Berckheim und Berg gewählt. Vgl. ProtDBV 1818, 51. Sitzung vom 12. Oktober 1818, § 237, S. 539.

Nr. 194

Frankfurt am Main, 12. Oktober 1818

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Weimar, Württemberg). 2. Grundsätze des Polizeisystems in Beziehung auf Pressemißbräuche: Rechtmäßigkeit der Zensur, Volksschriften, Zeitungen, Friedrich Traugott Krugs Vorschläge für ein Mischsystem. Beispiele für das Polizeisystem: Österreich, Preußen, Sachsen, Hannover, Baden, Braunschweig. Schlußbetrachtungen: Ehemalige Reichsgesetze. Frühere Abweichungen. Was gehört vor den Bund, was vor die einzelnen Regierungen? Erörterung des Freiherrn von Drais.

Frankfurt am Main, 12. Oktober 1818 Uebersicht der verschiedenen Gesetzgebungen über Preßfreiheit, besonders in Deutschland. Zu den Wohlthaten eines gemeinsamen Vaterlandes, welche die Stifter des deutschen Bundes jedem Deutschen zu sichern wünschen, gehört auch der ungestörte Genuß einer vernünftigen Preßfreiheit. Sie ist unter denjenigen Rechten mit aufgeführt, welche den Unterthanen der deutschen Bundesstaaten zuzusichern, die verbündeten Fürsten und freien Städte im 18. Artikel der Bundesacte1 übereingekommen sind, und, um desto gewisser zu dem vorgesetzten Zwecke zu gelangen, erhielt die Bundesversammlung den Auftrag, sich unter den ersten Gegenständen ihrer Berathungen auch mit Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die Preßfreiheit zu beschäftigen. In dem von dieser hohen Versammlung genehmigten Vortrage über die Reihefolge ihrer Geschäfte ist hierüber Folgendes geäussert worden: „Dieser Gegenstand gehört zwar zu denjenigen, womit sich die Bundesversammlung sehr bald beschäftigen soll. Allein Gleichförmigkeit der Verfügungen über die Preßfreiheit wird in allen deutschen Landen nur durch die Vergleichung der in denselben bisher befolgten Grundsätze erreicht werden können. Es dürfte also der Anfang damit zu machen seyn, dieß wichtige und wohlthätige Geschäft durch Sammlung der in den verschiedenen Bundesstaaten bereits über Preßfreiheit erlassenen Gesetze vorzubereiten“.2 Einen ganz gleichen Auftrag, wie in Ansehung der Preßfreiheit, hat die Bundesversammlung zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und der Verleger gegen den Nachdruck in der Bundesacte erhalten.3 Ueber beide Gegenstände sind derselben, ausser einigen gedruckten, auch handschriftliche Abhandlungen zugekommen, über die Preßfreiheit: von dem Großherzoglich-Badischen Herrn geheimen Rath und Präsidenten, Freiherrn

1 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1517 (Art. 18d). 2 Vgl. Dok. 114, S. 500. 3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1517 (Art. 18d)

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Bergs „Übersicht der verschiedenen Gesetzgebungen über Preßfreiheit“

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von Drais4 zu Mannheim5, und von dem Herrn Professor Hillebrand 6 zu Hildes­heim7. Der Herr Professor Krug8 zu Leipzig hat seine Schrift: Entwurf zur deutschen und Darstellung der englischen Gesetzgebung über Preßfreyheit Leipzig 18189 der hohen deutschen Bundesversammlung gewidmet. Die Abhandlung des Freiherrn von Drais gab zu dem in der 22. Sitzung des vorigen Jahres gefaßten Beschlusse die Veranlassung, wornach „die über Preßfreiheit und Büchernachdruck in den deutschen Bundesstaaten bestehenden Verordnungen, mit den darauf sich beziehenden Eingaben, von mir gesammelt und der Bundesversammlung in einer erläuternden Uebersicht vorgetragen werden sollen“.10

  4 Karl Wilhelm Ludwig Friedrich Freiherr Drais von Sauerborn (1755–1830), badischer Jurist, trat nach dem Studium in Erlangen und Altdorf 1777 in den badischen Staatsdienst ein, 1790 Obervogt in Kirchberg, 1797 Polizeidirektor in Rastatt, 1799 Geheimer Regierungsrat im Rentkammerkollegium in Karlsruhe, 1800 zugleich Polizeidirektor ebd., 1803 Präsident des Hofgerichts in Rastatt mit dem Titel Geheimer Rat, 1806 Wirklicher Geheimer Rat, 1806 Oberhofrichter und Präsident des Oberappellationsgerichts in Bruchsal und ab 1810 in Mannheim (bis 1830). Vgl. Weech, Badische Biographien, T. 1, S. 194–196; DBE, Bd. 2, S. 607; ADB, Bd. 5, S. 372 f.   5 Vgl. „Abhandlung der hohen Bundesversammlung vorgelegt, über eine Staats-Ordnung bei der Preßfreiheit, besonders wie viel davon auf dem teutschen Bundestag zu bestimmen wäre? 1817“, in: C. W. F. L. Freiherr von Drais, Materialien zur Gesetzgebung über die Preßfreiheit der Teutschen besonders zur Grundbestimmung auf dem Bundestag. Zürich 1819, S. 1−46.   6 Joseph Hillebrand (1788–1871), Studium der katholischen Theologie in Hildesheim sowie der klassischen Philologie und Orientalistik in Göttingen, 1812 Lehrer am katholischen Josephinum in Hildesheim, 1815 Übertritt zum Protestantismus und Verlust seiner Stelle, 1817 außerordentlicher und 1821 ordentlicher Professor für Philosophie in Heidelberg, 1822−1850 Professor für Philosophie in Gießen, leitete seit 1823 als Pädagogiarch zugleich das dortige Gymnasium, 1834 Oberstudienrat, 1847−1865 mit Unterbrechungen Mitglied der hessischen Abgeordnetenkammer, deren Präsident er 1847 war. Vgl. DBE, Bd. 5, S. 43; ADB, Bd. 12, S. 415−417; DBA  I, 537, 295−305; DBA  II, 584, 231−234; DBA  III, 395, 295−298 und 302−304.  7 Joseph Hillebrand, Ueber Preßfreiheit. Eine Abhandlung aus einem noch ungedruckten Werke, betitelt: „Deutschlands Nationalität und National-Bildung“. Deutschlands hoher Bundesversammlung gehorsamst unterthänig vorgelegt. [Praes.: 14. Juni 1817], BA Berlin-Lichterfelde, DB 1/I, Nr. 332, T. 2 (Reinschrift, 25 S.)   8 Wilhelm Traugott Krug (1770–1842), deutscher Philosoph, 1801 außerordentlicher Professor in Frankfurt/Oder, 1805 ordentlicher Professor und Nachfolger Kants in Königsberg, 1809− 1834 Professor in Leipzig. Vgl. DBE, Bd. 6, S. 126; NDB, Bd. 13, S. 114 f.; ADB, Bd. 17, S. 220−222.  9 Wilhelm Traugott Krug, Entwurf zur deutschen, und Darstellung der englischen Gesetzgebung über die Preßfreiheit. Der hohen deutschen Bundesversammlung ehrerbietigst gewidmet. Leipzig 1818. 10 Vgl. ProtDBV 1817, 22. Sitzung vom 26. März 1817, § 125, S. 200.

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Der Vortrag über den Büchernachdruck ist bereits dieser hohen Versammlung übergeben.11 Der gegenwärtige Vortrag beschäftigt sich also allein mit der Preßfreiheit. Dem Zwecke einer erläuternden Uebersicht, sowohl der Theorie als der Praxis, scheint mir die Darstellung der Hauptsysteme über Preßfreiheit, ihrer verschiedenartigen Modificationen und ihrer Anwendung in der Gesetzgebung, vorzüglich der deutschen Staaten, am meisten zu entsprechen. Sollte ich indessen dem mir ertheilten Auftrage mit der Hoffnung einigen Erfolges mich unterziehen; so schien es mir wesentlich nothwendig, von allgemeinen Grundsätzen auszugehen, welche ich in kurzen Bemerkungen über rechtliche Begründung und rechtmäsige Beschränkung der Preßfreiheit darzustellen versuche, allezeit eingedenk, daß nur eine erläuternde Uebersicht der Gegenstand meines Auftrages ist, und daß mir weder ein Urtheil über die bestehenden Gesetzgebungen, noch eine gutachtliche Meinung über die Abfassung gleichförmiger Verfügungen in Beziehung auf Preßfreiheit in dem deutschen Bunde zukömmt, sondern nur Sammlung und Zusammenstellung der für diesen Zweck brauchbaren Materialien. Wenn ich zugleich aus einigen fremden Staaten Beispiele zur Erläuterung genommen habe; so hoffe ich um so mehr, Entschuldigung zu finden, als Einer derselben auch hier so häufig als Vorbild aufgestellt wird, in einem andern aber dieser Gegenstand in öffentlichen, höchst interessanten Verhandlungen sehr vielseitig, jedoch vorerst noch ohne practischen Erfolg, beleuchtet worden ist. Als bloßer Berichtserstatter habe ich am liebsten Gesetzgeber und Schriftsteller selbst reden lassen. Da es mir aber unmöglich scheint, Meinungen darzustellen, ohne selbst eine Meinung zu haben; so habe ich über die Hauptgrundsätze die meinige weder verschweigen können noch wollen, ohne deßhalb über die Anwendung auf Deutschland mir ein Urtheil zu erlauben. Die unverkennbaren Schwierigkeiten einer unparteyischen Darstellung widersprechender Systeme geben mir hoffentlich ein Recht auf die Nachsicht, um welche ich bitte, und der Zweck dieses Vortrages wird mich ohne Zweifel, vor der Gefahr, mißverstanden zu werden, bewahren. Wenn man, wie es gewöhnlich geschieht, aus der Freiheit zu denken, die Freiheit, seine Gedanken bekannt zu machen, ableiten will; so geräth man leicht in Gefahr, durch Verwirrung der Begriffe, durch Verwechslung des Rechts mit der Freiheit, der Freiheit mit der Willkühr, und noch manch anderes Mißverständniß ein Verhältniß zu verdunkeln, welches aus der Natur des Menschen und seiner Bestimmung sonnenklar hervorgeht. Daß die Freiheit des Gedankens, der im Innersten des menschlichen Geistes verborgen ist, 11 Vgl. Dok. 192.

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über alle menschliche Gewalt erhaben, sich gegen jeden äussern Einfluß ­unverletzt erhalten könne, würde unzweifelhaft seyn, wäre nicht die Macht des Glaubens und die mögliche Herrschaft über die Gewissen. So aber ist es gekommen, daß wir in der Denkfreiheit, als staatsbürgerlichem Recht, zu­ vörderst nur die Sicherheit gegen äussere Gewalt, mithin die Befugniß des Staatsbürgers erkennen, seine Gedanken, unabhängig von fremder Einwirkung, für sich zu behalten, und hieraus ergiebt sich von selbst, daß die Aeusserung der Gedanken in der Denkfreiheit zwar die Bedingung ihrer Gründlichkeit, Reichhaltigkeit und Wohlthätigkeit, keinesweges aber die Quelle eines rechtlichen Verhältnisses findet, dessen Bestimmung von dem Einflusse der Rede auf das Wohl der bürgerlichen Gesellschaft abhängt. Denk- und Preßfreiheit haben eine und dieselbe Quelle. In dem Vermögen, zu denken und die Gedanken durch Worte auszudrücken, liegt das angeborne unveräusserliche Recht des Menschen, Andern seine Gedanken mitzutheilen, durch Austausch derselben sich aufzuklären, Lehre zu geben und Lehre zu empfangen; es liegt in diesem erhabenen Vorzug vor allen andern Geschöpfen die Pflicht, durch gegenseitige Mittheilung erlangter Einsichten und Kenntnisse das Band der menschlichen Gesellschaft zu befestigen und sie selbst immer mehr zu veredlen. Diese Pflicht schon fordert Oeffentlichkeit; und eben sie ist es, welche den Gebrauch jenes großen und heilsamen Rechts auf einen so bedeutenden und eigenthümlichen Standpunct erhebt, um so mehr erhebt, als eine Erfindung, welcher unter den wohlthätigsten die erste Stelle gebührt, das einfachste, leichteste und bequemste Be­ förderungsmittel eines allgemeinen Gedankenverkehrs darbietet. Hieraus geht nun die Preßfreiheit von selbst hervor: der Zweck aber, dem die Presse dienen soll, verbietet Zügellosigkeit und Frechheit. Die Aeusserung der Gedanken hat, nach ihren Mitteln, drei Grade, die in ihren Wirkungen sehr verschieden sind: die Rede, die Schrift, den Druck. Was die Rede voraus hat an Macht des augenblicklichen Eindrucks, das wird reichlich ersetzt durch die bleibende Schrift, durch die Leichtigkeit ihrer Vervielfältigung, ihrer Verbreitung, ihrer Aufbewahrung, ihrer wiederholten Durchlesung und Beherzigung. Der Druck aber vereinigt in sich alle diese Vortheile aufs vollständigste. Die Presse, als ein nützliches Mittel zu einem nicht nur erlaubten, sondern gebotenen Zweck, kann natürlicher Weise dem gemeinen Gebrauche nie entzogen werden: ihr Mißbrauch aber ist allerdings verwerflich, so sehr, und noch mehr, als der Mißbrauch der Zunge oder der Feder. Was aber ist als Mißbrauch der Presse zu betrachten? Ohne Zweifel jeder Gebrauch derselben, welcher dem Zwecke der Verbreitung nützlicher Wahrheiten widerspricht. Da indessen die Erforschung der Wahrheit und die Mittheilung des Erforschten keinen Zwangsvorschriften unterworfen werden, sondern das,

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was als Wahrheit verkündet wird, nur durch Gründe siegen, oder durch Gründe besiegt werden kann; so entsteht die Frage: ob und wie fern Zwangsmaasregeln gegen den Mißbrauch der Presse Statt finden können? Wie nun, ausser dem Staate, mit dem natürlichen Rechte des Einen, seine Gedanken aus­ zusprechen, das natürliche Recht des Andern verbunden ist, von demjenigen, der dadurch sein Recht verletzt, Genugthuung zu nehmen, und die Fortsetzung der Beleidigung zu verhindern: also ist der Staat verbunden, ein Gleiches zu bewirken, wenn durch Rede, Schrift oder Druck Rechte verletzt werden, und dieses ist die einzige, in der Natur der Sache gegründete rechtliche Beschränkung der Preßfreiheit. Da aber die öffentliche Rede, die Handschrift, die im Publicum verbreitet wird, schon um der Oeffentlichkeit Willen anders beurtheilt werden muß, als das vertrauliche Gespräch, oder der Briefwechsel, dessen Geheimniß die Heiligkeit des Siegels bewahrt; so ist der höchste Grad der Oeffentlichkeit, die Bekanntmachung durch die Presse, welche so vielfach in das bürgerliche Leben eingreift, ohne Zweifel ganz dazu geeignet, als ein Gegenstand betrachtet zu werden, welcher mit dem allgemeinen Wohl in der genauesten Verbindung steht, und folglich die besondere Aufmerksamkeit jeder Regierung verdient. Die Wirkungen dieser Aufmerksamkeit werden von zweierlei Art seyn: den guten Gebrauch befördernd, den Mißbrauch verhindernd. Je wohlthätiger eine vernünftige Benutzung der Presse wirkt, desto mehr wird die Regierung sich bestreben, dieselbe zu erleichtern, und daher die dahin zweckenden Unternehmungen beschützen und begünstigen. Insonderheit wird sie durch die Entfernung aller willkührlichen Einwirkung auf den Geistesverkehr, die Verbreitung nützlicher Kenntnisse und die Erweiterung der Einsichten der Staatsbürger befördern, mithin auch den freien Fortgang wissenschaftlicher Untersuchungen durch Entscheidung über die Richtigkeit oder die Güte ihrer Resultate nicht stören. Mag sie immerhin Irrthümer in Schriften, die ihr bedenklich scheinen, durch Schriften widerlegen lassen – ihre Autorität wird sie nicht gebrauchen wollen, um über Wahrheit oder Unwahrheit in wissenschaftlichen Erörterungen zu entscheiden. Hierzu ist sie auch auf keine Weise berechtigt; nur über die Rechtmäsigkeit einer öffentlichen Aeusserung, in welcher man eine Rechtsverletzung zu finden glaubt, steht ihr ein Urtheil zu. In diesem, und allein in diesem Sinne scheint der Professor Hillebrand Beifall zu verdienen, wenn er für die Presse Unabhängigkeit von äusserer Macht und allseitige Freiheit, d. h. ungehinderte Ausdehnung auf alle und jede Gegenstände fordert. Aber auch nur so können seine Worte verstanden werden, wenn er den geistigen Verkehr für unabhängig von jeder obersten Staatsverwaltung, und diese, selbst gegen freche Zügellosigkeit im geistigen Leben, für incompetent erklärt; wenn er Unwissenheit oder Unvernunft, Leichtsinn oder bösliche Absicht der Züchtigung durch die Presse allein über-

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lassen will. Allerdings kann ein irrender Schriftsteller nur durch Gründe, nicht durch Befehle widerlegt und belehrt werden; allerdings hilft gegen Paradoxie, gegen Ausschweifung der politischen Speculation oder der Einbildungskraft keine äus­sere Gewalt; allerdings kann etwas sehr Boshaftes mit böslicher Absicht gesagt werden, ohne daß es eine andere, als die Geisel der Critik verdient. Wenn aber Zügellosigkeit und Bosheit zu widerrechtlichen Handlungen verführen; so kann die Presse, welche dazu mißbraucht wird, den schützenden und strafenden Arm der Gerechtigkeit nicht abwenden. Ueberhaupt muß Zügellosigkeit in dem Sinne, welchen man gewöhnlich mit diesem Worte verbindet, stets einen schädlichen Gebrauch der Kräfte, also auch der geistigen besorgen lassen. Denn es deutet auf ein Thier, das eines Zügels bedarf, wodurch es gelenkt wird; das, ohne Zügel, seiner ganzen Wildheit überlassen ist und dessen blinde, heftige und ungelenkte Bewegungen ihm und andern schädlich werden. Wie möchte man dieß Bild auf den edlen Beruf eines Schriftstellers anwenden? Auch Frechheit geziemt ihm nicht. Aber, wenn diese darin besteht, daß sie den anerkannten Gesetzen der Sittlichkeit und des Wohlstandes trotzt, ohne in widerrechtliche Handlungen auszuarten; so kann freilich allein der innere Richter, das moralische Gefühl, sie strafen, und sie fällt nur dem äussern Richter anheim, wenn sie dergestalt alle Schranken überschritt, daß ihr zum Wohl des Ganzen ein Ziel gesetzt werden muß. Aus einer irrigen Anwendung des Begriffes der Freiheit sind über Preßfreiheit noch schlimmere Mißverständnisse entstanden. Frei ist allerdings derjenige, welcher keine äussere Gewalt anzuerkennen hat, die ihn einzuschränken berechtigt ist, und daher ist zum Theil die Meinung entstanden, daß Preßfreiheit von aller Verantwortlichkeit entbinde; daß der Gebrauch der Presse das Unerlaubte erlaubt, das Strafbare straflos mache: daß, was man nicht zu sagen wagen dürfe, unbedenklich gedruckt werden könne. Aber im Staat kann nur eine gesetzliche Freiheit bestehen, und die höchste Staatsgewalt ist daher auch in Beziehung auf den Gebrauch der Presse befugt, gegen Rechtsverletzungen, welche durch sie verübt werden können, nicht nur überhaupt den gesetzmäßigen Schutz zu verleihen, sondern auch dieselben durch besondere Gesetze näher zu bezeichnen, ihre rechtlichen Folgen festzusetzen, die ordnungsmäsige Thätigkeit der Gerichtshöfe gegen Preß-Vergehungen oder Verbrechen zu bewirken, und zu Verhütung der Preß-Mißbräuche Vorkehrungen zu treffen, unter denen die Censur als die erste und wirksamste genannt wird, indem sie den Gebrauch der Presse einer beständigen unmittelbaren Aufsicht unterwirft, um die Bekanntmachung einer Schrift durch dieselbe, oder auch die Verbreitung einer aus ihr bereits hervorgegangenen Schrift, wenn es für nothwendig erachtet wird, verhindern zu können. Aus der Censur vor dem

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Druck gehen Druckverbote, aus der Censur nach dem Druck gehen Bücherverbote hervor. Jene sollen das Entstehen, diese die Vollbringung eines PreßVerbrechens oder Vergehens verhüten. Die Censur nach dem Druck hat verschiedene Grade, besonders in so fern sie dem Verkaufe jeder Druckschrift vorhergehen muß, oder aber nur als Mittel der allgemeinen Aufsicht dient, und ihre Wirkung bloß alsdann äussert, wenn sie einen Mißbrauch der Presse wirklich entdeckt hat. Wird in letzterer Hinsicht auch nicht einmal die Einreichung der in den Buchhandel bereits gebrachten Schriften bei einer öffentlichen Behörde verlangt, so verschwindet der eigentliche Begriff der Censuranstalt, und der Zweck ist nicht mehr Verhütung eines zu befürchtenden, sondern Unterdrückung eines bereits vorhandenen Uebels. Durch diesen Zweck unterscheiden sich die beiden Hauptsysteme über Preßfreiheit, wovon das eine der Polizei, das andere der Justiz angehört. Ich werde es versuchen, beide ihrem Wesen nach, und wie sie durch die Gesetzgebung in das Leben eingeführt sind, darzustellen. Im allgemeinen muß ich bemerken, daß bei dem ersteren, Polizei und Justiz einander ergänzen und aushelfen sollen, dahingegen das andere die Vorsorge der Polizei nicht allein als entbehrlich, sondern selbst als gemeinschädlich, von allem, was den Geistesverkehr und den Gebrauch der Presse für denselben betrifft, zurückweist und ausschließt. Das Justiz-System hat seine Eigenthümlichkeit nicht bloß in der Befreiung von aller Censur. Es betrachtet den Gebrauch der Presse überhaupt, wie jede andere Handlung, welche den Staat erst alsdann angeht, wenn sie in das Rechtsgebiet der Gesammtheit oder des Einzelnen eingreift. Es beruhet auf dem einfachen Grundsatz: Jeder kann ungehindert drucken lassen, was er sich vor Gericht zu verantworten getraut, und wenn er willkührliche Rechtsverletzungen durch Mißbrauch der Presse sich erlaubt; so muß er die Folgen sich gefallen lassen, welche die im Allgemeinen auf Vergehen oder Verbrechen, die durch Schriften verübt werden können, anwendbaren Gesetze bestimmt haben: er muß der gerichtlichen Untersuchung und der Verurtheilung zur gesetzlichen Strafe, zur Genugthuung und Sicherstellung für die Zukunft sich unterwerfen. Schriftliche Vergehungen gegen die öffentliche Autorität, Ordnung und Ruhe, gegen Religion und Sittlichkeit, gegen Ehre und guten Namen u. s. w. werden nach den von den Gesetzen im allgemeinen aufgestellten Begriffen und gegebenen Vorschriften beurtheilt, und, nach ihrer Beschaffenheit und näheren oder entfernteren Beziehung auf den Staat und die Regierung entweder von dem öffentlichen Ankläger, (da, wo das richterliche Amt nicht dessen Stelle verfassungsmäsig vertritt,) oder von der beleidigten Privatperson gerichtlich verfolgt. Keine besondere Behörde, keine besondere Verfahrungsart findet statt: Alles geht den ordentlichen Weg Rechtens: die ge-

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setzlichen Strafen können um der Oeffentlichkeit willen geschärft, aber auch, weil in der Bekanntmachung durch den Druck meistens nur der Versuch, der Anfang eines Verbrechens liegt, welches erst vollendet dasteht, wenn mit der Absicht der Erfolg sich vereinigt hat, gemildert werden. Die Genugthuung und Sicherstellung für die Zukunft, welche der Beleidiger zu leisten hat, erhält zwar durch die Art, wie die gesetzwidrige Handlung verübt ist, und durch die Nothwendigkeit ihrer schädlichen Wirkung, welche die Aufbewahrung und Verbreitung einer Druckschrift gleichsam ins Unendliche ausdehnt, Einhalt zu thun, eine eigenthümliche Richtung, wird aber nichts desto weniger nach allgemeinen Gesetzen bestimmt. Wo diese überhaupt eine Inhibition verstatten, da wird auch der Verkauf und Umlauf einer Druckschrift vorläufig untersagt; die Rechtmäsigkeit eines Arrestes begründet allein die Beschlagnahme, und, nur die Pflicht, gegen die Fortsetzung der Rechtsverletzung wirksam zu schützen, die Confiscation, und selbst die Vertilgung derselben. Nach eben diesen Grundsätzen wird auch auf Sicherstellung für die Zukunft, und zwar in der Art, wie es nach den besondern Umständen und der Vorschrift der Gesetze am angemessensten geschehen kann, rechtlich erkannt. Drucker, Verleger oder andere Verkäufer einer Schrift, deren Inhalt gesetzwidrig befunden ist, werden für diesen um der bloßen Ausübung ihres gewöhnlichen Nahrungszweiges willen, nicht verantwortlich gemacht, sondern nur dann als Mitschuldige oder Gehülfen des Verfassers betrachtet, wenn sie nach allgemeinen rechtlichen Grundsätzen einer wirklichen Theilnahme oder Beihülfe an dem Vergehen oder Verbrechen desselben überwiesen sind. Die Reinheit dieses Systems verliert schon dadurch, wenn das Gesetz verlangt, daß entweder der Verfasser, oder der Verleger, oder der Drucker sich nenne, weil der Grundsatz, den Gebrauch der Presse, wie jede andere Handlung, nach den allgemeinen Gesetzen zu beurtheilen, welche doch sonst von keinem Urheber einer gesetzwidrigen Handlung oder dessen Gehülfen eine Selbstanzeige fordern, damit nicht übereinstimmen würde. So wenig sich nun gegen die Consequenz dieser Ansicht einwenden lassen dürfte; so wenig ist doch zu läugnen, daß wichtigere Gründe den Gesetzgeber bewegen können, die Reinheit des Systems einem höheren Zwecke aufzuopfern. Die Anonymität der Schriftsteller scheint zwar mit Recht vertheidigt zu werden, schon um deßwillen, weil ihr Verbot, das doch durch die noch schlimmere Pseudonymie so leicht vereitelt werden kann, manchen dem gemeinen Wesen und den Wissenschaften nützlichen Schriftsteller zum Stillschweigen verurtheilen würde. Allein hieraus folgt nicht, daß man sich deßhalb aller Mittel berauben müsse, einen ungenannten Schriftsteller kennen zu lernen. Die Leichtigkeit des Gebrauchs der Presse und der Verheimlichung derjenigen, welche sich ihrer bedienen, so wie die ausgebreitete Wirksamkeit einer Druckschrift unterscheidet ein Preßverbrechen von jedem andern, und der ungenannte Schriftsteller,

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welcher sich eines solchen schuldig macht, ist einem Meuchelmörder nicht unähnlich, den so fort entdecken zu können, zweckmäsige Mittel gewiß höchst wünschenswerth sind. Hier aber liegen die Mittel vor der Hand: Nennung des Herausgebers, Verlegers oder Druckers einer Schrift. „Der Schriftsteller, sagt Schlözer (allgemeines Staatsrecht S. 153) muß verdeckt bleiben dürfen, damit er furchtloser und sein Beurtheiler unpartheiischer sey. Aber Drucker und Verleger müssen sich angeben, damit die Justiz im Nothfalle einen Aufrührer oder Ehrenschänder finden und strafen könne; widrigenfalls wird Preßfreiheit eine ungleich verhaßtere Tyranney, als die Löwenrachen in Venedig“.12 Der zur Angabe seines Namens auf einer Druckschrift verpflichtete Herausgeber, Verleger oder Drucker ist aber darum nicht verpflichtet, auf jede Frage nach dem Verfasser auch zu antworten; selbst nicht der Obrigkeit. Die Frage kann nur vom Richter kommen: von Amtswegen, oder auf den ­Antrag des Staatsanwaltes, wenn die Abfassung und Bekanntmachung einer Schrift als ein öffentliches Verbrechen zu betrachten ist; auf das Gesuch Dritter, wenn sie eine ihnen oder solchen, die sie zu vertreten haben, zugefügte Rechtsverletzung nachweisen. Wenn aber auch das Gesetz die Nennung des Herausgebers, Verlegers oder Druckers nicht verordnet hat; so schließt doch das Justiz-System die Befugniß des Richters, jene Personen wegen des ­Namens des Verfassers in Anspruch zu nehmen, keinesweges aus. „Ueberall, sagt Weber in seinem trefflichen Werke über Injurien und Schmähschriften (Theil 3. S. 89 f.) wo der Richter gegen den Verfasser, wenn er sich genannt hätte, mit Recht von Amtswegen verfahren könnte, da ist er auch befugt, ex officio13 die Bekanntmachung des ungenannten Verfassers zu verfügen. Besonders gehört dahin, wenn anonymische Schriften irgend eine Beschuldigung öffentlicher Verbrechen und Vorwürfe der verletzten Amtstreue ins ­Publikum bringen, oder solche Auesserungen enthalten, wodurch öffentliche Anstalten in einen üblen Ruf gebracht werden. Natürlich können Regierungen, Obrigkeiten und Richter bei solchen öffentlichen Beschuldigungen nicht gleichgültig bleiben, und gleichwohl würde nichts unbilliger und widerrechtlicher seyn, als auf den Grund jener anonymischen Rüge wider einzelne Personen oder Collegien, welche die Beschuldigung trifft, schon eine Untersuchung zu verhängen, ohne vorher die Glaubwürdigkeit des Angebers, und die Gründe, worauf er zu Werke gegangen ist, geprüft zu haben. Unstreitig muß also nach der Person dieses anonymischen Verfassers geforscht, und kein 12 Vgl. August Ludwig von Schlözer, Allgemeines StatsRecht und StatsVerfassungsLere. Vor­an: Einleitung in alle StatsWissenschaften. Encyklopädie derselben. Metapolitik. Anhang: Prüfung der v. Moserschen Grundsätze des Allgem. StatsRechts. Göttingen 1793, S. 154 (sic). 13 Lat.: von Amts wegen. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 114.

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rechtliches Mittel, wodurch seine Bekanntwerdung zu bewirken ist, unversucht gelassen werden. In allen Fällen hingegen, wo das Buch oder der Aufsatz an sich, oder gewisse sträfliche Mittel der öffentlichen Ausstellung und Verbreitung kein richterliches Verfahren von Amtswegen rechtfertigen, kann auch natürlich die Anonymität nicht berechtigen, auf diesem Wege die Entdeckung des Verfassers zu betreiben. Eine Privatklage setzt, wenn sie überhaupt zulässig seyn soll, allemal voraus, daß entweder der Kläger selbst, oder ein anderer, dessen Beleidigung er den Rechten nach als mittelbare Injurie verfolgen darf, in dem Buche genannt, oder deutlich genug bezeichnet seyn muß. Wenn es in irgend einem Betrachte an diesen wesentlichen Stücken fehlt, kann überhaupt kein gerichtliches Verfahren gegen den Verfasser, mithin auch keine Verfügung zur Bekanntmachung desselben, wenn er sich nicht genannt hat, Statt finden. Ist hingegen die Zulässigkeit der Injurienklage, oder des richterlichen Verfahrens von Amtswegen an sich durch das Buch, mit Rücksicht auf die Person des Beleidigten, gehörig begründet, so kann allerdings ein Jeder, bei dem man nach besonderen Verhältnissen irgend eine Kenntniß der für das Unrecht verantwortlichen Personen annehmen kann, rechtlich angehalten werden, seine Wissenschaft anzugeben. Wer des Besitzes, oder gar der weitern Verbreitung einer solchen Schrift, besonders des damit getriebenen Handels überwiesen werden kann, ist schuldig, nicht allein die Art und Weise, wie er dazu gelangt sey, sondern auch, was ihm sonst in Ansehung des Urhebers und aller andern Personen, die zum Daseyn des Buchs mitgewirkt haben, bekannt ist, anzuzeigen. Vorzüglich aber können Verleger und Drucker, wie auch die Heraus­geber der Journale und Zeitschriften zur Angabe des Verfassers aufgefordert werden. Die ungebührliche Weigerung solcher Personen, ihre Wissenschaft mitzu­ theilen, muß natürlich geschärfte Strafbefehle, und am Ende die Selbsthaftung derselben für das Vergehen des Verfassers nach sich ziehen, in so fern von rechtlichen Folgen der Injurie die Rede ist, welche das Vermögen und die Güter des Injurianten betreffen“.14 Eine sehr bedeutende Abweichung von dem System liegt ferner darin, wenn die öffentliche Bekanntmachung einer Druckschrift an die Erfüllung irgend einer Bedingung geknüpft wird, welche es der Regierung möglich macht, ohne richterliche, also auf rechtliche Untersuchung gegründete Hülfe jene aufzuhalten, oder ganz zu verhindern. Dasselbe ist der Fall, wenn die Gesetze die Verübung eines Preßvergehens oder Verbrechens gerichtlich zu verfolgen gestatten, ehe die Druckschrift, welche in Anspruch genommen 14 Vgl. Adolph Dieterich Weber, Ueber Injurien und Schmähschriften. Abt. 3. 2. Aufl. Leipzig 1811, Zitat S. 91−94 (sic).

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wird, wirklich bekannt gemacht ist; nicht weniger, wenn die Beschlagnahme einer solchen Schrift von einer andern, als der gerichtlichen Behörde verfügt werden kann, und am meisten, wenn die rechtliche Beurtheilung der PreßMißbräuche den ordentlichen Gerichten entzogen wird. Hiermit steht aber eine zweckmäsige Aufsicht auf Druckereien und Buchhandel nicht im Widerspruch, in so fern sie nur im allgemeinen auf Ordnung und Rechtlichkeit bei diesen für das Staatswohl so wichtigen Gewerben hält, nicht aber den freien Gebrauch der Presse dadurch beschränkt, daß sie Herausgeber, Drucker, Verleger und Verkäufer allzuängstlichen Vorschriften und einer allzuschweren Verantwortlichkeit unterwirft. Weber hat in der bereits angeführten Schrift (Theil 3 Seite 120 f.) die Verhältnisse dieser Personen nach gemeinrechtlichen Grundsätzen sehr sorgfältig erörtert und genau bestimmt, und ich halte es für zweckmäsig, einen kurzen Auszug vorzulegen, weil dadurch der Charakter des reinen Justiz-Systems in Beziehung auf Preß-Mißbräuche besonders ins Licht gesetzt wird. „Wenn, sagt er, die Verantwortlichkeit der Buchdrucker und Verleger zu strenge genommen wird; so läuft man leicht Gefahr, die Preßfreiheit15 völlig zu vernichten. Beide würden auch bei den gleichgültigsten Werken Bedenken finden, das Schicksal des Verfassers zu theilen, sie würden der gänzlichen Zerrüttung ihres Gewerbes ausgesetzt seyn, wenn ­Regierungen und Gerichte alle diejenigen immer auch neben dem Verfasser in Anspruch nehmen wollten, die nur mechanisch an der Herausgabe eines Werks Antheil nahmen. Der Drucker kann weder die Materie noch den Ausdruck des Verfassers beurtheilen, er ist nur das mechanische Hülfsmittel, wodurch der Verfasser seine Ideen verbreitet. Der Verleger ist nicht selten, was die Beurtheilung eines Buchs anbetrifft, mit dem Buchdrucker in gleichem Falle, wenigstens liegt es ganz ausser seiner Bestimmung, und es ist ihm nicht anzusinnen, alle Manuscripte, die er verlegt, vor dem Abdruck sorgfältig durchzulesen, und Inhalt und Ausdruck von Seiten der Verantwortlichkeit zu prüfen. Noch weniger kann dieß von Buchhändlern gefordert werden, in so fern sie Bücher, die sie selbst nicht verlegt haben, verkaufen. Die Absicht aller dieser Personen ist nur auf ihr Gewerbe gerichtet, der Zweck des Verfassers liegt gänzlich ausser dem ihrigen, ist ihnen auch, an sich betrachtet, gleichgültig, wenn der Drucker nur den Gebrauch seiner Presse gut bezahlt erhält, und der Verleger die Auflage gut absetzt. Legalität und wissenschaftlichen Werth des Inhalts überlassen sie billig dem Verfasser zu verantworten. Ihr ganzes Verhältniß begründet die stärkste Vermuthung, daß sie nicht absichtlich an dem Unrecht und der Strafbarkeit des Inhalts Theil genommen haben. Diese Vermuthung sichert sie gegen alle Ansprüche, die aus einer absichtlichen Theilnahme hergenommen werden, so lange, bis sie besonders 15 Emendiert. Vorlage: Preßffeiheit.

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überwiesen sind, wissentlich und vorsetzlich Mitschuldige des Verfassers geworden zu seyn. Aus dem Abdruck und Verlag eines beleidigenden oder sträflichen Buchs folgt aber das an sich noch nicht. Nur in gewissen Fällen solcher Injurien, die einem jeden sogleich einleuchten, können besondere Gründe eintreten, die das Gegentheil beweisen, oder doch vermuthen lassen. Vorsichtiger aber müssen jene Personen bei anonymischen Schriften zu Werke gehen. Diese können freilich in Ansehung ihres Inhalts sehr gerecht seyn, aber die gesuchte Anonymität macht doch wenigstens die Maasregel nothwendig, daß man sich in den Stand setze, denjenigen zu nennen, an den Richter und Beleidigte sich halten können. Der Drucker ist frei, wenn er seinen Ver­ leger nennt, und allenfalls seine Unwissenheit in Ansehung des Verfassers eidlich bestärkt, da er es nur mit jenem, nicht mit diesem zu thun hat. Der Ver­leger ist frei, wenn er den Verfasser anzeigt, bis eine nähere Theilnahme desselben an der Vergehung des Letztern erweislich ist. Drucker hingegen, die ihre Presse einer Schrift überlassen, ohne weder Verleger noch Verfasser zu kennen, Verleger, die den Abdruck veranstalten, ohne den Schriftsteller angeben zu können, machen sich allerdings durch die Unachtsamkeit verbindlich, den erweislichen Schaden zu vergüten, der daraus entsteht, daß die Personen, welche sie anzugeben verbunden waren, unentdeckt bleiben, und beide können obendrein für ihre Pflichtwidrigkeit bestraft werden. Es ist eine sehr zu tadelnde Gewohnheit der Buchhändler, daß sie von ganz unbekannter Hand ihnen zum Verkauf zugesandte Bücher aufs Geradewohl ungeprüft annehmen, und weiter verkaufen. Dieß Betragen ist desto unvorsichtiger, je mehr die verdeckte Einsendung, wobei keiner sich namentlich angiebt, die Rechtmäsigkeit solcher Schriften verdächtig macht. Warum sollte sonst nicht wenigstens der Verleger genannt seyn? Sie machen sich daher allerdings durch den weitern Verkauf einer sträflichen Verbreitung schuldig, wenn die Schrift selbst verbotenen Inhalts ist. Die Herausgeber und Redacteurs der Zeitschriften und Journale stehen ­unstreitig, was den Inhalt der Aufsätze betrifft, die sie ins Publikum bringen, in einer strengern Verantwortlichkeit, als Drucker und Verleger. Sie haben keinesweges, wie diese, die Vermuthung für sich, daß sie die einzelnen Aufsätze nicht gelesen, oder geprüft hätten, und können sich mit dieser Ausflucht gar nicht entschuldigen, da sie sich allerdings zu einer gewissen Aufsicht über den Inhalt ihrer Zeitschrift und zur Fürsorge für die Zweckmäsigkeit derselben16 verpflichtet haben, mithin auch im Ganzen schuldig sind, ihn rechtlich zu verantworten. Sie haften daher völlig als Mitschuldige und Theilnehmer17, erstlich wenn sie überführt werden können, in Fällen der eigentlichen Ver­ 16 Vorlage: desselben. 17 In der Vorlage folgt: der Injurie.

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läumdung um die Unwahrheit der angegebenen Thatsachen gewußt zu haben; sodann, wenn in der Art der Darstellung eine Injurie liegt, die sie nicht verkennen konnten. Nach eben diesen Verhältnissen ist auch die Verantwortlichkeit der Censoren, welche beleidigenden Schriften den Abdruck gestatten, ingleichen der Uebersetzer, die solche in andere Sprachen übertragen, zu bestimmen. Erstere können sich wohl am allerwenigsten damit entschuldigen, daß sie das Unrechtmäsige des Inhalts übersehen hätten, da sie öffentlich zur genauen und sorgfältigen Lesung der Manuscripte bestellt sind. Ihre Strafbarkeit aber ist desto größer, da mit ihrer Vergehung zugleich eine Uebertretung der Amtspflicht verbunden ist. Auch Schauspieler machen sich der Injurien mitschuldig, wenn sie Stücke aufs Theater bringen, welche dergleichen erweislich und unverkennbar gegen gewisse Personen enthalten. Gewissermaßen läßt sich, was von Buchdruckern und Buchhändlern gesagt ist, auch auf die so genannten Antiquare, auf Unternehmer der Leihbibliotheken, Colporteure und a. dgl. Personen anwenden, die theils mit Büchern handeln, theils sonst durch ihr Gewerbe sie in Umlauf bringen. Auch die Sache dieser Leute ist es nicht, Alles vorher zu lesen, oder gar zu prüfen, was durch sie ins Publikum kommt. Geradezu sind sie also keinesweges als Mitschuldige des Verfassers, wenn auch diesem eine Injurie (ein Vergehen) zur Last fällt, zu betrachten, wofern sie nicht sonst überwiesen werden können, daß sie absichtlich zur unerlaubten Verbreitung derselben mit beigetragen haben. Wäre das Buch bereits obrigkeitlich verboten gewesen; so würde diese sträfliche Absicht von denen, die ein solches Verbot angieng, und die es gleichwohl wissentlich übertraten, freilich nicht abzulehnen seyn, dahingegen in andern Fällen immer erst der Beweis vorhanden seyn muß, daß sie die Injurie, deren Verbreitung ihnen zur Last gelegt wird, als solche völlig gekannt haben. Eine ganz eigene Art der ungebührlichen Theilnahme kann noch bei solchen Schriften Statt finden, worin der Beleidigte nicht genannt, sondern nur durch gewisse Merkmale mehr oder weniger kennbar gemacht worden ist. Personen, die sich ein Geschäft daraus machen, den so genannten Schlüssel zu solchen verdeckten Schmähungen recht gemeinkündig werden zu lassen, sind allerdings als Mitschuldige zu behandeln, wenn aus der ganzen Art der von ihnen geschehenen Verbreitung, die Absicht zu beleidigen deutlich erhellet. Wiederum aber kann dieß genus hominum18 auch nicht sowohl als Theilnehmer und Beförderer fremder Injurien, sondern für sich schon als HauptUrheber derselben theils von dem Verfasser, dem sie dergleichen Schmähung Anderer ohne Grund angedichtet, theils aber von den Personen, die sie gerade 18 Lat.: Menschengeschlecht.

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durch ihre falsche Deutung einem nachtheiligen Urtheile des Publici Preis gegeben haben, als wahre Injurianten belangt, und ernstlich für diesen Frevel angesehen werden.“19 Es ist nicht zu läugnen, daß manche der hier entwickelten Grundsätze bestritten werden. Selbst die also bestimmte Verantwortlichkeit wird noch für zu streng, ein Verfahren von richterlichen Amtswegen für zu lästig, die mögliche Stellung des Schriftstellers und seiner Gehülfen vor ein peinliches Gericht für zu ängstlich und den Gebrauch der Preßfreiheit zum voraus lähmend gehalten. Allein, wenn Bekanntmachung einer Schrift durch den Druck behandelt werden soll, wie jede andere That, die zur Verantwortlichkeit vor Gericht verpflichten kann; so ist das Alles nicht zu vermeiden, und diejenigen, welche besondere Gesetze verlangen, wissen nicht, was sie thun, so fern ihr Absehen nicht auf völlige Zügellosigkeit gerichtet ist. Denn das Justiz-System verändert beinahe seine Gestalt durch eine eigne, genau ins Einzelne gehende Strafgesetzgebung über Preß-Mißbräuche. Gegen eine solche Gesetzgebung würden sehr bald Schriftsteller, Herausgeber, Verleger, Drucker, Verkäufer eine billige Censur als eine wohlthätige Zuflucht erkennen. Es ist aber keinesweges die Meinung, daß die Gesetzgebung bei der Bestimmung des Begriffs und der Strafbarkeit gewisser rechtswidrigen Handlungen gar nicht auf den Mißbrauch der Presse, der dabei vorkommen kann, Rücksicht zu nehmen habe, und die Zusammenstellung solcher Bestimmungen, ihre Vereinigung unter Einen Gesichtspunct, ihre Verbindung mit den für Erhaltung der Ordnung und Rechtlichkeit in den Druckereien und im Buchhandel ergangenen Vorschriften, kann eine der Preßfreiheit auf keine Weise gefährliche Gesetzgebung über die Presse bilden. In dieser Hinsicht dürften einige Schriftsteller dem Vorwurf der Uebertreibung nicht entgehen, wenn sie jeder besondern Gesetzgebung über die Presse widerstreben, und in derselben, wie Comte in seiner Critik des neuen französischen Gesetzent­ wurfes über diesen Gegenstand, nur ein Mittel sehen wollen, jede Wahrheit, welche Machthaber beleidigen kann, ohne Aufsehen und Aergerniß zu unterdrücken, und zugleich den Völkern vorzuspiegeln, daß ihnen nichts, was sie angeht, verborgen werden könne. „Die Presse, sagt Comte, kann ein Werkzeug der Beschädigung seyn: alle Welt ist darüber einverstanden. Aber sie hat dieß mit allen Gegenständen gemein, welche sich in den Händen der Menschen befinden, und, wenn es genug wäre, daß eine Sache zu einem bösen Zwecke gebraucht werden kann, um ein Gesetz über dieselbe nothwendig zu machen; so würden wir beinahe eben so viele Gesetze haben, als es Gegenstände in der Natur giebt. Wir hätten ein Feuer-, ein Pulver-, ein Flinten-, ein Säbel-, ein Feder- und selbst ein Stimmgesetz. Ein besonderes über die Presse 19 Vgl. Weber, Ueber Injurien und Schmähschriften, Abt. 3, Zitat S. 122−129 (sic).

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ist folglich unnütz: man muß sich mit dem Bösen, welches geschehen kann, beschäftigen, und sich nicht um das Werkzeug bekümmern, womit es verübt werden kann“.20 Daß diese Behauptung zu weit geht, leuchtet in die Augen. Dahingegen läßt sich nicht läugnen, daß eine Gesetzgebung über die Presse, welche den Mißbrauch derselben in Beziehung auf einzelne Gegenstände und selbst auf Grundsätze zu verhindern strebt; welche ihren Gebrauch moralischen Vorschriften, für die es keinen rechtlichen Maasstab giebt, zu unterwerfen versucht, die Schriftsteller, deren Willkühr sie beschränken, und die sie selbst dagegen schützen will, dennoch einer sehr gefährlichen Willkühr Preis giebt, weil die Anwendung solcher besondern Regeln meistentheils mehr dem Gefühl und der eigenthümlichen Denkungsart der Richter, als ihrer Rechtskenntniß, überlassen seyn würde. Weber, welcher dieß Verhältniß aus dem practischen Gesichtspuncte des Richters betrachtet, der über Preßvergehen nach bestehenden allgemeinen Gesetzen urtheilen soll, stellt Ansichten auf, die auch für die Gesetzgebung beachtenswerth seyn dürften, obgleich die Art, wie er die von ihm entwickelten Grundsätze auf gewisse Fälle anwendet, nicht durchaus Beifall zu verdienen scheint. Allezeit führt er mit glücklichem Erfolge den Beweis, daß es auch dem gemeinen Rechte an kräftigen Waffen gegen Rechtsverletzung durch Mißbrauch der Presse nicht fehlt, und er mag dadurch dem Justiz-System schon manchen Gönner gewonnen haben. Dieses System nun nähert sich gar sehr dem Polizei-System, und bildet gleichsam einen Uebergang in dasselbe, wenn die Gesetzgebung zwar das Recht, sich der Presse ungehindert zu bedienen, als Regel bestehen läßt, dessen Ausübung jedoch durch bleibende Ausnahmen beschränkt, indem sie ­gewisse Gegenstände überhaupt der Publicität entzieht, oder die Herausgabe gewisser Schriften einer besondern Aufsicht, einer eigenen Verantwortlichkeit, oder auch der Censur unterwirft. Das erstere wird in unsern Zeiten wohl nur selten der Fall seyn; von dem andern enthalten die Gesetze einzelner Staaten verschiedene Beispiele. Besonders werden nicht selten Zeitungen und andere Zeitschriften von dem vollen Genuß der Preßfreiheit ausgenommen, wodurch allerdings das Wesen eines Systems verändert wird, welches darauf beruht, daß jede Schrift, ohne Unterschied, ungehindert durch die Presse vervielfältigt und sodann in Umlauf gesetzt werden kann. Ganz verschieden von der Einführung bleibender Ausnahmen ist der Fall, wenn beschränkende Maasregeln durch ausserordentliche Umstände veranlaßt werden. „Besondere Zeitumstände und Rücksichten, sagt Weber, können bisweilen einer Regierung strenge Maasregeln gegen die Publicität solcher Schriften abnöthigen, die der innern Ruhe und Sicherheit des Staats gefährlich werden, oder die Regierung mit andern Staaten in unangenehme Verhält20 Vgl. Charles Comte, Du nouveau projet de loi sur la presse. Paris 1817, S. 3.

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nisse bringen könnten. Von einem solchen Nothrechte, was den bedächtlichen Gang der ordentlichen Justizpflege nicht füglich zuläßt, und dem überhaupt jeder gutgesinnte Staatsbürger gern seine Privatbefugnisse aufopfern wird, ist hier die Rede nicht, da sich ohnehin nichts weiter darüber sagen läßt, als daß die Anwendung desselben, dem billigen Ermessen einer weisen Regierung überlassen bleibe, die freilich auf der einen Seite das Wohl des Ganzen den oft unüberlegten, oft boshaften Absichten der Blätterschreiber und Libellisten nicht nachsetzen, auf der andern Seite aber auch dafür sorgen wird, daß dergleichen harte Vorkehrungen nicht anders, als unter wirklich dringenden Umständen eintreten, daß die möglichste Schonung der Rechte des Menschen und des Bürgers dabei beobachtet werde, und zu dem Ende auch, dem Befinden nach, zweckmäsige Verbote und Warnungen voraufgehen, um dadurch den Vorwürfen ungebührlicher Eingriffe in die Rechte des Privat-Eigenthums noch mehr vorzubeugen“.21 Zeiten allgemeiner Unruhen und Bewegungen unter den Völkern fordern ohnehin eine eigenthümliche Vorsicht, die, ohne den freien Geistesverkehr zu stören, doch den Mißbrauch desselben zur Störung der öffentlichen Ruhe zu verhindern suchen. „Die Unordnungen und Krankheiten der politischen ­Körper, sagt Sonnenfels22 (in seiner Schrift über öffentliche Sicherheit S. 46) haben sowohl als die physischen ihre Zeichenlehre, und es ist nicht wohl möglich, daß größere Volksbewegungen plötzlich ausbrechen sollten, ohne daß Zeichen vorausgegangen wären, die entweder schon eine Art von Vor­ bereitung sind, oder wenigstens gleich dem Rauche zunächst die Brunst ankündigen. Solche Zeichen sind: Pasquille gegen den Regenten, gegen das ­Ministerium; öffentlicher Tadel der Regierung und ihrer Vorkehrungen; die Unruhestifter bearbeiten das Volk, um das revolutionäre Kunstwort zu gebrauchen, durch gemiethete Volkssprecher, oder von dem Predigtstuhle, von der Schaubühne, in Flugblättern und Klebschriften. … Im allgemeinen, ohne eben bedenkliche Umstände vor Augen zu haben, sind jedoch Pasquille nicht der Ausdruck des Gefühls verbreiteter Unzufriedenheit, sondern der vereinzelte Ausbruch eines boshaften, oft bloß muthwilligen Witzes; sie fallen in Vergessenheit durch Verachtung, und erwecken nur dann Aufmerksamkeit, wenn die Regierung durch ihr Benehmen die Aufmerksamkeit des Publikums gleichsam darauf leitet. Indessen würde die Gleichgültigkeit derselben nicht 21 Vgl. Weber, Ueber Injurien und Schmähschriften, Abt. 3, Zitat S. 63 f. 22 Joseph (seit 1746) von Sonnenfels (1732/33−1817), österreichischer Kameralist und Jurist, seit 1763 Professor für Polizei- und Kameralwissenschaften an der Universität Wien, 1774 Rat der niederösterreichischen Regierung, 1779 Hofrat der böhmisch-österreichischen Hofkanzlei, 1770−1772 Mitglied der Zensurkommission. Vgl. NDB, Bd. 24, S. 576−578; DBE, Bd. 9, S. 373 f.; ADB, Bd. 34, S. 628−634.

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an ihrer Stelle und Zeit seyn, wenn die Vermehrung der Pasquille, wenn der Gegenstand, gegen den sie gerichtet sind, wenn die Anzüglichkeit des Inhalts, die Verwegenheit des Ausdrucks, wenn die Wege, sie zu verbreiten, wenn dergleichen mehrere zusammentreffende Umstände auf einen versteckten Plan, auf eine Absicht, zu wirken, die Gemüther in Gährung zu versetzen, schliessen lassen. Wenn Pasquille von solcher Art angeschlagen, ausgestreut, von Hand zu Hand herumgegeben werden, so ist das gewöhnliche Benehmen der öffentlichen Aufsicht, daß die angeschlagenen Blätter durch Beamte abgenommen, die ausgestreuten, oder sonst umlaufenden aufgesammelt werden; daß öffentlich bekannt gemacht wird, derjenige, dem solche Pasquille zu Handen komme, habe sie, bei Strafe, nicht weiter mitzutheilen, zu vertilgen, oder auch einzuliefern. Man gieng manchmal so weit, wenn unmittelbar die Person des Regenten, auch wohl der Minister in beleidigenden Worten angegriffen worden, das Pasquill durch die Hand des Henkers zerreissen, verbrennen zu lassen. Die Strenge solcher Maasregeln giebt der Sache, gegen welche sie gekehrt ist, eine große Wichtigkeit und muß dennoch das Ziel grösten­ theils verfehlen, weil es durchaus unmöglich ist, ohne äusserst verhaßte, und dadurch gefährliche Mittel sich der Vollstreckung zu versichern. Der öffent­ lichen Aufsicht kann es genügen, Pasquille dieser Art als Anzeigungen zu ­betrachten, die sie von der Nothwendigkeit überführen, ihre Aufmerksamkeit für die Erhaltung der bedroht scheinenden allgemeinen Ordnung und Ruhe zu vergrössern. Uebrigens müssen die bestehenden Gesetze über die verschiedenen Fälle von aufrührischen Schriften ohnehin die Bestrafung bestimmet haben; und wenn dann die Lage der Umstände es fordert, räth die Vorsichtigkeit, ohne daß die Gerechtigkeit dagegen Einspruch thut, den Verfasser als einen Störer der öffentlichen Ruhe, wie jeden andern Uebelthäter auszuforschen und nach den Gesetzen zur Strafe zu ziehen. Nur (die Erinnerung kann nicht zu oft wiederholt werden) muß man die Besorglichkeit nicht übertreiben, nicht so überall Gefahr und Meuterei wittern; nur muß die Erhaltung der öffentlichen Ruhe nicht der Reitzbarkeit oder wohl gar der Rache eines Machthabers zum Vorwande dienen können“. 23 Ich habe bisher das Justiz-System über Preßvergehen nach seinen verschiedenen möglichen Abweichungen darzustellen versucht. Es sey mir nunmehr erlaubt, zur Schilderung desselben durch Beispiele, in Folge der mir gewordenen Aufgabe, überzugehen. 23 Vgl. Joseph von Sonnenfels, Ueber öffentliche Sicherheit, oder von der Sorgfalt, die Privatkräfte gegen die Kraft des Staats in einem untergeordneten Verhältnisse zu erhalten. Als Anhang zum ersten Bande seines Handbuches der innern Staatsverwaltung. Wien 1817, S. 46−50.

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England wird als Muster für das Justiz-System in Beziehung auf PreßMißbräuche aufgestellt; wenigstens was die Erhaltung desselben in seiner Reinheit betrifft. Denn auch dieser Theil der englischen Gesetzgebung wird von den einsichtsvollsten Staatsmännern und Rechtsgelehrten des Landes selbst, als sehr mangelhaft, geschildert, indem Unbestimmtheit sowohl des Begriffs mancher Preßvergehen, als auch der Strafen überhaupt, so wie zum Theil in dem gerichtlichen Verfahren, der Willkühr einen gefährlichen Spielraum lasse, und insonderheit dem Parteigeiste es möglich mache, Schuldige der Strenge des Gesetzes zu entziehen, und Unschuldige ihr Preis zu geben. Wir verdanken dem Professor Krug die Mittheilung einer ausführlichen und aus den Quellen geschöpften Darstellung der englischen Gesetzgebung über die Preßfreiheit von einem französischen Schriftsteller24, welche um so mehr Aufmerksamkeit verdient, als sie für den Zweck der Gesetzgebung eines andern Staats bearbeitet ist, und auch welcher ich eine kurze Uebersicht mittheile. Die Presse ist in England nicht durchaus frei: sie ist in gewisser Hinsicht beschränkter als in Deutschland, indem einige Schriften ohne Erlaubniß der Krone gar nicht gedruckt werden dürfen, Bibeln nämlich, liturgische Schriften der anglicanischen Kirche, und Statuen-Gesetz- und Rechts-Bücher. Die Druckereien und selbst die Schriftgiessereien sind einer gewissen Aufsicht unterworfen, deren Hauptzweck ist, die gerichtliche Verfolgung wegen PreßMißbräuchen zu erleichtern. Zu bemerken ist insonderheit, daß der Name des Druckers und seine Wohnung, welche er auch, nebst der Zahl seiner Pressen, zum voraus dem Friedensgericht anzuzeigen verbunden ist, leserlich, richtig und genau dem ersten und letzten Blatte eines von ihm gedruckten Werkes, wenn es aus mehr als einem Blatte besteht, bei Strafe von zwanzig Pfund Sterling für jedes Exemplar angegeben seyn müssen, und daß Jeder, welcher gedruckte Bücher ohne diese Bezeichnung verkauft, einer dem Ermessen des Richters überlassenen Strafe unterworfen ist. Journale, Zeitungen, periodische Schriften hatten in der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die Geduld der Regierung dergestalt ermüdet, daß sie es versuchte, sie unter Censur zu stellen. Dieß gelang nicht, und zwar, weil man, ausser den allgemeinen Gründen gegen die Rechtmäsigkeit einer solchen Censur, auch darauf Rücksicht nahm, daß die Zeitschriften einen besteuerungsfähigen Stoff von Bedeutung darbieten, weßhalb ihnen, auch zum Vor­ theil der Staatscasse, ein freierer Spielraum zu lassen sey. Indessen wurden doch verschiedene beschränkende Vorschriften erlassen, nach welchen dieser 24 [Jean Edmond] de Montvéran, De la législation anglaise sur la libelle, la presse et les jour­ naux. Paris 1817.

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freiere Spielraum mehr in der Mäsigung der Regierung, als in dem Gesetze seinen Schutz finden wird. Die merkwürdigsten jener Vorschriften bestehen darin, daß die Unternehmer irgend einer Zeitung oder eines andern Werks, welches Neuigkeiten oder öffentliche Notizen enthält, bei schwerer Strafe gehalten sind, ihre Namen und Wohnungen, und die des Druckers und Redacteurs, nebst einer Beschreibung der Druckerei und der Form des Journals, den Commissarien der Stempelsteuer, welche von allen Journalen zu entrichten ist, anzuzeigen; daß diese Anzeige volle Beweiskraft im Gerichte hat, nicht nur für die Theilnahme an einem Journal, sondern auch für die geschehene Bekanntmachung des in Anspruch genommenen Blatts; daß Nachrichten und andere Aufsätze, welche den Zweck haben, Haß und Verachtung gegen die Person des Königs oder gegen die Verfassung und Regierung des brittischen Reichs zu erwecken, auch wenn sie, als aus fremden Blättern entlehnt, eingerückt werden, besonders verpönt sind, endlich, daß von den angedrohten sehr hohen Geldstrafen jedem Angeber die Hälfte zugesichert wird. Censur findet nicht Statt. Jeder kann drucken lassen, was er für gut findet. Verübt er Rechtsverletzungen durch Druckschriften, so ist er verantwortlich vor dem ordentlichen Richter. Schriften dieser Art werden mit der allgemeinen Benennung der Libelle bezeichnet, deren nicht genau bestimmter und sehr ausgedehnter Begriff auch eine sehr ausgedehnte Verantwortlichkeit begründet. „Die Gesetzgebung über das Libell, heißt es in der vorliegenden Darstellung, hat durch die Erfindung der Buchdrucker-Presse und deren Freiheit, durch das dem englischen Volke zugestandene Recht der Discussion über die Handlungen der Regierung, hauptsächlich aber durch die Heraus­ gabe der Neuigkeitsblätter, bedeutende Veränderungen erlitten. Die Verläumdung mittelst eines Libells ist leichter, vielfacher und daher auch gefährlicher geworden. Das Gesetz und der Gesetzgeber mußten also, bei aller Achtung gegen das Recht der Preßfreiheit, doch die Ausübung desselben bewachen, und den frechen Mißbrauch davon entfernen, vorzüglich in den periodischen Zeitschriften“.25 Im allgemeinen kann, nach der englischen Jurisprudenz, Libell mit Pasquill und Schmähschrift als gleichbedeutend angenommen werden. Allein der näheren Bestimmung und Entwickelung des Begriffs fehlt in der englischen Gesetzgebung Zusammenhang und Festigkeit. „Nichts, heißt es in einer der neuesten Schilderungen Englands (Simond Voyage en Angleterre II. 249) ist so unbestimmt und so wandelbar, als die Gesetze oder vielmehr die Gewohnheiten in Betreff beleidigender Schriften, Libelle genannt, und folglich nichts 25 Krug, Entwurf zur deutschen, und Darstellung der englischen Gesetzgebung über die Preßfreiheit, S. 40 f.

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mangelhafter in der englischen Gesetzgebung. Die ältern Grundgesetze konnten nichts über eine Sache bestimmen, die kaum vorhanden war, und als nachher die Buchdruckerei zu häufigen Libellen Gelegenheit gab, war das ­römische Recht wahrscheinlich der erste Leitfaden für die Gerichtshöfe. Sie fanden da Beispiele großer Strenge; da aber bei den Römern der Beweis der Anschuldigungen, welche ein Libell enthielt, als Rechtfertigungsgrund zugelassen wurde; so scheint dieß auch bei den Engländern bis zu Elisabeths26 Regierung und bisweilen selbst noch später der Fall gewesen zu seyn. Der unter dem Namen der Sternkammer27 bekannte Gerichtshof stellte Censoren auf, ohne deren Erlaubniß nichts gedruckt werden durfte, und Verletzungen dieser Vorschrift wurden (ohne Schwurgericht) mit äusserster Strenge bestraft. Diese Verordnungen galten bis nach der Revolution, welche den Prinzen von Oranien28 auf den Thron setzte, und die Preßfreiheit ward in England im Jahre 1694 wieder hergestellt, bloß durch das Erlöschen der Gesetze, die sie unterdrückt hatten. Seit der Zeit hat sie keine andern Schranken gehabt, als diejenigen, welche aus dem Mißbrauch der Freiheit entstehen; aber es ist eine gar schwierige Sache, den Begriff dieses Mißbrauchs zu bestimmen, und darüber besteht ein ewiger Streit zwischen den Vertheidigern der höchsten Gewalt und denen der Freiheit“.29 Die Praxis unterscheidet politische und Privat-Libelle. Zu jenen werden diejenigen beleidigenden Schriften gerechnet, welche gegen die Religion, gegen die Sitten und das natürliche Recht, gegen das Völkerrecht (gegen auswärtige Regierungen), gegen den Staat und die Verfassung, gegen den König und seine Regierung, endlich gegen die beiden Kammern des Parlements; zu diesen die, welche gegen die Gerichtshöfe, gegen die Großen des Reichs, gegen obrigkeitliche Personen, endlich gegen Privatpersonen gerichtet sind. Drucker, Verleger, Verkäufer und Verbreiter eines Libells sind, gleich dem 26 Elisabeth I. (1533−1603), seit 1558 Königin von England und Irland. Vgl. ODNB, Vol. 18, S. 95−130; Wende (Hrsg.), Englische Könige und Königinnen, S. 75−94. 27 Court of Star Chamber (lat. Camera stellata): Englischer Gerichtshof, der von König Eduard II. eingesetzt wurde und bis 1641 bestand. Der Name leitet sich ab von einem Raum, in dem sich die Curia Regis traf und dessen Decke wahrscheinlich mit vergoldeten Sternen dekoriert war. Die Verhandlungen des Court of Star Chamber waren geheim und seine Urteile unanfechtbar. Vgl. Haberkern/Wallach, Hilfswörterbuch für Historiker, S. 595; Oxford Dictionary of the Middle Ages, Vol. 4, S. 1598. 28 Wilhelm III. von Oranien (1650−1702), seit 1689 König von England, Schottland und Irland. Vgl. ODNB, Vol. 59, S. 73−98; Wende (Hrsg.), Englische Könige und Königinnen, S. 157− 175. 29 [Louis Simond,] Voyages d’un français en Angleterre, pendant les années 1810 et 1811; avec les observations sur l’état politique et moral, les arts et la littérature de ces pays, et sur les moeurs et les usages de ses habitans. Orné de 15 planches et de 13 vignettes. 2 Vols. Paris 1816, Vol. 2, S. 249.

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Verfasser, verantwortlich, und haben nur, wenn sie diesen nennen, eine mildere Strafe zu hoffen. So wenigstens scheint die Praxis zu seyn; doch werden von englischen Rechtsgelehrten auch billigere Grundsätze vertheidigt. „Der Drucker, sagt einer derselben, und der Verkäufer sind vorwurfsfrei, wenn erhellet, daß sie eine Schrift nur für den Zweck ihres Gewerbes gedruckt und bekannt gemacht haben, und wenn nicht erwiesen wird, daß sie Kenntniß von dem Inhalt und Gegenstand der in Anspruch genommenen Schrift hatten. Bücher drucken und verkaufen, ist ein erlaubtes und ehrenhaftes Gewerbe, und wenn gleich ein Libell aus der Presse eines Druckers und aus dem Laden ­eines Buchhändlers hervorgegangen ist; so können doch beide, im rechtlichen Sinn, unschuldig seyn, und, um sie strafbar zu machen, muß ihre Absicht, zu schaden, dargethan werden.“30 Die Thatsache der Bekanntmachung ist zur Bestrafung hinreichend. Diese hängt ganz vom richterlichen Ermessen ab, und besteht gewöhnlich entweder in bloßer Haft, oder in Einsperrung in ein Zuchthaus, von längerer oder kürzerer Dauer, und in einer Geldbuße mit der Verbindlichkeit, durch eine andere Summe Geldes auch Sicherheit wegen guter Aufführung in der Zukunft zu leisten, beide Summen mehr oder weniger hoch. Die Verfahrungsart hat drei verschiedene Formen: 1) durch Indictment, d. h. durch ein Anklage-Mandat, welches erfolgt, so bald die von der beleidigten Person angebrachte Beschwerde angenommen worden; 2) durch Information, d. h. durch eine Untersuchung, welche der Klagende bei solchen Magistratspersonen nachsucht, denen die Befugniß dazu von Amtswegen zusteht; 3) durch Action, d. h. durch eine gewöhnliche Klage auf Schadenersatz. Die Entscheidung erfolgt allezeit durch die Geschwornen, welche im ­Allgemeinen ihre Ueberzeugung durch schuldig oder nicht schuldig aussprechen. Der Verfasser der Darstellung der Preßfreiheit in England macht hierüber, und besonders über das Verfahren gegen Urheber und Verbreiter von Libellen, Bemerkungen, deren Zusammenstellung nicht unzweckmäsig seyn dürfte. „Jeder Engländer, sagt er, hat also ein unbestreitbares Recht zu reden, zu untersuchen, zu schreiben, Vorstellungen zu machen. Aber dieses Recht ist in Schranken eingeschlossen, welche ihm die Verfassung und die Schädlichkeit, die aus der Ausübung desselben hervorgehen kann, vorzeichnen. Er darf nicht wegen eitler metaphysischer Speculationen die Grundfesten der Verfassung in Gefahr setzen. Er kann voraussetzen, daß sich Irrthümer im Systeme der Regierung befinden, und daher Verbesserungen und Reformen vorschlagen. Er 30 Krug, Entwurf zur deutschen, und Darstellung der englischen Gesetzgebung über die Preßfreiheit, S. 80−82.

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kann 31eine Druckschrift31, Betrachtungen, Gegenvorstellungen einreichen; aber er darf nicht die Leidenschaften der Menge aufrufen, um die Gesetze umzuwerfen und das ganze System der Verfassung von neuem in die Form zu giessen. Man fühlt, wie viel irrige und gefährliche Anwendungen solche Grundsätze zulassen, die nur in Ansehung ihrer Allgemeinheit, und einiger daraus gezogenen Folgerungen, bestritten werden können, und wie sehr dergleichen Anwendungen das Recht der Preßfreiheit, das Recht der freien Discussion über Gegenstände der Regierung und der Gesetzgebung, und das Recht der Petitionen zu beeinträchtigen vermögen. Ohne Zweifel könnten die Rechtsgelehrten der Krone in so zarten Puncten der Metaphysik gewöhnliche Richter sehr weit mit sich fortreissen. Aber das Institut der Schwurgerichte ist eben darum vorhanden, daß es das englische Volk vor solchen Mißbräuchen bewahre. Darum muß es den Geschwornen eine grosse Unabhängigkeit verleihen, und weil jene Fragen, wegen ihrer besondern Natur und Zartheit, genau ermessen seyn wollen; so müssen auch die Geschwornen, ohne Zwang, nach ihrem Ermessen urtheilen können. Ihre Scharfsichtigkeit muß auf der Hut seyn gegen die willkührlichen Auslegungen des Gesetzes und der Rechtslehren, welche die andern Richter, oder die Gesetzbeamten der Krone machen könnten“.32 Wie aber auch dieses in der Ausführung große Schwierigkeiten finde, verschweigt der Verfasser keinesweges. Da der Mangel einer Proceßordnung, welchen der Gerichtsgebrauch und die Meinung der Rechtsgelehrten sehr unvollkommen ersetzt, eine fruchtbare Theorie von Nichtigkeiten im Verfahren erzeugt hat, gegen diese aber der Recurs an den Canzleigerichtshof33 Statt findet; so ist es nicht schwer, die Entscheidung der Geschwornen, bald zum Vor­ theil, bald zum Nachtheil des Angeschuldigten zu vereiteln. Der Unbestimmtheit der Proceßformen, der Ungewißheit der Theorie sowohl, als der Praxis, schreibt es der Verfasser zu, daß gegen den Willen oder den Geist der Gesetze die Gewalt des richterlichen Ermessens − so nothwendig in Processen, wo die ganze Verschuldung in dem Sinne liegt, der mit gewissen Worten zu verknüpfen ist − nicht mehr der Scharfsicht und dem Gewissen der Geschwornen, der Kenntniß und der Rechtschaffenheit der Richter, welche das Gesetz anwenden, 31−31 Bei Krug, Entwurf zur deutschen, und Darstellung der englischen Gesetzgebung über die Preßfreiheit, S. 81: Denkschriften. 32 Krug, Entwurf zur deutschen, und Darstellung der englischen Gesetzgebung über die Preßfreiheit, S. 80−82. 33 Kanzleigerichtshof ([High] Court of Chancery): englischer Gerichtshof, der sich im 15. Jahrhundert aus der königlichen Kanzlei herausbildete und unter der Leitung des Lordkanzlers nach Equity (Billigkeitsrecht) entschied und vor allem als Handelsgericht fungierte. Vgl. Haberkern/Wallach, Hilfswörterbuch für Historiker, S. 282; Oxford Dictionary of the Middle Ages, Vol. 1, S. 363.

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anvertraut ist, sondern sich vielmehr ganz und gar in der Billigkeit eines einzigen Menschen findet, nämlich des Lordkanzlers von England, welcher allein alle Rechtssachen, die einige Fehler in der Form darbieten, in Gestalt eines Referats aburtheilt. Das gewöhnliche Verfahren gegen politische Libelle ist die Information von Amtswegen durch den Staatsanwalt. Bei dieser hat, nach der Darstellung der englischen Preßfreiheit, „der Staatsanwalt alle rechtlichen Präsumtionen für sich. Er bedarf daher keiner Erlaubniß zur Information, welche die Kronbeamten (Coroners34) zuvörderst von dem Gerichte einholen müssen. In Rücksicht auf die Erhabenheit der Würde eines Staatsanwalts setzt man nicht voraus, daß er in dem Gesetze, welches jene vorgängige Erlaubniß fordert, gemeint sey, oder daß er durch andere Bestimmungsgründe, als durch den allgemeinen Vortheil des Staats, der Regierung und der Privatpersonen, welche bei der an ihn gerichteten Klage betheiligt sind, bestimmt werden könnte, wenn er sich entschließt, ein Urtheil über den wegen eines Libells Angeklagten nachzusuchen. Möchten selbst seine Informationen nachlässig oder leidenschaftlich und parteiisch gemacht seyn! Es verschlägt wenig. Gleich nach seinem Berichte beginnen die Verhandlungen vor der Urtelsjury. Der Staatsanwalt kann das Verfahren anhalten, wenn es begonnen, ohne Gründe anzugeben. Er nimmt es nachher wieder auf, wie er will. Er bricht es ganz ab, wenn es schlecht fortgeführt, wenn die Specialjury, welche gezogen worden, ihm wenig lenksam scheint, um es erst dann von neuem fortzusetzen, wenn die Fehler des Verfahrens durch andere Verhandlungen verbessert, oder mehr Umstände gegen den Beklagten im Schwurgerichte ausgemittelt worden sind. In dieser Führung der gerichtlichen Verfolgung eines Libels ist alles gegen den Beklagten“.35 Wenn der wegen eines Libellverbrechens Angeklagte und Verurtheilte Nichtigkeiten im Verfahren findet; so macht er Einspruch gegen das Urtheil und appellirt an den Canzleigerichtshof zur Revision und Cassation desselben. „Der Recurs an die Canzlei wurde sonst selten gestattet. Die Vernunft forderte jedoch eine Reform der Urtheile, bei welchen die für Leben, Freiheit und Eigenthum des Bürgers so heilsamen Formen nicht beobachtet und die Gesetze offenbar verletzt worden waren. Man hat aber Mißbrauch damit getrieben; und so ist der Recurs an die Canzlei [in]36 den größern, sowohl bürgerlichen als peinlichen Rechtshändeln allgemein geworden. In der Canzlei, die man einen Gerichtshof der Billigkeit und des Gewissens nennt, urtheilt 34 Emendiert nach Krug, Entwurf zur deutschen, und Darstellung der englischen Gesetzgebung über die Preßfreiheit, S. 109. Vorlage: cooroners. 35 Vgl. Krug, Entwurf zur deutschen, und Darstellung der englischen Gesetzgebung über die Preßfreiheit, S. 109 f. (mit einigen Zusätzen, Auslassungen und Ungenauigkeiten von seiten Bergs). 36 Ergänzt nach Krug, Entwurf zur deutschen, und Darstellung der englischen Gesetzgebung über die Preßfreiheit, S. 116.

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der Lordkanzler von England allein, nach gegenseitigen Vorträgen, seinem Gewissen und seinen Einsichten zufolge, über alle vor ihm angebrachten Sachen. Nachdem er gesprochen, hört alle weitere Berufung auf. Seit dem Anfange des Revolutionskrieges sind die Recurse sehr gemißbraucht und vervielfältigt worden. Seit 1810 hat der Lordkanzler bei verschlossenen Thüren in der Form von Refe­raten mehrere Sachen vom höchsten Interesse abgeurtheilt. Die öffentliche Meinung hat sich dagegen erklärt. Aber sie konnte nicht zu einer Zeit gehört werden, wo die in beiden Häusern des Parlements gemachten Anträge zur Abschaffung solcher Mißbräuche durch die Ministerial-Mehrheit verworfen wurden. So sind die Mißbräuche immer im Wachsen begriffen gewesen. So ist die englische Jurisprudenz über das Verbrechen des Libells aus Mangel an positiven Gesetzen, die es genau bestimmen, ungewiß in ihren Grundsätzen, deren einige streitig sind − schwankend in ihren Präcedenzen (Präjudicien), die größtentheils nach den Entscheidungen der Sternkammer gebildet sind − und eben darum wandelbar in der Anwendung, die man davon machen kann. Sie würde zur Vernunft zurückgeführt werden und ihre Vorschriften würden fest und billig seyn, wenn die Scharfsicht und das Ermessen der Geschwornen ihre volle Wirkung thun könnten. Die gerichtliche Verfolgung des durch ein Libell begangenen Verbrechens mittelst der, häufiger eingeführten, Informationen und Recurse an den Canzleigerichtshof bietet aber der Krone Mittel der Macht dar, welche ihr der Geist der englischen Verfassung verweigert. In den Informationen ex officio erreicht der Hof durch ungesetzliche Quälereien seine Feinde und diejenigen Bürger, welche durch ihre Anhänglichkeit an die Sache des Volks bekannt sind. Durch die Recurse an die Canzlei beschützt er seine Freunde, mittelst einiger gefälligen Cassationen, einiger gütigen Unge­rechtigkeiten“.37 Diese Schilderung kann übertrieben seyn. Einzelne Beispiele, die sie zu bestätigen scheinen, liefert die neuere Geschichte, und merkwürdig bleibt es immer, daß ein Mann, dessen Lossprechung von einer schweren Anklage den Gebrechen der englischen Preßgesetzgebung, und dem Spielraum, welchen sie dem Parteigeist lassen sollen, zugeschrieben wird, (Hone) öffentlich erklärte, daß er dieser Preßfreiheit selbst die Censur der Sternkammer vor­ ziehen würde. Vielleicht ist aber das, was an und für sich immer Mißbrauch bleibt, nur Nothwehr, welche eine aus der Mangelhaftigkeit der Gesetze und aus der Willkühr und Einseitigkeit der Geschwornen entspringende Zügellosigkeit der Presse erzwingt. Hat nicht bei den letzten Volksunruhen in England ein Vertheidiger mehrerer vor Gericht gestellten Ruhestörer einen Haupt-Ent37 Vgl. Krug, Entwurf zur deutschen, und Darstellung der englischen Gesetzgebung über die Preßfreiheit, 115−117 (mit einigen Ungenauigkeiten von seiten Bergs).

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schuldigungsgrund für sie darin gefunden, daß dem Umlauf gefährlicher Schriften keine Schranken gesetzt würden? Wenn aber die gesetzlichen Mittel unzureichend sind, was soll die Regierung thun? Eine Verbesserung der Gesetzgebung bewirken. Dieß ist ohne Zweifel der richtigste Weg. Allein auch dieß ist noch vor Kurzem in England für bedenklich gehalten worden. Wenn nun der Zustand der englischen Preßfreiheit in rechtlicher Hinsicht so viel Eigenthümlichkeiten darbietet; so möchte es um so interessanter seyn, ihn auch von der politischen und moralischen Seite näher zu betrachten. Ein neuerer, wohlunterrichteter und guter Beobachter, aus dessen Schrift bereits oben Einiges vorgetragen ist (Simond Voyage en Angleterre I. 84) äussert sich darüber also: „Die Preßfreiheit wird in England als das Palladium der Volksfreiheit betrachtet. Aber ihr Mißbrauch ist ohne Zweifel ein grosses U ­ ebel. Das ist, sagt ein geistvoller Mann, die einzige Plage, womit Moses Egypten heimzusuchen vergaß. Diese neue Plage dringt, wie das kriechende Gewürme der alten, in das Innere der Familien und trägt in dasselbe Verläumdungen und Unglück. Sie verbreitet, was die öffentlichen Angelegenheiten betrifft, eben so viel Lügen als Wahrheiten, und ob sie gleich jeder Parthei dieselben öffentlichen Mittel der Widerlegung darbietet, die daraus entstehende Reibung aber als endliches Resultat die Wahrheit zu versprechen scheint: so muß man doch gestehen, daß hier eine durchaus einseitige Reciprocität Statt findet, denn ich habe mich überzeugt, daß Jeder nur die Schriften seiner Parthei liest, und dadurch, statt sich zu belehren, nur in seinen Irrthümern und Vorurtheilen sich bestärkt. Die Verfassung überläßt Jedem den Gebrauch seines Degens und seiner Feder auf seine eigene Gefahr; man wird wegen eines Libells gestraft, wie man wegen eines Mordes gestraft wird. Aber das eine Verbrechen ist schwerer zu beweisen als das andere; es ist so verschiedener Abstufungen fähig, und nimmt so verschiedene Gestalten an, daß es gewöhnlich der Hand des Gesetzes entschlüpft. Man kann nicht ein wenig tödten, wie man ein wenig verläumden kann; nicht nach und nach, und stückweise, sey es eine einzelne Person, oder die Regierung oder die Verfassung selbst. Dieß ist das Uebel: welches Mittel giebt es dagegen? Es ist gewiß äusserst schwer aufzufinden; denn von Unterdrückung der Preßfreiheit kann die Rede nicht mehr seyn. Sie ist so mit den Sitten der Engländer verflochten, daß sie nicht davon getrennt werden kann, ohne das ganze Gewebe zu zerreissen, und, ihrer großen Gebrechen ungeachtet, muß man doch eingestehen, daß das englische Volk ihr sehr viel zu danken hat: es hat von dem Baume der Erkenntniß gegessen, und kann nicht mehr in den Stand der Unschuld und Unwissenheit zurücktreten“.38 Aus dieser Freiheit, alles zu drucken, entsteht eine Oeffentlichkeit des politischen Zustandes von England, welche dieser Schriftsteller mit mehr lebhaf38 [Simond,] Voyages d’un français en Angleterre, Vol. 1, S. 84 f.

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ten, als angenehmen Farben schildert, und welche er freilich als ein großes Erleichterungsmittel für die Heilung politischer Krankheiten anerkennt, der er aber auch jenen Geist der Unzufriedenheit oder Ungenügsamkeit, jene Gewohnheit, zu zanken, zu klagen, zu seufzen, die in England so gemein seyn soll, zuschreibt. − „Die englische Verfassung, sagt er ferner, ist von einer keinesweges unveränderlichen Natur, sie richtet sich nach Zeiten und Sitten, und sie hat nicht immer auf gleiche Weise über die Libelle geurtheilt. Die Duelle, (eine andere Art aussergerichtlichen Verfahrens unter Privat-Personen) wurden im 16. und 17. Jahrhundert unerbittlich mit dem Tode gestraft, weil sie damals zu häufig und zu übertrieben waren, um geduldet zu werden. Seit dem 18. Jahrhundert schläft das Gesetz; es wird umgangen. … Der Duelle giebt es jetzt weniger, und die wenigen werden als ein sittliches Besserungs-Mittel betrachtet. Dahingegen haben die Libelle jetzt das Maximum erreicht; sie bilden den Hauptbestand der öffentlichen Blätter, einen Haupttheil des Buchhandels. Fast nichts wird über Politik geschrieben, was nicht Libell wäre. Was soll man unter einem Haufen machen, wo so viele Leute Steine werfen? Wird man die Unschuldigen verletzen lassen, um der Schuldigen willen? Und ist es nicht besser, alle diese Aufwiegler, ohne Unterschied, oder doch die, welche die größten Steine werfen, zu strafen, als ihnen die Berufung auf Gesetze zu verstatten, die den Mißbrauch nicht verhindern“?39 Die neuesten Ereignisse in England haben diese Fragen practisch beantwortet, und es scheint, daß man eine noch so nah an Zügellosigkeit grenzende, und auch wohl die Grenze bisweilen überschreitende Preßfreiheit lieber dulden, als diese selbst in Gefahr einer zu großen oder zu willkührlichen Beschränkung setzen will. Wenn auch in neuern Zeiten bei der Verfolgung politischer Libelle weniger Nachsicht, wie sonst, gezeigt wurde: so gab doch die Ausführung nur selten Beweise von Strenge. Die Natur der englischen Verfassung erklärt dieß hinreichend. Bei weitem die allermeisten politischen Libelle sind gegen die Regierung gerichtet; die Regierung aber ist das Ministerium, und dieses, von überzeugten oder sonst gewonnenen Anhängern umgeben und vertheidigt, kann, so lang es gegen seine Gegner, die an seine Stelle zu treten streben, durch den Beifall der Mehrheit im Parlemente unterstützt wird und demnach, mit glücklichem Erfolge, kämpft, um so duldsamer seyn, da, wenn es durch dieses Beifalls Verlust genöthigt wird, mit seinen Gegnern die Rolle zu ­tauschen, ihm selbst nichts übrig bleibt, als zu denselben Waffen zu greifen, welche jene geführt haben. Eben deßhalb ist aber auch die Wirkung der eng­ lischen Preßfreiheit auf das politische Leben ganz eigener Art, da sie, als Werkzeug der Parteien, mehr dazu dient, diese aufzumuntern und zu bestärken, als die öffentliche Meinung zu leiten und zu berichtigen: zugleich aber, 39 Ebd. Vol. 2, S. 251 f.

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indem jene sich gegenseitig beobachten und ihre Fehler, meist schonungslos, aufdecken, dem gemeinen Wesen unstreitig große Dienste leistet. Siege aber, die sie bisweilen zu bewirken scheint, würden durch sie schwerlich allein erkämpft, und gehen gewöhnlich aus tiefer liegenden Ursachen hervor. Englische Zeitschriften und politische Blätter können daher auch in der Regel nicht als Organe der öffentlichen Meinung betrachtet werden, die diejenigen nicht auszusprechen vermögen, welche nur die Stimme ihrer Parthei führen. Nach allem diesen aber wird von Manchen geurtheilt, daß die Verpflanzung der englischen Preßfreiheit in andere Staaten nicht minder schwierig, als bedenklich seyn möchte. Die Preßfreiheit in England beruht auf keinem constitutionellen Gesetze. Sie ist an das Volk zurückgefallen, weil die verbindliche Kraft der Gesetze, welche die natürliche Freiheit, sich der Presse zu jedem erlaubten Zwecke zu bedienen, beschränkten, aufgehört hatte. Sie steht unter dem Schutze der Verfassung, wie die natürliche Freiheit überhaupt, die nur durch den Staatszweck beschränkt werden soll. In Frankreich ist sie durch einen Artikel der Constitutionsacte gesichert. „Die Franzosen, heißt es, haben das Recht, ihre Meinungen öffentlich bekannt zu machen, wenn sie sich nach den Gesetzen fügen, welche die Mißbräuche dieser Freiheit unterdrücken sollen“.40 Der innere Zustand Frankreichs machte indessen vorübergehende, die Preßfreiheit in mancher Hinsicht beschränkende Verordnungen nothwendig, von welchen der Uebergang zu einer bleibenden, der Preßfreiheit günstigern Gesetzgebung neuerlich ohne Erfolg versucht wurde. Allezeit scheint die Charte eine besondere Gesetzgebung über die Presse vorauszusetzen, deren Gefahren ich bereits bemerklich gemacht habe, und die Freunde der Preßfreiheit in jenem Lande können wohl Ursache haben, zu fürchten, daß, je weiter die Gesetzgebung sich ausbreitet, desto beschränkender eine allzugesuchte Genauigkeit und Vollständigkeit wirken möchte. Die Verhandlungen über den neuesten Gesetzentwurf in Frankreich bieten ein interessantes Schauspiel des Kampfes zwischen den beiden Haupt-Systemen dar, und der Würdigung ihrer verschiedenen Abweichungen und Verzweigungen. Selbst das Polizei-System in seiner weitesten Ausdehnung fand (wenigstens für die jetzige Zeit) Vertheidiger. „Sonderbar, sagt einer derselben, daß die Preßfreiheit im 18. Jahrhundert in der That vorhanden war, wo sie dem Rechte nach nicht bestand, und daß sie später da, wo sie im Rechte war, in der That vergeblich gesucht wurde. Auch scheint sie ein so begünstigtes zartes Wesen zu seyn, daß selbst die Sorge, Fehltritte zu verhüten, in sein Recht und seine Wirksamkeit eingreifen würde. Wäre dieß 40 Vgl. Charte constitutionnelle vom 4. Juni 1814, in: Gosewinkel/Masing (Hrsg.), Die Verfassungen in Europa 1789−1949, S. 281−287, hier S. 282 (Artikel 8).

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wirklich der Fall, könnte es in der bürgerlichen Gesellschaft ein so verdächtiges Recht geben, daß es unmöglich wäre, seinen Mißbrauch durch gesetz­ liche Vorsicht abzuwenden; so wäre dieß Recht nicht Freiheit, sondern eine furchtbare Tyrannei, gegen welche sich Vernunft und Tugend erhöbe, und das öffentliche Wohl. Ueberall im Staat ist der Regierung erste Pflicht, Vorsicht und Verhütung, die zweite Bestrafung rechtswidriger Handlungen. Auch der Presse gilt dieser Grundsatz. Nach großen bürgerlichen Unruhen sie ganz frei zu lassen, ist zu gefährlich. Man führt England als Beispiel an; aber was für die Engländer paßt, paßt deßhalb nicht auch in Frankreich. Durch unmerk­ liche Fortschritte haben die Engländer die Constitution und die Freiheit erlangt. Wir aber haben vom Könige nicht stückweise, nicht nach und nach, sondern auf einmal und vollständig so viel und vielleicht mehr Freiheit er­ halten, als wir ertragen können. Da es einmal Mode ist, ohne Rücksicht auf die Verschiedenheit der Sitten und Gewohnheiten und des Charakters, auf die Engländer sich zu berufen und sie nachzuahmen; so laßt uns, wie sie, ein Jahrhundert der Befestigung und des Wohlstandes erwarten, um dem Schwurgericht die Preßverbrechen anzuvertrauen. Eine so lange Probezeit brauchen wir wohl, um die aus der Volks-Souverainetät hervorgegangenen und sich aufs neue erhebenden Lehren zu vertilgen. Die repräsentative Regierungsform, deren Wohlthaten man so eng mit der Preßfreiheit verbindet, wird uns gegen ihre Mißbräuche so wenig schützen, als irgend eine andere. − Man fürchtet den Mißbrauch der Macht; ich fürchte vielmehr die Verirrungen der Presse, der Verkehrtheit des Jahrhunderts, der Gährung der Leidenschaften. Woher kömmt denn dieß Interesse für verwerfliche Schriften? Die guten Schriftsteller machen darauf keinen Anspruch. Wer das Gute will, scheut weder die Censur noch die Gerechtigkeit; wer nach dem Bösen strebt, fürchtet die Wahrheit“. Andere hingegen, und allerdings die Meisten, treten auf die Seite der Freiheit, auf die Zusicherung der Charte sich berufend, die Fähigkeit des Volkes für den Genuß der Preßfreiheit behauptend, Vertrauen fordernd gegen Vertrauen. Sie verwerfen jede vorsorgende Beschränkung, jede verhütende Polizei-Maasregel, weil die Charte nicht Abwendung, sondern Unterdrückung der Preß-Mißbräuche, also nur Bestrafung wirklicher Preßvergehen bedinge. „Der Mißbrauch der Presse, sagen sie, entspringt, wie jeder andere, aus dem Gebrauche: wie aus der Ursache die Wirkung. Soll nun ein Gesetz Preß-Mißbräuche unterdrücken, ehe eine Druckschrift ausgegeben ist, ja! selbst ehe sie die Presse verlassen hat; so würde nicht ein wirklicher, sondern ein zu besorgender Mißbrauch unterdrückt werden; nicht Repression, sondern Prävention wäre des Gesetzes Zweck, und es überschritte die Grenze, die die Charte gezogen hat“. Da der Streit über den Hauptgrundsatz zugleich mit der Erörterung der wichtigsten einzelnen Fragen verbunden war; so scheint es zweckmäßig zu

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seyn, diejenigen wenigstens anzudeuten, welche durch diese Verhandlungen in ein neueres oder helleres Licht gesetzt worden sind. Viel wurde über den Zeitpunct gestritten, wo die Verantwortlichkeit des Schriftstellers, des Verlegers, Druckers u. s. w. eintrete; über diese Verantwortlichkeit überhaupt; über die Censur nach dem Druck; über die Polizei der Journale; über die völlige oder theilweise Vernichtung eines Werkes; über die Entbehrlichkeit einer besonderen Preßgesetzgebung und über die Zulänglichkeit der bereits vorhandenen peinlichen Gesetze; endlich über das gerichtliche Verfahren und über die Nothwendigkeit der Schwurgerichte. Bemerkenswerth scheint insonderheit die in Frankreich bestehende Verordnung zu seyn, nach welcher der Bekanntmachung einer Druckschrift die Einreichung von fünf Exemplaren derselben bei der Polizei und die Ausstellung eines Empfangscheins von dieser vorhergehen muß, eine Verordnung, von der man behauptet, ihr Zweck sey Vereitlung der verfassungsmäsigen Preßfreiheit, nicht nur weil es die Polizei in ihrer Macht habe, die Ausgabe einer Schrift durch Verzögerung des Empfangscheins aufzuhalten, und dadurch Verfasser und Verleger in Verlegenheit und Schaden zu setzen, sondern auch, weil die Uebergabe jener Exemplare an die Polizei als Bekanntmachung betrachtet und als rechtlicher Grund zur gerichtlichen Verfolgung eines Preßvergehens angenommen werde. In beidem glaubt man einen Widerspruch mit den klaren Worten der Charte zu finden, indem, wie man auch ein Gesetz, welches Preß-Mißbräuche verhüten soll, benenne, nothwendig die Censur im Hintergrunde stehe. „Man hat, heißt es, uns glauben machen wollen, wir hätten durch die Censur nach dem Druck, aber vor der Bekanntmachung, etwas erhalten. Als wenn es vortheilhafter wäre, ein mit großen Kosten gedrucktes Werk censiren zu lassen, als ein bloßes Manuscript! Allein, dieß ist noch nicht Alles. Vor der Bekanntmachung ihrer Schriften müssen die Verfasser sich der Censur der Polizei unterwerfen, und die Befolgung dieser Vorschrift gilt als Bekanntmachung: die Censur kann an die Richter verwiesen, der Schriftsteller kann gestraft werden“. Schließlich bemerke ich noch, daß die peinliche Gesetzgebung Frankreichs in Ansehung der Preßvergehungen in der That nicht unreichhaltig ist. So bestimmt der 102. Artikel des Strafgesetzbuchs: „als Mitschuldige an Verbrechen gegen die innere Sicherheit des Staats, an Unternehmungen und heim­ lichen Verbindungen gegen den König und dessen Familie; an Verbrechen, welche darauf abzielen, den Staat durch Bürgerkriege, durch gesetzwidrige Anwendung der bewaffneten Macht, und öffentliche Verwüstungen und Plünderungen zu verwirren, werden alle jene bestraft, welche entweder durch ­Reden, die sie auf öffentlichen Plätzen oder in öffentlichen Versammlungen hielten, oder durch angeschlagene Zettel oder durch gedruckte Schriften die Bürger oder Einwohner zur Begehung jener Verbrechen unmittelbar angereitzt haben. Jedoch werden in dem Falle, wo gedachte Aufforderungen gar

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keine Wirkung hatten, die Urheber derselben bloß mit Verbannung bestraft“.41 Ein eigener Abschnitt handelt von Vergehen durch Schriften, Gemälde oder Kupferstiche, die ohne den Namen des Verfassers, Druckers oder Kupferstechers vertheilt werden.42 Schon diese Unterlassung wird für strafbar erklärt. Sodann aber werden die besondern Verbrechen und Vergehen, welche in dem Inhalt solcher Schriften liegen können, ausführlich bestimmt und mit scharfen Strafen bedroht. Auch die Strafgesetze über Verläumdung sind in Beziehung auf Druckschriften sehr genau und ausführlich. Diese Gesetze, meint ein muthiger Vertheidiger der Preßfreiheit, seyen hinreichend. „Treilhard43, sagt er, der sie entwarf, hatte Tibers Gesetze zum Vorbild genommen. Wer mochte erwarten, daß eine Zeit kommen würde, wo man es für nöthig halten könnte, seinem Werke noch etwas hinzuzufügen?“ Für Deutschland ist aus der Wiege der Buchdruckerkunst auch die Censur hervorgegangen. In die Mauern von Mainz hatten schwere Eide die Geheimnisse Guttenbergs44 und Schöffers45 eingeschlossen, wo die Gesellschaft der Buchdrucker ein sicheres Monopol übte, weil sie ihre Kunst Niemand, als den eidgeschwornen Genossen, mittheilte. Die Fehde der beiden Kurfürsten, Diethers von Isenburg46 und Adolphs von Nassau47, welche im Jahre 1462 41 Vgl. Code pénal vom 1./2. März 1810, in: Schubert (Hrsg.), Der Code pénal des Königreichs Westfalen von 1813 mit dem Code pénal von 1810 im Original und in deutscher Übersetzung, S. 150 f. (§ 102). 42 Vgl. ebd., 3. Buch, 1. Titel, 6. Abschnitt, § 283−294, S. 192−195. 43 Jean-Baptiste Treilhard (1742−1810), französischer Jurist und Politiker, 1789 Mitglied der Generalstände, 1789−1791 Mitglied der Konstituante, seit 1792 Mitglied des Nationalkonvents, Mai−Juni 1793 Mitglied des Wohlfahrtsausschusses, 1798/99 Mitglied des Direktoriums, während des Konsulats und des Ersten Kaiserreichs hatte er maßgeblichen Anteil an den Reformen und der Gesetzgebung, 1808 Erhebung in den Grafenstand. Vgl. ABF I, 998, 137−162; ABF II, 614, 14 f.; ABF III, 437, 445; NBG, Vol. 45, S. 609−612. 44 Johannes Gutenberg (um 1400−1468), deutscher Buchdrucker und Erfinder des Buchdrucks mit gegossenen beweglichen Lettern. Vgl. NDB, Bd. 7, S. 339−342; DBE, Bd. 4, S. 267−269; ADB, Bd. 10, S. 218−220. 45 Peter Schöffer d. Ä. (um 1435−1502/03), wurde um 1450 Mitarbeiter Johannes Gutenbergs und war maßgeblich an der Entwicklung und Verbesserung der Druckkunst beteiligt, gründete später zusammen mit Johann Fust, dem ehemaligen Teilhaber Gutenbergs, eine eigene Druckerei in Mainz. Vgl. NDB, Bd. 23, S. 359; DBE, Bd. 9, S. 76; ADB, Bd. 32, S. 213 f. 46 Dieter Graf von Isenburg (um 1412−1482), Erzbischof und Kurfürst von Mainz, wurde 1459 von der Mehrheit des Domkapitels gegen Adolf von Nassau zum Erzbischof gewählt. Seine Weigerung, Palliengelder und Annaten an die Kurie zu zahlen, führte zum Konflikt mit Papst Pius II. und schließlich zu seiner Bannung und Absetzung (1461) sowie zur Bestätigung Adolfs als Erzbischof. In der darüber ausbrechenden Mainzer Stiftsfehde mußte Dieter 1463 das Erzstift seinem Gegner überlassen, wurde jedoch nach dessen Tod 1475 nochmals Mainzer Erzbischof. Vgl. NDB, Bd. 3, S. 668 f; DBE, Bd. 2, S. 527; ADB, Bd. 5, S. 164−170. 47 Adolf II. Graf von Nassau (†  1475), Erzbischof und Kurfürst von Mainz, unterlag 1459 ­Dieter von Isenburg bei der Wahl zum Erzbischof von Mainz, wurde jedoch 1461 durch den

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die Berennung und Einnahme der Hauptstadt durch letztern und eine sehr harte Behandlung ihrer Einwohner veranlaßte, hatte die Trennung der Gesellschaft und die Zerstreuung der Künstler in alle Theile von Europa zur Folge. Bald blühete die Buchdruckerkunst auch in Italien auf, und Pabst Alexander der Sechste48, ahnend ihre Gefahr, verbot bei Strafe des Bannes, irgend ein Buch zu drucken, ohne bischöfliche Censur und Erlaubniß. Kurfürst Berthold von Mainz49 war der erste in Deutschland, der 1486 einen eigenen BücherCensor für seine Diöcese bestellte. Daß auch überhaupt im deutschen Reiche diese Einrichtung als ein Gegenstand der geistlichen Polizei betrachtet wurde, zeigt der Reichsabschied von 1529, der die Censur zwar allgemein einführte, aber nur „mittler Zeit des künftigen Concilii“.50 Das Concilium hat jedoch nichts geändert, und die Anstalt ist in der Folge immer mehr ausgebildet, die Censurpflichtigkeit ist im deutschen Reiche zur Regel geworden, von welcher abzuweichen, die Reichsgesetze bei ernstlicher Strafe verboten. Dem ungeachtet wurde späterhin in mehreren Reichslanden die Censur förmlich aufgehoben, in andern stillschweigend unterdrückt. In einem großen Theile der Bundesstaaten ist also schon früher die Preßfreiheit eingeführt, oder ­wenigstens vorbereitet worden. Es wird genügen, das Wesentliche und Eigenthümliche verschiedener Gesetzgebungen darzustellen, da ohnehin die Beschaffenheit der vorliegenden Sammlung nicht verstattet, eine gewisse Vollständigkeit zu erreichen. Bemerkenswerth ist, daß in einem der größeren Bundesstaaten, seit einer langen Reihe von Jahren, die Preßfreiheit als Regierungs-Grundsatz besteht, und unter den Stürmen der Zeit sich unerschüttert erhalten hat, wie sie dann auch bei der Besitznahme der Lande jenseits Rheins ausdrücklich bestätigt worden ist. Nach den mir gewordenen Mittheilungen ist im Großherzogthum Hessen weder ein allgemeines Gesetz, noch eine besondere Bestimmung über Preßfreiheit vorhanden; sie hat aber, während der ganzen Regierung des Großherzogs, der That nach bestanden, so wie auch Schriften jeder Art der

Papst mit Billigung Kaiser Friedrichs III. zum Erzbischof ernannt. Der daraufhin ausbrechende Konflikt zwischen Adolf und Dieter endete 1463 mit einem für das Erzstift sehr belastenden Vergleich. Vgl. NDB, Bd. 23, S. 359; DBE, Bd. 1, S. 45; ADB, Bd. 32, S. 213 f. 48 Alexander VI. (eigentlich Roderic Llançol i de Borja, italienisch Rodrigo de Borgia) (1431−1503), gelangte 1492 durch Simonie auf den päpstlichen Stuhl, war ein Exponent des Renaissancepapsttums mit all seinen Auswüchsen. Vgl. TRE, Bd. 2, S. 241−244. 49 Berthold von Henneberg (1441/42−1504), seit 1484 Erzbischof und Kurfürst von Mainz, 1494 übertrug ihm Kaiser Maximilian I. die Führung der Reichskanzlei. Vgl. NDB, Bd. 2, S. 156 f.; DBE, Bd. 1, S. 484; ADB, Bd. 2, S. 524−528. 50 Vgl. Abschied des Reichstags zu Speyer vom 22. April 1529, in: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., Bd. 7/1−2, S. 1143 f. bzw. S. 1300 f., sowie in Collmann, Quellen, Materialien und Commentar des gemein deutschen Preßrechts, S. 2.

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Eingang in das Land stets ungehindert verstattet worden ist. Nur ungern und in sehr seltenen Fällen hat man auf Beschwerden über Zeitungen oder ­Flugschriften, welche im Großherzogthum erscheinen, zur Erhaltung freundschaftlicher Verhältnisse mit andern Staaten, angemessene Verfügungen getroffen, nie aber hat der Großherzog, der Errichtung von Censur-Anstalten von jeher abgeneigt, selbst durch boshafte Ausfälle gegen seinen Hof oder gegen Regierungs-Maasregeln sich auch nur zu einer Rüge, geschweige zu einer Beschränkung der Preßfreiheit, bewegen lassen.51 Auch in den beiden Großherzogthümern Mecklenburg besteht seit längerer Zeit eine ungehinderte Preßfreiheit, ohne daß solche in der Landesverfassung oder durch eigene Verordnungen besonders bestimmt wäre. Eine Censur findet weder für öffentliche Zeitblätter, politische Flugschriften, noch für wissenschaftliche Abhandlungen oder größere Werke statt. Die Redaction der öffentlichen Blätter begründet sich aber auf dazu ertheilte landesherrliche ­Privilegien, die unbedenklich und unentgeltlich zugestanden, indessen nach Befinden auch zurückgenommen werden. Wo hin und wider die Verfasser solcher Zeitblätter in politischer Hinsicht die gehörige Rücksicht und Achtung nicht zu beobachten schienen, sind sie durch angemessene RegiminalRescripte daran erinnert, in wiederholten Fällen auch strenger zur Ordnung gewiesen, und selbst mit Zurücknahme des Privilegiums für die Redaction bedrohet worden; welches denn auch bisher hinlängliche Wirkung gethan hat. Die sonstigen Beschwerden gegen etwaigen Mißbrauch der Preßfreiheit wegen Verletzung der Sittlichkeit, des obrigkeitlichen Ansehens, der Amts- oder Privat-Ehre und des Eigenthums werden nach Beschaffenheit der Umstände von den öffentlichen Fiscalen oder von den verletzten Privat-Personen an die richterlichen Behörden gebracht und nach dem gemeinen Rechte entschieden. Das erste Gesetz, welches in einem52 deutschen Staate die Censur nicht nur förmlich aufhob, sondern auch Preßfreiheit überhaupt einführte, ist das Königlich-Dänische vom 14. Sept. 1770. „Wenn Wir, heißt es in demselben, finden, daß es der unpartheiischen Untersuchung der Wahrheit eben so nach­ theilig, als der Entdeckung verjährter Irrthümer und Vorurtheile hinderlich sey, wenn redlich gesinnte, um das allgemeine Wohl und wahre Beste ihrer Mitbürger beeiferte Patrioten durch Ansehen, Befehle und vorgefaßte Meinungen abgeschreckt und behindert werden, nach Einsicht, Gewissen und ­Ueberzeugung frei zu schreiben, Mißbräuche anzugreifen, und Vorurtheile aufzudecken; so haben Wir in diesem Betracht und nach reifer Ueberlegung beschlossen, in Unsern Reichen und Landen überhaupt eine uneingeschränkte 51 Zur Situation der Presse in Hessen-Darmstadt vgl. Friedel, Zensur und Zensierte, bes. S. 114−128. 52 Emendiert. Vorlage: einen.

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Freiheit der Presse solchergestalt zu gestatten, daß von nun an Niemand schuldig und verbunden seyn soll, seine Bücher und Schriften, die er dem Drucke übergeben will, der bisher verordneten, und hierdurch gänzlich aufgehobenen Censur und Approbation zu unterwerfen“.53 Wie es indessen bei plötzlicher Erlangung der Freiheit nicht selten ergehet: so wurde auch hier Freiheit mit Zügellosigkeit verwechselt und die Regierung erkannte bald (1771)54 die Nothwendigkeit, zu erklären, daß, so wie es niemals erlaubt gewesen, sich der Preßfreiheit auf eine sträfliche Weise zu bedienen, um andere bürgerliche Gesetze zu übertreten, also auch alle Injurien, Pasquille und aufrührerische Schriften, nach wie vor, der gesetzlichen Strafe unterworfen bleiben, und zur Vorbeugung alles weitern Mißbrauchs, der Verfasser einer jeden Schrift, Rede und Antwort dafür, daß solche nichts enthalte, das wider die vorhandenen Gesetze und Verordnungen streitet, zu geben schuldig, daher kein Buchdrucker eine Schrift, deren Verfasser er nicht weis, drucken, und, wenn er ihn nicht angeben kann, selbst verantwortlich seyn, deßhalb auch jedem Buche der Name des Verfassers oder des Buchdruckers vorgedruckt werden soll. In der Folge (1773) wurden auch die Gegenstände der Preßfreiheit, besonders in Rücksicht auf den Staat, die Regierung und allgemeine Anstalten eingeschränkt und die Untersuchung der darauf sich beziehenden Preßvergehen den Polizeigerichten, nachher (1790) den allgemeinen Gerichtshöfen übertragen. Diese Vorschriften sind jedoch nicht auf des Königs deutsche Lande erstreckt, es ist vielmehr, in der Hoffnung, daß die Wachsamkeit der Behörden hinreichen werde, dem Uebel fernerhin gesetzmäsig zu steuern, verfügt worden, daß, bei Beobachtung der bisherigen Liberalität gegen einen gutartigen Gebrauch der Schreibfreiheit, der Ausgelassenheit muthwilliger und boshafter Schriftsteller, überall eine geschärfte Aufmerksamkeit entgegenzusetzen sey, und daß die dahin gehörigen Vergehungen, nach der dazu in den Landesgesetzen schon vorhandenen Anleitung, unverzüglich gerüget und desto nachdrücklicher bestraft werden sollen, da sie immer mit einem höhern Grade von Ueberlegung bei dem Verfasser und von Gemeinschädlichkeit des Erfolgs verbunden sind. Um aber auch der Zügellosigkeit so viel möglich zuvor zu kommen, ihren Wirkungen im Entstehen zu begegnen, wurden die Behörden zugleich ermächtigt, nicht nur die Buchdrucker und Verleger, ingleichem, nach Beschaffenheit der Umstände, die Schriftsteller, unter der Hand nachdrücklich zu warnen, sondern auch jedem sich zeigenden Preßunfug, durch Inhibition, Beschlag des schon gedruckten, und, wenn es nöthig seyn 53 Vgl. Kabinettsorder König Christians VII., Friedrichsberg, 4. [sic] September 1770, in: Hansen (Ed.), Kabinetsstyrelsen i Danmark 1768−1772, Bd. 1, Nr. 40, S. 46 f. 54 Vgl. Kabinettsorder König Christians VII., Hirschholm, 3. Oktober 1771, in: Hansen (Ed.), Kabinetsstyrelsen i Danmark 1768−1772, Bd. 1, Nr. 169, S. 176 f.

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sollte, provisorische Verhaftung der Widerspenstigen und Strafbaren, sofort Einhalt zu thun, und davon zu weiterer rechtlichen Verfügung zu berichten. Im Jahr 1800 ist in den Königlich-Dänischen Staaten der Betrieb der Buchdruckerei von der landesherrlichen Bewilligung abhängig gemacht worden.55 Baiern wurde seit dem Regierungsantritt des jetzigen Königs zu dem Genuß der Preßfreiheit vorbereitet. Das strengere Censur-Collegium mußte einer mildern Censur-Commission, und auch diese im Jahre 1803 der bloßen, gesetzlich bestimmten Polizei-Aufsicht weichen. „Wir sind, heißt es in der hierüber erlassenen Verordnung, seit der Aufhebung des Censur-Collegiums auf die Fortschritte der Geistes-Ausbildung der verschiedenen Classen der Bewohner Unserer Erbstaaten unausgesetzt aufmerksam geblieben. Wir haben bei dem freien Emporstreben mit Wehmuth die Ausartungen der gestatteten Preßfreiheit, eine Inurbanität und Zügellosigkeit mancher unreifer Schrift­ steller wahrgenommen; allein Wir wollten nicht die ungerechte Maxime befolgen, den Mißbrauch der natürlichen Kräfte durch Untersagung und allgemeine Beschränkung des Gebrauchs selbst verhüten zu wollen. Wir übersahen deßhalb großmüthig strafbare Angriffe Unserer eigenen höchsten Person, um keinen guten und aufgeklärten Mann abzuhalten, mit Freimüthigkeit und Redlichkeit seine Meinung öffentlich darüber zu äussern, was nach seiner besten Absicht und seinem Dafürhalten beitragen könnte, das allgemeine Beste zu befördern. Indessen sind Wir Unserer Regentenpflicht schuldig, in Unsern Staaten Ordnung und Sittlichkeit kräftigst zu handhaben, und einem jeden Unserer Unterthanen seinen guten Namen und Ruf unter dem Schutze des Gesetzes zu sichern. Darum haben Wir mit Vernehmung Unseres geheimen Staatsraths in reife Erwägung gezogen, durch welche gerechte und zweckmäsige Maasregeln die Lese- und Preßfreiheit in Unsern Erbstaaten in solchen Schranken erhalten werden könne, welche der Staatszweck erfordert. Da Wir durch die bisherige Erfahrung überzeugt worden sind, daß die gewöhnliche Maasregel, zu welcher man gegen den Mißbrauch der Preßfreiheit seine Zuflucht zeither genommen hat, nämlich die Censur, in ihrer Anwendung auf die einzelnen Fälle weder gerecht, noch zweckdienlich, noch hinreichend ist; so haben Wir beschlossen, die in Unseren sowohl alten, als neuen baierischen Landen noch bestehenden Censur-Commissionen aufzuheben, und in Ansehung der schon gedruckten Schriften für die offenen Buchhandlungen, und diejenigen, welche obrigkeitlich zu diesem Gewerbe berechtigt sind, einen freien Verkehr, so wie für die Verleger und Buchdruckereien im Lande eine solche Preßfreiheit zuzulassen, daß von nun an in der Regel keiner verbunden 55 Zur Entwicklung der Pressefreiheit in Dänemark 1770−1799 vgl. den konzisen Überblick bei Krüger, Der Aufgeklärte Absolutismus in Dänemark zur Zeit der Französischen Revolution, 316−318.

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seyn soll, seine Bücher und Schriften, die er in Unsern Erbstaaten einführen oder in Druck geben will, der bisher angeordneten Censur und Approbation zu unterwerfen, oder zu dem Ende solche denjenigen zur Durchsicht einzu­ liefern, denen diese Verrichtung bisher übertragen war. Damit aber die in ­Unsern Staaten nunmehr bewilligte Freiheit der Presse und des Buchhandels nicht in eine ungestrafte schädliche Freiheit ausarte; so wird eine allgemeine Aufsicht über die darin befindlichen Buchhandlungen, Officinen der Antiquarien, der Leihbibliothek-Inhaber, Lese-Institute und Buchdruckereien der ­Polizei-Obrigkeit jedes Orts, wo solche sich befinden, und die Bestrafung der Verbrechen, welche durch Schriften begangen werden, den competenten ­Gerichten nach den Gesetzen übertragen“.56 Es ist daher verordnet, daß alle Buchhandlungen, Antiquarien, Leihbibliothek-Inhaber, Vorsteher der LeseInstitute, Kupferstich-, Bilder- und Chartenhändler ihre Cataloge der Polizei übergeben müssen, daß ohne obrigkeitliche Concession Niemand mit Büchern, Kupferstichen, Bildern etc. handeln darf; daß die Polizei die Verbreitung solcher Schriften, welche illegale Angriffe einer physischen oder moralischen Person enthalten, sogleich hemmen und an die ihr vorgesetzte obere Polizeibehörde berichten soll, welche sodann die Beschaffenheit eines ille­ galen Angriffs näher zu untersuchen hat. In dieser Hinsicht ist gesetzlich bestimmt, daß es als illegaler Angriff zu betrachten sey, wenn die Rechte eines Dritten wirklich gefährdet, die Ehre und der gute Name eines oder mehrerer Menschen gesetzwidrig verletzt; verläumderische und beleidigende Urtheile über den Regenten ins Publikum gebracht; auf eine freche unehrerbietige Art die Landesgesetze oder Anordnungen im Staate mit böslichem Vorsatze ge­ tadelt oder verspottet werden; wenn wirkliche Aufmunterungen zum Aufruhr, zu gewaltsamen Revolutionen, zur Herbeiführung der Anarchie geschehen; wenn die im Staate bestehenden Kirchen gesetzwidrig angegriffen werden; wenn die Sittlichkeit offenbar untergraben wird, und der Schriftsteller zur Wollust und zum Laster zu verführen sucht; endlich, wenn offenbar schädliche Vorurtheile, besonders in einer an das gemeine Volk gerichteten Schrift gelehrt und fortgepflanzt werden. Findet die obere Polizeibehörde den Inhalt einer Schrift wirklich also beschaffen; so ist dieselbe öffentlich zu verbieten und nach Umständen in Beschlag zu nehmen. Den auf eine illegale Art angegriffenen Privat-Personen bleibt überlassen, den Verfasser, und wenn dieser nicht bekannt oder falsch angegeben ist, den Verleger und in subsidium57 den Drucker, oder jeden Verbreiter wegen der ihnen geschehenen Unbilde vor der 56 Vgl. Höchst-landesherrliche Verordnung. Die Preß- und Buchhandel-Freyheit betreffend, München, 13. Juni 1803, in: Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 2, S. 403−406, Zitat S. 403 f. 57 In subsidio (lat.): im Notfall. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 147.

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competenten Justizbehörde zu verfolgen. Sind hingegen in einer solchen Schrift oder sinnlichen Darstellung illegale Angriffe auf eine öffentliche, physische oder moralische Person, auf die oben bemerkte Art, gewagt worden; so soll der Verfasser, und wenn dieser nicht bekannt, oder falsch angegeben ist, der Verleger und in subsidium der Drucker und jeder Verbreiter, der geeigneten Justizbehörde zur gesetzlichen Bestrafung ex officio angezeigt werden. Bei anonymen Schriften, wo weder Verfasser, Verleger, noch Drucker bekannt sind, bleibt jederzeit derjenige, welcher eine solche Schrift debitirt58, für ihren Inhalt verantwortlich. Wird in einer der obern Polizeibehörde vorgelegten Schrift oder sinnlichen Darstellung zwar kein gesetzliches Verbrechen gefunden, die Schrift ist jedoch offenbar, entweder in Rücksicht auf Moralität oder auf physisches Wohl der Staatsbürger schädlich; so ist bloß zu verhindern, daß sie nicht weiter in Umlauf gesetzt werde, und es soll sogleich ein Exemplar davon demjenigen geheimen Ministerial-Departement eingeliefert werden, welchem die Aufsicht über den öffentlichen Unterricht und die Volksbildung anvertraut ist; dieses kann nach Umständen ein öffentliches Verbot einer solchen Schrift oder sinnlichen Darstellung veranlassen; auch gehört zu seinen Pflichten, das allenfalls irre geführte Volk, durch zweckmäsige Schriften über den nämlichen Gegenstand belehren zu lassen. Der Polizei kommt weder eine Censur, noch eine Bestrafung zu, wenn nicht ein bloßes Polizei-Verbrechen begangen worden ist; sie soll eigentlich nur wachen, damit die Gesetze beobachtet, und Uebel, die entstehen könnten, noch in Zeiten verhütet werden. Wenn schon bei politischen und statistischen Schriften keine bestimmte Einschränkung gemacht ist; so wird doch festgesetzt, daß Staatsdiener ihre Vorträge und Arbeiten über Gegenstände, die ihnen nach ­ihrem Geschäftskreise übertragen sind, so wie auch statistische Notizen und sonstige Bemerkungen, zu deren Kenntniß sie nur durch ihre Dienstverhältnisse kommen konnten, nie ohne besondere königliche Erlaubniß, dem Drucke übergeben dürfen. In Rücksicht auf Zeitschriften politischen und statistischen Inhalts ist gleich Anfangs eine Ausnahme gemacht, und nicht nur die landesherrliche Genehmigung der Herausgabe solcher Schriften, sondern auch die Censur vorbehalten worden. In Ansehung der Zeitungen und der periodischen Blätter politischen Inhalts ist neuerlich dieses wiederholt und näher bestimmt, auch insonderheit den Zeitungsschreibern zur Pflicht gemacht worden, alles unanständigen Schimpfens und harter Ausdrücke gegen die allerhöchsten Höfe und alle bestehenden Regierungen sich auf das Sorgfältigste zu enthalten; die Thatsachen, so viel möglich, einfach und ohne alle Bemerkungen und Raisonnements, in so weit sie nicht aus der Natur der Sachen 58 Debitieren (von frz. débiter): absetzen, verkaufen, verbreiten. Vgl. Heyse, Allgemeines verdeutschendes und erklärendes Fremdwörterbuch, S. 167.

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fliessen, oder zu ihrer besseren Aufklärung dienen, zu erzählen. Auffallende und nicht genug verbürgte Nachrichten können zwar, wegen des Werthes der Neuheit, welchen das Publikum gewöhnlich auf solche Nachrichten leget, angezeigt, jedoch muß jedesmal die Quelle, woraus dieselben geschöpft worden sind, genau angegeben werden; alle officiellen Stücke, ohne Unterschied, können ganz eingerückt werden, und sind ohne Anstand von der Censur passiren zu lassen. Das der Verfassungsurkunde des Königreichs Baiern59 als dritte Beilage angehängte Edict über die Freiheit der Presse und des Buchhandels60 bestätigt die Hauptgrundsätze dieser Verordnungen, ohne jedoch in alle die einzelnen Vorschriften derselben einzugehen. Dahingegen sind folgende nähere ­Bestimmungen dieses Edicts besonders zu bemerken: Wenn die Polizei für nöthig findet, die Verbreitung einer Schrift, welche Gesetzübertretungen gegen den Monarchen, den Staat und dessen Verfassung, gegen Kirchen- und religiöse Gesellschaften, gegen die öffentliche Ruhe oder gegen die Sittlichkeit enthält, zu hemmen; so ist sie verbunden, ein Exemplar derselben der ihr vorgesetzten obern Polizeibehörde ohne Verzug einzusenden, und diese soll längstens in acht Tagen, nach collegialer Berathung entscheiden, ob der Beschlag aufzuheben, oder fortzusetzen sey? Im letzten Fall soll sie die Schrift mit dem Collegialbeschluß an das Staatsministerium des Innern auf der Stelle einschicken und dieses erkennt ohne Aufenthalt über die Aufhebung oder ­Bestätigung des Beschlags. Mit der Bestätigung wird die Schrift öffentlich verboten, und nach Umständen confiscirt. Wer sich durch die Verfügung des Staatsministeriums des Innern beschwert findet, dem ist dagegen die Berufung an den Königl. Staatsrath gestattet, welcher darüber, und zwar immer in einer Plenar-Versammlung zu erkennen hat. Privat-Personen, welche durch Schriften oder sinnliche Darstellungen sich beleidigt finden, können zu ihrer Sicherheit von der Polizei verlangen, daß sie die Schrift, wegen welcher sie klagen wollen, in Beschlag nehme, jedoch sind sie verbunden, in acht Tagen die Bescheinigung beizubringen, daß die Klage wirklich bei dem Richter angebracht worden, widrigenfalls der Beschlag nach Ablauf dieser Zeit wieder aufgehoben werden soll. Uebrigens enthält auch das Strafgesetzbuch für das Königreich Baiern ­einige Bestimmungen, welche sich ausdrücklich auf Preßvergehen beziehen. So wird im Art. 308 zum nächsten Versuch des Hochverraths gerechnet, wenn eine Aufforderung zu staatsverrätherischen Aufruhr durch Verbreitung schrift59 Vgl. Verfassungsurkunde des Königreichs Bayern, München, 26. Mai 1818, in: Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 2, S. 1387−1407. 60 Vgl. Edikt über die Freiheit der Presse und des Buchhandels, München, 26. Mai 1818, in: Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 2, S. 1423−1425.

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licher, gedruckter oder ungedruckter Aufsätze geschehen ist, und der Aufforderer wird als Urheber des Verbrechens angesehen, wenn die Aufforderung dasselbe wirklich zur Folge gehabt hat. In Ansehung des Aufstandes oder ­Tumults ist im Artikel 324 Aehnliches festgesetzt. Nach dem Artikel 311, ist derjenige einer Majestäts-Beleidigung schuldig, welcher in öffentlich verbreiteten Schriften oder bildlichen Darstellungen die Person des Souverains oder dessen Regierungs-Handlungen durch Verläumdung, verachtenden Spott, oder schimpfliche Schmähungen herab zu würdigen trachtet. Verläumdung von Privat-Personen durch öffentlich verbreitete Schriften ist im Art. 286 besonders verpönt.61 Im Herzogthum Nassau wurden im Mai 1814 alle bis dahin bestandenen und um der früheren, nun veränderten Verhältnisse willen angeordneten Beschränkungen des Buchhandels und der Preßfreiheit aufgehoben, und damit folgende kurze Vorschriften verbunden: „Die Buchdrucker sind verbunden, von einer jeden in ihren Pressen gedruckten Schrift sogleich nach vollendetem Abdruck, noch ehe dieselbe in den Buchhandel kommt, oder sonst verbreitet wird, ein Frei-Exemplar an die öffentliche Landes-Bibliothek in Wiesbaden einzuschicken. Für den Inhalt einer jeden Druckschrift sind Verfasser und Buchdrucker für sich und einer für den andern dergestalt verantwortlich, daß beide im Wege der Ahndung von Amtswegen, oder auf Anrufen des beleidigten Theils, bei den competenten ordentlichen Gerichts- und Polizei­ behörden des Landes verfolgt werden können, wenn der Inhalt einer Druckschrift als Pasquill oder Schmähschrift gegen Personen und öffentliche Behörden, oder als öffentliche Hintansetzung der Pflichten gegen Kirche und Staat, oder als eine öffentliche Verletzung der Ehrbarkeit und Sitten, den bestehenden allgemeinen Gesetzen zu Folge betrachtet werden muß. Die Buchdrucker sind verbunden, auf dem Titel einer jeden bei ihnen gedruckten Schrift, ihren Namen und Wohnort genau und deutlich anzugeben, auch den Verfasser einer ohne desselben Namensangabe abgedruckten Schrift, oder denjenigen, von welchem sie das Manuscript erhalten haben, namhaft zu machen, wenn sie von der ihnen vorgesetzten obrigkeitlichen Behörde, in Gefolge eines bei derselben eingeleiteten rechtlichen Verfahrens, darüber amtlich befragt werden. Unter Vorbehalt dieser Verantwortlichkeit und mit Erfüllung der bemerkten Verbindlichkeiten ist es den Buchdruckern erlaubt, ohne vorgängige Censur, oder sonst erhaltene besondere Erlaubniß, alle und jede Manuscripte durch Abdruck in ihren Werkstätten zu vervielfältigen. Der öffent­ liche Verkauf aller Druckschriften und Bücher, welche nicht schon dem Titel nach zu den, durch die bestehende allgemeine Gesetzgebung verbotenen, und oben näher bezeichneten, Schriften gehören, oder als solche den Buchhänd61 Vgl. Strafgesezbuch für das Königreich Baiern. München 1813, S. 111 f., 121 f., 127 f.

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lern von ihren vorgesetzten obrigkeitlichen Behörden besonders etwa bezeichnet worden, ist mit der Einschränkung erlaubt, daß die von dem Landesherrn etwa ertheilten Privilegien über den ausschliessenden Verkauf einzelner bestimmter Bücher-Ausgaben in dem Herzogthum, nach Maasgabe der jedesmaligen Bekanntmachung, allenthalben genau zu befolgen sind“.62 Die Constitution des Großherzogthums Sachsen-Weimar-Eisenach nimmt die Freiheit der Presse durch die in dem Grundgesetz vom 5ten Mai 1816 enthaltene ausdrückliche Anerkennung und gesetzliche Begründung des Rechts aller Staatsbürger auf dieselbe in besondern Schutz.63 Es ist aber zugleich bekannt gemacht worden, daß Verfasser und Drucker der in den Großherzoglichen Landen erscheinenden Schriften für deren Inhalt verantwortlich bleiben, und daher, wenigstens letztere, sich stets auf dem Titelblatt nennen müssen. Ein eigenes, umfassendes Gesetz gegen den Mißbrauch der Presse ist schon vorbereitet und der Entwurf soll dem nächsten Landtage vorgelegt werden. In der Sammlung, welche den Hauptstoff zu gegenwärtigem Vortrage darbot, befinden sich zwei Entwürfe eines solchen Gesetzes und einige andere erläuternde Actenstücke, wozu neuerlich eine vorläufige Verordnung gegen Preß-Mißbräuche gekommen ist. Aus allem erhellet, daß die großherzogliche Regierung das Justiz-System in Beziehung auf den Gebrauch der Presse in möglichster Reinheit aufrecht zu erhalten bezwecket. Durch die Aufhebung der Censur war auch in diesem Staate die Freiheit der Bürger, ihre Gedanken durch den Druck bekannt zu machen, wieder hergestellt, und die Regierung glaubte, die bestehenden Gesetze seyen gegen Preßverbrechen und Vergehen hinreichend. Wenn Mangel an Kenntniß derselben, oder Nichtachtung, oder Mißdeutung dieß Vertrauen in ihre Kraft getäuscht hat; so kann freilich eine eigene Gesetzgebung nothwendig werden; diejenigen aber, welche so schnell vergessen konnten, daß Freiheit nur durch Mäsigung bestehe, haben eine schwere Verantwortung gegen einen Richter auf sich geladen, auf den sie so oft sich berufen, und für den allein sie so viel zu arbeiten und zu wagen behaupten. Auch im Königreich Württemberg wird das Gesetz über die Preßfreiheit als ein Theil der Verfassung betrachtet. Dieses im Jahr 1815 erlassene Gesetz64 hebt alle frühern Beschränkungen der Druck- und Lesefreiheit, und mit ihnen das bis dahin bestandene Ober-Censur-Collegium sammt der Anstalt der Bücherfiscale auf. Buchhandlungen, Buchdruckereien, Lesebibliotheken etc. 62 Edikt vom 4./5. Mai 1814, in: VBl. Nassau 1814, S. 47 f., Zitat S. 47 f. 63 Vgl. Grundgesetz über die Landständische Verfassung des Großherzogtums Sachsen-WeimarEisenach, Weimar, 5. Mai 1816, in: Boldt (Hrsg.), Reich und Länder, S. 266−294, hier S. 294. 64 Gesetz über die Preß-Freiheit, Stuttgart, 30. Januar 1817 (sic), in: Paul, Württemberg 1797−1816/19, Teilbd. 2, Nr. 20, S. 746−751.

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können ohne Concession im Königreiche nicht errichtet werden. Die polizeiliche Centralaufsicht über das gesammte Bücherwesen ist der für RegiminalSachen bestehenden Behörde übertragen. Die für das Studienwesen niedergesetzte Centralbehörde wird in dazu geeigneten Fällen mit ihrem Gutachten vernommen. Es ist erlaubt, alles drucken zu lassen, was nicht gesetzlich verboten ist. Censur findet weder vor noch nach dem Drucke Statt. Das Verbot der Verbreitung von Druckschriften wird durch Rücksichten auf Religion, Kirche und Sittlichkeit, auf die Sicherheit der Staaten, auf die Ehre des Regenten, auswärtiger Regierungen und der Privaten bestimmt. Die Verbrechen und Vergehen, welche in dieser Rücksicht durch Mißbrauch der Presse entstehen können, werden sehr genau bezeichnet und beschrieben, auf dieselben aber besondere Strafen nicht gesetzt, sondern sie sollen nach Maasgabe sowohl der gemeinrechtlichen Verordnungen, als der vaterländischen Gesetze über Blasphemie, Profanation des Heiligen, Hochverrath, Landesverrath, Verbrechen der beleidigten Majestät, Widersetzlichkeit gegen die Obrigkeit, und Injurien nach dem Verhältnisse der höheren oder niederen Schädlichkeit, des größern oder geringern Grades von Vorsatz oder Schuld, und dem hiernach sich bestimmenden Ermessen des Richters bestraft werden. Den Staatsdienern wird insonderheit bei nachdrücklicher Ahndung verboten, Notizen, die sie amtlich erhalten haben, und die sie nicht, erweislicher Maßen, auch aus nicht amtlichen Quellen schöpfen können, ohne Erlaubniß ihrer Vorgesetzten durch den Druck bekannt zu machen. In Ansehung der Zeitungen und politischen Zeitschriften hat sich die Landes-Regierung vorbehalten, in ausserordentlichen − besonders in Kriegs-Zeiten, eine temporäre Censur anzuordnen. Die Verantwortlichkeit der Verfasser, Herausgeber, Redacteurs von Zeitschriften, der Drucker, Verleger und Verkäufer ist ausführlich bestimmt. Die Buchhändler sind berechtigt, alle Druckschriften, welche sie auf dem Wege des ordentlichen Buchhandels beziehen, zu verkaufen, ohne daß sie bei einem etwa gesetzwidrigen Inhalte derselben als schuldhafte Theilnehmer an der Verbreitung angesehen, und deßhalb zur Verantwortung gezogen werden ­können, so lange ihnen nicht von der vorgesetzten Behörde der Verkauf ausdrücklich untersagt worden, oder eine dolose Verbreitung von Schriften gesetzwidrigen Inhalts gegen sie erwiesen ist. Sie sind jedoch verbunden, diejenigen Schriften, auf denen weder der Verfasser noch der Verleger, noch ein inländischer Buchdrucker genannt ist, wenn dieselben sich ganz oder zum Theil auf die inländischen Staats-Verhältnisse beziehen, obgleich sie ihnen auf dem ordentlichen Wege des Buchhandels zugekommen sind, so wie alle ihnen ausser diesem Wege zukommenden Schriften, vor dem Debit, der Regiminalbehörde vorzulegen. Die Untersuchung der in Druckschriften begangenen Vergehen und das Straferkenntniß steht, mit Ausschluß der Polizeibehörden, allein den Criminal-Gerichten zu. Jede Orts-Polizeibehörde hat aber die

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Pflicht, die Ausstellung und den Debit ärgerlicher Bilder zu hindern, so wie den Debit solcher Schriften, die durch das Gesetz verboten sind, vorläufig zu untersagen, auch dieselben nach Umständen in Beschlag zu nehmen, muß ­jedoch hiervon der geeigneten Regiminalbehörde innerhalb 24 Stunden die Anzeige machen. In mehreren andern deutschen Staaten ist Preßfreiheit Regierungsmaxime. Man hat aufgehört, die alten Reichsgesetze zu befolgen. Doch sind meistens Zeitungen und Journale der Censur unterworfen. Man kann vielleicht annehmen, daß ein Drittheil der Bundesstaaten die Grundsätze des Justiz-Systems in Beziehung auf Preß-Mißbräuche befolgt. Das Polizei-System in Beziehung auf Preß-Mißbräuche beruhet auf dem Grundsatze, daß es besser sey, Verbrechen und Vergehungen zu verhüten, als sie ungehindert entstehen lassen, und dann bestrafen. Es steht aber zugleich in der genauesten Verbindung mit der Justiz, indem die Polizei die Ahndung der Gesetzwidrigkeiten, die sie nicht verhindern konnte, ihr übergiebt. Der bereits berührten Aufsicht über Druckereien und Buchhandel, der heutzutage gewiß seltenen Leseverbote, der noch seltenern Schreibverbote nicht zu gedenken; so ist es ohnehin die Censur, welche die Polizei als ihr erstes Vorbauungsmittel gegen Preß-Vergehungen erkennt. Die Rechtmäsigkeit der Censur wird bestritten, nicht nur weil sie ein Eingriff in das angeborne, unveräusserliche Recht der Denkfreiheit, sondern auch weil sie an und für sich unzweckmäsig, folglich gemeinschädlich sey. Wenn indessen nicht geläugnet wird, daß durch die Art der Ausübung eines angebornen, unveräusserlichen Rechtes die Rechte Anderer verletzt, daß mithin auch durch den Mißbrauch der Presse Verbrechen und Vergehen begangen werden können, und, wenn es eben so unläugbar zu den Rechten der höchsten Gewalt gehört, Verbrechen und Vergehen zu verhüten; so ist die Rechtmäsigkeit der Censur an und für sich nicht zu bezweifeln. Es entsteht aber hierbei die Frage: ob die Eigenthümlichkeit dieses Mittels zur Verhütung der Preß-Mißbräuche nicht nachtheiligere Wirkungen hervorbringe, als der Mißbrauch der Presse selbst besorgen läßt, und ob nicht in der Anwendung ein Unterdrückungs-System entstehe, welches den Geistesverkehr auf eine gemeinschädliche Weise gefährdet? Wäre dieß nothwendige Folge der Censur; so müßte sie unbedingt verworfen werden, als ein Werk der Finsterniß, bestimmt zum Gegengewicht gegen jene herrliche Erfindung, welche das Licht der Aufklärung unwiderstehlich durch alle Wel[t]theile zu verbreiten bestimmt ist. Allein aus der Censur geht so Verderbliches nicht nothwendig hervor. Zwar sagt man, die Preßfreiheit könne als nothwendiges Mittel fortschreitender Cultur von keinem Volke aufgegeben, dürfe keinem Volke entzogen

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werden; dem Staate müsse es genügen, den Schriftsteller, der in der Ausübung der Preßfreiheit ungerecht oder bürgerlich ungehorsam sey, vor ­Gericht zu ziehen und ihn zu bestrafen. Den ungesitteten und gewissenlosen Schriftsteller müsse er der Strafe seines Gewissens und der Verachtung derer überlassen, die ihn als solchen erkennen. Daß aber dieß von den Meisten geschehe, dafür sorge die öffentliche Critik. Die Verheimlichung eines straf­ baren Verfassers dürfe nicht zum Vorwande65 strengerer Maasregeln dienen, denn auch bei so manchen andern Vergehungen müsse das Gericht erst den Urheber erforschen, ehe es ihn zur Rechenschaft ziehen könne. Das unschuldige Buch durch Confiscation oder Verbot zu strafen, sey widersinnig und ungerecht. Der Schriftsteller, der bestimmte Personen, vielleicht gar die Vorsteher und Verwalter des Staats öffentlich angreife, müsse zum Beweise aufgefordert, der Grund seines Angriffes müsse untersucht, und das Resultat dieser Untersuchung eben so öffentlich bekannt gemacht werden. Seyen seine Vorwürfe wahr; so bleibe das Buch, das sie enthalte, eine wohlthätige Urkunde, seyen sie falsch; so könne das Buch, dessen Inhalt, als unerwiesen, öffentlich bekannt gemacht sey, weiter keinen Schaden thun. Wenn aber keine ­bestimmte Person angegriffen und beleidigt sey, sondern wenn bloß im Allgemeinen die Grundsätze des Rechts, der Sittlichkeit, der Religion untersucht, behauptet, oder geläugnet oder gelästert werden; so werde doch durch das Abläugnen aller Grundsätze, auf welche der Mensch seine Würde, seine Hoffnung, seine Beruhigung setzt, niemand wirklich beleidigt. Dem Irrenden müsse in diesem Falle allein Belehrung, nicht Haß und Verfolgung werden. Belehrung aber stehe vom Staate nicht zu erwarten, da ihm die Richtung und Bildung unseres Geistes gar nicht übertragen werden könne. Hier vorzüglich müsse die Critik ihre wohlthätigen Wirkungen äussern. Die Censur hingegen hindere mehr das Gute, als daß sie das Böse verhüte. Sie sey lästig, ohne zu nützen, und in Deutschland besonders, bei den häufig wechselnden Gebieten und Regierungsmaximen, vergebliche Mühe und Arbeit. Die strengste Censur könne nicht mehr thun, als die verworfene Handschrift in eine fremde Presse treiben, und alle Bücherverbote, die noch dazu die bürgerliche Freiheit, das Recht selbstständiger Menschen, zu lesen, was ihnen gut däucht, auf das Bitterste kränken, wirken doch nur so viel, daß desto eifriger heimlich gelesen werde, was man öffentlich nicht lesen dürfe, und die Verzeichnisse verbotener Bücher seyen nicht selten verführerischer, als die Bücher selbst. Auch sey der Despotismus der meisten Bücherrichter in der gelehrten Republik nicht zu dulden. Die Wichtigkeit dieser Gründe ist unverkennbar. Allein es folgt daraus mehr nicht, als daß die an sich rechtmäsige Censur-Anstalt aufhört, es zu 65 Emendiert. Vorlage: Verwande.

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seyn, wenn ihre Unzweckmäsigkeit erwiesen ist. Da aber diese sich nicht nach allgemeinen Grundsätzen beurtheilen läßt, weil sie durch Personen, Sachen, Ort und Zeit bestimmt wird; so muß es nothwendig jeder Regierung zustehen, auf dem verfassungsmäsigen Wege zu entscheiden, ob die Umstände eine Censur-Anstalt erforderlich machen, oder nicht? Da bald nach der Erfindung der Buchdruckerkunst die Censur in den verschiedenen Staaten Europas eingeführt worden ist; so hat man sich daran gewöhnt, sie als Regel zu betrachten und die Befreiung von ihr als Ausnahme. In der That aber ist das Recht, jede Schrift durch Abdruck zu vervielfältigen und in Umlauf zu setzen (die Preßfreiheit im eigentlichen Sinne) als Regel anzusehen, und eine Beschränkung derselben durch die Censur, kann nur auf triftigen Bestimmungsgründen beruhen, welche aus dem Zustande der allgemeinen Bildung im Staate, aus der jedesmaligen Lage und Richtung der Literatur, aus dem herrschenden Geiste unter den Schriftstellern und unter den Lesern, aus der Häufigkeit oder Seltenheit der Preß-Mißbräuche und aus manchen andern Rücksichten, welche die Zeitumstände erheischen können, hervorgehen. Dessen ungeachtet bleibt die allgemeine Begründung des Rechts, Censur-Anstalten einzuführen, unverändert, und es ist immer auffallend, wenn einsichtsvolle Männer die Censurfreiheit, als ein angebornes unveräusserliches Recht, da fordern, wo doch nur von der Verhütung des willkührlichen und widerrechtlichen Gebrauchs eines, erst seit wenigen Jahrhunderten erfundenen Mittels der ausgedehntesten Publicität die Rede ist. Wenn die Verhältnisse eine besondere Aufmerksamkeit auf die Erzeugnisse der Presse, eine genauere Sorgfalt für Verhütung der Preß-Mißbräuche noth­ wendig machen; so hat die Regierung gewiß das Recht, sich zu diesem Ende einer wohlgeordneten Censur zu bedienen. Zwar müßte billig jeder Schriftsteller die Frage: ob eine Schrift dem Drucke übergeben und dadurch so weit als möglich verbreitet werden dürfe, nach den nothwendigen Grenzen der Schreib- und Preßfreiheit, sich selbst gewissenhaft beantworten und darnach handeln. Wenn dieses aber von Vielen nicht geschieht; so ist der Staat wohl befugt, gegen gemeinschädliche und rechtswidrige Mißbräuche Sicherheitsmaasregeln zu treffen, und dieß thut er, indem er von denjenigen, welche sich der Presse bedienen wollen, die Vorzeigung ihrer Handschrift fordert, und ­deren vorläufige Prüfung veranstaltet. Der Verkauf gedruckter Bücher steht mit eben dem Rechte unter der Aufsicht der Polizei, als der Verkauf anderer Waaren, deren willkührliche Ueberlassung an das Publikum gemeinschädliche Folgen haben kann. Wenn ein Schriftsteller das Recht, seine Gedanken andern mitzutheilen, gemißbraucht, wenn er die natürlichen und gesetzmäsigen Grenzen dieses Rechts überschritten hat; so tritt die Befugniß des Staats ein, die bei jeder unerlaubten Handlung statt hat, das Geschehene so viel möglich ungeschehen zu machen, die

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Folgen der Handlung so viel möglich zu vermindern. Dazu dient – Verbot des Verkaufs und der Verbreitung einer gemeinschädlichen Schrift und, wenn es die Umstände erfordern, Confiscation derselben. In dieser Hinsicht ist aber auch die Censur gedruckter Schriften weder widerrechtlich noch unzweck­ mäsig. Eine Censur-Anstalt wird übrigens nur als rechtmäsig erkannt, wenn sie, auf die Forderungen des Staatszweckes beschränkt, durchaus nicht willkührlich ausgedehnt im Zweck, nicht mit Willkühr ausgestattet ist in der Ausübung. Sie soll dahin sehen, daß keine Aufforderungen zum Ungehorsam und zur Widersetzlichkeit gegen die Obrigkeit, keine Angriffe gegen eine allgemeine aufgeklärte Religion, keine die Sittlichkeit zerstörenden Grundsätze, keine boshaften Anfälle auf die Ehre und guten Namen der Staatsbürger verbreitet werden. Aber es darf nicht der willkührlichen Deutung eines Censors überlassen seyn, was er dem Staate, der Religion, den Sitten, dem guten Namen eines Dritten gefährlich und nachtheilig glaubt. Die Begriffe und Kennzeichen müssen in den Censurgesetzen deutlich angegeben seyn. Die Wahl eines Censors muß mit äusserster Vorsicht geschehen, und nie muß es dem inappellablen Richterstuhle Eines Mannes überlassen bleiben, seine vielleicht einseitige Ansicht zum Grund einer unwiederruflichen Entscheidung zu machen. Willkührliche Abänderungen, critische Verbesserungen u. s. w. müssen als pedantische Anmaßungen nie geduldet werden. Nur eine, nach festen und allein durch die nothwendige Sicherstellung gegen gemeinschädliche Mißbräuche der Preßfreiheit bestimmten Grundsätzen angeordnete Censur kann, als ein rechtmäsiges und nützliches Institut der Staatspolizei betrachtet werden. Ungerecht hingegen sind alle Censur-Anstalten, die ihre natürlichen Grenzen überschreiten, die die freie Erforschung der Wahrheit hindern, die für den Staat fürchten, nicht – wenn der Staat selbst in einer Schrift angegriffen, verrathen, durch Aufforderung der Unterthanen zum Ungehorsam in Gefahr gesetzt wird, sondern, wenn bescheidene Urtheile über Staatsverfassung und Staatsverwaltung öffentlich gesagt werden, die die Religion angefochten glauben, wenn Religionssätze auf eine ruhige, anständige Weise wissenschaftlich geprüft und untersucht werden; die die guten Sitten mit abergläubischen Gewohnheiten, Satyren, mit Pasquillen verwechseln; die nach dem Druck- oder Verlagsort, nach dem Namen des Verlegers oder Verfassers, nach dem Titel des Buches verbieten, ohne zu lesen, die nicht, um Mißbräuche der Preßfreiheit zu verhüten, sondern, um diese selbst zu unterdrücken, Schriftsteller und Leser, so weit ihr Arm reicht, mit eisernem Scepter regieren. Wenn übrigens die Bildung eines Volkes so weit vorgerückt ist, daß auf der einen Seite wahre Preß-Mißbräuche so leicht nicht zu besorgen, und die Eindrücke, welche verwerfliche Schriften machen könnten, nicht zu befürchten sind; auf der andern Seite aber der freieste Geistesverkehr im wissenschaftli-

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chen und im bürgerlichen Leben immer weitere Fortschritte hoffen läßt; so ist die Befreiung der Presse und des Buchhandels allerdings Pflicht. Da die Censur aus einem Bedürfniß der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entsteht; so muß sie sich auch nach dem Daseyn und dem Maase dieses Bedürfnisses richten. Sie kann daher nach Personen und Gegenständen verschieden und überhaupt bloß vorübergehend seyn. In dieser Hinsicht wird von Einigen dafür gehalten, daß in Deutschland eine angemessene Aufsicht auf Druckereien und Buchhandel und ein Verbot des Druckens namenloser oder falschnahmiger Schriften ohne vorgängige Censur genügen würde. Volksschriften, politische oder andere, müssen ­ohnehin, wie die Volkslehrer, in einem genauen Verhältniß gegen den Staat stehen, welches indessen nicht gerade Censurpflichtigkeit nach sich zieht, sondern gar wohl auf persönlichem Vertrauen beruhen kann. Dieß findet insonderheit auf Zeitungsschreiber seine Anwendung, welche allerdings die Zügel der Censur verdienen, wenn sie die Wichtigkeit und Würde ihres Berufes so sehr verkennen, daß sie, bloß als nahrhaftes Gewerbe ihn treibend, stets nach dem haschen, was die Menge an sich zieht, und, der Leitung der Volksstimmung sich rühmend, einer Verleitung sich schuldig machen könnten, wenn in unserm Vaterlande von einseitigen und gewagten Behauptungen, und von der Sucht, die englischen Oppositionsblätter nachzuahmen, im Ernste einige Gefahr zu besorgen wäre. Einen geheimen Zeitungsschreiber kann es ohnehin nicht geben. Wer täglich mit dem Publikum reden will, muß als ein Mann, der eine schwere Verantwortlichkeit auf sich nimmt, der Obrigkeit bekannt seyn. Am Ende aber liegt wohl alle Gefahr, womit uns die Presse bedrohen mag, im Geheimniß, und man kann hier nicht, wie in andern Fällen, die Entdeckung des heimlichen Verbrechens bloß der Geschicklichkeit der Polizei überlassen, weil, während ihrer Forschungen, das Verbrechen tausendmal wiederholt, und seinen Folgen zu begegnen, immer weniger möglich wird, jemehr die verwerfliche Druckschrift sich verbreitet. Eben darauf aber gründet sich die Meinung, daß nur eine Censur solcher Schriften nöthig sey, deren Verfasser ihren wahren Namen geheim halten wollen. Der Professor Hillebrand, übrigens entschiedener Vertheidiger unbedingter Preßfreiheit, hält es selbst für lobenswerth, wenn politische Zeitungen unter gewisse Aufsicht gestellt werden, aber nur in so fern, als darin nicht Raisonnements oder ähnliche Ar[ti]kel, sondern nur Nachrichten, von deren Falschheit man überzeugt ist, und welche für den Augenblick großes Unheil zu ­bewirken fähig sind, unterdrückt werden. Man könnte vielleicht fragen, ob Falschheit und Unheil nicht auch bei Raisonnements zusammen treffen können? In Zeiten politischer Bewegungen wenigstens kann die Gefahr, die auch von dieser Seite kömmt, nicht verkannt werden.

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Der geheime Regierungsrath Crome66, dessen Schrift über Deutschlands und Europa’s Staats- und National-Interesse vorzüglich in Betreff des germanischen Staatenbundes67 bereits zur Kenntniß dieser hohen Versammlung gebracht ist (1817, Sitzung 44 § 368)68, hat sich für eine liberale, aber gesetzliche Preß­ freiheit erklärt, die nur bei politisch-ephemerischen, so wie bei kleinen Flugschriften und bei anonym erscheinenden Werken, durch eine weise und gemäsigte Censur beschränkt seyn dürfte. Diese hält er für nothwendig, wenn anders ähnliche Unruhen und Störungen der einheimischen und auswärtigen Verhältnisse, wie sie in Frankreich, in Belgien und selbst in England und Irrland fortdauernd sich ereigneten, und die in kleinen Föderativ-Staaten noch weit bedenklicher seyen, als in einem großen Reiche, künftig in Deutschland verhütet werden sollen. Ich möchte das Letztere, wenigstens in Ansehung der innern Verhältnisse, nicht behaupten, da der aus der Verschiedenheit solcher Föde­ rativ-Staaten nothwendig hervorgehende Mangel an Uebereinstimmung die ­Gefahr für das Ganze, und eben dadurch auch für das Einzelne vermindert. Der Professor Krug hat in seiner interessanten Schrift über deutsche und englische Preßfreiheit mit rühmlicher Resignation auf dasjenige Bedacht genommen, was er jetzt als wahrhaft practisch für Deutschland erkennt. Ich sage: mit Resignation; denn auch er hält Preßfreiheit mit bloßer Verantwortlichkeit der Schriftsteller für das Bessere. Wenn aber dieß Bessere noch nicht erreicht werden kann; so glaubt er, es müsse doch vorbereitet und befördert werden, und in dieser Hinsicht tritt er besonders gegen eine zu ängstliche Polizei, die alle Mißbräuche verhüten will, warnend auf, und zeigt, daß die Absicht des Gesetzgebers in Bezug auf Preßfreiheit bloß dahin gehen kann, den Mißbrauch der Presse zu erschweren und minder gefährlich zu machen, ohne zugleich den rechten Gebrauch zu hindern. Er schließt daher die Censur noch zur Zeit nicht gänzlich aus, er verlangt aber zugleich, unter bestimmten Bedingungen, Censurfreiheit, welche die Schriftsteller durch eigenes Verdienst erwerben und durch eigene Schuld verlieren können. „Hierdurch, sagt er, haben wir zweierlei beabsichtet, einmal, das Ehrgefühl unsrer Schriftsteller ins Spiel zu ziehen, damit sie sich von selbst des Mißbrauchs der Presse ent­ halten, und zweitens, die deutschen Regierungen zu veranlassen, daß sie den vater­ländischen Schriftstellern in dem Maas mehr Preßfreiheit gestatten, als jene derselben würdiger sind. Steht es noch in der Macht des Schriftstellers selbst, sich von der Gewalt des Censors zu emancipiren; so muß es forthin 66 August Friedrich Wilhelm Crome (1753−1833), war 1786−1831 Professor für Statistik und Kameralwissenschaften an der Universität Gießen. Vgl. ADB, Bd. 4, S. 606 f. 67 August Friedrich Wilhelm Crome, Deutschlands und Europens Staats- und National-Interesse, vorzüglich in Betriff des germanischen Staaten-Bundes, und der in Deutschland allgemein einzuführenden landständischen Verfassung. Gießen 1817. 68 Vgl. ProtDBV 1817, 44. Sitzung vom 17. Juli 1817, § 368, S. 714 f.

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Abb. 7: Günther Heinrich von Berg (1765–1843)

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ein Ehrenpunct der Schriftsteller seyn, censurfrei zu werden und auch zu bleiben, und der censurfreie Schriftsteller muß es als die höchste Strafe betrachten, sich wieder unter die Vormundschaft des Censors gestellt zu sehen. Wäre nun jene Gesinnung unter den Schriftstellern einmahl herrschend; so könnten auch die gesetzlichen Verfügungen über die Presse immer milder werden, und zwar um so mehr, je mehr sich dann auch die Furcht vor der Presse, die mit der Gespensterfurcht viel Aehnlichkeit hat, verlieren würde“.69 Der Professor Krug ist von dem Gesichtspuncte ausgegangen, was zu thun sey, wenn gegen Preß-Mißbräuche die Verantwortlichkeit der Schriftsteller zu wenig und die Censur zu viel leistet? Er versucht es, diese Frage durch einen Entwurf 70 zu beantworten, der die Grundlage zu einer allgemeinen Gesetz­ gebung über die Preßfreiheit in Deutschland enthalten und die beiden Mittel gegen den Mißbrauch der Presse, Verantwortlichkeit und Censur, dergestalt mit einander verbinden soll, daß jedes mit Ausschluß des andern nur in einer gewissen Sphäre und unter solchen Modificationen angewandt werde, welche dem Verkehre der Geister in unserm Vaterlande, allen zum Gedeihen der Wissenschaften und Künste und zum Wohle des Staates selbst nöthigen Umschwung gestatten. Er verwahrt sich übrigens gegen den Verdacht der Anmaßung, sich auch nur in Gedanken durch diesen Entwurf ein gesetzgeberisches Ansehen geben zu wollen. Derselbe soll vielmehr nur ein unmaßgeblicher Vorschlag seyn, den man bei einer künftigen Gesetzgebung für Deutschland in Bezug auf die Preßfreiheit nach Gefallen beachten kann oder nicht. Unmittelbare Veranlassung dazu hatte der Verfasser als Mitglied einer Commission der Universität Leipzig, welche von ihrer Regierung zur Erstattung eines Gutachtens über die Preßfreiheit aufgefordert war. Mir scheint dieser Entwurf in jeder Hinsicht vorzügliche Aufmerksamkeit zu verdienen, und ich glaube, zu dessen Würdigung am besten beitragen zu können, indem ich seinen wesentlichen Inhalt in folgenden kurzen Sätzen darlege: 1) In den deutschen Bundesstaaten steht es Jedem frei, seine Handschrift in einer von dem Staate autorisirten Buchdruckerei drucken zu lassen. 2) Auf jeder in Deutschland gedruckten Schrift muß der Name des Verfassers oder eines Stellvertreters desselben angegeben seyn, um im Publikum erscheinen zu dürfen. 3) Auch die Druckerei, aus welcher die Schrift hervorgeht, muß angegeben werden, und der Drucker haftet für die Richtigkeit des Namens des Verfassers oder seines Stellvertreters. Ist der Drucker zugleich Verleger, so muß er auch dieß bemerklich machen. 69 Vgl. Krug, Entwurf zur deutschen, und Darstellung der englischen Gesetzgebung über die Preßfreiheit, S. 30 f. 70 Abdruck in: Krug, Entwurf zur deutschen, und Darstellung der englischen Gesetzgebung über die Preßfreiheit, S. 11−29.

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4) Der Schriftsteller ist in Rücksicht auf Gegenstand und Form seiner Arbeit nur in so weit beschränkt, daß keine Schrift durch den Druck bekannt gemacht werden darf, welche ein Streben verräth, Religion und Sittlichkeit in den Augen des Volks verächtlich zu machen, Ungehorsam und Aufruhr gegen die bürgerliche Obrigkeit, oder Haß und Zwietracht unter den deutschen Volksstämmen und Bundesstaaten zu erregen, oder endlich die Ehre einer (physischen oder moralischen) Person durch Verbreitung verleumderischer Beschuldigungen zu kränken. 5) Der Verfasser oder Herausgeber einer Schrift ist in allen Fällen, wo sich mit größerer Wahrscheinlichkeit annehmen läßt, daß er keinen sträflichen Zweck durch seine Schrift zu erreichen suche, censurfrei. Diese Freiheit verliert er, wenn er eines gesetzwidrigen Gebrauchs der Presse gerichtlich überführt wird. 6) Jene Wahrscheinlichkeit findet sich a) bei öffentlichen Beamten und Lehrern oder bekannten Schriftstellern, die sich auf dem Titel der Schrift nennen; b) bei Vereinen, deren Zweck bekannt und vom Staate gebilligt ist, und welche auf dem Titel der Schrift, die sie her­a­usgeben, genannt sind, entweder überhaupt oder durch Angabe des Mitgliedes, welches die Herausgabe besorgt; c) bei Schriften in lateinischer oder einer andern bloß den Gelehrten bekannten Sprache. 7) In allen Fällen, wo die hier bezeichnete Wahrscheinlichkeit nicht eintritt, ist die Censur vor dem Drucke nothwendig, insonderheit a) bei anonymen oder pseudonymen, in der deutschen oder einer andern auch Ungelehrten ­bekannten, Sprache verfaßten Schriften; b) bei Schriften, welche blattweise herausgegeben werden, insonderheit Zeitungen, Intelligenzblättern etc. c) bei Schriften, welche ein Ausländer herausgeben will, wenn sie nicht in einer gelehrten Sprache verfaßt sind. 8) In zweifelhaften Fällen kommt es zwar zunächst auf den Ausspruch des Censors, oder der Ortsobrigkeit, endlich aber auf die Entscheidung einer höhern, dem Censor vorgesetzten Behörde an. 9) Ein Censor muß die erforderlichen Eigenschaften haben, um richtig und unpartheiisch beurtheilen zu können, ob eine Schrift nach den gesetzlich bestimmten Grenzen der Preßfreiheit dem Drucke übergeben werden darf oder nicht? 10) In jedem mit einer Druckerei versehenen Orte sollen zwei Censoren zur Auswahl derer, die das Imprimatur suchen, angestellt seyn. Auch kann von dem einen an den andern, und zuletzt an die ihnen vorgesetzte höhere Behörde recurrirt werden. 11) Freisinnigkeit, Billigkeit, Discretion und Verschwiegenheit ist den Censoren zur Pflicht zu machen. Sie sollen sich gleichsam als vertrauliche Rathgeber der censurpflichtigen Schriftsteller betrachten. Eine weitere allgemeine Instruction kann ihnen nicht gegeben werden.

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12) Schriften, deren ganzen Inhalt und Zweck der Censor als sträflich erkennt, sind mit der Druckerlaubniß nicht zu versehen, sondern zurückzugeben, und in diesem Falle findet Untersuchung und Bestrafung gegen den Verfasser einer solchen von der Presse zurückgehaltenen Schrift nicht Statt. 13) Einzelne anstössige Stellen einer Handschrift darf der Censor nicht ausstreichen, sondern nur anmerken, damit der Verfasser sie weglasse oder abändere, und im letztern Fall ist die Abänderung dem Censor, auf Verlangen, vorzulegen. 14) Ueberhaupt ist jede den Sinn und die Sache selbst betreffende Aenderung einer mit der Druckerlaubniß schon versehenen Handschrift dem Censor vor Vollendung des Abdrucks vorzulegen, was also auch von veränderten neuen Auflagen gilt. 15) Ausländische oder von Ausländern in Deutschland herauszugebende Schriften hat der Censor besonders auch in Rücksicht auf ihre politische Einwirkung zu prüfen. 16) Der Censor ist berechtigt, die Verbreitung einer censurwidrig gedruckten Schrift vorläufig zu untersagen, bis die obere Behörde darüber entscheidet. 17) Wegen einer censirten, unverändert abgedruckten Schrift kann kein Verfasser oder dessen Stellvertreter zur Verantwortung gezogen werden. Alle Verantwortlichkeit haftet auf dem Censor. 18) Der Censurfreie kann, um der Verantwortlichkeit zu entgehen, sich der Censur unterwerfen. Ich hoffe, daß diese kurzen Sätze genügen werden, um die Absicht des Professors Krug deutlich zu erkennen. Er hat sie mit Klarheit entwickelt, und in gründlichen und beachtenswerthen Anmerkungen zu rechtfertigen gesucht. Wie er einen Mittelweg zwischen beiden Haupt-Systemen zu halten sucht, und wiefern dieser Mittelweg empfelenswerth seyn könnte, wird nach der bisherigen Entwickelung leicht zu erkennen und zu beurtheilen seyn. Ich gehe nunmehr zu den Beispielen aus den Gesetzgebungen über, welche auf dem Polizei-Systeme beruhen. In den Kaiserlich-Oesterreichischen Staaten hat seit der Regierung Kaiser Josephs II.71 keine Preßfreiheit bestanden. Die politischen Stürme, welche gegen das Ende derselben ausbrachen, veranlaßten Beschränkungen, die die Zeitumstände zu fordern schienen, und nach diesen richtete sich, während der letztern so unruhigen 25 Jahren, die Regierung in bald mildern, bald schärfern Vorschriften, stets beeifert, die Schreib- und Lesefreiheit zum Vortheil wahrer Aufklärung zu leiten. Die Bücherpolizei Oesterreichs hat zwei vor71 Joseph II. (1741−1790), seit 1765 römisch-deutscher Kaiser. Vgl. NDB, Bd. 10, S. 617−622; DBE, Bd. 5, S. 365 f.; ADB, Bd. 14, S. 542−562.

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züglich zu bemerkende Eigenthümlichkeiten, indem sie, erstens, zwar als Grundlage jeder Beurtheilung einer Schrift, nur deren Gesetzmäsigkeit annimmt, aber die Strenge der Censur von Inhalt, Zweck und Güte des Werkes abhängig macht, und sodann zweitens, selbst diese Strenge wieder dadurch mildert, daß sie durch gewisse Grade der Beschränkung die Druck- und Lesefreiheit begünstigt. Eine Vorschrift des Kaisers für die Leitung des Censurwesens vom 14. September 1810, hat folgenden merkwürdigen Eingang: „Seine Majestät, un­ ablässig bemüht, das Wohl Aller und der Einzelnen auf jedem Wege zu ­be­fördern; überzeugt, daß die Verbreitung nützlicher Kenntnisse, die Vervollkommnung der Einsichten, verbunden mit der Veredlung der Gesinnungen, zu den vorzüglichsten Mitteln gehören, ersteres zu bewirken; wohl wissend, daß eine zweckmäsig geleitete Lese- und Schreibfreiheit besonders geeignet sey, diese herbeizuführen; dabei aber ganz eingedenk der obersten Regentenund Vaterpflichten, welche die intellectuelle und sittliche Bildung, wie die Sorge für den physischen Wohlstand umfassen und es eben so wenig gestatten, die Unterthanen am Geiste und Herzen, als an ihrem Körper verderben zu lassen, haben allergnädigst geruhet, folgende Grundsätze für die künftige Leitung des Censurwesens, und als Maasregeln für das Benehmen der Censoren zu bestimmen. Kein Lichtstrahl, er komme woher er wolle, soll in Hinkunft unbeachtet und unerkannt in der Monarchie bleiben, oder seiner möglich nützlichen Wirksamkeit entzogen werden, aber mit vorsichtiger Hand sollen auch Herz und Kopf der Unmündigen vor den verderblichen Ausgeburten72 einer scheußlichen Phantasie, vor dem giftigen Hauche selbstsüchtiger Verführer und vor den gefährlichen Hirngespinnsten verschrobener Köpfe gesichert werden“.73 In den Kaiserlich-Oesterreichischen Staaten besteht eine allgemeine gleichförmig eingerichtete Censur-Anstalt.74 Alle Handschriften, welche in der Oesterreichischen Monarchie gedruckt werden sollen, und alle Druckschriften, welche vom Auslande in dieselbe gebracht werden, sind der Censur unterworfen. Diese soll so schnell, als möglich, und stets mit völliger Unparteilichkeit erfolgen. Niemand darf sich selbst einen Censor wählen, noch 72 Emendiert. Vorlage: Ausgebruten. 73 Zensurvorschrift vom 14. September 1810, in: Marx, Die österreichische Zensur im Vormärz, S. 73–76, Zitat S. 73. 74 Wichtigste Behörde, die sich mit der Zensur zu befassen hatte, war die Oberste Polizei- und Zensurhofstelle in Wien, bei der die Entscheidungen der Zensoren zur endgültigen Überprüfung eingingen. Daneben gab es weitere Zentral-, Provinzial- und Lokalbehörden, die direkt oder mittelbar mit Zensurfragen beschäftigt waren. Vgl. den Überblick bei Marx, Die österreichische Zensur im Vormärz, S. 17−24, sowie Schembor, Meinungsbeeinflussung durch Zensur und Druckförderung in der Napoleonischen Zeit, bes. Kap. II und III.

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dem, den er erfährt, wegen seines Urtheils Vorwürfe machen. Wer durch einen Censur-Beschluß beschwert zu seyn glaubt, kann sich an die politische Hofstelle seines Landes wenden, und derselben die Handschrift, mit Bei­ fügung der Rechtfertigungsgründe, überreichen, welche sodann an Seine ­Majestät gutachtlich zu berichten hat. Jeder Censor kann in der Regel eine Handschrift oder ein Buch auf seine Verantwortlichkeit hinzulassen; nicht aber verbieten. Hierüber entscheidet allein die Ober-Censur-Behörde. Politische Schriften unterliegen einer besondern Prüfung. Im allgemeinen sollen keine Schriften gegen die Religion, gegen Fürst und Staat, und gegen die guten Sitten zugelassen werden. Es ist aber genau zu unterscheiden zwischen wissenschaftlichen Werken und Broschüren, Volksschriften, Unterhaltungsbüchern und den Erzeugnissen des Witzes. Wissenschaftliche Werke bezeichnet nicht der Umfang des Buches, sondern die Wichtigkeit und Beschaffenheit des Gegenstandes und die Art seiner Behandlung. Gelehrte Schriften, welche durch neue Entdeckungen, durch eine bündige und lichtvolle Darstellung, durch die Auffindung neuer Ansichten etc. sich auszeichnen, sollen mit größter Nachsicht, bloße Compilationen und Wiederholungen mit aller Strenge behandelt werden. Eben dieß gilt von Broschüren, Jugend- und Volksschriften, von Unterhaltensbüchern und andern Erzeugnissen des Witzes, welche keinen eigenthümlichen Werth haben. Insonderheit soll dem verderblichen Romanenlesen gesteuert werden. Hierunter sind aber die wenigen guten Romane nicht gemeint, welche zur Aufklärung des Verstandes und zur Veredlung des75 Herzens dienen: eben so wenig die classischen Werke der Dichter überhaupt. Was insonderheit politische Schriften betrifft; so sollen Werke, in denen die Staatsverwaltung im Ganzen oder in einzelnen Zweigen gewürdiget, Fehler und Mißgriffe aufgedeckt, Verbesserungen angedeutet, Mittel und Wege zur Erringung eines Vortheils angezeigt, vergangene Ereignisse aufgehellet werden u. s. w., ohne hinlänglichen andern Grund nicht verboten werden, wären auch die Grundsätze und Ansichten des Autors nicht jene der Staatsverwaltung. Nur müssen Schriften der Art mit Würde und Bescheidenheit, und mit Vermeidung aller eigenthümlichen und anzüglichen Personalitäten abgefaßt seyn, auch nichts sonst gegen Religion, Sitten und Staat enthalten. Dahingegen sind Schriften, welche das Interesse des Staats und der Dynastie, oder auch fremde Staatsverwaltungen angreifen, deren Tendenz dahin gehet, Mißvergnügen und Unruhe zu verbreiten, das Band zwischen Fürst und Unter­ thanen locker zu machen, die Religion zu untergraben, die Sittlichkeit zu 75 Emendiert. Vorlage: der.

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v­ erderben etc., endlich Schmähschriften aller Art nach der Strenge der be­ stehenden Vorschriften zu behandeln. Die mildernden Maasregeln, welche zum Vortheil der Schreib- und Lesefreiheit getroffen sind, beruhen hauptsächlich auf dem Unterschied, welcher zwischen dem, was verwerflich, und dem, was nur bedenklich ist, gemacht wird, und wornach, was nicht öffentlich erscheinen darf, doch im Stillen zugelassen, geduldet oder ausnahmsweise Einzelnen erlaubt wird. Das Schicksal der Handschriften bestimmen fünf einfache Formeln: 1) Non admittitur76, wenn der Inhalt der Schrift gesetzwidrig ist. 2) Typum non meretur77, wenn die Schrift durchaus schlecht ist. 3) Admittitur78, wenn nichts zu erinnern, und der Druck, mit Angabe des einländischen Druckorts, zu gestatten ist. 4) Permittitur79, wenn einiges Bedenken eintritt, und der Druck zwar erlaubt wird, aber kein Druckort, oder ein erdichteter fremder, anzugeben ist. 5) Toleratur80, wenn die Schrift zwar gedruckt und in das Bücherverzeichniß aufgenommen, aber nicht in den Zeitungen angekündigt werden darf. Dieses gilt für solche inländische Schriften, welche zwar von einem gebildeten Publikum gelesen werden können, aber nicht geeignet sind, in die Hände ungebildeter Menschen zu kommen. Für Druckschriften sind folgende vier Formeln vorgeschrieben: 1) Admittitur, Zulassung zum öffentlichen Verkauf und zur Ankündigung in den Zeitungen. 2) Transeat81, Zulassung zum öffentlichen Verkauf, ohne Ankündigung in den Zeitungen, weil die Schrift nicht ganz zum allgemeinen Umlauf, aber auch nicht zu einer strengen Beschränkung geeignet ist. 3) Erga schedam82, Verwerfung, mit Ausnahme für Geschäftsmänner und Gelehrte, weil die Anstössigkeiten das Gute und Gemeinnützige überwiegen, und die Schrift ohne Gefahr nur jenen Männern in die Hände gegeben werden kann. Sie erhalten die Erlaubniß, gegen Revers, von der Polizeihofstelle. 4) Damnatur83, der höchste Grad des Verbots, nur solchen Schriften vor­ behalten, welche den Staat, die Religion, oder die Sittlichkeit untergraben. Die Erlaubniß, solche Schriften zu lesen, ertheilt ebenfalls die Polizeihofstelle, und sie ist angewiesen, vierteljährig Seiner Majestät ein Verzeichniß der 76 Lat.: wird nicht zugelassen. 77 Lat.: verdient nicht gedruckt zu werden. 78 Lat.: wird zugelassen. 79 Lat.: es ist/wird erlaubt. 80 Lat.: wird ertragen, geduldet. 81 Lat.: es sei vergessen. 82 Lat.: gegen einen Zettel, d. h. Erlaubnisschein. 83 Lat.: wird verdammt, d. h. nicht zum Druck zugelassen.

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Personen, welchen der Art Bücher, und der Schriften, welche ihnen zuge­ standen wurden, vorzulegen. Professoren und eigentlichen Gelehrten sollen Bücher, welche in ihr Fach gehören, oder darauf Bezug haben, niemals versagt werden, sie mögen mit erga schedam oder mit damnatur bezeichnet seyn, ausgenommen, sie bestünden bloß aus Schmähungen, und wären übrigens gehaltlos. Einländische Zeitungen stehen unter einer besondern Censur, und von ausländischen wird jährlich ein Verzeichniß der erlaubten bekannt gemacht. Privat-Personen können in der Regel alle erhalten, und die Beschränkung trifft nur öffentliche Orte. Daß übrigens die Censur in den Oesterreichischen Staaten mit vieler Liberalität verwaltet wird, ist bekannt, und wohl den meisten Gliedern dieser Versammlung aus eigener Beobachtung. In dem Kaiserlich-Oesterreichischen Gesetzbuche über Verbrechen und schwere Polizei-Uebertretungen sind auch mehrere ausdrückliche Bestimmungen gegen Preß-Verbrechen und Vergehen enthalten. Besonders sind die Fälle genau bestimmt, welche in Rücksicht auf Bücher-Censur als schwere Polizei-Uebertretungen zu behandeln sind. Zu diesen werden auch die Schmähschriften gerechnet.84 In den Königlich-Preussischen Staaten ist zwar die Censurfreiheit gesetzlich nicht ausgesprochen, jedoch scheinen die älteren strengern Verordnungen im Laufe der Zeit theils ausser Uebung gekommen zu seyn, theils sind sie offenbar in der Praxis gemildert worden. Aeusserungen des Monarchen in besonderen Fällen lassen über die Absichten desselben in dieser Hinsicht keinen Zweifel übrig. Dieß beweist unter andern eine Cabinetsordre vom 20. März 179885, welche den Antrag, wegen der häufig erscheinenden Flugschriften das Censur-Edict zu erneuern, verwarf. Eine spätere Cabinetsordre billigt eine anständige, der Regierung, wie den Unterthanen nützliche Publicität. Das Censurwesen in den Preussichen Staaten beruhet daher mehr auf dem vernünftigen und billigen Ermessen der Behörden, als auf der Strenge gesetzlicher Vorschriften.

84 Vgl. Gesetzbuch über Verbrechen und schwere Polizey-Uibertretungen. Wien 1803, Zweyter Theil: Von den schweren Polizey-Uibertretungen, und dem Verfahren bey denselben, S. 21 (§ 37) u. 30−35 (§ 59−69): Verkauf, Druck oder Nachdruck von der Zensur verworfener Bücher und Kupferstiche. 85 Darin wurde der Antrag, das Zensuredikt von 1788 „wegen der häufig erscheinenden Flugschriften zu erneuern“, verworfen. Vgl. Hesse, Die Preußische Preßgesetzgebung, ihre Vergangenheit und Zukunft, Zitat S. 26; Krempel, Das Zensurrecht in Deutschland zu Ausgang des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts, S. 67 f.; Schömig, Politik und Öffentlichkeit in Preußen, S. 201.

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Die Verantwortlichkeit und Strafbarkeit wegen Preß-Verbrechen und Vergehen ist in dem allgemeinen Landrecht festgesetzt. Im 20. Titel des 2. Theils finden sich Bestimmungen über Schriften, welche die Erregung von Miß­ vergnügen gegen die Regierung bezwecken, welche die Ehrfurcht gegen den Staat verletzen, welche Injurien gegen öffentliche oder gegen Privat-Personen enthalten.86 Die Censur-Verordnungen87 im Königreich Sachsen verdienen wegen der großen Büchermesse zu Leipzig besondere Aufmerksamkeit. Ohne landesherrliche Bewilligung dürfen keine neuen Buchdruckereien errichtet werden. Ohne Censur darf nichts gedruckt werden, und einländische Buchhändler sind verbunden, auch Werke, die sie auswärts drucken lassen, einem einländischen Censor zur Censur und Genehmigung zu überreichen. Die Aufsicht über das Bücherwesen steht an allen Orten, wo Buchhandlungen und Buchdruckereien befindlich sind, zunächst den Ortsobrigkeiten zu, welche nach Beschaffenheit der Umstände an die höheren Regierungs- und Consistorial-Behörden Bericht zu erstatten haben. In Leipzig besteht jedoch wegen des bedeutenden Buchhandels, unter der Leitung des Ober-Consistoriums, eine eigene Bücher-Commission, welcher ein Bücher-Inspector untergeben ist.88 Für Schriften politisch-historisch-geographischen Inhalts, welche auf die neuern Zei[t]verhältnisse, von und mit dem Jahre 1788 an, Beziehung haben, so wie für die dahin gehörigen Aufsätze und einzelnen Stellen in andern Schriften, Journalen und Wochenblättern, ist ein politischer Censor in Leipzig bestellt. Schriften, welche in Dresden und den meisten größern Städten des Königreichs erscheinen, sind jedoch dieser Censur nicht unterworfen. Von Schriften, welche die Ehre und Gerechtsame des Landes und seines Regenten 86 Vgl. Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794. Textausgabe, 2. Teil, Tit. 20, 5. Abschnitt, § 199, S. 674 (Schmähungen des Staatsoberhaupts in Wort, Schrift und Bild) und 2. Teil, Tit. 20, 10. Abschnitt, § 572, S. 690 (Injurien). 87 Emendiert. Vorlage: Verordnnngen. 88 Die sächsische Bücherkommission in Leipzig (1569−1830) war eine landesherrliche Einrichtung, die dem Kirchenrat unterstand. Ihr oblag die Aufsicht über den Buchhandel, die Erteilung von Privilegien und deren Kontrolle sowie die Verhinderung der Verbreitung von Schriften gegen den Staat, die Religion und die guten Sitten. Sie setzte sich zusammen aus einem Professor der Universität Leipzig, der vom Kirchenrat ernannt wurde, das Direktorium und den Titel eines Bücherkommissars führte, sowie einem Vertreter des Stadtrats. Die Zensur wurde jedoch von den Fakultäten ausgeübt. Obwohl dem Kirchenrat unterstellt, zeichnete sich die Bücherkommission durch eine größere Toleranz aus, auch um den Buchhandel nicht zu behindern. Vgl. Goldfriedrich, Geschichte des Deutschen Buchhandels, Bd. 2, S. 182−201; Schaffer, Die Leipziger Bücherkommission als Zensurbehörde; Goldenbaum, Appell an das Publikum, S. 260 Anm. 240; Buttkereit, Zensur und Öffentlichkeit in Leipzig, S. 54−63; LGB2, Bd. 2, S. 3 (Artikel „Bücheraufsicht“).

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betreffen, ist das Concept sofort an die Ortsobrigkeit zu weiterer Berichtserstattung abzugeben. In Leipzig ist die Censur solcher Schriften dem Ordina­ rius der Juristen-Facultät überlassen, und dieser hat, wenn er ein erhebliches Bedenken dabei findet, an das geheime Consilium gutachtlichen Bericht zu erstatten. Die Censoren sollen ihre Aufmerksamkeit darauf richten, daß nichts gedruckt werde, was der Religion und den guten Sitten, und der Erhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung entgegensteht. Insonderheit ist, bei ei­ gener Verantwortlichkeit der Censoren, der Druck von Schmäh- und Spottschriften, so wie auch einzelner unziemenden Aeusserungen über und wider die Religion, den Landesherrn, dessen Gerechtsame und Diener, die Landesverfassung und einzelne Mitglieder des gemeinen Wesens, wie nicht weniger aller solcher Schriften und Stellen, die in den Verhältnissen des Staats zu ­auswärtigen Staaten und deren Regenten, Anstoß und Mißbelieben erregen können, endlich aller sittenverderblichen oder den öffentlichen Anstand beleidigenden Schriften nicht zu gestatten, vielmehr, wenn strafwürdige Aeusserungen dieser Art in den zur Censur gebrachten Handschriften vorkommen sollten, solches sofort der Obrigkeit anzuzeigen. Der Censor darf in einer Handschrift nichts wegstreichen, sondern muß, wenn er eine bedenkliche Stelle findet, die Schrift zurück geben, und den Druck verbieten. In zweifelhaften Fällen ist Bericht an die vorgesetzten Behörden zu erstatten. Neue, veränderte Auflagen bereits censirter Schriften, sind bloß dem Censor vorzuweisen. Ausserdem sind noch, bei Strafe von 50 Rthlr. sämmtliche zu Leipzig etablirten, so wie die, die Leipziger Messe besuchenden Buchhändler oder deren Commissionärs verbunden, vor Anfang der Messe ein Verzeichnis ihrer neuen Verlagsartikel und der während der Messe eingehenden, der BücherCommission zu übergeben. Bei gleicher Strafe sollen Leipziger Buchhändler keine Commissionen von auswärtigen Buchhandlungen übernehmen, wenn sich die Committenten nicht gehörig als Buchhändler legitimirt haben. Sie sind verbunden, der Bücher-Commission anzuzeigen, für welche auswärtige Handlungen sie Commissions- oder Speditionsgeschäfte führen, und ob und an welchem Orte dieselben ein Bücherlager haben? Auf dem Titel jeder Schrift soll in der Regel der wahre Druckort und der Name des Verlegers oder Commissionärs angezeigt werden. Jedoch ist der Verkauf auch solcher Druckschriften, bei welchen diese Vorschrift nicht beobachtet ist, unter der Bedingung nachgelassen, daß jede solche Schrift, vor dem Verkauf, der Bücher-Commission zu Leipzig vorgelegt, und bei ihr, mit Benennung des Verlegers und Druckortes, um die Erlaubniß zum Verkauf nachgesucht werde. Den Schriftstellern bleibt frei, ihre Namen anzugeben und mit abdrucken zu lassen oder nicht. Nur alsdann, wenn harte Beschuldigungen gegen andere, namentlich benannte Personen in den Schriften enthalten wären, muß der Anschuldiger sich namentlich dazu bekennen, widrigen-

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falls Censur und Druck zu versagen ist. In andern Fällen ist der Verleger oder Commissionär verbunden, der obern Behörde den Verfasser, auf Verlangen, zu nennen. Uncensirte, anstössige und censurwidrige Schriften, sollen confiscirt werden, nicht weniger diejenigen, bei welchen die Angabe des Verlegers und Druckorts fehlt, ohne daß in dieser Hinsicht die oben bemerkte Vorschrift befolgt ist. Einländische Buchhändler, so wie Inhaber von Lese-Instituten und Leihbibliotheken, müssen Bücher, welche ihnen von unbekannter Hand zum Verkauf oder Austheilen zugeschickt werden, sofort der betreffenden Obrigkeit aushändigen. Im Königreich Hannover findet keine Censur gedruckter Bücher Statt; es darf aber kein Unterthan oder Landes-Einwohner inner- oder ausserhalb des Landes etwas drucken lassen, auch kein Buchdrucker im Lande, von Fremden so wenig als von Einheimischen, etwas zu drucken übernehmen, das nicht von den verordneten Censurbehörden genehmigt ist. Die Professoren zu Göttingen sind vermöge der Privilegien der Universität censurfrei. Im Großherzogthum Baden, dessen Verfassungsurkunde im § 17 festsetzt: die Preßfreiheit wird nach den künftigen Bestimmungen der Bundesversammlung gehandhabt werden89, besteht eine Bücher-Censur-Ordnung vom90 Jahre 180491, die durch Ausführlichkeit, Genauigkeit und Vollständigkeit vielleicht einzig ist. Alle Druckschriften, welche im Lande erscheinen, oder welche ­einländische Buchhändler auswärts drucken lassen, sind der Censur unterworfen. Ausgenommen sind jedoch die auf Anordnung oder unter Leitung der Landesdicasterien herauskommenden Bücher oder Blätter, diejenigen, deren Verfasser eine General- oder Special-Dispensation von der Censur erhalten haben; endlich die Schriften der wirklichen geheimen Räthe und der öffent­ lichen Lehrer auf der hohen Schule, wenn sie ihre Namen in dem Druck beisetzen lassen. Auch sind der Censur alle Verkaufsschriften unterworfen, wenn sie auf öffentlichen Märkten feilgeboten, oder durch Leseblätter dem ge­ meinen Mann zur Kenntniß gebracht werden. Nicht weniger gehören unter die Censur alle Leseschriften, welche zum Gebrauche für Jedermann gegen Entrichtung eines Lesegeldes aufgestellt werden. Im allgemeinen soll nichts gedruckt, öffentlich verkauft oder verliehen werden, was Verspottung oder Verkleinerung der verschiedenen Religionen und Confessionen, die im Lan89 Vgl. Verfassungsurkunde für das Großherzogtum Baden, Griesbach, 22. August 1818, in: Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 1, S. 1832−1844, hier S. 1835 (§ 17). 90 Emendiert. Vorlage: von. 91 Die 1797 erlassene markgräflich-badische Zensurordnung wurde durch Verordnung vom 19. Dezember 1803 auf alle badischen Länder ausgedehnt und 1804 nachgedruckt („Kur-Badische Bücher Censur-Ordnung. Karlsruhe 1804“). Eine erhebliche Einschränkung der im Großherzogtum erscheinenden Publikationen wurde dadurch nicht bewirkt. Vgl Schimke (Bearb.), Regierungsakten des Kurfürstentums und Großherzogtums Baden 1803−1815, S. 40.

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de geduldet werden, Reitz zu sittenwidrigen Handlungen, Verachtung und Schmähung des obrigkeitlichen, geistlichen und weltlichen Regiments der großherzoglichen oder anderer Lande, Collisionen mit Nachbaren, mit Regenten, mit denen der Großherzog in Familien-Verhältnissen steht, oder mit andern auf das Wohl des Staats Einfluß habenden Gewalten − endlich Kränkung des guten Namens, nämlich des Glaubens an die sittliche und bürger­ liche Rechtschaffenheit eines bestimmten einheimischen oder fremden In­ dividui, höhern oder niedern Standes zur Folge haben würde. Indessen soll zwischen gelehrten Abhandlungen und Volksschriften ein Unterschied gemacht werden, indem in erstern manches, was in letztern nicht zu dulden ist, nachgesehen werden kann. Jene allgemeine Anweisung wird nun in Beziehung auf die verschiedenen Gegenstände genau erläutert und näher bestimmt, insonderheit in religiöser, moralischer, politischer, localer und persönlicher Hinsicht. Um nur ein Beispiel der großen Sorgfalt und Genauigkeit, welche dieses Gesetz auszeichnen, zu geben, theile ich hier die in letzterer Beziehung gegebene Anweisung mit. „In persönlicher Hinsicht, heißt es, muß darauf gesehen werden, damit keine noch lebende Person, sey es eine Obrigkeit, ein Staatsdiener oder ein Privatmann, unter keinerlei Form, weder mit Nennung ihres Namens, noch mit einer ohne Benennung sie kenntlich machenden Charakterzeichnung, durch Verbreitung sittenwidriger oder staatswidriger Gesinnungen, Aeusserungen oder Handlungen derselben, an ihrer Ehre und guten Leumuth angetastet werde, es mögen nun auch solcherlei Umstände für wahr und erweislich, oder unwahr und unerweislich allenfalls zu achten seyn, indem auch im ersten Fall Niemanden zusteht, ausser dem befugten Gebrauch solcher Kenntnisse zur Anzeige bei gehöriger Obrigkeit, den unbefugten ­Gebrauch einer allgemeinen Verläumdung der berüchtigten Person davon zu machen, wie dann eben darum auch keinerlei Absicht oder Entschuldigung dagegen gehört oder zugelassen werden soll, den einzigen Fall ausgenommen, da der Verfasser in einer von dem andern durch öffentliche nachtheilige Ausstreuungen veranlaßten Nothwendigkeit eigener öffentlichen Ehrenrettung sich befände, welche in gebührender Mäsigung zu suchen Niemand abgeschnitten seyn soll, nur daß alsdann der Verfasser auf der Schrift sich nothwendig nennen muß. Gleiche Strenge darf jedoch in Anwendung auf die Geschichte und Lebensläufe verstorbener Personen nicht angewendet werden; sondern gleichwie die Würdigung ihrer Handlungen vor dem Sitten­ gericht des Nachruhms, zum Muster der Nachfolge, oder zur Warnung des Leichtsinns, ein Grundpfeiler der Moralität der menschlichen Gesellschaft ist; so können hierinnen widrige Urtheile des Verfassers nur dann eine Note der Censur nach sich ziehen, wenn sie mit sittenwidriger Einkleidung, mit verächtlichen Hinweisungen auf deren noch lebende Nachkommenschaft, oder mit der deutlich an den Tag gegebenen Absicht, irgend einen Lebenden damit

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zu kränken, verfaßt wären, oder wenn ausser diesem die locale Hinsicht h­ inzuträte, warum das billige Verlangen zu hegen wäre, daß solche freie Beurtheilung wenigstens nicht im Lande durch den Druck der Publicität übergeben werde“.92 Nicht minder genau ist die Form bestimmt, welche in Nach­ suchung und Ertheilung der Censurverfügungen zu beobachten ist. Nur dann, wenn der die Schrift bestimmende Haupt-Inhalt oder die durch die Haupttheile des Buchs hin sich ziehende Anlage der Ausführung eines etwa in sich selbst unverfänglichen Inhalts, censurordnungswidrig ist, soll die Druckerlaubniß abgeschlagen werden; trifft jene Widrigkeit nur einzelne Stellen; so müssen diese, wenn der Inhalt unpassirlich wäre, schlechterdings so weit weggestrichen werden, als nöthig ist, jedoch mit der Vorsorge, daß das Durchstrichene leserlich bleibe, und das Vorhergehende mit dem Nachfolgenden wieder ordentlich zusammengehängt werde. Ist es nur die Einkleidung, die unpassirlich ist; so wird die dafür zu substituirende Aenderung beigesetzt. Letzteres ist auch der einzige Fall, wo ein Censor etwas von dem Seinigen in die Schrift tragen darf, welches sich jedoch genau in den Schranken der Verbesserung unpassirlicher Ausdrücke halten muß; eigene Gedanken über die Sache darf er nie hineintragen, nie also den Verfasser zu meistern und seine Arbeit zu verbessern unternehmen, nie auch wegen seiner andern Ansicht der Materie, die abgehandelt ist, eine Druckerlaubniß versagen; kurz, nie auf ­Beurtheilung der Wahrheit und Unwahrheit, Schicklichkeit oder Unschicklichkeit93, sondern allein auf die durch obige Regeln bestimmte Schädlichkeit oder Unschädlichkeit der Ausführung sich einlassen. Endlich sind auch wegen Beschwerden über die Censur und wegen Verantwortlichkeit der Censoren ausführliche Vorschriften ertheilt. Im Herzogthum Braunschweig ist durch eine Verordnung vom 28. März 1814 die Preßfreiheit in Ansehung bestimmter Gegenstände eingeschränkt worden.94 Politische Zeitungen und Intelligenzblätter dürfen ohne vorgängige landesherrliche Erlaubniß und Vorschrift wegen der Censur, im Herzog­thum nicht gedruckt werden. Ausserdem sind der Censur unterworfen, 1) alle ­Bücher und Schriften über Gegenstände der Religion und Gottesverehrung, 2) alle dergleichen, welche politischen Inhalts sind, 3) alle Romane, Gedichte und Liedersammlungen, 4) alle Kalender und Almanache, 5) alle einzelnen Lieder, Gedichte, Pamphlets und Broschüren, so wie 6) alle zum öffentlichen Anschlage, oder zum Vertheilen im Publico bestimmten Aufsätze, diese mögen schriftlich oder gedruckt bekannt gemacht werden sollen. Alle übrigen 92 Kur-Badische Bücher Censur-Ordnung. Karlsruhe 1804, S. 21−23. 93 Emendiert. Vorlage: Unschicklichkert. 94 Verordnung, die Censur der Druckschriften betreffend, Braunschweig, 28. März 1814, in: Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 3, S. 673−676.

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Bücher und Schriften dürfen ohne vorgängige Censur gedruckt und verkauft werden; für den Inhalt bleibt der Verfasser, oder, wenn sich dieser nicht genannt hat, der Buchdrucker verantwortlich. Einer von beiden muß sich daher nennen, oder es muß, wenn aus besondern Gründen beide sich nicht zu nennen wünschen, Name und Wohnort des Verfassers und Druckers, oder aber des Verlegers, wenn dieser die Verantwortlichkeit für sie übernehmen will, dem geheimen Raths-Collegium bestimmt angezeigt werden. Die Censurbehörden haben im Allgemeinen dahin zu sehen, daß keine Bücher und Schriften in Umlauf kommen, welche der dem Regenten und den ihm befreundeten Mächten schuldigen Ehrerbietung, der öffentlichen Ruhe, der den verschiedenen Religionen schuldigen Achtung, oder den guten Sitten zuwider sind, oder auch bloß persönliche Verunglimpfungen der Staatsdiener, oder anderer Landeseinwohner, zum Zwecke haben. Wäre ein Censor zweifelhaft, ob der Abdruck eines Werkes gestattet werden könne, oder nicht, so hat er deßhalb von dem geheimen Raths-Collegio sich Verhaltungsmaße zu erbitten. Würde ein Censor einer Schrift die Bewilligung zum Drucke ertheilen, welche nach obstehenden Vorschriften nicht hätte genehmigt werden sollen; so bleibt zwar der Drucker, Verleger oder Schriftsteller von Verantwortlichkeit in dieser Hinsicht, so fern nicht etwa Jemand Privatgenugthuung zu fordern berechtigt wäre, frei; die Regierung behält sich aber vor, den Censor deßhalb, dem Befinden nach, zur Verantwortung zu ziehen. Findet der Censor die Schrift an sich zulässig, jedoch daß darin einzelne Ausdrücke oder Sätze einer Abänderung bedürfen; so hat er diese dem Verfasser bemerklich zu machen, und erst nach erfolgter Abänderung die Erlaubniß zum Drucke zu ertheilen. Würde der Schriftsteller oder Drucker sich die von dem Censor verlangten Abän­ derungen nicht gefallen lassen wollen, oder auch sich durch die versagte ­Erlaubniß zum Druck einer Schrift beschwert erachtet; so bleibt ihnen eine Vorstellung dagegen bei dem geheimen Raths-Collegio offen, bei dessen ­Entscheidung aber hat es sein endliches Verbleiben. Die bisherige Darstellung umfaßt die hierher mitgetheilten Gesetze und Anordnungen in Ansehung des Gebrauchs der Presse in Deutschland. Ich habe mich bemühet, insonderheit ihre Eigenthümlichkeiten bemerklich zu machen, und es ist der Aufmerksamkeit dieser hohen Versammlung gewiß nicht entgangen, daß, unter der Leitung des einen, wie des andern Systems, bisweilen sehr verschiedene Wege zu demselben Ziele eingeschlagen werden. Die deutschen Reichsgesetze enthielten in Ansehung der Bücherpolizei folgende Vorschriften: Alle zum Druck bestimmten Schriften sind der Censur unterworfen; jede Landesherrschaft läßt diese besorgen, und es sollen keine Schriften zum Drucke zugelassen werden, welche gegen Religion, gute Sitten

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und bestehende Staatsverfassung gerichtet sind, oder Lästerungen enthalten, oder Störung der öffentlichen Ruhe, insonderheit der Harmonie zwischen den Reichsreligionen, zur Absicht haben. Kommen gleichwohl Bücher dieser Art zum Vorschein; so sollen sie von der Landesregierung sogleich unterdrückt und confiscirt, auch Verfasser, Verleger, Drucker und Verkäufer, nach den Umständen, hart bestraft werden. Ueberdieß sollen, um die Befolgung und Vollziehung jener Vorschriften zu erleichtern, Druckereien bloß in landesherrlichen Residenz-Orten, oder auf Universitäten und in Reichsstädten angelegt, auch nur solche Personen zu Buchdruckern zugelassen werden, die dazu von ihrer Obrigkeit tauglich befunden, und darauf beeidigt sind, sich in Rücksicht der zu druckenden Bücher ganz den Reichsgesetzen gemäß zu betragen. ­Ueberdieß sollten die Bücher jedesmal mit dem Namen des Verfassers, Verlegers, Druckers und Druckorts versehen seyn. Den Landesregierungen war es zur Pflicht gemacht, auf die genaue Befolgung dieser Vorschriften streng zu halten und nicht nur machten die Gesetze sie deßhalb gegen Kaiser und Reich verantwortlich, sondern sie verstatteten auch der Reichspolizei, im Falle einer Nachlässigkeit der Landesobrigkeiten, unmittelbar selbst einzuschreiten. Dem ungeachtet wurden, wie ich bereits bemerkt habe, jene Reichsgesetze nicht in allen Reichslanden befolgt, vielmehr hielten verschiedene Reichsstände sich vermöge der Lan[des]polizei berechtigt, in Ansehung des literarischen Verkehrs diejenigen Verordnungen zu erlassen, welche sie für zweckmäsig erkannten, und so ist die Verschiedenheit schon in der alten Verfassung begründet worden, welche wir in der neuen gefunden haben. Jene hatte sich ohnehin nach und nach der Form eines Staatenbundes genähert, welche jetzt gesetzmäsig ist, und unter diesen Umständen erhält allerdings die Aufgabe gleichförmiger Verfügungen über die Preßfreiheit eine eigene Ansicht, welche, wie mir däucht, der von dem Freiherrn von Drais dieser hohen Versammlung überreichten Erörterung der Frage: Wie viel über Preßfreiheit auf dem deutschen Bundestage zu bestimmen wäre?95 einen besondern Werth giebt. Zwar fordert die Bundesacte die Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die Preßfreiheit: allein sie spricht damit nicht aus, daß in allen Bundesstaaten die Gesetzgebung über die Presse durchaus gleichförmig seyn soll. Nach dieser Ansicht hat der Freiherr von Drais dasjenige abgesondert, was gemeinsam zu beschliessen, und was jedem Bundesstaat zur besondern Gesetzgebung anheimzustellen wäre. Jenes hat er, nach vorgängiger Entwickelung der Gründe, in wenigen Sätzen zusammengefaßt, dieses nur angedeutet, um die Grenze des Gemeinsamen und des Besondern desto deutlicher zu ­bezeichnen. Aus dem Ganzen geht folgendes System hervor: Die Preßund Lesefreiheit sey Regel. Keine Censur von Schriften, deren Verfasser, 95 Vgl. oben Anm. 5.

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oder Verleger, oder Drucker sich nennen, finde Statt, weder vor, noch nach dem Druck; wohl aber Aufsicht über den literarischen Verkehr durch wohlgeordnete Bücher-Commissionen. Die Gesetzgebung unterscheide Preßverbrechen und polizeiliche Vergehen; bestimme deren Strafbarkeit und die Verbindlichkeit zum Schadensersatz; setze die Verantwortlichkeit der verschiedenen an dem literarischen Verkehre theilhabenden Personen fest, verordne, was vor die Gerichte und was vor die Polizei gehören soll; schreibe die Verfahrungsart und Instanzen-Ordnung vor; bezeichne die Grenzen polizeilicher Bücherverbote mit möglichster Schonung der Schriftsteller und Buchhändler; halte den Schriftenverkehr durch zweckmäsige Vorschriften für alle dazu Berechtigten, insonderheit für die zu einer Zeitschrift Pri­ vilegirten, in Ordnung. Auch für Zeitschriften aller Art, für Zeitungen, ­Journale, Flugblätter, und überhaupt für Volksschriften gelte völlige Censurfreiheit. Aber man unterscheide aus­ serordentliche Zeitläufe von den ­gewöhnlichen, und für jene werde verfügt, daß kein Manuscript, oder wenigstens keines zu einer Zeit- und Flugschrift, ohne Staats-Vidit96 in die Druckerei gelangen dürfe. Die Regierung aber mache in solchen Fällen bekannt, aus welchen Gründen und auf welche Beweise hin sie vorgeschritten sey und auf welche – allemal eng zu beschränkende Zeit die Preßfreihei[t]sacte zu unterbrechen seyn werde? Dem Zweck der Aufsicht wird die Verpflichtung der Verleger oder Verkäufer zur Anzeige neuer Schriften bei der Polizeibehörde, jedoch ohne daß damit eine Hemmung des Debits verbunden sey, für angemessen gehalten. Die Bücher-Commissionen, zusammengesetzt aus aufgeklärten, angesehenen und nicht ängstlichen Männern, sollen selbst keine Polizeigewalt haben, sondern nur ihre Bedenken der Behörde zur weitern Entschliessung anzeigen. Die ­Polizei soll aber auch ohne ihr Gutachten nicht verfahren. Ihr Geschäftskreis sollte bestehen 1) in sorgsamer Durchgehung der Consignationen97, die die Buchhandlungen, Druckereien, Leih-Bibliotheken, u. s. w. eingeben müssen, verbunden mit der Unterhaltung anderer und näherer literarischen Notizen, besonders aus Literatur-Zeitungen, aus den in öffentlichen Lesezirkeln aufgelegten politischen Zeitungen, Journalen und sonstigen Flugblättern – als das Mittel, um jene Consignationen zu verstehen; 2) in Einforderung derjenigen einzelnen Schriften, die verdächtig scheinen, von dem handelnden Personal, und in näherer Durchsicht derselben sowohl, als derjenigen, über welche die Polizei von der Bücher-Commission etwa aufgerufen wird; 3) ausnahmsweise in der nicht zu umgehenden Censur folgender Manuscripte: 96 Vidit (lat.): ich habe es gesehen, d. h. Sichtvermerk (durch die Zensurbehörde). 97 Konsignation: Deponierung von Gütern bei einem anderen (Konsignatär), damit dieser sie gegen eine Provision für Rechnung des Besitzers verkaufe, d. h. ein Verkaufskommissionsgeschäft. Vgl. Pierer’s Universal-Lexikon, Bd. 4, S. 372 f.

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a) von solchen, die, ohne den Namen der Druckofficin, erst herausgegeben werden sollen, oder b) die von Schriftstellern, Verlegern, Druckern, welche der Preßfreiheit entwürdigt worden sind, ausgehen; c) von Schriften, worin Landesnachrichten aus Acten, aus Amtsverfahren, oder sogar Staatsgeheimnisse (z. B. etwas über die Construirung der Festungen eines deutschen Landes, oder über vorwaltende Staats-Negociationen) publik gemacht werden wollten; d) von Schriften, um deren Prüfung der künftige Herausgeber selbst ansucht. Als Strafe gegen solche, welche sich wiederholter Preßvergehen schuldig machen, wird insonderheit die Unterwerfung unter die Censur vorgeschlagen. Der Freiherr von Drais ist nun der Meinung, daß folgende gleichförmige Bestimmungen über Preßfreiheit in dem deutschen Bunde genügen würden: I. Preßfreiheit für alle Schriften, auf deren Titel, wo nicht der Autor, Redacteur oder Verleger – doch der deutsche Drucker, mit wahrem Namen steht; so fern nicht die Einzelnen dieser Personen schon durch vorangegangenes Urtheil und Recht der Preßfreiheit unwürdig erklärt worden sind. II. Freiheit der Ein- und Ausfuhr (auch Zollfreiheit) aller noch im Staate unverbotenen Schriften, durch die etablirten Buchhandlungen, sofort des in- und ausländischen Bücherdebits, ohne erst eine Lese-Censur abzuwarten, so lange nicht die Polizei, nach gesetzlichen Regeln, in einzelnen Fällen, inhibirt, oder von einer gänzlich anonymen Schrift, die nicht einmal die Druckofficin nennt, die Rede ist. III. Jedes Bundesstaates Anerkennung der, einem andern Bundesstaat oder dessen Angehörigen durch Publicität widerfahrenden Beleidigung, Beschädigung oder Gefahr, als wäre sie erstem selbst eigen. IV. Gesetzlich erklärte, nächste Haftung des Redacteurs, wie des Autors oder Correspondenten, für Strafe und Schadensgefahr aus einem Publicitätsvergehen, und zwar eines jeden derselben für das Ganze (in solidum) durch alle deutsche Bundesstaaten. V. Subsidiarisch-successive Haftung des Verlegers und des Druckers für den Schrifturheber, in Geldbüssungen. Das rechtliche Verhältniß der Verantwortlichkeit, worauf sich die beiden vorhergehenden Paragraphen beziehen, ist ausführlich und gründlich erörtert. VI. Das Forum und die Gesetze des Domicils bleiben die Regel; Ausnahme des Fori deprehensionis98 in Verbrechensfällen mit den nöthigen besondern Bestimmungen. 98 Forum deprehensionis (lat.): Gerichtsstand der Ergreifung (bei strafbaren Handlungen). Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 125.

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In dieser Hinsicht hält nämlich der Freiherr von Drais ein Einverständniß aller Bundesstaaten über folgende Grundsätze für nöthig: 1) Wenn Jemand, der durch Publicität im Druck oder auf ähnlichem Wege (z. B. durch multi­plicirt-ausgestreute Handschriften, durch Abbildungen etc.) sich verbrecherisch vergangen zu haben scheint, irgendwo ergriffen wird; so ist die deprehendirende99 Obrigkeit allemal competent, ihn vorerst für die Information vor Gericht zu ziehen, um zu prüfen und zu erkennen: ob der Thatbestand eines begangenen Verbrechens überhaupt, und die That des Beschuldigten besonders, so weit im Verdacht begründet sind, um nach den Regeln des Criminalprocesses weiter voran zu schrei­ten? 2) Im Bejahungsfall wird, neben dem unaufgehaltenen Fortgang der Procedur, dem Gouvernement, unter welches der Beschuldigte gehört, zugeschrieben, und dem natürlichen Richter die Auslieferung des Mannes und Processes, so weit dieser geführt ist, gegen Kostenersatz angeboten. 3) An den beleidigten Staat geht dieses Anerbieten nicht; wenn aber er selbst den deprehendirenden sowohl, als den Heimath-Staat des Verbrechers um dessen Auslieferung ersuchen sollte: so bleibt es bei dem Vorzug des ­letzterwähnten Staates, wenn er das natürliche Recht auf seinen Unterthan geltend machen will. Wenn er ihn aber Preis giebt; so steht es bei dem ­Gouvernement, das den Verbrecher besitzt, ob es selbst über ihn vollends ­erkennen, oder ihn ausliefern will. 4) Jeder Regent läßt nach seinen Landesgesetzen procediren. 5) Jeder nach seinen Landesgesetzen sprechen. 6) In dem Lande, wo das Erkenntniß erster Instanz gegeben ist, hat auch die Beschwerden-Instanz Statt. 7) Doch ist das Gutbefinden des erkennenden Richters nicht ausgeschlossen, wenn er einen einschlagenden Civilpunct, der mit noch mehreren ­Regreßverhältnissen verwickelt seyn könnte, trennbar findet, und zu ge­ sondertem Rechtsauftrag vor des Beklagten natürlichen Richter verweisen will. 8) Wer erkennt, läßt auch selbst, so viel er kann, an dem Schuldigen vollstrecken. Wenn er aber – z. B. über den Punct der Geldentrichtungen und Ersatzschuldigkeiten – den Vorzug seines Urtheils bei demjenigen Staate requirirt, in welchem der Schuldige bemittelt ist; so wird, ohne neue Untersuchung des Materials des gefällten Urtheils, dasselbe im andern Bundesland geehrt und vollzogen. 99 Deprehendieren (von lat. deprehendere): ergreifen, ertappen. Vgl. Heyse, Allgemeines Fremdwörterbuch, S. 181.

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9) Aber auch das Recht eines Verurtheilten wäre allgemein anzuerkennen, daß er Abschrift der ganzen Proceßacten, sammt Entscheidungsgründen, auf seine Kosten verlangen, und dieselben, so fern nicht neue Frevel der Publicität damit begangen werden, der Welt vorlegen kann. 10) Die Bundesstaaten versprechen sich wechselseitig, diese Gegenstände, der dadurch in Ordnung zu haltenden deutschen Preßfreiheit, mit möglichst geförderten Gerechtigkeitsleistung zu handhaben, und zwar nicht nur in den schweren Criminalfällen, sondern auch in den, ihrer Frequenz und Verbreitung wegen, nicht minder wichtigen policeilichen Thätigungen. VII. Setzung eines Kalendertags für die allendhalben anfangende Wirkung dieses Bundesabschlusses, und für die Beendigung aller etwa entgegenstehenden Berechtigungen, deren Ausgleichung den einzelnen Regierungen anheimgestellt und empfohlen wird, so fern sie je noch passend wäre. Da der Freiherr von Drais besorgt, daß in einem oder dem andern Bundesstaate Privilegien oder Commissionen für Druckschriften ertheilt seyn möchten, welche sich mit den vorgeschlagenen Grundsätzen nicht vereinbaren ­ließen; so glaubt er, daß dieselben durch zweckmäsige Verfügungen damit in Einklang zu bringen wären. Mehr, als was diese sieben Sätze enthalten, scheint dem Freiherrn von Drais im allgemeinen und für die Gesammtheit des Bundes nicht nöthig. Wie nun auch hierüber künftig das Urtheil dieser hohen Versammlung ausfallen mag: immer wird diese Vorarbeit sehr verdienstlich seyn. Ich schlage daher vor, dem Freiherrn von Drais den Dank der Versammlung zu bezeugen, und ihm zu überlassen, seinen beachtungswerthen Aufsatz durch den Druck dem Publikum mitzutheilen. Auch den Professor Krug halte ich dieses Dankes werth. Der weniger practische Aufsatz des Professors Hillebrand verdient als eine eifrige und beredte Vertheidigung der Preßfreiheit beachtet und in das Verzeichniß der Schriften, welche mit Beifall aufgenommen sind, eingetragen zu werden.100 von Berg

100 In der Vorlage folgt auf S. 646 ein hier nicht abgedrucktes Inhaltsverzeichnis.

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195. Martens an Prinzregent Georg von Großbritannien und Hannover

HStA Hannover, Hann. 92, Nr. 1437, fol. 20−20’ (a) und 22–32’ (b). a) Bericht. Behändigte Ausfertigung; b) Denkschrift. Behändigte Reinschrift.

[a) Bericht] Angesichts des baldigen Zusammentretens der Kommission über die Pressefreiheit, der er selbst angehört, übersendet Martens seine Privatgedanken über diesen Gegenstand mit der Bitte um Erteilung diesbezüglicher Instruktionen.

Preßfreiheit und Nachdruck.



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Postscriptum. Durchlauchtigster Prinz Regent Gnädigster Fürst und Herr! Hat die Erwägung, daß wahrscheinlich bald nach eröfneten Sitzungen die Commission in Betreff der Preßfreiheit zusammen treten dürfte, mich veranlaßt, meine Privat-Gedanken über diesen Gegenstand schriftlich zu verfassen, und erlaube ich mir selbige beigehend zu überreichen, um im Fall darinn ein oder das andere mit Eurer Königlichen Hoheit Absichten nicht übereinstimmen sollte, mir darüber ehrerbietigst eine Belehrung zu erbitten, wie wohl es sich von selbst versteht, daß selbst das von der Commission abzufassende Gutachten noch erst der Genehmigung der Höfe unterliegt. Die Commission zu Vorschlägen über die Sicherung der Presse gegen Nachdruck hat, da sie blos aus Hr. von Berkheim1, von Berg und mir besteht, in den Ferien fortarbeiten können, und wird daher in Kurzem ein Gutachten2 desfalls vorlegen können. Ich beharre ut in relatione humillima3 Martens 1 Karl Christian Freiherr von Berckheim (1774–1849), badischer Staatsmann, Studium der Rechte in Erlangen und Freiburg, 1797 Eintritt in badische Dienste, 1800 Hofratsassessor, 1801 Kammerherr, 1802 Hofrat, 1803 Geheimer Hofrat, 1806 Oberhofmeister der verwitweten Markgräfin Amalie und Geheimer Rat, 1812 Staatsminister und Mitglied des Staatsrats, 1813 Innenminister, Ende November 1814 bis Mitte Mai 1815 Bevollmächtigter auf dem Wiener Kongreß, 1817 Bundestagsgesandter in Frankfurt, 1821 Innenminister, 1831 Großhofmeister. Vgl. NDB, Bd. 2, S. 66 f.; DBE, Bd. 1, S. 435; DBA I, 83, 200–203 u. 1424, 338; Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder, Bd. 3, S. 13; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815−1963, S. 18 u. 22; Schreib- und Geschäfts-Kalender für die Deutsche Bundes-Canzlei 38, 1864, S. 152 f. 2 Dok. 196. 3 Lat.: wie in dem untertänigsten Bericht.

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[b) Anlage: Martens’ „Gedanken über die Pressefreiheit“] Selbst die Verteidiger der Pressefreiheit erkennen, daß sie des Mißbrauchs fähig ist und dieser verhindert werden müsse, während die Verfechter einer Beschränkung der Presse anerkennen, daß diese nicht weiter getrieben werden darf, als es das Beste des Staates erfordert, und über diese Grenze hinaus jede Beschränkung der natürlichen Freiheit, seine Gedanken über die Presse dem Publikum mitzuteilen, ein Übel sei. Meinungsverschiedenheiten kann es nur darüber geben: 1. wo ist die Grenze, an welcher der Mißbrauch der Presse anfängt; 2. durch welche Mittel ist dieser Mißbrauch abzuwenden. Grundsätzlich ist jedermann befugt, eine Schrift zu publizieren, solange weder die Religion, die guten Sitten, noch der Staat oder ein Privatmann verletzt werden. Auflistung möglicher Verletzungen. Mögliche Wege zur Abwendung dieser Mißbräuche: 1. Bestrafung nach der Publikation auf richterlichem Wege; 2. vorbeugende Zensur aller Schriften oder doch einiger Gattungen. Ersteres ist dem zweiten vorzuziehen, da Pressefreiheit eine große Wohltat und Bedingung des Fortschreitens der Kultur eines Landes ist; außerdem stellt sie eines der wirksamsten Mittel dar, um Mißbräuchen der Staatsgewalt vorzubeugen. Gründe, die dem ersten Weg entgegenstehen und für eine der Publikation vorausgehende Aufsicht in möglichst schonenden Formen und damit auch gegen einen Gerichtshof und für eine Verwaltungsbehörde zur Ahndung von Verstößen gegen die Pressefreiheit sprechen. Ablehnung allgemeiner Bundeszensuranstalten und Befürwortung gemeinsamer Verabredungen unter den Bundesstaaten. Unterbreitung von Vorschlägen zur Sicherung der Pressefreiheit und zur Beschränkung der Zensur politischer Schriften: 1. hinsichtlich zu treffender allgemeiner Verabredungen unter den Bundesstaaten; 2. hinsichtlich der in jedem Bundesstaat zu erlassenden Verfügungen.

Gedanken über die Preßfreyheit. Die eifrigsten Vertheidiger der Preßfreyheit erkennen es, daß sie eines Mißbrauchs fähig sey und dieser verhindert werden müsse. Und die besorgtesten Verfechter der Beschränkung der Preße erkennen es, daß diese nicht weiter getrieben werden muß, als das wohlverstandene Beste des Staats es erfordert, und über diese Grenze hinaus jede Beschränkung der natürlichen Freyheit, seine Gedanken durch den Weg der Preße dem Publicum mitzutheilen, ein Uebel sey. Nur darüber kann eine Verschiedenheit der Meinungen seyn: 1. wo ist die Grenze an welcher der Mißbrauch der Preße anfängt; 2. durch welche Mittel ist dieser Mißbrauch abzuwenden. Was den ersten Punct anbetrift, so ist zu Lösung dieser schwierigen Frage im allgemeinen und noch ohne Rücksicht auf besondere Zeitumstände, wohl soviel als unbestritten anzunehmen, daß, so lange eine Schrift weder die Religion noch die guten Sitten, noch den Staat, noch einen Privatmann verletzt, ihre Bekanntmachung keiner Beschränkung zu unterwerfen sey, gesetzt auch, daß sie irrige Urtheile oder falsche oder unerwiesene Thathandlungen enthalte.

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Daß hingegen niemand im Staat ohne Mißbrauch des Rechts, der natürlichen Freiheit befugt seyn könne, Schriften dem Publicum durch die Preße mitzutheilen, die entweder 1. Gott oder die Religion beleidigen oder 2. die guten Sitten verletzen, oder 3. den Staat oder 4. Privatpersonen verletzen; und daß bey Schriften dieser Art die Absicht in welcher der Verfasser sie publicirt, nicht oder nicht allein entscheiden kann, vielmehr bey der Beschränkung der Freiheit mehr auf die Folgen welche von der Schrift zu besorgen sind, als auf die Imputabilität des Verfassers zu sehn ist. Allein die Schwierigkeit beruhet in der näheren Entwickelung dessen was unter einer solchen Verletzung zu verstehn ist und dahin dürften in Beziehung auf Preßfreiheit nur zu rechnen seyn: 1. soviel Gott und die Religion betrifft, solche Schriften in welchen entweder a) die Existenz eines höchsten Wesens abgeläugnet; b) daßelbe verlästert und Begriffe von seinen Eigenschaften gemacht werden, welche mit denen im Widerspruch stehn, die ihm einstimmig nach den Grundbegriffen aller positiven christlichen Religionen beigelegt werden; c) irgend eine der bestehenden positiven Religionen (nicht etwa blos in Ansehung ihrer Grundsätze geprüft und diese beleuchtet werden, welches nichts verwerfliches enthalten kann) sondern mit Verachtung oder Verspottung behandelt; und daher den Bekennern derselben ein Aergerniß gegeben wird. 2. so viel die guten Sitten angeht, diejenigen Schriften, in welchen entweder a) Grundsätze aufgestellt werden, wodurch das Laster in Schutz genommen oder der Werth der Tugend herabgesetzt wird; b) durch unzüchtige Erzählungen oder wollüstige Bilder und Schilderungen wodurch die Einbildungskraft erregt und zum Laster angereizt wird. 3. soviel die Verletzungen gegen den Staat anbetrift, so dürften dahin nur ­diejenigen Schriften zu rechnen seyn, worinn a) die Unterthanen überhaupt oder einzelne Classen derselben zum Aufruhr gegen ihre rechtmäßige Obrigkeit aufgefordert, b) die der Person des Regenten eines jeden Staats und den Mitgliedern ­seiner Familien gebührende Ehrerbietung verletzt oder c) den von ihm ernannten Staatsbeamten in Führung ihres Amts unwahre oder unerweißliche Beschuldigungen in Schriften gemacht werden, welche nicht blos für die Behörde bestimmt sind, welche nach der Verfassung des Landes über selbige zu richten hat, diese Staatsbeamte mö-

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gen übrigens von dem Verfasser mit Nahmen genannt oder so bezeichnet seyn, daß darüber kein Zweifel bleibt. d) die bestehende Verfassung und Verwaltung nicht blos aus allgemeinen Gründen über die Vortheile und Nachtheile derselben (als worüber einem jeden öffentlich zu urtheilen frey gelassen werden muß) sondern auf den Grund wahrheitswidriger Thathandlungen getadelt und in den Augen anderer herabgesezt wird. 4. so viel die Verletzungen von Privatpersonen als solchen betrifft, so ist der Begriff derselben aus der allgemeinen Theorie der Injurien und der darüber in jedem Staat bestehenden Gesetzgebung festzusetzen. Was sodann II. die Mittel zu Abwendung dieser Mißbräuche anbetrifft, so kommen zwar wohl alle darin überein, daß sie hinreichen müssen, um nicht nur jeden Staat und dessen Mitglieder, sondern auch fremde Staaten und deren Unterthanen gegen solche Mißbräuche sicher zu stellen; allein die Hauptverschiedenheit der Meinungen äussert sich darinn, daß 1. einige für hinreichend erachten, wenn nach der Publikation, derjenige, der sich eine strafbare Verletzung zu Schulden [hat] kommen lassen, dafür auf angemessene Weise in richterlichem Wege gestraft werde, und daß nur um die Möglichkeit dieser Bestrafung zu sichern, der Verfasser sich nennen oder der Buchdrucker oder Verleger unter eigener Verantwortlichkeit ihn nahmhaft zu machen angehalten werden müste; wohingegen 2. andere dafür halten, daß, um dem Uebel vorzubeugen ehe es durch ­Publication der Schrift eingetreten ist, vorsorgliche Maaßregeln ergriffen und alle Schriften oder doch gewisse Gattungen derselben, erst einer Censur ­unterworfen werden müssen, ehe sie gedruckt oder doch verkauft werden dürfen. Daß der erstere dieser beyden Wege dann vorzuziehn seye, wenn sich erweißlich durch denselben der Zweck erreichen lasse, ist wohl wenig zweifelhaft, wenn man überzeugt4 ist, daß die Preßfreiheit an sich selbst eine große Wohlthat und selbst die Bedingung des Fortschreitens der Cultur eines Landes und eines der wirksamsten Mittel sey, um manchen Mißbräuchen der Staatsgewalt vorzubeugen oder abzuhelfen, jede Beschränkung derselben also für sich betrachtet ein Uebel sey, das nur durch die Nothwendigkeit gerechtfertiget werden kann, und jede Art der, vor der Publication hergehenden Censur, indem sie die Publikation lästigen Formen unterwirft, und die Möglichkeit der Unterdrückung von Schriften herbey führt, deren Bekanntwerdung wünschenswerth oder unschädlich wäre, die Preßfreyheit mehr be4 Emendiert. Vorlage: überzeigt.

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schränkt als wenn der Verfasser blos hinterher seine Schrift in richterlicher Form verantwortlich gemacht wird. Allein der Zulänglichkeit des ersteren Weges steht folgendes entgegen: 1. daß hier dem Uebel erst dann entgegen gewirkt wird, wenn es schon geschehn ist, und durch keine Art der Strafe das schon gestiftete Uebel wieder ungeschehen gemacht werden kann, so wie auch durch keine Art der Wider­ legung der einmal gemachte Eindruck völlig gehoben werden kann; 2. daß das Verbot schon erschienener Druckschriften gemeiniglich nur ihre Verbreitung unter der Hand vermehrt und den Werth der auf selbige gelegt wird erhöhet, die Confiscation derselben aber selten vollständig bewürkt werden kann; 3. daß die gerichtliche Verfolgung eines Schriftstellers vor seinen Landesgerichten, fremden Regierungen nicht zugemuthet werden kann; 4. daß es kaum möglich ist, durch allgemeine Gesetzgebungen den Gerichten Normen vorzuschreiben, die nicht entweder zu enge wären um in allen Zeiten ohne übertriebenen Zwang gelten zu können, oder zu weit um zu gewissen Zeiten als hinreichend angesehn zu werden und nicht den Parteyen, so wie den nach dem Buchstaben der Gesetze verfahrenden Gerichten Anlaß zu geben eine wohl verdiente Bestrafung zu umgehn; 5. daß bey dem unläugbar großen Hang des Publikums und besonders vieler Gerichte zu einer ausgedehnten Preßfreyheit und bey der Mannigfaltigkeit der Gerichte welche als ordentliche Behörde des Beklagten darüber zu erkennen haben würden, nicht nur sehr auffallende Verschiedenheiten und Widersprüche in den Erkenntnissen der Tribunale zu besorgen stehn, sondern eine weit größere Zahl von Individuen straflos ausgehn würden, als es der Zweck der Erhaltung der Ordnung, Ruhe und Sicherheit wünschenswerth machen; 6. daß in Ansehung der Gefahr, welche aus Schriften zu besorgen ist, die gegen den Staat oder dessen Regenten und Minister gerichtet sind, die Zeitumstände so sehr in Betracht zu ziehn sind, daß selbst um deswillen eine permanente Legislation über diesen Punct schwerlich befriedigend ausfallen dürfte, gleichwohl Gesetze nicht häufig gewechselt, auch den Justitzhöfen von den administrativen Behörden keine geheime Instructionen über deren mildere Anwendung gegeben werden können; 7. daß endlich da wo es nicht oder doch weniger auf die criminelle Be­ strafung des Verfaßers oder auf eine in puncto injuriarum5 zu verfügende ­Satisfaction als darauf ankommt, daß nicht dem Staat im Ganzen durch den Einfluß nachtheiliger Schriften geschadet werde, die Frage, ob eine Schrift gedruckt werden, oder eine gedruckte in Circulation gelassen werden soll, weit mehr zu dem Gebiet der auf die Verhütung allgemeiner zu besorgender 5 Lat.: hinsichtlich einer Beleidigung. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 143 u. 145.

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Uebel abzweckenden Verwaltungsbehörden als zu dem der Justizhöfe zu gehören scheint, die nur das geschehene nach Gesetzen zu beurtheilen haben. Aus diesen Gründen scheint es, daß eine vor der Publication hergehende Aufsicht für jezt nicht ganz entbehrt werden könne, daß aber diese mit den möglichst schonenden Formen auszuüben sey, auch daß sie nur so weit statt finden müße, als der Zweck nicht ohne sie erreicht werden kann. Man hat dabey einen Unterschied zwischen Zeitungen, Journalen und an­ dren Schriften in Vorschlag gebracht, der auch in sofern einen Anschein hat, als das Publicum, in dessen Hände jezt Zeitungen und Journale kommen, weit ausgebreiteter und gemischter ist, als das was sich ordentlicherweise mit ­Lesung von andren Büchern beschäftiget. Allein die Unzulänglichkeit dieses Unterschieds hat sich aus der Erfahrung gezeigt, denn wenn für andre Schriften völlige Preßfreiheit besteht, so ist es unvermeidlich, daß das, was in Journalen zu publiciren verboten worden, unter bloß verändertem Titel in eine andere Schrift aufgenommen werde, (wie die Buchhändler den Calender-Verboten dadurch zu entgehn wißen, daß sie sie als Taschenbücher blos mit Hinweglassung der Zeitrechnung erscheinen lassen) und da fast an jedem6 Ort Lesegesellschaften gehalten werden, welche sich nicht ausschließlich auf Zeitungen und Journale beschränken, Schriften dieser Art in die Hände eines eben so zahlreichen und gemischten Publicums gerathen würden als das der gewöhnlichen Zeitungsleser, daß umgekehrt nicht wohl vermieden werden kann, daß aus frey publicirten Büchern, Auszüge oder Recensionen in Journalen aufgenommen werden, durch welche die Insinuationen die man als nachtheilig betrachtet, ebenfalls an das gemischte Publicum gelangen. Leichter würde man einen Unterschied zwischen den Schriften nach ihrem Hauptinhalte machen, und z. B. mathematische, physische, medicinische Bücher ganz von der Censur befreyen können, wenn nicht zu besorgen stünde, daß man sie dann zu Vehiculn der Ideen gebrauchen würde, die man an das Publicum zu bringen wünscht. Soll aber die Censurpflichtigkeit sich auf alle Verfasser oder Herausgeber ohne Unterschied erstrecken, soll sie blos auf Schriften, die im Lande verlegt werden, oder auf alle die in demselben verkauft werden, erstrecken? Beide Fragen verdienen eine Erörterung. In Ansehung des ersteren ließe sich eine gedoppelte Einschränkung gedenken, 1. daß man denjenigen Verfassern, die schon das Zutrauen des Staats, es sey durch das Amt das sie bekleiden, oder durch den Ruf den sie sich erworben haben, verdienen, die Censur-Freiheit so lange ertheilte als sie sich des6 Emendiert. Vorlage: jeden.

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sen nicht unwerth gemacht haben, dann aber, unabhängig von anderer Strafe, sie der Censur unterwürfe. (Wie z. B. die Professoren in Göttingen einer solchen Censurfreiheit geniessen, die nur in einem einzigen Falle einem derselben auf eine Zeitlang entzogen wurde, wovon denn die Folge war, daß er gar nichts mehr schrieb.) 2. daß man jedem Verfasser oder Herausgeber die Censurfreiheit so lange gönne bis er sich deren unwerth gemacht hat, dann aber sie ihm entzöge. Obgleich aber die Furcht vor dem Verlust der Censurfreiheit wohl manchen Verfasser in den Schranken der Bescheidenheit zurückhalten könnte, so ist dabey doch das doppelte Bedenken, daß einestheils nur für die Zukunft gesorgt, nicht das schon entstandene Uebel gehoben wird, andrentheils daß alsdenn doch für solche Fälle fortwährend eine Censurbehörde existiren müste, welche die Vertheidiger der völligen Preßfreiheit nur den Landesgerichten anvertrauet wissen wollen.7 Was die 2te Frage anbetrift, so muß, wenn einmal die Nothwendigkeit einer Censur anerkannt wird, selbige wohl auf alle Bücher, welche öffentlich zum Verkauf gebracht werden, sie seyn im Innlande oder Auslande gedruckt, ausgedehnt werden, weil 1. die Hauptgefahr aus dem Lesen solcher Bücher besorgt wird, und daher eben so groß bey solchen die im Auslande gedruckt worden, als bei denen im Innlande ist; 2. eine Censur die sich blos auf den Verlag im Inlande beschränkt, nur die Folge haben würde, daß zum Nachtheil der einländischen Verleger sie im oft nahe belegenen Auslande gedruckt würden. Auf einer andren Seite erschrickt man vor der Schwierigkeit an jedem Orte oder doch in jedem Lande eine Censurbehörde zu errichten, welche auch nur die in jeder Leipziger-Messe erschienenen Bücher vor ihrem Verkauf durchlesen und censiren müsten. Gleichwohl könnte man dieses nur dann vermeiden, wenn sich der deutsche Bund über gleiche Grundsätze und über eine auf dieselbe gestützte, entweder gemeinschaftliche oder doch in jedem Lande gleichförmige CensurAnstalt vergliche, da dann selbst in dem letzteren Falle, so fern man sich auf die Vollziehung dieses Vertrags verlassen könnte! es nur der Censur der im Innlande gedruckten Schriften bedürfte, für die in andern Ländern gedruckte aber das auf den Titel zu setzende Imprimatur schon die Gewähr leistete daß sie ohne weitere Censur passiren können. Allein kann man hoffen sich über Grundsätze zu vereinigen, die nicht dem einen zu streng, dem andren zu lax schienen, und die nicht in ihrer Anwen7 Dazu am linken Rand folgende Marginalie: „Der der Censur Freyheit entsezte konnte nur einen Namen für seine Schriften bemühen und durch die Art fortsündigen.“

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dung einen gefährlichen Spielraum ließen? Kann man es vermeiden daß nicht Schriften welche in dem einen Lande von der Censur verworfen werden, in einem andren mit Bewilligung der Censur gedruckt werden, und würde nicht dann aus der Nicht-Beachtung des Verbots oder der Authorisirung eines Landes, in einem andren bald Beschwerden entstehn, die zu Aufhebung der Convention führen dürften? Kann man, wenn eine solche Vereinigung möglich ist, erwarten, daß diese weiter als dahin gehn werde, daß jeder Bundesstaat verspreche, den Druck und Verkauf solcher Schriften ex officio8 zu verhindern und zu bestrafen, welche 1. Gott, die Religion oder gute Sitten beleidigen; 2. welche die Ehrerbietung, die jeder den Regenten, selbst fremder Lande, schuldig ist, verletzen und persönliche Ausfälle gegen den Regenten oder die nächste[n] Mitglieder seiner Familie enthalten; 3. in Fällen man Beschwerden über persönliche Beleidigungen gegen Staatsminister (es sey in ihrem Amt oder ausserhalb desselben) oder gegen Privat­ personen, strenge und unparteyische Justiz vor den Gerichtshöfen üben wolle. Dadurch aber würde dem Hauptübel noch nicht abgeholfen, welches die nächste Veranlassung giebt, um in dem gegenwärtigen Zeitraum die Freiheit der Preße strengeren Beschränkungen zu unterwerfen, als dies in den Zeiten welche der französischen Revolution vorangegangen sind, nothwendig geschienen hat, denn was No 1 und 3 betrifft, so bedarf es darüber kaum eines besondren Vertrags, weil ad 1. ein jeder Staat wohl nun selbst darauf bedacht seyn wird, Schriften welche Gott, die Religion und gute Sitten beleidigen, in seinem Lande nicht zu dulden, kein Staat9 auch ad 3. sich den Vorwurf machen lassen wird, daß er auf eine angebrachte Injurienklage eines Staats- oder Privatmanns nicht landesübliche Justiz werde verwalten lassen. Und wenn ad 2. es auch ein Vortheil wäre, wenn die Staaten einander gegenseitig versprächen keine Schrift zu dulden, welche die Ehrerbietung gegen fremde Regenten und deren Familie verletzen und sich selbst dafür verantwortlich machten, so würde doch auch dadurch nur einer kleiner Theil des Zwecks erreicht werden. Das Hauptübel beruhet darinn, daß in Folge aller der politischen Ideen, welche seit dem Zeitpunct der französischen Revolution in Umlauf gekommen und durch Sophismen unterstüzt worden sind, die der Unkundige nicht zu würdigen versteht, der beschränkteste Kopf sich für berufen hält, den Fürsten und seine Diener vor seinen Richterstuhl zu fordern, Anordnungen zu tadeln, die er unfähig ist, in ihrem Zusammenhange zu übersehn und in Be8 Lat.: von Amts wegen. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 114. 9 Emendiert. Vorlage: Staatt.

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urtheilung der Uebel die er fühlt, sein einseitiges kurzsichtige[s] Urtheil par­ theiisch höher zu würdigen, als das der Männer die von oben herab allein die Vermeidlichkeit dieser Uebel richtig beurtheilen können, daß mit der Idee, daß jedermann wes Standes er auch sey, auch zu den höchsten Staatsämtern zugelassen werden müste, wenn er nur die dazu erforderlichen Talente besitzt, oft selbst der seichteste Kopf die Ueberzeugung verbindet, daß er zu den höchsten Ehrenstellen geschaffen sey, und eine Ungerechtigkeit darinn findet, daß er nicht zu denselben gelange; daß er die höheren Besoldungen deren ein anderer genießt, als ihm entzogen ansieht, daß die kleinlichste Selbstsucht an die Stelle der Liebe zu dem Staat und das seeligste Selbstvertrauen um die Stelle des Zutrauens zur Regierung getreten ist, ohne welches dieser jeder Schritt erschwert wird, daß endlich die zahllosen Ländertauschungen10 die Würdigung der Menschen nach der Kopfzahl und die Leichtigkeit mit welcher in unsren Tagen vereinigte Länder zerrißen und getrennte zusammengeschmolzen werden sollen, das Band der Anhänglichkeit des Unterthanen an seinen Landesherrn; sein Land und dessen Verfassung wo nicht gänzlich zerrissen, doch sehr geschwächt haben. Wenn aber alle diese Ursachen zusammengenommen, den Unterthanen, selbst der niedern Classen empfänglicher für alle die Schriften gemacht haben, in welchen oft mit dreister Unwissenheit die Handlungen der Regierungen und ihrer Beamten critisirt, oft entstellt, oft unwahr oder mit Uebertreibung in ein falsches Licht gestellt werden, so ist auf der andren Seite die Gefahr, die aus Schriften dieser Art hervorgeht, um so größer, je leselustiger das Publicum geworden ist, und je mehr es sein Ohr lieber dem Spott und der Critik als den Lobeserhebungen leihet. Kann über den Schaden, der durch Schriften dieser Art dem gemeinen Wesen zugefügt wird, ein Gerichtshof erkennen, kann ein Tribunal das seinem Beruf nach nur zu untersuchen hat, ob die vorliegende Thathandlung einem vorhandenen Gesetze entgegen sey, die Fälle würdigen, in welchen Aeußerungen dieser Art ohne Nachtheil übersehn werden können und sie von denen unterscheiden aus welchen bleibende böse Folgen zu besorgen stehn. Kann in 10 Gemeint ist die sogenannte territoriale Revolution zwischen 1803 (Reichsdeputationshauptschluß) und 1819 (Frankfurter Territorialrezeß), die zu einer großen Flubereinigung der deutschen Landkarte führte. Zahlreiche Territorien wurden dabei mehrfach unterschiedlichen Herrschern zugewiesen, bevor sie am Ende dieses Prozesses endgültig in einen Staat inkorporiert wurden. Vor allem in den Rheinbundstaaten wurden dadurch umfassende Reformen ausgelöst, die auch auf eine Verschmelzung der neuerworbenen Lande mit den Kerngebieten der herrschenden Dynastien abzielten Vgl. dazu den Überblick bei Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, bes. S. 42−48 u. 564−582; Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongreß, S. 55−135; und Hahn/Berding, Reformen, Restauration und Revolution 1806− 1848/49, S. 49−112.

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manchen Fällen ein Gerichtshof nur die Absichten richtig beurtheilen, welche bey selbigen zum Grunde lagen? Wer kennt nicht die Künste mit welchen Advocaten die empfindlichsten Sachen zu sagen wissen, ohne dadurch in den gesetzlichen Begriffen [in] eine Injurie zu fallen. Ist es der menschlichen Weisheit gegeben, ein Gesetz unter den Bundes­ genossen zu verabreden das diesem Uebel, das weder für jedes Land in ­gleichem Grade groß noch einem und demselben Lande zu jeder Zeit gleich furchtbar ist, steuern könnte, ohne dadurch der schuldlosen freyen Aeusserung und Auswechselung der Ideen einen Zügel anzulegen, der allen liberalen Ideen der Regierungen wie dem Geist der Zeit zuwider seyn muß. Muß nicht je liberaler eine Regierung denkt, je mehr ihr der Entschluß bedenklich scheinen, die Frage, ob dieses oder jenes Buch bey ihr gedruckt oder gelesen werden darf, einer andren Censur als ihrer eigenen zu unterwerfen, und ist nicht daher jede Censur-Anstalt ihrer Natur nach auf einen jeden Bundesstaat zu beschränken? Gesetzt die Bundesstaaten wollten sich einer gemeinsamen Censur-Anstalt unterwerfen und diese etwa an den Hauptorten des deutschen Buchhandels in Leipzig und Frankfurt errichten, würde Sachsen sich eine solche fremde Censuranstalt in Leipzig gefallen lassen und nicht voraussehn daß dies der Tod seines Buchhandels seyn werde, wie bekanntlich die ehemalige kayserliche Censuranstalt in Frankfurt den Buchhandel von diesem Ort weggewandt hat. Wird einer der größeren Staaten, wird Preußen, wird Oesterreich sich dem Zwange unterwerfen, daß bey ihm kein Buch gedruckt oder verkauft werde, dem nicht eine dieser beiden Behörden das Imprimatur aufgedruckt hat, und würden vollends diese Staaten sich einer solchen Beschränkung auch für ihre nicht zu dem Bunde gehörigen Provinzen unterwerfen? Und wie solle diese Censur organisirt werden. Sollen alle Bundesstaaten zur Wahl ihrer Mitglieder concurriren? sollen selbige nur nach ihrem Gutfinden die vorhandenen Gesetze anwenden oder sollen sie darüber Instructionen von den Höfen annehmen. Wie ist in dem ersten Falle Einseitigkeit, in dem letzteren Widerspruch und Verwirrung zu vermeiden? Mir scheint es unthunlich, weder durch allgemein beliebte Gesetze noch durch allgemeine Bundescensuranstalten den Zweck zu erreichen, und daß weiter nicht gegangen werden könne als daß alle Bundesstaaten sich untereinander verpflichten, daß ein jeder von ihnen eine geschärftere Aufsicht über den Mißbrauch der Preßfreiheit über und insbesondere darüber machen wolle, daß nicht ungestraft in seinem Lande Bücher gedruckt oder verkauft werden, welche 1. Gott, die Religion oder gute Sitten beleidigen, oder

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2. die der Person und Familie fremder Regenten schuldige Ehrerbietung verletzen oder 3. die Ehre und den guten Nahmen fremder Staatsbeamten und Unterthanen angreifen und er sowohl im 2ten oder 3ten Falle nicht nur auf angebrachte Beschwerde schleunige Rechtshülfe durch angemessene Bestrafung des Verfassers oder Verlegers oder beider zugleich angedeyhen lassen, sondern auch in dem 2ten Falle unerwartet der angebrachten Beschwerde ex officio verfahren und Genugthuung geben wolle. Vielleicht ließe sich auf indirectem Wege mehr durch gemeinsame Verabredungen erreichen, wodurch die Buchdrucker und Verleger im Zaum gehalten würden, wenn z. B. festgesetzt würde, daß der Buchdrucker oder Verleger der 3 mal11 wegen Mißbrauchs der Preße bestraft worden, mit einer längeren oder kürzeren Suspension seines Privilegii oder mit dem Verlust desselben belegt werden sollen. Man wird nicht dawider einwenden können, daß die wenigsten Verleger in Deutschland die nötigen Kenntnisse besitzen um ein Werk zu beurtheilen das in ihrem Verlag erscheint; allein es ist ihre Sache sich zuvor an jemanden zu wenden, der hierinn ihr Vertrauen verdient, oder wo eine Censur vorhanden ist, an diese, um sich vor Schaden sicher zu ­stellen, wie sie ersteres bey M[anuskri]pten zu thun pflegen, deren Verfasser ihnen nicht genug bekannt ist um ihnen ein hinreichendes Debit zu versprechen. Damit würde eine strenge Aufsicht wider alle Winkel Buchdruckereyen zu verbinden seyn. Aus Zeiten welche lange der französischen Revolution vorangingen, erinnere ich mich eines Falles, wo die Baierische Regierung bey dem König. Ministerio zu Hannover Beschwerde über einige Stellen in Schlützers12 Briefwechsel13, worinn die Baierische Administration in manchen Puncten scharf getadelt war, führte, und auf Genugthuung drang, das König. Ministerium aber darauf antwortete, daß so lange die der Person des Regenten schuldige Ehrerbietung nicht verletzt worden, nicht jedes freimüthige Urtheil eines politischen Schriftstellers über die Fehler einer Staatsverfassung und Verwaltung gemißbilliget oder geahndet werden können. Der hierinn ausgesprochene Grundsatz scheint mir auch jetzt noch der einzige haltbare für politische Schriften und vielleicht mit wenigen erweiternden 11 Dazu folgende Marginalie: „warum so oft?“ 12 Gemeint ist August Ludwig (seit 1803) von Schlözer (1735−1809), Historiker, Statistiker und Schriftsteller, 1770−1809 ordentlicher Professor an der Universität Göttingen. Vgl. NDB, Bd. 23, S. 98 f.; DBE, Bd. 8, S. 683; ADB, Bd. 31, S. 567−600. 13 Vgl. August Ludwig Schlözers Briefwechsel meist historischen und politischen Inhalts. Bd. 1−10. Göttingen 1776−1782; Briefwechsel meist statistischen Inhalts. Gesammlet und zum Versuch hrsg. v. August Ludwig Schlözer. Göttingen 1774/75.

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Modificationen hinreichend um auch jezt noch darnach die Grenzen der an sich so wohlthätigen Preßfreiheit zu bestimmen. Die Erweiterung desselben aber lediglich auf die Person der eigenen oder fremden Staatsbeamten sich erstrecken zu müssen, wenn sie in der Führung des Amts auf eine beleidigende Weise angegriffen werden. Hierauf allein dürfte die Censur politischer Schriften beschränkt, alles übrige aber dem gerichtlichen Verfahren überlassen werden müssen, die Errichtung einer solchen Censur auch nicht als eine immerwährende, sondern als eine vorübergehende, durch die Zeitumstände gebotene Maaßregel, welche durch die gehäuften Mißbräuche der Presse veranlaßt und gerechtfertiget wird, angedeutet werden zu müssen. Die in Hinsicht der Preßfreiheit zu machenden Vorschläge sind also einer gedoppelten Art: 1. diejenigen, welche eine zu treffende allgemeine Verabredung unter den Bundesstaaten zum Gegenstand haben; 2. diejenigen, welche die in einem einzelen Bundesstaat zu erlassenden Verfügungen betreffen. In Ansehung des ersten Puncts würde ich folgenden Beschluß der Bundesversammlung vorschlagen: Die Bundesversammlung erkennt den Grundsatz der Freiheit der Presse in dem ganzen Umfange der zu dem Bunde gehörenden Staaten an, und betrachtet ihn als in dem Recht der natürlichen Freiheit begründet und als wesentlich für das Beste eines jeden Staats und seiner freyen Unterthanen. Diese Freiheit der Preße erstreckt sich jedoch nur auf die durch den Druck bewirkte Mittheilung solcher Aeußerungen und Sätze, welche weder Gott und die Religion noch die guten Sitten beleidigen, noch Unterthanen zur Widersetzlichkeit gegen ihre Obrigkeit anregen noch die der Person und Familie eines jeden Regenten schuldige Ehrerbietung verletzen oder die Ehre und den guten Nahmen der Personen ihrer Unterthanen, diese seyen Staatsbeamte oder andere Privatpersonen, angreifen, und wie hingegen alle Aeusserungen welche Beleidigungen, Aufreizungen oder Verletzungen dieser Art enthalten nur durch einen straffälligen Mißbrauch der Preßfreiheit öffentlich bekannt gemacht werden könnten, Mißbräuche dieser Art aber insonderheit in Zeitungen, 14Zeit und14 andren Schriften politischen Inhalts in neueren Zeiten so sehr eingerissen, daß die bloße stillschweigende Verachtung welche selbige einem jeden Wohldenkenden einflößen müssen, nicht mehr als ein allein hinreichendes Mittel anzusehn ist, um dem daraus zu besorgenden Nachtheil vorzubeugen, und die Verfasser solcher Schriften in die Schranken der Bescheidenheit zurückzurufen, so verpflichten sich die gesamten Bundesstaaten 14−14 Emendiert: Vorlage: Zeitund.

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untereinander, ein jeder in dem Umfange seines Gebiets durch Gesetze und zu deren Vollziehung angeordnete Behörden nachdrücklich dafür Sorge zu tragen, daß allem Unfuge dieser Art vorgebeugt und in eintretenden Contraventionsfällen nicht nur der Verfasser sondern auch den Umständen nach die Verleger und Buchhändler welche daran durch Verlag oder Verkauf Antheil genommen, mit gebührender nachdrücklicher Strafe belegt sich den durch solche Schriften beleidigten Personen die gebührende Genugthuung zugesichert werde. Und wenn es gleich einem jeden der Bundesstaaten zu beurtheilen überlassen werden muß, wiefern er zu diesem Ende den bisher schon bey ihm bestehenden Gesetzen und Anordnungen noch neue hinzufügen zu müssen glaubt, auch in wiefern derselbe es für rathsam findet, durch Anwendung einer auf alle Druckschriften erstreckten oder auf einige Gattungen derselben beschränkten Censur dem Uebel vor dessen Entstehung vorzubeugen oder sich darauf zu beschränken, bey schon eingetretenen Contraventionsfällen von Amtswegen oder auf angebrachte Beschwerden strenge und unparteiische Justiz eintreten zu lassen, so sieht doch die Bundesversammlung sich veranlaßt, nachstehende Puncte für das minimum zu erklären, wovon sie die Beobachtung zu Erreichung des Zwecks für unvermeidlich nothwendig erachtet; daß nemlich 1. da wo überall eine Censur eingeführt ist, oder wird selbige auf Zeitungen und Journale politischen Innhalts mindestens aber auf erstere erstreckt werde; 2. Selbst da wo keine oder keine allgemeine Censur eingeführt ist, durch gesetzliche Bestimmungen den Verlegern und Buchhändlern bekannt gemacht werde, daß in allen den Fällen wo sie eine Schrift verlegen oder öffentlich verkaufen welche nicht den wahren Nahmen des Verfassers auf dem Titel so angiebt, daß derselbe leicht ausfündig gemacht werden könne, sie schuldig seyn denselben anzugeben, in Entstehung dessen aber sie persönlich für die Strafe haften welche dem Verfasser zuerkannt werden würde, wenn derselbe bekannt wäre; 3. daß ausser dieser Strafe die Verleger noch das erstemal mit einer besondern Geldbuße, im 2ten Contraventionsfalle mit der Suspension in ferneren Contraventionsfällen aber nach den Umständen mit dem Verlust ihres landesherrlichen Privilegii als Buchdrucker oder Buchhändler belegt werden sollen; 4. daß eine Untersuchung und Bestrafung von Amtswegen nicht blos in den Fällen statt finde, wo eine Schrift Aeusserungen gegen Gott, gegen die ­Religion und gute Sitten enthält, sondern ebenmäßig und unerwartet einer desfalls angebrachten Beschwerde in den Fällen wo selbige die den lebenden auswärtigen Souverainen und den Mitgliedern ihrer Familie gebührende Ehrerbietung verletzt oder die Hochachtung welche den von ihnen

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e­ rnannten Staatsbeamten in dem was die Führung ihres Amts betrift, gebühret, beleidiget; 5. daß in Fällen wo eine für das Publicum bestimmte Schrift beleidigende Aeusserungen gegen Privatpersonen, diese seyen Unterthanen oder Ausländer, enthält, und sie nicht schon vor ihrer Bekanntwerdung unterdrückt werden, auf angebrachte Beschwerde des Beleidigten oder seiner Erben eine schnelle und unparteiische Untersuchung vor den ordentlichen ­Gerichten des Beklagten Verfassers oder Verlegers oder Buchhändlers statt finden und im Condemnationsfalle15 die gesetzliche auf Injurien und ­Calumnien16 gesetzte Strafe noch um deswillen geschärft werden solle, weil die Beleidigung in eine für das Publicum bestimmte Schrift aufgenommen worden. Was sodenn 2. die in einem jeden einzelen Lande zu treffenden Verfügungen anbetrift, so würden diese einem jeden Lande zu überlassen seyn, sofern nur dafür ­gesorgt wird, daß durch selbige den gemeinsam verabredeten Grundsätzen ­Genüge geleistet werde. Martens

196. Kommissionsbericht über die Abfassung gleichförmiger Verfügungen zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck

ProtDBV 1819, 4. Sitzung vom 11. Februar 1819, Beilage 6, S. 54–58. Kommissionsbericht. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 7, 1819, S. 68−73; Gergen, Die Nachdruckprivilegienpraxis Württembergs im 19. Jahrhundert und ihre Bedeutung für das Urheberrecht im Deutschen Bund, S. 417−421.

Da die Deutsche Bundesakte den Schriftstellern und Verlegern Schutz gegen den Nachdruck zusichert, der durch gleichförmige Verfügungen in allen Bundesstaten geleistet werden soll, hat sich die Kommission für verpflichtet gehalten, diesen Gegenstand in allen möglichen Beziehungen zu bearbeiten. Die Übersicht des Bundestagsgesandten Berg hat eine große Verschiedenheit der Gesetzgebungen über den Büchernachdruck in den deutschen Bundesstaaten gezeigt. Die Vereinigung aller zum Schutz der Eigentumsrechte der Schriftsteller und Verleger, welche die Stifter des Deutschen Bundes bezwecken, ist nur durch die Befolgung gleicher Grundsätze in allen Bundesstaaten möglich. Die Kommission hat deshalb den Entwurf einer diesbe-

15 Condemnatio (lat.): richterliche Verurteilung. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 64. 16 Calumnia (lat.): Verleumdung, vorsätzliche falsche Anklageerhebung. Vgl. ebd. S. 46.

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züglichen Verordnung erarbeitet und in ihrem Bericht zugleich die Gründe näher entwickelt, die sie zur Abfassung der einzelnen Artikel bestimmt haben.

Frankfurt am Main, 9. Februar 1819 Commissions-Bericht über die Abfassung gleichförmiger Verfügungen zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck. Da der Schutz, den die Bundesacte Schriftstellern und Verlegern gegen den Nachdruck zusichert, durch gleichförmige Verfügungen in allen Bundesstaaten geleistet werden soll1; so hat die Commission sich für verpflichtet gehalten, diesen Gegenstand in allen den Beziehungen zu bearbeiten, welche der Gesetzgeber dabei zu berücksichtigen haben kann. Eingriffe in die Eigenthumsrechte der Verfasser oder Verleger können nicht bloß von Dritten, sondern auch von dem Verleger gegen den Verfasser, und von diesem gegen jenen unternommen werden. Soll das Eigenthum der Schriftsteller und Verleger vollständigen Schutz erhalten; so muß das Gesetz jedem Eingriff, woher er auch komme, entgegen treten, gleichviel, ob die Vorzeichnung der schützenden Grenzen dem bürgerlichen oder peinlichen Rechte, oder der Polizei angehöre. Die Uebersicht der deutschen Gesetzgebungen über den Büchernachdruck, welche dieser hohen Versammlung in der 34. Sitzung vorigen Jahrs vorgelegt ist2, hat die große Verschiedenheit derselben gezeigt. Die Vereinigung Aller zum Schutz der Eigenthumsrechte der Schriftsteller und der Verleger, welche die Stifter des Bundes bezwecken, ist nur durch die Befolgung gleicher Grundsätze in allen Bundesstaaten möglich, und zu diesem Ende hat die Commission geglaubt, eine Verordnung, wie sie von sämmtlichen Gliedern des Bundes in ihren Staaten erlassen werden könnte, in Vorschlag bringen zu müssen. Sie hat daher einen Entwurf3 verfaßt, den sie der Prüfung dieser hohen Versammlung hiermit unterwirft, indem sie zugleich die Gründe näher entwickelt, welche sie zu der vorliegenden Abfassung der einzelnen Artikel bestimmt haben. Art. 1. Die Gegenstände, worauf sich der Schutz gegen den Nachdruck bezieht, sind nicht bloß Druckschriften. Einige Gesetzgebungen nennen überhaupt: Werke der Wissenschaft und Kunst, wie z. B. das Königlich-Nieder­

1 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516 f. (Artikel 18d). 2 Vgl. Dok. 192. 3 Vgl. Dok. 197.

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ländische Gesetz vom 25. Januar 1817, Art. 14, das Königlich-Baierische Strafgesetzbuch Thl. 1, Art. 3975 u. a. m. Das französische Strafgesetzbuch (Tit. 2 Cap. 2. Art. 425)6 verbietet den Nachdruck, Nachstich etc. aller Druck­ schriften, musikalischen Compositionen, Zeichnungen, Gemälde, oder sonst eines Werkes, es mag nun ganz oder zum Theil gedruckt, oder gestochen seyn. Die Commission hat geglaubt, daß das Verbot auf Gemälde und Kupferstiche nicht auszudehnen sey, weil deren Copien doch nie den Originalien gleich werden, sondern immer eine ihrem Urheber eigenthümliche Arbeit bleiben, der Werth des Originals aber für sich besteht. Anders verhält es sich offenbar bei musikalischen Werken, Landcharten und topographischen Zeichnungen, wo die künstlerische Darstellung nicht der Hauptzweck ist, sondern die Brauchbarkeit, welche auch durch einen getreuen Nachdruck oder Nachstich erreicht werden kann. Diese sind daher in das Verbot aufgenommen worden. Ein Verbot des Nachdrucks ausländischer Werke vorzuschlagen, hat die Commission für bedenklich gehalten, nicht nur aus Gründen der Reciprocität, sondern auch, weil in der Regel dem ausländischen Verleger durch solche Nachdrücke kein wesentlicher Schade zugefügt wird. Da die unerlaubte Vervielfältigung eines Werkes auch durch andere Mittel, als durch die Druckerpresse, bewirkt werden kann; so hat es nöthig geschienen, diese näher zu bezeichnen, ohne jedoch durch zu allgemeine Ausdrücke eine an sich sehr beschränkte Art von Vervielfältigung, welche billig nicht verboten werden kann, wie das Abschreiben und Abzeichnen, auszuschliessen. Art. 2. Die Dauer des Eigenthumsrechts an Geisteswerken ist sehr bestritten. Die Commission gieng von dem ihr am richtigsten scheinenden Grundsatze aus, daß das Eigenthumsrecht nicht auf die Erben übergehe, da sie den Geist, aus welchem ein Werk hervorgegangen und durch welchen es nach seiner Eigenthümlichkeit allein vervollkommnet werden kann, nicht erben können. Sie hat aber die Billigkeit nicht verkannt, den Nachkommen und Erben eines Schriftstellers die Früchte seiner Arbeiten zu sichern, die durch seinen Tod nicht selten ganz verloren seyn könnten, und sie hat überdieß geglaubt, daß es für die Schriftsteller und für das Publikum gleich vortheilhaft sey, das 4 Vgl. Gesetz vom 25. Januar 1817, Staatsbladen von het Koningrijk der Nederlanden over de jaren 1813−1840, S. 247. Vgl. dazu auch Schriks, Het Kopijrecht 16de tot 19de eeuw, S. 420−427. 5 Vgl. Strafgesezbuch für das Königreich Baiern. München 1813, S. 153. 6 Vgl. Code pénal vom 1./2. März 1810, in: Schubert (Hrsg.), Der Code pénal des Königreichs Westfalen von 1813 mit dem Code pénal von 1810 im Original und in deutscher Übersetzung, S.  226 f.

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Verlags-Geschäft durch eine angemessene Bestimmung zu erleichtern, indem es, bei der Beschränkung des Verlagsrechts auf das Leben des Schriftstellers, Manchem, besonders bei großen Unternehmungen, zu gewagt erscheinen könnte, in welchem Falle der Schriftsteller vergeblich einen Verleger suchen, und das Publikum ein vielleicht wichtiges Werk entbehren würde. Die Commission hat dafür gehalten, daß in einem Zeitraum von zehn Jahren der Absatz, auch einer sehr beträchtlichen Auflage, als wahrscheinlich anzunehmen sey, und sie schlägt daher eine Erstreckung des Eigenthumsrechts an Geisteswerken über den Tod ihrer Urheber hinaus, auf jenen Zeitraum vor, jedoch mit einer Ausnahme zum Vortheil der Schriftsteller, welche ihre Werke selbst verlegt haben, weil der Selbstverlag immer mit Schwierigkeiten in Ansehung des Absatzes verbunden ist, und öfters durch den Zweck der Gemeinnützigkeit veranlaßt wird. Art. 3 u. 4. Der Inhalt dieser Artikel bedarf keiner Erörterung, da die Absicht derselben keinem Zweifel unterworfen seyn kann. Art. 5. Mannigfaltige Gründe, worunter wir nur die Schwierigkeit, einen Verleger zu finden, die Nothwendigkeit von Vorbereitungen des Verlegers bei Werken von Umfang, oder solchen, wozu Zeichnungen u. dgl. gehören, nennen wollen, können die Erscheinung eines nachgelassenen Werkes verzögern. Solche Hindernisse müssen billig berücksichtiget werden. Das Urtheil darüber, steht aber zunächst der Regierung zu, unter welcher ein solches Werk erscheinen soll, und diese wird für einen allgemeinen Schutz gegen den Nachdruck bei den übrigen Bundesgliedern sich gewiß gern verwenden. Die Commission hält es für billig, daß Alle sich zu dessen Gewährung im Voraus gegenseitig verpflichten. Art. 6. Bei Werken, welche durch Mehrere bearbeitet werden, läßt sich nur ein, dem Unternehmer zustehendes Eigenthum denken. Sind mehrere Unternehmer, so versteht sich, daß die im Art. 2 und 4 bestimmte Zeit, von dem Tode des Letztlebenden an, zu rechnen ist, und zwar nach Maasgabe des im Art. 2 festgesetzten Unterschiedes. Art. 7. Die Commission hat geglaubt, daß bei Schriften, welche gar kein Zeichen eines bestimmten Eigenthums an sich tragen, eine Uebergabe an das Publikum zur freien Verfügung und eine Verzichtleistung auf das ausschliessende Verlagsrecht anzunehmen sey. Art. 8 u. 9. Wenn das Eigenthumsrecht der Schriftsteller und Verleger völlig geschützt werden soll; so darf, auch unter dem Vorwand zu veranstaltender Sammlungen, kein Eingriff in dasselbe gestattet werden. Man sagt zwar, der Verleger einzelner Werke eines Schriftstellers habe nur auf den ausschliessenden Verkauf dieser einzelnen Werke ein Recht, welches hinreichend gedeckt sey, wenn von einer Sammlung kein einzelner Theil verkauft werden

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dürfe. Allein nicht zu gedenken, daß es kaum möglich ist, den Verleger auch nur hiergegen sicher zu stellen; so leuchtet von selbst in die Augen, daß schon der Verkauf der Sammlung den Verlegern einzelner Werke Nachtheil bringen muß, und daß doch diese insgesammt ein Recht gegen den Nachdruck ihrer Verlagsartikel haben, wonach also jede Sammlung dieser Art rechtlich verhindert werden kann, so bald der Nachdruck überhaupt verboten ist. Die in der Natur der Sache gegründeten Ausnahmen werden die Strenge der Regel hinreichend mildern, und bewirken, daß Sammlungen, deren Nutzen übrigens im Allgemeinen nicht zu verkennen ist, nicht allzu lang unterbleiben müssen. Bei Schriften, die durch Beiträge Mehrerer entstanden sind, kann der Verleger ein ausschliessendes Verlagsrecht nur an diesen Schriften selbst haben. Die einzelnen Beiträge gehören entweder dem Publikum, oder den Verfassern. Die Commission hat aus Billigkeitsgründen das Letztere angenommen, da der Schriftsteller gewiß ein näheres Recht an seine[r] Arbeit hat, als ein Dritter, und da, nach Ablauf der Zeit, der Heimfall an das Publikum doch eintritt. Art. 10. Die Commission hat diesen Artikel für nothwendig gehalten, um in Ansehung der Uebersetzungen keinen Zweifel übrig zu lassen. In einigen Staaten, z. B. in dem Königreich der Niederlande, bezieht sich das Gesetz gegen den Nachdruck nur auf Uebersetzungen ausländischer Werke.7 In ­ Deutschland scheint die Uebersetzung deutscher Werke in eine fremde Sprache, und inländischer, in fremder Sprache geschriebener Schriften den Absatz der Originale mit einem wesentlichen Nachtheile nicht zu bedrohen. Ueberdieß ist jede Uebersetzung eine eigenthümliche Arbeit ihres Urhebers, welche rechtmäsige Ansprüche auf den Schutz der Gesetze hat. Die Concurrenz von Uebersetzern kann das Gesetz nicht hindern. Art. 11. Da durch weitläufige Auszüge manches Werk entbehrlich gemacht und unter dieser Form ein eigentlicher Nachdruck leicht verborgen werden kann; so schien es nothwendig, solchem Mißbrauch auf die im Artikel angegebene Art vorzubeugen. Art. 12. Gleiche Ansicht leitete die Commission bei der Abfassung dieses Artikels. Art. 13. 14. Die Commission ist der Meinung, durch diese beiden Artikel die Regel, wornach Werke der Wissenschaft oder Kunst, als Gemeingut dem Publikum heimfallen, und die Ausnahmen davon hinreichend bezeichnet zu haben. In verschiedenen Gesetzen werden die Werke der alten classischen Autoren, so viel wenigstens den Text betrifft, Bibeln, alte und neue Testamente, Psalter etc. ausdrücklich für Gemeingut erklärt. Da sie und andere ähnli7 Vgl. Gesetz vom 25. Januar 1817 (wie Anm. 4), Artikel 2.

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che Schriften nicht in die Categorie der Werke, an welchen ein Eigenthumsrecht noch jetzt auf zehn bis fünfzehn Jahre nach dem Tode des Verfassers erstreckt werden könnte, gehören; so versteht sich dieß von selbst. Die erste Ausnahme im Art. 14 bezieht sich vorzüglich auf solche Schriften, wo durch critische Bearbeitung des Textes, oder durch Commentirung desselben ein besonderes Eigenthumsrecht entstehen kann. Die zweite Ausnahme entsprang aus der Betrachtung, daß ein Privilegium öfters die Verbreitung einer Schrift, die eigentlich Gemeingut8 ist, besonders, wenn dieselbe bei dem öffentlichen Unterricht gebraucht wird, gar sehr, und zum wesentlichen Vortheil des Publikums, erleichtern kann. Art. 15. Von diesem Artikel an, bis zum 19. werden eigentlich privatrecht­ liche Verhältnisse berührt, die aber mit dem Nachdruck in so genauer Ver­ bindung stehen, daß die Commission geglaubt hat, sie nicht übergehen zu dürfen. Sie können jeder einzelnen Gesetzgebung anheim gestellt werden, schwerlich wird aber dieser Weg das Bedürfniß gleichförmiger Bestimmungen befriedigen. Es kann übrigens auch hier von keiner Gesetzgebung des Bundes die Rede seyn, sondern nur von einer Vereinigung der Bundesglieder zur Befolgung gleicher Grundsätze. Die Commission hat gesucht, die verschiedenen Verhältnisse möglichst genau zu unterscheiden, und nie die nächste Quelle – die Uebereinkunft der ­Interessenten – aus den Augen zu verlieren. Sie glaubt, daß die Folgerungen, welche sie daraus gezogen hat, nothwendig sind, und daher keiner Rechtfertigung bedürfen. Art. 20. Durch den Schutz, den Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck erhalten, wird insonderheit auch diesen der Vorwand, sich auf eine unbillige Weise, zum Nachtheil des Publikums und der Literatur, zu bereichern, benommen, wenn sie durch hohe Bücherpreise sich gegen die Folgen der Unter­nehmungen der Nachdrucker sicher stellen zu müssen behaupten, und dabei ein billiges Maas nicht selten überschreiten. Es ist nie von der Beförderung und Begünstigung des Buchhandels die Rede gewesen, ohne daß zugleich die Herstellung billiger Bücherpreise in Anregung gekommen wäre, und so ist auch die Commission der Meinung gewesen, diesen Gegenstand nicht unberührt lassen zu dürfen. Sie fühlt aber vollkommen die Schwierigkeiten, welche einer zweckmäsigen Bestimmung entgegen stehen, wenn dem Publikum geholfen und dem Buchhandel nicht zu nahe getreten werden soll. Sie möchte in dem literarischen Verkehr nicht gern ein Taxsystem angewandt sehen, welches überhaupt vielen Bedenklichkeiten unterworfen ist. Indessen ist es bekannt, daß in den früheren und besseren Zeiten des deutschen Buch8 Emendiert nach ProtDBV(Q), Bd. 7, 1819, S. 71. Vorlage: Gewinngut.

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handels die Schriften, in gewöhnlichen Ausgaben, einen Mittelpreis hatten, der nicht leicht überschritten wurde, und wobei die Buchhändler sich ganz gut standen. Sollten nun auch veränderte Umstände einen andern Maasstab fordern; so ist wenigstens so viel erwiesen, daß bei dem Buchhandel ein solcher Maasstab möglich ist, und daß dessen Ueberschreitung, ohne besondere Ursache, als eine unbillige Steigerung betrachtet werden könnte. Der vorliegende Artikel ist jedoch dem Entwurfe mehr um deßwillen eingerückt, damit der Gegenstand nicht für vergessen gehalten, und nicht vergessen werde, als weil die Commission glaubt, ein dem Zwecke ganz entsprechendes Mittel vorgeschlagen zu haben. Sie wünscht vielmehr, daß insbesondere hierüber das Gutachten von Sachkundigen durch die einzelnen Regierungen eingezogen und demnächst bei den eingehenden Instructionen mitgetheilt werden möge. Art. 21. 22. 23. Die hier gemachten Vorschläge sind nach der Beschaffenheit des deutschen Buchhandels ermäsigt. Sie können vielleicht nach LocalVerhältnissen einigen Modificationen unterworfen werden. Immer aber wird der Nachdruck und der Handel mit seinen Producten als ein Vergehen zu betrachten seyn, welches eine angemessene Strafe und die Verpflichtung zum Schadensersatz nach sich zieht. Die Confiscation der Nachdrücke ist hauptsächlich in der Absicht vorgeschlagen, damit die Wiederholung der Beschädigung durch diese gesetzwidrigen Abdrücke unmöglich gemacht werde. Da der Beweis, wieviel Nachdrücke abgesetzt seyen, äusserst schwierig ist; so ist es, nach dem Beispiel anderer Gesetzgebungen, am angemessensten erachtet worden, eine gewisse Ersatzsumme zu bestimmen, welche dem rechtmäsigen Verleger gebührt, so bald nur die Thatsache des Nachdruckes erwiesen ist. Die Commission trägt nun darauf an, daß über gegenwärtigen Bericht und Entwurf Instruction eingeholt werde, damit auf den Grund derselben ein gemeinsamer Beschluß gefaßt werden könne, um in den sämmtlichen Bundesstaaten nach gleichförmigen Grundsätzen eine Verordnung zur ­Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck binnen einer zu verabredenden Frist zu publiciren und in Wirksamkeit zu setzen. Martens  Berckheim  Berg

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197. Entwurf einer Verordnung zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck

ProtDBV 1819, 4. Sitzung vom 11. Februar 1819, Beilage 7, S. 59–63. Verordnungsentwurf. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 7, 1819, S. 74−78; Gergen, Die Nachdruckprivilegienpraxis Württembergs im 19. Jahrhundert und ihre Bedeutung für das Urheberrecht im Deutschen Bund, S. 421−424.

Artikel 18 der Deutschen Bundesakte fordert gleichförmige Verfügungen zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck. Alle Mitglieder des Bundes haben sich auf folgende Grundsätze geeinigt und verpflichtet, in ihren Staaten folgendes zu verordnen: jede Vervielfältigung von Druckschriften, musikalischen Werken, Landkarten und topographische Zeichnungen, die in den Staaten des Deutschen Bundes erschienenen sind, ist ohne Einwilligung der Urheber ver­ boten und als strafbarer Nachdruck zu betrachten (Art. 1); das Eigentumsrecht an Geisteswerken erstreckt sich über die Lebenszeit des Verfassers hinaus bis auf zehn bzw. 15 Jahre nach dessen Todestag (Art. 2−6); Schriften, auf denen kein Verfasser, Herausgeber, Verleger oder Drucker angegeben ist, sind als Gemeingut zu betrachten und damit dem Nachdruckverbot nicht unterworfen (Art. 7); Spezialbestimmungen zur Herausgabe von Werkausgaben eines Autors, zur Aufnahme einzelner Werke in Sammlungen mehrerer Verfasser, zu Übersetzungen einheimischer und ausländischer Werke sowie zu Abdrucken ganzer Werke oder von Werkauszügen mit unwesentlichen Veränderungen (Art. 9−12); nach Ablauf der Schutzfrist ist jeder zur Vervielfältigung eines gemeinfrei gewordenen Werks berechtigt (Art. 13); Erlangung eines ausschließlichen Verlagsrechts nur durch eigentümliche Bearbeitung eines gemeinfreien Werkes bzw. durch Verleihung eines landesherrlichen Privilegs, desssen Geltung jedoch auf den jeweiligen Staat beschränkt ist (Art. 14); Bestimmungen im Fall der Abtretung des Verlagsrechts an andere Personen bzw. bei Auftragswerken (Art. 15−19); Verlust des gesetzlichen Schutzes gegen den Nachdruck bei unbilliger Steigerung des Buchpreises (Art. 20); Sanktionen bei Verstößen gegen das Nachdruckverbot (Geldstrafen, Konfiskation der Nachdrucke, Schadensersatz, Untersagung des Buchhändler- oder Buchdruckergewerbes) (Art. 21−23).

[Frankfurt am Main, 9. Februar 1819] Entwurf einer Verordnung zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck. Nachdem in dem 18. Artikel der Bundesacte1, wegen gleichförmiger Verfügungen zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck, Vorsehung getroffen, und dem zufolge dieser Gegenstand von der Bundesversammlung in Erwägung gezogen, auch ein Entwurf solcher gleichförmigen Verfügungen verfaßt worden ist; so haben sich die Mitglieder 1 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516 f.

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des Bundes wegen der deßhalb gemeinsam zu befolgenden Grund­sätze vereinigt, und gegenseitig verpflichtet, in ihren Staaten Folgendes zu verordnen: Artikel 1. Jede Vervielfältigung der in den Staaten des deutschen Bundes erschienenen Druckschriften, musikalischen Werke, Landcharten und topographischen Zeichnungen, durch den Druck, so wie durch die Kupferstecher- Formschneider- Steinschreiber- oder irgend eine andere ähnliche Kunst, ohne die Einwilligung ihrer Urheber, und derer, welche von ihnen das Recht der öffentlichen Bekanntmachung und Veräusserung erlangt haben, ist verboten. Jeder Eingriff dieser Art in die Eigenthumsrechte der Verfasser oder Verleger ist als strafbarer Nachdruck zu betrachten. Artikel 2. Das ausschließliche Recht der öffentlichen Bekanntmachung und Veräusserung eines Werkes, soll auch über die Lebenszeit seiner Verfasser hinaus sich erstrecken und zwar in folgender Maße: 1) auf fünfzehn Jahre, von dem Todestage des Verfassers an, wenn derselbe sein Werk selbst verlegt hat; 2) auf zehn Jahre, von dem Todestage des Verfassers an, wenn sein Werk in dem Verlage eines Andern erschienen ist. Artikel 3. Die im Falle des Selbstverlages bestimmte Zeit soll unverändert bleiben, auch wenn die Erben des Schriftstellers die Abtretung des Verlagsrechts an einen Andern für gut finden. Artikel 4. Werke, oder Fortsetzungen von Werken eines Schriftstellers, welche in dem ersten Jahre nach dessen Tode herausgegeben werden, sollen zehn Jahre lang eines gleichen Schutzes gegen den Nachdruck geniessen, und fünfzehn Jahre lang im Falle des Selbstverlags. Artikel 5. Wenn ein Schriftsteller Werke hinterlassen hat, welche in dem ersten Jahre nach seinem Ableben nicht bekannt gemacht werden können; so wird, auf Ansuchen der Erben oder ihrer Cessionäre, von deren Regierung und, auf den Antrag dieser, von den übrigen Bundesgliedern, ein Schutzbrief gegen den Nachdruck eines solchen Werkes auf gewisse Zeit verliehen werden. Artikel 6. Bei Werken, welche von mehreren Mitarbeitern verfaßt werden, sind die Unter­nehmer derselben als diejenigen zu betrachten, von deren Ableben an

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Entwurf einer Verordnung zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller

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das ausschliessende Verlagsrecht, während der oben im 2. und 4. Artikel bestimmten Zeit, fortdauert. Artikel 7. Druckschriften, auf deren Titel weder der Name des Verfassers, noch der des Herausgebers, oder Verlegers, oder Druckers angegeben ist, sind als Ge­ meingut zu betrachten, und demnach dem Verbot des Nachdrucks nicht unterworfen. Dieser kann jedoch durch Hinweglassung des auf der rechtmäsigen Ausgabe stehenden Namens des Verfassers, Herausgebers, Verlegers oder Druckers, nicht gerechtfertigt werden, vielmehr soll ein solcher Versuch, den Nachdruck zu verbergen, noch besonders als Betrug bestraft werden. Artikel 8. Innerhalb der oben im 2. und 4. Artikel bestimmten Zeit darf von den Werken eines Schriftstellers, die bei mehreren Verlegern erschienen sind, ohne deren Einwilligung, so wenig durch den Verfasser, als mit oder ohne dessen Zustimmung durch einen der Verleger oder einen Dritten, eine Sammlung veranstaltet werden, es sey denn, daß das Verlagsrecht, in Ansehung solcher einzelnen Schriften, nach dem darüber geschlossenen Vertrag erloschen oder aber eine Auflage gänzlich vergriffen wäre, und der dazu berechtigte Verleger eine neue nicht veranstalten zu wollen, auf gehörig beglaubigte Weise, erklärt habe, oder der Verfasser denselben, wenn die Auflage nicht vergriffen ist, wegen der noch vorräthigen Exemplare zu entschädigen bereit wäre. Eine Sammlung solcher Arbeiten eines Gelehrten, welche sich in Schriften, die durch Beiträge Mehrerer entstanden sind, befinden, darf nur mit Einwilligung des Verfassers, oder, während der oben festgesetzten Zeit, seiner Erben, veranstaltet werden. Artikel 9. Innerhalb derselben Zeit und nach denselben Grundsätzen ist auch die Aufnahme der Werke eines Schriftstellers in Sammlungen der Werke mehrerer Schriftsteller, wie z. B. deutscher Dichter, deutscher Geschichtsschreiber u. dgl., als unerlaubter Nachdruck zu betrachten. Artikel 10. Uebersetzungen einheimischer wie ausländischer Werke herauszugeben, steht Jedermann frei, und die in Deutschland erschienenen dürfen nicht nachgedruckt werden. Dadurch aber, daß Jemand zuerst die Uebersetzung eines Werkes unternimmt oder bekannt macht, erhält er kein ausschliessendes Recht, anderweit erscheinende Uebersetzugen zu hindern.

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Artikel 11. Auszüge eines Werkes, welches als besondere Schriften ausgegeben werden sollen, sind dem Nachdruck gleich zu beurtheilen, übrigens aber in critischen oder andern periodischen Werken und in Sammlungen erlaubt. Artikel 12. Abdrücke des ganzen Textes oder eines vollständigen Auszuges eines Ori­ ginalwerkes mit unwesentlichen Veränderungen, Hinweglassung oder Hin­ zufügung von Kupferstichen, Charten u. dgl., sind als verbotene Nachdrücke zu betrachten. Artikel 13. Nach Ablauf der im 2. Artikel bestimmten Zeit ist Jedermann zur Vervielfältigung eines nunmehr zum Gemeingut gewordenen Werkes berechtigt. Durch ein solches Unternehmen erwirbt aber Niemand ein ausschließliches Verlagsrecht. Artikel 14. Dieses kann jedoch erlangt werden, entweder 1) durch eigenthümliche Be­ arbeitung eines als Gemeingut zu betrachtenden Werkes, oder 2) durch Verleihung eines landesherrlichen Privilegium, welches aber nur innerhalb des Staates, von dessen Regierung es ertheilt ist, Wirkung haben kann. Artikel 15. Wenn ein Schriftsteller das Verlagsrecht eines von ihm verfaßten Werkes an einen Andern abgetreten hat; so darf dieser das Werk nicht weiter vervielfältigen, als durch den über den Verlag abgeschlossenen Vertrag festgesetzt worden ist; widrigenfalls macht er sich eines strafbaren Nachdrucks schuldig. Ist aber eine Handschrift einem Verleger entweder ausdrücklich oder auf eine die Absicht des Schriftstellers klar und unverkennbar bezeichnende Weise, ohne allen Vorbehalt, gänzlich und für immer überlassen; so steht jenem jede Vermehrung der Abdrücke frei, und sein Verlagsrecht erlischt nur nach dem Tode des Verfassers in der oben festgesetzten Zeit. Wenn hingegen das Verlagsrecht auf eine gewisse Zeit oder für eine Auflage, jedoch ohne Bestimmung der Zahl der Abdrücke, überlassen ist; so darf zwar der Verleger die Auflage so groß machen, als er es für gut findet; allein es ist unerlaubt, ohne Wissen und Einwilligung des Verfassers, nach Ablauf der in dem Vertrag festgesetzten Zeit, oder nachdem die gemachte Auflage vergriffen ist, aufs Neue ­Abdrücke zu veranstalten. Ist endlich in dem Verlagsvertrage die Zahl der abzudruckenden Exemplare bestimmt; so macht sich der Verleger eines unerlaubten Nachdrucks schuldig, wenn er die Auflage über die bestimmte Zahl erstreckt, oder heimlich eine neue Auflage veranstaltet.

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Artikel 16. Wenn aus einem Verlags Vertrage die unbeschränkte Abtretung einer Handschrift nicht hervorgeht, und doch auch nicht deutlich ausgedrückt ist, auf wie viele Auflagen er sich erstrecken soll; so ist anzunehmen, daß das Verlagsrecht nur für eine Auflage abgetreten sey, und es ist in diesem Falle die eigenmächtige Veranstaltung mehrerer Auflagen durch denjenigen, welcher in solcher Art das Verlagsrecht erworben hat, als Nachdruck zu betrachten. Dem Verfasser und, innerhalb der oben bestimmten Zeit, seinen Erben, steht es frei, nachdem die erste Auflage vergriffen ist, wegen einer neuen nach Belieben Verfügung zu treffen. Artikel 17. Es darf aber auch kein Schriftsteller, welcher sein Werk einem Verleger entweder überhaupt, ohne allen Vorbehalt, oder ausdrücklich für alle künftigen Auflagen überlassen hat, wider des Verlegers Willen eine neue Ausgabe, weder einzeln, noch in einer Sammlung seiner Werke, veranstalten, so fern nicht eine der im 8. Artikel bestimmten Ausnahmen statt findet. Artikel 18. Wenn ein Verleger ein Werk nach einem von ihm vorgelegten Plane hat verfassen lassen; so steht ihm das Eigenthum an demselben gänzlich zu, welches nur nach seinem Tode in der, Artikel 2 bestimmten Frist erlischt. Artikel 19. Wenn der Verfasser einer Schrift oder, innerhalb der oben bestimmten Zeit, sein Erbe, nach beendigter Verlagszeit seines Verlagsrechts weder selbst, noch durch Abtretung an einen Andern sich bedienen zu wollen, erklärt; so ist seine Schrift als Gemeingut, und die Vervielfältigung derselben, welche alsdann Jedem frei steht, nicht als Nachdruck anzusehen. Die Beendigung der Verlagszeit hängt aber von den Bedingungen des Verlagsvertrags, und, wenn der Schriftsteller sein Recht für eine oder mehrere Auflagen abgetreten hat, von dem Absatze der vertragsmäsig gemachten Auflage ab. Artikel 20. Der gesetzliche Schutz gegen den Nachdruck geht durch unbillige Steigerung der Bücherpreise verloren, und der Nachdruck jeder Schrift ist erlaubt, für welche der Verleger einen offenbar unbilligen Preis angesetzt hat. Für offenbar unbillig ist aber der Preis gewöhnlicher Druckschriften zu achten, welche für den Bogen Druckpapier . . . . . . . . . . . ggl. Schreibpapier . . . . . . . . . . — Velinpapier …. . . . . . . . . . —

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Berlin, 30. März 1819

übersteigt. Ein ausserordentlicher Aufwand durch Kupferstiche, wohin aber Titel-Kupfer und Vignetten nicht zu rechnen sind, macht hiervon billig eine Ausnahme. Allezeit muß aber der Preis auf dem Titel des Werkes angegeben seyn. Artikel 21. Der Nachdruck wird mit Confiscation der nachgedruckten Exemplare und mit einer Geldbuße von 25 bis 1000 Rthlr. bestraft werden. Der Nachdrucker ist überdieß dem Verleger einen Schadensersatz, welcher dem Verkaufspreis von 500 Exemplaren der nachgedruckten Schrift gleich kommt, zu leisten schuldig. Ein Verleger, welcher, nach Artikel 14 und 15, gegen den Verfasser, und ein Schriftsteller, welcher, nach Artikel 16, gegen seinen Verleger sich vergeht, soll dem Nachdrucker gleich behandelt werden. Artikel 22. Der Verkauf nachgedruckter Werke ist verboten. Wer sich desselben schuldig macht, soll neben der Confiscation der in seinem Besitz befindlichen Nachdrücke, mit einer Geldstrafe von 10 bis 100 Rthlr. belegt werden. Artikel 23. Das wiederholte Vergehen des Nachdruckes, oder des Verkaufs nachgedruckter Werke, wird mit zeitlicher oder beständiger Untersagung des Buchhändler- oder Buchdrucker-Gewerbes bestraft werden.

198. Hardenberg an Goltz

GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 616, fol. 61. Weisung. Behändigte Ausfertigung.

Keine Abstimmung mit Metternich über das Thema Pressefreiheit. Anweisung des Königs an das Staatsministerium, das Problem der Pressefreiheit einer Prüfung zu unterziehen. Sobald ein Resultat vorliege, das am Bundestag verwandt werden könne, werde Goltz darüber in Kenntnis gesetzt.

Berlin, 30. März 1819 Ew. Excellenz wünschen in dem Berichte vom 4ten November v. J.1, womit der in der 51ten vorjährigen Sitzung von dem Gesandten von Berg über Preßfreiheit gehaltene Vortrag2 von Ihnen zur weitern Instruction eingereicht wird, eine nähere Nachricht darüber zu erhalten, ob über diese Angelegenheit zwi1 Vgl. GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 616, fol. 31−32’ (Konzept). 2 Vgl. Dok. 194.

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Gutachten des Wahlausschusses der deutschen Buchhändler

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schen dem Fürsten von Metternich und mir eine bestimmte Abrede genommen worden sey. Eine solche ist nicht erfolgt. Es ist aber von des Königs Majestät eine ­besondere Veranlassung an das Königliche Staats-Ministerium ergangen, die Angelegenheit für unsern Staat einer nähern Prüfung zu unterwerfen und die Grundsätze in Vorschlag zu bringen, welche sich zu einer den Verhältnissen angemessenen gesetzlichen Bestimmung eignen. Das Maaß von Freiheit oder Beschränkung, welches Seine Majestät für den Preußischen Staat nöthig ­finden werden, kann nicht anders als von dem entscheidensten Einfluß auf den künftigen Beschluß des Bundestags seyn. Dies wollte ich vorläufig Ew. Excellenz zu Ihrer eigenen Instruction mit­ theilen. Sowie die hiesigen Orts eingeleitete Berathung zu einem Resultate fortgerückt ist, welches am Bundestage benutzt werden kann, werde ich Ew. Excellenz davon in weitere Kenntniß setzen. C. F. v. Hardenberg

199. Gutachten des Wahlausschusses der deutschen Buchhändler über den Entwurf einer Verordnung zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck

BA Berlin-Lichterfelde, DB 1/I, Nr. 303, T. 1. Gutachten. Druckfassung.

Da im Kommissionsbericht der Wunsch geäußert werde, die einzelnen Regierungen mögen das Gutachten von Sachkundigen einholen, legt der Wahlausschuß der deutschen Buchhändler sein Gut­achten zu dem Kommissionsbericht und dem Gesetzentwurf vor: 1. Um ein Unterlaufen des Nachdruckverbots deutscher Werke im Ausland zu verhindern, solle der Deutsche Bund entsprechende Verhandlungen mit benachbarten Staaten führen. 2. Forderung nach einer Verlängerung des Eigentumsrechts an Geisteswerken für die Nachkommen und Erben eines Schriftstellers auf mindestens 30 Jahre (Art. 2 des „Entwurfs“). 3. Die Artikel 16−19 des „Entwurfs“ dürfen keine rückwirkende Kraft haben, weil sonst vor allem die Artikel 15 und 19 im Gegensatz zu den Bestimmungen des preußischen Allgemeinen Landrechts sowie den Auffassungen Pütters und anderer stehen würden. Ist in Verträgen keine Zahl der Ausgaben bestimmt, müssen die betreffenden Werke als unbedingtes Eigentum des Verlegers angesehen werden. 4. Der Passus über un­billige Bücherpreise müsse unter Hinweis auf die je u­nterschiedliche Kalkulation der Buchpreise gestrichen werden; außerdem wird die Angabe des Preises auf dem Titel wegen der unterschiedlichen Kostenstrukturen in Deutschland abgelehnt. 5. Fordern in Artikel 21 präzisere Angaben über den Klageweg und die Einführung eines ebenso strengen Verfahrens wie beim Wechselrecht. 6. Das Verbot des Verkaufs nachgedruckter Werke dürfe keine rückwirkende

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Leipzig, Ostermesse 1819

Kraft haben, da bislang ausdrücklich oder stillschweigend geduldete Nachdrucker nicht gegen die Gesetze ihres Landes gehandelt haben; gefordert wird deshalb die Gewährung von Übergangsfristen für den Verkauf nachgedruckter Bücher, jedoch nur in den Staaten, in welchen dies per Gesetz erlaubt gewesen sei.

Leipzig, Ostermesse 1819 Ehrerbietiges Gutachten über den, von den Herren Bundestags-Gesandten v. Martens, v. Berckheim und v. Berg übergebenen, Entwurf einer Verordnung zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck. Von dem Wahlausschusse der Teutschen Buchhändler. Jemehr es ein allgemeines Interesse ist, daß die Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck sichergestellt werden und das literarische ­Eigenthum, wie jedes andere Eigenthum, den vollen Schutz der Gesetze genieße, desto mehr muß es mit Danke anerkannt werden, wie sehr die hohe Bundesversammlung, durch Publicirung des „Entwurfs einer Verordnung zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nach­ druck“1 − für welche bereits die, in der 34ten Sitzung des vorigen Jahrs vorgetragenen, einen seltnen Eifer in Ergründung verwickelter Gegenstände ­beurkundenden, Vorarbeiten der Herren Commissarien2 die allgemeine Aufmerksamkeit in Anspruch genommen hatten, − sich angelegen seyn läßt, den 18ten Artikel der Teutschen Bundesacte3 zur Ausführung zu bringen. Wenn die gehorsamst Unterzeichneten sich erlauben, einige Bemerkungen über etliche Puncte des „Entwurfs“ ehrerbietigst vorzutragen, so glauben sie dadurch im Allgemeinen dem Wunsche zu entsprechen, welcher in dem Commissionsberichte vom 9ten Februar4 zunächst in Beziehung auf den 20. Artikel des „Entwurfs“ geäußert: „daß das Gutachten von Sachkundigen durch die einzelnen Regierungen eingezogen werden möge“, und insbesondere sind sie dazu veranlaßt durch eine, von dem Herrn Buchhändler Varrentrapp5 ihnen in Leipzig mitgetheilte, Aufforderung, welche der verehrliche Senat der freien Stadt Frankfurt an die Buchhändler dieser Stadt hat ergehen lassen. 1 Dok. 197. 2 Vgl. Dok. 192 und ProtDBV 1818, 34. Sitzung vom 22. Juni 1818, § 159, S. 360−370. 3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516 f. 4 Vgl. Dok. 196. 5 Franz Varrentrapp (1777−1831), Frankfurter Buchhändler. Vgl. DGB, Bd. 11, 1904, S. 608 f.; von Arnswaldt, Aus der Geschichte der Familie Varrentrapp, S. 70−73; Schmidt, Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker, Bd. 6, S. 1077−1081.

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Gutachten des Wahlausschusses der deutschen Buchhändler

Nr. 199

Die Unterzeichneten, welche nur zum kleinsten Theile Verlagsbuchhändler, zum größten Theile Sortimentsbuchhändler sind, ersuchen die hohe Bundesversammlung ehrerbietigst und dringend, die nachfolgenden Bemerkungen doch ja nicht als die Aeußerungen und Wünsche des bloßen Eigennutzes anzusehen, sondern als Bemerkungen von Männern, welche ihr Geschäft genau und von allen Seiten kennen, welche dabei das Bewußtseyn hegen, die in der 34. Sitzung 1818 von den verehrlichen Herrn Commissarien gelieferte Charakteristik eines „ächten Buchhändlers“6 auch auf sich beziehen zu dürfen, und welche aufs innigste überzeugt sind, daß, so wie nur durch den Flor der Literatur der Buchhandel blühend erhalten werde, ebenso auch der Flor der Literatur und die davon abhängige Cultur in Teutschland im Allgemeinen untergraben werden und zu einem traurigen Zustande herabsinken würde, wenn der Buchhandel der ihm durchaus nöthigen Freiheit beraubt würde. Die gehorsamst Unterzeichneten haben sich bemüht, sich bei ihren Bemerkungen, bei welchem sie dem Commissionsberichte vom 9ten Februar und dem mit demselben vorgelegten Gesetzes-Entwurfe in der Ordnung der Ar­ tikel gefolgt sind, sich der Kürze zu befleißigen; sie sind aber bereit und ­erbötig jeden berührten Punct weiter auszuführen und mit allen nur irgend nöthigen Belegen zu versehen, so bald dieß der hohen Bundesversammlung nöthig scheinen sollte. Artikel 1. Die Commission hat bedenklich gefunden, ein Verbot des Nachdrucks ausländischer Werke vorzuschlagen, nicht nur aus Gründen der Reciprocität, sondern auch weil in der Regel dem ausländischen Verleger durch solche Nachdrücke kein wesentlicher Nachtheil zugefügt werde. So wenig wir den Werth dieser Gründe verkennen, und so gewiß auch der Londoner und Pariser Buchhändler, welcher in London und Paris allein schon einen außerordentlich ­großen Absatz, und in Ostindien und America einen ungeheuern Markt für Englische, so wie in ganz Europa für Französische Literatur-Producte hat, durch Nachdrücke in Teutschland gar nicht oder wenig beeinträchtigt wird, so erlauben wir uns doch, der hohen Bundesversammlung ehrerbietigst anheim zu geben, ob nicht der Schutz des literarischen Eigenthums für Schriftsteller und Verleger zum Gegenstand einer Verhandlung zwischen dem Teutschen Bunde und den benachbarten Staaten gemacht werden sollte? Denn wenn auch z. B. dem Pariser Gelehrten und Buchhändler in der Regel wenig daran liegen mag, ob ein Französisches Werk in den Niederlanden oder in Teutschland nachgedruckt werde, so ist das doch auch nicht immer und nicht für alle Zeit ganz ausgemacht. Gewiß aber ist, daß, wenn sich in man6 Vgl. Dok. 192, S. 904.

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chen Staaten, welche nicht zum Teutschen Bunde gehören, − z. B. in der Schweiz, wo es vielleicht am ersten gefürchtet werden könnte, im Elsaß, in den Niederlanden, oder in Cur- und Lievland, in Polen, in Ungarn oder in Dänemark − Nachdrucker teutscher Werke, etablirten, dadurch das Gesetz der hohen Bundesversammlung allerdings umgangen und zum Theil unwirksam gemacht werden würde. Vielleicht könnten dergleichen Staaten, in welchen sich der Nachdruck teutscher Werke organisiren wollte, in Beziehung auf das neue Gesetz eingeladen werden, denjenigen Teutschen Schriftstellern und Verlegern, welche darum ansuchen, Schutz gegen den Nachdruck ihres Werkes zu gewähren, ohne daß jedoch diese gezwungen wären, kostbare Privilegia zu bezahlen, wogegen ausländischen Schriftstellern, z. B. in der Schweiz oder in Frankreich, u. s. w. die sich deßhalb melden, ein gleicher Schutz innerhalb der Staaten des Teutschen Bundes gewährt werden müßte. Artikel 2. Was die Dauer des Eigenthumsrechts an Geisteswerken anlangt, so ist die Bestimmung darüber eine der wichtigsten und folgenreichsten nicht allein für den einzelnen Schriftsteller und Verleger und deren Familien, sondern auch für den Buchhandel im Ganzen, und kann daher nicht sorgfältig genug erwogen werden. Wir enthalten uns aller Betrachtung des Grundsatzes, von welchem die Commission bei Aufstellung dieses Artikels ausgegangen ist. Mögen philosophische und rechtskundige Schriftsteller ihn beleuchten und die hohe Bundesversammlung in ihrer Weisheit deren Gründe prüfen und berücksichtigen! Die Bundestags-Commission selbst aber, indem sie die Eigenthumsrechte beschränken zu müssen glaubte, hat doch die Billigkeit nicht verkannt, den Nachkommen und Erben eines Schriftstellers die Früchte seiner Arbeiten zu sichern. Hiezu ist aber ein Zeitraum von 10 und resp. 15 Jahren nach dem Tode des Autors durchaus zu kurz angesetzt. Die Bestimmung jeder Zeitfrist, sie erstrecke sich auf ein, zehn oder 50 und mehr Jahre, wird immer ganz willkürlich bleiben, nur wird die eine weniger, die andere mehr unbillig seyn. Soll aber nun einmal eine bestimmte Frist festgesetzt werden, so scheint sie nach unser Aller Dafürhalten doch wenigstens dreißig Jahre betragen zu müssen, wenn nicht den Erben der Verfasser und der Verleger in vielen Fällen ein bedeutender Schade soll zugezogen und in einzelnen der völlige Ruin einer Handlung herbeigeführt werden können, ohne daß dadurch dem Publicum, um dessenwillen doch die Beschränkung der Eigenthumsrechte des Verfassers und Verlegers und deren Erben vorgeschlagen wird, ein nur einigermaaßen verhältnißmäßiger Vortheil dadurch erwachsen wird. Wenn für den Vorschlag der Zeitfrist von 10 Jahren die verehrliche Commission vielleicht vor Augen gehabt hätte, daß alle einzelne Landesherrlichen

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Privilegia nur auf 10 Jahre gegeben wurden, so wäre in Anschlag zu bringen, daß nach Ablauf der 10 Jahre das Privilegium auf nochmalige 10 Jahre und so immer fort von 10 zu 10 Jahren erneuert werden konnte und kein Beispiel vorhanden ist, daß diese Erneuerung jemals wäre versagt worden. Wenn aber der Vorschlag einer Zeitfrist von 10 Jahren sich nach dem Vorgange von Frankreich sollte gerichtet haben, so erlauben wir uns wieder daran zu erinnern, daß Frankreich und Teutschland in ganz verschiedenen Verhältnissen sind, und daß das, was im ersten Lande ohne allen Nachtheil seyn kann (wiewohl es darüber doch an genauen Notizen mangelt), darum doch noch nicht für Teutschland empfohlen zu werden verdient. In keinem Lande ist es so leicht für den Schriftsteller für seine Arbeiten Verleger zu finden, als in Teutschland, (dagegen dieß in Frankreich, außer Paris, schon sehr schwer fällt7, und in Italien, dessen Städte gegen einander gar kein literarisches ­Eigenthum zu respectiren brauchen, und sich nachdrucken können, was sie wollen, oft die beßten Schriften ungedruckt bleiben, wenn nicht der Verfasser sie auf eigene Kosten drucken läßt) in keinem andern Lande findet eine so schnelle, gleichförmige und verhältnißmäßig wohlfeile und für Bücher­ freunde unschätzbar bequeme Verbreitung der Literaturproducte Statt, als in Teutschland. Daß diese Vorzüge Teutschlands von der eigenthümlichen Einrichtung des Teutschen Buchhandels abhängig seyn müssen, ist einleuchtend, und daher sehr zu wünschen, daß man mit Abänderungen desselben sehr vorsichtig seyn möge, da man deren Folgen nicht kennt und eher nachtheilige zu befürchten, als wohlthätige zu hoffen seyn möchten. Wie ganz wesentlich verändernd aber eine Maaßregel einwirken müßte, welche fernerhin jeden Verlags-Erkauf in einen kurzen 10 jährigen Verlags-Pacht umändern würde, ist in die Augen springend. Da nun aber auch von einem Gesetze in Hinsicht der Frist, nach deren Verflusse ein Werk nicht mehr Eigenthum der Erben oder der Verlagshandlung seyn, sondern Gemeingut des Publicums werden soll, keine Rückwirkung Statt finden kann, ohne ganz besonders in das Eigenthum derjenigen Handlungen einzugreifen, welche beträchtliche Verlagsunternehmungen in der Voraussetzung gemacht haben, durch das ewige Verlagsrecht für die aufgewendeten Capitalien und Arbeiten wieder entschädigt zu werden, und deren Wohlstand durchaus gefährdet werden würde, wenn alle diejenigen Verlags­ artikel, deren Verfasser seit länger, als der für eine Frist festzusetzen belie­ bigen Zeit, verstorben sind, für Gemeingut des Publicums erklärt würden, so ­müssen wir den Wunsch aussprechen, es möge der hohen Bundesversammlung gefallen, darüber solche Bestimmungen zu erlassen, vermöge welcher die ­bisherigen Verlagshandlungen sicher gestellt werden, daß ihnen nicht ein 7 Emendiert. Vorlage: hält.

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gesetzmäßiger Nachdruck tiefere Wunden schlage, als ihnen bisher der gesetzlose versetzt hat. Artikel 16−19. Obgleich es ohne Zweifel auch hier nicht die Ansicht des Entwurfs seyn kann, daß das Gesetz eine rückwirkende Kraft haben solle, so ist doch zu wünschen, daß dieß in dem Gesetze noch ausdrücklich ausgesprochen werde, weil namentlich die Artikel 16 und 19 gerade das Entgegengesetzte von dem vorschlagen, was z. B. das Preußische Landrecht verordnet8, nach welchem, wie nach Pütter9 und mehreren Anderen diejenigen Werke, wobei kein deutlicher Contract die Zahl der Ausgaben bestimmt, als unbedingtes Eigen­thum der Verleger angesehen werden. Auch wäre wohl, da der Artikel 17 Auflage und Ausgabe zu unterscheiden scheint, die Erläuterung wünschenswerth, ob diese Ausdrücke in dem Sinne zu verstehen seyen, in welchem z. E. das Preußische Landrecht sie gebraucht10 oder in einem anderen. Artikel 20. Je aufrichtiger alle, ihr Geschäft kennende, Buchhändler in den Wunsch des Publicums nach billigen Bücherpreisen einstimmen werden, desto mehr glauben wir uns gegen den Vorschlag erklären zu müssen, daß dieß durch eine gesetzliche Vorschrift, wie hoch ein Bücherpreis gestellt werden dürfe, zu erzielen sey. Der Preis eines Buchs geht hervor aus der Berechnung und Schätzung alles dessen, was bei der Fabrication concurrirt hat, und behufs des Verkaufs als wahrscheinlich angenommen wird. Dieß verhält sich aber fast bei jedem ­Buche etwas anders. Es kommen nämlich dabei zunächst folgende Dinge in Anschlag: 1) Das Honorar. Dieß ist so verschieden, daß die Gradationen sich gar nicht aufzählen lassen, und wir statt vieler Beispiele nur anführen wollen, daß bei zwei Büchern, die dasselbe Publicum in Anspruch nehmen, der Unterschied sehr beträchtlich seyn kann. Auch ist ohne Zweifel ein Verfasser wohl berechtigt, den Preis, den er für seine Geistesproducte fordert, so hoch zu setzen, als er will. Niemand kann ihm darüber etwas Beschränkendes vorschreiben, um so weniger, da der Gelehrte doch durch die Ausgaben während seiner Studienzeit und für Gelehrte Ap­   8 Vgl. Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, 1. Teil, 11. Titel, 8. Abschnitt, 7: Verlagsverträge, § 996−1036, S. 163 f.  9 Vgl. Johann Stephan Pütter, Der Büchernachdruck, nach ächten Grundsätzen des Rechts geprüft. Göttingen 1774, bes. S. 27 (§ 23), 42 (§ 41) u. 74 (§ 73). 10 Vgl. Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, S. 163 (§ 1011 f.).

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parate etc. ebenfalls Auslagen genug gehabt hat; auch wird er sich nie darüber eine Beschränkung gefallen lassen. Der Buchhändler aber kann das Honorar immer nur in der Voraussetzung entrichten, daß er es auf die Zahl der Abdrücke vertheilt, welche er zu verkaufen denkt, und daß das Publicum ihm die Summe des Honorars, so wie seiner übrigen Verlagskosten in der Maaße wieder bezahlen werde, daß ein schicklicher Gewinn als Zinsen für das aufgewendete Capital, als Belohnung für die angewendete Mühe und Arbeit, und als Prämie für das unternommene, gar nicht so geringe, Risico ihm zu Gute komme. Sollte er nun aber auf bestimmte Bücherpreise eingeschränkt werden, so müßten diesen auch Einschränkungen der Honorare vorangehen, weil jene sich nothwendig mit nach diesen richten. Wie wollte man aber je eine Norm für die ­Honorare ausmitteln? Alle schriftstellerischen Producte auf eine Linie zu stellen, geht doch nicht an, und verschiedene Classen für sie anzunehmen, scheint ebenso unmöglich. Wer sollte es unternehmen, den ­inneren Werth eines Werkes zu bestimmen, und welcher Schriftsteller würde sich dieser Bestimmung unterwerfen? Der Verkaufswerth aber wird ja erst durch die Erfahrung über den Verkauf ausgemittelt. Jede Schätzung bis dahin ist, wo nicht willkürlich, doch höchst unsicher; wollte Jemand den Verkaufswerth aussprechen, − vorausgesetzt, daß der Schriftsteller sich die Schätzung gefallen ließe, − so müßte er zugleich für die Richtigkeit des Ausspruchs die Garantie übernehmen, wozu sich Niemand verstehen wird oder kann. Wenn nun also für das Honorar ­keine beschränkende Norm gefunden werden kann, dasselbe vielmehr von einer unbedeutenden zu einer bedeutenden Summe variiren wird, so kann der Buchhändler auch nicht umhin, seine Preise mit darnach zu reguliren 2) Das Papier. Für dieses einen Normalpreis festsetzen zu wollen, wodurch übrigens der Papierfabrikant auf’s Härteste in seinem Gewerbe beeinträchtigt würde, ist eben so wenig möglich. Es kommen hier nämlich nicht bloß die Gattungen Druck-, Schreib- und Velin-Papier in Anschlag, sondern die hundert verschiedenen Sorten und Arten dieser drei Papier-Gattungen, die sich durch Weiße, Stärke und durch Feinheit und Mischung des Stoffs, also durch die verschiedene Güte, unterscheiden. Durch diese Verschiedenheit der Güte wird aber auch nothwendig eine Verschiedenheit des Preises veranlaßt. So variirt z. E. das Groß-OctavDruckpapier von 12 bis zu 40 Thalern der Ballen und mit den andern Papier-Gattungen verhält es sich ebenso. Daß sich also hier keine allgemeine Norm ausmitteln läßt, ist klar; aber eben so einleuchtend auch, daß die verschiedenen Papierpreise Verschiedenheit der Bücherpreise nach sich ziehen müssen.

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3) Satz und Druck. Auch hiervon ist der Preis höchst verschieden, je nachdem diese oder jene Lettern gewählt werden, das Format groß oder klein ist, die Zeilen weit oder enge stehen, der Text mit oder ohne Noten gedruckt wird, das Buch in der Muttersprache oder in einer fremden erscheint, die Correctur viel oder wenig Zeit kostet, und je nachdem der Drucker eine größere oder geringere Auflage auf Druck-, Schreib- oder Velin-Papier zu machen hat. Nach allen diesen Umständen kann der Satz und Druck in dem einen Werke auf 2 bis 3 Thaler, in dem anderen auf 10 bis 20 Thaler der Bogen zu stehen kommen, selbst wenn Papier und Format dasselbe ist. Wie sollte sich also hier eine Taxe ausmitteln lassen, die doch auch nöthig wäre, wenn eine Norm für die Bücherpreise gegeben werden sollte? 4) Die Stärke der Auflage. Diese ist wieder eine Hauptbedingung bei der Berechnung des Preises. Wenn die für Honorar, Papier und Druck gemachten Auslagen auf 6 000 Exemplare vertheilt werden, so muß der Preis natürlich ganz anders ausfallen, als wenn sie auf nur 300 vertheilt werden müssen. Die Stärke oder Schwäche der Auflage kann aber bei einer neuen Auflage durch nichts Anderes bestimmt werden, als durch eine Voraussetzung über den Erfolg des Verkaufs, und wie außerordentlich oft diese Voraussetzung, auch bei der genauesten Kenntniß der ­Bedürfnisse des Publicums und der sorgfältigsten Erwägung aller Umstände, trügt, darüber kann jeder Verleger die Beweise liefern, wenn sie nicht schon durch den ungeheuern Maculatur-Verbrauch geliefert würden. Kann man aber nicht eine Vorschrift über die Stärke der Auflage geben, wobei man die Garantie für den wirklichen Verkauf derselben übernehmen müßte, und muß die Auflage, nach der Voraussetzung des Verlegers sich richtend, bald größer, bald kleiner gemacht werden, so muß auch der Preis nach ihr bald niedriger, bald höher gestellt werden. 5) Außer diesen Hauptpuncten, woraus eine nothwendige Verschiedenheit der Preisansätze schon klar hervorgeht, müssen noch eine Menge anderer Umstände in Anschlag gebracht werden, von welchen wir nur einige noch anführen wollen. a) Die so große Verschiedenheit des Arbeitslohns und der Preise der Bedürfnisse in den verschiedenen Gegenden Teutschlands, wodurch die Fabrication im Norden desselben fast um ein Viertheil höher zu stehen kommt, als im Süden Teutschlands. b) Die Entfernung von Leipzig, als dem Stapelorte des Teutschen Buchhandels, wodurch größere oder geringere Frachten und Reisekosten erfordert werden. c) Die Rücksicht, ob ein Buch, dem Absatze nach, vorzugsweise auf eine Provinz, oder auf ganz Teutschland berechnet ist.

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d) Die Frage, ob der Absatz eines Buchs in zwei oder in zehn Jahren zu bewirken ist, folglich die Interessen des aufgewendeten Capitals für zwei oder für zehn Jahre in Anrechnung zu bringen sind. e) Die Veränderlichkeit, und besonders das fortwährende Steigen der Preise von Druck und Papier. Noch vor 30 Jahren bezahlte man dem Buchdrucker kaum die Hälfte von dem, was der Druck jetzt kostet; der Ballen Papier von nämlicher Güte kostete damals 15, jetzt 25 bis 30 Thaler. Ja, nur seit 6 Jahren sind die Papierpreise um 25 bis 30 p. Cnt. gestiegen; daher auch selbst in dem Falle, daß man eine Norm über die Bücherpreise festsetzen könnte, was wir bezweifeln, diese Norm aus dem eben berührten Grunde in wenig Jahren völlig unbrauchbar seyn würde. Nachdem wir auf diese Weise, wo nicht die Unmöglichkeit, doch wenigstens die Schwierigkeit und Unzulänglichkeit einer Vorschrift über ein maximum der Bücherpreise dargethan zu haben glauben, erlauben wir uns nun noch die Frage aufzuwerfen, ob eine solche Preisfixirung denn wohl räthlich, und ob sie nöthig sey? Was zuerst die Räthlichkeit einer Regulirung fester Bücherpreise anlangt, so glauben wir sie aus folgenden Gründen verneinen zu müssen. 1) Wäre zu befürchten, daß die Festsetzung der Bücherpreise, statt wohlfeile Bücher zu liefern, dieselben nur theurer machen würde, insofern mancher Verleger dann nicht mehr seine Preise nach den gehabten ­Kosten calculiren, sondern kurzweg auf das, zunächst dem verbotenen Preise erlaubte, maximum setzen würde. 2) Wäre auch, wenn verboten würde, die Bücher zu einem solchen Preise zu verkaufen, als ihn die darauf verwendeten Kosten wirklich forderten, zu befürchten, daß nun auch der schickliche Aufwand für das Aeußere der Bücher aufhören oder abnehmen möchte, wodurch unsere literarischen Producte in dieser Hinsicht noch mehr als bisher gegen die des Auslandes zurückgesetzt würden. Zu geschweigen, daß ein bloß gewinnsüchtiger Verleger, sich auf die Taxe berufend, nicht allein den Preis seiner Bücher nach dem höchsten Ansatz bestimmen, sondern auch die wohlfeilste, also schlechteste, Sorte Papier nehmen und nun erst recht unbillige Preise machen könnte. 3) Ist der Buchhandel ein Handel, und wenn derselbe für die Bequemlichkeit und Cultur der lesenden und schreibenden Welt als ein wichtiger Gegenstand angesehen wird, so darf die Basis, auf welcher aller und jeder Handel beruht, die Freiheit des Handels, nicht ängstlich beschränkt werden. 4) Wäre zu befürchten, daß gar manche Werke gar nicht mehr verlegt werden könnten, nämlich solche, die einen gewissen Aufwand erfordern,

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und ihrer Natur nach nur eine sehr beschränkte Anzahl von Abnehmern finden, obgleich diese vielleicht sehr gern einen etwas höheren Preis bezahlen würden, um nur das Werk zu erhalten, z. B. Werke der höheren Mathematik und Astronomie u. a. m. Aber auch die Nothwendigkeit einer Preisfixirung glauben wir in Abrede stellen zu müssen. Denn so häufig auch die Klagen über zu hohe Bücherpreise gehört werden, indem sie theils von den Nachdruckern zur Beschönigung ihres Gewerbes, theils von Personen, die des Verlagsgeschäfts und Buchhandels ganz unkundig sind, erhoben werden, so ergiebt sich doch bei einer Untersuchung und Vergleichung der literarischen Producte der letzten zehn Jahre, daß die Preise derselben sich größtentheils einander gleich sind, und in Median-Format, auf gutem Druckpapier gedruckt, der Bogen selten mehr als zwei Groschen berechnet worden ist, und sich also von selbst, und ohne eine gesetzlichbeschränkende Einschreitung ein Mittelpreis erzeugt hat, der mit den jetzigen Preisen aller Bedürfnisse im Verhältniß steht. Ein solches Verhältniß kann auch künftig nicht unbeachtet bleiben. In Vergleich mit manchen alten Büchern, Postillen etc. scheinen zwar die jetzigen Bücherpreise hoch, aber dieser Schein verliert sich, wenn man die jetzige Zeit mit jener vergleicht, wo diese Bücher entstanden. Welche Auflagen durfte der Buchhändler damals drucken, weil er nicht, wie jetzt, zu fürchten hatte, daß in nächster Messe ganz ähnliche Bücher zu dreien und vieren bei anderen Verlegern erscheinen könnten? Für welche geringe Honorare erhielt der Buchhändler die Manuscripte? Wie bezahlte man damals Papiere und Druck? Wie niedrig waren Miethen, Frachten, Porto? etc. Bei alle dem fehlt es auch jetzt noch nicht an Büchern, die an Wohlfeilheit des Preises die Vergleichung mit jenen Werken der alten Zeit aushalten, und zwar finden sich dergleichen auch in Handlungen, wo andere Bücher zu hohen Preisen verkauft werden. Hiermit soll jedoch nicht geläugnet werden, daß nicht manche Bücher einen auffallend hohen Preis, und einzelne einen unbilligen Preis hätten. Allein nicht alle sehr hohen Preise darf man für unbillig erklären, wenn man die Verhältnisse kennt und erwägt. Wenn der Verfasser eines Gedichts sich 1200 Thaler, den Bogen mit circa 16 Louisd’or für die erste Auflage bezahlen läßt, welche in dem Augenblicke, wo sie erscheint, die Beute des Nachdruckers wird, so ist ein Preis von zwei Thalern für ein Buch von etwa 15 Bogen, also etwa 3½ Groschen für den Bogen, zwar hoch, aber keineswegs unbillig. Wäre nicht die gegründete Furcht vor dem Nachdrucke, so würde der Preis ganz unbezweifelt niedriger gestellt seyn; denn ein Verleger weiß sehr gut, daß ein, für das große Publicum bestimmtes Buch um so mehr Käufer findet, je billiger der Preis desselben ist, und daß dieser vergrößerte

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Absatz dann dem Unternehmer mehr Vortheil gewährt, als ein geringerer Absatz zu höherem Preise. Bei einer Auflage von 5000 Exemplaren kann der Verleger mit einem Preise von 12 gGr. mehr Gewinn haben, als mit dem Preise von 2 Thalern, wenn er nur 1000 Exemplare drucken zu lassen wagen darf. Ueber offenbar unbillige Preise theilen gewiß auch wir den Unwillen, den sie beim Publicum erregen. Allein dergleichen wahrhaft unbillige Preise sind einzelne, und wir dürfen sagen, seltene Fälle, welche in der Regel ihre eigene Strafe, die des geringeren Absatzes mit sich führen, und welche durchaus keine allgemeine, den ganzen Teutschen Buchhandel wesentlich beschränkende Maaßregeln, sondern höchstens solche Einrichtungen entschuldigen, die jenen einzelnen Fällen entgegen wirken. In dieser Hinsicht erlauben wir uns ehrerbietig darauf anzutragen, die in dem Gesetzes-Entwurfe Artikel 20 enthaltene Stelle: „für offenbar unbillig ist aber der Preis gewöhnlicher Druckschriften zu achten, welche … übersteigen.“ in das Gesetz nicht aufzunehmen. Eher möchten noch offenbar unbillige Preise einer Jury vorgelegt werden, welche aus sachverständigen rechtlichen Männern gewählt werden, und in vorkommenden Fällen zur Zeit der Jubilate-Messe, unter dem Vorsitze eines, durch die Regierung dazu ernannten Rechtsgelehrten sich versammeln könnte und nach deren Ausspruche der Verleger den für unbillig erklärten Preis zu ermäßigen, oder eine wohlfeilere Ausgabe zu veranstalten hätte. − Obgleich auch diese Maaßregel, als eine, in keinem anderen Lande erhörte Beschränkung der Handelsfreiheit, nur höchst ungern ertragen werden würde. Endlich erlauben wir uns noch eine ehrerbietige Bemerkung über den Schluß des 20. Artikels, nach welchem der Preis allzeit auf dem Titel angegeben werden soll. Diese Vorschrift könnte allen, nicht sehr entfernt von Leipzig etablirten, Buchhandlungen vollkommen gleichgültig seyn. Anders verhält es sich aber mit den sehr entfernten Buchhandlungen, für welche die, von dem Verleger erhaltenen Procente nicht mehr hinreichend sind, um den weiten Transport, Handlungsunkosten etc. zu decken, zumal wenn in ihrer Gegend noch schlechtes Geld cursirt; diese Handlungen müssen den Preis etwas erhöhen: daß sie dieß nicht übertreiben, dafür sichert die Concurrenz der Handlungen selbst, indem das Publicum, welches durch Zeitungen, Ankündigungen und Katalogen von den Leipziger Preisen sich unterrichten kann, sich bald zu einem billigeren Nachbar wenden würde. Allein mit wie manchem Käufer würden entferntere Handlungen sich in weitläuftige Discussionen einlassen müssen, ohne ihm doch den Gedanken benehmen zu können, er sey übervortheilt, wenn er etwas mehr bezahlen muß, als auf dem Titel angegeben ist. Dieß ist auch der Grund, warum man das Aufdrucken der Preise, was von einigen Ver-

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lagshandlungen bereits versucht worden ist, immer wieder aufgegeben hat, und nur bei Schul- und Erbauungsbüchern beizubehalten pflegt, nämlich bei Büchern, die sehr häufig in die Hände von Unterkäuflern gelangen, bei welchen keine eigentliche Handlungsgrundsätze vorauszusetzen sind. In England wird der Preis meistens auf dem Rücken des Buchs angegeben; allein durch die wohlfeilen Transportmittel daselbst, verliert der Buchhändler weniger an Procenten, und kann auch in größeren Entfernungen die Preise halten, und bei allzugroßen Entfernungen steht der aufgedruckte Preis auch der Preis-Erhöhung nicht entgegen, weil das Englische Publicum in der Regel zu viel Einsicht des Handelsverkehrs hat, um nicht, was bei allen Handelsartikeln geschieht, auch bei Büchern zu gestatten. Artikel 21. Wir haben hierüber nur den Wunsch auszudrücken, daß in dem Gesetze selbst angegeben werde, auf welchem Wege die Klagen über Beeinträchtigung anhängig gemacht werden, und zur Abhülfe gelangen können, und daß in dieser Angelegenheit ein eben so schnelles und strenges Verfahren eingeführt werden möge, als das Wechselrecht es mit sich bringt. Artikel 22. Da das Gesetz auch in Beziehung auf die Nachdrucker keine rückwirkende Kraft haben kann, so muß man die Frage aufwerfen: Wie soll es mit den Nachdrücken gehalten werden, die vor der Erscheinung des Bundesgesetzes zur Sicherstellung des literarischen Eigenthums, gemacht worden sind. Den Verkauf des Nachdrucks vom Tage der Promulgation des Gesetzes an gänzlich zu verbieten, würde höchst unbillig, wo nicht ungerecht seyn, indem der Nachdrucker, der von seiner Regierung die ausdrückliche oder stillschweigende Erlaubniß zum Nachdruck erhalten, zwar dem rechtmäßigen Verleger wesentlich geschadet; aber nicht gegen die Gesetze seines Landes gehandelt hat. Dagegen den Verkauf der vorhandenen Nachdrücke auf unbestimmte Zeit hinaus so lange zu erlauben, bis der ganze Vorrath abgesetzt wäre, würde den Nachdrucker in die Versuchung und in den Stand setzen, den Nachdruck, mit Beibehaltung der Jahreszahl seiner letzten Auflage, immer noch länger fortzusetzen; indem doch unmöglich die Vorräthe des Nachdruckers inventirt, eben so wenig sein Absatz controlirt, und auch die Druckereien nicht bewacht werden können. Wir erlauben uns daher ehrerbietigst vorzuschlagen, daß den Nachdruckern eine bestimmte, doch möglichst kurze, Frist gesetzt werden möge, bis zu welcher es ihnen gestattet seyn soll, von ihrem einmaligen, und, bei Strafe, nicht durch neue Auflagen zu vermehrenden Vorrathe nachgedruckter Bücher noch

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zu verkaufen, doch ausdrücklich nur innerhalb der Gränzen derjenigen Staaten, in welchen das Nachdrucken bisher ein, durch das Gesetz öffentlich in Schutz genommenes, Gewerbe gewesen ist, keineswegs aber auch innerhalb derjenigen größeren oder kleineren Bundesstaaten, in denen sich nach und nach der Verkauf von Nachdrücken eingeschlichen hat, obgleich das Nachdrucken nicht von den Regierungen dieser Staaten als rechtmäßiges Gewerbe anerkannt ist. Ob der Nachdrucker anzuhalten seyn möchte, den Vorrath seiner Nachdrücke gegen Ersatz der Druck- und Papier-Kosten dem rechtmäßigen Verleger abzulassen, wenn dieser es verlangen möchte, geben wir hohem Ermessen anheim. Einen gewiß nicht unbilligen Wunsch aber erlauben wir uns zu Gunsten der, ohnehin durch die Nachdrucker so sehr beeinträchtigten, Ver­ leger noch auszudrücken, daß, wenn den rechtmäßigen Verlegern eine Frist gesetzt werden soll, innerhalb welcher allein sie das ausschließliche Verlagsrecht besitzen sollen, diese Frist erst von der Zeit zu laufen anfange, wo der Verkauf des Nachdruckers wirklich aufhört. J. G. Cottaische Buchhandlung in Tübin­gen und Stuttgardt. Danckwerts, Associé von Vandenhöck und Rupprecht in Göttingen. A. G. Eberhardt, für die Rengersche Buchhandlung in Halle. Carl Gerold, Buchhändler aus Wien. G. J. Goeschen (in Leipzig). H. W. Hahn jun. für Gebrüder Hahn Hofbuchhändler in Hannover. J. F. Hammerich, aus Altona in Holstein. J. F. Hartknoch (von Dresden). W. G. Korn von Breslau. P. Gotth. Kummer (in Leipzig). Gr. H. S. pr. Landes-Industrie-Comptoir in Weimar; F. J. Bertuch. p. P. J. Lindauer aus München. P. G. Kummer. J. C. B. Mohr, Associé von Mohr und Winter in Heidelberg

Nicolaische Buchhandlung in Berlin; Ritter. Fr. Perthes, für Perthes und Besser von Hamburg. G. Reimer von Berlin. L. Reinherz, Firma: Hermannsche Buchhandlung aus Frankfurt a. M. C. F. E. Richter, Firma: Joh. Fr. Gleditsch (in Leipzig). p. P. H. R. Sauerländer in Aarau. F. C. W. Vogel. L. Schrag (von Nürnberg). Schwetschke für Hemmerde u. Schwetschke von Halle. p.P. C. A. Stiller in Rostock. Fr. Fleischer. A. W. Unzer in Königsberg. F. C. W. Vogel in Leipzig.

5. Auswanderungsfreiheit und Nachsteuerfreiheit

Nr. 200

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Detmold, 29. Januar 1817

200. Fürstin Pauline zur Lippe an Leonhardi

GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 118, XXV, Nr. 1. Weisung. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 2. Februar 1817.

Akzeptiert den württembergischen Verzicht auf Erhebung der Nachsteuer von Auswandernden in das Fürstentum Lippe und erklärt, daß in Lippe seit Unterzeichnung der Bundesakte gegen alle Bundesstaaten keine gabella emigrationis und kein jus detractus mehr erhoben worden sei. Artikel 18 der Bundesakte ist so deutlich gefaßt, daß es keiner besonderen Konvention mehr zur Aufhebung der Nachsteuer bedarf. Weisung an Leonhardi, in der Bundesversammlung den Antrag zu stellen, daß Artikel 18 für allgemein verbindlich erklärt werde und es keiner weiteren Verabredung bedürfe, damit innerhalb der Grenzen des deutschen Staatenbundes keine Nachsteuer, weder vom Vermögen des Auswandernden noch von Erbschaften, mehr gefordert werden könne.

N. 124



Detmold, 29. Januar 1817

Auf den Bericht No. 90 vom 17ten Jänner 1817.1 Ich acceptire ehrerbietig die Erklärung Sr. Majestät des Königs von Würtemberg2, daß künftighin von denen in mein Land auswandernden Unterthanen Hochdeßelben keine Nachsteuer bezahlt werden soll und erkläre, daß nicht bloß auch dieses von meiner Seite im entgegengesezten Fall genau erwiedert werden wird, sondern daß ich seit Unterzeichnung der Bundesacte, gegen alle Bundesstaaten nach Artickel 183 verfahren bin, und nicht bloß keine gabella emigrationis4, sondern eben so wenig jus detractus5 habe erheben laßen. Die Bundesacte entscheidet so deutlich, daß ich nie begriffen habe, wie es noch besonderer Conventionen bedarf, und ersuche ich den Herrn Gesandten den Antrag in der Bundesversammlung zu machen, „daß Artickel 18 für allgemein verbindlich erklärt, und es keiner weiteren Verabredung bedürfe, damit nirgends im deutschen Staatenbund mehr Nachsteuer, weder von dem Vermögen des Auswandernden, noch von Erbschaften gefodert werden könne, sobald Deutschlands Gränzen nicht überschritten werden.“ Paulina 1 Vgl. GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 118, XXV, Nr. 1 (Konzept). 2 Vgl. Schreiben des württembergischen Bundestagsgesandten Mandelsloh an Leonhardi, Frankfurt am Main, 13. Januar 1817, GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 118, XXV, Nr. 1. 3 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516 f. 4 Lat.: Abzugsgeld, Auswanderungssteuer. Vgl. Lieberwirth, Latein im Rechte, S. 129. 5 Lat.: Abzugsrecht. Recht des Landesherrn, von dem aus seinem Lande fließenden Vermögen eine Abgabe einzubehalten. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 162.

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Holstein-oldenburgischer Antrag zur Nachsteuer- und Abzugsfreiheit

Nr. 201

201. Holstein-oldenburgischer Antrag auf Verabschiedung gemeinschaftlicher Regelungen zur Nachsteuer- und Abzugsfreiheit

ProtDBV 1817, 10. Sitzung vom 13. Februar 1817, § 40, S. 50. Antrag. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 2, 1817, S. 17−18.

In seinem ersten Vortrag hat der österreichische Bundespräsidialgesandte ausgeführt, daß der Artikel 18 der Deutschen Bundesakte ein wahres deutsches Bürgerrecht begründe. Der Herzog von Holstein-Oldenburg hat deshalb gleich nach Unterzeichnung der Bundesakte das Abzugsrecht gegen alle Bundesstaaten ohne Einschränkung aufgehoben. Da die Bundesakte den Untertanen der deutschen Bundesstaaten auch die Freiheit von aller Nachsteuer verbindlich zusichert und in dieser Sache verschiedene Ansichten herrschen, stellt Holstein-Oldenburg den Antrag, daß durch einen gemeinschaftlichen Beschluß jeder Zweifel beseitigt und die unbedingte Erfüllung des Artikels 18 der Deutschen Bundesakte auch in Ansehung der Abzugsfreiheit gesichert werden möge.

Frankfurt am Main, 13. Februar 1817 In dem ersten Vortrage der Kaiserlich-Königlich-Oesterreichischen vorsitzenden Gesandtschaft wird über den 18. Artikel der deutschen Bundesakte1 Folgendes gesagt: „Dieser Artikel enthält die wohlthätigsten Bestimmungen für alle Deutsche, und begründet ein wahres deutsches Bürgerrecht. Er bewährt uns, wie ein wahrhaft nationeller Sinn die Gesandten und ihre Höfe beseelte, welche die Bundesakte unterzeichneten. Es liegt hierin die Aufforderung eines Wetteifers für uns alle, und gewiß verdient dieser Gegenstand eine baldige, reife Berathung“.2 Hierauf anzutragen, giebt die Erfahrung, daß insonderheit die in jenem Artikel festgesetzte Freyzügigkeit nicht in allen Bundesstaaten eine gleichförmige Anwendung findet, gegründete Veranlassung. Seine Herzogliche Durchlaucht von Holstein-Oldenburg, haben sogleich nach Errichtung des deutschen Bundes das Abzugsrecht gegen alle Bundesstaaten ohne Einschränkung aufgehoben3, und ohne die Zusicherung der Reciprocität von denselben erst zu erwarten, da diese, nach dem klaren Inhalt der Bundesakte, sich von selbst versteht, und nur dann, wenn solche in vorkommenden Fällen verweigert werden sollte, es Zeit seyn wird, auf die Erfüllung des 18. Artikels zu dringen. Seine Herzogliche Durchlaucht haben zum Ueberfluß HöchstIhrer Re1 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516 f. 2 Vgl. Dok. 100, S. 428. 3 Vgl. Regierungs-Bekanntmachung vom 31. Januar 1817, die „Aufhebung des Abschoßrechts mit den deutschen Bundesstaaten und einigen andern Ländern“ betreffend, in: Gesetzsammlung für das Herzogthum Oldenburg. Bd. 3: 1816−1818. Oldenburg 1819, H. 2, S. 12 f.

Nr. 202

Frankfurt am Main, 17. Februar 1817

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gierung aufgegeben, durch eine allgemeine Verordnung die unbedingte Aufhebung des Abzugsrechts gegen alle Bundesstaaten zur öffentlichen Kunde zu bringen, darnach ferner zu verfahren, und nur in dem Falle an Seine Herzogliche Durchlaucht zu berichten, wenn irgend ein anderer deutscher Staat bey Einwanderungen in die Herzoglichen Lande Schwierigkeiten machen sollte. Die Worte der Bundesakte, wornach die Mitglieder des deutschen Bundes übereingekommen sind, den Unterthanen der deutschen Bundesstaaten die Freyheit von aller Nachsteuer zuzusichern, lassen wohl keinen Zweifel übrig, daß die verbindliche Kraft dieser Zusicherung mit der Unterzeichnung der Bundesakte zugleich eingetreten ist. Weil jedoch hierüber eine verschiedene Ansicht obzuwalten, und eben daher die Bestimmung der Bundesakte von mehreren Bundesstaaten nicht unbedingt befolgt zu werden scheint, so haben Seine Herzogliche Durchlaucht, mein gnädigster Herr, mich angewiesen, HöchstIhren Wunsch, daß durch einen gemeinschaftlichen Beschluß jeder Zweifel gehoben, und die unbedingte Erfüllung des 18. Artikels der Bundesakte auch in Ansehung der Abzugsfreyheit bewirkt und gesichert werden möge, dieser hohen Versammlung vorzutragen.

202. Bergs „Kurze Übersicht der Zweifel und Schwierigkeiten, welche sich bei der Ausführung des Artikels 18 der Bundesakte in Ansehung der Aufhebung aller Nachsteuer ergeben könnten“

ProtDBV 1817, 11. Sitzung vom 17. Februar 1817, Beilage 15, S. 89–93. Vortrag. Druckfassung1.

Artikel 18 der Deutschen Bundesakte sichert den Untertanen der deutschen Bundesstaaten die Freiheit von aller Nachsteuer zu. Die einzige Einschränkung ergibt sich lediglich durch die Erfüllung der Militärpflicht, weshalb die Bundesakte die Beratung gleichförmiger Grundsätze in Ansehung der Militärpflicht durch den Bundestag vorgesehen hat. Auflistung von Unklarheiten und Schwierigkeiten, die einer allgemeinen und vollkommenen Freizügigkeit in Deutschland entgegenstehen könnten und deren Beseitigung der einstimmige Wunsch der Bundesversammlung ist: 1. Die in Artikel 18 ausgesprochene Freizügigkeit aller deutschen Untertanen bezieht sich zwar nur auf die deutschen Bundesstaaten, doch ist damit die Abschließung von Freizügigkeitsverträgen mit fremden Staaten nicht ausgeschlossen. 2. Der in der Bundesakte verwendete allgemeine Begriff der Abgabe bedarf einer Präzisierung und erfordert 3. eine Abgrenzung gegenüber anderen ähnlichen Abgaben (z. B. Kollateralsteuer, Erbschaftsstempel, Tilgung von Gemeindeschulden). 4. Durch Einführung anderer Auflagen und Taxen droht die Gefahr einer Erschwerung des vorbehaltenen Abzugsrechts. 1 Die Fußnoten Bergs werden als Endnoten wiedergegeben und mit Buchstaben durchnumeriert.

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5. Probleme, die sich aus der Verwendung der Nachsteuer- und Abzugsgelder zugunsten anderer öffentlicher Anstalten oder 6. zugunsten von Privatpersonen, Stadträten, Patrimonialgerichten und Kommunen ergeben könnten. 7. Die allgemeine Befreiung der Deutschen von aller Nachsteuer in Deutschland ist zwar durch die Bundesakte klar ausgesprochen, doch sind die besonderen Verhältnisse, welche durch Freizügigkeitsverträge zwischen einzelnen Staaten bestehen können, vorbehalten; 8. Klärung der Frage, von welchem Zeitpunkt an die Bestimmung des Artikels 18 in Kraft treten soll und ob die rechtliche Wirksamkeit der getroffenen Übereinkunft eine gesetzmäßige Bekanntmachung in den einzelnen Bundesstaaten erfordert.

Frankfurt am Main, 17. Februar 1817 Kurze Uebersicht der Zweifel und Schwierigkeiten, welche sich bei der Ausführung des 18. Artikels der Bundesacte in Ansehung der Aufhebung aller Nachsteuer ergeben könnten. Der 18. Artikel der Bundesacte lautet, soviel die Nachsteuer betrifft, wörtlich also: „Die verbündeten Fürsten und freien Städte kommen überein, den Unterthanen der deutschen Bundesstaaten folgende Rechte zuzusichern: c) Die Freiheit von aller Nachsteuer (ius detractus2, gabella emigrationis3) in so fern das Vermögen in einen andern deutschen Bundesstaat übergeht, und mit diesem nicht besondre Verhältnisse durch Freizügigkeits-Verträge bestehen“.4 Diese Bestimmung steht mit der in demselben Artikel den Unterthanen der deutschen Bundesstaaten zugesicherten Befugniß des freien Wegziehens aus einem deutschen Bundesstaate in den andern in wesentlicher Verbindung. Die einzige Bedingung, wodurch die Ausübung dieser Befugniß beschränkt wird, beruht auf der Erfüllung der Militärpflicht, und um auch dieses Hinderniß möglichst zu vermindern, hat die Bundesacte auf die Einführung gleichförmiger Grundsätze in Ansehung der Militärpflichtigkeit Bedacht genommen. So lange indessen dieses nicht geschehen ist, kann allerdings die Ausübung der Befugniß des freien Wegziehens in einem Bundesstaate mehreren Schwierigkeiten unterworfen seyn, als in einem andern, und die Bundesacte selbst erkennt, als Folge hiervon, die Entstehung eines ungleichartigen, für einzelne Bundesstaaten nachtheiligen Verhältnisses. Sollte nun, aus diesem oder aus andern Gründen, in irgend einem5 Bundesstaate die Freiheit des Wegziehens 2 Ius detractus (lat.): Abzugsrecht. Recht des Landesherrn, von dem aus seinem Lande fließenden Vermögen eine Abgabe einzubehalten. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 162. 3 Lat.: Abzugsgeld, Auswanderungssteuer. Vgl. Lieberwirth, Latein im Rechte, S. 129. 4 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516 f. 5 Emendiert. Vorlage: einen.

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der Unterthanen noch nicht förmlich anerkannt seyn; so würde freilich die Freiheit von aller Nachsteuer vorerst unwirksam bleiben, und die Erfahrung, wie selbst in dieser Hinsicht unter Nachbarstaaten Zweifel entstanden sind, hat die Veranlassung geben müssen, auch hierauf aufmerksam zu machen, ­indem daraus wenigstens soviel hervorgeht, daß die Grundsätze von der verbindlichen Kraft und rechtlichen Wirksamkeit der Bestimmungen des 18. Artikels der Bundesacte überhaupt nicht in allen deutschen Bundesstaaten gleich sind. Was nun aber die in dem dritten Absatz gegründete Freizügigkeit aller deutschen Unterthanen betrifft; so ist I) klar ausgesprochen, daß dieselbe sich nur auf deutsche Bundesstaaten gegen einander bezieht, und daß in dieser Hinsicht den Bundesgliedern keine Verbindlichkeit, ihren Unterthanen den freien Zug in fremde Staaten zu gestatten auferlegt, jedoch auch die Befugniß nicht entzogen ist, deßhalb mit auswärtigen Regierungen Verträge abzuschließen. Da aber der geographische Umfang des Bundes noch nicht völlig bestimmt ist; so könnten noch zur Zeit bei vorkommenden Fällen auch darüber Zweifel entstehen, in wie fern auf gewisse Besitzungen deutscher Bundesglieder die Bestimmung des 18. Artikels der deutschen Bundesacte anzuwenden sey? Selbst die vermöge der neuesten Friedensschlüsse mit Frankreich an verschiedene Bundesstaaten gekommenen Lande, haben in dieser Hinsicht Stoff zu – vielleicht grundlosen Bedenklichkeiten gegeben. II) Man hat sich bei der Abfassung der Bundesacte bemühet, den Begriff der Abgabe, welche gegenseitig aufgehoben seyn soll, durch die Wahl einer möglichst allgemeinen Benennung und selbst durch die Beifügung lateinischer Namen, aufs deutlichste zu bezeichnen. Dennoch ist nicht allen Zweifeln vorgebeugt worden. Die Absicht, die Unterthanen der deutschen Bundesstaaten einer Last zu entheben, die sonst überall mit der Uebertragung des Vermögens von einem Staate in den andern verbunden war, ist nicht zu verkennen. Die Mannigfaltigkeit und Unstetigkeit der Terminologie stand aber, besonders bei einer möglichst kurzen Fassung, der Deutlichkeit nothwendig im Wege. Zwei an sich sehr verschiedene Abgaben, die aber beide darum erhoben werden, weil Vermögen aus einem Lande in ein anderes gebracht wird: die Abgabe von dem Vermögen auswandernder Unterthanen, und die Abgabe von dem an fremde Unterthanen ins Ausland übergehenden Vermögen, – diese beiden Abgaben sollten in dem ganzen Umfange des deutschen Bundes künftig nicht mehr statt haben. Man gab also den deutschen Unterthanen die Freiheit von aller Nachsteuer. Die Nachsteuer ist aber, nach dem gewöhn­ lichen Sprachgebrauch, die erste der genannten Abgaben. Doch wird dieser Ausdruck auch von der zweiten nicht selten gebraucht, und wenn in dem ­Lateinischen ius detractus eigentlich nur diese bedeutet, und gabella emigra-

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tionis jene; so ist zwar die letztere Benennung völlig deutlich: mit dem Ausdruck: detractus aber werden manchmal beide Abgaben bezeichnet, und so ist auch durch das Latein nicht aller Verwirrung der Begriffe vorgebeugt. In dem Entwurf zur Grundlage der Verfassung des deutschen Staatenbundes, aus welchem die Bundes­acte entstanden ist, lautet die hieher gehörige Stelle (Artikel 16) also: „Die Freiheit von allen Abzugs- und Erbschafts-Steuern von dem ausziehenden Vermögen, in so fern es in einen andern deutschen Staat übergeht“a. Es wurden hiergegen verschiedene Erinnerungen gemachtb, die eine genauere Bezeichnung des Begriffs der aufzuhebenden Abgaben bezweckten, insonderheit aber eine deutlichere Fassung des Punktes der Abzugfreiheit von Erbschaften. Endlich kam man überein, bloß zu setzen: „Die Freiheit von aller Nachsteuer (ius detractus und gabella emigrationis)“c. Das Wörtchen: und – welches doch vielleicht etwas zu mehrerer Deutlichkeit beigetragen hätte, ist in der Ausfertigung hinweggeblieben. Detractrecht (Abzugsrecht) ist allerdings weitumfassender, als Erbschaftsteuer, indem es sich auf alles Vermögen erstreckt, welches ein fremder Unterthan aus einem Lande bezieht. Ursprünglich zwar wurde der Abzug nur von den an Auswärtige gefallenen Erbschaften erhoben. Allein in dem 17. Jahrhundert wurde er in mehreren deutschen Staaten auf Uebertragung des Vermögens an Fremde durch Verträge überhaupt, auf Verkäufe, Schenkungen, Mitgiften u. s. w. ausgedehnt. Da jedoch dieses nicht in allen deutschen Staaten geschehen ist; so können allerdings auch hieraus bei der Anwendung des Grundsatzes gegenseitiger Freizügigkeit Schwierigkeiten entstehen. III) Wenn man nun zu dem Wunsche einer möglichst allgemeinen Bezeichnung der aufzuhebenden Abgabe wohl berechtigt war; so ließ sich auf der andern Seite auch nicht verkennen, daß aus dieser Allgemeinheit neue Schwierigkeiten in Ansehung gewisser ähnlichen Abgaben entstehen konnten. Man hat in dieser Hinsicht bei den Verhandlungen in Wien zu dem ersten Entwurf der Bundesacte die Erinnerung gemacht, daß unter Erbschaftsteuer nur der Abzug, im eigentlichen Sinn, nicht aber die Collateral-Steuer6, der auch Gelder, die im Lande bleiben, unterworfen sind, zu verstehen seyn könned. Hierher wird dann auch der in einigen Staaten eingeführte ErbschaftStempel7 zu rechnen seyn. Eine gleiche Erinnerung wurde in Beziehung auf 6 Kollateralgeld (Kollateralsteuer): Erbschaftssteuer von Seitenverwandten. Vgl. Haberkern/ Wallach, Hilfswörterbuch für Historiker, S. 342. 7 Steuer bzw. Abgabe, die bei der Beurkundung einer Erbschaftsangelegenheit anfiel, indem die entsprechenden Dokumente mit einem Stempel oder einer Stempelmarke versehen wurden. Vgl. Meyers Taschenlexikon Geschichte, Bd. 6, S. 23.

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die wegen Gemeindeschulden zu machenden Abzüge von ausgehendem Vermögen vorgebracht. In beiden Hinsichten ward in der Conferenz vom 31. Mai 1815 beschlossen: „Daß, um die in Betreff der Collateral-Steuer gemachte Einwendung zu beseitigen, auch zu erkennen zu geben, daß durch8 die hier (Artikel 18) erwähnte Befreiung nicht gemeint sey, die Mitglieder einer Gemeinde von der Bezahlung der von ihnen etwa gemeinschaftlich mit zu vertretenden Gemeinschulden zu befreien, bloß zu setzen sey: die Freiheit von aller Nachsteuer“e. Was nun den Abzug wegen Gemeindeschulden betrifft; so möchten wohl nur zu leicht über den Begriff dieser, über das Maas jenes, und über die Statthaftigkeit desselben in vorkommenden Fällen bedeutende Zweifel entstehen, wie es denn auch keineswegs klar ist, ob die Ausnahme nur von den bereits vorhandenen, oder auch von künftigen Gemeindeschulden gelten soll? Vorauszusetzen ist hierbei allezeit, daß die Frage nicht von einer Ab­ gabe ist, welche zur Bezahlung der Gemeindeschulden den Mitgliedern einer Gemeinde auferlegt wird, sondern von einer solchen Abgabe, welche von auswandernden Unterthanen oder von Fremden, die Vermögen aus einer Gemeinde ins Ausland an sich ziehen, gleichsam zur Abfindung wegen des auf diesem Vermögen haftenden Theils der Gemeindeschulden, und zum Ersatz der durch die Exportation entgehenden Beiträge zur Bezahlung derselben erhoben wird. IV) Ueberhaupt scheint es, daß Besorgnisse nicht nur wegen Mißbrauchs dieses vorbehaltenen Abzugsrechts theils durch übermäßige Ansätze, theils durch Einmischung selbst der Staatsschulden, sondern auch wegen Einführung anderer beschwerlicher Auflagen und Taxen, wodurch die wohlthätigen Absichten der Bundesacte vereitelt werden könnten, hin und wieder ent­ standen sind. Auch läßt sich nicht in Abrede stellen, daß allerlei Formen erfunden werden können, welche von dem Nachsteuer- und Abzugsrecht äusserlich nichts an sich tragen, in der Wirkung aber dahin führen, daß Vermögen, welches ins Ausland geht, zum Vortheil der öffentlichen Cassen auf eine oder andere Art, mehr oder weniger vermindert wird. Es könnte daher wohl das Verlangen, auch hiergegen zuvörderst gesichert zu seyn, der allgemeinen und unbedingten Erfüllung des 18. Artikels der Bundesacte im Wege stehen. V) Eine gleich nachtheilige Folge könnte insonderheit alsdann eintreten, wenn aus der in den verschiedenen Staaten sehr verschiedenen Verwendungsart der Nachsteuer- und Abzugsgelder ein Grund hergenommen werden wollte, diese Abgabe, der beschlossenen Aufhebung ungeachtet, unter 8 Emendiert. Vorlage: man durch.

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andern N ­ amen fortdauern zu lassen. Es ist bekannt, daß in einigen Ländern der Ertrag derselben nicht unmittelbar in die Staatscasse fließt, sondern von der Regierung öffentlichen Anstalten überlassen ist, welche dieselbe ohnehin aus den Staatseinkünften unterhalten oder unterstützen mußte. So sind die Abzugs- und Nachsteuer-Gelder an einigen Orten den Armencassen angewiesen, an andern werden sie für die Zucht- und Arbeitshäuser verwendet, oder Rekruten- und Invalidencassen erhalten sie ganz, oder doch zum Theil. Daß eine solche Verwendungsart in der eigentlichen Beschaffenheit dieser Staatseinnahme keinen Unterschied machen kann, leuchtet von selbst in die Augen. VI) Schwieriger hingegen ist die Frage: ob die in der Bundesacte ausgesprochene Aufhebung aller Nachsteuer auch von derjenigen gilt, welche Privatpersonen zu erheben berechtigt sind? Theils durch förmliche Verträge mit der Landesherrschaft, theils durch ausdrückliche landesherrliche Verleihung, theils durch Verjährung oder Herkommen, haben in vielen deutschen Landen landsässiger Adel, Guts- und Gerichtsherrschaften, Stifter, Landstädte und andere Gemeinheiten das Nachsteuer- und Abzugsrecht erworben. In den Städten hatte diese Abgabe ihren Ursprung gewonnen, und der erste Frei­ zügigkeits-Vertrag in Deutschland wurde von der Stadt Frankfurt mit ­Churmainz im Jahr 1590 abgeschlossen9. Seit dieser Zeit sind dergleichen Verträge sehr allgemein geworden; in der Regel aber wurden die Privat­ berechtigten von der verbindlichen Kraft derselben ausgenommen. Jedoch finden sich auch Beispiele vom Gegentheil, so wie landesherrliche Verordnungen, welche Landsassen das hergebrachte Recht der Nachsteuer ohne weiters entziehen. Die gewöhnlichere Meinung war indessen allerdings die, daß dergleichen Privat-Berechtigungen ungekränkt zu erhalten, oder gegen bil­ ligen Ersatz abzulösen seyen. Der allgemeine Ausdruck und der Zweck des 18. Artikels fordert Freiheit von aller Nachsteuer. Derselbe Grundvertrag des Bundes sichert aber insonderheit (im 14. Art.10) den im Jahre 1806, und ­seitdem mittelbar gewordenen ehemaligen Reichsständen und Reichsange­ hörigen auch in Rücksicht ihrer Besitzungen die Erhaltung aller derjenigen Rechte zu, welche aus ihrem Eigenthum und dessen ungestörtem Genusse herrühren und nicht zu der Staatsgewalt und den höheren Regierungsrechten gehören. Nun ist aber, daß das Letztere in Ansehung des Nachsteuerrechts der Fall sey, dasselbe mithin auch von Privatpersonen ausgeübt werden könne, in Deutschland allezeit anerkannt und auch nach der Auflösung des Reichs in mehreren Staaten des rheinischen Bundes der Grundsatz gebilliget worden,  9 Vgl. Joseph Edler von Sartori, Geistliches und Weltliches Staatsrecht der Deutschen, Catholischgeistlichen Erz- Hoch- und Ritterstifter. Bd. 2, T. 2, Abschnitt 2, § 2158, S. 451. 10 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1514.

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daß die Freizügigkeit in Ansehung standesherrlicher Gebiete mehr durch gütliche Vereinbarung oder Ausgleichung, als durch oberhoheitliche Anordnungen zu Stande kommen müsse.f In andern rheinischen Bundesstaaten hat man hingegen das Nachsteuerrecht der so genannten Mediatisirten, theils geradezu aufgehoben, theils dadurch beschränkt, daß man auf dieselbe die bestehenden und künftigen landesherrlichen Freizügigkeits-Verträge anwendbar erklärteg. Bei den Verhandlungen zu Wien in dem J. 1815, trug der KöniglichSächsische Gesandte in der achten Sitzung darauf an, daß bei der Befreiung vom Abzugsrecht jura privatorumh 11 vorbehalten werden möchten; und es wurde dagegen sogleich nichts erinnert; in der darauf folgenden Sitzung aber von Seiten der Großherzoglich- und Herzoglich-Sächsischen Häuser vorgestellt,i und in einem besondern Antrag ausgeführt, daß ein solcher Vorbehalt den Hauptgrund des Artikels entkräften würde, dabei auch bemerkt, daß die Regierungen mehrerer deutschen Lande, zu denen auch die Herzoglich-Sächsischen gehören, in neuern Zeiten die Nachsteuerfreiheit ihren Unterthanen uneingeschränkt zugesichert, und daß die bis dahin zu der Nachsteuererhebung berechtigt gewesenen Privaten, Stadträthe, Patrimonial-Gerichte und Communen, anerkennend die liberalen Beweggründe, sich dabei beruhigt habenj. In der zehnten Sitzung wurde „sodann auf den Antrag Baierns, den Preussen, Weimar, Mecklenburg, Nassau ausdrücklich unterstützten, indeß Sachsen ­keine neue Erinnerung machte, allgemein beliebt, den Vorbehalt der Rechte der privatorum hier unberührt zu lassen“.12 Es fragt sich nun allein noch: ob hierdurch auch die wirkliche Aufhebung der Privatberechtigungen beabsichtigt wurde, oder13 ob man es lediglich dem Ermessen jeder Regierung überlassen wollte, zu thun, was sie für recht und nützlich hält? VII) Die allgemeine Befreiung der Deutschen von aller Nachsteuer in Deutschland ist durch die Bundesacte klar ausgesprochen, jedoch sind dabei die besondern Verhältnisse durch Freizügigkeits-Verträge, welche zwischen einzelnen Staaten bestehen können, vorbehalten.14 Ist hierdurch eine Einschränkung der allgemeinen Befreiung bezweckt, oder aber eine Erweiterung derselben, in so fern solche in gewissen Freizügigkeits-Verträgen gegründet seyn dürfte? Der Ausdruck „besondere Verhältnisse“ könnte leicht auf Ausnahmen von der Regel gedeutet werden. Baiern hat diesen Zusatz veranlaßtk. Es finden sich aber in den Verhandlungen keine Erläuterungen darüber. So 11 Iura Privatorum (lat.): Rechte Privater. 12 Vgl. QGDB I/1, Dok. 249, S. 1488. 13 Emendiert. Vorlage: aber. 14 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516 f. (Artikel 18).

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viel ich mich erinnere, ist bei der Redaction der Bundesacte die Aufnahme desselben dadurch motivirt worden, daß die Gesandten die besondern Verhältnisse ihrer Länder in Ansehung der Freizügigkeits-Verträge nicht durchaus genau kannten, und es für bedenklich hielten, denselben durch eine allgemeine Disposition zu präjudiciren, wobei jedoch immer vorausgesetzt wurde, daß die Regel: „Befreiung von aller Nachsteuer“, bestehen, und von den besondern Verhältnissen nur dasjenige berücksichtigt werden müsse, was die Anwendung derselben begünstige und erleichtere. Ob Freizügigkeits-Ver­ träge, welche nach Errichtung der Bundesacte etwa schon geschlossen seyn oder noch geschlossen werden möchten, einen andern Zweck haben dürfen? wird leicht zu entscheiden seyn. VIII) Endlich ist noch die Frage zu berühren: von welchem Zeitpunkt an tritt die Bestimmung des 18. Artikels in Wirksamkeit? Daß die verbindliche Kraft für die Contrahenten mit der Unterzeichnung des Bundesvertrags eintrat, darf man voraussetzen. Erforderte aber die rechtliche Wirksamkeit der getroffenen Uebereinkunft nicht eine gesetzmäßige Bekanntmachung in den einzelnen Bundesstaaten? Findet also nicht die wirkliche Anwendung erst von dem Tage der Bekanntmachung an statt? oder wenigstens von dem Zeitpunkt an, wo die Bundesacte in den einzelnen Bundesstaaten, oder doch den Regierungen derselben, bekannt geworden ist? Oder ist der Tag der Ratifica­ tion als derjenige anzusehen, mit welchem die befragte Bestimmung des 18. Artikels der Bundesacte in Wirksamkeit trat? In Beziehung auf besondere Fälle dringen sich nicht minder einige zweifelhafte Fragen auf, je nachdem die Veranlassung zur Vermögens-Exportation und diese selbst in verschiedene Zeiten fällt. Hiernach entstehen hauptsächlich folgende Fragen: Gilt die Nachsteuerfreiheit auch für den, der vor dem Zeitpunkt der wirksamen Kraft des 18. Artikels ein Land verlassen hat, aber sein Vermögen nach diesem Zeitpunkt erst aus demselben herauszieht? Eben so, wenn eine Erbschaft zwar vorher angefallen ist, aber nachher erst exportirt wird? Endlich auch: wenn Ehepacten, welche die Verabfolgung eines gewissen15 Vermögenstheils ins Ausland zusichern, vorher errichtet sind und die Ehe nachher vollzogen ist? oder wenn auch die Ehe vorher vollzogen ist, aber in jedem Falle das Vermögen erst nachher ins Ausland gebracht wird? Ich glaube hiermit die Hauptzweifel und Schwierigkeiten bezeichnet zu haben, welche der Einführung einer allgemeinen und vollkommenen Freizügigkeit in Deutschland entgegen stehen könnten, und deren – den edelmüthigen 15 Emendiert. Vorlage: gewssien.

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Absichten der Stifter des Bundes entsprechende Beseitigung der einstimmige Wunsch dieser Versammlung ist. a b c d e f g h i j k

Klübers Acten des Wiener Congresses. Bd. II, S. 321.16 Klüber am angeführten Orte. S. 368. 369.17 Klüber a. a. O. S. 441. 442.18 Klüber’s angef. Acten Band II., S. 368.19 Klüber a. a. O. S. 441.20 Brauers Beiträge zu einem allgemeinen Staatsrecht der rhein. Bundesstaaten. S. 177.21 Klüber’s Staatsrecht des rhein. Bundes, § 208, 228. Crome’s und Jaups Germania. B. 1, S. 63.22 Klüber a. a. O. Bd. II, S. 502, 509. 23 Klüber a. a. O. S. 514 u. 527. 24 Klüber a. a. O. S. 536. 25 Klüber a. a. O. S. 367. 26

16 Vgl. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 2, S. 321, und QGDB I/1, Dok. 228, S. 1305. 17 Vgl. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 2, S. 368 f., und QGDB I/1, Dok. 232, S.  1334 f. 18 Vgl. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 2, S. 441 f., und QGDB I/1, Dok. 242, S. 1417. 19 Vgl. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 2, S. 368, und QGDB I/1, Dok. 232, S. 1335. 20 Vgl. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 2, S. 441, und QGDB I/1, Dok. 242, S. 1417. 21 Vgl. Johann Niklas Friedrich Brauer, Beyträge zu einem allgemeinen Staatsrecht der Rheinischen Bundes-Staaten in Fünfzig Sätzen. Karlsruhe 1807, S. 177. 22 Vgl. Johann Ludwig Klüber, Staatsrecht des Rheinbundes. Lehrbegriff. Tübingen 1808, § 208, S. 254 f. (sic); „Deklaration über die staatsrechtlichen Verhältnisse der, unter Großherzoglich-Hessischer Souverainität stehenden, vormals Reichsständischen Lande und Gebiete und deren Besitzer, der nunmehrigen Standesherren“, Darmstadt, 1. August 1807, in: Germanien, eine Zeitschrift für Staats-Recht, Politik und Statistik von Deutschland. Bd. 1. Gießen 1808, S. 33−69, hier S. 63. 23 Vgl. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 2, S. 502 u. 509, und QGDB I/1, Dok. 247, S. 1465 f. und Anlage 7, S. 1470. 24 Vgl. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 2, S. 514 u. 527, und QGDB I/1, Dok. 248, S. 1474 und Anlage 7a, S. 1483 f. 25 Vgl. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 2, S. 536, und QGDB I/1, Dok. 249, S. 1488. 26 Vgl. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 2, S. 368 (sic), und QGDB I/1, Dok. 232, S. 1334.

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Gagern über das freie Wegziehen

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203. Gagern über das freie Wegziehen aus einem deutschen Bundesstaat in einen anderen

ProtDBV 1817, 14. Sitzung vom 27. Februar 1817, § 68, S. 108–110. Abstimmung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 2, S. 58−62.

Durch Artikel 18 der Deutschen Bundesakte wird ein allgemeines deutsches Bürgerrecht auf freies Wegziehen von einem deutschen Bundesstaat in einen andern begründet. Das stärkste Hinderniß liegt nicht in der Erhebung von Abzugsgeldern, sondern in der Verpflichtung zum Militärdienst. Gagern plädiert deshalb für die Festsetzung gleichförmiger Vorschriften über die Militärpflichtig­keit (u. a. Einführung einer Altersgrenze für die Ableistung des Militärdienstes; Regelungen über die Auswanderung von Familienangehörigen; bei bereits angetretenem Militärdienst Suspendierung der Abzugsfreiheit bis zur Erfüllung der Dienstpflicht; besondere Vorschriften für Witwen und Vormünder).

Frankfurt am Main, 27. Februar 1817 Es kommt darauf an, die Hindernisse unsern Höfen vollständig zu entwickeln, die sich noch dem practischen Gebrauch des 18. Artikels der Bundes­ acte1 entgegensetzen, und so zu ihrer Beseitigung beizutragen. Es handelt sich 2um eine grosse2 Berechtigung, und wir erfüllen eine sehr wesentliche Pflicht: Der Präsident von Berg hat bereits mit gewohnter Kunde und Wissenschaft der Frage von vielen Seiten Licht gegeben3, wozu ich nur einen Nachtrag liefern will, so wie ich seine Schlußworte vollkommen unterschreibe. Um die Bundesacte, um solche ausgesprochene Gerechtsame zu würdigen, muß man nicht scheuen, die Sonde an den Zustand der Dinge zu legen, und auf den Ursprung oder die frühere Verwandtniß zurückzugehen. Ich bekenne mich zuvörderst zur Lehre derer, die die drei Elemente der Staaten und Staatenformen, und ihre nothwendige Mischung durchaus anerkennen. Es ist auch die Gesinnung meines Königs, es ist die Oranische; und vollkommen die Farbe, Verfassung und ächte Sprache der Niederlande oder Luxemburgs. Der fürstlichen Hoheit oder den monarchischen Ideen habe ich anderwärts hinlänglich gehuldigt, ja, niemand hat eifriger und überzeugter wie ich, der Kaiserwürde das Wort geredet4; und wenn schon hier der Ort nicht mehr ist, diesen Wunsch zu erkennen zu geben, so darf ich ihn fortan in meiner Brust bewahren. In der Aristokratie bin ich geboren, und habe die ­Rittersitte und ihre Grundsätze in der elterlichen Wohnung gelernt und einge1 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516 f. 2−2 Emendiert. Vorlage: von einer grossen. 3 Vgl. Dok. 202. 4 Vgl. z. B. QGDB I/1, Dok. 2, S. 10 und Dok. 112, S. 720.

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sogen. Aber ich würde das eine und das andere nur unvollständig bewürken, würde mich zur Behauptung nicht stark fühlen, wenn ich der Völker und der Allgemeinheit Rechte nicht mit gleicher Wärme und Nachdruck in Schutz nähme, so oft davon, wie hier, so ernstlich die Rede ist. Ich kenne den Irrwahn wohl, der nur an zu vielen Orten herrscht: ein ­gewisser Jean Jaques von Genf5 habe phantastische Bücher geschrieben, Montesquieu6 uns die fremde Anglomanie gepredigt, und die französische Revolution hernach ihr Gift gestreut; wodurch seitdem die alte gute Sitte der ungebundenen fürstlichen Gewalt und solch’ alt hergebrachten väter­ lichen Regiments von Neuerungssüchtigen nur gestört werde. So sieht aber die S ­ ache gar nicht aus. Das englische Gemeinerecht ist anerkanntermaßen sächsischen Ursprungs. Wenn Montesquieu von Großbritanniens grosser und freier Verfassung ausruft: sie sey in den Wäldern gefunden, so meint er unsere Wälder, jene westphälischen Wälder dort um Osnabrück, wo der geistreiche Möser7 im Eingang zur Geschichte seines Landes vorlängst schon sprach: „von den wunderbaren Engen und Krümmungen, wodurch der menschliche Hang die Territorial-Hoheit emporgetrieben; von der glücklichen Mäßigung, welche Christenthum, deutsches Herz und eine der Freiheit günstige Sittenlehre dann gewürkt hätten“!8 Was würde er erst von den Begebenheiten dieses Jahrhunderts unter uns gehalten haben! So manche Dinge sind nicht mehr, auf die der Deutsche so hohen Werth legte; nicht Kaiser und Reich, die er kannte und ehrte, in welchen sich eben jene drei Elemente verschmolzen fanden; nicht die Reichs- oder Erzgerichte, wo er glaubte Schutz zu finden, die den Besitz nachdrücklich schirmten, und die Besteuerung in Schranken hielten und controlirten. Die alten Stände sind 5 Jean-Jacques Rousseau (1712–1778), französischer Schriftsteller, Moralphilosoph und Staatsdenker schweizerischer Herkunft. Vgl. NBG, Vol. 42, Sp. 737−766; Herzfeld (Hrsg.), Geschichte in Gestalten, Bd. 4, S. 53−55; ABF  I, 915, 239−427; ABF  I, 916, 1−114; ABF  II, 565, 326−334; ABF IIS, 89, 334−340; ABF III, 399, 241−303. 6 Charles de Secondat, Baron de la Brède et de Montesquieu (1689–1755), französischer Schriftsteller, Philosoph und Staatstheoretiker. In seinem 1748 anonym veröffentlichten Hauptwerk „Vom Geist der Gesetze“ entwickelte M. seine Lehre von der Gewaltentrennung (Gewaltenteilung), die erheblichen Einfluß auf die Ausbildung des modernen Verfassungsstaates ausübte. Vgl. NBG, Vol. 36, Sp. 185−191; Herzfeld (Hrsg.), Geschichte in Gestalten, Bd. 3, S. 187−189; ABF I, 755, 213−307; ABF II, 474, 97−102; ABF IIS, 73, 110−111 u. ABF III, 336, 44−74. 7 Justus Möser (1720–1794), deutscher Staatsmann, Schriftsteller und Staatstheoretiker. Vgl. ADB, Bd. 22, S. 385−390; DBE, Bd. 7, S. 177 f.; NDB, Bd. 17, S. 687−689. 8 Vgl. Justus Möser, Osnabrückische Geschichte und historische Einzelschriften. T. 1. Bearb. v. Paul Göttsching. (Justus Mösers Sämtliche Schriften. Historisch-kritische Ausgabe in 14 Bänden, Bd. 12/1.) Osnabrück 1964, S. 34 f.

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Gagern über das freie Wegziehen

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ausgeartet oder in Abgang gekommen. An die Stelle der Landesregierungen, die in ihrer edleren Bestimmung so oft das Land bei dem Herrn vertraten, sind häufig Präfecturen und büralistische Dinge auswärtiger Art getreten. Und wenn wir in den alten fürstlichen Testamenten so oft die väterliche Lehre an die Nachfolger lesen: dem treuen Rath alter geprüfter Diener zu folgen; so vernahmen wir nun die neue Doctrin vom Mißtrauen und Selbstregieren. Dazu ist die gewaltsame Procedur der Mediatisirung gekommen; die gleichsam ansteckende Sucht, sich zu vergrössern; die traurige Nothwendigkeit des Länderwechsels. So, während dem das übrige Europa vorwärts strebte, schien Deutschland allein in politischem Sinn rückwärts zu schreiten. Diesen unhaltbaren Zustand hat ganz Europa, hat Deutschland in allen Classen, hat der Congreß zu Wien lebhaft gefühlt; und die Bundesacte ist entstanden.9 Wir, die wir daran thätige Hand gelegt haben, rechnen es uns zur grossen Ehre, unbekümmert um schiefe, unreife Urtheile; aber wir fühlen auch die stärksten Triebfedern, das aufrecht zu erhalten, zu entwickeln und zu vervollständigen; vom stehenden Gebäude oder seinen Fundamenten den Schutt wegzuräumen, und für die bequeme Wohnung, für Licht und frohe Aussicht zu sorgen. Es wäre undankbar und ungerecht, zu mißkennen, daß vieles und grosses, ja hinreichendes zum Ersatz gegeben ist, wenn es nur fest und treu, und consequent gehalten wird. Der wichtigen, in der Bundesacte der Allgemeinheit vom Pallast bis zur niedrigsten Hütte eingeräumten Rechte sind kaum mehr wie vier, die Artikel 3, 12, 13 und 1810. Oder, die Gleichheit aller Fürsten und Völkerschaften in ihren völkerrechtlichen Befugnissen – die Sicherung des Rechts und der Gerichte – die ständische Verfassung; – und diese freie Auswanderung, von welcher eben nun die Rede ist. Jawohl, wie früher die Präsidial-Gesandtschaft sagte: „dadurch wird ein wahres deutsches allgemeines Bürgerrecht begründet; und es liegt darin die Aufforderung des Wetteifers für uns alle“.11 Es ist darin weit mehr gegeben, als in den vordern Religionsfrieden, oder dem westphälischen Friedens-Instrument Art. V. § 37. Conventum autem est, ut a territoriorum dominis, illis subditis etc.12 wenn nur erst in seiner ganzen   9 Zur deutschen Verfassungsfrage auf dem Wiener Kongreß und der Entstehung der Bundesakte vgl. ausführlich QGDB I/1 und Stauber, Wiener Kongress, S. 175−203. 10 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1509, 1513 u. 1516 f. 11 Vgl. Dok. 100, S. 428. 12 IPO V, § 37: „Es ist aber vereinbart worden, daß von den Landesherren jenen Untertanen, die im besagten Jahre weder die öffentliche noch die private Kultusfreiheit besessen haben, und doch zur Zeit der Bekanntmachung gegenwärtigen Friedensschlusses in den Gebieten reichsunmittelbarer Stände der einen oder andern Religion wohnend angetroffen werden, welchen auch jene beizuzählen sind, die zur Vermeidung der Drangsale des Krieges, jedoch nicht in

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Ausführbarkeit und Reinheit feststeht, wie die Hauptworte des 18. Art. der Bundesacte lauten: „die Befugniß: des freien Wegziehens aus einem deutschen Bundesstaat in den andern, der erweislich sie zu Unterthanen annehmen will“.13 Man hat die Hauptschwierigkeit in der Berechtigung gewisser Gemeinheiten oder Individuen zur Erhebung der Abzugsgelder gesucht. Ich wiederhole es, mir schien das nur partiell, und das stärkste und allgemeinste Hinderniß vielmehr in der erwähnten Verpflichtung zum Kriegsdienst zu liegen. Denn nach der gewöhnlichen Capitulationszeit kommen noch Reserven, Landwehrdienst und Landsturm, die alle zum Vorwand dienen könnten, der wesentlichsten Vorschrift des 18. Artikels, wenn man sonst will, auszuweichen. Alsdann, wie wenn der Vater so viele dienstpflichtige Söhne hätte, soll er sie zurücklassen und die Familie trennen? Auch auf diese wesentlichen Fragen wird es nothwendig seyn, unsre Höfe und die Obrigkeiten der freien Städte aufmerksam zu machen, und wir werden wohlthun, in unsern Anträgen darüber übereinzukommen, und zwar so; bei der ungewissen Epoche, wenn jene gleichförmige Grundsätze bei den gesetzlichen Vorschriften über Militärpflichtigkeit, die der 18. Artikel erwartet und unterstellt, zu Stande kommen werden: 1) Ob es nicht räthlich und heilsam sey, provisorisch über ein Mannesalter, z. B. das 27te Jahr übereinzukommen, nach welchem die Haupt-Kriegspflicht als geleistet anzusehen wäre. 2) Daß die ganze Familie, mit Ausschluß derer, die bereits eigens zu Bürgern und Unterthanen aufgenommen worden, dem Haupte zu folgen befugt seyen; jedoch 3) Söhne oder Enkel ihre Capitulationszeit auszuhalten gebunden blieben, die sie bereits angetreten haben; 4) Wegen Witwen und Vormünderinnen aber, und Vormundschaften überhaupt, eigne Vorsehung nothwendig sey. der Absicht, ihren Wohnsitz zu verlegen, anderswohin ausgewandert sind und nach Friedensschluß in ihre Heimat zurückkehren wollen, zur Auswanderung eine Frist von mindestens fünf Jahren, denen aber, die nach der Verkündigung des Friedens die Religion wechseln, eine Frist von mindestens drei Jahren (wofern sie nicht eine längere und ausgedehntere Frist erlangen können) anberaumt werden soll. Und den freiwillig oder gezwungen Auswandernden sollen Zeugnisse ihrer Geburt, freien Standes, der Freilassung, gelernten Gewerbes und ehrbaren Lebenswandels nicht verweigert und dieselben nicht durch ungewöhnliche Reverse oder über Gebühr erhöhte Abzüge vom mitgenommenen Gut belastet werden, und noch viel weniger soll denen, die freiwillig ausziehen, wegen angeblicher Dienstbarkeit oder unter irgendeinem andern Vorwand ein Hindernis in den Weg gelegt werden.“ Vgl. Müller (Hrsg.), Instrumenta Pacis Westphalicae, S. 38 u. 126. 13 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516.

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Württembergische Abstimmung über die Nachsteuer- und Abzugsfreiheit

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Denn es kömmt dabei noch in wesentlichen Betracht, daß es nur zwischen Staaten auf möglichen Gewinn oder Verlust hinausgeht, das gesammte Vaterland verliert aber keine Streitkräfte. Denn was möglichen Falls dem einen entgeht, wächst dem andern zu, worauf wir eben bei jenen gleichförmigen Grundsätzen werden Rücksicht nehmen.

204. Württembergische Abstimmung über die Nachsteuer- und Abzugsfreiheit

ProtDBV 1817, 25. Sitzung vom 1. Mai 1817, § 147, S. 275−278. Abstimmung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 2, 1817, S. 205−209.

Bereitschaft Württembergs, die in Artikel 18 der Deutschen Bundesakte ausgesprochene Nachsteuer- und Abzugsfreiheit zwischen sämtlichen deutschen Bundesstaaten in Anwendung zu bringen. Zu den offenen Fragen wird auf der Basis der acht Punkte, die der Bundestagsgesandte Berg in seinem Vortrag herausgehoben hat, wie folgt Stellung genommen: 1. Einbeziehung der außerdeutschen Gebiete von Bundesstaaten durch besondere Freizügigkeitsverträge; 2. Befreiung jeder Art von Vermögen, das in einen anderen Bundesstaat übergeht, von Abgaben; 3. Beibehaltung von Erbschaftssteuern, Stempelabgaben und sonstigen Gebühren unter Gleichstellung von In- und Ausländern; 4. Verabschiedung einer gemeinschaftlichen Übereinkunft im Bundestag über das Verhältnis der Auswanderungsfreiheit zur Militärdienstpflichtkeit gegenüber dem eigenen Staat; 5. Zustimmung zur preußischen und badischen Position, daß kein Unterschied gemacht werden soll, ob die Erhebung der Nachsteuer bisher dem Fiskus, Privatberechtigten, Kommunen oder Patrimonialgerichten zugestanden hat; 6. durch Freizügigkeitsverträge zwischen einzelnen Bundesstaaten kann die An­ wendung dessen, was die Bundesakte über die Freiheit von aller Nachsteuer enthält, zwar begünstigt oder erleichtert, nicht aber beschränkt werden; 7. Festsetzung des Anfangs­termins der Wirksamkeit der Abzugs- und Nachsteuerfreiheit durch einzelstaatliche Übereinkünfte oder durch einen Bundestagsbeschluß, der in den einzelnen Bundesstaaten als Gesetz bekanntgemacht werden könnte.

Frankfurt am Main, 1. Mai 1817 Um die in dem 18. Artikel der deutschen Bundesacte ausgesprochene ­ undes1, Nachsteuer- und Abzugsfreiheit zwischen sämmtlichen Staaten des B in Ausübung gesetzt zu sehen, ertheilten mir Seine Königliche Majestät von Württemberg unterm 3. Januar dieses Jahrs den Befehl: sämmtlichen Herren Gesandten der deutschen Höfe am Bundestage AllerhöchstIhre Bereitwilligkeit zu Erfüllung dieser vertragsmäsigen Verbindlichkeit zu erklären, und um entsprechende Gegenäusserungen zu ersuchen. 1 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516 f.

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Frankfurt am Main, 1. Mai 1817

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Es wurden hierauf theils in den Antwortsnoten, theils bei den im Monate Februar stattgefundenen Erörterungen der Bundesversammlung2, mehrere Fragen in Anregung gebracht, deren Entscheidung durch gemeinschaftliche Uebereinkunft sämmtlicher Bundesstaaten erfolgen muß, um der erwähnten Bestimmung der Bundesacte, die vollkommenste Anwendung zu verschaffen. Insbesondere wurden durch den Beschluß der 11. Sitzung, der gemeinschaftlichen Berichtserstattung und Instructions-Einholung3, diejenigen acht Puncte zum Grunde gelegt, welche der Herzoglich-Oldenburgische Herr Gesandte in seinem, in gedachter Sitzung deßfalls erstatteten Vortrage4, herausgehoben hatte. Von Seiner Königlichen Majestät, meinem allergnädigsten Herrn, bin ich nun angewiesen, die Grundsätze von welchen AllerhöchstDieselbe in Hinsicht auf den Umfang und die Anwendung der Freizügigkeit ausgehen, durch nachfolgende Erklärung auszusprechen. Soviel 1) den Umfang derjenigen deutschen Länder betrifft, auf welche gedachte Freizügigkeit ihre Anwendung findet, so haben Seine Königliche Majestät denjenigen allerhöchsten Höfen, deren Besitzungen zum Theil nicht in dem Bunde begriffen sind, bereits Ihre Bereitwilligkeit erklärt, hinsichtlich dieser Besitzungen, besondere Freizügigkeits-Verträge abschließen zu wollen. 2) In Ansehung der Abgabe selbst, welche gegenseitig aufgehoben seyn soll; so halten Se. Königliche Majestät jede Art von Vermögen, welches von einem Bundesstaat in den andern, sey es aus Veranlassung einer Auswanderung, oder aus dem Grunde eines Erbschaftsanfalls, eines Verkaufs, einer Schenkung, Mitgift oder auf andere Weise übergeht, als unter der bundesvertragsmäsigen Abzugsfreiheit begriffen, und sehen überhaupt jede Abgabe, welche die Exportation des Vermögens aus einem zum Bunde gehörigen Staat in den andern, oder der Uebergang des Vermögens-Eigenthums auf Angehörige eines andern Bundesstaats, bisher zur Folge gehabt hat, für aufgehoben an. Hieraus folgt 3) daß Abgaben, welche mit einem Erbschaftsanfall, einem Legat, einem Verkauf, einer Schenkung etc. verbunden sind, ohne Unterschied, ob das Vermögen im Lande bleibt oder hinausgezogen wird, und ob der neue Besitzer ein Innländer oder ein Fremder ist, namentlich die Collateral-Erbschafts­ steuern, die Stempelabgaben von Erbschaften und Contracten, die Zucht- und Waisenhausgebühren von Contracten und Vermächtnissen etc. durch die hier 2 Vgl. ProtDBV 1817, 10. Sitzung vom 13. Februar 1817, § 40, S. 49−52; ebd., 13. Sitzung vom 24. Februar 1817, § 62, S. 103 f.; und Dok. 203. 3 Vgl. ProtDBV 1817, 11. Sitzung vom 17. Februar 1817, § 55, S. 60 f. 4 Vgl. Dok. 202.

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Württembergische Abstimmung über die Nachsteuer- und Abzugsfreiheit

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in Frage stehende Freizügigkeit nicht ausgeschlossen werden, in so ferne bei dem Ansatz der Abgabe Inn- und Ausländer gleich behandelt werden. Dagegen läßt sich kein rechtlicher Grund denken, einen besondern Vermögensabzug zum Vortheil der in einzelnen Staaten oder Gemeinden bestehenden Schuldentilgungs-Cassen, nach ausgesprochener allgemeinen Nachsteuerfreiheit, noch fortdauern zu lassen. Aus eben dem Grunde, aus welchem neu aufgenommene Staatsbürger sich der Theilnahme an allen, vor ihrer Aufnahme entstandenen Staatslasten und Staatsschulden nicht entziehen können, sollte auch der Auswandernde zu denjenigen Umlagen, welche erst nach seinem Wegzug zu Tilgung früherer Staatsschulden geschehen, nicht mehr beigezogen, mithin ihm auch unter diesem Vorwand keine Exportations-Gebühr abgefordert werden. Eine solchemnach abgeforderte Gebühr kann nicht anders, als eine wahre Nachsteuer, welche mit der durch die Bundesacte sanctionirten Freizügigkeit sich nicht vereinigen läßt, angesehen werden. So daß also 4) jede Abgabe, auf welche die ad punctum 2) erwähnten Bestimmungen sich anwenden lassen, sie möge unter einer äussern Form abgefordert werden, unter welcher sie wolle, mit dem Inhalte der Bundesacte unverträglich ist. Von Zollabgaben, welchen einzelne Vermögensstücke als ausgehende Waaren unterworfen sind, kann hier nicht die Rede seyn, da Zoll und Abzug nie miteinander verwechselt werden können. Zweifelhafter sind die Abgaben, welche sich zwar zunächst nicht auf die Vermögens-Exportation, sondern auf die Auswanderungs-Erlaubniß beziehen, hingegen auf indirectem Wege die Nachsteuerfreiheit, wo nicht ganz aufheben, doch sehr beschränken können. Namentlich gehört hierher die Loskaufung von der Leibeigenschaft und der Militär-Pflichtigkeit. In Hinsicht auf Leibeigene, beglaubigen Sich Seine Königliche Majestät, daß Auswandernde von Bezahlung des Manumissions-Geldes5 völlig frei zu lassen seyen. Was die Militär-Pflichtigkeit anbelangt; so wird das Zweckmäsigste seyn, über das Verhältniß der Auswanderungs-Freiheit zur Militärdiensts-Verpflichtung eine gemeinschaftliche Uebereinkunft auf dem Bundestage einzu­leiten6, da sich nicht mißkennen läßt, daß die in dem 18. Artikel der Bundesacte ad subn. 1 bewilligte Befugniß des freien Wegziehens aus einem deutschen Bundesstaat in den andern durch den ausdrücklichen Beisatz beschränkt ist: 5 Das Manumissionsgeld mußte für die Entlassung aus der Leibeigenschaft gezahlt werden. Vgl. Haberkern/Wallach, Hilfswörterbuch für Historiker, S. 412. 6 Vgl. Dok. 205.

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in so ferne Verbindlichkeit zu Militärdiensten gegen das bisherige Vaterland im Wege stehe; weßwegen auch die Contrahenten sich vorbehalten haben: bei der Bundesversammlung die Einführung möglichst gleichförmiger Grundsätze über diesen Gegenstand in Berathung zu nehmen. Bis jedoch hierüber das Nähere bestimmt seyn wird, möchte die in der 13. Sitzung von dem Königlich-Preussischen Herrn Gesandten abgegebene Erklärung Rücksicht verdienen: daß die Nachsteuerfreiheit mit der in einem andern Abschnitt des 18. Artikels der Bundesacte bewilligten, jedoch durch die specielle MilitärVerpflichtung an den eigenen Staat bedingten, und erst noch durch die vorbehaltene nähere Uebereinkunft zu freierer Ausführung vielleicht gelangenden Wegzugs-Freiheit nicht zu verwechseln sey.7 5) Kann die Art der Verwendung des Abzugsgefälls keinen Grund abgeben, um dasselbe den Bestimmungen der Bundesacte zuwider, noch ferner bestehen zu lassen. 6) Hat der Königlich-Preussische Hof in der 13. Bundestags-Sitzung bereits erklärt: daß kein Unterschied statt finden soll, ob die Erhebung der Nachsteuer dem Königlichen Fiscus oder Privatberechtigten, Communen oder Patrimonial-Gerichten zugestanden habe, und daß nach Inhalt der Verträge, so wie der in den eigenen Königlichen Staaten ergangenen Verfügungen, die Aufhebung dieser Berechtigungen nicht als ein Entschädigungs-Gegenstand betrachtet worden sey.8 Auch von der Großherzoglich-Badenschen Gesandtschaft wurde in eben derselben Sitzung der Antrag gemacht: Daß, in Gemäßheit des 18. Artikels der Bundesacte, welcher jeden Vermögens-Abzug innerhalb Deutschland aufhebe, alle fernere Abzugsrechte der Privaten und Körperschaften für unzulässig erkannt werden möchten.9 Seine Königliche Majestät tragen daher kein Bedenken, diesen Ansichten gleichfalls beizutreten. 7) Möchte allgemein festzusetzen seyn, daß durch Freizügigkeits-Verträge zwischen einzelnen Bundesstaaten die Anwendung dessen, was die Bundes­ acte über die Freiheit von aller Nachsteuer enthält, zwar begünstiget und erleichtert, diese aber nicht beschränkt werden könne. 8) Was den Anfangstermin der Wirksamkeit der Abzugs- und NachsteuerFreiheit betrifft, so ist Königlich-Württembergischer Seits bereits befohlen 7 Vgl. ProtDBV 1817, 13. Sitzung vom 24. Februar 1817, § 62, S. 104. 8 Vgl. ebd. S. 103 f. 9 Vgl. ebd. S. 104.

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Kommissionsvortrag über die Militärpflichtigkeit

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worden, daß gegen diejenigen Bundesstaaten, welche die Freizügigkeit gegen Württemberg in Wirksamkeit gesetzt haben, ein Gleiches beobachtet werde. Bei denjenigen, welche die wechselseitige Nachsteuer-Freiheit auf die ­Abschließung eigener Verträge ausgesetzt haben, wird die Festsetzung des Termins zu Vollziehung des Vertrages von der speciellen Uebereinkunft ­abhängen. In Ansehung der übrigen Bundesstaaten ist das Weitere von dem Resultate der allgemeinen Verhandlungen auf dem Bundestage zu erwarten, wobei es darauf ankommen wird, wann hierüber ein gemeinsamer Beschluß, der in den einzelnen Bundesstaaten als Gesetz bekannt gemacht werden könnte, zu Stande kommen dürfte. Bei der Anwendung der Termins-Bestimmung auf die vorkommenden speciellen Fälle, wird jedoch auch noch die Frage zu berühren seyn: ob der Zeitpunct der wirklichen Vermögens-Exportation, oder des Vermögens-Anfalls und des Unterthanen-Rechtsverzichts zur Richtschnur zu machen sey? Württembergischer Seits nimmt man keinen Anstand, sich für die Freilassung des nach den festgesetzten Terminen ausgehenden Vermögens ohne ­Unterschied, ob die Auswanderungs-Erklärung, oder der Vermögens-Anfall früher erfolgt ist, oder nicht, geneigt zu erklären.

205. Kommissionsvortrag wegen einiger über die Militärpflichtigkeit in Beziehung auf die Auswanderungsfreiheit zu treffenden Bestimmungen

ProtDBV 1817, 30. Sitzung vom 22. Mai 1817, Beilage nach S. 358 (Loco dictaturae, separat paginiert, 10 Seiten). Kommissionsvortrag. Druckfassung.1

[a) Kommissionsvortrag] Die Freizügigkeit innerhalb des Deutschen Bundes kann nur dann befriedigend ge­ regelt werden, wenn zugleich allgemeine Grundsätze über die Militärpflichtigkeit in Beziehung auf die Auswanderungsfreiheit festgesetzt werden. Beschränkung der Kommission auf die Frage, wie bei dem Fortbestehen der einzelstaatlichen Militärpflichtigkeitssysteme im Hinblick auf die Wegzugsfreiheit eine vermittelnde Bestimmung getroffen werden kann, der sich die Bundesglieder allgemein anschließen können. Grundsätzliche Erwägungen: 1. Die zu treffende Verfügung soll in Form einer allgemeinen freien Übereinkunft zustande gebrachte werden. 2. Beschränkung auf diejenigen Punkte, die unmittelbar Beziehung auf die in Artikel 18 zugesicherte Freiheit des Wegziehens und des Eintritts in Zivil- und Militärdienste deutscher Staaten haben. 3. Entfernung diesbezüglicher Hindernisse. 4. Die souveränen Bundesstaaten 1 Die Fußnoten in der Vorlage werden als Endnoten wiedergegeben und mit Buchstaben durchnumeriert.

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Frankfurt am Main, 19. Mai 1817

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sollen bei der Regelung der Konskriptionsverhältnisse so wenig wie möglich eingeschränkt werden. 5. Die liberalen Bestimmungen über das freie Wegziehen und Dienstenehmen sollen mit den notwendigen Zwangsgesetzen der Kriegsdienstpflichtigkeit in möglichste Vereinbarung gebracht werden. Unterbreitung von Vorschlägen für festzusetzende Normen. Diese sollen erstens die zugesicherte Auswanderungsfreiheit sichern; zweitens gewährleisten, daß die Militärverfassung der Bundesstaaten keine unnötigen Einschränkungen erfährt; drittens soll kein Anreiz zur Begünstigung der Auswanderung gegeben werden. Auch wenn nicht alle Bundesstaaten den Kommissionsvorschlägen zustimmen, soll den übrigen Bundesgliedern freigestellt bleiben, sich auf gemeinsame Grundsätze zu einigen.

Frankfurt am Main, 19. Mai 1817 Commissions-Vortrag wegen einiger über die Militärpflichtigkeit in Beziehung auf die Auswanderungsfreiheit zu treffenden Bestimmungen. § 1. In der XXV. Sitzung wurde bei Gelegenheit der abgelesenen KöniglichWürttembergischen Erklärung über die Verhältnisse der Freizügigkeit2, von dem Königlich-Niederländischen Herrn Gesandten die Erinnerung gemacht3, daß alle diese Bestimmungen ihre Wirkung verfehlen würden, wenn nicht zugleich wegen der Militärpflichtigkeit im Allgemeinen etwas Näheres festgesetzt würde. § 2. Bei der hierüber statt gefundenen Besprechung stimmte man dieser Anerkennung bei, und fand es für nothwendig, daß nähere Bestimmungen veranlaßt, und die Instructionen hierüber von den Höfen eingeholt werden. Damit aber die Fragen fixirt würden, auf welche es eigentlich bei Aufstellung der Grundsätze über das Conscriptionswesen in Bezug auf die Verhältnisse der Frei­zügigkeit ankömmt, so hielt die Versammlung für das zweckmäßigste, daß in kurzen Sätzen ein Entwurf der vorzuschlagenden Bestimmungen verfaßt, und damit eine eigene Commission von drei Mitgliedern beauftragt werde4. § 3. Indem die Unterzeichneten durch gegenwärtigen Vortrag sich diesem Geschäfte unterziehen, halten sie es nicht für undienlich, in der Anlage unter Ziffer 1 eine Uebersicht desjenigen vorzulegen, was über diesen Gegenstand 2 Vgl. Dok. 204. 3 Vgl. ProtDBV 1817, 25. Sitzung vom 1. Mai 1817, § 147, S. 278. 4 Vgl. ebd.

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Kommissionsvortrag über die Militärpflichtigkeit

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bei dem Wiener Congreß verhandelt worden, bis die Fassung des 18. Artikels auf folgende Art zu Stande kam: „Die verbündeten Fürsten und freien Städte kommen überein, den Unterthanen der deutschen Bundesstaaten folgende Rechte zuzusichern

a) ................................................................................................................ b) die Befugniß 1) des freien Wegziehens aus einem deutschen Bundesstaate in den andern, der erweislich sie zu Unterthanen annehmen will; auch 2) in Civil- und Militärdienste desselben zu treten, beides jedoch nur, in so fern keine Verbindlichkeit zu Militärdiensten gegen das bisherige Vaterland im Wege stehe; und damit wegen der dermal vorwaltenden Verschiedenheit der gesetzlichen Vorschriften über Militärpflichtigkeit, hierunter nicht ein ungleichartiges, für einzelne Bundesstaaten nachtheiliges Verhältniß entstehen möge; so wird bei der Bundesversammlung die Einführung möglichst gleichförmiger Grundsätze über diesen Gegenstand in Berathung genommen werden“.5

§ 4. Was über diesen Gegenstand am 27. Februar diesen Jahrs, aus Veranlassung des Vortrags des Herrn Gesandten von Berg über die Freizügigkeit6, durch den Königlich Niederländischen Herrn Gesandten, Freiherrn von Gagern, zur Sprache gebracht wurde7, ist in frischem Andenken. Die aufgestellten Fragen wurden damals zur Instructions-Einholung ausgesetzt, und um diese näher zu fixiren, in der XXV. Sitzung beschlossen, daß bestimmte Puncte vorgeschlagen werden sollten. § 5. Der unterzeichneten Commission ist es nicht entgangen, daß die ihr gewordene Aufgabe mit derjenigen, welche der 18. Artikel der Bundesacte enthält, nicht ganz eine und dieselbe sey. Dieser erfordert die Lösung der Frage, in wie fern ein gemeinschaftliches Militärpflichtigkeits-System, als dem Bundesvereine gemäß, und mit speciellen Staaten-Verhältnissen vereinbar, aufgestellt werden könne? Die gegenwärtige Aufgabe umgehet diese Frage als zu schwierig und weitaussehend, und beschäftigt sich im Wesentlichen mit der Untersuchung, wie man bei dem Fortbestehen der einzelnen Militärpflichtigkeits-Systeme in den deutschen Staaten, in Hinsicht auf die Wegzugsfreiheit eine solche vermit5 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516. 6 Vgl. Dok. 202. 7 Vgl. Dok. 203.

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telnde Bestimmung treffen könne, welcher man sich allgemein anzuschliessen vermöchte. § 6. Indessen theilten die Unterzeichneten eben so die Ueberzeugung, daß wirksame Verfügungen über die Wegzugsfreiheit nicht getroffen werden könnten, ohne über die Militärpflichtigkeit, so weit sie auf jene Bezug hat, zugleich feste Bestimmungen auszusprechen. Da die Lösung der allgemein gestellten Aufgabe des XVIIIten Artikels noch sehr weit aussehend ist, und mit der Feststellung der Grundsätze der Freizügigkeit nicht wohl zugewartet werden kann, bis die Militär-Angelegenheiten des Bundes berichtiget sind; so ist es sehr zu wünschen, daß wenigstens über die enger beschränkte gegenwärtige Frage in Bälde etwas festgesetzt werde. § 7. Um zu diesem Zwecke zu gelangen, glaubt die Commission einige Hauptrücksichten vorausschicken zu müssen, auf welche sodann die in Antrag zu bringenden Bestimmungen zu gründen wären. 1) Die darüber zu veranlassende Verfügung soll in der Form eines allgemeinen freien Einverständnisses zwischen sämmtlichen Bundesstaaten zu Stande gebracht werden. 2) Man soll sich hierin bei Bestimmung der Grundsätze über das Conscriptionswesen auf diejenigen Sätze beschränken, die unmittelbar Beziehung auf die im 18. Artikel der Bundesacte den deutschen Unterthanen zugesicherte Befugniß des freien Wegziehens oder Dienstenehmens in einen anderen Bundesstaat haben. 3) Man soll hiebei trachten, die Hindernisse zu entfernen, welche diese wohlthätige Verfügung zu vereiteln vermöchten. 4) Der Vorschlag soll jedoch so gemacht werden, daß sich die souveraine Staaten in ihren individuellen Conscriptions-Verfügungen so wenig als möglich die Hände binden. 5) Es wäre also darauf zu sehen, daß die liberalen Bestimmungen über das freie Wegziehen und Dienstenehmen, mit den nothwendigen Zwangsgesetzen der Kriegsdienst-Pflichtigkeit in möglichste Vereinbarung gebracht werden. §. 8. Aus diesen allgemeinen Voraussetzungen werden folgende nähere Normen festzusetzen seyn. 6) Es ist nothwendig ein Lebens-Alter zu bestimmen, innerhalb dessen die Verpflichtung zu Kriegsdiensten ein Hinderniß des freien Wegzugs oder des Eintretens in fremde Dienste ist. 7) Diese Lebens-Periode muß nicht zu weit ausgedehnt seyn, um nicht die Hauptbestimmung zu vereiteln: sie darf nicht zu enge genommen werden, um

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Kommissionsvortrag über die Militärpflichtigkeit

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nicht die Conscriptions-Gesetze der einzelnen Staaten in ihren wesentlichen Grundsätzen zu stören. 8) Die mit einem gewissen Lebensjahre eintretende Freiheit vom Kriegsdienste rücksichtlich der Wegziehenden, muß sich auf den Kriegsdienst jeder Art, also auch auf Landwehre und Landsturm in dem Staate, welchen man verläßt, erstrecken, und von dieser Epoche an, auch jede Reluition8 ausschliessen. 9) Dagegen ist der Auswandernde den Gesetzen über die Landwehre unterworfen, die in jenem Staate gegeben sind, welchen er freiwillig sich zu seinem Aufenthalte gewählt hat, und dessen Schutz er genießt. Keine Regierung kann den Einwandernden die Vergünstigung ertheilen, daß sie von dieser Verpflichtung befreit seyn sollen. 10) Dem freien Uebereinkommen zwischen den einzelnen Staaten muß offener Raum gelassen werden, in so fern den gegenwärtig zu veranlassenden Hauptbestimmungen dadurch kein Eintrag geschieht. § 9. Nach diesen Vordersätzen glaubt die Commission die Puncte in Antrag bringen zu können, wie sie in der Anlage unter Ziffer 2 entworfen sind, welchen hier zur näheren Begründung noch einige Erläuterungen beigefügt werden. ad I. Die Nothwendigkeit auch einen terminus à quo9 zu bestimmen, wurde schon in der vorläufigen Besprechung in der XXVten Sitzung allgemein gefühlt10, da sonst eine Trennung der Familien, oder Verhinderung des Wegzuges für Familienväter nicht wohl zu vermeiden wäre. Hiezu dürfte das 18. Jahr als das geeigneteste angesehen werden, da früher in Deutschland der Jüngling nicht zu jener körperlichen Reife gelangt, welche der Kriegsdienst in Anspruch nimmt. Nach Zugrundelegung der Baierischen Conscriptions-Gesetze11 könnte die Dienstperiode sehr eingeschränkt, und vom zurückgelegten 19. bis zum 23. Lebensjahre bestimmt werden. Allein damit kömmt, so viel der Commission bekannt ist, keine einzige Conscriptions-Verordnung eines deutschen Staates überein, welche alle eine längere Dienstzeit feststellen.   8 Reluition: Aus- bzw. Einlösung (eines Pfands); hier im Sinne von: Abgeltung von Dienstpflichten in Geld. Vgl. Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. 11, Sp. 862 f.; Heyse, Allgemeines verdeutschendes und erklärendes Fremdwörterbuch, S. 741.   9 Terminus a quo (lat.): Anfangstermin. 10 Vgl. Dok. 204. 11 Vgl. Konskriptionsgesetz vom 29. März 1812, Königlich-Baierisches Regierungsblatt 1812, Sp. 592−700, hier Sp. 597 f. (Artikel 16), sowie Schimke (Bearb.), Regierungsakten des Kurfürstentums und Königreichs Bayern 1799−1815, Dok. 141, S. 725−729 (Auszug). Vgl. dazu Weis, Die Begründung des modernen bayerischen Staates unter König Max I. (1799−1825), S. 83−85; Wohlfeil, Vom Stehenden Heer des Absolutismus zur Allgemeinen Wehrpflicht, S. 64−68; Aichner, Das bayerische Heer in den Napoleonischen Kriegen, S. 250 f.

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Freiherr v. Humboldt hatte in einem bei dem Wiener Congresse übergebenen Entwurfe einer Bundesacte die Lebensperiode vom 18. bis zum 25. Jahre angenommen.12 Freiherr von Gagern schlug das 27. Jahr vor13, über welches hinaus wohl die eigentliche Dienstpflichtigkeit zum stehenden Heere in Rücksicht auf Auswanderung kaum zu erstrecken wäre, obschon in einigen Staaten das 30. Jahr noch nicht befreit. § 10. ad II. Da die Begünstigung, den persönlichen Dienst entweder durch Stellung eines anderen Mannes, oder durch Erlegung einer festgesetzten Reluitions-Summe ablösen zu dürfen, in mehreren Staaten besteht; so wird derselben ausdrückliche Erwähnung geschehen müssen. Diejenigen Regierungen, welche keine Ablösung zulassen wollen, sind hiedurch nicht gebunden. ad III. Dieser Satz ist zwar eigentlich nur ein Corollar der vorigen. Indessen dürfte es doch räthlich seyn, vorzüglich wegen der Landwehr-Pflichtigkeit, die in den meisten Staaten auf weitere, als die oben bezeichneten Jahre geht, die Bestimmung, so wie sie vorgeschlagen ist, ausdrücklich festzusetzen. ad IV. Auch diese Bestimmung fließt aus dem Vorigen, wäre aber doch nützlich ausgedrückt zu werden. Von Vormundschaften etwas zu erwähnen, scheint der Commission nicht nothwendig, wenn Witwen abziehen, gilt ohnehin die analoge Anwendung. § 11. ad V. Diesen zweckmäsigen Vorbehalt hat bereits Herr Minister v. Humboldt in seinem oben erwähnten Entwurfe vorgeschlagen.14 ad VI. Dieß dürfte sich wohl von selbst verstehen; indessen ist es einerseits nicht überflüssig auszusprechen, daß die allgemein ausgedrückten Bestimmungen allein nicht genügen, sondern über deren Anwendung die Regierungen zu erkennen haben. Anderseits ist es gut, auch den Unterthanen die Beruhigung zu gewähren, daß sie bei Ausübung der vertragsmäsigen Vergünstigungen nicht gehindert werden sollen. ad VII. Es kann z. B. zwei Staaten daran liegen, unter sich die Jahre der Militärpflichtigkeit noch mehr zu beschränken, oder gegenseitig die Reluition aufzuheben, oder festzusetzen, oder noch andere Bestimmungen anzuordnen; dieß muß ihnen frei bleiben, jedoch innerhalb der Grenzen der durch gemein-

12 Vgl. Humboldts „Entwurf einer deutschen Bundesverfassung mit einer Einteilung Deutschlands in Kreise“ (2. Fassung) vom 7. Februar 1815; QGDB I/1, Dok. 178, S. 1091 (Artikel 89). 13 Vgl. Dok. 203, S. 1041. 14 Vgl. QGDB I/1, Dok. 178, S. 1091 (Artikel 89).

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Kommissionsvortrag über die Militärpflichtigkeit

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sames Einverständniß angenommenen Grundsätze. Die Bedingungen können gemildert, sie dürfen nicht erschwert werden. ad VIII. Der Zweck der gegenwärtigen Uebereinkunft ist, einerseits dem Unterthanen die Vollziehung der ihm ertheilten Befugniß zu sichern, anderseits zu sorgen, daß der Militär-Verfassung der einzelnen Staaten nicht mehr Eintrag geschehe, als hierdurch nothwendig ist. Es kann eben so wenig die Absicht seyn, allenfallsige Anreitzung zu Auswanderungen zu begünstigen, als überhaupt die Streitkräfte des Bundes zu schwächen. Die Commission hat daher geglaubt, diesen letzten Artikel beifügen zu müssen. § 12. Mit dieser Ausführung glaubt die Commission den ihr in der XXVten Sitzung ertheilten Auftrag erfüllt zu haben, und überläßt ihre Ansichten der höheren Prüfung. Indessen dürften durch die vorgeschlagenen Bestimmungen die diesem Gegenstande gebietenden zwei Hauptrücksichten möglichst in Uebereinstimmung gebracht seyn, und kaum eine Regierung ein Bedenken finden können, denselben beizutreten. Sollten jedoch nicht alle Staaten in die von der Bundesversammlung nunmehr zu machenden Vorschläge einzuwilligen für angemessen finden; so würde dieß doch nicht hindern, daß die übrigen Bundesglieder über gleiche Grundsätze dießfalls übereinkommen könnten, welche unter ihnen eben so zu gelten hätten, wie bisher die unter mehreren Bundesstaaten bestehenden Freizügigkeits-Verträge, obschon es immer erwünschlicher wäre, daß hierüber ein allgemeines Einverständniß zu Stande komme. Goltz   A. Freihr. v. Aretin   F. v. Eyben [b) Anlage 1: Auszug aus den Verhandlungen des Wiener Kongresses über die Freizügigkeit] Regelungen über die Freizügigkeit in wichtigen Entwürfen zur künftigen Verfassung Deutschlands, die vor und während des Wiener Kongresses eingebracht und diskutiert wurden.

Ziffer 1

Auszug aus den Verhandlungen des Wiener Congresses über die Freizügigkeit

§ 1. In dem ersten Entwurfe der Grundlage der deutschen Bundesverfassung, welchen der Königlich-Preussische Staats-Canzler Herr Fürst von Harden-

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berg am 13. Sept. 1814 dem Herrn Fürsten von Metternich mittheiltea, war in dem 6. Artikel Folgendes bestimmt: „Jedem Bundesunterthan wird zugesichert: 1. Die Freiheit ungehindert und ohne eine Abgabe zu entrichten, in einen andern zum Bunde gehörenden Staat auszuwandern, oder in dessen Dienste 15zu treten15“. § 2. In dem am 16. October 1814 bei der Conferenz von Oesterreich, Preussen, Baiern, Hannover und Württemberg vorgelegten Artikelnb, heißt es § 12: „Der Bundestag bestimmt gewisse Rechte, welche jeder Deutsche, wie z. B. das der Auswanderung unter gewissen Beschränkungen, der Annahme Kriegs- oder bürgerlicher Dienste, in andern deutschen Staaten, u. s. w. in jedem deutschen Staat ungekränkt geniessen soll. Bei den zwei letzten Paragraphen bleibt Oesterreich und Preussen die Berücksichtigung ihrer besondern Verhältnisse, in Hinsicht ihres grösseren Umfangs und ihrer Zusammensetzung aus Ländern, die nicht zum Bunde gehören, unbenommen“. § 3. In dem Entwurfe welchen der Königlich Preussische Herr Bevollmächtigte im Anfang Aprils 1815 vorlegtec, ist im 9. § bestimmt: „Allen Einwohnern zum deutschen Bunde gehörender Provinzen, wird von den Mitgliedern des Bundes, durch die künftige Urkunde des­ selben, das nur durch die allgemeine Pflicht der Bundesvertheidigung beschränkte Recht der Auswanderung in einen andern deutschen Staat, des Uebertritts in fremde deutsche Civil- oder Militär-Dienste ……………………… zugesichert“. § 4. In dem von einem Kaiserlich-Oesterreichischen Herrn Minister verfaßten Entwurfed, ist in dem Art. 15, lit. d den Unterthanen garantirt: „Das Recht des freien Wegzugs aus einem deutschen Bundesstaat in den andern, in so ferne der Auswanderer zeigen kann, daß er im letztern als Unterthan angenommen wird. Die Freiheit von allen Abzugs- und Erbschafts-Steuern von ausziehendem Vermögen, welches in einen andern deutschen Staat übergeht“.  Dieser Bestimmung ist ein NB. beigefügt, daß hier ein Vorbehalt wegen Erfüllung der Conscriptions-Verbindlichkeit einzuschalten sey. 15−15 Emendiert. Vorlage: zutreten

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§ 5. In dem von Herrn Minister von Humboldt übergebenen doppelten Planee wird § 89 und 74 folgende Bestimmung vorgeschlagen: „Alle Mitglieder des Bundes machen sich verbindlich, jedem ihrer Unterthanen folgende Rechte, als solche, deren jeder Deutsche geniessen muß, unverbrüchlich einzuräumen: a) die Freiheit, ungehindert und ohne Entrichtung irgend einer Abgabe, in jeden andern zum Bunde gehörenden Staat auszuwandern. Hiervon wird der Austritt ...................................................................... um sich der Kriegspflicht zu entziehen, ausgenommen. In dieser letztern Rücksicht ist jedoch jeder zum Kriegsdienst, sey es im stehenden Heere oder in der Landwehr, Verpflichtete, nur von seinem 18ten bis 25ten Jahre ohne erhaltenen Abschied, in seinem Vaterland zu bleiben verbunden. Während des Kriegs hört alles Auswanderungsrecht für jeden, zu irgend einer Art der Vaterlandsvertheidigung Verpflichteten auf“. § 6. Der von dem Königlich-Preussischen Herrn Bevollmächtigten im Mai 1815 übergebene Entwurff enthält § 9 Folgendes: „Allen Einwohnern zum deutschen Bunde gehörender Provinzen wird von den Mitgliedern des Bundes, das nur durch die allgemeine Pflicht der Landesvertheidigung beschränkte Recht der Auswanderung in einen andern deutschen Staat …………………….. zugesichert“. § 7. Der Kaiserlich-Königlich-Oesterreichischer Seits zu gleicher Zeit übergebene Plang Art. 18 Num. 2: „Den Unterthanen deutscher Staaten wird gegenseitig zugesichert ........... 2.1 das Recht des freien Abzugs aus einem Bundesstaat in den andern, in so fern die Militärpflichtigkeit erfüllt ist“. § 8. In dem Entwurf zur Grundlage der Verfassung des deutschen Bundes, welcher von dem Herrn Fürsten von Metternich im Einverständniß mit Preussen am 23ten Mai 1815 vorgelegt wurdeh, wird Art. 16, lit. c „Den Unterthanen der deutschen Bundesstaaten von den Bundesgliedern gegenseitig zugesichert: c) das Recht des freien Abzugs aus einem Bundesstaate in den andern, in so fern der Auswandernde seine Militärpflichtigkeit erfüllt hat, und ausweisen kann, daß er in dem andern als Unterthan angenommen wird“.

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§ 9. Als dieser Plan zur Grundlage der Berathung genommen wurde, kam in der Sitzung vom 26ten Maii gegen diese Bestimmung keine wesentliche Erinnerung vor, und bei der neuern Abfassung der Bundesacte in zwanzig Artikeln, welche dem siebenten Conferenz-Protokolle vom 2ten Juny 1815 beigefügtj, ist im 19ten Art. Folgendes bestimmt worden: „Den Unterthanen der deutschen Bundesstaaten wird von den Bundesgliedern gegenseitig zugesichert:

a) ................................................................................................................ b) die Befugniß 1. des freien Abzugs aus einem Bundesstaat in den andern, der erweislich sie zu Unterthanen aufnehmen will, auch 2. in Civil- und Militärdienste desselben zu treten, beides jedoch nur in so fern keine Verbindlichkeit zum Militärdienste gegen das bisherige Vaterland im Wege stehet“.

§ 10. In der achten Sitzung schlug Sachsen über diesen Gegenstand vork, der Bundesacte die Abrede einzuverleiben, daß in der Bundesversammlung die Einführung möglichst gleichförmiger Grundsätze über die Militärpflichtigkeit der Unterthanen in den Bundesstaaten, in Berathung genommen werden solle, damit wegen der dermal vorwaltenden Verschiedenheit der gesetzlichen Vorschriften über diesen Gegenstand, nicht ein ungleichartiges Verhältniß entstehen möge. §. 11. Dieser Antrag wurde als vollkommen zweckmäßig sofort angenommen, und hiernach der 18te Artikel lit. b. n. 2 gefaßt, so, daß hieraus folgende gesetzliche Bestimmung der Bundes­acte erfolgt istl: „Die verbündeten Fürsten und freien Städte kamen darin überein, den Unter­thanen der deutschen Bundesstaaten folgende Rechte zuzusichern:

a) ................................................................................................................ b) die Befugniß 1. des freien Wegziehens aus einem deutschen Bundesstaate in den andern, der erweislich sie zu Unterthanen annehmen will, auch 2. in Civil- und Militärdienste desselben zu treten; beides jedoch nur in so fern keine Verbindlichkeit zu[m] Militärdienste gegen das bisherige Vaterland im Wege stehe, und damit wegen der dermal vorwaltenden Verschiedenheit der gesetzlichen Vorschriften über Militärpflichtigkeit, hierunter nicht ein ungleichartiges, für einzel-

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ne Bundesstaaten nachtheiliges Verhältniß entstehen möge; so wird bei der Bundesversammlung die Einführung möglichst gleichförmiger Grundsätze über diesen Gegenstand, in Berathung genommen werden“. a b c d e f g h i j k l

Klübers Acten des Wiener Congresses. I. Bd. S. 45 und folg.16 Klüber a. a. O. S. 62.17 Klübers Acten d. W. Congresses. Heft 4 S. 109. 110.18 Ebendas. II. Bd. S. 6/8.19 Ebendas. II. Bd. S. 45. 63.20 Ebendes. II. Bd. S. 298.21 Klübers Acten d. W. Congr. II. Bd. S. 314.22 Ebendas. S. 381.23 Ebendas. S. 368.24 Ebendas. S. 491.25 Ebendas. S. 502, 508, 509, confer. Klübers Uebersicht, 2. Abtheil. S. 262.26 Klübers Acten d. W. Congresses. II. Bd. S. 612. 27

16 Vgl. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 1/1, S. 45−56, hier S. 47, und QGDB I/1, Dok. 34, S. 201−214, hier S. 204 („41 Artikel“, 2. Fassung). 17 Vgl. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 1/1, S. 57−61, hier S. 61 (sic), und QGDB I/1, Dok. 58, S. 365−370, hier S. 369 f. („Zwölf Artikel“, Art. 12) 18 Vgl. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 1/4, S. 104−111, hier S. 109 f., und QGDB I/1, Dok. 216, S. 1243−1249, hier S. 1248. 19 Vgl. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 2, S. 1−5, hier S. 5 (sic), und QGDB I/1, Dok. 156, S. 961−966, hier S. 965 f. 20 Vgl. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 2, S. 18−55 und 55−64, hier S. 45 (Artikel 89) und 62 (Artikel 74) (sic), und QGDB I/1, Dok. 178, S. 1068−1099, hier S. 1091 (§ 89) und Dok. 179, 1099−1110, hier S. 1107 (§ 74). 21 Vgl. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 2, S. 298−308, hier S. 304 f., und QGDB I/1, Dok. 220, S. 1262−121270, hier S. 1267 f. (§ 9). 22 Vgl. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 2, S. 308−314, hier S. 314, und QGDB I/1, Dok. 219, S. 1256−1262, hier S. 1262 (Art. 17 b) (sic). 23 Vgl. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 2, S. 314−323, hier S. 321 (sic), und QGDB I/1, Dok. 228, S. 1299−1306, hier S. 1305. 24 Vgl. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 2, S. 342−400, hier S. 367−369, und QGDB I/1, Dok. 232, S. 1318−1357, hier S. 1334 f. 25 Vgl. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 2, S. 479−492, hier S. 491, und QGDB I/1, Dok. 244, S. 1444−1453, hier S. 1452. 26 Vgl. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 2, S. 502, 508 f., und QGDB I/1, Dok. 247, S. 1460−1471, hier S. 1465 f. u. 1470, sowie Johann Ludwig Klüber, Uebersicht der diplomatischen Verhandlungen des Wiener Congresses überhaupt, und insonderheit der wichtigen Angelegenheiten des teutschen Bundes. Abt. 1–3. Frankfurt am Main 1816, Abt. 2, S. 262. 27 Vgl. Klüber, Acten des Wiener Congresses, Bd. 2, S. 612, und QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516.

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[c) Anlage 2: Übereinkunft sämtlicher deutschen Bundesstaaten wegen Festsetzung allgemeiner Grundsätze über die Militärpflichtigkeit in ­Beziehung auf die Auswanderungsfreiheit] Allgemeine Grundsätze einer Übereinkunft sämtlicher deutschen Bundesstaaten über die Militärpflichtigkeit in Beziehung auf die Auswanderungsfreiheit: Einheitliche Festlegung der Jahre der Militärpflichtigkeit; Suspendierung der Befugnis des Wegziehens in Kriegszeiten; Modalitäten der Auswanderung; Recht der Bundesstaaten auf Festsetzung weiterer Bestimmungen in den abzuschließenden Freizügigkeitsverträgen; der Einwandernde unterliegt den im Aufnahmestaat geltenden Bestimmungen über die Militärpflichtigkeit und darf davon nicht befreit werden.

Ziffer 2 Uebereinkunft sämmtlicher deutschen Bundesstaaten wegen Festsetzung allgemeiner Grundsätze über die Militärpflichtigkeit in Beziehung auf die Auswanderungsfreiheit. Damit die in der Bundesacte Art. 18, Ziffer 1 und 2, lit. b vorbehaltene nähere Bestimmung gleichförmiger Grundsätze über die Militärpflichtigkeit in Beziehung auf die Befugniß der Unterthanen zum freien Wegziehen in einen28 andern deutschen Bundesstaat, oder zum Eintritt in desselben Civil- oder Militär­dienste, zum allgemeinen Besten festgesetzt werde, sind sämmtliche Staaten des deutschen Bundes über folgende, allgemein geltende Bestimmungen übereingekommen: I. Die Jahre der Militärpflichtigkeit, in so fern als dieselbe der Befugniß des freien Wegziehens oder Eintretens in fremde Dienste im Wege steht, werden von dem Anfange des 18ten bis zum vollendeten 27sten Lebensjahre festgesetzt. II. Innerhalb dieses Lebensalters behält sich jede Regierung bevor, die auszuwandern oder in fremde Dienste zu treten wünschenden Unterthanen entweder zum persönlichen Kriegsdienste, oder nach den allenfalls bestehenden Reluitionsgesetzen zum Ersatz derselben anzuhalten.

28 Emendiert. Vorlage: einem.

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Kommissionsvortrag über die Militärpflichtigkeit

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III. Vor dem Anfange des 18ten und nach vollendetem 27ten Jahre ist der Wegziehende als von allem Kriegsdienste frei anzusehen, und er soll in dem Staate, aus welchem er auswandert, weder zum Dienste bei dem stehenden Heere, noch bei der Landwehr oder Landsturm angehalten werden, noch hiefür einen Ersatz zu leisten haben. IV. Der abziehende Vater nimmt seine Söhne, die noch nicht das 18te Jahr angetreten haben, mit sich. Von diesem Alter anfangend müssen die Söhne vor der Auswanderung der Dienstpflichtigkeit Genüge leisten. V. Während des Krieges wird die Befugniß des Wegziehens für jeden, zu irgend einer Art der Vaterlands-Vertheidigung verpflichteten Unterthan suspendirt. VI. In jedem Falle muß sich derjenige, welcher aus einem Bundesstaate in einen andern auszuwandern, oder in desselben Kriegs- oder Civildienste zu treten wünscht, sich vorher an seine vorgesetzte Landesbehörde wenden, damit ­beurtheilet werde, in wie fern die gesetzlichen Bedingungen erfüllt sind, in ­welchem Falle das Wegziehen, über die Bestimmungen dieser Uebereinkunft hinaus, nicht erschwert werden soll. VII. Uebrigens behalten sich die einzelnen Bundesstaaten bevor, in den unter sich abzuschliessenden Freizügigkeits-Verträgen noch weitere Bestimmungen festzusetzen, wodurch jedoch in den oben ausgesprochenen Hauptsätzen nichts geändert werden soll, was die den Unterthanen ertheilte Befugniß erschweren könnte. VIII. Endlich machen sich alle Bundesstaaten gegeneinander verbindlich, darob zu halten, daß jeder Einwandernde, der sich in den Militärpflichtigkeits-Jahren, entweder in Rücksicht auf das stehende Heer, oder die Landwehre oder dem Landsturm, nach den Gesetzen des Staates befindet, in welchen er übergeht, als unmittelbar in dessen Militärpflichtigkeit übergehend betrachtet werde, demnach am allerwenigsten ein Bundesstaat in Hinsicht solcher Einwandernden die Vergünstigung ertheilen könne, daß dieselben seinerseits von der ­Militärpflichtigkeit befreit werden sollen.

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206. Hardenberg an Goltz

GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 578. Weisung. Behändigte Ausfertigung.

Äußert sein Befremden über die Erinnerung des Bundestagsgesandten von Gagern wegen Einführung möglichst gleichförmiger Grundsätze über die Militärpflichtigkeit, die als ein Tribut an einige Wortführer der öffentlichen Meinung anzusehen ist. Die Erzielung möglichst gleichförmiger Bestimmungen in dieser Sache ist wünschenswert, kann gemäß Artikel 7 der Deutschen Bundesakte aber nur durch einstimmigen Beschluß im Bundestag oder durch Vereinbarung zwischen einzelnen Bundesstaaten erreicht werden. Aus dem heiligen Bund zwischen den Landesherrn und den Untertanen ergibt sich die Notwendigkeit zur Erfüllung der Militärdienstpflicht. Zurückweisung exzentrischer Auffassungen mancher, die sich für Deutsche ausgeben, ohne es in Wahrheit zu sein, wonach jeder sich nach eigenem Gutdünken von Zeit zu Zeit einen neuen Wohnort aussuchen könne, wo er dann auch seine Militärdienstpflicht erfüllen könne. Die preußischen Gesetze über die Militärpflichtigkeit haben sich bewährt und erheblich zur Gesamtkraft Deutschlands beigetragen. Kündigt die Übersendung einer diesbezüglichen Zusammenstellung an und drückt seine Hoffnung aus, daß Goltz im zuständigen Bundestagsausschuß Ansichten, die dem preußischen und dem wahrhaft deutschen Interesse abträglich sind, abwenden kann.

Berlin, 30. Mai 1817 Ew. Excellenz Bericht1 über die, von dem Herrn von Gagern geschehene Anregung der Einführung möglichst gleichförmiger Grundsätze über Militairpflichtigkeit2, habe ich mit lebhaftem Interesse gelesen. Die großen Mächte: Oesterreich und Preußen, werden gewiß, bei dem lebendigen Interesse, welches das Wohl von Deutschland, und der deutsche Bund, für sie haben, sehr geneigt seyn, von selbst, und ohne daß minder mächtige Bundesglieder sie daran erinnern, Bedacht darauf zu nehmen, daß Gegenstände, welche die Bundesakte zu einer künftigen Berathung ausgesetzt hat, zu derselben gelangen, in einer Folgeordnung welche durch das Zeitbedürfniß mit zu bestimmen ist. Es erscheinet demnach, schon von dieser Seite, die Erinnerung des Herrn von Gagern als befremdlich. Ohne im geringsten nachtheilig urtheilen zu wollen, über die Absichten seines Hofes hierbei, oder über die des Herrn von Gagern selbst, kann man nicht verkennen, daß jene Erinnerung als ein Tribut erscheint, welcher, nicht etwan der öffentlichen Meinung von ganz Deutschland, sondern vielmehr derjenigen Meinung gebracht wird, welche manche Schriftsteller und an1 Vgl. Bericht von der Goltz’ an Hardenberg, Frankfurt am Main, 12. März 1817, GStAPK Berlin, I. HA, Rep. 75 A, Nr. 578 (Konzept). 2 Vgl. Dok. 203.

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maaßliche Wortführer so gern für die öffentliche Meinung von ganz Deutschland ausgeben möchten. Den Herrn von Gagern, von hier aus, etwan durch eine Verwendung an seinen Hof, auf das Unpassende seiner Anregung aufmerksam zu machen, möchte vielleicht eine der beabsichteten Wirkung ganz entgegengesetzte hervorbringen. Es möchte noch mehr Leidenschaftlichkeit erregen, als schon vorhanden ist, und seinen Aeusserungen erst eine rechte Wichtigkeit beilegen. Daher ist eine solche Erinnerung dießeitig bisher unterblieben, und Ew. Excellenz haben ebenfalls den Gesichtspunkt vollkommen richtig gefaßt, indem Sie keinesweges geradehin dem Antrage jenen Gegenstand in Berathung zu nehmen sich widersetzt, wohl aber, in der Ueberzeugung von der hohen Wichtigkeit der Sache, dieselbe auf eine Vorbereitung in einem Ausschuß, gelenkt, und, vornehmlich durch Bewirkung, daß Ew. Excellenz selbst zum Mitgliede dieses Ausschusses ernannt sind3, zum Guten gewirkt haben.4 Diese Verfahrungsweise hat den größten Beifall des Preussischen Hofes, und ich rechne es mir zu einer angenehmen Pflicht, Ihnen denselben zu erkennen zu geben. Diesemnächst wird mich die Wichtigkeit der Sache rechtfertigen, wenn ich Ew. Excellenz die ganze Angelegenheit in ihren Haupt- und Grundbeziehungen um so mehr darstelle, da Ihre Aeußerungen darüber zu erkennen geben, daß Sie von denselben Grundsätzen bereits durchdrungen sind. Allerdings muß jene Materie einmal in Berathung genommen werden. Die Bundesakte ordnet dieses im achtzehnten Artikel an.5 Es wird auch gut seyn, wenn jene möglichste Gleichförmigkeit erzielet werden kann, aber im gehörigen Wege. In einer Materie, in welcher es, wie in dieser, auf Annahme von Grund­ gesetzen, auf organische Bundeseinrichtungen, und auf jura singulorum, ankommt, kann, wie der siebente Artikel der Bundesakte ausdrücklich vorschreibt6, weder in der engern Versammlung, noch in pleno ein Beschluß durch Stimmenmehrheit gefaßt werden. Jene möglichst7 gleichförmige Grundsätze, die ja selbst nach Inhalt dieser Bestimmung, nicht einmal völlig8 gleichförmige werden sollen, können demnach keinesweges durch Stimmenmehrheit erzielet werden, sondern nur auf eine von folgenden Weisen: entweder per unanimia9, oder durch Verein3 Vgl. ProtDBV 1817, 25. Sitzung vom 1. Mai 1817, § 147, S. 278. 4 Vgl. Dok. 205. 5 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516 f. 6 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1511. 7 Doppelt unterstrichen. 8 Doppelt unterstrichen. 9 Lat.: durch Einstimmigkeit.

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barung zwischen einzelnen, sey es benachbarten, sey es durch einander ähnliche Grundsätze geleiteten, deutschen Regierungen, besonders den mächtigeren unter ihnen. Bei der vertraulichen Erörterung dieser Materie in einem Schreiben an Ew. Excellenz, kann und muß ich noch tiefer in dieselbe eingehen, und besonders eine Prüfung der Grundsätze anstellen, welche von excentrischen Köpfen hervorgebracht werden, im Gegensatz zu denjenigen Grundsätzen, welche die Preußische Regierung und andere wohlwollende gerechte deutsche Regierungen ihrer bisherigen Gesetzgebung hierüber zum Grund gelegt, und bisher befolgt haben. Diese Regierungen, und alle wirklich wohlgesinnte Deutsche, sehen das Band zwischen dem Landesherrn und den Unterthanen, zwischen der Regierung der freien Stadt und den Bürgern derselben, für ein, die Unterthanen, die Bürger beglückendes heiliges Band, an, und halten den seinem Fürsten, seinem Herzog, seinem König, seinem Landesherrn, treu, mit Liebe und Pflicht, ergebenen Unterthan für einen desto bessern und ächteren Deutschen. Wenn jeder einzelne, im deutschen Bunde stehende Staat in Deutschland kraftvoll und mächtig ist; so ist auch das gesammte Deutschland kraftvoll und mächtig. Denn die heilige Beobachtung der Bundesacte gestattet nicht, daß diese Kräfte einander bekriegen, noch zerstören, und wendet vielmehr die Gesammtkraft an zur Abwendung von innern Unruhen, von auswärtigen Kriegen und von Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Ganz in dieses System paßt es, daß der, seinem Landesherrn und seinem Lande Militairpflichtige, nicht seinem Gutdünken und nach seiner Willkühr, diese Pflicht verletze, sondern sie erfülle. Hingegen das System Mancher, die sich für Deutsche ausgeben, ohne es in der Wahrheit zu seyn, ist ein ganz anderes. Diese wollen das wohlthätige, heilige Band zwischen dem Landesherrn und den Unterthanen recht lose knüpfen, um an die Stelle desselben etwas zu setzen, was, zum Wohl für Deutschland und für Europa, bisher nur in ihren Köpfen vorhanden ist. In dieses System paßt es denn auch trefflich, aus den Deutschen eine Art von nomadischem Volk zu bilden, in welchem der vermeintlich Cultivirte sich von Zeit zu Zeit den Ort aussucht, wo er am besten seine Irrthümer für Wahrheiten zu verkaufen vermeynt, und der Militairpflichtige, nach seinem Gutdünken aus einem Dienst in den andern übergehet. Die Preußischen Gesetze über Militärpflichtigkeit10 haben sich, durch ihre Anwendung zur Zeit der Noth, als vortrefflich bewährt, so daß Preußen hof10 Vor allem das Gesetz über die Verpflichtung zum Kriegsdienst, Berlin, 3. September 1814, abgedr. in: Huber (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 58−60. Vgl. dazu und zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht den Überblick bei Huber,

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Mecklenburgische Abstimmung die Nachsteuer- und Abzugsfreiheit betreffend Nr. 207

fen darf, daß andere Regierungen ihm hierunter nachahmen werden, und keinesweges in dem Falle ist, seine Gesetzgebung hierunter, auf welcher seine Kraft und also ein beträchtlicher Theil der Gesamtkraft von Deutschland beruhet, zu ändern oder zu modificiren. Dem Chef der dritten Section11 ertheile ich den Auftrag, Ew. Excellenz eine bestimmte Notiz, die von gedachtem Chef gemeinschaftlich mit den Ministern des Krieges und des Innern abzufassen seyn wird, mitzutheilen, welche Notiz dasjenige enthalten oder bestimmt andeuten muß, was bisher die Preußischen Gesetze über Militairpflichtigkeit vorschreiben. Daß Ew. Excellenz Ihre Einwirkung, als Mitglied des Ausschusses, bestens dazu benutzen, um einen nachtheiligen Einfluß der Vorarbeiten dieses Ausschusses auf das Preußische Interesse, und zugleich auf das wahrhaft deutsche Interesse, abzuwenden, und um vielmehr eine günstige Einwirkung dieser Vorarbeit auf das eben bezeichnete Interesse, hervorzubringen, solches ist ganz Ihrer einsichtsvollen, und ächt patriotischen Geschäftsführung angemessen. Ich sehe nun mit Verlangen Ihren Berichten vom Erfolg, zu seiner Zeit entgegen. C. F. v. Hardenberg

207. Mecklenburgische Abstimmung die Nachsteuer- und Abzugsfreiheit betreffend

ProtDBV 1817, 35. Sitzung vom 16. Juni 1817, § 233, S. 478−480. Abstimmung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 3, 1817, S. 224−227.

Wegen der Nachsteuer- und Abzugsfreiheit hat man in den mecklenburgischen Landen jederzeit gesucht, liberale Grundsätze beim Abschluß von Konventionen mit deutschen und ausländischen Staaten in Anwendung zu bringen. Bereitschaft beider Mecklenburg zur Beschließung fester und gleichförmiger Bestimmungen in der ­Bundesversammlung. Aus Artikel 18 der Deutschen Bundesakte läßt sich der Zweck erkennen, daß der Deutsche in keinem Teil des verbündeten Deutschlands als Fremder behandelt, sondern in ihm das Gefühl des gemeinschaftlichen Vaterlandes wieder erweckt werden soll. Der Nachsteuer- und Abzugsfreiheit ist deshalb die größte ­Ausdehnung zu geben, während die Interessen einzelner Bundesstaaten oder von

Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 239−256; Wohlfeil, Vom Stehenden Heer des Absolutismus zur Allgemeinen Wehrpflicht (1789−1814), S. 115−130; sowie Simeon, Alphabetisch-systematische Uebersicht der über die Militairpflichtigkeit und Aushebung in den Königl. Preußischen Staaten ergangenen neueren und der noch Kraft habenden älteren Gesetze, Verordnungen und Instructionen, bes. S. 109−115. 11 Johann Ludwig von Jordan. Vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst des Königreichs Preußen (1815−1866), S. 400.

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­ rivaten nur insofern berücksichtigt werden können, als sie den angestrebten Zweck P nicht behindern. Unterbreitung entsprechender Vorschläge zu den im Vortrag des Bundestagsgesandten Berg aufgeworfenen acht Themenkomplexen.

Frankfurt am Main, 16. Juni 1817 Wegen der Nachsteuer- und Abzugsfreiheit hat man in den Mecklenburgischen Landen jederzeit gesucht, die gehegten liberalen Grundsätze in solche Anwendung zu bringen, soweit eine bewirkte Reciprocität nur die thunlichste Ausdehnung davon und alle Erleichterungen zuließ. Zu dem Ende sind denn auch mit mehreren benachbarten und entfernten deutschen und einigen europäischen Staaten schon früher Conventionen geschlossen und erneuert worden. Und nach Abschluß der Bundesacte ist man Mecklenburgischer Seits bereit und erbötig gewesen, gegen alle mitverbündete Staaten unter gleicher Erwiederung jene Befreiungen unbedingt und ohne Anstand eintreten zu lassen. Um so mehr wird man von Seiten der beiden Mecklenburgischen Höfe jetzt einverstanden seyn und dazu beitragen, damit durch gemeinsame Bera­ thung und Beschlußnahme die festen und gleichförmigen Bestimmungen zur baldigsten Ausführung dieser Aufgabe der Bundesacte getroffen werden. Der Gegenstand selbst ist durch den deßfallsigen Vortrag und durch einige der bisherigen Abstimmungen auch bereits so gründlich erörtert und mit Liberalität behandelt, daß man sich nur über die dabei aufgestellten besondern Puncte zu erklären braucht: I. Versteht es sich von selbst daß die Bestimmung der Bundesacte nur auf diejenigen Staaten sich bezieht, die eigentlich zum deutschen Bunde gehören, wobei es dann unbehindert und sehr zweckmäßig bleibt, über die andern, nicht darunter begriffenen Länder solcher Staaten beliebige Vereinbarung auch ausserdem zu treffen. II. und III. Aus der Bestimmung des betreffenden Artikels der Bundesacte1 läßt sich als Zweck erkennen, daß der Deutsche in keinem Theile des verbündeten Deutschlands als Fremder behandelt und dadurch in ihm das ­Gefühl eines gemeinschaftlichen Vaterlandes wieder erweckt werden soll. Um dieser Absicht zu entsprechen, wird im Allgemeinen als unumgänglich nothwendig anzunehmen seyn, jener Freiheit die größte Ausdehnung zu ­geben, und nicht durch Rücksichten auf ein mögliches besonderes Interesse einzelner Bundesstaaten, oder von berechtigten Privaten in selbigen zu veranlassen, daß die gemeinnützige Regel in den Ausnahmen davon, und somit der gute Zweck selbst gehindert werde, oder ganz verloren gehe. Daher scheint es genugsam angedeutet, daß sowohl das Abzugsrecht der Auswandernden, als 1 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516 f. (Artikel 18).

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Mecklenburgische Abstimmung die Nachsteuer- und Abzugsfreiheit betreffend Nr. 207

die Steuer von den ausserhalb Landes gehenden Erbschaften und sonstigen Capitalien hierunter begriffen seyn sollen, und wäre es überhaupt als Norm festzustellen, daß, neben der Befreiung vom Abschoß, keine Abgabe, die mit demselben auch nur die entfernteste Aehnlichkeit hat, anders bestehen könne, als in so ferne jegliches Vermögen, das einheimische wie das auswärtige, derselben gleich unterworfen ist, und daß also ebenfalls keine Beiträge so wenig zu Gemeinde- als zu Staatsschulden von dem ausgehenden Vermögen nachgefordert werden können. IV. und V. Wird die Anwendung des obigen Grundsatzes nur in allen einzelnen vorkommenden Fällen dem Mißbrauch vorbeugen können, damit nicht unter allerlei Formen oder veränderter Gestalt, der Abschoß noch ferner bezogen werde, oder auch durch die Verwendungsart solcher Abgaben irgend ein Unterschied für die Erhebung entstehen möge. Was dagegen hierbei in einigen Abstimmungen wegen des Lösegeldes von der Leibeigenschaft angeregt worden, so scheint dasselbe mithin auch nur in soweit hier in Betracht zu kommen, als ein solches Lösegeld von dem Auswandernden anders und höher, als wenn derselbe im Lande bliebe, verlangt werden möchte, und was wohl nicht der Fall seyn dürfte. Es würde sonst eine Prämie für die Auswanderung daraus entstehen. Vielmehr werden aber die Regierungen, in welchen ein Rest der Leibeigenschaft, wie eine Art von Gutshörigkeit, mit den alten Einrichtungen noch übrig geblieben ist, für die passende Aufhebung desselben und für die angemessene Verbesserung solcher Verhältnisse ohnedem sorgen; wenigstens in Mecklenburg wird man sich auf verfassungsmäsigem Wege damit beschäftigen. VI. Ist durch die bestimmte Vorschrift der Bundesacte Art. 18 der Satz ausgesprochen, daß den Unterthanen eines deutschen Bundesstaats das freie Wegziehen in den andern gestattet, und sie dabei von aller Nachsteuer befreiet seyn sollen. Es kann also eigentlich die Frage auch nicht weiter davon seyn, in wie fern einzelne Communen, Corporationen oder Privaten noch zu einem solchen Abzug berechtiget bleiben können. Eine Verbindlichkeit des Staats aber zu ­einer Entschädigung für dieselben scheint weder nach dem Begriff vorhanden, noch irgendwo vorbehalten. Die ganze Abzugssteuer soll in Deutschland aufhören, mit dem allgemeinen Recht, welches die Regierungen dazu ausübten, also auch das besondere, welches nach einer früheren oder späteren Ableitung davon, Privat-Personen oder Corporationen bisher besaßen. Eine Entschädigung vom Staat ist demnach wohl nicht in Anspruch zu nehmen, dagegen aber scheint es billig und angemessen, daß wenn, besonders bei Corporationen, solche Erhebungen zu gewissen nützlichen Zwecken verwendet worden, man solche durch andere Bewilligungen so viel thunlich wieder zu decken sucht. VII. Werden die bereits früher geschlossenen und noch bestehenden Freizügigkeits-Verträge durch den gegenwärtig zu fassenden Beschluß gleich von

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selbst ihre weitere Ausdehnung bekommen müssen, in so ferne sie ein Minderes oder sonstige Beschränkungen enthalten möchten. Die Abschliessung von künftigen Verträgen dieser Art wird hierdurch freilich nicht gehindert, indessen dürfte sich der Gegenstand dazu nur in besondern Verhältnissen einzelner Staaten gegen einander finden, welche ihnen eine erweiterte Anwendung jener hier allgemein verglichenen Normen noch wünschenswerth machten. VIII. Ueber den Zeitpunct, von welchem an diese Bestimmung in Wirksamkeit tritt, ist man diesseits der Meinung, daß solcher auf eine erst kommende aber möglichst nahe Zeit zu stellen wäre; jedoch unbeschadet der ­abweichenden Bestimmungen, welche einzelne Staaten schon früher durch Verträge deßhalb unter sich festgestellet haben. Wenn hierdurch nur mancherlei Verwickelungen zu vermeiden stehen; so leidet auch die Gerechtigkeit nicht dabei, indem die Bestimmung eines Vertrages, welche von weiterer Regulirung abhängig war, und in Ansehung deren sich auch gegenwärtig findet, daß ihre Ausführung nicht ohne Schwierigkeiten ist, erst mit dem ­Augenblick solcher Regulirung in Wirksamkeit tritt. Bei dem jetzigen Stand der Verhandlungen ist man deßhalb einverstanden, diesen Anfangstermin durchgehends auf den 1. July dieses Jahres festzusetzen, wobei in Uebereinstimmung mit den bisherigen Votis bei den vorkommenden einzelnen Fällen der Termin der wirklichen Exportation des Vermögens, ohne Rücksicht auf die erklärte Auswanderung oder den Vermögensanfall, zur Richtschnur an­ zunehmen wäre.

208. Mecklenburgische Abstimmung wegen der Militärpflichtigkeit in Beziehung auf die Auswanderungsfreiheit

ProtDBV 1817, 35. Sitzung vom 16. Juni 1817, § 234, S. 480. Abstimmung. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 3, 1817, S. 227−228.

Bereitschaft, der von der Bundestagskommission vorgeschlagenen Übereinkunft wegen Feststellung allgemeiner Grundsätze über die Militärpflichtigkeit in Beziehung auf die Auswanderungsfreiheit beizutreten. Sollte eine durchgehende Gleichförmigkeit für schwierig befunden werden, kann die Militärpflichtigkeit zugleich mit den ­Militärangelegenheiten des Bundes reguliert werden. Unbeschadet davon soll der Entwurf eines Beschlusses über die Nachsteuerfreiheit in Ausführung gebracht ­werden.

Frankfurt am Main, 16. Juni 1817 Wegen der Militär-Pflichtigkeit in Beziehung auf die Auswanderungs-Freiheit, wird man nach den in Mecklenburg bestehenden Einrichtungen kein

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Bundesbeschluß über die Freiheit von Nachsteuer und Abzugsgeld

Nr. 209

­ edenken finden, der Uebereinkunft1 beizutreten, welche von der deßhalb erB wählten Commission in Vorschlag gebracht worden, so bald solche allgemein geltende Bestimmungen vereinbart werden. Sollte inzwischen hiebei hin und wieder noch einiger Anstand genommen und eine durchgehende Gleich­ förmigkeit schwierig gefunden werden; so scheint es bei der nahen Aussicht, die Militär-Pflichtigkeit spätestens zugleich mit der Militär-Angelegenheit des Bundes unausgesetzt regulirt zu sehen, eher angemessen und zweckdienlich, die bereits zum Schluß des Protokolls stehende Abschoßfreiheit2 nicht länger darnach aufzuhalten, sondern vielmehr solche von dem nahe anzusetzenden Termin in allen deutschen Bundesstaaten in Ausführung zu bringen.3

209. Bundesbeschluß über die Freiheit von Nachsteuer und Abzugsgeld

ProtDBV 1817, 37. Sitzung vom 23. Juni 1817, § 254, S. 504–505. Bundesbeschluß. Druckfassung. Weiterer Druck: ProtDBV(Q), Bd. 3, 1817, S. 262−264; [Reuss (Hrsg.)], Die beiden Haupt-Grund-Verträge des deutschen Bundes, S. 93−96; Klüber, Quellen-Sammlung zu dem Oeffentlichen Recht des Teutschen Bundes, S. 261–263; CJCG, Bd. 2, S. 49−50; Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918, Bd. 1, S. 662−664.

Die Nachsteuer- und Abzugsfreiheit für Vermögen, das aus einem Land in ein anderes Land gebracht wird, bezieht sich auf alle deutschen Bundesstaaten gegeneinander und umfaßt jede Art von Vermögen. Alle bestehenden Abgaben auf die Ausfuhr von Vermögen oder den Übergang von Vermögen auf Angehörige eines anderen Mitgliedsstaates des Deutschen Bundes werden mit Wirkung vom 1. Juli 1817 für aufgehoben erklärt. Steuern, Abgaben und Gebühren, die anläßlich einer Erbschaft, eines Verkaufs, einer Schenkung etc. erhoben werden, sind durch die Nachsteuerfreiheit jedoch nicht ausgeschlossen. Über den Loskauf von der Militärpflichtigkeit im Hinblick auf die Freizügigkeit wird im Rahmen der Festsetzung der Militärverhältnisse des Deutschen Bundes entschieden. Bestehende Freizügigkeitsverträge werden aufrechterhalten, sofern sie die Freiheit von aller Nachsteuer begünstigen, erleichtern oder ausdehnen und den in der Bundesakte und dem gegenwärtigen Bundesbeschluß aufgestellten Normen nicht entgegen sind.

Frankfurt am Main, 23. Juni 1817 Die deutsche Bundesversammlung hat in Erwägung gezogen, daß unter den, in dem Artikel 18 der Bundes-Acte1 den Unterthanen der deutschen Bundes1 Vgl. Dok. 205c. 2 Abschoß: Abzugsgeld, Nachsteuer. Vgl. Haberkern/Wallach, Hilfswörterbuch für Historiker, S. 20 u. 146. 3 Vgl. Dok. 209. 1 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516 f.

Nr. 209

Frankfurt am Main, 23. Juni 1817

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staaten zugesicherten Rechten, die unter Buchstaben c) erwähnte Freiheit von aller Nachsteuer, in so fern das Vermögen eines Unterthans in einen andern deutschen Bundesstaat übergeht, noch näherer Bestimmungen bedürfe, und hat zu dem Ende festgesetzt, wie folgt: 1) die Nachsteuer- und Abzugsfreiheit von dem aus einem Lande in das andere gebracht werdenden Vermögen bezieht sich auf alle deutsche Bundesstaaten gegen einander. 2) Jede Art von Vermögen, welches von einem Bundesstaat in den andern übergeht, es sey aus Veranlassung einer Auswanderung, oder aus dem Grunde eines Erbschafts-Anfalls, eines Verkaufs, Tausches, einer Schenkung, Mitgift, oder auf andere Weise, ist unter der bundesvertragsmäsigen Abzugsfreiheit begriffen, und 3) jede Abgabe, welche die Ausfuhr des Vermögens aus einem zum Bunde gehörenden Staate in den andern, oder den Uebergang des Vermögens-Eigenthums auf Angehörige eines andern Bundesstaats beschränkt, wird für aufgehoben erklärt. Dagegen ist unter dieser Freizügigkeit nicht begriffen, jede Abgabe, welche mit einem Erbschafts-Anfall, Legat, Verkaufe, einer Schenkung u. d. gl. verbunden ist, und, ohne Unterschied, ob das Vermögen im Lande bleibt oder hinausgezogen wird, ob der neue Besitzer ein Inländer oder ein Fremder ist, bisher entrichtet werden mußte, namentlich Collateral-Erbschafts-Steuer, Stempel-Abgabe2 u. d. gl.; auch Zollabgaben werden durch die NachsteuerFreiheit nicht ausgeschlossen. 4) Die zum Vortheile der in einzelnen Staaten oder Gemeinden bestehenden Schuldentilgungs-Cassen, oder überhaupt wegen der Communal-Schulden eingeführten Abzüge von auswanderndem Vermögen, werden durch den Artikel 18 der Bundesacte als aufgehoben angesehen. Manumissionsgelder, da wo die Leibeigenschaft oder Hofhörigkeit noch zur Zeit besteht, sind, in so fern sie nur von den aus einem Bundesstaate in den andern auswandernden Unterthanen zu entrichten wären, unter der Nachsteuer-Freiheit begriffen. 5) Was den Loskauf von der Militär-Pflichtigkeit in Hinsicht auf Freizügigkeit anlangt, so behält sich die Bundesversammlung eine fernere Uebereinkunft bis zur Festsetzung der Militär-Verhältnisse des Bundes überhaupt und 2 Stempelabgabe, Stempelsteuer, Stempeltaxe: Urkundensteuer, die in Form eines Stempels oder einer käuflichen Stempelmarke erhoben wurde und mit der Verbreitung des Schriftwesens seit dem 18. Jahrhundert in Verbindung steht. Die Abgabe wurde teils nach allgemeinen Tarifen erhoben, teils richtete sie sich nach dem Wert der Objekte. Stempelpflichtig waren Gesuche an Behörden, aber auch behördliche Entscheidungen. Außerdem unterlagen privatrechtliche Verträge der Stempelsteuer. In Deutschland wurden die meisten Stempelsteuern im 19. und frühen 20. Jahrhundert aufgehoben. Vgl. HRG, Bd. 4, Sp. 1958 f.

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Bundesbeschluß über die Freiheit von Nachsteuer und Abzugsgeld

Nr. 209

der damit in unmittelbarer Verbindung stehenden Anordnungen über die Militär-Pflichtigkeit im Allgemeinen vor. 6) Die durch die Bundesacte festgesetzte Nachsteuer- und Abzugsfreiheit findet ohne Unterschied statt, ob die Erhebung dieser Abgabe bisher dem landesherrlichen Fiscus, den Standesherren, den Privat-Berechtigten, Communen oder Patrimonial-Gerichten zustand; und die ausgesprochene Aufhebung aller und jeder Nachsteuer – kann keinen Grund zu einer EntschädigungsForderung an den Landesherrn für die den Berechtigten entgehende Einnahme abgeben. Auch die Art der Verwendung des Abzugsgefälls kann keinen Grund darleihen, dasselbe gegen die Bestimmungen der Bundesacte bestehen zu lassen. 7) Die besondern Freizügigkeits-Verträge werden, in so weit sie dasjenige, was die Bundes­acte und dieser Beschluß der Bundesversammlung über die Freiheit von aller Nachsteuer enthält, begünstigen, erleichtern oder noch mehr ausdehnen, auch künftig aufrecht erhalten, – und dergleichen Verträge bestehen, also in so fern als sie den in der Bundesacte und in dem gegenwärtigen Beschlusse aufgestellten Normen nicht entgegen sind. 8) Als allgemein geltender Termin, von welchem an die völlige Nach­ steuer-Freiheit von allem auswandernden Vermögen in den deutschen Bundesstaaten statt haben soll, wird der erste Julius dieses Jahres festgesetzt, ­unbeschadet der günstigeren Bestimmungen, welche theils aus Verträgen verschiedener Bundesstaaten unter sich, theils aus landesherrlichen Verordnungen einzelner Regierungen hervorgegangen sind. Es wird übrigens der Zeitpunct der Vermögens-Exportation und des Verzichts auf das Unterthansrecht zur Richtschnur angenommen.

Nr. 210

Frankfurt am Main, 9. Februar 1818

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210. Anfrage Wangenheims, die Abzugs- und Nachsteuerfreiheit betreffend

BA Berlin-Lichterfelde, DB 1/I, Nr. 3. Anfrage. Druckfassung (Loco dictaturae, 1 Seite).

Anfrage Wangenheims, ob unter der Ausfuhr von Vermögen, wovon Artikel 8 des Bundesbeschlusses über die Abzugs- und Nachsteuerfreiheit vom 23. Juni 1817 handelt, die reelle oder auch die ideelle Ausfuhr verstanden werden kann. Schilderung der bisherigen Verwaltungspraxis in Württemberg und Anfrage, ob die dabei beobachteten Grundsätze den Bestimmungen des Bundesbeschlusses gemäß seien.

Frankfurt am Main, 9. Februar 1818 Anfrage des Königlich-Württembergischen Herrn Bundesgesandten, in der vertraulichen Sitzung vom 9. Februar 18181, die Abzugs- und Nachsteuerfreiheit betreffend. Bei Anwendung der, durch die Bundesacte festgesetzten2 und durch den Schluß der Bundesversammlung vom 23. Juni 1817 näher bestimmten Grundsätze einer gegenseitigen Freizügigkeit des Vermögens unter sämmtlichen deutschen Bundesstaaten3, kann der Zweifel erhoben werden: ob unter der Exportation des Vermögens, von welcher der 8. Artikel jenes Bundesschlusses handelt, die wirkliche, reelle Exportation, oder auch diejenige ideelle zu verstehen sey, welche bei Activ-Forderungen des Auswandernden rechtlich fingirt zu werden pflegt, indem nomina4, als der Person des Besitzers anklebend, mithin als da gelegen angesehen werden, wo der Besitzer seinen Wohnort hat? In Württemberg wurde bisher von der Ansicht ausgegangen, daß 1) die, einem Ausländer angefallene Erbschaft, in so weit sie in liegenden Gütern besteht, − so lange diese nicht veräussert wurden − nicht für exportirt angesehen werden können; daß aber 2) bei Activ-Forderungen und beweglichen Sachen, welche, im rechtlichen Sinne, als am Wohnort des Eigenthümers sich befindend, betrachtet werden, 1 Emendiert. Vorlage: 19. Februar 1818. Laut Aussage von Martens wurde die Anfrage Wangenheims in der 8. Sitzung der Bundesversammlung vom 9. Februar 1818 eingebracht (vgl. Dok. 212), die eine vertrauliche Sitzung war (vgl. ProtDBV 1818, S. 71). Buol und Martens haben ihre Stellungnahmen dann vermutlich in der 10. Sitzung vom 19. Februar 1818, der nächsten vertraulichen Sitzung, abgegeben (vgl. ProtDBV[Q], Bd. 5, 1818, S. 5), woraus die Verwechslung beider Datumsangaben herrühren dürfte. 2 Vgl. QGDB I/1, Dok. 250, S. 1516 f. (Artikel 18). 3 Vgl. Dok. 209. 4 Nomen (lat.): Forderung. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 205.

1070

Anfrage Wangenheims, die Abzugs- und Nachsteuerfreiheit betreffend

Nr. 210

anzunehmen sey, daß die Erwerbung des Eigenthums derselben, zugleich auch die rechtlichen Folgen einer Vermögens-Exportation nach sich ziehe; und daß letztere Behandlungsart 3) schon um deßwillen den Vorzug zu verdienen scheine, weil bei Mobilien und Capitalien das Factum der Ausfuhr oder der Capitalablösung der obrigkeitlichen Stelle nicht immer bekannt wird, mithin manche Unterschleife unterbleiben, wenn die Entrichtung der Exportations-Abgabe von der Erwerbung des Eigenthums abhängig gemacht wird; daß aber auf jeden Fall 4) für entschieden werde angenommen werden müssen, daß ein hinterfälliges Vermögen, so lange dessen Nutzniessung noch einem Innländer zusteht, nicht als exportirt zu betrachten sey. Da nun aber inzwischen wiederholte Reclamationen über Zurückgabe und Nachlaß solcher Abzüge eingehen, welche von Vermögenschaften angesetzt und zum Theil eingezogen wurden, die zwar vor dem 1. Juli 1817 einem Ausländer angefallen, hingegen erst nach diesem Zeitpuncte, theils in Activ-Capitalien, theils in baarem Gelde, Fahrniß5 etc. exportirt worden sind; und da die Königlich-Württembergische Regierung in keinem Falle anders, als im Sinne des Bundesschlusses handeln möchte; so wünscht sie zu wissen: ob die oben aufgestellten Grundsätze überhaupt und ob insbesondere auch die Aufrechnung eines Abzuggeldes für den letzt gedachten Fall, dem Sinne des angeführten Bundesschlusses gemäß sey oder nicht? Da die nämlichen Zweifel auch bei andern Regierungen obwalten, und dadurch die nämlichen Fälle nach verschiedenen Grundsätzen behandelt werden könnten, so bin ich beauftragt, darüber meine hochverehrten Herren Collegen vertraulich um Mittheilung ihrer Ansicht und der von ihren Regierungen beobachteten Grundsätze zu bitten.

5 Fahrnis: bewegliche Sachen bzw. Vermögen. Vgl. HRG2, Bd. 1, Sp. 1474−1477.

Nr. 211

Frankfurt am Main, 19. Februar 1818

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211. Ansicht Buols zur Anfrage Wangenheims, die Abzugs- und Nachsteuerfreiheit betreffend

BA Berlin-Lichterfelde, DB 1/I, Nr. 3. Stellungnahme. Druckfassung (Loco dictaturae, 1 Seite).

Der Beschluß über die Nachsteuer- und Abzugsfreiheit vom 23. Juni 1817, wonach ab dem 1. Juli 1817 kein Abzugsgeld mehr erhoben werden soll, bezieht sich auf den Zeitpunkt der reellen Ausfuhr von Vermögen von einem deutschen Staat in den anderen. Davon abweichende einzelstaatliche Regelungen verlieren ab dem 1. Juli 1817 ihre Gültigkeit.

Frankfurt am Main, 19. Februar 1818 Ansicht des Kaiserlich-Oesterreichischen Herrn Bundesgesandten über diesen Gegenstand. Der in der 37.  Sitzung vorigen Jahrs (§ 254) gefaßte Beschluß über die Nachsteuer- und Abzugsfreiheit, setzt Artikel 8, als allgemein geltenden Termin, von welchem an die völlige Nachsteuerfreiheit von allem auswandernden Vermögen in den deutschen Bundesstaaten statt haben soll, den 1. Juli 1817 fest, und erwähnt, daß „der Zeitpunct der Vermögens-Exportation und des Verzichts auf das Unterthansrecht zur Richtschnur angenommen worden sey.“1 Es ist hier von einem Termin, von einem Zeitpunct und von einer Exportation die Rede − Worte, welche in ihrem Zusammenhange eine reelle Veränderung, ein wirkliches Ereigniß und eine Handlung bezeichnen, die also schon allein die Distinction zwischen idealer, fingirter und wirklicher Exportation ausschliessen, weil eine ideale Exportation keine Exportation, und ein idealer Termin kein Termin wäre, wenn man auch nicht in Betracht ziehen wollte, daß der freie Abzug selbst noch vor der Errichtung der Bundesacte die Regel ausmachte, und die Erhebung eines Abzugsgeldes und einer Nachsteuer die Ausnahme war, und daß, besonders seit der Errichtung der Bundesacte und des Beschlusses vom 23. Juni 1817, im Zweifel allezeit zu Gunsten der Freiheit des Abzugs und der Nachsteuer zu sprechen sey. War es doch schon vordem Grundsatz des deutschen Privatrechts, daß, so lang die Güter noch nicht verbracht und dem Gebiete wirklich entzogen wurden, auch Nachsteuer- und Abzugsforderung rechtlich nicht erwachsen war − und wenn der abziehende oder der auswärtige Erbe aus dem Erlöse des veräusserten Guts, oder aus dem eingezogenen Capitale wieder andere, in demselben Staate gelegene Güter kaufte, oder Capitalien anlegte, kein Abzug oder Nachsteuer statt fand. 1 Vgl. Dok. 209, S. 1068.

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Ansicht Buols zur Anfrage Wangenheims

Nr. 211

In diesen Betrachtungen, glaube ich, liegt die von dem Königlich-Württembergischen Herrn Gesandten verlangte Erläuterung, daß der Art. 8 des Beschlusses vom 23. Juni 1817, die reelle und nicht die fingirte Exportation − so wie den Zeitpunct der wirklichen Ausfuhr, nicht des Anfalls oder blossen Zueignens, Zuschreibens oder vorsorglichen Annotirens, Behuf der Nachsteuer-Erhebung, als Richtschnur vorgesteckt habe. Schuldforderungen, welche als der Person des Besitzers anklebend betrachtet werden, bleiben nur dann vor ihrer Erhebung der Nachsteuer oder dem Abzuge bis zum 1. Juli 1817 unterworfen, wenn sie in auf den Ueberbringer lautenden Staatspapieren bestanden, und dem Eigenthümer noch vor dem 1. Juli 1817 körperlich zugestellt worden sind; − andere hypothekarische oder chirographarische2 Schulden dürfen erst nach der Zeit des Ein­ zuges beurtheilt werden, weil zwischen vollem Eigenthum und wirklichem Abzuge ein wesentlicher Unterschied besteht. Die Uebergabe oder der Besitz des Capitalbriefs mag immerhin dem Eigenthümer zu diesem Zwecke genügen, der wirkliche Einzug des aufzukündenden Capitals oder die legale Cession hingegen, setzt ihn erst in den Fall, frei über das angefallene Capital zu disponiren. Wenn Partikular-Verordnungen in einem Bundesstaate ein anderes vorschreiben, so ist dieses als eine blosse Administrativ-Maasregel, etwa wegen verlässigerer Erhebung eingeführt, anzusehen, die als einflußlos auf den Beschluß der Bundesversammlung zu umgehen ist, und durchaus nicht über den Termin vom 1. Juli 1817 erdehnt werden kann, indem jedes Vermögen, das bis zu diesem Zeitpuncte aus einem Bundesstaate in den andern noch nicht wirklich abgeführt worden, nach dem Beschlusse der Bundesversammlung von Abzug und Nachsteuer frei seyn muß. Indem ich hier lediglich meine Privat-Ansicht, als diejenige ausspreche, welche mir dem Geiste des gefaßten Beschlusses die angemessenste zu seyn scheinet, verstehe ich jedoch keineswegs damit, die Grundsätze der Kaiserlich-Oesterreichischen Regierung bestimmt angeben zu wollen.

2 Chirographum (lat.): Schuldschein. Gemeint sind hier Forderungen, die sich nur auf handschriftliche Versicherungen (Schuldschein, Wechsel etc.) gründen und denen die hypothekarischen Forderungen vorgehen. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 53; Heyse, Allgemeines verdeutschendes und erklärendes Fremdwörterbuch, S. 147; HRG, Bd. 1, Sp. 609 f.

Nr. 212

Frankfurt am Main, 19. Februar 1818

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212. Ansicht Martens’ zur Anfrage Wangenheims, die Abzugsund Nachsteuerfreiheit betreffend

BA Berlin-Lichterfelde, DB 1/I, Nr. 3. Stellungnahme. Druckfassung (Loco dictaturae, 2 Seiten).

Die Anfrage des württembergischen Bundestagsgesandten bezieht sich auf das Abzugsrecht von Vermögen, das an schon im Ausland wohnende Personen abgegeben wird. Schilderung der bisherigen Verwaltungspraxis in Württemberg, die zwischen dem Anfall und der Ausfuhr von Vermögen unterscheidet. Eindeutigkeit des Bundesbeschlusses vom 23. Juni 1817, wonach ab dem 1. Juli 1817 kein Abzugsgeld auf Vermögen mehr erhoben werden soll, das von einem deutschen Staat in einen anderen deutschen Staat ausgeführt wird. Keine rückwirkende Geltung dieser Bestimmung des Bundesbeschlusses.

Frankfurt am Main, 19. Februar 1818 Ansicht des Königlich-Hannöverischen Herrn Bundesgesandten über ebendenselben Gegenstand. Der von dem Königlich-Württembergischen Herrn Gesandten in der 8. Sitzung1 in Anfrage gebrachte Punct2, worüber die gutachtliche Meinung der Gesandten und Benachrichtigung über die Ansichten und Verfahrungsweise ihrer Höfe begehrt worden, trifft die Fragen: 1. ob von beweglichem Vermögen, welches einem Ausländer vor dem Termin der Abschaffung des Abzugsrechts angefallen ist, aber erst nach diesem Termin reell exportirt wird, das etwa noch nicht erhobene Abzugsgeld erhoben werden könne? 2. ob, wenn von beweglichem Vermögen dieser Art das Abzugsgeld schon vor besagtem Termin erhoben worden, das Bezahlte dann zurückgefordert werden könne, wenn die reelle Exportation erweislich erst nach diesem Termine erfolget? Beide Fragen betreffen also nicht eigentlich den Fall der Auswanderung (gabella emigrationis), sondern das Abzugsrecht, jus detractus in strengerem Sinne, vom Vermögen, welches an schon im Auslande wohnende Personen verabfolget wird. Der hierbei im Königreich Württemberg, während der Zeit, wo das Abzugsrecht noch bestand, gemachte Unterschied, nach welchem das Abzugsgeld von unbeweglichem Vermögen erst bei wirklich erfolgter Veräusserung, bei beweglichem Vermögen aber gleich bei dem Anfall eingefordert wurde, scheint sich − doch nur − durch die Rücksicht zu rechtfertigen, daß die reelle Exportation des beweglichen Vermögens nicht so, wie die des unbewegli1 Vgl. ProtDBV 1818, 8. Sitzung vom 9. Februar 1818, S. 71 (vertrauliche Sitzung, ohne Protokoll). 2 Vgl. Dok. 210.

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Ansicht Martens’ zur Anfrage Wangenheims

Nr. 212

chen, von dem Staate controllirt, und leicht verheimlicht werden könnte, mithin als eine Maasregel, um den Staat für den Fall sicher zu stellen, wo das Vermögen, und zwar zu einer Zeit reell exportirt würde, wo es die nur auf die Exportation ruhende Last zu tragen schuldig wäre; denn, wie verschieden man auch über den allerersten Grund des Abzugsrechts denken mag, so sind doch wohl alle darin einverstanden daß das eigentliche jus detractus nicht für den Anfall, sondern für die Exportation und für die dadurch entbehrten Staatsoder Gemeinde-Vortheile erhoben wird. Wenn man daher auch zugiebt, daß, in so fern das Abzugsgeld schon wirklich erhoben worden, der Staat nicht gehalten sey, nach erfolgter Abschaffung des Abzugsrechts das Empfangene zurückzubezahlen, weil dadurch der Steuerpflichtige sich die Freiheit der Exportation erkauft hat, und wenn er gleich sich derselben bis zum Termin der Abschaffung des Abzugsrechts nicht bedient hat, er dafür keinen Ersatz mehr zu fordern befugt ist; so scheint doch auf der andern Seite, daß wenn entweder a) bis zu diesem Termin wegen des Abzugsgeldes keine Anregung an ihn ergangen war, oder b) der Staat sich mit einer Annotation, allenfalls gegen Bestellung einer Caution, begnügt hatte, die wirkliche Exportation aber zur Zeit der Abschaffung noch nicht erfolgt war, jetzt kein Abzugsgeld dafür mehr gefordert werden könne. Die Aufstellung dieses Satzes scheint selbst nothwendig, um consequent mit den eigenen Königlich-Württembergischen Grundsätzen zu bleiben. In Württemberg wird anerkannt, daß von unbeweglichen Gütern, welche an einen Ausländer fallen, das Abzugsrecht nicht zur Zeit des Anfalls und nicht für denselben, sondern erst bei der Veräusserung, mithin der Verwandelung derselben in Mobiliar-Vermögen erhoben werde, weil bis zur Veräusserung dieser Güter der Staat durch dieselben wegen des Abzugs hinreichend gesichert ist, auch von dem bisherigen Eigenthümer die Steuern u. s. f. genießt. In Ansehung solcher Güter gesteht man daher selbst zu, daß, falls die Veräusserung bis zum Termin der Abschaffung des Abzugsrechts nicht erfolgt war, jetzt kein Abzugsgeld mehr gefordert werden könne. Aus gleichen Gründen aber muß dort von dem beweglichen Vermögen das Abzugsgeld nicht für den Anfall, sondern für die Exportation bezahlt werden, denn bis dahin genießt der Staat von den im Lande bleibenden Capitalien sowohl die Vortheile, welche sie für die Geldcirkulation gewähren, als selbst die auf bewegliche Güter gelegte Steuern, Anleihen u. s. f.; welche Vortheile es eigentlich sind, für deren Verlust das Abzugsgeld ein Ersatz seyn soll. Wird daher gleich für solche Güter das Abzugsgeld sofort bei deren Anfall erhoben, so ist es nicht, weil sie ein Eigenthum eines Ausländers geworden (welches auch bei unbeweglichen Gütern der Fall ist), sondern weil sie leicht

Nr. 212

Frankfurt am Main, 19. Februar 1818

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täglich, ohne Vorwissen des Staats, ausgeführt werden könnten, und dieser zu seiner Sicherheit annimmt, als seyen sie gleich nach dem Anfall (wie der Werth der unbeweglichen Güter, nach deren erfolgten Veräusserung) zur Exportation bestimmt, mithin ex praesumtione3. Wird aber der Staat gegen die heimliche Exportation durch eine geleistete Caution gesichert, oder entsagt er, im Vertrauen auf den Pflichtigen, einer solchen Caution, indem er sich mit einer blossen Annotation begnügt, oder nimmt er von dem Anfall gar keine Notiz, und läßt sich dann erweisen, daß bis zum Termin der Abschaffung des Abzugsrechts die Capitalien noch im Lande zurückgeblieben sind, so glaube ich nicht, daß der Staat für die nach diesem Termin erfolgende reelle Exportation noch ein Abzugsrecht erheben könne, denn bis zu diesem Zeitpunct hat er aller Vortheile genossen, welche das Zurücklassen der Capitalien gewährt; und für deren Entbehrung in der Zukunft soll, nach Abschaffung des Abzugsrechts, kein Ersatz mehr gefordert werden. Dieß scheint mir sowohl aus der Natur der Sache, als aus dem Sinne und dem Zweck des Beschlusses vom 23. Juni vorigen Jahres zu fliessen, nach welchem vom 1. Juli 1817 an, gar kein Abzugsgeld mehr erhoben werden soll. Und wenn man sich an den wohl unläugbaren Satz hält, daß alles Abzugsgeld nicht für den Anfall, sondern nur für die Exportation entrichtet wird, so erhält dadurch der Beschluß vom 23. Juni 1817 gar keine retroactive Kraft. Nimmt man auch − wie im Württembergischen − an, daß bei dem beweglichen Vermögen, selbst für die muthmaßliche Exportation, das Abzugsgeld erhoben werden könne, so ist doch, wo diese Erhebung nicht erfolgt ist, und wo die nicht erfolgte Exportation sich nachweisen läßt, der Satz anwendbar: praesumtio cedit veritati4, und unter diesem Gesichtspunkt ist keine retroactive Kraft des Gesetzes wahrzunehmen. Wie dieser Punct in den Königlich-Hannöverischen Landen gehalten werde, kann ich aus bestimmten Beispielen für jetzt nicht darthun, doch kann ich, mit Beziehung auf meine Abstimmung in der 35. Sitzung5, die Versicherung geben, daß mein Hof auch in diesem Punct die liberalesten Grundsätze zum Vortheil der Privatpersonen erga reciprocum6 gern befolgen und sie als dem Sinne und dem Zweck des Beschlusses vom 23. Juni gemäß ansehen werde. 3 Praesumptio (lat.): Rechtsvermutung, Mutmaßung. Vgl. Lieberwirth, Latein im Recht, S. 235. 4 Lat.: Die Vermutung weicht der Wahrheit. D.h.: „Eine Vermutung gilt nur so lange, als nicht feststeht, wie es sich wirklich verhält.“ Vgl. Liebs, Lateinische Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, S. 178. 5 Vgl. ProtDBV 1817, 35. Sitzung vom 16. Juni 1817, § 233, S. 472−474. 6 Lat.: für eine Gegenleistung. Vgl. Christoph Martin Wieland, Übersetzung des Horaz. Frankfurt am Main 1986, S. 294 u. 1256.

Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen ABEPI ABF Abt. a. c. a. d. ADB a. dgl. ah. allerggst. ANB Anm. APW Art. au.; AU. Aufl. B.; Bn; Bon BA B. A.; B. Acte Bd. Bearb. Best. B. T. BTB Bü B. V. c. c. a. Cap. cf.; cfr. CJCG Ctn.; Ctnr. d. DBA DBE

Archivio Biográfico de España, Portugal e Iberoamérica Archive Biographiques Françaises Abteilung anni currentis (lat.: des laufenden Jahres) anno domini (lat.: im Jahre des Herrn, d. h. nach Christi Geburt) Allgemeine Deutsche Biographie auch dergleichen; andere dergleichen Allerhöchst allergnädigst American National Biography Anmerkung Acta Pacis Westphalicae Artikel alleruntertänigst Auflage Baron Bundesarchiv Bundesakte Band bzw. Bind Bearbeiter Bestand Bundestag (Brünner) Genealogisches Taschenbuch der Ritterund Adelsgeschlechter Büschel Bundesversammlung currentis (lat.: des laufenden [Monats, Jahres]) currentis anni (lat.: des laufenden Jahres) Kapitel confero (lat.: vergleiche) Corpus Juris Confoederationis Germanicae Zentner dieses Deutsches Biographisches Archiv bzw. Deutsche Bundesakte Deutsche Biographische Enzyklopädie

1078 DBF Dep. DGB dd.; d. d.; ddo; ddo ders. dh.; d.h. d. i. d. J(s). d. M(ts). do; dto. DNB DNP Dok. dt. Ebd. ec.; e. c.; ect.; etc. E. D. Ed(s). E. E. E. H. ejsd. E. K. M. engl. eod.; ejod. Ew.; Ewr. Exc.; Exz. Exped. F. f.; ff. Fasz., Fasc. Fhr.; Fherr fl.; f. fl. rhein. fol. Freih.; Fr.; Frh.; Frhr. frz. Fst. Geh. Gf.; Grf. ggl. ggr., gGr.

Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen

Dictionnaire de biographie française Depositum Deutsches Geschlechterbuch de dato (lat.: von heute) derselbe das heißt das ist dieses Jahres dieses Monats dito (lat.: dasselbe, ebenso) Dictionary of National Biography Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike Dokument deutsch Ebendort et cetera Euer Durchlaucht Editor(s), Editeur(s) Euer Exzellenz Euer Hochwohlgeboren ejusdem (lat.: am selben) Eure Königliche Majestät englisch eodem (lat.: am selben) Euer Excellenz, Exzellenz Expeditionsvermerk, Auslaufdatum Freiherr; Fürst; Fürstlich(er/en) folgende Faszikel Freiherr Florin (Gulden) rheinischer Gulden folio (lat.: Blatt) Freiherr französisch Fürst Gehorsamst Graf Guter Gulden Guter Groschen

Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen

ggst. GGT B GGT F GGT G GGT U GHBy GHdA gen. Gl GLA Gr. GS Preußen GStAPK H. H.; Hn.; Hr.; Hren HA HHStA hl.; hlr. HLS HRG; HRG2 Hrsg. HStA huj. HV i.O. HZ Ibid. I.I. M.M. IPM IPO k.; kgl.; Kön. Kart. kk.; k. k.; K. K. Kr. ksrl.

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gnädigst Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Briefadeligen Häuser Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Freiherrlichen Häuser Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Gräflichen Häuser Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Uradeligen Häuser. Genealogisches Handbuch des in Bayern immatrikulierten Adels Genealogisches Handbuch des Adels genannt General Generallandesarchiv Groschen Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Heft Herr(en) Hauptabteilung Haus-, Hof- und Staatsarchiv Heller Historisches Lexikon der Schweiz Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (1. bzw. 2. Aufl.) Herausgeber Hauptstaatsarchiv huius (lat.: dieses) Hervorhebung im Original Historische Zeitschrift Ibidem (lat.: ebendort) Ihre Majestäten Instrumentum Pacis Monasteriense Instrumentum Pacis Osnabrugense königlich Karton kaiserlich-königlich Kreuzer kaiserlich

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Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen

lateinisch Lexikon des gesamten Buchwesens, 2. Aufl. Landeshauptarchiv laufenden Jahres litera(e) (lat.: Anlage[n]) laufenden Monats Locat Loco sigilli (lat.: Ort des [angebrachten] Siegels) Lexikon für Theologie und Kirche (1., 2. bzw. 3. Aufl.) t M.; Maj.; Maj Majestät; Majesté MA Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten MdA Ministerium des Auswärtigen Minr; Minist. Minister n.; No.; Nr.; Nro.; Num. Nummer; Numero; Numerum N.B. Nota Bene! (lat.: beachte!) NBG Nouvelle biographie générale NDB Neue Deutsche Biographie Ndr. Nachdruck Nis numeris (lat.: Nummer) N. N. nomen nescio (lat.: Name unbekannt) N. S. Nachschrift o. ordentlich(er) o. J. ohne Jahr o. O. ohne Ort ODNB Oxford Dictionary of National Biography ÖBL Österreichisches Biographisches Lexikon pag. pagina (lat.: Seite) pC.; pCt; p. Cnt. per bzw. pro Cent (lat.: Prozent) pCenten per bzw. pro Centen (lat.: Prozenten) Pf., pf. Pfennig P. M. Promemoria perge, perge (lat.: und so weiter) pp; p.p.; p. pr; pr. per bzw. pro Praes. Praesentatum (Einlaufdatum) ProtDBV Protokolle der Deutschen Bundesversammlung nebst den loco dictaturae gedruckten Beilagen [Amtliche Folioausgabe] ProtDBV(Q) Protokolle der deutschen Bundes-Versammlung [Quartausgabe, Teilsammlung] P. S.; P. Stum; Ptum Postskriptum (lat.: Nachschrift) lat. LGB2 LHA l. J. lit., litt. l. M(ts). Loc. L. S. LThK; LThK2; LThK3

Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen

pto QGDB Rep. resp.; respec. Rh. Rthl. S. SBA S. E. Se; Se.; Se seq.; sq. s. g.; sogen. S. K. H. S. M. S. Not. Sr; Sr., Sr StA St. K. StM, StMr; StMinr StS. T.; Th.; Thl. Thlr. Tit. TRE u. a. m. Übers. u. d. gl.; u. dgl. u. d. m. ut. in litt. v. v.a. VBl. Nassau vdt. vgl. v. J. v. M(ts). Vol. W. C. A. WSA; W.Schl.A. würker W. W.

1081

puncto Quellen zur Geschichte des Deutschen Bundes Repositur, Repositorium respektive Reihe Reichstaler Seite Scandinavian Biographical Archive Seine Erlaucht, Seine Exzellenz Seine sequens (lat.: folgend) sogenannte(n) Seine Königliche Hoheit Seine Majestät; Sa Majesté Siehe Note (d.h. Anmerkung) Seiner; Sieur (frz.: Herr) Staatsarchiv Staatskanzlei Staatsminister Staatssekretär Teil Taler Titel Theologische Realenzyklopädie und anderes mehr Übersetzung und dergleichen und dergleichen mehr. ut in litteris (lat.: wie im Schreiben) von vor allem Herzoglich-Nassauisches Verordnungsblatt vidit (lat.: hat gesehen) [Kenntnisnahmevermerk] vergleiche vorigen Jahres vorigen Monats Volume; Volumen Wiener Kongreßakte Wiener Schlußakte würklicher (wirklicher) Wiener Währung

1082 xbr. Z. z. E. zit.; Zit. Zs.

Verzeichnis der Abkürzungen und Siglen

Dezember Ziffer zum Exempel zitiert; Zitat Zeitschrift

Quellen- und Literaturverzeichnis 1. Ungedruckte Quellen (Archivalien) Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde Best. DB 1/I: Bundeskanzleidirektion Nr. 3 Nr. 166 Nr. 303 Nr. 332 Best. DB 1-U: Urkunden 1815−1866 U/3 U/9 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin III. Hauptabteilung, Rep. 75 A: Preußische Gesandtschaft bei der Deutschen Bundesversammlung Nr. 93 Nr. 171 Nr. 231 Nr. 232 Nr. 263 Nr. 264 Nr. 360 Nr. 578 Nr. 616 Nr. 659 Nr. 782 Nr. 796 Nr. 1117 Nr. 1193

III. Hauptabteilung, Rep. 118: 16. Kurie des Bundestags I, Nr. 2 I, Nr. 6 III, Nr. 1 III, Nr. 2 XVIII, Nr. 1 XVIII, Nr. 2 XXV, Nr. 1 XXX, Nr. 2 III. Hauptabteilung: Preußisches Ministerium des Auswärtigen, Politische Abt. I. Nr. 1838 Nr. 1857

1084

Quellen- und Literaturverzeichnis

Nr. 1950 Nr. 1952 Nr. 2027 Nr. 8087 III. Hauptabteilung: Preußisches Ministerium des Auswärtigen, Politische Abt. III. Nr. 14865

Staatsarchiv Bremen Ratsarchiv – Verhältnis Bremens zum Rheinbund und zum Deutschen Bund 2−M.3.b.2.a.2 2−M.3.b.3.a. 2-M.3.b.3.b.2.b.1. Niedersächsisches Staatsarchiv Bückeburg L 3: Neuere Regierungs-Registratur 1777–1909 Bg. Nr. 1a Hessisches Staatsarchiv Darmstadt G 2: Bundestagsgesandtschaft und Militärkommission A: Bundestagsgesandtschaft Nr. 66/1 Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden Geheimes Kabinett Loc. 2954 Außenministerium Nr. 2836 Staatsarchiv Hamburg 111−1: Senat Cl. I. Lit. Sb No. 2, Vol. 14 132−5/5: Gesandtschaft der vier freien Städte am Bundestag in Frankfurt I a 3 Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover Hann. 92: Deutsche Kanzlei in London 1617–1844 Nr. 1429 Nr. 1437 Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe Best. 48: Haus- und Staatsarchiv – Staatssachen Nr. 1438 Nr. 1838 Nr. 2832 Nr. 2921

1. Ungedruckte Quellen

1085

Riksarkivet Kopenhagen Departementet for udenlandske anliggender Nr. 2775 Archiv der Hansestadt Lübeck Altes Senatsarchiv: Deutscher Bund/Bundestag/Deutsche Verhältnisse 1813–1866 A 3, Fasz. 2 A 4, Fasz. 1 Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Abt. II: Neuere Bestände Bayerische Gesandtschaft Bundestag Nr. 39 Nr. 96 Nr. 174 Nr. 175 Nr. 371 MA (Ministerium des Äußeren) Nr. 264 Nr. 1201 Nr. 1332 Nr. 1333 Nr. 1334 Nr. 1335 Niedersächsisches Staatsarchiv Oldenburg Best. 6 D: Nachlaß Herzog Peter Friedrich Ludwig von Oldenburg (1755–1829) Nr. 338 Best. 31: Kabinettsregistratur Oldenburg 31−AB, Nr. B 2 31−AB, Nr. B 3 31−AB, Nr. B 4 Best. 43 A: Gesandtschaft beim Deutschen Bundestag in Frankfurt am Main Nr. 168 Thüringisches Staatsarchiv Rudolstadt Geheimes Ratskollegium Rudolstadt D IX 6, Nr. 1 Mecklenburgisches Landeshauptarchiv Schwerin 1.2: Land und Haus, Strelitzisches Archiv Nr. 157c 2,21-1: Geheimes Staatsministerium Schwerin Nr. A 10 Nr. A 14

1086

Quellen- und Literaturverzeichnis

Hauptstaatsarchiv Stuttgart Best. E 9: Königliches Kabinett I: Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten. Bü 21 Best. E 40/31 Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten: Dienststellenverwaltung. Bü 249 Best. E 50/01: Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, betr. Württembergische Bundestagsgesandtschaft in Frankfurt am Main. Bü 60 Bü 129 Bü 225 Bü 286 Bü 313 Bü 314 Bü 372 Bü 910 Bü 918 Bü 921 Bü 1293 Best. E 65: Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten: Württembergische Bundestagsgesandtschaft in Frankfurt am Main Bü 14 Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar C: Kaiser und Reich 2256 Gemeinschaftliche Ernestinische Bundestagsgesandtschaft − Spezialakten Nr. 5 Österreichisches Staatsarchiv Wien, Abt. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Staatskanzlei Deutsche Akten (alte Reihe) Kart. 151 Kart. 222 Deutsche Akten (neue Reihe) Kart. 78 Kart. 79 Kart. 85 Diplomatische Korrespondenz: Preußen Kart. 102 Bundespräsidialgesandtschaft Frankfurt Kart. 1

2. Gedruckte Quellen

1087

Kart. 2 Kart. 3 Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden Abt. 130/II: Herzoglich-Nassauisches Hausarchiv Nr. 2122c, I Nr. 3367 Abt. 210: Staatsministerium Nr. 10704 2. Gedruckte Quellen a) Akten, Protokolle, Werkausgaben, Memoiren Acta Pacis Westphalicae. Hrsg. v. der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften in Verbindung mit der Vereinigung zur Erforschung der Neueren ­Geschichte e. V. durch Konrad Repgen. Serie 3, Abt. B: Verhandlungsakten. Bd. 1: Die Friedensverträge mit Frankreich und Schweden, 1: Urkunden. Bearb. v. Antje Oschmann. Münster 1998. Acte du Congrès de Vienne du 9 Juin 1815, avec ses Annexes. Edition Officielle et collationnée avec le texte de l’instrument original déposé aux Archives de la Chancellerie de Cour et d’Etat. Wien o. J. Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten Deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie. 3 Teile. Wien 1811. Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794. Textausgabe. Mit einer Einführung v. Hans Hattenhauer. Frankfurt am Main/Berlin 1970. Alphabetisches Hauptregister über die Protokolle der deutschen Bundesversammlung. Erste Fortsetzung, die Verhandlungen vom Jahr 1837 bis zum 2. Julius 1848 enthaltend. Im Auftrag der Hohen Bundesversammlung verfaßt von Johann Daniel Leutheußer. Frankfurt am Main [1848]. Alphabetisches Register über die Verhandlungen der deutschen Bundesversammlung vom 1. October 1816 bis zum Schlusse des Jahrs 1836. Auf Befehl der hohen Bundesversammlung verfaßt von Johann Daniel Leutheußer. Frankfurt am Main [1836]. Andreas, Willy (Hrsg.), Politischer Briefwechsel des Herzogs und Großherzogs Carl August von Weimar. Bd. 3: Von der Rheinbundzeit bis zum Ende der Regierung 1808–1828. Bearb. u. hrsg. v. Hans Tümmler. (Deutsche Geschichtsquellen im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 39.) Göttingen 1973. Anmerkungen zum Strafgesezbuche für das Königreich Baiern. Nach den Protokollen des königlichen geheimen Raths. 3 Bde. München 1813−1814, Ndr. Goldbach 2002. Bleyer, Jakob, Friedrich Schlegel am Bundestage in Frankfurt. Ungedruckte Briefe Friedrich und Dorothea Schlegels nebst amtlichen Berichten und Denkschriften aus den Jahren 1815 bis 1818. Aus der „Ungarischen Rundschau“. München/Leipzig 1913. Boldt, Hans (Hrsg.), Reich und Länder. Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert. München 1987.

1088

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2. Gedruckte Quellen

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Horaz, Sämtliche Werke. Lateinisch und Deutsch. (Sammlung Tusculum.) 10. Aufl. München/Zürich 1985. Huber, Ernst Rudolf (Hrsg.), Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte. Bd. 1: Deutsche Verfassungsdokumente 1803–1850. 3., neubearb. u. vermehrte Aufl. Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1978. Hundt, Michael (Hrsg.), Quellen zur kleinstaatlichen Verfassungspolitik auf dem Wiener Kongreß. Die mindermächtigen deutschen Staaten und die Entstehung des Deutschen Bundes 1813–1815. (Beiträge zur deutschen und europäischen Geschichte, Bd. 15.) Hamburg 1996. Ilse, L[eopold] Fr[iedrich] (Hrsg.), Protokolle der deutschen Ministerial-Conferenzen, gehalten zu Wien in den Jahren 1819 und 1820. Frankfurt am Main 1861. Kletke, G. M., Die Staats-Verträge des Königreichs Bayern in Bezug auf Justiz-, Polizei-, Administrations-, Landeshoheits-, Territorial- und Grenz- etc. Angelegenheiten. Von 1806 bis einschließlich 1858 systematisch und chronologisch zusammengestellt u. hrsg. v. G. M. Kletke. Re­gen­burg 1859/60. Klüber, Johann Ludwig (Hrsg.), Acten des Wiener Congresses in den Jahren 1814 und 1815. 9 Bde. Erlangen 1815–1835, Ndr. Osnabrück 1966. Ders. (Hrsg.), Quellen-Sammlung zu dem Oeffentlichen Recht des Teutschen Bundes. Enthaltend die Schluß-Acte des Wiener Congresses, den Frankfurter Territorial Receß, die Grundverträge des Teutschen Bundes, und Beschlüsse der Bundesversammlung von allgemeinerem Interesse. Mit historisch-literärischen Einleitungen, Uebersichten des Inhaltes, und Anmerkungen. 3., sehr vermehrte Aufl. Erlangen 1830. Kohler, Josef/Mintz, Maximilian (Bearb.), Die Patentgesetze aller Völker. 2 Bde. Berlin 1907/12. Ihro Königl. Majestät von Sachsen etc. etc. etc. Mandat, das Censur- und Bücher­ wesen betreffend. De Dato Dresden, am 10ten August 1812. Dresden 1812. Kotulla, Michael, Deutsches Verfassungsrecht 1806−1918. Eine Dokumentensammlung nebst Einführungen. Bd. 1: Gesamtdeutschland, Anhaltische Staaten, Baden. Bd. 2: Bayern. Bd. 3: Berg und Braunschweig. Berlin/Heidelberg/New York 2006− 2010. Land-Recht für das Großherzogthum Baden, nebst Handelsgesetzen. Karlsruhe 1814. Martens, Geo[rge] Fréd[éric], Nouveau Recueil de Traitès d’Alliance, de Paix, de Trêve, de Neutralité, de commerce, de limites, d’échange etc. et de plusieurs autres actes servant à la connaissance des relations étrangères des Puissances et états de l’Europe. Depuis 1808 jusqu’à présent. Vol. 1 u. 2. Göttingen 1817/18. M. Valerius Martialis, Epigramme. Lateinisch-deutsch. Hrsg. u. übers. v. Paul Barié u. Winfried Schindler. Düsseldorf/Zürich 1999. Meiern, Johann Gottfried von [Hrsg.], Acta pacis Westphalicae publica. Oder Westphälische Friedens-Handlungen und Geschichte. 6 Bde. Hannover 1734−1736, Ndr. Osnabrück 1969. Möser, Justus, Osnabrückische Geschichte und historische Einzelschriften. T. 1. Bearb. v. Paul Göttsching. (Justus Mösers Sämtliche Schriften. Historisch-kritische Ausgabe in 14 Bänden, Bd. 12/1.) Osnabrück 1964. Müller, Konrad (Bearb.), Instrumenta Pacis Westphalicae. Die Westfälischen Friedensverträge 1648. Vollständiger lateinischer Text mit Übersetzung der wichtigen Teile und Regesten. (Quellen zur neueren Geschichte, H. 12/13.) Bern 1949. Nachträgliche Aktenstücke der deutschen Bundes-Verhandlungen; als Anhang zu den Protokollen der Bundesversammlung. Bd. 1−5. Frankfurt am Main 1817−1820.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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2. Gedruckte Quellen

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Sammlung der im Gebiete der inneren Staats-Verwaltung des Königreichs Baiern bestehenden Verordnungen, aus amtlichen Quellen geschöpft und systematisch geordnet von G[eorg Ferdinand] Döllinger. Bd. 14/3 u. Bd. 20. München 1838/39. Schimke, Maria (Bearb.), Regierungsakten des Kurfüstentums und Großherzogtums Baden 1803−1815. (Quellen zu den Reformen in den Rheinbundstaaten, Bd. 8.) München 2012. Dies. (Bearb.), Regierungsakten des Kurfürstentums und Königreichs Bayern 1799−1815. (Quellen zu den Reformen in den Rheinbundstaaten, Bd. 4.) München 1996. Schubert, Werner, (Hrsg.), Der Code pénal des Königreichs Westfalen von 1813 mit dem Code pénal von 1810 im Original und in deutscher Übersetzung. Mit einer Einleitung versehen v. Werner Schubert. (Rechtshistorische Reihe, Bd. 236.) Frankfurt am Main/Berlin/Bern 2001. Seier, Hellmut (Hrsg.), Akten zur Entstehung und Bedeutung des kurhessischen Verfassungsentwurfs von 1815/16. Bearb. v. Winfried Speitkamp u. Hellmut Seier. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen, 48/1; Vorgeschichte und Geschichte des Parlamentarismus in Hessen, 2.) Marburg 1985. Stein, [Karl] Freiherr vom, Briefe und amtliche Schriften. Bearb. v. Erich Botzenhart. Neu hrsg. v. Walther Hubatsch. Bd. 1–10. Stuttgart 1957–1974. Strafgesetzbuch für die Herzoglich Holstein-Oldenburgischen Lande. Oldenburg 1814. Strafgesezbuch für das Königreich Baiern. München 1813, Ndr. Frankfurt am Main 1986. Verhandlungen der zweiten Kammer der Ständeversammlung des Königreichs Baiern. Amtlich bekannt gemacht. München 1819. Vorgeschichte und Begründung des Deutschen Zollvereins 1815−1834. Akten der Staaten des Deutschen Bundes und der europäischen Mächte. Im Auftrag der Friedrich List-Gesellschaft in Verbindung mit der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften hrsg. v. H. Oncken u. F. E. A. Saemisch. Bearb. v. W. v. Eisenhart Rothe u. A. Ritthaler. Eingel. v. Hermann Oncken. Bd. 1. Berlin 1934. Weech, Friedrich von (Hrsg.), Correspondenzen und Actenstücke zur Geschichte der Ministerconferenzen von Carlsbad und Wien in den Jahren 1819, 1820 und 1834. Leipzig 1865. Wegweiser für die Großherzogliche Residenzstadt Karlsruhe. Hrsg. von den PolizeyCommissärs von Rady und Scholl. Karlsruhe 1818. Weiske, Julius, Handbuch der Strafgesetze des Königreiches Sachsen von 1572 bis auf die neueste Zeit. Leipzig 1833. Wieland, Christoph Martin, Übersetzung des Horaz. Hrsg. v. Manfred Fuhrmann. (Christoph Martin Wieland Werke, Bd. 9.) Frankfurt am Main 1986. Zeiller, Franz Edler von, Das natürliche Privat-Recht. 2., verb. Aufl. Wien 1808. Zeumer, Karl (Bearb.), Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit. T. 1: Von Otto II. bis Friedrich III. (Quellensammlungen zum Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht, Bd. 2/1.) Tübingen 1913. Ziegler, Uta (Bearb.), Regierungsakten des Herzogtums Nassau 1803−1814. (Quellen zu den Reformen in den Rheinbundstaaten, Bd. 5.) München 2001.

1092

Quellen- und Literaturverzeichnis

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3. Darstellungen

1093

teln und seiner neuesten politischen Eintheilung, entworfen und gezeichnet von C. F. Weiland. Weimar 1816. Frankfurter Ober-Postamts-Zeitung 1816 ff. Frankfurt am Main 1816 ff. [Gagern, Hans Christoph Freiherr von], Ueber Deutschlands Zustand und BundesVerfassung. Stuttgart/Tübingen 1818. Gegenwart und Zukunft. 2 Teile. Wiesbaden 1814 (T. 1 ist anonym erschienen). Germanien, eine Zeitschrift für Staats-Recht, Politik und Statistik von Deutschland. Hrsg. v. August Friedrich Wilhelm Crome u. Karl Jaup. Bd. 1. Gießen 1808. Geschichtliche und rechtliche Darstellung der in dem Fürstlich Lippe-Detmoldischen Lande rechtmäßig und vertragmäßig bestehenden jedoch dem Lande vorenthaltenen Landständischen Verfassung und der pflichtmäßigen aber vergeblichen Schritte der Landstandschaft die Wiederherstellung derselben herbeizuführen. Der Hohen Deutschen Bundes-Versammlung mit angehängter Bitte ehrerbietigst überreicht von dem Bevollmächtigten der Landstände von Ritterschaft und Städten des Fürstenthums Lippe-Detmold. Frankfurt am Main 1817. Großherzoglich Hessische Zeitung, Jahrgang 1817. Darmstadt 1817. Klüber, Johann Ludwig (Hrsg.), Staatsarchiv des teutschen Bundes. Bd. 1. Erlangen 1816. Nemesis. Zeitschrift für Politik und Geschichte. Hrsg. v. Heinrich Luden. Bd. 7. Weimar 1816. Schwäbischer Merkur, Abt. 2: Schwäbische Kronik. Stuttgart 1853. [Simond, Louis], Voyages d’un français en Angleterre, pendant les années 1810 et 1811; avec les observations sur l’état politique et moral, les arts et la littérature de ces pays, et sur les moeurs et les usages de ses habitans. Orné de 15 planches et de 13 vignettes. 2 Vols. Paris 1816. [Spahn, Martin], Denkschrift gegen den Büchernachdruck. Den am Wiener-Congresse versammelten Gesandten von einer Deputation der Leipziger Buchhändler überreicht, mit Berichtigungen der darin aufgestellten irrigen Ansichten von einem ­Oesterreicher. O. O. [1815]. 3. Darstellungen Abel, Wilhelm, Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Europa. Versuch einer historischen Synopsis. Hamburg 1974. Aichner, Ernst, Das bayerische Heer in den Napoleonischen Kriegen, in: Hubert Glaser (Hrsg.), Wittelsbach und Bayern, III/1: Krone und Verfassung. König Max I. Joseph und der neue Staat. München/Zürich 1980, S. 239−253. Albrecht, Curt, Die Triaspolitik des Freiherrn Karl August von Wangenheim. (Darstellungen aus der Württembergischen Geschichte, Bd. 14.) Stuttgart 1914. Anderson, B. C. D., Ernst Marschall von Bieberstein and the Foundation of Modern Nassau (1770–1814). Diss. Univ. of Virginia 1987, Ann Arbor 1989. Angelow, Jürgen, Der Deutsche Bund. (Geschichte kompakt.) Darmstadt 2003. Ders., Von Wien nach Königgrätz. Die Sicherheitspolitik des Deutschen Bundes im europäischen Gleichgewicht 1815−1866. (Beiträge zur Militärgeschichte, Bd. 52.) München 1996. Aretin, Karl Otmar Freiherr von, Bayerns Stellung im Deutschen Bund nach 1815, in: Der Zwiebelturm 8, 1953, S. 84−88.

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4. Biographische Nachschlagewerke und Lexika

1111

Diccionario biográfico de España (1808−1833). De los origins del liberalismo a la reacción absolutista. Ed. Alberto Gil Novales. 3 Vols. Madrid 2010. The Dictionary of National Biography. Founded in 1882 by George Smith. Ed. by Sir Leslie Stephen and Sir Sidney Lee. From the Earliest Times to 1900. Vol. 1–22. London 1882–1912. Dictionnaire de biographie française. Vol. 1–19. Paris 1933–2001. Drüll, Dagmar, Heidelberger Gelehrtenlexikon 1803–1932. Berlin/Heidelberg/New York/To­kyo 1986. Enciclopedia de Historia de España, dirigida por Miguel Artola. Vol. 4: Diccionario biográfico. Madrid 1991. Frank, Karl Friedrich von, Standeserhebungen und Gnadenakte für das Deutsche Reich und die Österreichischen Erblande bis 1806 sowie kaiserlich österreichische bis 1823 mit einigen Nachträgen zum „Alt-Österreichischen Adels-Lexikon“ 1823– 1918. Bd. 1–5. Senften­egg 1967–1974. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser (ab Bd. 2 [1901]: der Adeligen Häuser – Der in Deutschland geborene Adel [Uradel]; ab Bd. 8 [1907]: der Uradeligen Häuser; ab Bd. 21 [1920]: der Adeligen Häuser – Deutscher Uradel; ab Bd. 31 [1932]: der Adeligen Häuser – Teil A). Bd. 1–41. Gotha 1900–1942. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Briefadeligen Häuser (ab Bd. 14 [1920]: der Adeligen Häuser – Alter Adel und Briefadel; ab Bd. 24 [1932]: der Adeligen Häuser – Teil B). Bd. 1–34. Gotha 1907–1942. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Freiherrlichen Häuser. Bd. 1–92. Gotha 1848–1942. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Gräflichen Häuser. Bd. 1–115. Gotha 1825–1942. Gothaischer Hofkalender (Genealogisches Taschenbuch der Fürstlichen Häuser). Bd. 1–179. Gotha 1764–1942. Grewolls, Grete, Wer war wer in Mecklenburg-Vorpommern? Ein Personenlexikon. Bremen 1995. Herzfeld, Hans (Hrsg.), Geschichte in Gestalten. Ein biographisches Lexikon. 4 Bde. Frankfurt am Main 1981. Ihme, Heinrich (Bearb.), Südwestdeutsche Persönlichkeiten. Ein Wegweiser zu Bibliographien und biographischen Sammelwerken. 2 Teile. Stuttgart 1988. Jena, Detlef, Die russischen Zaren in Lebensbildern. Unter Mitarb. v. Rainer Lindner. Graz/Wien/Köln 1996. Jeserich, Kurt G. A./Neuhaus, Helmut (Hrsg.), Persönlichkeiten der Verwaltung. Biographien zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1648–1945. Stuttgart/Berlin/Köln 1991. Klötzer, Wolfgang (Hrsg.), Frankfurter Biographie: Personengeschichtliches Lexikon. Bearb. v. Reinhard Frost u. Sabine Hock. 2 Bde. (Veröffentlichungen der Frankfurter Historischen Kommission, 19/1−2.) Frankfurt am Main 1994/96. Kneschke, Ernst Heinrich (Hrsg.), Neues allgemeines Deutsches Adels–Lexicon. 9 Bde. Leipzig 1859–1870, Ndr. Leipzig 1929/30. Lengemann, Jochen, MdL Hessen 1808–1996. Biographischer Index. (Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen, 14; Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen, 48/7.) Marburg 1996.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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5. Sonstige Nachschlagewerke und Hilfsmittel

1113

Westfälische Lebensbilder. Bd. 2. Hrsg. v. Aloys Böhmer u. Otto Leunenschloß. Münster 1931. Wurzbach, Constant von, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 60 Bde. Wien 1856–1891, Ndr. New York/London 1966–1973. Yvert, Benoît (Ed.), Dictionnaire des ministres de 1789 à 1989. Préface de Jean ­Tulard. Paris 1990. [Zedelius, Ernst Wilhelm Theodor], Personal-Chronik der Oldenburgischen Officiere und Militair-Beamten von 1775 bis 1867. Oldenburg 1876 (mit handschriftlichen Ergänzungen im hier benutzten Exemplar der Oldenburgischen Landesbibliothek, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:45:1-3520). 5. Sonstige Nachschlagewerke und Hilfsmittel Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände. (Conversations-Lexikon). Bd. 4. Reutlingen 1831. Burrill, Alexander M., A New Law Dictionary and Glossary. Containing Full Definitions of the Principal Terms of the Common and Civil Law, Together with Trans­ lations and Explanations of the Various Technical Phrases in Different Languages, Occurring in the Ancient and Modern Reports, and Standard Treatises; Embracing Also All the Principal Common and Civil Law Maxims. 2 Vols. New York 1850/51. Campe, Johann Heinrich, Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen Ausdrücke. Ein Ergänzungsband zu Adelung’s und Campe’s Wörterbüchern. Neue starkvermehrte und durchgängig verbesserte Ausgabe. Braunschweig 1813. Connelly, Owen (Ed.), Historical Dictionary of Napoleonic France, 1799–1815. Westport, Conn. 1985. Deutsches Rechts-Lexikon. Hrsg. v. Horst Tilch u. Frank Arloth. 3 Bde. u. Ergänzungsbd. 3. Aufl. München 2001−2003. Deutsches Rechtswörterbuch. Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache. Bd. 1−12, Lief. 1−4. Hrsg. v. der Preußischen Akademie der Wissenschaften, ab Bd. 4 von der Deutschen Akademie der Wissenschaften und ab Bd. 5 von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Weimar 1914−2010. Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in zehn Bänden. 3., völlig neu bearb. u. erw. Aufl. Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 1999. Enzyklopädie der Neuzeit. Im Auftrag des Kulturwissenschaftlichen Instituts (Essen) und in Verbindung mit den Fachwissenschaftlern hrsg. v. Friedrich Jaeger. Bd. 1–16. Stuttgart/Weimar 2005–2012. Fuchs, Konrad/Raab, Heribert, dtv Wörterbuch zur Geschichte. München 1976. Furet, François/Ozouf, Mona (Hrsg.), Kritisches Wörterbuch der Französischen Revolution. 2 Bde. Frankfurt am Main 1996. Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Hrsg. v. Otto Brunner, Werner Conze u. Reinhart Koselleck. Bd. 1–8. Stuttgart 1972–1997. Glossarium Germanico-Latinum vocum obsoletarum primi et medii aevi, inprimis Bavaricarum. Collectum et illustratum a Laur[entius] de Westenrieder. Tomus prior. Monachii 1816.

1114

Quellen- und Literaturverzeichnis

Haberkern, Eugen/Wallach, Joseph Friedrich, Hilfswörterbuch für Historiker. Mittelalter und Neu­zeit. Mit ein. Geleitwort v. Hermann Oncken. 2 Teile. 8. Auflage Tübingen/Basel 1995. Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. Hrsg. v. Adalbert Erler. Mitbegr. v. Wolfgang Stammler. Bd. 1−5. Berlin 1971−1998. Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte. 2., völlig überarb. u. erw. Aufl. Hrsg. v. Albrecht Cordes, Heiner Lück, Dieter Werkmüller u. Ruth Schmidt-Wiegand als philologischer Beraterin. Red.: Falk Hess u. Andreas Karg. Bd. 1−2. Berlin 2008/12. Joh[ann] Christ[ian] Aug[ust] Heyses allgemeines verdeutschendes und erklärenden Fremdwörterbuch mit Bezeichnung der Aussprache und Betonung der Wörter nebst genauer Angabe ihrer Abstammung und Bildung. Unter Berücksichtigung der amtlichen Erlasse über Verdeutschung der Fremdwörter und der neuen einheitlichen Rechtschreibung neu bearb., vielfach berichtigt u. vermehrt v. Otto Lyon. 21. Original-Ausgabe mit Nachträgen besorgt durch Willy Scheel. Hannover 1922. Historisches Lexikon der Schweiz. Hrsg. v. der Stiftung Historisches Lexikon der Schweiz. Chefred.: Marco Jorio. Bd. 1−12. Basel 2002−2013. Kehrein, Joseph, Fremdwörterbuch mit etymologischen Erklärungen und zahlreichen Belegen aus Deutschen Schriftstellern. Ndr. der Ausgabe von 1876. Wiesbaden 1969. Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike. Auf der Grundlage von Pauly’s Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter bearb. u. hrsg. v. Konrat Ziegler u. Walther Sontheimer. 5 Bde. München 1979. Köbler, Gerhard, Historisches Lexikon der deutschen Länder. Die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. 6., vollständig überarb. Aufl. München 1999. Ders., Lexikon der europäischen Rechtsgeschichte. München 1997. Krüger, Johann Friedrich, Vollständiges Handbuch der Münzen, Maße und Gewichte aller Länder der Erde für Kaufleute, Banquiers, Geldwechsler, Münzsammler, Handlungsschulen, Staatsbeamte, Künstler, Reisende, Zeitungsleser, und alle, welche sich mit Völker- und Länderkenntniß beschäftigen oder die in den Werken des Auslandes befindlichen Vorschriften auf Künste und Wissenschaften anwenden wollen; in alphabetischer Ordnung. Quedlinburg/Leipzig 1830. Lexikon des gesamten Buchwesens. 2., völlig neu bearb. Aufl. Hrsg. v. Severin Corsten, Günther Pflug, Friedrich Adolf Schmidt-Künsenmüller u. a. Bd. 1−8, Lief. 57−61. Stuttgart 1987−2012. Lexikon des Mittelalters. Bd. 1–6. München/Zürich 1980–1993. Bd. 7–9. München 1995–1998. Registerbd. Stuttgart/Weimar 1999. Lexikon für Theologie und Kirche. 2. Aufl. Hrsg. v. Josef Höffner u. Karl Rahner. Bd. 1–10. Freiburg 1957–1956. Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Aufl. Hrsg. v. Walter Kasper. Bd. 1–8. Freiburg/Ba­sel/Rom/Wien 1993–1999. Lieberwirth, Rolf, Latein im Recht. 4., durchges. Aufl. Berlin 1996. Liebs, Detlef, Lateinische Rechtsregeln und Rechtssprichwörter. Zusammengestellt, übers. u. erläutert v. Detlef Liebs unt. Mitarb. v. Hannes Lehmann u. Gallus Strobel. München 1982. Meyers Großes Konversations-Lexikon. 20 Bde. 6. Aufl. Leipzig 1905−1909. Meyers Taschenlexikon Geschichte. Hrsg. u. bearb. v. der Redaktion Geschichte des bibliographischen Instituts unt. der Leitung v. Werner Digel. 6 Bde. Mannheim/ Wien/Zürich 1982.

6. Internetressourcen

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The Modern Encyclopedia of Russian and Soviet History [ab Vol. 56: The Modern Encyclopedia of Russian, Soviet and Eurasian History]. Ed. by Joseph L. Wieczynski. Vol. 1–59. Gulf Breeze, FL 1976–1996. Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Hrsg. v. Hubert Cancik, Helmuth Schneider u. a. Bd. 1−16. Stuttgart/Weimar 1999−2003. The Oxford Dictionary of the Middle Ages. Ed. by Robert E. Bjork. 4 Vols. Oxford/ New York 2010. Pierer’s Universal-Lexikon der Vergangenheit und Gegenwart; oder, Neuestes encyclopädisches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe. 4., umgearb. u. verm. Aufl. Bd. 1−19. Altenburg 1857−1865. Schellenberg, Johann Philipp (Hrsg.), Gemeinnütziges Handlexikon, oder: erklärendes und verdeutschendes Wörterbuch für Beamte, Schullehrer, Künstler, Kaufleute, Fabrikanten, Rittergutsbesitzer und Landwirthe, Schiffer, Krieger und Geschäftsmänner aller Art, enthaltend eine befriedigende Erklärung der wichtigsten Kunstausdrücke, der Benennungen aus der Maas-, Gewicht-, Geld- und Münzkunde, der vorzüglichen Stein- und Holzarten, wie auch der in unserer deutschen Sprache noch vorkommenden fremden Wörter und Redensarten, nebst Angabe der dafür zu brauchenden deutschen Ausdrücke. Bd. 1. Rudolstadt 1817. Schuler, Peter-Johannes, Historisches Abkürzungslexikon. (Historische Grundwissenschaften in Einzeldarstellungen, Bd. 4.) Stuttgart 2007. Soboul, Albert [Ed.], Dictionnaire historique de la Révolution française. Publiée sous la direction scientifique de Jean-René Suratteau et François Dendron. Paris 1989. Taddey, Gerhard (Hrsg.), Lexikon der deutschen Geschichte. Personen − Ereignisse − Institutionen. Von der Zeitwende bis zum Ausgang des 2. Weltkrieges. Stuttgart 1977. Theologische Realenzyklopädie. Hrsg. v. Gerhard Krause u. Gerhard Müller. Bd. 1–36. Berlin/New York 1977–2004. Zedler, Johann Heinrich, Grosses vollständiges Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste, welche bishero durch menschlichen Verstand und Witz erfunden worden. 64 Bde. u 4 Supplementbde. Halle u. a. 1732−1754, Ndr. Graz 1961−1964. 6. Internetressourcen Deutsche Biographie (ADB/NDB), URL: http://www.deutsche-biographie.de/projekt. html. Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), URL: http://hls-dss.ch. Protokolle der Deutschen Bundesversammlung nebst den loco dictaturae gedruckten Beilagen [Amtliche Folioausgabe], Jahrgang 1817 und 1819, URL: http:/ /publikationen.ub.uni-frankfurt.de.proxy.ub.uni-frankfurt.de/frontdoor/index/ index/docId/14515. Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg, Bestand Y 246, URL: https://wabw.uni-hohenheim.de/73190.html. World Biographical Information System (WBIS) Online, URL: http://db.saur.de/ WBIS

Abbildungsnachweis Bayerische Staatsbibliothek München (Signatur 4 Geneal. 31 hf: Nachrichten über die Familie der Grafen und Freiherrn von der Goltz. In zwei Abtheilungen. Mit 19 Portraits, 4 Wappentafeln in Farbendruck und 12 Stammbäumen. Zusammengestellt von Friedrich Freiherr von der Goltz. Straßburg 1885, Abt. 1, 10. Abbildung nach S. 526): S. 655 (Goltz). Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main (Signatur S7Z1816/3): Vorsatzblatt (Sitzungssaal für den Engeren Rat der Deutschen Bundesversammlung im Palais Thurn und Taxis). Isensee Verlag Oldenburg: S. 967 (Berg) Österreichische Nationalbibliothek Wien, Bildarchiv Austria: S. 171 (Buol-Schauenstein), S. 525 (Aretin), S. 699 (Wangenheim), S. 381 (Plessen) Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Porträtsammlung (Signatur P 22: M 17): S. 849 (Martens)

Register Personenregister Fettdruck der Seitenangaben weist auf nähere biographische Angaben in den Anmerkungen hin. Im Register sind lediglich die Lebensdaten und – bei den direkt beteiligten Personen – die aktuellen Funktionen angegeben. Adolf II., Graf von Nassau († 1475), Kurfürst und Erzbischof von Mainz  950 Albini, Franz Josef Freiherr von (1748–1816), österreichischer Präsidialgesandter am Bundestag  XVII f., 7, 9, 68, 91 Alef, (Emmanuel ?), Frankfurter Jurist  319 Alexander I., Kaiser von Rußland (1777–1825)  33, 79 Alexander VI., Papst (1431–1503)  951 Altenstein → Stein zum Altenstein Anstett, Johann (Iwan Ossipowitsch) von (1770–1835), russischer Gesandter beim Bundestag  681 Arand Edler von Ackerfeld, Franz Anton (1773–1840), württembergischer Legationsrat  257 Aretin, Johann Adam Freiherr von (1769– 1822), bayerischer Bundestagsgesandter  LII, LIX–LXI, LXIII, LXXIX, LXXXI f., LXXXIX, XCI, XCIII, CXVII, 293, 363, 407, 520, 525 f., 529, 540, 588, 636, 707 f., 718, 732, 743, 745, 749, 805, 822  f., 1052 Argüelles Alvarez, Agustín (1776–1844), spanischer Politiker  47 Arnoldi, Ernst Wilhelm (1778–1841), thüringischer Unternehmer  864 August Paul Friedrich, Erbprinz von Oldenburg (1783–1853)  477, 679 Baumüller, Paul Joseph Ritter von (1770/71– 1832), Generalsekretär im bayerischen Außenministerium 541, 733, 829 Beauharnais, Eugène de (1781–1824), französischer General, Fürst von Eichstätt und Herzog von Leuchtenburg  476 Beck, Ferdinand (1789–1862), hessen-darmstädtischer Justizrat  714 Beck, (N. N.), österreichischer Kurier  738 Becker, Rudolf Zacharias (1752–1822), thüringischer Publizist und Journalist  908

Bentinck, Wilhelm Gustav Friedrich Reichsgraf von (1762–1835), Landesherr der Herrschaften Kniphausen und Varel  681 Berckheim, Karl Christian Freiherr von (1774–1849), badischer Staatsminister und Bundestagsgesandter  CIV, CIX, 920, 986, 1005, 1013, 1045 Berg, Günther Heinrich von (1765–1834), holstein-oldenburgischer Ober­ap­pel­la­tions­ ge­richts­präsident und Bundestagsgesandter der 15. Kurie  XV, XXV–XXVII, XXX, LV, LVII–LIX, LXXVII, LXXXIII, LXXXVI, XCV, XCIX f., CII–CV, CVII– ­ CXI, CXIV–CXVII, 67, 85, 132, 140, 144– 147, 188, 217, 226, 332, 350, 363, 380, 390, 405, 438, 443, 447, 453 f., 467, 472– 474, 477, 481 f., 501, 556, 638–640, 679, 681, 694 f., 717, 724, 731, 902 f., 919 f., 967, 985, 1005, 1011, 1013, 1029, 1038, 1043, 1048 Bernhard II., Herzog von Sachsen-Meinigen (1800–1882) XXX, 189 Bernhard Prinz von Sachsen-Weimar-Eise­ nach (1792–1862)  189 Bernstorff, Christian Günther Graf von (1769–1835), preußischer Außenminister  XLVII f., LXXIV, 340, 342, 346, 364, 653, 665, 673 Berstett, Wilhelm Ludwig Leopold Reinhard Freiherr von (1769–1837), badischer Bundestagsgesandter und Außenminister  XXX, 85 f., 229, 232, 268, 270, 311, 320, 575 Berthold von Henneberg (1441/42–1504), Kurfürst und Erzbischof von Mainz  951 Bertuch, Carl (1777–1815), Weimarer Schriftsteller und Journalist  893 Bertuch, Friedrich Justin (1747–1822), Weimarer Verleger und Schriftsteller  289 f., 890, 903

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Register

Beyme, Karl Friedrich von (1765–1838), preußischer Minister für Gesetzesrevision  752 Blomberg, Ludwig Heinrich August Freiherr von (1790–1857), württembergischer Le­ga­ tions­­rat in Frankfurt  122, 388 f. Blücher von Wahlstatt, Gerhard Leberecht Fürst (1742–1819), preußischer Feldmarschall  53 Bombelles, Ludwig Philipp Graf von (1780– 1843), österreichischer Gesandter in Dresden und Weimar  899 Brandenstein, August Georg von (1755– 1836), mecklenburg-schwerinischer Staatsminister  209, 211 Braun, Ludwig Wolfgang Hiskias Edler von (1755–1831), hohenlohischer Hofrat  265, 271 Brockhausen, Karl Friedrich Christian von (1766–1829), preußischer Gesandter  20 Buchholtz, Heinrich Ludwig von (1740–1811), preußischer Gesandter  20 Buderus, Georg Friedrich Andreas (1777– 1840), nassauischer Unternehmer  844 f., 847 Bülow, Ludwig Friedrich Viktor Hans Graf von (1774–1825), preußischer Finanzminister  21 Buol-Schauenstein, Johann Rudolf Graf von (1763–1834), österreichischer Präsidialgesandter am Bundestag  XII, XV, XVII, XXI  f., XXV–XXVIII, XXX, XXXV, XXXVIII  f., XLIII  f., XLVIII, L  f., LIV, LVI, ­ LVIII f., LXXVI–LXXX, LXXXII f., LXXXV, XCII f., XCVIII, C–CII, CIV f., CVII, 16, 18 f., 27 f., 31, 37, 73, 78, 80, 87, 90, 96 f., 99–101, 106–108, 111, 122, 126, 137, 139 f., 144, 146, 148, 154, 169, 171, 185, 187 f., 232 f., 248, 267–269, 272, 293, 350, 362–364, 368 f., 375, 380, 388–390, 392, 405, 407, 423, 438, 472, 475, 480 f., 635, 638, 654, 664, 680, 694, 708 f., 712, 714, 717, 719, 731, 733, 738, 743–745, 767, 899, 919 f., 1069, 1071

Comte, Charles (1782–1837), französischer Jurist und Schriftsteller 934 Cotta von Cottendorf, Johann Friedrich (1764– 1832), württembergischer Verleger und Politiker  890, 893 f., 903 Crome, Carl Friedrich August (1753–1833), Professor für Kameralwissenschaften in Gießen  966 Curtius, Carl Georg (1771–1857), lübeckischer Stadtsyndikus  35, 457 Dalberg, Karl Theodor Reichsfreiherr von (1744–1817), Fürstprimas des Rheinbundes, Großherzog von Frankfurt und Erzbischof von Regensburg  157 Dalwigk zu Lichtenfels, Carl Friedrich August Freiherr von (1753–1833), nassauischer Ober­­a ppellationsgerichtspräsident  108, 111 f. Danz, Johann Ernst Friedrich (1759–1838), Bundestagsgesandter  der Stadt Frankfurt  LXXIV, 220, 332, 652 Dieter Graf von Isenburg (um 1412–1482), Kurfürst und Erzbischof von Mainz  950 Drais von Sauerborn, Karl Wilhelm Ludwig Friedrich (1755–1830), badischer Oberappellationsgerichtspräsident in Mannheim  922, 981, 983–985

Ehrmann, Johann Peter Ludwig, Advokat in Frankfurt 319 Eichhorn, Johann Albrecht Friedrich (1779– 1856), preußischer Geheimer Legationsrat  364, 744 Einsiedel, Detlev Graf von (1773–1861), sächsischer Kabinettsminister und Staatssekretär des Äußeren  120 Elisabeth I., Königin von England und Irland (1523–1603)  940 Ernst I., der Fromme, Herzog von SachsenGotha (1601–1675)  756 Eyben, Friedrich (Frederik) Graf von (1770– 1825), Bundestagsgesandter für Holstein und Lauenburg  XXV, XXX, XLIX, LVII, Carl August, Großherzog von Sachsen-WeimarLXXXIX, XCV, CXVII, 188, 197, 350 f., Eisenach (1781–1828)  C f., 102, 897, 900 363, 380, 390, 405, 443, 459, 467, 482, Castlereagh, Henry Robert Stewart, Viscount 501, 715, 793, 798, 805, 825, 1052 (1769–1822), englischer Außenminister  46, 54 Feder, Johann Georg Heinrich (1740–1821), Cicero, Marcus Tullius (106–43 v. Chr.), röPhilosoph und Bibliothekar in Göttingen  mischer Politiker und Philosoph  909 CVI, 907 Clancarty, Richard Le Poer Trench, 2. Earl of Ferdinand VII., König von Spanien (1784– (1767–1837), englischer Botschafter in Den 1833) 689 Haag  36, 188

Personenregister Feuerbach, Johann Peter von (1761–1825), württembergischer Staatsrat und Kanzlei­ direktor im Außenministerium  113 Frank von Fürstenwerth, Franz Anton Freiherr (1761–1840), hohenzollern-hechingenscher Regierungspräsident  217 Franz I., Kaiser von Österreich (1768–1835), als Franz  II. römisch-deutscher Kaiser  XCII, 58, 234, 709, 798, 906 Friedrich I., König von Württemberg (1764– 1816)  XVII, XXIII, XXXI, 15 f., 110, 112, 122, 196 f., 247 Friedrich August I., König von Sachsen (1750– 1827) 751 Friedrich Franz, Großherzog von MecklenburgSchwerin (1756–1837)  98, 718 Friedrich Wilhelm III., König von Preußen (1770–1840) XXXII, 265, 597, 622 f. Friesen, Karl Friedrich Freiherr von (17786– 1823), sächsischer Gesandter in London  XIX f., 55 Fritsch, Karl Wilhelm Freiherr von (1769– 1851), sachsen-weimarischer Staatsminister  899 Gagern, Hans Christoph Ernst Reichsfreiherr von (1766–1852), Bundestagsgesandter für Luxemburg  XV, XIX, XXIX, LIX, LXIII, LXXI, LXXXIV, CXVI  f., 38, 55, 181, 187 f., 254, 443, 458 f., 465, 475, 572, 635, 694 f., 715, 1038, 1047 f., 1051, 1059 f. Galen, Christoph Bernhard von (1606–1678), Fürstbischof von Münster  631 Gallatin, Pierre (Peter) Graf von (1753–1820), württembergischer Gesandter in Karlsruhe  110 Ganz, Johann Friedrich Ferdinand (1741– 1795), preußischer Beamter und Schriftsteller  908 Georg (IV.), Prinzregent von Großbritannien, Irland und Hannover (1762–1830)  CV, 272 f., 646, 716, 986 Gerning, Johann Isaac Freiherr von (1767– 1837), hessen-homburgischer Geheimer Rat und Abgeordneter beim Bundestag  147 Görtz → Schlitz, genannt von Görtz Goleniśćev-Kutuzov, Michail Illarionović, Fürst Smolenskij (1745–1813), russischer Feldmarschall  32, 681 Goltz, August Friedrich Ferdinand Graf von der (1765–1832), preußischer Bundestagsgesandter  XXIX, XLV, XLVII, L f., LVIII, LXVI, LXVIII–LXX, LXXIV, LXXXIV f., CXVII f., 179, 188, 204, 265, 267, 272,

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293, 340, 342, 363 f., 368 f., 375, 380, 388, 390, 405, 472, 474 f., 481, 597 f., 608, 621– 623, 628, 651–653, 655, 665, 708, 710, 719, 731, 750, 757, 760, 773, 809, 1011, 1045, 1052, 1059 Gräff, Ernst Martin (1760–1802), Buchhändler in Leipzig  908 Gries, Johann(es) Michael (1772–1827), hamburgischer Bundestagsgesandter XV, XXXVIII, 220 Gröning, Heinrich (1774–1839), bremischer Senatssyndikus 460 Gruben, Friedrich Ignaz Freiherr von (1736– 1823), bayerischer Geheimer Staatsrat und interimistischer Bundestagsgesandter  XXVIII, LV f., 146, 185, 187, 189, 437, 457 Guaita, Georg Johann Friedrich von (1772– 1851), Frankfurter Senator  156 Günderrode, Friedrich Maximilian Freiherr von (1753–1824), Frankfurter Senator  156 Gutenberg, Johannes (um 1400–1468), deutscher Buchdrucker  950 Hach, Johann Friedrich (1769–1851), lübeckischer Senator und Bundestagsgesandter  XV, XIX, LIV f., 35 f., 220, 454, 457, 459, 477, 479, 551 Hacke, Karl Theodor von (1775–1834), ba­ discher Außenminister  XXIV, 121, 123, 195 Hänlein, Conrad Siegmund Carl von (1760– 1819), preußischer designierter Bundestagsgesandter  XX–XXIII, XXV, 17, 23, 37 f., 73, 78–80, 85, 90 f., 101, 103–107, 110– 113, 121 Handel, Paul Anton Freiherr von (1776–1847), Bundeskanzleidirektor in Frankfurt  138, 890 Hardenberg, Ernst Christian Georg August Graf von (1754–1827), hannoverscher Gesandter in Wien  35, 273 Hardenberg, Karl August Fürst von (1750– 1822), preußischer Staatskanzler  XX  f., XXIII, XXV, XLIII, LXII, LXV–LXVII, LXIX f., LXXXVII, XCI, XCVIII–C, CV f., CXIII, CXVIII f., 5, 6 f., 17, 37, 73, 77 f., 83, 90 f., 95, 99, 103, 105, 110, 202, 204, 232 f., 235, 268–270, 272, 340, 342, 555, 563, 597, 600, 621, 628, 673, 712, 731, 750, 752, 757, 773 f., 809, 891, 906, 1011 f., 1052 f., 1059, 1062 Harnier, Heinrich Wilhelm Karl von (1767– 1823), hessen-darmstädtischer Bundestagsgesandter  350, 363, 715

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Hartknoch, Johann Friedrich (1768–1819), Buchhändler und Verleger in Leipzig  890, 894, 903 Hartmann, Karl Ludwig Friedrich von (1766– 1852), württembergischer Unternehmer  844, 845, 847 Helwing, Friedrich Wilhelm (1758–1832), lippischer Regierungsrat  217 Hendrich, Franz Josias von (1752–1819), Bundestagsgesandter der sächsischen Großund Herzogtümer  LIX, LXXVII, XCVI, C, 102, 105, 475, 677 f., 708, 715, 897, 902 Herosé, Ludwig (1786–1854), badischer Unternehmer  845, 847 Hiepe, Siegismund Paul (1770–1845), Frankfurter Jurist  319 Hillebrand, Joseph (1788–1871), Professor für Philosophie in Heidelberg  922, 925, 965, 985 Himly, Johann Friedrich (1769–1831), preußischer Geheimer Legationsrat in Frankfurt  202  f., 388, 598, 600, 623, 626, 628 Hofer, Andreas (1767–1810), Tiroler Freiheitskämpfer  187 Hruby → Löwenherz-Hruby und Geleny Humboldt, Wilhelm Freiherr von (1767–1835), preußischer Staatsminister und interimistischer Be­ voll­ mächtigter am Bundestag  XXV–XXVII, XXIX, LXV, LXXI, XCVII, CXIII, 16, 20, 83, 84, 126, 132, 144, 146, 164, 179, 188, 229, 232, 268, 442, 891, 1051, 1054 Ibell, Carl Friedrich (1780–1834), nassauischer Regierungspräsident LXXXVII, CVI, CXX Ida Prinzessin von Sachsen-Meiningen (1794– 1852) XXX, 189 Isidor von Sevilla (um 560–636), Erzbischof von Sevilla und Gelehrter  692 Jacobi-Klöst, Constans Philipp Wilhelm Freiherr von (1745–1817), preußischer Gesandter in London  20 Jagemann, Franz Christian von (1776–1866), löwenstein-wertheim-rosenbergischer Regierungsrat  247 Jordan, Johann Ludwig von (1773–1848), preußischer Wirklicher Geheimer Legationsrat  732 Joseph II., römisch-deutscher Kaiser (1741– 1790)  970

Kant, Immanuel (1724–1804), Professor für Philosophie in Königsberg  908 Kappes, Johannes (1773–1837), Frankfurter Jurist  319 Karl Albert, König von Sardinien und Herzog von Savoyen (1798–1849)  689 Karl Felix I., König von Sardinien und Herzog von Savoyen (1765–1831)  689 Karl Friedrich, Großherzog von Baden (1728– 1811)  231 Karl  II. Wilhelm Ferdinand, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel (1735–1806), preußi­scher Feldmarschall  633 Karl Ludwig Friedrich, Großherzog von Baden (1786–1818) XXXI, 85, 195 Karl Theodor Prinz von Bayern (1795–1875), bayerischer General  476 Keller, Dorotheus Ludwig Christoph Graf von (1757–1827), preußischer Diplomat  20 Ketelhodt, Friedrich Wilhelm Freiherr von (1766–1854), schwarzburg-rudolstädtischer Kanz­ ler und Konsistorialpräsident  222, 226 Klewitz, Wilhelm Anton von (1760–1838), preußischer Finanzminister  752 Klüber, Johann Ludwig (1762–1837), Jurist und preußischer Geheimer Legationsrat in Frankfurt  IX f., 889, 906 Knigge, Adolf Freiherr von (1750–1796), Schriftsteller  908 Kotzebue, August von (1761–1819), Schriftsteller und russischer Generalkonsul  L, LXXXVI, C, CVI, CXX Krug, Wilhelm Traugott (1770–1842), Professor für Philosophie in Leipzig  922, 938 f., 941–943, 966, 968, 970, 985 Kummer, Paul Gotthelf (1750–1835), Buchhändler und Verleger in Leipzig  890, 894, 903 Kutuzov → Goleniśćev-Kutuzov Langenau, Friedrich Karl Gustav Freiherr von (1782–1849), österreichischer General und Mitglied der Bundesmilitärkommission  407 Leisler, Wilhelm M., Kaufmann in Hanau  844 Leonhardi, Jacob Friedrich Freiherr von (1778– 1839), Bundestagsgesandter der 16. Kurie  XXVII, CXIV, 153, 158, 311, 320, 807, 1027 Leopold II., Fürst zur Lippe (1796–1851)  759

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LXX, LXXXI f., LXXXIX f., XCV, CIV f., CIX f., CXVII, 228, 254–256, 271–273, 293, 326, 332, 350, 363, 455–457, 472, 475 f., 481, 516, 703, 707, 710–713, 715 f., 743, 745, 778, 785, 805, 826, 846, 849, 856, 920, 986 f., 999, 1005, 1013, 1069, 1073 Martialis, Marcus Valerius (38/41–102/04 n. Chr.), römischer Dichter  904 f. Maucler, Paul Friedrich Theodor Eugen Freiherr von (1783–1859), württembergischer Staatsmann  197 Maximilian  I., römisch-deutscher Kaiser (1459–1519) 278, 632 Maximilian  I. Joseph, König von Bayern (1756–1825)  LXXII, 185, 540 f., 640 f., 707 f., 954 Merkel, Paul Wolfgang (1756–1820), bayerischer Abgeordneter  863 Metternich-Winneburg, Klemens Wenzel Nepomuk Lothar Fürst von (1773–1859), öst­ erreichischer Staats-, Konferenz- und Außenminister  XIII, XVI–XIX, XXI  f., XXVI, XLIII–XLV, LIV, LIX, LXXII  f., LXXIX, LXXXIII, LXXXVII, XCIX–CII, CV f., CXI, CXVII, CXX, 5, 6 f., 9 f., 28, 38, 68–73, 78, 87, 90, 95–97, 99, 103, 110, 122, 137–140, 144, 232, 236, 248 f., 269 f., 273, 363, 375, 379, 389, 442, 465, 475, 480 f., 591, 635, 638, 693–695, 738, 742, 744 f., 767, 883, 891, 899, 902, 919, 1012, 1053 f. Metzler, Johann Wilhelm (1755–1837), Bürgermeister von Frankfurt  154 Möser, Justus (1720–1794), Staatsmann, Historiker und Staatstheoretiker  1039 Moses, Stifter der Jahwereligion  462, 945 Montesquieu, Charles de Secondat, Baron de Mandelsloh, Ulrich Leberecht Graf von la Brède et de (1689–1755), französischer (1760–1827), württembergischer StaatsmiSchriftsteller und Staatstheoretiker  1039 nister und Bundestagsgesandter  XXVIII, Montgelas, Maximilian Joseph Graf von LVIII, LXXXIX, CXVI f., 186, 256, 516 f., (1759–1838), bayerischer Staatsminister  579, 587, 805, 1027 XXIII f., LVI, 109, 111, 113 f., 124 f., 476, Marie Louise von Österreich (1791–1847), 526 Herzogin von Parma, Piacenza und GuaMüller, Adam (1779–1829), Schriftsteller, Pustalla 693 blizist und österreichischer Diplomat  CXI Marschall von Bieberstein, Ernst Franz LudMünster, Herbert Ernst Friedrich Reichsgraf wig Freiherr (1770–1834), nassauischer zu (1766–1839), hannoverscher StaatsminiStaatsminister und Bundestagsgesandter  ster  891 XXV, XXVII, 106, 109, 111, 161, 164, Napoleon I. Bonaparte, Kaiser der Franzosen 228 (1769–1821)  XVI, XXXI, 29, 54, 276, Martens, Georg Friedrich von (1756–1821), 429, 476, 573, 688, 693, 751 Geheimer Kabinettsrat und hannoverscher Napoléon François Bonaparte, Herzog von und braunschweigischer BundestagsgesandReichstadt (1811–1832)  693 f. ter  XXXIX, XLV, LV, LVIII, LXVIII– Lepel, Georg Ferdinand Freiherr von (1779– 1873), kurhessischer Bundestagsgesandter 715, 717 Lichtenberg, Friedrich August Freiherr von (1755–1819), hessen-darmstädtischer Geheimer Rat und Außenminister  114, 118, 120 Liebenstein, Ludwig August Friedrich Freiherr von (1781–1824), badischer Staatsmann  378 Linden, Franz Joseph Ignatz Reichsfreiherr von (1760–1836), württembergischer Bundestagsgesandter  XVII, XXVIII, 15, 110, 112 f., 119, 186 List, Friedrich (1789–1846), Nationalökonom  XCIV, 837, 842, 846, 848, 850, 852 f., 865 Löwenherz-Hruby und Geleny, Carl Eduard Freiherr von (1778–1838), österreichischer Gesandter in München  741, 744 Lorentz, Richard von (1759–1820), kurhessischer Gesandter in Berlin  342 Luden, Heinrich (1778–1847), Professor für Geschichte in Jena und politischer Publizist  C Ludwig XVI., König von Frankreich (1754– 1793) 633 Ludwig XVIII., König von Frankreich (1755– 1824) 688 Luise Herzogin von Nassau (1794–1825)  XXX, 189 Luise Eleonore Herzogin von Sachsen-Meiningen (1763–1837)  XXX, 188, 189 Luther, Martin (1483–1546), deutscher Reformator 713 Lykurg, legendärer Stifter der spartanischen Verfassung  462

1122

Register

Reimarus, Johann Albert Heinrich (1729– 1814), Mediziner und Naturphilosoph  908 Reinhard, Wilhelm (1776–1858), Direktor im badischen Außenministerium  734 Oertzen, August Otto Ernst von (1753–1837), mecklenburg-strelitzischer Staatsminister  Rheinwald, Karl Heinrich von, württembergischer Geschäftsträger in Dresden  114, 120 209, 211 Richter, Carl Friedrich Enoch († 1831), BuchOken, Lorenz (1779–1851), Naturphilosoph händler in Leipzig  890, 894, 903 und Professor für Medizin in Jena  C Riego, Rafael del (1785–1823), spanischer Olbers, Georg Heinrich (1790–1861), bre­ Oberst 689 mischer Legationssekretär in Frankfurt  Römer (gen. R.-Büchner), Jacob Benedict 890 (1792–1863), Frankfurter Jurist und HistoOtterstedt, Georg Ulrich Joachim Friedrich riker  319 Freiherr von (1769–1850), preußischer GeRosenkrantz, Niels (1757–1824), dänischer sandter in Darmstadt und Wiesbaden  97 Außenminister  351 Rousseau, Jean-Jacques (1712–1778), franzöPalm, Johann Philipp (1766–1806), Buchsischer Schriftsteller und Moralphilosoph  händler in Erlangen  176 1039 Pauline Fürstin zur Lippe (1769–1820)  Rudolf I. Graf von Habsburg, römisch-deutLXXVIII, XCI, CXIV, 747, 749, 759, 773, scher Kaiser (1218–1291)  174 807 f., 1027 Paulus, Heinrich Eberhard Gottlob (1761– Sand, Karl Ludwig (1795–1820), Theolo­ 1851), Geheimer Kirchenrat und Professor giestudent und Burschenschafter  L, in Heidelberg  378 LXXXVII Peter Friedrich Ludwig, Herzog von HolsteinSay, Jean-Baptiste (1767–1821), französischer Oldenburg (1755–1829)  132, 144, 146, Ökonom 794 438, 473, 638, 679, 724 Schlegel, Friedrich von (1772–1829), SchriftPfuel, Ernst Heinrich Adolf von (1779–1866), steller, Philosoph und österreichischer Le­ preußischer General  442 gations­rat in Frankfurt  XXI f., 26 f., 80 f. Plessen, Leopold Engelke Hartwig von (1769– Schlitz, genannt von Görtz, Johann Eustach 1837), meck­len­burg-schwerinischer StaatsGraf von (1737–1821), preußischer Diplominister und Bundestagsgesandter beider mat  19 f. Mecklenburg  XV, XXV, XXX, XLIX, Schlözer, August Ludwig von (1735–1809), LI, LVII–LIX, LXX, LXXXI–LXXXIII, Historiker und Professor in Göttingen  LXXXVI, LXXXIX, XCV, CXVI f., 85, 98, 929, 996 102, 109, 188, 209, 211, 293, 350, 363, Schlosser, Johann Friedrich Heinrich (1780– 379–381, 387 f., 390, 405, 443 f., 447, 454, 1851), Frankfurter Jurist und Schriftsteller  459, 467, 472, 475, 481 f., 501, 708–711, LXXXI, 319, 734, 760 716, 718, 720 f., 730 f., 733, 743, 745–747, Schmitz, Caspar (1759–1835), leiningenscher 755, 785, 793, 805 Wirklicher Geheimer und Kabinettsrat  247 Pommer, L., Beauftragter  845 Schnell, Johann Jakob (1760–1829), KaufProsch, Jakob, Rat im bayerischen Außenmimann in Nürnberg  844 nisterium  641 Schöffer d. Ä., Peter (um 1435–1502/03), Pütter, Johann Stephan (1725–1807), StaatsBuchdrucker in Mainz  950 rechtslehrer in Göttingen  CVI, 352, 360, Schott, Johann Eberhard von (1764–1841), 907, 908, 1017 württembergischer Geheimer Legationsrat  114 Rechberg und Rothenlöwen, Aloys Franz XaSchwarzenberg, Karl Philipp Fürst zu (1771– ver Graf von (1766–1849), bayerischer Bun1820), österreichischer Feldmarschall und destagsgesandter und Außenminister  85, Hofkriegsratspräsident  53, 442 109, 115, 146, 526, 541, 641, 732 f., 745, Smidt, Johann (1773–1857), bremischer Sena822, 829 tor und Bundestagsgesandter  XV, XXVII, Rechberg und Rothenlöwen, Willibald HyaXXXVI, LV, LXXIX, LXXXVI, 220, 311, zinth (1780–1849), bayerischer Gesandter 320, 460, 473, 684, 690–692, 717 in Stuttgart  115 Noell, F. L. W. (1792–1878), holstein-oldenburgischer Offizier  474

Personenregister Smith, Adam (1723–1790), schottischer Moralphilosoph und Ökonom  794 Sonnenfels, Joseph von (1732/33–1817), Professor für Polizei- und Kameralwissenschaft in Wien  936 Spiegel zum Diesenberg, Kaspar Philipp Graf von (1776–1837), Hofrat und Chef des deut­ schen Büros in der österreichischen Staatskanzlei CII, 439, 480, 883 Stainlein, Johann Gottlieb Eduard Freiherr von (1785–1833), bayerischer Gesandter in Wien  732 Steigentesch, August Ernst Freiherr von (1774– 1826), österreichischer General und Militärbevollmächtigter beim Bundestag  442 Stein, Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum (1757–1831), preußischer Staatsmann XX, 26, 108 f., 439, 679, 744 Stein zum Altenstein, Karl Freiherr vom (1770–1840), preußischer Kultusminister  21, 752 Thomas, Johann Gerhard Christian (1785– 1838), Frankfurter Senator  157 Treilhard, Jean-Baptiste (1742–1810), französischer Jurist und Politiker  950 Varrentrapp, Franz (1777–1854), Buchhändler in Frankfurt  1013 Vellnagel, Christian Ludwig August Freiherr von (1764–1853), württembergischer Mi­ni­ ster­­staatssekretär  16, 647 Villacampa y Maza de Lizana, Pedro (1776– 1854), spanischer General  48 Villèle, Joseph Comte de (1773–1854), französischer Politiker  41 Vogel, Friedrich Christian Wilhelm (1774– 1842), Buchhändler in Leipzig  890, 894, 903 Waldeck und Pyrmont, Georg Friedrich Karl Graf zu (1785–1826), württembergischer Standesherr  247, 248 f. Walderdorff, Franz Philipp Wilderich Graf von (1740–1828), nassauischer Standesherr 108 Wallmoden-Gimborn, Ludwig Georg Thedel Reichsgraf von (1769–1862), österreichischer General  96 Wangenheim, Karl August Freiherr von (1773–1850), württembergischer Staatsminister und Bundestagsgesandter  XV, LI f., LXIV, LXXIV, LXXIX–LXXXIII, LXXXVI, XCV, CIV, CXVII, 332, 389, 406, 407 f.,

1123

418, 586, 592, 647, 650–652, 693, 696, 699, 703, 708, 711, 713 f., 742, 745, 747, 749, 920, 1069, 1071–1073 Wartenberg-Roth, Ludwig Graf von (1752– 1818), bayerischer General  116 Washington, George (1732–1799), General und Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika  LXIII, 574 Weber, Adolf Dietrich (1753–1817), Professor der Rechte in Rostock 929–931, 935 Weber, Johann Friedrich Ernst (1769–1834), Kaufmann in Gera  844, 847 Weise, Ludwig Wilhelm Adolph von (1751– 1820), schwarzburg-sondershausischer Wirklicher Geheimer Rat  222, 226 Weiß, Wilhelm Franz († 1834) badischer Geheimer Kabinettssekretär  195 Wellington, Arthur Wellesley, Herzog von (1769–1852), englischer Feldmarschall und Politiker 53 Wessenberg-Ampringen, Johann Philipp Freiherr von (1773–1858), österreichischer Vertreter bei den Frankfurter Territorialverhandlungen  10, 28, 31, 80, 91, 96, 891 Wieland, Ludwig (1777–1819), Publizist und Bibliothekar C Wiese, Georg Walther Vinzenz von (1769– 1824), reußischer Vizekanzler in Gera  211, 217 Wilhelm, Herzog von Nassau (1792–1839)  106, 108 Wilhelm I., König der Niederlande und Großherzog von Luxemburg (1772–1843)  689 Wilhelm I. Friedrich Karl, König von Würt­tem­ berg (1781–1864)  XLIV, LXIV, LXXIII, LXXIX, CV, 247, 256 f., 516, 579, 581, 647, 650, 652, 693, 744 f. Wilhelm I., Kurfürst von Hessen (1743–1821)  527 Wilhelm III. von Oranien, König von England, Schottland und Irland (1650–1702)  940 Wintzingerode, Georg Ernst Levin Graf von (1752–1834), württembergischer Staats- und Konferenzminister  XXIII f., 109, 111–114, 116, 118, 121–123, 197, 406 Wintzingerode, Heinrich Karl Friedrich Levin Graf von (1778–1856), württembergischer Gesandter in Wien und Außenminister  590, 743 Wolframsdorff, Wolff Carl August von (1769– 1823), anhalt-dessauischer Wirklicher Geheimer Rat, Regierungs- und Konsistorialpräsident  221, 226

1124

Register

Wrede, Karl Philipp Fürst von (1767–1838), bayerischer General und Staatsmann  53 f., 891 Wüstemann, Karl Christian (1795–1863), Geheimer Registrator in Gotha  244 Zeiller, Franz Edler von (1751–1828), österreichischer Jurist  893

Zeppelin, Ferdinand Ludwig Graf von (1772– 1829), württembergischer Staatsminister  LXXXII, 257, 742 Zichy und von Vásonykeö, Stephan Graf von (1780–1853), österreichischer Gesandter in Berlin  270

Länder- und Ortsregister

1125

Länder- und Ortsregister Aachen, Stift  516 Aarau  895, 919, 1024 Adria 501 Ägypten  462, 945 Allendorf 867 Allmerode  870, 875 Alpen  XXXII, 202 Altbrandenburg 876 Altenburg  867, 895, 919 Altenfeld 875 Altfeld 869 Altona 1024 Altstedt 870 Amerika 53 – Nordamerika  45, 48, 59, 507 f., 574, 862, 866, 872, 874 Amerika, Vereinigte Staaten von  837, 1014 Amiens 873 Anhalt, Anhaltinische Herzogtümer  XXIX, XXXVII, 188, 222, 224, 275, 639 f., 691 Anhalt-Bernburg, Herzogtum  221, 294–297, 299, 301–308, 322 Anhalt-Dessau, Herzogtum  221, 294–297, 299, 301–308, 322 Anhalt-Köthen, Herzogtum  221, 294–297, 299, 301–308, 322 Ansbach 23 Ansbach-Bayreuth XX Apolda 867 Aquilea 201 Arnstadt  867, 870 Auschwitz, Herzogtum  XXXII, 201 f. Baden, Großherzogtum XXV, XXXI  f., XLIII–XLV, XLVIII, LXI, LXIII f., LXXVIII, LXXXVI  f., XCII, CVI, CIX, CXIX, CXXI f., 8, 43, 113, 115 f., 125, 127, 175, 229–232, 257, 263, 266–269, 294–298, 300, 302–308, 322, 477, 523, 526, 575, 577, 660 f., 687, 691, 715, 746, 780, 791, 842, 845, 847, 912, 977 Barmen 873 f., XLIII, Bayern, Königreich  XV, XXIV  XLV, LI, LIX–LXII, LXV, LXVIII, LXX, LXXII, LXXVIII, LXXXII–LXXXIV, LXXXVI–LXXXVIII, XCI–XCIII, XCVIII, CIX, CXIII, CXV, CXXI, 12, 31 f., 59, 82, 84 f., 105, 125, 175, 256 f., 263, 266–270, 274 f., 294–298, 300, 302–308, 322, 360, 407, 475–477, 506, 520 f., 523 f., 526–528, 547, 569, 609, 640, 660 f., 691, 710, 716,

720, 728, 743–746, 777, 791, 809–813, 823–828, 833 f., 836, 842, 866, 875 f., 891, 914, 917 f., 954, 957, 1035, 1053 Belgien  58, 687–689, 966 Berg, Provinz  204, 206 Berlin  CV, 204, 270, 442, 474, 517, 528, 839, 873, 895, 919, 1024 Bern 873 Birkenfeld 474 Blankenhagen 869 Bleicherode 868 Blomberg, Amt  LXXIII, 328, 650 Böhmen, Königreich  XXXII, XXXIV, 201– 203, 309 f., 874 Bouillon, Herzogtum  458 Brandenburg, Mark  874 Brandenburg, Provinz  204, 206, 309 f. Braunschweig, Stadt  895, 919 Herzogtum  Braunschweig-Wolfenbüttel, XXXVII, 162, 226 f., 256, 275, 294–298, 300, 302−308, 322, 691, 716, 813, 979 Breitenbach  869, 875 Bremen, Freie Stadt  218 f., 294–297, 299, 301–308, 322, 328, 473 f., 717, 872, 895 Breslau  895, 919, 1024 Brixen  201, 790 Brotterode 869 Brüssel 528 Bürgel  870, 875 Castell, Grafschaft  XLIV, 263, 265, 271 Celle 436 Chemnitz  895, 919 Coburg 867 Colloredo-Mannsfeld 246 Cottbuser Kreis  751 Dänemark  XIX, XXXII f., CXXII, 40, 198, 468, 507, 522, 526, 790, 802, 1015 Dalmatien 49 Danzig 751 Darmstadt  XXIII f., 115, 436, 528, 541, 641 Delphi 462 Deutschland  XVIII f., XXI, XXV, XXVIII, XXX, XXXIII f., XLIV f., LVIII–LXII, LXXI, LXXV, LXXIX, LXXXI, LXXXIII, LXXXV, LXXXVIII, XCI, XCIII  f., XCIX–CIV, CVI, CVIII, CXIV–CXVI, CXIX, 8 f., 11– 14, 18, 22, 24–35, 37, 39 f., 42, 50, 57–64, 70, 73, 76, 78, 81–83, 88 f., 91, 112 f., 119, 121, 123, 155, 167, 170, 172 f., 175–178,

1126

Register

180 f., 183, 187, 196, 201, 203, 206, 237– 239, 245 f., 267, 269, 276, 279, 315, 324, 340, 349, 355, 359 f., 424 f., 427, 429 f., 439 f., 456, 459, 466, 468, 476, 478, 483 f., 500 f., 507, 512, 515, 517, 519, 521, 523 f., 528, 532, 545, 551, 554, 559 f., 563, 566, 574, 589, 599, 605, 618, 625, 632, 642, 672, 683  f., 686–689, 692, 697  f., 701, 703 f., 706 f., 713, 726 f., 729, 737, 739 f., 745  f., 757  f., 760, 764, 767, 780, 783, 786, 790, 795–798, 808, 810, 812, 825 f., 830 f., 837–841, 848, 850–852, 854, 859, 861, 863, 865, 871 f., 874, 876–878, 883– 887, 889, 893  f., 897  f., 900–902, 910, 920 f., 923, 938, 950, 962, 965 f., 968, 970, 980, 996, 1003, 1008, 1014, 1016, 1019, 1027, 1034–1036, 1040, 1045, 1050, 1059– 1064 – Norddeutschland/nördliches Deutschland  XX f., XXIII, LXXXVI, 29 f., 33, 76 f., 89, 101, 106, 110, 112, 339, 476, 797, 1019 – Nordostdeutschland  LXXXVI – Süddeutschland/südliches Deutschland  XXI, XXIII, LXXVIII, LXXXVI, XCIV, CVI f., 30, 76, 89, 101, 106, 110, 112, 339, 476, 764, 819, 835, 1019 – Südwestdeutschland  LXXXVI Diedrichstein 246 Dietharz 869 Diez 815 Donau 827 Dresden  XXIII, C, 110, 116, 438, 528, 541, 899, 975, 1024 Eichsfeld 873 Eisenach  713, 867, 873 f. Elbe  841, 852 Elberfeld 873 Elgersburg 869 Elsaß 1015 England  XLV, LXXXVII, CIII f., 41, 45, 47, 54, 57, 522, 526, 689, 728, 841, 861, 871 f., 876, 938–941, 944–948, 966 → Großbritannien Enns 725 Eppstein 327 Erbach-Erbach 247 Erbach-Fürstenau 247 Erbach-Schönberg 247 Erbach-Wartenberg-Roth 247 Erfurt  873, 895, 919 Erlangen  895, 919 Erzgebirge 868 Eschwege  867 f.

Europa XVIII, XX, LXII, LXXXIII, LXXXIX, XCIV, CXIX, 18, 37, 40, 54, 57, 63, 170, 176 f., 182, 231, 424, 429, 483, 501, 548, 560, 632, 634, 688, 694, 697 f., 715, 739, 793  f., 838  f., 851, 854, 859, 862 f., 897, 951, 963, 966, 1014, 1040, 1061 – europäische Staaten  780 – Mitteleuropa  LXXXVII Finsterbergen 869 Fischbach  868 f. Fischhardsbrunn 869  Flitsch 201 Franken 867 Frankenhausen 870 Frankfurt, Freie Stadt  XIII–XVIII, XXI, XXVI  f., XXX  f., XXXVIII, XL  f., LIV, LXV, LXXXIII, LXXXVI, LXXXVIII, XCIV f., 6–8, 10, 17–19, 21–23, 26–28, 38, 80, 88 f., 96 f., 106, 108, 110, 112, 115, 121, 124 f., 130, 134, 148–151, 153–156, 165– 167, 169, 181, 186, 218–220, 226, 235, 242, 247, 263, 280, 286, 294–297, 299, 301–308, 313 f., 318 f., 322, 325, 327, 437, 448, 613 f., 633, 663, 705, 714, 717, 738– 742, 837 f., 842 f., 845, 847 f., 850, 852 f., 857, 873, 895, 919, 995, 1013, 1024, 1034 Frankreich  XVI, LXXIX, LXXXVII, CIII f., 6, 8, 36, 39, 45, 47 f., 54, 57 f., 119, 170, 175, 245, 360, 429, 491, 495, 524, 633, 684–689, 701, 728, 751, 790 f., 802, 806, 841, 854, 861 f., 866, 871 f., 897, 951, 963, 966, 1014, 1040, 1061 – Südfrankreich  751 Franzhütte 869 Freie Städte → Städte, Freie Friaul, österreichisches  XXXII, 201 Friedrichsroda 868 Fugger-Babenhausen 246 Függer-Glöt 247 Fulda, Stadt  867 Fulda, Fürstentum  108, 867 Galizien  709, 827, 834, 836 Gebesee 868 Gehlberg 869 Geldern 43 Gelnhausen 96 Genf 1039 Gera  844, 847, 868–870, 873, 876 Germanien  174, 181, 183 Germersheim 506 Gießen  895, 919 Glatz, Grafschaft  XXXIII, 204

Länder- und Ortsregister Glücksthal 869 Görz 201 Görzer Kreis  XXXII, 201 Göttingen  895, 919, 992, 1024 Gotha  867, 869, 872–874, 895, 919 Gradiska 201 Gräfinau  869 Greiz  867, 870 Grimma  895, 919 Großbritannien  6, 119, 360, 429, 495, 507, 574, 661, 685, 1039 → England Halberstadt 868 Halle  895, 919, 1024 Hamburg, Freie Stadt  97, 218 f., 294–297, 299, 301–308, 322, 459, 707, 839, 872, 1024 Hanau  703, 844, 847 Hannover, Königreich LXVIII, LXXIII, XCII, CVI, CIX, CXIX, CXXI, 31 f., 81 f., 84, 105, 107, 230, 256, 268, 270, 275, 294– 298, 300, 302–308, 322, 611, 688, 706, f., 749, 769, 891, 912, 977, 1053, 710  1075 Hannover, Stadt  528, 895, 919, 1024 Heidelberg  378, 895, 919, 1024 Heidenheim 844 Helmstadt 456 Henneberg, Grafschaft  865 f. Hersfeld 867 Hessen, hessischer Raum XCIV, XCVI, 414 f., 526, 857, 864 f., 867 Hessen, Großherzogtum  XV, XXIV, XLVI f., LXIV, LXIX, LXXIII, XCII, CXXI, 86, 122, 125, 230, 257, 263, 266–269, 275, 294–298, 300, 302–308, 322, 327, 340– 343, 346 f., 352, 581, 691, 715, 780, 816, 842, 845, 951 f. Hessen, Kurfürstentum  XV, XXIV, XLVI f., LXIV, LXIX, LXXIII, XCII, CXXI, 86, 108, 124, 230, 268 f., 275, 294–298, 300, 302–308, 322, 328, 340–343, 346 f., 352, 527, 649, 690, 715, 842, 844, 847, 867 Hessen-Darmstadt → Hessen, Großherzogtum Hessen-Homburg, Landgrafschaft XXXII, CXXII, 43, 147, 198 f., 289, 294–297, 299, 301–308, 321 f. Hildesheim 922 Hochberg, Grafschaft  230 Höchst 815 Hohengeroldseck  XXXII, 201 Hohenlohe  XLIV, 263, 265, 271 Hohenzollern  XXXVII, 275, 691

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Hohenzollern-Hechingen, Fürstentum 211, 217, 294–297, 299, 301–308, 322 Hohenzollern-Sigmaringen, Fürstentum  211, 217, 294–297, 299, 301–308, 322 Holland  58, 508, 522, 839, 862, 871 f. → Niederlande Holstein, Herzogtum XXXIII  f., XLIII, XCII, CXIX, 198, 230, 268 f., 275, 294– 298, 300, 302–308, 322, 474, 641, 688, 691, 715, 790 Großherzogtum XV, Holstein-Oldenburg, XXXVII, CIX, CXIV, 221–224, 294–297, 299 f., 302–308, 322, 328, 681, 691, 918 Hünfeld 867 Ilmenau  869, 874 Ionien 462 Irland 966 Isenburg 247 Italien  58, 203, 802, 826 f., 835, 839, 866, 872, 951, 1016 Jena  895, 919 Jericho 462 Kärnten  XXXII, 201, 288 Karlsbad  XIII, LXXXVII, CVI, 96, 590 f. Karlsruhe  XXIII f., 110, 116, 528, 541, 641 Kassel  XXV, 23, 27, 37 f., 80, 97, 103, 115, 436, 867 Katzenelnbogen, Niedergrafschaft  108 Kleinschmalkalden 869 Kleve, Provinz  206 Kleve-Berg, Provinz  204, 309 f. Kniphausen, Herrschaft  681 Köln  506, 818 Königsberg  895, 919, 1024 Königsee  869, 875 Königsegg-Aulendorf 247 Kopenhagen 873 Krain, Herzogtum  XXXII, 201, 288 Kreta 462 Küstenländer, deutsche  871 Kurland 1015 Kurpfalz, rechtsrheinische  477, 661 Lahn 845 Lahngegenden 816 Lahnstein 815  Landau  6, 360, 429, 507 Langenhayn 868 Langensalza 873 Langenwiesen 869 Laucha 868

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Register

Mecklenburg-Schwerin, Großherzogtum  Lauenburg, Herzogtum  XXX, XXXIII, 188, XXXVII, 209 f., 275, 294–298, 300, 302– 230, 322, 468, 641, 715, 790 → Sachsen308, 322, 537, 636, 690, 721, 771 f. Lauenburg Mecklenburg-Strelitz, Großherzogtum  147, Lauscha 869 209 f., 275, 294–297, 299 f., 302–308, 322, Lausitz  XXXIII, 204, 287, 290 f., 294–298, 537, 636, 690, 721, 771 f. 300, 302–307, 309 f. Mehlis 869 Leiden 873 Meiningen  867, 869 f. Leipzig  CVIII, 852, 894 f., 903, 910, 919, Mellenbach 875 922, 968, 975 f., 995, 1013, 1019, 1022, Melsungen 867 1024 Metternich-Winneburg-Ochsenhausen 246 Levante  866, 872 Michelstadt 714 Lichtenau 867 Mittelmeer  839, 872 Liechtenstein, Fürstentum  XXXVII, 211, 217, Möhrenbach 869 275, 294–297, 299, 301–308, 322, 391, 691 Mörchingen 458 Limbach 869 Mühlhausen 873 Limpurg-Gaildorf 247 München  XXIV, 111, 122 f., 476, 725, 741, Limpurg-Speckfeld-Rechtern, Grafschaft  744, 895, 919, 1024 XLIV, 23, 265, 271 Lippe, Lippische Fürstentümer  211, 217, 647, Nassau, Herzogtum  XXIV, XXXII, XXXVII, 651 XLIV, LXXXIV, LXXXVI f., XCI, CVI, Lippe, Fürstentum  XXXVII, LXXIII, CXIV, CIX, 108, 116, 124, 162, 226−228, 256, 263, 275, 294–297, 299, 301–308, 322, 328, 653, 275, 294−298, 300, 302−308, 322, 327, 691, 666, 691, 747 f., 759 f., 808 716, 761, 765, 780, 813–819, 842, 844 f., Livland 1015 847, 918 f., 958 f., 1035 Lobenstein  867, 870 Nassau-Oranien  XXXIII, 108 Löwenstein-Wertheim-Freudenberg 246 Nassau-Usingen XXXII Lombardei, lombardische Provinzen  XXXII, Nassau-Weilburg XXXII 200, 202, 469, 836 Naumburg 852 Lombardo-Venetien, Königreich  825, 834 Nebo 462 London  CV, 524, 716, 1014 Neckar 49 Lucca 62 Neuenburg, Schweiz  XXXIV, 288 Lübeck  XIX, 218 f., 294–297, 299, 301–308, Neuhaus 875 322 Neustadt  867, 869 f. Ludwigsburg 122 Neustadt an der Orla  876, 895, 919 Lüttich, Hochstift  516 Niederlande  XIX, XXXII, CVI, 6, 40, 42, 45, Luxemburg, Großherzogtum XXXIII, 124, 443, 507, 526, 684, 689, 790, 797, 802, LXXXIV, XCII, CXIX, 124, 230, 268 f., 825, 862, 866, 892, 1003, 1014 f., 1038 275, 294–298, 300, 302–308, 322, 629, 690, → Holland 769, 771, 790, 1038 – habsburgische Niederlande  689 Luxemburg, Stadt/Festung XXXIV, 360, – nördliche Niederlande  689 507 Niederrhein, Provinz  204, 206, 288, 309 f. Nordische Länder  791 Maas 501 Nordsee 501 Mähren, Markgraftum  XXXII, XXXIV, 43, Nürnberg  23, 844, 847, 862  f., 895, 919, 201, 309 f. 1024 Main  49, 827 Mainz, Stadt/Festung  86, 108, 360, 506 f., Oder 501 818 Österreich, Kaisertum  XVII–XXIII, XXV f., Mannheim  436, 922 XXIX, XXXII, XXXIV, XL–XLVII, L, Mecklenburg, Mecklenburgische GroßherzogLVIII  f., LXII  f., LXVII–LXX, LXXV, tümer  XXIX, XXXVII, LXXVIII, LXXXI, LXXVIII, LXXXIII, LXXXV, LXXXVII, LXXXIII, LXXXV, CXVI, 629, 633, 635, XCII f., XCVIII f., CII, CVI f., CIX, CXI, 715, 717, 746, 750, 754–756, 761, 769, 771, CXIII, CXXI f., 6, 12–14, 18, 25–31, 33–36, 818, 952, 1035, 1062–1065

Länder- und Ortsregister 40, 43 f., 54, 74–76, 78, 82–84, 87–90, 93, 97, 99–101, 104–107, 112, 119, 122–124, 136, 175, 178, 187, 199 f., 202 f., 205, 237– 239, 241, 268–270, 275, 282 f., 287, 290 f., 293–298, 300, 302–310, 322, 341, 360, 407, 425, 429, 439, 464 f., 468, 471, 475, 477, 507, 517, 522–524, 526 f., 542, 547 f., 551 f., 560 f., 563, 615, 625, 628 f., 632, 649, 661 f., 664, 685, 688, 690, 692, 694, 709, 712, 714, 728 f., 733, 739, 741, 745, 758, 781, 790, 802, 811, 825, 827, 830 f., 833– 836, 839, 891, 893, 912, 970 f., 974, 995, 1053, 1059 – altösterreichische Provinzen  835 – Erzherzogtum Österreich  XXXII, 201 – Innerösterreich  309 f. – Italienische Provinzen  XXXIV, 203, 790 – Militärgrenze  835 f. – Niederösterreich  309 f. – Oberösterreich  309 f. – Österreich ob der Enns  725 – Seeküste  287, 290, 294–298, 300, 302– 310 Oettingen-Oettingen 246 Oettingen-Spielberg 246 Oettingen-Wallerstein 246 Offenbach  895, 919 Ohrdruff  867 f., 872 f. Oldenburg → Holstein-Oldenburg Ortenburg 247 Osnabrück 1039 Ostindien  866, 1014 Ostsee 501 Paris  18, 68, 115, 633 f., 685, 794, 1014, 1016 Pfalz  816 f. Philadelphia 574 Piemont-Sardien 689 Pirna  895, 919 Plaue 869 Plauen 870 Pösneck  867, 869 f. Polen  49, 187, 698, 751, 1015 Pommern, Provinz  204, 206, 309 f. Posen, Provinz  XXXIV, 825 Potsdam  876, 895, 919 Prag  895, 919 Preußen, Königreich  XVII–XXIII, XXV f., XXIX, XXXII–XXXIV, XLII–XLVII, LVIII, f., LXII, LXVI–LXVIII, LXXV, LXXXIV  LXXXVII, XCII, XCIV, XCVIII  f., CII, CVI, CIX, CXVIII, CXX–CXXII, 6, 14, 18, 22, 25–31, 33 f., 36, 40, 43, 54, 75 f., 78, 81,

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83–90, 97, 99–108, 111 f., 119, 124 f., 136, 147, 175, 203–206, 234, 241, 267 f., 270, 275, 287 f., 293–298, 300, 302–310, 322, 360, 407, 429, 438, 458, 468, 471, 506 f., 517, 522–524, 526 f., 548, 560 f., 563, 591, 629, 654, 661 f., 672, 685, 691, 710, 714, 727–729, 745, 750–754, 768, 781, 790, 802, 809, 825, 827, 841, 852, 866, 872, 875 f., 878 f., 891, 913, 974, 995, 1012, 1035, 1053 f., 1059, 1060 f. – Ostpreußen  XXXIV – polnische Provinzen  827 – Rheinpreußen  874 – Westpreußen  XXXIV Pucklar 247 Pyrenäen 839 Quadt-Isny 247 Quedlinburg 895 Rastatt 507 Rauenstein 869 Regensburg 23 Reichenbach 870 Reinhardsbrunn, Amt  869 Remda 867 Reuß, Reußische Fürstentümer  XXXVII, 275, 690 Reuß ältere Linie  211, 217, 294–297, 300, 302–308, 322 Reuß jüngere Linie  211, 217, 294–297, 300, 302–308, 322 Reutlingen 837 Rhein  49, 147, 797, 817–819, 839, 841, 852 Rheingau 816 Rheinhessen 951 Rheinufer, linkes  58, 326 Riga  895, 919 Roda 874 Rom  711 f. Ronneburg  870, 873 Roschütz 869 Rostock  895, 919, 1024 Rothenburg 867 Rudolstadt  869 f., 895, 919 Ruhla 869 Rußland  XLV, 6, 32, 36, 112, 119, 360, 429, 495, 661, 685, 709, 729, 751, 862, 866, 874 Saarlouis  6, 43, 429 Sachsen, sächsischer Raum  XCVI, 857, 864, 874 Sachsen, Königreich  XXIII f., LXI, LXIV, XCII, CVI, CIX, CXIX, CXXI, 32, 79, 107,

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Register

Schwarzhausen  868, 876 113, 119, 121, 124, 232, 268, 270, 275, Schweden  862, 866 294–298, 300, 302–308, 322, 438, 523, 526, Schweinfurt 867 710, 751, 842, 911, 975, 995, 1035, 1055 Schweiz  XXXIV, XCII, CVI, 48, 58 f., 429, Sachsen, Provinz  204, 206, 309 f. 508, 790 f., 802, 806, 829, 839, 874, 1015 Sachsen-Coburg, Herzogtum  LXXVIII, 243, Seligenthal 869 294–298, 300, 302–308, 322, 690 f., 716, Siebenbürgen  834 f. 756 Sinai 462 Sachsen-Coburg-Saalfeld, Herzogtum 328, Sinzendorf 246 756 Solms-Braunfels 246 Sachsen-Gotha, Herzogtum  242 f., 294–298, Solms-Laubach 247 300, 302–308, 322, 716 Solms-Lich 246 Herzogtum  Sachsen-Hildburghausen, Solms-Rödelheim 247 LXXVIII, LXXXIV, 243, 294–297, 299 f., Solms-Wildenfels 247 302–308, 322, 716, 755 f. Sondershausen  870, 895, 919 Sachsen-Lauenburg, Herzogtum  198 → LauSonnenberg 869 enburg Sontra 867 Sachsen-Meiningen, Herzogtum  243, 294– Spangenberg 867 297, 299 f., 302–308, 322, 328, 716 Spanien  57, 689, 862, 866, 872 Sachsen-Weimar, Großherzogtum  XXXVII, Sparta 462 LXXVII f., LXXXIV, XCIX f., 124, 242 f., Stablo, Fürstabtei  516 294–298, 300, 302–308, 322, 328, 677, 682, Stadtilm 867 716, 750, 755, 896–900, 902, 959, 1035 Städte, Freie  XXXVII, LXXIV, XCII f., 107, Sächsische Groß- und Herzogtümer  XXIV, 275, 459, 473, 629, 633, 635, 652, 664, 690, XXXVII, XCII, CXIX, 116, 275, 328, 690, 829 f. 844, 847, 866 f., 1035 Steiermark, Herzogtum  XXXII, 201, 288 Salm-Reifferscheid-Dyck 246 Steinbach 869 Salm-Reifferscheid-Krautheim 246 Stockholm 873 Salzburg, Herzogtum  XXXII, 201 Stollberg-Gedern 247 San Marino  62 Stollberg-Ortenberg 247 Sankt Helena  751 Stollberg-Rosla 247 Sankt Petersburg  524 Stützenbach 869 Sardinien 689 Stuttgart  XXIV, 115, 123, 247, 528, 541, 641, Savoyen  6, 429 679, 696, 1024 Schäsberg-Thannheim 247 Südatlantik 751 Schaumburg-Lippe, Fürstentum XXXVII, Sulzbach  895, 919 LXXIII, 211, 217, 294–297, 299, 301–308, 322, 328, 653, 666, 690 Thettau 869 Schlesien  43, 202–204, 206, 874 Thüringen  XCIV, XCVI, 865 f. – österreichischer Teil  XXXII, 201, 287, – preußisches Thüringen  867 f. 290, 294–298, 300, 302–307, 309 f. – Thüringer Wald  857, 864, 866, 869 f., 877 – preußischer Teil  XXXIII, 287, 291, 294– Tirol 201 298, 300, 302–307, 309 f. – Welschtirol  43 Schleswig, Herzogtum  XXXIII f., 895, 919 Tolmein 201 Schmalkalden, Stadt  869, 875 Toskana 892 Schmalkalden, Herrschaft  875 Trient  201, 790 Schmerbach  868 f., 876 Trier, Erzstift  516 Schmöllen 870 Triest  XXXII, 201 Schönau 869 Schwarzburg, Schwarzburgische Fürstentümer  Tübingen  436, 837, 846, 848, 850, 894, 903, 1024 XXXVII, 222, 224, 275, 639, 867 Turin 115 Schwarzburg-Rudolstadt, Fürstentum 222, 294–297, 299, 301–308, 322, 690 Ulm  361, 507 Schwarzburg-Sondershausen, Fürstentum  Ummerstadt 870 222, 294–297, 299, 301–308, 322, 691

Länder- und Ortsregister Ungarn  XXXIV, 49, 728, 825, 827, 834 f., 1015 Vacha  867 f. Varel, Herrschaft  681 Veilsdorf 869 Veltlin 43 Venedig 929 Venetien 836 Virginia 574 Vogtland  XCVI, 857, 864–866, 868, 870 Vorarlberg 201 Waldeck, Fürstentum  211, 217, 275, 294– 297, 299, 301–308, 322, 328, 690 Waldburg-Wolfegg 246 Waldburg-Zeil 247 Waldenburg 870 Wallendorf 869 Waltershausen  867 f., 872 f. Warschau, Herzogtum  751 Wartburg 713 Waterloo  XVI, 751 Weida 870 Weiler 201 Weimar  870, 894 f., 903, 919, 1024 Werragrund 867 Wesel 506 Weser  841, 852 Westerwald 817 Westfalen, Königreich  527, 705, 751 Westfalen, Provinz  204, 206, 309 f. Westindien  866 f., 876

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Wetterau  816 f. Wetzlar  437, 515 Wien  XIII, XVIII, XXIV, XXVIII, L, LIV, LXXIX, CII, CV, CXI, 28, 46, 71, 101, 103, 107, 109, 146, 165, 187, 195, 202, 221, 259, 268, 270, 438, 442, 461, 515, 517, 528, 590 f., 661, 693, 695, 705, 710, 716, 725, 738, 742 f., 747, 749, 784, 888, 893, 895, 908, 919, 1024, 1035, 1040 Wiesbaden 958 Windischgrätz 247 Winterstein 869 Wittenberg  895, 919 Witzenhausen 867 f., 872 f. Wolfenbüttel 646 Worms, Hochstift  516 Worms, Stadt  703 Württemberg, Königreich  XV, XVIII, XX, XXIII, XXVIII, XXXI, XLIII–XLV, LI, LXI, LXIV f., LXXIII f., LXXIX, LXXXVI f., LXXXIX, XCII, CIX, CXIX, CXXI f., 8, 31 f., 43, 59, 70 f., 105, 125, 127, 175, 187, 230–232, 266–268, 270, 275, 294–298, 300, 302–308, 322, 340, 361, 476, 522, 526, 660, 662, 664, 691, 711–714, 733, 745–747, 749, 758, 777 f., 780, 785, 799, 808, 811, 831, 842, 844, 847, 913, 959, 1027, 1046 f., 1053, 1069 f., 1073–1075 Zator, Herzogtum  XXXII, 201 f. Zella 869 Zeulenroda 870 Zürich  895, 919

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Register

Sachregister Angelegenheiten, deutsche/vaterländische  Aachen, Kongreß von (1818)  XLV f., 661, XX, LX, LXXXV, 740 f., 768 685 Abstimmungsmodalitäten im Bundestag  Ausschüsse → Bundestagskommissionen Austräge, Austrägalinstanz, Austrägalverfahren, XXIV, XXXV f., XLVI–LII, CXXII, 339 Austrägalwesen  LXV–LXXV, CXXIII, 61, → Bundes­akte Artikel 7; Veto 65, 136, 324, 326, 328, 330, 353, 435–437, – Abstimmungsprovisorium (29. 7. 1819) → 446, 449, 453, 464, 468, 493, 496, 513–515, Bundesbeschlüsse 519, 529, 537, 543, 561 f., 597–673 → Bun– Einstimmigkeit  XLIII f., XLVII, XLIX–LI, desgericht; Bundestag LXXXI, LXXXVIII, CI, CXVIII, CXXII, – Bundesbeschluß über die Vermittlung bei 87, 248, 266, 276, 341, 344, 348–351, 353, Streitigkeiten der Bundesglieder unterein364 f., 367 f., 372 f., 382, 395, 399, 401, ander und die Errichtung einer Austrägal­ 408–410, 413–418, 546, 563, 823, 1060 instanz („Austrägalordnung“) (16. 6. 1817) – Einschränkung des Einstimmigkeitsgebots →  Bundesbe­schlüsse bei Ausführungsfragen organischer Einrich– Einlegung von Rechtsmitteln LXVII, tungen  L, 364–366, 368, 370–375, 654, LXIX, LXXIII, 514, 519, 600, 605 f., 616 f., 656, 658, 662 645 – Stimmengleichheit  88, 354 – Oberste Gerichte der Bundesstaaten als Aus– Stimmenmehrheit  XXXV, XLVI–LII, trägalinstanz  LXVII–LXIX, LXXI, LXXIII, LXIII, LXXII, 61, 112, 127, 133, 140, 213, 599, 604, 615 f., 619–621, 636, 644–646, 279, 340–344, 346–348, 351, 353 f., 358 f., 648, 659, 671 363–365, 371, 374–376, 378, 384, 388–390, Austrägalinstanz  LXVII– – permanente 393, 395–401, 403–410, 413–416, 419, 464, LXXIV, 602, 608, 611, 615, 618–620, 623, 510, 586, 626, 640, 654, 662, 824 629, 635–641, 643, 649–654, 656–658, – keine Entscheidung durch Stimmenmehrheit  660, 662–664, 669–671 XLVI, 61, 117 f., 343, 350, 352, 354, 356 f., – Rechtsquellen und Rechtsnormen der Aus359–361, 380, 386 f., 394, 396 f., 399, 626, trägalentscheidungen 659 641, 823, 1060 – –  Gemeines Recht  LXVI f., LXIX, 519, – Verstärkte Mehrheit  XLVIII, L, 348, 366 f., 538, 599, 605, 616, 625, 645, 671, 1039 390 – – Römisches Recht  599, 625 – Zweidrittelmehrheit  XLVI, XLVIII, LI, – – Staatsrecht  599 127, 134, 274 f., 347 f., 354, 364–366, 371, – – Völkerrecht  599 382, 390, 393, 405, 410, 413, 415 f., 418, – Streitsache der lippischen Häuser  LXXIII, 583 647 f., 650 f., 656 f., 661, 667, 669, 759 f., – Mehrheit  XLVIII, L, 344 f., 383, 402, 654 773 f. – Minderheit  XLVIII, L, 341, 345, 358, – Vermittlung durch einen Ausschuß des Bun378, 382 f., 401–403, 410, 416, 654 destags bei Streitigkeiten der Bundesglieder  – gütliche Vergleichung  398 LXIV–LXVI, LXVIII f., LXXII, 328, 335, – Provisorische Beschlüsse mit bloßer Stim446, 449 f., 452, 464, 496, 513, 518, 534, menmehrheit XLIX 543, 554, 561 f., 568, 570, 599, 601–673, Abzugsrecht, Abzugsgeld → Auswanderung  737, 748 f. Adel, Aristokratie  701 f., 705, 1034, 1038 – wechselnde Austrägalinstanzen  LXVIII, → Mediatisierte; Reichsadel; Standesherren LXX, LXXII, 609 f., 612, 615, 624 f., 637, Agenten am Bundestag  XXXIX, 311–320, 639 f., 643 f. 325 Auswärtige Angelegenheiten des Bundes  XX, Allgemeininteresse 183 LX f., LXIII, 62–64, 95, 433, 497, 507–512, Alliierte Mächte (Großbritannien, Österreich, 516, 528, 531, 535 f., 565, 570, 585, 592 Preußen, Rußland)  XVI, 119, 182, 188, → Gesandtschaften; Organische Einrichtun264, 495, 685, 689 → Mächte, europäische gen/Verfassung Altes Reich → Reich, Heiliges Römisches Auswanderung, Auswanderungsfreiheit  XVI, Anarchie, anarchische Bestrebungen  LIX, CXII–CXX, CXXII, 451 f., 872, 1027–1075 522, 544, 678

Sachregister → Bundesakte Artikel 18; Bundesbeschlüsse – gemeinschaftliche Regelungen zur Auswanderungsfreiheit  1029 f., 1032 f., 1062–1075 – keine Anreize zur Auswanderung  1052 – Aufhebung der Abzugsgelder  XXVI, 1041 Band der deutschen Staaten  61, 183 → Nati­o­ nalband Barbaresken 732 Befreiungskriege (1813/14)  684, 727, 751 f. Bethmann, Bankhaus  552 Bevölkerung des Deutschen Bundes und der Bundesstaaten  268, 283, 288, 290 f., 293– 310, 322, 469, 471 Bourbonen  685, 688 Brackische Sukzession  LXXIII, 328 Büchernachdruck CVI–CXII, CXXIII → Vereinbarungen, freie; Verlage – Baden  CVI, 912 – Bayern  914–918, 1001 – Buchhandel, deutscher  XCIX, CVII, CX, CXXI, 888–895, 903–910, 918, 931–934, 955, 957 f., 976, 998, 1005, 1013–1024 – Bundesgesetz gegen den Büchernachdruck  CVIII, 892 – Frankreich  1001 – gleichförmige Verfügungen gegen den Büchernachdruck  XVI, XX, LXXVI, CIX– CXII, 66, 136, 325, 452, 491, 499 f., 543, 548, 550, 888–895, 903–919, 921, 923, 999–1024 → Vereinbarungen, freie – Hannover  CVI, 912 – Holstein-Oldenburg  918 – Nassau  CVI, 918 f. – Niederlande  1000 f., 1003 – Österreich  CVII, 912 f. – Preußen  CVI, 913 f. – Sachsen  CVI, 911 f. – Württemberg  913 Bürger, Bürgerrechte  1041 → Bundesakte Artikel 18; Untertanen – deutsche  XXXVIII, XCVIII, CVII, CXIV, CXXIII, 428, 464, 499, 1028, 1040 – Bundesbürgerrecht  CXIX Bund → Deutscher Bund Bundesakte (8. 6. 1815)  IX–XIII, XXXV, LVII, LX–LXII, LXV, LXIX  f., XCVII, 10 f., 33, 52, 56, 59 f., 65, 68 f., 72, 79, 81 f., 88, 91, 94, 97, 103, 107, 111, 123 f., 149, 164, 182, 211 f., 218 f., 221, 234, 237–239, 245, 250, 259 f., 262, 264, 344, 355, 364 f., 368, 380, 397, 401, 405, 425, 428, 437, 440, 445, 448, 450, 454–457, 460 f., 465, 478, 486, 488, 507, 531 f., 534 f., 547, 554, 557,

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568, 576, 590, 607, 627, 629, 658, 678, 690, 740, 859, 1027, 1029, 1031, 1040, 1059, 1061, 1063, 1068, 1071 – Allgemeine Bestimmungen (Artikel 1–11)  59, 82, 461, 485, 495 – Besondere Bestimmungen (Artikel 12–20)  XVII, LIII, 461, 467, 469, 486, 495 – Artikel 1  60, 136, 200 f., 204, 260, 283, 345, 558, 781, 802 – Artikel 2  XVII, LIII, 60, 120, 162, 237 f., 445, 462 f., 494, 507, 532, 543, 566, 570, 648, 684, 884 – Artikel 3  112, 120, 156, 358, 1040 – Artikel 4  129, 161 f., 164, 212, 218, 221, 226, 237, 251, 382, 400, 409, 463, 486 f., 498, 531, 533, 536, 570, 770 – Artikel 5  100, 161 f., 430, 500 – Artikel  6 XLIII–XLVI, XLIX, LII  f., CXXII, 61, 129, 225, 229, 246, 251, 261 f., 265 f., 268, 271, 274, 353–355, 380, 393, 395, 413, 419, 430 f., 451, 454, 463, 478, 486, 490, 499 f., 543, 547, 550, 568, 640 Artikel  7  XLIV–L, LII, LXXXVIII, – CXXII, 61, 74, 87, 117, 248, 262, 266, 274, 279 f., 343, 348–350, 353–355, 368–370, 375, 379–387, 390 f., 393–405, 408, 418 f., 462 f., 465, 468, 478, 486, 490, 493, 513, 519, 546, 563, 583, 586, 626, 641, 823, 1060 – Artikel 8  61, 138, 229 f., 490, 493 – Artikel 9  XXV, 112, 156 – Artikel 10  LIII, 46, 62, 76, 84, 92, 94, 136, 246, 280, 282, 356, 358, 391, 427, 445, 454, 461, 463, 467, 478, 485 f., 490, 494– 496, 536, 546, 555–557, 570 – Artikel 11  LXV, LXVIII, 60–62, 65, 69, 120, 358, 427, 435 f., 446 f., 449, 494–496, 507, 511, 513 f., 518, 537, 543, 547 f., 554, 558, 562, 567, 597, 599, 603–605, 613, 624, 628, 636 f., 642 f., 645, 648, 663, 672, 698 – Artikel 12  LIII, LXIV, 61, 64, 428, 446, 451, 454, 465 f., 498, 534, 543, 552, 567, 569, 584 f., 644, 709, 723 f., 755, 770, 1040 – Artikel 13  LIII, LXIV, LXXVI–LXXXVII, CXXIII, 42, 62, 65, 261, 392, 427, 447, 451, 454, 465, 498, 543, 545, 548, 567, 583 f., 589, 681, 688, 690, 692, 695, 698, 702–711, 715–717, 719 f., 723 f., 726, 728 f., 732, 734, 737, 740, 742–748, 750, 753–755, 757, 761 f., 766–768, 770–773, 1040 – Artikel 14  LIII, LXIV, 61, 65, 263, 451, 471, 491, 499, 543, 550, 567, 584, 709, 724, 755, 762, 766, 770, 1034

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Register

– Artikel 15  LIII, 61, 132, 136, 329, 367, 430, 437, 441, 443, 451, 467, 490, 498, 537, 543, 550 – Artikel 16  LIII, LXIV, 61, 136, 428  f., 451, 491, 499 f., 537, 543, 547, 550, 558, 566 f., 584 – Artikel 17  LIII, 61, 430, 451, 543, 550 – Artikel  18  LIII, LXIV, XCVIII, CVII, CXI  f., CXIV–CXVI, CXVIII, 61, 428, 437, 452, 454, 464, 469, 491, 499, 517, 543, 545, 547, 558, 566–568, 584, 889, 896, 898, 901–903, 920, 981, 1006, 1027– 1034, 1036, 1038, 1040–1042, 1044  f., 1048–1050, 1057, 1060, 1063  f., 1066  f., 1069 – – Artikel 18a  CXII, 487, 550 – – Artikel 18b  CXII, 487, 550, 1048 – – Artikel 18c  CXII f., CXV, 487, 550 – – Artikel 18d  XCVIII, C f., CIII, CVIII– CX, 280, 550, 1000 – Artikel 19  LIII, LXXXVIII f., XCI, XCIV, 53, 61, 136, 428, 491, 500, 547, 566, 568 f., 786, 801, 805, 808, 823, 831, 853–856, 860 f., 864, 878 f. – deren Abänderung/Reformation/Revision  92, 367, 462 – Aufnahme Hessen-Homburgs 43, 147, 198 f. – deren Auslegung/authentische Interpretation  355, 411, 413, 419, 463, 576 – deren Ausbildung/Ergänzung/Verbesserung/ Vervollständigung/Vollen­dung/Wei­ter­ent­ wic­k­­lung  92, 239, 245, 351, 355, 385, 394, 426, 454, 456 f., 462, 539, 571, 575 f., 583, 590, 638, 683, 690 → Organische Einrichtungen/Verfassung – Beitritt Badens  CXXII, 43, 68, 127, 133, 195 – Beitritt Sachsen-Lauenburgs  197 f. – Beitritt Württembergs  CXXII, 43, 68, 71, 127, 133, 196 f. – deren Buchstabe/Geist/Inhalt/Sinn  348, 355, 387, 396, 435, 466, 470, 475, 570, 584, 656 – Supplement zur Bundesakte  365, 375, – deren Unbestimmtheit/Unvollständigkeit/Wi­ dersprüchlichkeit  XX, 361, 414, 444, 461, 466, 484, 488 Bundesangelegenheiten XXIV, XXVII, XLV, 26, 64, 106, 117, 285, 396, 412, 415, 858 → Angelegenheiten, deutsche/vaterländische Bundesbeschlüsse  388–390, 394, 465 → Vereinbarungen, freie

– Abfassung und Einreichung von Privat­ reklamationen bei der Bundesversammlung (11. 12. 1817)  XXXIX, 320 f. → Eingaben – Freiheit von Nachsteuer und Abzugsgeld (23. 6. 1817)  CXVII, CXIX, 1066–1068 → Nachsteuer – Garantie der mecklenburgischen Patentverordnung vom 28. November 1817 durch den Deutschen Bund und die Vollziehung des Artikels 13 der Deutschen Bundesakte (25. 5. 1818)  LXXXV, 771 f. → Landständische Verfassung; Verfassung, einzelstaatliche – Nähere Bestimmung des Artikels 7 der Deutschen Bundesakte und die provisorische Anwendung des Mehrheitsprinzips bei Abstimmungen über organische Einrichtungen in der Bundesversammlung („Abstimmungsprovisorium“) (29. 7. 1819)  LI f., 407, 415, 418 f. → Abstimmungs­modalitäten im Bundestag; Bundesakte Artikel 7 – Provisorische Kompetenzbestimmungen des Bundestags („Kompetenzprovisorium“) (12. 6. 1817)  LI, LXII–LXIV, CXXIII, 390, 472, 480 f., 564–572, 575–577, 579–581, 583, 586 f., 589 f., 724 → Kompetenz des Bundestags – Provisorische Bestimmungen hinsichtlich der Freiheit der Presse („Bundespressegesetz“) (20. 9. 1819)  CVI → Presse – Vermittlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander und die Errichtung einer Austrägalinstanz („Austrägalordnung“) (16. 6. 1817)  LXXII–LXXV, 642– 645, 665 f., 668 f., 671 → Austräge 6.  1817)  – Vertagung des Bundestags (26.  XL f., 285 f. → Bundestag – Vorläufige Matrikel des Deutschen Bundes (20. 8. 1817)  XLII, 321–323 → Bundesmatrikel Bundeseinrichtungen, wohltätige  349 Bundesfestungen  64, 108, 326, 353, 360 f., 505–507, 732 Bundesfinanzen, Bundesbudget  XLI, 136 → Bundesmatrikel – Bundeskanzleikasse  XXXIV, XLI f., 458 – Bundesmatrikularkasse  XLII – Bundeskriegskasse XLII, 505 Bundesfürsten  XIII, LXI, LXIII, 60, 77, 104, 183, 260, 276, 539, 558, 571, 573, 602, 627, 633, 642, 663, 740, 1040 → Bundesstaaten; Souveränität Bundesgebiet  XXXII–XXXIV, CXXII, 137, 283 f., 502, 1054, 1063, 1067

Sachregister – Bundesgebiete Dänemarks  XXXIII, CXXII, 468, 790, 802, 855, 1043 – Bundesgebiete Österreichs  XXXII, XXXIV, CXXII, 136, 200–202, 287, 294– 298, 300, 302–307, 309 f., 468, 471, 781, 790, 802, 827, 834, 855, 1043 – Bundesgebiete Preußens  XXXII–XXXIV, CXXII, 136, 203–206, 287, 294–298, 300, 302–307, 309 f., 468, 471, 781, 790, 802, 855, 1043 – Italienische Provinzen  203, 827 – deutsch-nationale Länder  XXXIII, 203 – fremd-nationale Länder  XXXIII, 203 Bundesgericht, Bundesgerichtsbarkeit  XXIV, LX, LXIV f., LXVIII f., LXX f., CXXIII, 64 f., 117, 529, 589, 592, 615, 623, 629, 633, 635, 658, 669–672 → Austräge; Landesgerichte; Reichsgerichte Bundesgesetze, Bundesgesetzgebung  LXXII, CI, 65, 324, 334, 339, 350, 353, 380, 397, 409, 412, 463, 484, 590 → Organische Gesetze Bundesgrundgesetze, Grundgesetze des Bundes  XII, XXXVIII, XLVI, XLVIII–LIV, LVII, CXXI, 46, 60, 73 f., 87, 89, 135, 349  f., 354–356, 358, 361  f., 380, 382, 384 f., 393–397, 399–403, 405, 409–413, 415–418, 428, 454, 461, 463–465, 467, 469, 483–486, 488–490, 555–557, 561 f., 567, 1060 → Bundesakte Bundesgrundverträge, Grundverträge des Bundes  LVII, 79, 82, 120, 179, 218, 358, 385, 394, 396 f., 449, 460, 484 f., 512 f., 730, 1034 → Bundesakte; Bundesgrundgesetze; Organi­sche Einrichtungen/Verfassung Bundesgewalt 355 Bundesindigenat CXII → Auswanderung Bundesinteressen, gemeinsame  509 Bundeskanzlei, Bundeskanzleidirektion, Bundeskanzleidirektor  XXXIV, XL, 8, 30, 54, 72, 83, 88, 143, 254, 280, 313 f., 316–318, f., 336, 447, 458, 479  f., 513, 847 320  → Bundestag Bundeskette  XXIX, 183 Bundesmatrikel  XLI  f., XLVI, CXXII, 69, 136, 200, 203 f., 206, 282–310, 321–323, 501–503 → Bundesbeschlüsse; Bundesfinanzen – Geldleistungen  XLI  f., 288, 291  f., 323, 356, 503, 505, 515 – Mannschaftsstellung  XLI f., 288, 291 f., 323, 356, 502 f., 515 Bundesmilitär, Bundesmilitärverfassung, Bundesmilitärwesen  XVIII, XXI f., XXIV, LX,

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LXXIX, CXVII, CXIX, 64, 76, 84, 89, 95, 101, 117, 130, 240, 282, 285, 325 f., 341, 346, 356–359, 368, 370–372, 433 f., 442, 468 f., 475, 493–495, 497, 500–506, 509– 512, 516, 528, 660, 663, 686 f., 732, 1041, 1049, 1066 → Bundesfestungen; Bundesmilitärkommission; Militärpflicht; Organische Einrichtungen/Verfassung – Befugnisse Österreichs und Preußens  76, 106, – Heeresabteilungen  XLVI, 101, 339 – Inspektion der Bundeskontingente  504 – Konskription, Konskriptionswesen  CXVIII, 502, 1047, 1049–1051, 1053 f. – Korpseinteilung XLVII, 339, 341–343, 346 f., 352, 357, 366, 368, 370, 372, 374, 414 f., 475 f., 503, 687 – Landwehr 502, 504, 1041, 1050 f., 1053, 1058 – Landsturm  502, 688, 1041, 1050, 1058 – Militärkontingente der Bundesstaaten  76, 89, 136, 282, 339, 346, 352, 356, 464, 502, 504 f. – Oberbefehl über die Bundestruppen  106, 357, 504 f. Bundesmilitärkommission 205 Bundesnatur, Charakter/Natur/Wesen des Deutschen Bundes LVII, 60, 426, 440, 486, 492, 533, 566, 601, 642, 840, 851, 858, 860 f., 901 → Bundeszwecke; Deutscher Bund; Föderalismus – beständiger/ewiger Bund  260, 345, 483, 623 Bund unabhängiger/souveräner Staaten  – LXV, 549, 592 – Bundesstaat, bundesstaatliche Elemente/ Struktur  XI, XIX, XXVIII, LIII–LV, LIX, LXIII, 56, 176, 187, 357, 360, 425, 440, 456, 459, 461, 521, 523, 560 – kein Bundesstaat  176, 237, 239, 435, 456, 544, 560 – Föderation, föderative Ordnung  XI, XXIX, 633 – Fortsetzung des Heiligen Römischen Reichs 56 – Gebäude des großen Nationalbundes  XII, LIV, 425, 431, 483 f. – Gemeinwesen, deutsches 466 – Gemeinwesen unabhängiger Staaten  LV, 459 – Konföderation  110, 114, 119 – Neuschöpfung  XXVIII, 56 f. – Reich  56 – kein Reich  237

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Register

– Staatenbund  XI, XIII, XVIII–XX, LV f., LIX, LXII, 56, 58 f., 62, 65, 77, 176 f., 349, 355, 425 f., 435, 440, 456, 459, 461, 521, 543, 546, 551, 560, 662 f., 697, 727, 737 f., 795, 824, 854, 897 – Staatenbund mit bundesstaatlichen/staatsrechtlichen Elementen  XI f., LIII, 577 – ein die Nationalität sichernder Staatenbund  XXVIII, 176, 187, 240, 544, 859 – mit einem Nationalband verbundener Staatenbund  601, 642 – Staatenverband/Staatenverbindung  62, 238 – Staatenverein/Staatenvereinigung  XVIII, 206, 236–238, 358, 445, 486, 532, 546 f., 565, 568, 576, 683, 836 – staatsrechtlicher Verein, staatsrechtliches Ge­bäude  LXII  f., 56 – kein zusammengesetzter Staat  LVI, 435 – Verband unabhängiger Staaten  672 – Verein freier Staaten  781 f. – national-deutscher Verein  203 – völkerrechtlicher Verein/Bund  LVI, 56 f., 62, 260, 435 – Verein deutscher Regierungen  377 – bloßes Verteidigungsbündnis  LIX, 475 Bundesoberhaupt  XX f., 77, 88, 105 → Kaiser; König – zwei Oberhäupter  XXI → König, deutscher Bundesstaat → Bundesnatur Bundesstaaten, Bundesglieder, Einzelstaaten  XXXI f., LX f., CV, 61, 93, 178, 235, 239, 344, 352, 357, 386 f., 404, 445, 507, 511, 573, 589, 685, 778, 780, 824, 1029, 1036 → Bundesfürsten; Souveränität – deren innere Verfassung/Angelegenheiten  LIII, LXII, LXXV, LXXVIII, 95, 349 – Konflikte untereinander und deren friedliche Beilegung  324, 356, 446 → Austräge – deren Pflichten gegenüber dem Bund  387, 412, – Rangordnung untereinander  XXXV, 89, 104, 112, 162, 180, 214, 238, – Rechtsgleichheit untereinander  XVIII, XXIII, XXXV f., 352, 426 f., 433, 545, 589, 1040 – rein deutsche Bundesstaaten  XCI, 526, 729 – deren Souveränität und Unabhängigkeit XIX f., XXIV, XLIII, XLVIII, LX, LXII f., LXV, LXXXI, CII, 445, 523, 527 f., 534, 568, 573 f., 584, 602, 636 f., 641, 663, 727, 738 → Bundeszwecke; Souveränität – deren territoriale Integrität/Unverletzbarkeit XXIV, 666 f., 669 → Bundeszwecke

– Staatseinkünfte  288, 291, 293 Bundesstaatsrecht, Bundesrecht  XII, LVIII, 516, 576 Bundesstifter, Stifter des Deutschen Bundes  LIII, XCVIII, CIII, CVII, CIX, 348 f., 391, 394, 449, 483 f., 700, 907, 921, 1000, 1037 Bundestag, Bundesversammlung  IX–XXII, XXIV–XXVII, XXIX  f., LIII, LVII  f., LXV–LXVIII, LXXIX, XCV, 5–7, 11–13, 17, 22, 24, 36, 42 f., 91, 93 f., 101, 104, 114, 125, 135, 178, 185, 188, 198, 204, 206, 209 f., 223 f., 235, 238, 240, 245 f., 256, 262, 284–286, 324 f., 328–331, 335, 355, 377, 382, 391, 402, 414, 425  f., 430  f., 443 f., 446, 448 f., 452 f., 455, 463, 465– 467, 474, 486 f., 491, 504, 506 f., 512–515, 517, 522, 585, 597, 603–605, 609, 631, 660, 663–667, 671, 686, 693 f., 713, 737 f., 741, 747–749, 754, 757, 770, 780, 795, 833, 845, 847 f., 850, 852, 854, 886, 889, 900  f., 981, 997  f., 1012, 1014, 1046, 1055 f., 1072 → Abstimmungsmodalitäten im Bundestag; Bundesakte Artikel 4–6; Kompetenz des Bundestags; Kuriat­stimmen im Bundestag; Mediatisierte; Organische Einrichtungen/Verfassung; Palais Thurn und Taxis; Virilstimmen im Bundestag – Archiv, Bibliothek, Registratur  XXXIV, 30, 53, 75, 83, 100, 103, 127, 143, 149, 254, 317, 479, 513 – Badens Anspruch auf eine vierte Stimme im Plenum  XLIII, CXXII, 229–231, 268– 270, 272 – Bundestagsprotokolle  IX–XI, CXXIII, 53, 142–144, 168, 254 f., 319, 479 f., 497, 654, 657, 709, 730, 766 → Bundestag, Protokollführung – Deutsch als Amtssprache  317, 458 – Engerer Rat  XXXIV–XXXIX, XLV– XLVIII, XCII, CXXII, 36, 44, 74, 117, 126, 128 f., 131, 145, 210, 218 f., 221 f., 226, 250, 256, 262 f., 274, 276–278, 324, 333 f., 343, 348  f., 354, 361, 364, 380, 382  f., 393, 395, 401 f., 408, 413, 431, 612, 626, 1060 f., XXV, XLIII, CXXI  f., – Eröffnung XVI  8 f., 37, 44, 56, 67–72, 75, 85 f., 91, 93 f., 97, 103, 112, 126–131, 133, 177, 218, 232, 240, 245, 251 f., 263, 270, 280, 367, 424 f. – Eröffnungsrede des Präsidialgesandten (5. 11 .1816)  XXVII, LIV, 131, 169–179, 185, 187, 423, 435, 475, 572, 859

Sachregister – Eröffnungssitzung (5. 11. 1816)  XXVII– XXX, CXXII, 71, 80, 127 f., 131, 134, 137, 141, 150, 179–188, 227, 423 – Erster Vortrag des Präsidialgesandten (11. 11. 1816)  XII, XXXVIII, LIV, LXXVI, LXXXV, XCVIII, CVII, CXIV, 177–179, 240, 262, 423–435, 438, 440 f., 443, 450, 465 f., 475, 482 f., 487 f., 492, 494, 496– 499, 531, 544, 572, 724, 734 f., 758, 768, 859 f., 1028, 1040 – Erstes Geschäft des Bundestags  XXXVIII, 76, 246, 280, 391, 454, 461 f., 467, 478, 484 f., 489, 494 f., 512, 555, 853, 878 – Geschäftsgang, Geschäftsordnung, Bundestagsordnung XXIV–XXVII, XXXIV– XLVI, CXXII, 11, 31, 44, 68, 72, 75, 83, 117, 127–132, 134–145, 149–151, 167, 241, 280 f., 285, 426 f., 431 f., 434, 441, 443, 467 f., 492–494, 497, 513, 520, 668, 695, 729 – – definitive Geschäftsordnung/Bundestagsordnung  XXXV, XL, 443, 467 f., 488, 490, 493 f., 497, 513 – –  Revidierte Geschäftsordnung (1854)  XXXV – – Vorläufige Geschäftsordnung (1816)  XXVII, XXXVI, LXIV, 249–255, 427, 431 f., 434, 441, 443, 462, 467 f., 477, 488, 493, 513, 536, 580 – Geschäftsumfang  LIV, LVII f., LX, 425, 441, 443, 460–471, 531, 556, 565 – Geschäftswirksamkeit  179, 483, 488, 513, 533, 570, 575 f., 582, 693 – Gesetzgebungskompetenzen  LXIV, 61, 590, 592 – Interventionsmöglichkeiten  XIX – Militärkomitee beim Bundestag  205 – Parteien/Strömungen im Bundestag  XXIV, LIX, 239, 475 – Plenum  XXII, XXXV–XXXVIII, XLIII, XLV–XLVIII, LXIV, CXXII, 44, 74, 117, 126 f., 129, 131, 134, 136, 141, 145, 147, 166, 199, 210, 217, 224 f., 229, 231 f., 246, 250 f., 253 f., 261–263, 266, 268 f., 274– 278, 343, 349, 354, 356, 361, 380, 382 f., 393, 395, 401 f., 410, 415 f., 430 f., 468, 490, 499, 580, 583, 626, 640, 1060 – Präsidialgesandter  XXVI, XXXIV, XL, L, 14, 93, 137, 178, 185, 235–241, 251, 256, 262, 281, 317, 425, 430–432, 435, 487, 660 – Präsidium, Vorsitz, Leitung, Direktion  XX, XXIV, XL, 11, 25–27, 43, 54, 74 f., 82 f., 88, 92, 97, 99–101, 103, 105, 107, 112, 117,

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128, 133, 137 f., 145 f., 178, 187, 234, 237 f., 241, 280, 285, 425, – – Teilung der Direktorialgeschäfte  27–30, 74–76, 78, 80, 82 f., 97, 101, 103 f., 106 f. – –  Kondirektorium Preußens  XXI–XXIII, XXVI, 82 f., 99, 101, 104, 111, 233 – – Direktorialrat  32, 75, 83, 89 – –  Direktorium der Königreiche  XXIII, 105 – Protokollführung  XXVI, XXXIV, 72, 75, 83, 88, 100, 103, 127 f., 137 f., 142, 144 – Reihenfolge der zu erledigenden Geschäfte  LVII, 460–471, 481–521, 528, 542, 572 – Stimmenordnung  XXXV, XLIII, 94, 136, 229, 268, 270–272, 321, 427, 468, 490 – Stimmrecht der nicht stimmführenden Bundestagsgesandten 161–164 – Substituierung von Bundestagsgesandten  XXXVII, 35, 233, 251, 285, 335 – Vereinigungspunkt aller Deutschen  449 – Verhältnis zur Stadt Frankfurt  XXVI  f., CXXII, 130, 134, 148–160, 164–169 – Vertagung  XL f., 279–281, 285 f., 468, 490, 493, 513, 519 f. – Vertrauliche Sitzungen  131 f., 140 f., 144, 250 f., 252, 497 – kein repräsentativer Körper  449 – Zentralpunkt des Deutschen Bundes  532, 536, 547, 566, 570 – Zeremoniell  8, 68, 94 Bundestagskommissionen  131, 139  f., 218, 253, 281, 286, 320 f., 323–332, 335 f., 433 → Bundesbeschlüsse; Vereinbarungen, freie – Geschäftsordnung der Bundestagskommissionen (29. 4. 1819)  XL, 323, 332–336 – Kommission zur Bestellung von Agenten beim Bundestag (1817) 311–320 → Agenten beim Bundestag – K. zur Vermittlung bei Streitigkeiten der Bundesglieder untereinander und die Errichtung einer Austrägalinstanz (1817)  326 → Austräge; Bundesbeschlüsse – K. zu den Barbaresken und zur Sicherung des deutschen Handels (1817)  326 – K. wegen der Streitigkeit zwischen Schaumburg-Lippe und Lippe wegen der Brackischen Sukzession und der landständischen Verfassung (1818)  328 – K. zu gleichförmigen Verfügungen gegen den Büchernachdruck (1818)  CIX, CXI f., 325, 986, 999–1005, 1015 → Büchernachdruck; Vereinbarungen freie – K. zur Entwerfung einer provisorischen Bundesmatrikel (1817)  XLI f., 283, 286–

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Register

310, 325 → Bundesbeschlüsse; Bundesmatrikel – K. zur Bundesmilitärverfassung im allgemeinen und zu den Bundesfestungen (1818)  205, 326, 494 – K. zur Prüfung von Eingaben und Reklamationen („Reklamationskommission“) (1816)  255 f., 329 f., 332 f., 336, 441 – K. wegen der Streitigkeit zwischen Sachsen-Meiningen und Sachsen-Coburg-Saalfeld wegen der Eisenberg-Römhildischen Sukzession (1818)  328 – K. wegen der Streitigkeit zwischen Bremen und Oldenburg wegen des Elsflether Zolls (1817) 328 – K. zur Entwerfung einer Geschäftsordnung für die Bundestagskommissionen (1819)  323–332 – K. zur Begutachtung der Verhältnisse des Handels und Verkehrs (1820)  XCVI  f., 878 f. – K. wegen Reklamationen der israelitischen Gemeinde in Frankfurt (1818)  327 – K. zur provisorischen Kompetenzbestimmung des Bundestags (1816)  LVIII, LXIII, 325, 363, 471, 481, 530, 539 f., 564–572 → Bundesbeschlüsse; Kompetenz des Bundestags – K. wegen der Ansprüche der Mainzer Staatsgläubiger (1817)  329 – K. zur Begutachtung der Militärpflichtigkeit in Beziehung auf die Abzugsfreiheit (1817)  CXVII f., 325, 1046–1058, 1062 → Militärpflicht; Vereinbarungen, freie – K. wegen Regulierung der Pensionen für den Deutschen und Johanniterorden (1817)  327 – K. wegen der Streitigkeit zwischen Schaumburg-Lippe und Lippe wegen der Pfändung im Amt Blomberg (1818)  328 – K. zu gleichförmigen Verfügungen über die Pressefreiheit (1818)  CIV f., 326, 920, 986 → Bundesbeschlüsse; Presse; Zeitungen; Zensur – K. zum Rechtzustand der Mediatisierten (1818) 327 – zu Forderungen an die Reichsoperationskasse (1818)  327 – K. zur Reihenfolge der zu erledigenden Geschäfte des Bundestags (1816)  LVII, LIX, LXVI, LXXVII, LXXXVIII  f., XCVIII, CVII, 325, 356, 385, 394, 432, 443, 467, 470, 481–517, 521, 542 f., 546, 572, 618 f., 723, 921 → Bundestag

– K. wegen der Ansprüche der Rheinpfälzischen Staatsgläubiger aus den Obligationen (1817) 329 – K. zu den Streitigkeiten zwischen HessenDarmstadt und Nassau wegen der Schulden im Distrikt Eppstein (1817)  327 – K. wegen Schuldforderungen des Kurfürsten von Hessen gegen den Fürsten von Waldeck (1818)  328 – K. zur Entscheidungsart der dem Beschluß durch Stimmenmehrheit nicht unterworfenen Gegenstände (1819)  XLVIII–LI, 348–350, 352 f., 363, 368, 376, 379–388, 390, 393– 407, 411–413, 415–417, 419 → Abstimmungsmodalitäten im Bundestag; Bundesbeschlüsse – K. zu den überrheinischen Sustentationsangelegenheiten (1816)  326 – K. zur Sustentation des Reichskammergerichtspersonals (1816)  326 – K. zum Verhältnis des Bundestags gegen die Stadt Frankfurt (1816)  325 → Bundestag – K. zur Herstellung des freien Verkehrs mit den notwendigsten Lebensmitteln (1817)  LXXXIX–XCI, 325, 778 f., 799–808, 818 → Handel und Verkehr; Vereinbarungen, freie – K. zur Vollziehung der Beschlüsse der Bundesversammlung (Exekutionsordnung) (1818)  LXXIV, 326 Bundesverein, deutscher  LXVIII, 196, 512, 532, 566, 611, 672, 1048 → Bundesnatur Bundesverfassung  XXI, LVII, CXXII, 135, 187, 348, 396, 461, 484–486, 656, 858, 865 → Bundesgrundgesetze; Bundesnatur; Deutscher Bund; Organische Einrichtungen/Verfassung – deren Ausbildung/Fortbildung  LIII, 394 Bundesversammlung → Bundestag Bundeszwecke  XXII, LV, XCVI, 161, 180, 187, 231, 237 f., 262, 362, 384, 387, 394, 396, 403, 405, 409, 411 f., 417 f., 435, 443, 445, 449, 456, 464, 466, 471, 483 f., 486– 488, 492, 512, 544, 546, 566, 591 f., 611, 660, 677, 695, 840 → Bundesakte Artikel 2 – Erhaltung der Unabhängigkeit und Unverf., letzbarkeit der Bundesstaaten XVI  LXXI, XCVII, 114, 117–120, 124, 180, 187, 214, 238, 345 f., 355 f., 359, 440, 462, 466 f., 488, 494, 507, 543 f., 551, 560, 634, 667, 669, 684 – Erhaltung der Ruhe und Sicherheit der Bundesstaaten  179 f., 182, 238, 496, 566, 569, 634, 898, 935

Sachregister – Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands  XVIII, XCVII, CII, 73, 179, 214, 297 f., 355, 359, 435, 445, 462, 466 f., 488, 494 f., 501, 507, 509, 512, 535, 539, 543 f., 558, 560, 566 f., 573, 583, 684, 697, 754, 884 – Garantie des Besitzstandes der Bundesstaaten  114, 117, 120, 125, 464, 507, 547 – Gewährleistung von Eintracht und Friede/ Gewaltverzicht  179, 182, 489, 561, 598, 601, 628, 642, 1061 Burschenschaften 688 Carbonari 689 Chaumont, Allianzvertrag von (1. 3. 1814)  245, 429, 751 Demagogenverfolgung 714 → Umtriebe Demokratie, Demokratismus, demokratische Auswüchse  XXIX, 177, 377, 695 Despotie, Despotismus  177, 182, 188, 573, 678, 727 Deutscher Bund → Bundesnatur; Bundeszwecke – dessen Ausbildung/Befestigung/Entwicklung/Vervollkommnung/Vollendung XIV, LXI f. 81 f., 84, 182, 206, 380, 382, 402, 409, 439, 469, 475, 485 f., 539, 591, 661, 673 → Bundes­akte; Organische Einrichtungen/Verfassung – defensiver Charakter  119 – dessen Einheit/Eintracht  XXIV, 100, 104, 182, 738 – Entwicklungsverbot  LXI – als europäische Macht  176, 201 – als Gesamtmacht, Gesamtheit als Macht  507, 532, 535, 559–561, 565 f., 570, 582 – als Herz/Mittelpunkt Europas  63, 697 f. – innere Verhältnisse  62, 498, 512–515, 529, 531, 592 – Spaltung in zwei Hälften/Einflußgebiete  66, 76, 89, 101, 106, 112, 123 – Stellung im europäischen Staatensystem  501, 507, 512 – als Zentralpunkt Deutschlands 780 – Wiedervereinigung Deutschlands/der deutschen Nation  XXVIII, 439 → Nation Deutscher Handels- und Gewerbsverein  XCIV–XCVI, 843–848, 850–858 → Handel und Verkehr; Schiffahrt; Zölle Deutscher Orden  527, 549 → Pensionen Deutschland als Ganzes in nationaler Beziehung 177 Deutschland als Gesamtstaat  851

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Diktatur der Großmächte über den Bund  XXII, 82, 84, 442 → Kondominat Domänenkäufer, westfälische  527 Domstifte 549 Dreißigjähriger Krieg  57 Drittes Deutschland → Trias Dualismus, Zweiteilung Deutschlands  XX, XXIII, 100 Eigentum, Eigentumsrechte CVI, CVIII– CXII, CXXIII, 216, 245, 361, 451, 701 f., 737, 779, 785, 797 f., 811, 817 f., 871, 891 f., 905–910, 914–916, 918, 936, 943, 952, 1000–1005, 1007, 1010, 1013–1017, 1023, 1034, 1067, 1069 f., 1072, 1074 → Büchernachdruck; Nachsteuer Einheit, deutsche/Deutschlands  XIX, LXXV, 63, 673 – Einheitssystem, deutsches  523 – Einigkeit Deutschlands/der Bundesfürsten  698, 713 – Eintracht des Bundes  LXXXI, 340 Einherrschaft  XXVIII, 176, 187 Eingaben, Petitionen und Reklamationen an den Bundestag  XIV, XXXVIII, XLIV, LVI, LXX, XCIV, 132, 143, 145, 255 f., 281, 285, 311–321, 324, 328 f., 334, 434– 437, 441, 444–453, 455–457, 472, 479, 542, 554, 556, 568, 619, 654, 668, 837–876, 878, 921 f. → Bundestag; Bundestagskommissionen Eisenberg-Römhildische Sukzession  328 Exekution, Exekutionsordnung, Exekutionswesen des Deutschen Bundes LXIV, LXXIII–LXXV, 60, 75, 89, 326, 358, 446, 468, 515, 545, 589, 592, 621, 633, 635, 645, 650–652, 662–665, 671–673 Föderalismus, föderalistische Struktur, Föderation, föderative Tradition/Verfassung  XI, XIV, XVIII, XXVIII f., LXIII, LXV, LXXI, LXXXVII, CIV, 16, 42, 88, 111, 125, 574, 633, 966 → Nation, föderative Föderative Nation → Nation, föderative Frankfurt, Akzessionsverträge von (November/ Dezember 1813)  59, 68, 72 Freie Städte  XIII, LXI, 60, 218–220, 260, 539, 558, 571, 602, 642, 664, 717, 829, 877, 1041 Freiheit, Freiheitsrechte  XXXVIII, LIII, 177, 182, 701, 713, 923 f., 947 → Bürger; Staatsbürger; Untertanen Freizügigkeit, Freizügigkeitsverträge XX, CXII, CXV, CXVII, 61, 66, 470, 517, 1028,

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1030  f., 1034–1036, 1043–1045, 1052, 1058, 1063–1065, 1068 → Auswanderung; Nachsteuer – Einbeziehung der nicht zum Deutschen Bund gehörenden Länder der Bundesstaaten  CXV f., 1043, 1063 Fremdherrschaft, napoleonische  713 Fünfherrschaft → Pentarchie Fulda, Vertrag von (2. 11 .1813)  59 Gährung, Zeitalter der/gesellschaftlich-politische Gährungsprozesse  LXXX, 528, 701 f., 948 Gemeinnützige Anordnungen  XLVI, LIII, LV, LVII, 136, 354, 380, 393 f., 413, 431, 464, 477–480, 486, 500, 523, 547, 558, 566, 823 → Organische Einrichtungen/Verfassung; Innere Verhältnisse/Entwicklungen des Bun­ des Gemeingeist, deutscher  425, 461 Gemeinwohl, Gesamtwohl, Staatswohl, öffentliches Wohl  XIII, LXXXII, LXXXIX, 484, 495 Gerichte, Gerichtsbarkeit, Gerichtsverfassung → Austräge; Bundesgericht; Justiz; Reichsgerichte – Gerichte dritter Instanz, gemeinschaftliche  LXXIII, 64 f., 428, 446, 451, 454, 464–466, 470 f., 498, 534, 543, 552, 569, 644, 646, 658, 663 → Bundesakte Artikel 12 Obertribunale im Heiligen Römischen – Reich  436, 519 – Gerichtshöfe in England  940, 942–944 Gesamtinteresse des Bundes  XXIV Gesamtheit, deutsche  352, 522, 831 Gesandtschaften, Gesandtschaftsrecht des Deutschen Bundes  63, 508 – Gesandtschaften beim Bundestag  63, 95, 188 Gesetzbuch, gleichförmiges  LV, 478 Gesetzgebung → Bundesgesetzgebung; Landesgesetzgebung Gewerbe und Industrie  XCIV–XCVII, 838, 850, 860, 865–877, 879 → Handel und Verkehr – Repräsentanten des deutschen Handels und Gewerbes  XCIV–XCVI, 837, 842–845, 848, 855, 857, 864, 878 → Deutscher Handels- und Gewerbsverein Gleichgewicht, Gleichgewichtssystem – deutsches  34 – europäisches  XXIX, 177, 560 Goldene Bulle (1356)  65, 174

f., Großmächte, deutsche  XV, XIX, LVIII  LXXV, LXXX, CXXI, 199, 417, 526, 545, 685, 697, 884 Hänleinplan (1816)  XX–XXV, 24–34, 73–84, 86–113, 124 f. Handel und Verkehr, Handelsfreiheit  XI, XIII, XVI, XX, XXXVIII, LXXVI, LXXXVII– XCVII, 66, 326, 428, 469, 490, 500, 779, 783 f., 786, 827, 856, 860, 865 → Bundesakte Artikel 19; Deutscher Handels- und Gewerbsverein; Gewerbe und Industrie; Integration, wirtschaftliche; Schiffahrt – allgemeine Handelsfreiheit zwischen den Staaten des Deutschen Bundes  781 f., 786, 790–792, 795, 801, 806, 808, 821, 830, 838 f., 851, 854 f., 863 f., 877–879 – Einbeziehung/Nichteinbeziehung der nicht zum Deutschen Bund gehörenden Länder der Bundesstaaten  XCI f., XCV, 781, 790, 812, 818 f., 821 f., 825–827, 832, 834 – Forderung nach gemeinsamer Handelspolitik im Deutschen Bund  856–876 – freier Handel in Europa  XCIV, 842, 852– 854, 857, 863 – freier Handel mit den notwendigsten Lebensmitteln im Deutschen Bund  LXXXIX– XCIII, 325, 500, 732, 777–853 – Übereinkunft zwischen sämtlichen deutschen Bundesstaaten über die Freiheit des Handels mit Getreide und Schlachtvieh (2. 6. 1817) → Vereinbarungen, freie; Bundestagskommissionen – Handelsfreiheit als Mittel der nationalen Integration  860 f. → Integration, wirtschaftliche – Handel der deutschen Staaten mit dem Ausland  XCII, 782, 791, 812, 821, 826, 832 – Seehandel  XCII, 818, 821 Hanse 839 Hegemonie, Hegemonialbestrebungen  XXIII, LXXV f. Herrschaftssystem, napoleonisches  LXXXVII Innere Verhältnisse/Entwicklung des Bundes  XX, LX, LXXIX → Gemeinnützige Anordnungen; Organische Einrichtungen/Verfassung Integration, Integrationsprozesse XV, XX, LIII, LXXXVI, CXII, CXX, CXXII – wirtschaftliche  LIII, LXXXVII–XCVII, CXXIII → Handel und Verkehr; Gewerbe und Industrie; Schiffahrt; Zölle – nationale  LIV, CXVI, 860 f.

Sachregister

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Kondominat/Oberherrschaft/Direktion/Dikatatur/Suprematie Österreichs und Preußens über den Bund XXI, LIX, 25, 27, 29 f., 32– 34, 37, 82, 84, 87–89, 109 Konföderation  55, 57 f., 110, 116, 360, 574 → Bundesnatur; Staatenbund Konstitution, Konstitutionalismus, konstitu­ Juden, Judenemanzipation, Judentum  136, tionelle Bewegung  LXXVIII, LXXXIII, 327, 428, 452, 462, 469, 491, 499 f., 542 f., LXXXVI, XCIX, 78, 522, 686, 688 f., 727, 550, 732 → Bundesakte Artikel 16 729, 781 → Verfassung, einzelstaatliche; Jura singulorum  XLVI, XLVIII, 117, 136, Landstände; Landständische Verfassung 262, 266, 348–350, 353–355, 359–362, 368, Kontributionswesen  386, 399, 506 370 f., 385–387, 393–395, 397–401, 404, Korporation  XIV, LVI, LXI, LXIII, 534 f., 409, 411 f., 418, 546, 1060 → Abstimmungs546, 548 f., 553, 558, 567 f., 584  modalitäten im Bundestag; Bundesakte ArKreise, Kreisverfassung, Kreiseinteilung  83, tikel 7 105, 727 – Jus singulare  361 Kulturnation, deutsche  XXIV – Jus quaesitum  360 Justiz, Justizorganisation, Justizverfassung  Kurfürst, Kurfürstentümer, kurfürstliche Würde, Kurfürstenkollegium  174, 230, 630 f. XVI Kuriatstimmen im Bundestag, Bundestagsku– Justizverweigerung  446, 455, 475, 534 f., rien  XXIV, XXXVII, CXXII, 11, 44, 130, 551 f., 554, 568 f., 578, 585 145, 161–166, 237, 626, 640, 688 → Bun­ – Kompetenz des Bundes  LIX → Kompedestag; Virilstimmen im Bundestag tenz des Bundestags – 12. Stimme (sächsische Häuser)  XXXVII, XCII, 242–244 Kaiser, deutsche Kaiserwürde  XIX, XXVIII, 13.  Stimme (Braunschweig, Nassau)  – XXX f., LIX, 57 f., 77, 104, 175, 234, 237, XXXVII, 162 f., 226–228, 521, 692, 1038 → Bundesoberhaupt; König, – 14.  Stimme (mecklenburgische Häuser)  deutsche Königswürde Kaiserdom St.  Bartholomäus (Frankfurt)  XXXVII, 209–211 – 15. Stimme (Holstein-Oldenburg, Anhalt, XXX Schwarzburg)  XXXVII, XCII, 221–226, Karlsbader Konferenzen und Beschlüsse 717 (1819)  XIII, LXXXVII, CVI, 590 f. – 16. Stimme (Hohenzollern, Liechtenstein, Kirche, kirchliche Verhältnisse, KirchenverfasReuß, Schaumburg-Lippe, Lippe, Waldeck)  sung  66, 474 XXVII, XXXVII, XCII, CXIV, 199, 211– Kleinstaaten, kleinere deutsche Staaten  XIX, 217, 717, 808 XXII f., XXV, XXXVI, XCI, XCIV, CXX, 17.  Stimme (Freie Städte) XXXVII  f., – CXXII, 97, 526, 545, 727, 746, 875, 897 XCII, 218–220, 458, 717 → Freie Städte → Mindermächtige König, deutsche Königswürde  XX, 28–31, Landesgerichte, Landesgerichtsbarkeit  436, 33, 77 527, 552, 633, 990, 992 Bundestags  LII–LXV, Kompetenz des Landesherr, Landesherrschaft, landesherrliche LXVII f., LXX, LXXIV, CXXIII, 5, 236, Rechte  455, 632 325, 363, 384, 388 f., 403, 421–592, 627 f., Landesverwaltung  LXIX, CI, 440, 558, 563, 649, 653, 656 f., 667, 669, 682, 690, 724, 568, 577, 584, 761, 764–766, 801, 884 747 f., 773, 884 → Bundestag – Nichteinmischung des Bundes  LXII, LXIV – definitive Kompetenzbestimmung  LVIII, Landfrieden  632, 634 LXII, LXIV f., 556 f., 562, 571–573, 588 Landstände  L, LXV, LXXII, LXXXIV, 702, – provisorische Kompetenzen  LX, LXIII, 704 f., 727 f., 730 → Landständische Ver471 f., 475, 480 f., 496, 513, 529–592, 628, fassung; Verfassungen, einzelstaatliche 690 – Einkammersystem  705 – Bundesbeschluß über die provisorische Kom– Kompetenzen  LXXVI, 730 petenz (Kompetenzprovisorium) → Bundes– –  Beschwerderecht über Mängel in der beschlüsse; Organische Einrichtungen/VerStaatsverwaltung  LXXX, 700, 704, 731 fassung – Verwaltungsintegration in den Bundesstaaten LXXXIV Interesse, deutsches  CXVIII, 1062 Interessengruppen XIV Interregnum 174

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Register

– –  Mitwirkung bei der Gesetzgebung  LXXX, 392, 700, 704, 731 – –  Steuerbewilligung und Ausgabenkontrolle  LXXX, 700, 704, 731 – Provinzialstände  LXXXV, 709, 728 – Repräsentation  704 → Landständische Verfassung – Zusammensetzung  LXXVI – Zweikammersystem  702, 704 f. Landständische Verfassung XIII, XVIII, LXIV, LXXV–LXXXVII, CXXIII, 65, 427, 451, 454, 464 f., 470 f., 498, 543, 545, 548, 583 f., 677 f., 680–774, 1040 → Konstitu­ tion; Landstände; Verfassungen, einzelstaatliche; Bundesakte Artikel 13 – alte/altständische Verfassungen  LXXVIII f., LXXXIII, LXXXV–LXXXVII, 690, 700, 716, 726, 734 f., 737, 756, 758, 762–764, 773 – Aufrechterhaltung bestehender Verfassungen LXXXIII – Aufstellung gleichförmiger Grundsätze durch den Deutschen Bund  LXXV f., LXXX f., LXXXIII–LXXXVI, 427, 498 f., 702, 704, 711, 737, 753, 755, 758 – Authentische Interpretation des Artikels 13 der Bundesakte LXXVIII  f., LXXXI, LXXXVII, 737 – Berichtspflicht der Bundesstaaten über den Stand der landständischen Angelegenheiten  LXXXII, LXXXV f. – Erfüllung des Artikels 13 der Bundesakte  LXXIX–LXXXVI, 681, 692, 698, 704, 706, 708–711, 714–717, 719 f., 724, 729, 740, 745–754, 757, 761, 766–768, 770 – Erstmalige Einführung landständischer Verfassungen  724, 734 f., 737, 740, 763 f. – Fristbestimmung für die Einführung landständischer Verfassungen  LXXIX, LXXXII, LXXXIV, 763, 768, 770 – Garantie/Kenntnisnahme landständischer Verfassungen durch den Deutschen Bund  LXXVII  f., LXXXI, LXXXV, 533, 547, 557 f., 567, 583, 677 f., 680–683, 708 f., 719, 723, 731, 750, 754–756, 767, 769 f., 773 f. – individuelle Verfassungsregelungen durch die Einzelstaaten LXXVI  f., LXXXII, LXXXV, 428, 712, 734, 753, 755, 762 – Initiativrecht des Monarchen zum Erlaß landständischer Verfassungen  LXXXIII, 730 – Oktroyierte Verfassungen  LXXXIII, 705 – Repräsentativverfassungen  LXXVIII– LXXXI, LXXXIII, LXXXV f., 702, 726– 729, 948

– Vorrang der Verwaltungsintegration  LXXXIV, 752, 763 f. Liberalismus, liberale Bewegung, Liberalität  XVIII, LIX, XCIX, 377, 529, 727 Lunéville, Frieden von (9. 2. 1801)  58, 175, 429, 458 Mächte, europäische  245, 360, 698, 729, 859 → Alliierte Mächte Maße und Gewichte  XX, LV, 66, 465, 478, 548 Mediatisierte, mediatisierte Fürsten, Grafen und Herren  XLIII–XLVI, LXIV, 62, 65, 113, 119, 244–249, 257–267, 271, 273–279, 327, 429, 451, 471, 482, 491, 499, 543, 546, 548–550, 589, 725, 731, 1035, 1040 → Bundesakte Artikel 14; Reichsadel; Standesherren – Stimmrecht im Bundestag  XLIII–XLVI, 119, 136, 246, 248, 257–267, 271, 273–279, 430, 468, 490, 499, 550 → Bundesakte Artikel 6 Meinungsfreiheit 942 Merkantilismus, Merkantilsystem  LXXXIX, 793 f. Messen, Messewesen – Frankfurter Messe  841, 843–845, 847, 850 – Leipziger Messe  CVII, 841, 975 f., 992 – Naumburger Messe  841 Militärpflicht, Militärpflichtigkeit  CXIII, CXVI–CXIX, 325, 469, 491, 500, 1030, 1041, 1045–1062, 1065–1068 → Auswanderung; Bundesakte Artikel 18b; Bundesmilitär; Freizügigkeit – gemeinschaftliche Übereinkunft über die Militärpflichtigkeit → Vereinbarungen, freie Mindermächtige, mindermächtige deutsche Staaten  XV, XVIII f., XXII f., XXV, LVI, LVIII–LX, LXVIII, LXXXIII, CXXI, 64, 87, 104 f., 121, 353, 417, 440, 442, 510, 516, 522 f., 526, 528, 544, 727 f., 747, 1059 → Kleinstaaten – Kaisernote (16. 11. 1814)  LXXXIV, 104, 727, 755 f. Mittelstaaten, mittlere deutsche Staaten  XV, XIX, XXIII, XXV, XLIII, LVIII f., LXXV f., LXXX, CXX–CXXII, 104, 526, 691 Monarchisches Prinzip  L, 377, 391 Münzwesen  XX, LV, 66, 478 Nachsteuer, Nachsteuerfreiheit  CXII–CXX, CXXIII, 1027, 1031–1036, 1042, 1044 f., 1062–1069, 1072 → Auswanderung; Bun-

Sachregister desakte Artikel 18c; Bundesbeschlüsse; Freizügigkeit – gemeinschaftliche Regelungen zur Nach­ steuerfreiheit  CXII, 1028 f., 1045 – Gabella emigrationis  CXII, CXIV, 1030– 1033 – Jus detractus  CXII–CXIV, 1027, 1030 f., 1033, 1073 f. – Bundesbeschluß über die Freiheit von Nach­ steuer und Abzugsgeld (23. 6. 1817) → Bundesbeschlüsse Nation, deutsche  XI, XIV, XVIII f., XXIX, XXXIII, LV, LXI–LXIII, LXVIII, LXXI, XC, XCVI, 172, 176 f., 185, 424 f., 439, 449, 458 f., 478, 483, 522, 539, 571, 577, 602, 632, 672, 760, 786, 795, 860 → Bundesnatur; Deutscher Bund; Volk Nation, föderative XIV, XXVIII Nationalangelegenheiten, deutsche  LXXXIX, XCIII, 159, 379, 790, 833, 877 Nationalansehen 858 Nationalband/nationales Band, deutsches  X, XII, XXVIII, 348, 424, 426, 439, 532, 543 f., 550, 565, 601, 642, 672, 831 f., 859 → Band der deutschen Staaten Nationalbedürfnis  172, 426, 431 Nationalbund, nationaler/gemeinsamer deutscher Bund  XII, LXXXIX, 425, 793 Nationalcharakter, deutscher  174 Nationale Bewegung, deutsche  XI, 591 Nationale Richtung des Deutschen Bundes  LXXVI, XCVI, 427, 860 f. Nationalehre, vaterländische  687 Nationale Ideen  XCIX Nationaleinheit, nationale Einheit, Einheit der deutschen Nation  XXIX, CXIII, 183 Nationaleinkommen 828 Nationalexistenz LXIII Nationaler Sinn  XCVIII, CVII, 1028 Nationale Verhältnisse der Völker  174 Nationalgefühl, deutsches  841, 851 Nationalgerechtigkeit  XLIV, 246 Nationalinteresse, deutsches/Interesse der Nation  XI, LXXXIX f., 795, 966 Nationalität, deutsche/gemeinsame  176, 206, 206 Nationalkraft, deutsche  424 Nationalreichtum, deutscher  872 Nationalrepräsentanten 61 Nationalschmach 424 Nationalstaat, deutscher  XXXIV, 688 Nationalverband  LVII, XCVI, 487, 860 Nationalverein 424 Nationalverlangen, deutsches  LIV, 424

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Nationalwohl  XCVI, 878 Nationalwohlfahrt, deutsche/Wohlfahrt der deutschen Nation  XCIV, 483, 840, 851, 872 → Wohl Deutschlands Nationalwohlstand, deutscher  XCVI, 841, 861, 863 Nationalzweck, deutscher  864 Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, öffentliche Verhältnisse  XI, XIII f., XVII, XXX, LIV  f., LIX, LXXI, LXXIX  f., LXXXV, XCVI–XCVIII, CVI, CXIII, CXIX, 234, 254, 417, 427, 441, 450, 455, 459, 521, 523 f., 527, 545, 686, 694 f., 702, 739, 753, 756 f., 897, 925, 928, 935, 945–962, 1059 f. → Publikum, deutsches Oligarchie, oligarchische Verfassung  LIX, 522 Organische Einrichtungen/Verfassung, organische Fortbildung des Deutschen Bundes  XIV, XVII, XX, XXII, XXXIV–LIII  f., LVII f., LX f., XCVI, CXXI–CXXIII, 66, 74 f., 87, 117, 121, 135 f., 262, 266, 274, 282, 324, 343–345, 348–350, 354–358, 361 f., 364–374, 376, 380, 382–385, 393 f., 396, 400–403, 405, 409 f., 412–419, 435, 437, 444–447, 454, 460 f., 463–465, 467 f., 471, 483 f., 486, 488–490, 531, 536, 538, 546, 556 f., 561 f., 564 f., 570, 573, 575, 590, 654, 667, 683, 694, 735, 1060 → Bundesverfassung – organische Gesetze  XXII, XL, LV f., LXI, LXXXI, 65, 84, 89, 92, 229, 240, 246, 256, 262, 265, 271, 274, 339, 456, 463–465, 467– 470, 486, 490, 493, 531, 536, 542, 546, 704, 744, 889 → Bundesgesetze – auswärtige Verhältnisse  XXXVIII, LIII, LVII, LXI, 136, 356, 391, 394, 427, 462– 464, 485, 490, 495 f., 507–512, 536, 539, 546, 561, 565, 570 f. → Auswärtige Angelegenheiten des Bundes – innere Verhältnisse  XIX, XXXVIII, LIII, LVII, LXI, CXXI, 136, 282, 356, 391, 394, 427, 445, 462–464, 478, 485, 490, 494 f., 512–515, 538 f., 546, 561, 565–570 → Innere Verhältnisse/Entwicklungen des Bundes – militärische Verhältnisse  XXXVIII, LIII, LVII, 130, 136 f., 282, 356, 391, 394, 427, 434, 441, 462–464, 468, 485, 490, 494 f., 501–506, 546, 561 → Bundesmilitär – Modalitäten organischer Einrichtungen  XLVII, L, 347 f., 654, 656, 658, 662, 664, 670

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– gleichförmige Regelungen über den Gebrauch der Presse  C f., CIII f., 898, 925, 981–985, 992, 997 – Hannover  977 – Hessen, Großherzogtum  951 f. – Nassau  958 f. – Mecklenburg  952 Palais Thurn und Taxis  XIV, XXVIII, XXX, – Österreich  970–974 XXXIV, LVI, XCVI, 72, 75, 88, 149 f., – Preußen  974 f. 185 f., 225, 249, 513, 520, 663 → Bundes– Sachsen  975–977 tag – Sachsen-Weimar  896–898, 902, 959 Paris, Erster Frieden von (30. 5. 1814)  54 f., – Verhinderung von Pressemißbräuchen  C f., 59, 245, 429 CIII, 896, 925 f., 989 – Artikel 6  59, 196, 260 Paris, Zweiter Frieden von (20.  11.  1815)  – Württemberg  359–361 Preßburg, Frieden von (26. 12. 1805)  548 XVI, 55, 429, 506, 684, 751, 1031 Privilegium de non appellando  65, 551 Paris, Vertrag zwischen Österreich und BayPublikum, deutsches/Publizität  LVIII, CX, ern (3. 6. 1814)  548 140, 164, 254, 447, 472, 730, 893, 936 Parteien, Parteigeist  XVIII, LXXXIII, 11, →  Öffent­lichkeit 13 f., 59, 239, 367, 447, 521, 688, 700, 739, Recht, Rechtswesen, Rechtszustand, Rechtsver947 einheitlichung, rechtliche Integration  XIII, Partikularismus, Partikularinteressen  183, 218 XX, LIII–LV, LXVIII–LXXI, CXIX, Patriot, Patriotismus, patriotische Gesinnung  CXXIII, 455, 554 LIV, 183, 218, 431, 609, 689, 1062 Reformation 714 Pensionen, Pensionswesen  132, 335, 430, Reich deutscher Nation  787 437, 441 → Sustentation Reich, deutsches  59 – Deutscher Orden  327, 367, 430, 437, 498, Reich, Heiliges Römisches  XXVIII f., XXXI, 543, 550 XXXIV, LXIX, LXXXVII, CV, 57 f., 170, – Johanniterorden  327 182, 200, 237, 424, 469, 623, 664, 727, 730, – überrheinische Geistlichkeit  434, 441, 490, 759, 863, 951, 1034 499, 516 Reichsadel, Reichsritterschaft XXXVIII, – Reichskammergerichtspersonal  437 XLIII, 491, 549, 629 → Mediatisierte Pentarchie, deutsche  XXIII, 105 Reichsdeputationshauptschluß (25. 2. 1803)  Post, Postwesen 430, 451 543, 550 → Bundes175 f., 229 f., 329, 335, 367, 429, 543, 550, akte Artikel 17 994 Präliminarkonferenzen  XVII, XXV–XXVII, Reichserzkanzler, Erzkanzler, Kurerzkanzler  XXXV, CXXII, 68 f., 71 f., 85, 93, 97, 102, 75, 83, 88, 100 107 f., 126–139, 240, 426, 431 f., 494 Presse, Pressefreiheit, Pressegesetzgebung  – Reichserzkanzlerwürde für Preußen  XIX, XXI XVI, XX, LXXVI, LXXXIII, XCVII–CVII, Reichsgerichte, Reichsgerichtsverfassung  CXI, CXXIII, 136, 150, 455, 469, 491, LXV, LXVII, LXIX, LXXI, 434, 514, 545, 499 f., 545, 550, 732, 740, 883–889, 896– 552, 554, 598, 608, 616, 619, 629–632, 656, 902, 904, 919–999, 1011 f. → Zeitungen; 659, 662, 671, 721 f., 727 Zensur – Reichshofrat  LXV, LXXI, 234, 515, 551, – Abschaffung der Pressefreiheit  CII, CV f. 629–631 – Baden  977–979 – Reichskammergericht  LXV, LXXI, 64 f., – Bayern  954–958 234, 515, 551, 629–631 → Pensionen; Su– Bundespressegesetz (20. 9. 1819)  CVI → stentation Bundesbeschlüsse Reichsgesetze/Reichsgesetzgebung des Heiligen – Dänemark  952–954 Römischen Reichs  630 f., 727, 798, 980 f. – Deutschland  950 f., 961 f., 965 f., 968–970, Reichskreise  278, 288 980, 996 Reichslande  200, 206, 288 – England  CIV, 938–948, 966 Reichsoperationskasse 327 – Frankfurt  XXVI Reichsregiment 691 – Frankreich  CIV, 947–950

– provisorische Regelungen organischer Einrichtungen  LI, LXII, 384, 403, 405, 411, 417 → Kompetenz des Bundestags – definitive organische Einrichtungen  LI, LXII, 403

Sachregister Reichsstaat, komplementärer  435 → Staatlichkeit, zusammengesetzte/geteilte Reichsstaatsrecht 546 Reichsstände des Heiligen Römischen Reichs  57, 267, 491, 499, 629 Reichstag des Heiligen Römischen Reichs  XXXI, 145, 229 f., 260, 266, 277 f., 358, 399, 553, 598, 631 Reichsverband, deutscher  XXXIII, 198, 206, 399 Reichsverfassung des Heiligen Römischen Rei­ ches  XVIII, 65, 83, 159, 246, 260, 358 f., 386, 399, 514, 562, 598 f., 663, 672, 683, 861, 951 Religion, Religionsangelegenheiten XIII, XLVIII, 74, 117, 174 f., 262, 349, 386, 393, 398, 400, 428, 451, 543, 546, 550, 613, 631, 732 → Bundesakte Artikel 16; Juden; Kirchen Repräsen­ta­tiv­verfassung → Landständische Verfassung Republik, Republikaner  521, 575 Restauration, Restaurationspolitik  XIII, LXV, LXXVIII, CVI, CXI, CXIX, CXXI Revolution, Revolutionsideen, revolutionäre Bestrebungen, Revolutionsfurcht LXXI, LXXX, LXXXII f., 59, 544, 719, 740 – Englische Revolution  940 – Französische Revolution  XXIX, 177, 633, 701, 714, 726, 854, 861, 993, 996, 1039 Rheinbund  58 f., 157, 170, 175, 245, 355, 424, 514, 537, 726, 759 Rheinbundakte (12. 7. 1806)  58, 231, 424, 429, 514, Rheinbundfürsten, Rheinbundstaaten LXV, LXXV, LXXXVII, 515, 1034 f. Ried, Vertrag von (8. 10. 1813)  59 Ruhe, öffentliche  LXXXIV, CII, 436, 741, 746, 883 Schiedsgerichtsbarkeit → Austräge Schiffahrt  XX, LXXXVIII, 66, 428, 490, 500 → Bundesakte Artikel 19; Handel und Verkehr; Zölle – Flußschiffahrt  797 f., 818 – Rheinschiffahrtsoktroi  543, 815 Schulden, Schuldentilgung, Schuldenverwaltung  327–330, 335, 430, 537 – Mainzer Staatsgläubiger  329 – Rheinpfälzische Staatsgläubiger  329 – der Bundesstaaten  537 Schutz- und Trutzbündnis  XXVIII, XCVI, 176, 240, 425, 440, 544, 859 f. → Bundesnatur; Deutscher Bund

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Sicherheit Deutschlands  206 Sinn, deutscher  XXIX, 66, 425, 428 Souveränität, Souveränitätsrechte der Bundesfürsten/Bundesstaaten  XIX f., XXIV, XLIII, XLVIII, LX, LXII f., LXV, LXXII, LXXV f., LXXXVI, CII, CX, CXIX, 57, 61 f., 392, 434, 445, 469, 527–529, 532, 534, 546, 558, 565, 568, 573 f., 576, 584, 592, 602, 609, 615, 636 f., 641 f., 663, 683, 695, 726, 730, 854 f., 859 f., 884, 898, 958, 1049 → Bundesfürsten; Bundesstaaten Staatenbund → Bundesnatur Staatlichkeit, zusammengesetzte/geteilte  XIV, 435 → Reichsstaat, komplementärer Staatensystem, europäisches  63, 180, 698 Staatsangehörigkeits- und Heimatrecht  CXIV Staatsbürger, staatsbürgerliche Rechte  XXXVI, XCIX, 377, 551, 735 f., 896, 924 f., 936, 956, 959, 964, 1044 → Bürger; Untertanen Staatsrecht  358 f., 439 – der Bundesstaaten  355, 627 – des Heiligen Römischen Reichs  355 – der Territorien  355 – des Rheinbundes  355 Staatsrechtslehre  358, 360 Städte, Freie → Freie Städte Standesherren  XXXVIII, XLIII, XLV f., 264, 1037, 1068 → Mediatisierte Steuern, Steuerverfassung, Steuerwesen  404, 436, 701, 939 Suprematie  237, 241 → Kondominat Sustentation, Sustentationswesen  136 f., 528 → Bundesakte Artikel 15; Pensionen – Reichskammergerichtspersonal  326, 457 – Sustentationskasse  441, 490, 499, 516 – überrheinische Geistlichkeit  326, 430, 441, 443, 467, 490, 493 f., 498, 516, 543, 550 Teplitz, Punktation von (1. 9. 1819)  CVI Territorium, Territorialbestrebungen, Territo­ rialgrenzen, territoriale Neuordnung  XX, XXV, 68, 70 f., 91, 102, 283, 767 – Bayern  XXV – Deutschland  LXXXVII, 113 – Frankfurter Territorialverhandlungen (1816– 1819)  XXIV, 108 f. – Frankfurter Territorialrezeß (1819)  661, 994 – Hessen-Darmstadt  102 – Mecklenburg-Strelitz  147 – Nassau  766 – Polen  751 – Preußen  102, 147 Thurn und Taxis → Palais Thurn und Taxis; Post

1146

Register

807, 809, 812, 818, 821–826, 830, 832 f. → Handel und Verkehr – Entwurf einer Verordnung zur Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck (9.  2.  1819)  1006–1011 → Büchernachdruck; Eigentum Umtriebe, demagogische/geheime/konstitutioVereinigung der deutschen Staaten  833 f. nelle/revolutionäre LX, LXXXIII, 119, Verfassungen, einzelstaatliche → Konstitution; 377, 522, 591, 728, 740 → DemagogenverLandstände; Landständische Verfassung folgung – Anhalt  691, 717 Universitäten  172, 591 – Baden  LXXVIII, LXXXVI f., 661, 687, Universalmonarchie  XX, 66 691, 715, 731, 977 Untertanen, Untertanenrechte  CXVIII, 177, – Bayern  LXXXVI f., 661, 691, 710, 716 f., 1030, 1041, 1051 f., 1054 f., 1057 f., 1066, 731 1068 → Auswanderung; Bürger; Freizügig– Belgien  686 keit; Staatsbürger – Berg  726 – Befugnis zum freien Wegzug von einem – Braunschweig  691, 716 Bundesstaat in einen anderen Bundes– Bremen  717 staat  CXII f., CXVIII, 1049, 1052 f., 1055, – England  940, 946, 1039 1057, 1064 – Frankfurt  156 f., 448, 463, 467, 487, 533, – Befugnis des Eintritts in den Militär- und Zivildienst anderer Bundesstaaten  537, 567, 613, 717 – Frankreich  LXXXVI, 686, 688, 947–949 CXII f., CXVIII, 452, 1048 f., 1053, 1055, – Freie Städte  690, 717 1057 – Hamburg  707 – Reichsuntertänigkeit  CXII – Hannover  690, 706, 711 – Bundesuntertänigkeit  CXII – Hessen, Großherzogtum  691, 715, 731 – Landesuntertänigkeit  CXII – Hessen, Kurfürstentum  690, 715 Urheberrecht CXI → Büchernachdruck; Ei– Hohenzollern  691 gentum – Holstein und Lauenburg  691, 715, 731 Vaterland → Angelegenheiten, deutsche/vater– Mecklenburg  LXXVIII, LXXXI, LXXXV, ländische 690, 708, 715, 718 f., 721–724, 730 – bisheriges  1045, 1048, 1054 – Mecklenburg-Schwerin  718 f. – deutsches  155, 172, 174, 180, 183, 426, – Mecklenburg-Strelitz  718 f. 439, 455, 858, 865, 965, 968, 1042 – Liechtenstein  691 – gemeinsames  XXIX, CXVI, 178, 181, – Lippe  LXXVIII, 328, 589, 691, 747–749, 697, 878, 921, 1063 759, 773 f. – preußisches  727 – Luxemburg  LXXXIV, 690 Vaterlandsfreunde, deutsche  637, 861, – Nassau  LXXXIV, XCIX, 691, 716, 761– 878 f. 766 Verbrüderung der deutschen Staaten  XCI – Niederlande  LXXXIV, 770 f. Verein, deutscher/national-deutscher  XXXIII, – Österreich  767 f. 66, 203 → Bundesnatur; Bundesverein – – Galizien  709 Vereinbarungen, freie  XX, XXXVII, CX, – – Lombardo-Venetien  728 CXVIII, 464, 1004 → Bundesbeschlüsse – – Salzburg  709, 725 – Entwurf einer Übereinkunft sämtlicher deut– – Ungarn  728 schen Bundesstaaten wegen Festsetzung all– – Tirol  709, 725 gemeiner Grundsätze über die Militärpflich– Preußen  751 tigkeit in Beziehung auf die Auswanderungs­– Reuß  690 freiheit (16. 6. 1817)  CXVIII f., 1030, 1042, – Sachsen, Königreich  690 1044, 1052, 1055, 1057  f., 1060, 1066 – Sachsen-Coburg  LXXVIII → Militärpflicht – Sachsen-Coburg-Saalfeld  690 f., 716, 756 – Entwurf einer Übereinkunft zwischen sämt– Sachsen-Gotha-Altenburg  716, 755 lichen deutschen Bundesstaaten über die – Sachsen-Hildburghausen  LXXVIII, 716, Freiheit des Handels mit Getreide und 756 Schlachtvieh (2. 6. 1817)  XC–XCII, 804– Tilsit, Frieden von (7.–9. 7. 1807)  751 Trias, Triasbestrebungen, Drittes Deutschland  XXIII f., 64, 110, 113–125 Turner, Turnbewegung  688

Sachregister – Sachsen-Meiningen  716, 756 – Sachsen-Weimar  LXXVII f., XCIX f., 458, 533, 535, 547, 567, 677 f., 680–683, 716, 740 f., 755, 896, 898, 902, 959 – Sächsische Häuser  690, 731, 758 – Schaumburg-Lippe  328, 690, 731 – Schwarzburg-Rudolstadt  690, 717 – Schwarzburg-Sondershausen  690, 717 – Vereinigte Staaten von Amerika  574 – Waldeck  690, 731 – Westfalen, Königreich  705, 726 – Württemberg  247, 522, 680, 691, 711, 714 f., 731, 741, 758, 959 Verkehr, Verkehrswesen → Handel und Verkehr; Schiffahrt; Zölle Verlage, Verlagsrecht, Verlagswesen  CVI– CX, CXXI, 452, 491, 550, 867, 885, 889, 893, 901, 903, 905–907, 909–914, 917–919, 921, 928–932, 934, 940, 949, 953–956, 960, 964, 968, 976 f., 980–983, 989, 992, 996, 998–1017, 1019–1024 → Büchernachdruck; Eigentum; Urheberrecht Verteidigung, Verteidigungsbündnis, Verteidigungslinie, Verteidigungssystem XVIII, XXXII, LXI, XCIV, 11, 51, 201, 205, 356, 359, 475, 495 f., 501, 506, 509, 649, 839 f., 851, 862, 889, 1053 f., 1058 → Bundesmilitär Veto, Vetorecht  XLIV, LXXXVI, LXXXVIII, 391, 546 → Abstimmungsmodalitäten im Bundestag Vicarius perpetuus  XX, 77 Virilstimmen im Bundestag  XXIV, XXXVI, XLI → Bundestag; Kuriatstimmen Völker, Völkerschaften, Völkerstämme, deutsche  XLIV, LIV, XCIV, XCVI, 59, 183, 264 Völkerrecht, völkerrechtliche Verträge  63, 156, 158, 262, 512, 940 Volk, deutsches/Deutschlands  XCIV, 175, 183, 425, 523, 839 f., 878 Volksbewegungen 936 Volkssouveränität 948 Volksstämme, deutsche/Germaniens  174, 176, 761 Volkstum, deutsches  LX, 173, 522 Volksvertretung 726 → Landstände Vollziehungsrat 83 Votum decisivum  213, 216, 277, 333 Wahlkapitulation 798 Wartburgfest (18./19. 10. 1817)  XCIX, CII, 694, 713 f., 897 Waterloo, Schlacht bei  XVI, 751 Wechselordnung 465

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Westfälischer Frieden  57, 60, 175, 352, 386, 399 – Instrumentum Pacis Osnabrugense (IPO)  359, 362, 385, 398, 784 Wiedergeburt Deutschlands  183 Wiener Kongreß  IX, XII, XV, XVII, XX, XXII f., XXXIII, XLIII, LXV, LXXI, LXXV, LXXVII, LXXX, LXXXVII  f., XCVIII, CVII f., CXIII, 59, 70, 83, 87, 92, 124, 196, 245 f., 270, 357, 429, 435, 439, 454, 461, 507, 512, 602, 658, 672, 688–690, 700, 704, 712, 715, 727, 729, 751, 758, 765–767, 784, 818, 888 f., 891–895, 903, 908, 1040, 1048, 1052–1056 – Deutsches Komitee  728 – 41 Artikel Hardenbergs  LXXXVII, CXIII, 357, 673, 712, 727, 1052 f. – Verfassungspläne Humboldts  CXIII, 83, 727, 1054 – Zweite deutsche Konferenzen  LXV, LXXVI, 270 – Zwölf Artikel  LXXV, 83, 105, 357, 673, 712, 1053 Wiener Kongreßakte (9. 6. 1815)  59, 70, 82, 259, 512, 534 f., 554, 568, 784 – Artikel 45  537 – Artikel 46  448, 463, 467, 487, 533, 537, 567, 613 – Artikel 49  147 – Artikel 50  147 – Artikel 51  200 – Artikel 53  200 – Artikel 53–63  495 – Artikel 64  495 – Artikel 68  XXXIII f. – Artikel 108  798 – Artikel 118  495, 818 – Anlage 16  784, 818 Wiener Ministerialkonferenzen (1819/20)  LII, LXV, LXXV, XCVII, CXI, 590 f. Wiener Schlußakte (15. 5. 1820)  XII f., LII, LXV, LXXV Willkühr, unbeschränkte  743 Wohl Deutschlands/des gemeinschaftlichen Ganzen/der Gesamtheit/der deutschen Bun­ des­staaten  XXIX, 155, 180, 418, 425, 427, 440, 532, 563, 778, 802 → Nationalwohlfahrt Zeitgeist, Geist der Zeit, Zeitbedürfnis  455, 488 f., 526, 701, 714 Zeitungen, Zeitungswesen  XXVI, CI f., CV f., 150, 234 f., 703, 740, 883–888, 897, 911, 935, 938, 946, 952, 956 f., 965, 969, 991, 998, 1022 → Presse; Zensur

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Register

Zensur, Zensurwesen  XCVII, CI–CIV, CXI, 130, 235, 545, 885–888, 897 f., 901, 913, 926 f., 934 f., 938–940, 944, 948–966, 968– 983, 989–999 → Presse; Zeitungen – Bundeszensuranstalten/Bundeszensurreglement  CV, 887 f., 995 – Justizsystem  CII–CIV, 885–888, 927, 935, 947, 961–980, 989 – Polizeisystem CII–CIV, 885–888, 927, 935, 947, 961–980, 989 Zölle, Zollwesen  XVI, LXXXVII–XCVII, 779 f., 782, 784, 792, 797f, 800, 804, 807–

810, 814 f., 821 f., 828, 832–836, 838, 840 f., 852, 854–856, 859–866, 868, 874, 877–879, 1067 → Bundesakte Artikel 19; Handel und Verkehr; Schiffahrt; Integration, wirtschaftliche – Anlegung einer Zollinie gegen das Ausland  XCIV–XCVI, 839 f., 848, 851, 854 f., 863 – Aufhebung sämtlicher Zölle im Innern Deutschlands  798, 837–842, 846, 848, 850–876 – Preußisches Zollgesetz (26. 5. 1818)  XCIII f., 841, 852, 859