Politische Kultur der Bundesrepublik [1. Aufl.] 978-3-8100-0332-4;978-3-322-86102-3

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Politische Kultur der Bundesrepublik [1. Aufl.]
 978-3-8100-0332-4;978-3-322-86102-3

Table of contents :
Front Matter ....Pages 1-10
Einleitung (Peter Reichel)....Pages 11-17
Politische Kultur als politologisches Analysekonzept (Peter Reichel)....Pages 18-58
Politische Kultur des Deutschen Kaiserreiches (Peter Reichel)....Pages 59-103
Kontinuität der politischen Kultur? Eine Zwischenbemerkung (Peter Reichel)....Pages 104-109
Politische Kultur der frühen Bundesrepublik (Peter Reichel)....Pages 110-149
Politische Kultur der Bundesrepublik in den siebziger Jahren (Peter Reichel)....Pages 150-220
Wandel der politischen Kultur? Eine Nachbemerkung (Peter Reichel)....Pages 221-230
Anmerkungen (Peter Reichel)....Pages 231-268
Bibliographie (Peter Reichel)....Pages 269-283
Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen (Peter Reichel)....Pages 285-286
Back Matter ....Pages 287-288

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Uni-Taschenbiicher 1037

UTB Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Birkhauser Verlag Basel und Stuttgart Wilhelm Fink Verlag Munchen Gustav Fischer Verlag Stuttgart Francke Verlag Munchen Paul Haupt Verlag Bern und Stuttgart Dr. Alfred Htithig Verlag Heidelberg Leske Verlag + Budrich GmbH Opladen J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Ttibingen C. F. Muller luristischer Verlag - R. v. Decker's Verlag Heidelberg Quelle & Meyer Heidelberg Ernst Reinhardt Verlag Mtinchen und Basel K. G. Saur MUnchen . New York· London· Paris F. K. Schattauer Verlag Stuttgart· New York Ferdinand Schoningh Verlag Paderborn Dr. Dietrich Steinkopff Verlag Darmstadt Eugen Ulmer Verlag Stuttgart Vandenhoeck & Ruprecht in Gottingen und ZUrich

Peter Reichel Politische Kultur der Bundesrepublik

Peter Reichel Politische Kultur der Bundesrepublik

Leske Verlag + Budrich GmbH, Opladen

Der Autor Peter Reichel, geb. 1942 in Rendsburg, Buchhiindler, Dr. phil., Priv.-Doz.; studierte Politische Wissenschaft, Geschichte und Philosophie in Kiel und Hamburg. Seit 1973 wiss. Assistent am Institut tiir Politische Wissenschaft der Universitat Hamburg. 1981 Habilitation am FB 15 (Otto-Suhr-Institut) der FU Berlin. Veroffentlichungen u. a.: Bundestagsabgeordnete in europiiischen Parlamenten, Opladen 1974; Zusammen mit Wolf-Dieter Eberwein, Friedens- und Konfliktforschung. Eine Eintiihrung, Miinchen 1976; Zusammen mit Peter Massing Herausgeber, Interesse und Gesellschaft. Definitionen-Kontroversen-Perspektiyen, Miinchen 1977.

FUr

Matthias und Annette

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Reichel, Peter: Politische Kultur der Bundesrepublik / Peter Reichel. - Opladen: Leske und Budrich, 1981. (Uni-Taschenbiicher; 1037) ISBN 978-3-8100-0332-4 ISBN 978-3-322-86102-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-86102-3 NE:GT

ISBN 978-3-8100-0332-4 @ 1981 by Leske Verlag + Budrich GmbH, Opladen

Stuttgart Einbandgestaltung: A. Krugmann, Stuttgart

Inhalt

7

Vorwort ..... I.

Einleitung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

II

II. I. 2. 2.1 2.2

Politische Kultur als politologisches Analysekonzept . . .. Politische Kultur: Zur Entstehung des Konzepts . . . . . .. Politische Kultur: Ein politologisches Analysekonzept . .. Merkmale und Definitionen politischer Kultur . . . . . . . . Civic Culture: Die anglo-amerikanische Variante a1s Prototyp westlicher politischer Kultur? . . . . . . . . . . . . . . . . Zur wissenschaftssystematischen Einordnung ... '. . . . .. Politische Kultur: Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was leistet das Konzept der politischen Kultur? . . . . . . . Politische Kultur als Verkniipfung von Mikro- und Makropolitik? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Politische Kultur: Bedingung fUr Systemstabilitat oder gesellschaftliche Demokratisierung? . . . . . . . . . . . . . . . . Politische Kultur: Versuch einer Neubegriindung . . . . . . Begriindung des norma tiven Vorverstandnisses . . . . . . .. Begriindung des analytischen Konzepts . . . . . . . . . . . ..

18 18 23 23

Politische Kultur des Deutschen Kaiserreiches . . . . . . . . Zum Verhaltnis von Industrialisierung und Demokratisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Politische Werte: Grundlagen antidemokratischer Traditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Staatsidealismus statt Staatsidee . . . . . . . . . . . . . . . . . Nationalismus statt Liberalismus . . . . . . . . . . . . . . . .. Militarismus statt Biirgerlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . Politische Sozialisation: Erziehung und soziale Kontrolle in einer monarchisch-autoritaren Gesellschaft . . . . . . . .. Politische Einstellungen und politisches Verhalten: Der unpolitische Deutsche? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

59

2.3 3. 3.1 3.2 3.3 4. 4.1 4.2 III. 1. 2. 2.1 2.2 2.3 3. 4.

26 32 34 36 40 43 46 47 51

61 68 69 75 78 83 92 5

IV.

Kontinuitiit der politischen Kultur? Eine Zwischenbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

V. 1.

Politische Kultur der friihen Bundesrepublik . . . . . . . . . 110 Politische Werte: Wohlstand als Ersatz flir die verlorenen Paradiese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Politische Sozialisation: Erziehung zur Anpassung oder zur Demokratie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Politische Einstellungen: Eine Republik ohne republikanische Traditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Politisches Verhalten zwischen Staatsbiirgerpflicht und Apathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

2. 3. 4. VI. 1. 1.1 1.2 2. 3. 3.1 3.2 4.

Politische Kultur der Bundesrepublik in den siebziger Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Politische Werte: Wandel der politischen Kultur durch Wertwandel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 Grundwerte im Widerstreit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Wertkrise der biirgerlichen Gesellschaft? . . . . . . . . . . . . 163 Politische Sozialisation: Erziehung zwischen Reform und Gegenreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Politische Einstellungen: Abstraktes Demokratiebekenntnis ohne konkrete Demokratie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Radikalenverfolgung statt radikale Demokratie . . . . . . . . 190 Terrorismus und Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Politisches Verhalten: Demokratisierung der politischen Kultur durch Biirgerinitiativen und Protestbewegung? ... 213

VII. Wandel der politischen Kultur? Eine Nachbemerkung ... 221 VIII. Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 IX.

Bibliographie ................................... 269

X.

Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen . . . . . . . . . . 285

XI.

Sachregister .................................... 287

6

Vorwort

Wer vor etwa zehn Iahren tiber "politische Kultur" sprach oder schrieb, begegnete bestenfalls wohlwollender Skepsis. In den meisten Fallen stieB er jedoch auf Unverstandnis. Hier scheint sich mittlerweile ein Wandel zu vollziehen. Iedenfalls finden Begriff, Analysekonzept und Problemstellung der politischen Kultur nicht nur unter Politologen zunehmend starkere Beachtung. Auch im politischen Alltag wird der Ausdruck mehr und mehr gelaufig. In Wahlkampfreden beschworen, hier aber zumeist mit ,politischer Hygiene' verwechselt wie erst jtingst wieder mit der unglUcklichen WahlkampfSchiedsstelle demonstriert, und in Festakten staatspolitischer Selbstbestatigung gewUrdigt, zahlt "politische Kultur" in zwischen zum ideologischen Allgemeingut politischer Rhetorik und Bildung, wobei richtungspolitisch markante Differenzen bestehen. Wahrend die "Rechte" den sich abzeichnenden Zerfall oder den schon eingetretenen Verfall unserer politischen Kultur beklagt und der "Linken" anlastet, konstatiert diese gerade einen in Deutschland historisch begrundeten Mangel an politisch-demokratischer Kultur und macht dafUr im wesentlichen die "Rechte" verantwortlich. Dabei scheint der Vorzug, dem dieser Terminus seine Karriere verdankt, zugleich seine Schwache zu sein. Er ist offensichtlich ebenso vage wie prazise, so daB man ihn auf viele, aber eben nicht auf aIle politisch-gesellschaftlichen Erscheinungen anwenden kann. Man weiB ungefahr, was mit "politi scher Kultur" gemeint ist, ohne von ihr eine sehr konkrete Vorstellung zu haben, geschweige denn schon tiber ein systematisch geordnetes und historisch fundiertes Verstiindnis zu verfUgen. Diesem Mangel nach Moglichkeit abzuhelfen war ein Motiv, dieses Buch zu schreiben. Ein weiteres ist die Erfahrung, daB der reformpolitische Aufbruch der spaten sechziger Iahre in einer bestimmten Weise folgenlos geblieben ist. Die damals von vielen meiner Generation erhoffte und aus gut en Grunden fUr moglich 7

gehaltene, historisch liingst iiberflillige Demokratisierung der deutschen politischen Kultur ist - noch bevor sie richtig beginnen konnte - in ihr Gegenteil verkehrt worden. Helmut Gollwitzer, einer der Mentoren dieser Generation, hat den verhinderten Umbruch treffend zum Ausdruck gebracht: "Mit Liirrn und Spott gaben die Jungen diese Fragen an die Alteren, an die Etablierten, weiter und idagten die guten Dinge ein, die im Grundgesetz unseres Staates versprochen und zur Verwirklichung befohlen sind: Unantastbarkeit der Menschenwiirde, freie Entfaltung der Personlichkeit, Chancengleichheit und Gleichberechtigung aller bei der Gestaltung des Gemeinschaftslebens. Sie driickten es, wie in unserem Lande iiblich, in Fremdworten aus: Emanzipation, Demokratisierung, zusammengefa1lJt: Sozialismus... Eine kurze Zeit durften die Demonstrationen von der herrlichen Erwartung getragen sein: es geht voran! Die Rache kam bald. Das Grundgesetz so auszulegen, sei viel zu radikal - und radikal sein... gilt in unserem Lande immer als gemeingefahrlich. So wurde, wer allzu radikal ftir die Verwirklichung der Grundrechte des Grundgesetzes stritt, in den Verdacht gebracht, ein Verfassungsfeind zu sein . . . Die Reformverhinderer erkliirten sich ftir die wahren Verfassungshiiter und aus Grundgesetz, Demokratie, Freiheit und Rechtsstaat wurden Worte, die man nur noch affumativ gebrauchen darf, da1lJ he~t als Bezeichnungen ftir einen Besitz, den wir angeblich schon haben, nicht mehr kritisch ftir Aufgaben, denen wir uns anniihem sollen... Jetzt ... schiebt man die Schuld daran der Protest- und Hoffnungsbewegung zu und bllist zur Jagd gegen alle, die die Notwendigkeit und die Moglichkeit grundlegender Veranderungen erkannt haben." (Helmut Gollwitzer, Sich kiimmem urn die Verkiimmerten und Benachteiligten: Briefe zur Verteidigung der Republik, 1977, S1f.)

Die 70er Jahre sollten unter Willy Brandts Losung "Mehr Demokratie wagen" stehen. Aber sie standen im Zeichen von Verfassungsschutz und innerer Sicherheitspolitik. Aus dem Dilemma des unaufhebbaren Widerspruchs von individueller Freiheit und kollektiver Ordnung - dessen Kern die Frage der Herrschaft bzw. der Anwendung von Macht und Gewalt markiert - ist in Deutschland in tatsachlichen wie in vermeintlichen Krisenzeiten, aktuell wie traditionell, noch immer der Staat gestarkt hervorgegangen. Haufig, zu haufig, wird - nicht zuletzt in unserer Zunft - riihmend und beruhigend zugleich hervorgehoben, daf.\ und wie der Staat und seine Institutionen mit den Herausforderungen dieser Jahre, insbesondere der Alternativ- und Protestbewegung ,fertig werden '. Als ob es al1ein oder vor allem auf diese Perspektive ankame. Aus einer anderen, zumeist vernachlassigten Blickrichtung, erweist sich diese Starke eher als Schwache unserer parlamentari8

schen bzw. parteienstaatlichen Demokratie und politischen Kultur. Zumindest dann, wenn man voraussetzt und akzeptiert, da~ das Parlament der Ort streng regulierter Austragung und alltliglicher Anerkennung gesellschaftlicher Widerspriiche und Konflikte ist. Milliardenverschlingende Riistungs- und Agrariiberschu~produk­ tion und die immer schneller fortschreitende Verelendung in der Dritten Welt, die Unbeirrbarkeit quantitativer Wachstumspolitik und fortgesetzter Umweltzerstorung, die Selbstgerechtigkeit der "Modell-Deutschland-" oder "Wir-sind-wieder-wer-Parolen" und die vor allem in der jiingeren Generation weit verbreitete Hoffnungslosigkeit, aber auch die antikapitalistische und antibUrgerliche Protestbewegung: Nicht im Parlament wird das Mi~verhliltnis der Gleichzeitigkeit von liuBerem Wohlstand einer iiberbordenen Konsumgesellschaft und ihrem llingst begonnenen inneren wie liuBeren Verfall thematisiert. Bestenfalls werden diese und andere Widerspriiche als industriegesellschaftliche Wachstums- und Betriebsstorungen aufgefaBt und als Reparaturprobleme behandelt. Nicht im Parlament werden Alternativen aufgezeigt und kompromij3/os diskutiert, kaum und nur unter groBen Schwierigkeiten in den Parteien. Schon eher auBerhalb. Unmittelbare AnstoBe, dieses Buch zu schreiben, und Anregungen fUr seine inhaltliche Gestaltung verdanke ich zahlreichen Seminaren und Diskussionen mit Studenten und Kollegen in den letzten Jahren. In dieser Hinsicht besonders fruchtbar war fUr mich die Gasttlitigkeit im WS 1979/80 am Fachbereich 15 (Otto-SuhrInstitut) der Freien Universitlit Berlin. Wlihrend des wochentlichen Hin- und Herreisens zwischen Hamburg und Berlin sind manche Teile konzipiert und skizziert worden. Die vorziigliche OSI-Bibliothek hat mir in dieser Zeit in ungewohnlich groBziigiger und hilfsbereiter Weise bei der Literaturbeschaffung geholfen und mir ihre Ressourcen zur Verfiigung gestellt. Danken mochte ich ferner der "Wirtschaftspolitischen Gesellschaft von 1947" (Bildungswerk ,Offene Welt')", Frankfurt M., und ihrem langjlihrigen Vorsitzenden, Herrn Ulrich v. Pufendorf, fUr ihre immer wieder angenehmen und anregenden Gesprlichskreise gerade auch zum Problem der Demokratisierung unserer politischen Kultur. Zu Dank verpflichtet bin ich auch Herrn Priv.Doz. Dr. Volker Ronge und Herrn Dr. Ruhland von der Infratest Sozialforschung GmbH, Miinchen, sowie Herrn Dip!. Psych. Miilhens yom Bundespresse- und Informationsamt, die mir freundlicherweise zahlreiche Politikbarome9

ter-Umfragen zugiinglich gemacht und ihren teilweisen Abdruck in diesem Buch gestattet haben. Freunde und Kollegen haben das Manuskript teilweise oder ganz gelesen und seine Entstehung durch Kritik und Zuspruch gefOrdert. Mein herzlicher Dank gilt: Hermann Kotthoff, Peter Massing, Franz Nuscheler, Marek Sobolewski, Peter Steinbach, Joachim Raschke und Hans Wassmund, vor aHem aber Joachim Dobler. Seiner anregenden Kritik verdanke ich ebensoviel wie seiner Hilfe bei der Materialbeschaffung und Erstellung des Registers. Frau Betti Ahrent und Frau Dorothea Blumenberg haben trotz erheblicher Arbeitsbelastung mit viel Geduld und Sorgfalt das Manuskript in eine lesbare maschinenschriftliche Fassung gebracht. Auch ihnen sei herzlich gedankt. Hamburg im Januar 1981

10

I. Einleitung

"Politische Kultur" ist derzeit in vieler Munde. Das Thema ist Gegegenstand von Universitiitsseminaren, Volkshochschulkursen, Rundfunksendungen, Leitartikeln und ziert eine schnell wachsende Zahl von BuchrUcken und Aufsatztiteln. 1 1st "politische Kultur" blo~ ein kurzlebiges Modewort·~ Oder ist sein Eindringen in unsere politische Sprache Ausdruck einer kritischen Sensibilitiit fUr den Mangel an politisch-demokratischer Kultur in diesem Lande? Ein Mangel, der im vergangenen Jahrzehnt fUr viele spUrbar geworden ist. Ob man dafUr nun den Terrorismus und die 6ffentliche Reaktion wie etwa beim Mescalero-Nachruf auf den Buback-Mord, den Radikalenerla~ oder das Verbot von Plakettentragen als Beispiel nimmt. Jedenfalls war "politische Kultur" umgangssprachlich noch bis vor kurzem kaum geliiufig. Selbst von Politologen nur z6gernd aufgegriffen, hat sich dieser Terminus hierzulande entschieden schwerer getan als in den angelsiichsischen Liindern, in denen er vor tiber zwanzig Jahren gepriigt wurde. 2 Dies erkliirt sich m. E. wesentlich daraus, da~ Kultur - Inbegriff geistig-ktinstlerischer Werte und Tiitigkeiten - bis heute als etwas Politikfernes verstanden und, umgekehrt, Politik nicht sozio-kulturell begriffen, sondern auf Staat und Regierung institutionell reduziert wird. 3 Hier wirken verschiedene Traditionen bis heute nacho Die eine nimmt mit der Verengung des Politikbegriffs auf den staatlichen Herrschaftsbereich bzw. mit der Machtkonzentration in der Person des absoluten Herrschers begriffs- und realgeschichtlich im 17. und frUhen 18. Jahrhundert ihren Ausgang. 4 In Hege1s Rechtsphilosophie theoretisch begrUndet ("Den ,Sphiiren des Privatrechts und Privatwohls, der Familie und der bUrgerlichen Gesellschaft' tritt der ,Organismus des Staats, der eigentlich politische Staat und seine Verfassung' gegentiber" §§ 261,267), bleibt diese Tradition auch im 19. Jahrhundert, dem bUrgerlichen Zeitalter, in Deutschland ungebro'chen und ist noch heute im Dualismus von Staat und Gesellschaft s gegenwiirtig. 11

Der zweite kulturelle Traditionsstrang verlauft parallel. Er verstarkt und begiinstigt die zuvor genannte Entwicklung. Auch hier wird ein - wie konnte es in Deutschland anders sein - prinzipiell gewendeter Dualismus bestimmend: Der Politik wird die ,Unpolitik' gegenUbergestellt, dem Politis chen das Unpolitische. 6 Dabei wird das Politische ab-, das Unpolitische aber aufgewertet, nicht zuletzt unter dem EinfluB der "Klassik". So heiBt es in den Xenien von Schiller und Goethe: "Zur Nation euch zu bilden, ihr hofft es, Deutsche, vergebens; Bildet, ihr konnt es, dafiir freier zu Menschen euch aus". Und in seinem Gedichtsfragment "Deutsche GroBe" bekraftigt. Schiller diese Tendenz und weist zugleich in die Zukunft: "Abgesondert von dem politischen hat der Deutsche sich einen eigenen Wert gegriindet, ... indem das politische Reich wankt, hat sich das geistige immer fester und vollkommener gebildet.,,7 Diese Traditionslinie reicht Uber Nietzsche bis ins 20. Jahrhundert und wird hier von keinem geringeren als Thomas Mann weitergezogen. In seinen "Betrachtungen eines Unpolitischen" (1918) schreibt er: "Die Politik macht roh, pobelhaft und stupid. Neid, Frechheit, Begehrlichkeit ist alles was sie lehrt ... Ich will nicht die Parlaments- und Parteiwirtschaft, welche die Verpestung des gesamten nationalen Lebens mit Politik bewirkt ... 8 Ich will nicht Politik. Ich will Sachlichkeit, Ordnung und Anstand." MuB also "politische Kultur" in Deutschland als ein Unbegriff erscheinen, der real Unvereinbares in einem sprachlichen Ausdruck zusammenfaBt? 1st sein spates Auftrauchen in der deutschen politischen Sprache Hinweis auf eine LUcke im Blickfeld der Wissenschaft, aber auch auf ein mangelndes gesellschaftliches BewuBtsein? Ware deshalb nicht als ein erstes Charakteristikum der deutschen politis chen Kultur zu vermuten, daB es sie nicht gibt - oder nur unzureichend entwickelt? Nicht von ungefiihr triige dann eine kiirzlich erschienene Aufsatzsammlung den kritisch-wertenden Titel "tiber den Mangel an politischer Kultur in Deutschland" (1978). Fragen, die zugleich Motiv und Intention dieser Monographie andeuten, die als Einfiihrung konzipiert wurde. Es ist daher beabsichtigt, politische Kultur zunachst als analytisches Konzept kritisch zu erortern, urn sie dann empirisch differenziert darzustellen, also in historischer Dimension und hinsichtlich zeitgenossischer Befunde und Tendenzen. Aus der Darstellung und Kritik des bisherigen, von der amerikanischen Politikwissenschaft gepragten political culture-Ansatzes wird in Abschnitt II ein analytisches und normatives Konzept 12

von politischer Kultur im Sinne eines heuristischen Modells zu erarbeiten versucht. Man mag einwenden, da~ das konzeptionelle Kapitel recht kompakt, aber doch zu umfangreich geraten ist, und relativ unverbunden neben den Abschnitten der empirischen politischen Kulturanalyse steht. Angesichts der Schwammigkeit des Begriffs gibt es zwei Altemativen: entweder das Konzept als unbrauchbar fallenzulassen oder ihm soweit wie moglich normatives und begrifflich-analytisches Profil zu geben. Entscheidet man sich fUr letztere, mu~ zwangslaufig eine Vielzahl begriffsgeschichtlicher und theoretischer Aspekte angesprochen werden. Andererseits konnte hier noch keine empirisch-vergleichende Theorie der politischen Kultur vorgestellt werden. Die materialen Teile sind eher Illustrationen flir das am Ende des nachsten Abschnittes entwickelte Modell. Dabei stellen die im Konzept der politis chen Kultur verkniipften vier Variablen (politische Sozialisation und die durch sie vermittelten Werte, Einstellungen, Verhaitensformen) gleichsam die innere Systematik des empirischen Tei.ls dar, denn jeder der drei zeitlich unterschiedenen Abschnitte ist identisch untergliedert. Unbestritten werden Werte (Wertorientierungen) zusammen mit Einstellungen und Verhaltensformen durch Sozialisationsagenturen vermittelt und sind insofem als abhangige Variablen anzusehen. Gleichwohl werden sie hier in anderer Reihenfolge abgehandelt. Das hat vor allem praktische Griinde. Es erschien flir die konkrete Darstellung trifftiger, Sozialisationsprozesse nicht voraussetzungslos zu behandeln, sondern zunachst auf die ihnen ja immer schon weitgehend vorgegebenen Wertsysteme einzugehen. Was nun den zeitlichen Rahmen angeht, so holt diese Studie verhliltnisma~ig weit aus. Das hat gute Griinde. Denn: Wie die Zeit von 1871 bis 1945 heute als und im Zusammenhang gesehen wird, mu~ das auch bei der Frage nach Kontinuitat und Wandel der deutschen politis chen Kultur geschehen. Eine Zeit, die auf diese Weise als "gegenwartige Geschichte" darstellbar und vielleicht verstandlich wird. Sie steht unter der leitenden Frage, ob und in wieweit jene im Kaiserreich begriindeten oder fortgesetzten Traditionen, Werte, Einstellungen und Verhaltensformen heute noch wirksam sind oder iiberwunden werden. Dabei muBte vor allem aus Umfangsgriinden auf eine Erorterung der politischen Kultur der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus verzichtet werden. Ich hoffe, zu einem spateren Zeitpunkt eine Gesamtdarstellung der politischen Kultur Deutschlands vorlegen zu konnen. 13

Die Darstellung der politisch-kulturellen Entwicklung der Bundesrepublik beginnt mit der Nachkriegszeit. Sie ist in zwischen zur ,,historischen Gegenwart" geworden, was sich nicht nur an den mQdisch-kommerziellen Nostalgie-Stromungen, sondern auch an Film und Literatur ablesen Hi~t. Die in diesem Abschnitt dargestellten und erlauterten Befunde der politis chen Kultur der fiinfziger und friihen sechziger lahre provozieren geradezu die Frage, ob und inwieweit sie sich aus spezifischen politischen Traditionen erklaren lassen. FUr diese Zeit stand die Frage nach der Stabilitat, also nach der Zukunft der parlamentarischen Demokratie im Vordergrund. Ein Problem, das sich gerade aus historisch-vergleichender Perspektive immer wieder als Frage nach der Wahrscheinlichkeit eines Rlickfalls in den Faschismus stellte oder anders gewendet: nach dem Ergebnis demokratischer Massen-Umerziehung durch alliierte Besatzungsherrschaft. Die Monographie schlie~t mit einem Kapitel liber die "gegenwiirtige Zukunft", liber Wandel und Entwicklungstendenzen der politis chen Kultur in den siebziger lahren - in einer zumindest partiell wieder "unruhigen Gesellschaft" (Klages). Wie bei der Einfiihrung des political culture-Ansatzes in die politologische Forschung, die sich im Rahmen der "behavioralistischen Revolution" in den fUnfziger lahren vollzog, zeitgeschichtliche Ereignisse und Entwicklungen ihren Niederschlag gefunden haben, ist auch das gegenwartig verstarkte Interesse an Konzept und Gegenstandsbereich der politis chen Kultur, zumal in der Bundesrepublik, vor dem Hintergrund politisch-gesellschaftlicher Erscheinungen der siebziger lahre zu sehen. War das Interesse der von einem institutionellen Politikverstandnis gepragten Politikwissenschaft traditionell liberwiegend auf makropolitische Strukturen und Prozesse gerichtet, riickte in den 50er lahren das Individuum, seine politis chen Einstellungen und Verhaltensweisen und damit die Problematik der Kontrolle seiner politis chen Sozialj.sation in den Vordergrund. Denn nach der Erfahrung des Faschism us und angesichts der beginnenden Dekolonisierung, der fortdauernden bzw. wachsenden Instabilitat politischer Regime, wurde die Kalkulierbarkeit und Steuerung von Stabilitat und Wandel politi scher Systeme zu einem an. Bedeutung rasch zunehmenden politischen wie politologischen Problem. Das in der Bundesrepublik seit einiger Zeit wachsende Interesse an theoretischen wie empirischen Fragen der politisch-demokratischen Kultur erklart sich zu einem Gutteil aus den okonomischen 14

und politis chen Krisenerscheinungen und -tendenzen der siebziger Jahre, der Ressourcenverknappung und Energieverteuerung, den Grenzen des okonomischen Wachstums, den (sozialen) Kosten des wissenschaftlich-technisch-industriellen Fortschritts, vor ailem aber aus den soziopolitischen Krisenerscheinungen und Entwicklungen dieser'Jahre, der "Unregierbarkeit" und dem politischen Immobilismus, der insbesondere in der jungen Generation weit verbreiteten Staats- und Parteienverdrossenheit, dem bkologie- und Gesellschaftsprotest, dem Terrorismus und der geseilschaftlichen Reaktion, der Alternativbewegung, der wachsenden ZaW von "Aussteigern", dem Grundwertestreit zwischen den etablierten Parteien, dem Radikalenerla~ und seinen Folgen. Jedenfalls mehren sich die Zeichen, die man als Ausdruck einer tiefgreifenden Lebenssinn- und Orientierungskrise deuten kann,9 eine Orientierungskrise, die fUr die politische Kulturforschung in zweifacher Hinsicht von Interesse ist. Einmal, weil sie "neue" politische Aktions- bzw. Organisationsformen hervorgebracht hat und weiter hervorbringt, z.B. lokale Go-ins, Sit-ins, BUrgerinitiatiyen und nun die "griine" bzw. "bunte" Protestbewegung 10 . Die sozialwissenschaftliche Forschung analysiert dies in Abgrenzung etwa zur Wahlbeteiligung und zum Wahlerverhalten unter dem Etikett des "unkonventioneilen Verhaltens"11. Selbstverstandlich darf hierbei nicht die Kehrseite, die "neue" politische Apathie und ihr sozialstruktureiler Hintergrund iibergangen werden. Zum anderen aber markiert diese Orientierungskrise eine Umbruchsituation sich verandernder, insbesondere in den nachwachsenden Generationen in Frage gesteilter Wertstrukturen und Lebensform en 12. Dieser Wertwandel au~ert sich zunachst in einer Relativierung und in einem zunehmenden Bedeutungsverlust der bUrgerlich-kapitalistischen Wertordnung: quantitatives Wachstumsdenken, Arbeits- und Leistungs-, Status- und Karriereorientierung, materielles Lebenssinnverstandnis, Konsumzwang etc. (Kmieciak). Bemerkenswert erscheint dabei vor ailem, da~ diese Infragestellung nicht mehr nur auf kleine und Rand-Gruppen beschrankt ist - wie das noch in den spat en 60er Jahren der Fail war -, sondern ein in unterschiedlichen Bevolkerungsschichten wachsendes Verstandnis findet. 15

Die Studentenbewegung hat durch ihren Protest gegen die Zwange, die emotionale Sterilitat und die Sinnleere der Wohlstandskultur jene Wertkrise vorbereitet, die durch die im Verlauf der siebziger Jahre mehr und mehr sichtbar gewordenen Grenzen des Wachsturns und der UmweItbelastung erst jetzt aufgebrochen ist. Bemerkenswert ist diese Wertkrise aber nicht nur in sozialstruktureller, sondern auch in ideen- und sozialhistorischer Hinsicht. Denn mit den 6konomischen, industriellen und wissenschaftlich-technologischen Krisenerscheinungen geht der Verfall oder die Umwertung jenes Wertsystems einher, das ja gerade den Aufstieg und die Expansion des kapitalistischen Wirtschaftssystems der biirgerlichen Gesellschaft wesentlich begtinstigt hat. Bekanntlich hat dies Max Weber in seinen religionssoziologischen Untersuchungen tiber die "Protestantische Ethik" (1904) nachgewiesen, so umstritten und vieldiskutiert sie bis he ute auch geblieben sind.! 3 1m Verlauf einer zuerst von Inglehart so genannten "silent revolution" ist der Verfall dieser btirgerlich-kapitalistisch-protestantischen Ethik: Leistungsorientierung, Erwerbsstreben und rational-asketische Lebensfiihrung tiberhaupt, die ja mit dem Durchbruch der Konsumgesellschaft im Obergang yom 19. zum 20. Jahrhundert erstmals in Frage gestellt und verandert wurde, weiter fortgeschritten, wenn auch der bei weitem tiberwiegende Teil der Bevolkerung noch an dem tradierten biirgerlichen Wertsystem festhaIt. Zwar hat sich ein "neues" Wertsystem noch nicht durchgesetzt, doch ist nicht zu tibersehen, dai:. Berufs-, Karriere- und Leistungsorientierung durch privatistischhedonistische HaItungen, materielle Lebenswerte durch immaterielle wie Kommunikation, Selbsterfahrung, Solidaritat und emotionale Sensibilisierung verdrangt werden und gegen die Entfremdungstendenzen, gegen Groi:.organisationen in Politik und Arbeitswelt, gegen ideologische Umarmungs- und Unterwerfungsstrategien, kurz, da~ gegen "die Zerst6rung der Kultur des Einzelnen durch die Konsumgesellschaft" (P. Pasolini) das Bediirfnis nach individueller Autonomie gesetzt wird. Unstrittig ist, da~ diese soziokuIturelle Wertkonstellation tiber die subjektive Bewertung von Politik und Politikern auch das politische Verhalten beeinflui:.t, also von erheblicher politischer Relevanz ist. Dies lai:.t sich am Protest gegen die Gefahrdung von Freiheitswerten und -garantien, gegen den Radikalenerla~ und die Berufsverbote, gegen den Abbau des Rechtsstaates und den politischen Immobilismus, mit dem ja gerade der Parteienstaat identifiziert wird, unschwer ablesen. Damit steilt sich die auch politisch brisante 16

Frage, wer in Zeiten tiefgreifender Wertkrisen, mit weIchen Mitteln und in welcher Richtung auf eine soIche Entwicklung Einfluf.\ nimmt oder nehmen kann. Eine Frage, die von den beiden grof.\en Parteien unterschiedlich beantwortet wird, wie insbesondere ihre Einstellung zum Verhiiltnis von Grundwerten und Grundrechten zeigt. 14 In dem zwischen ihnen geflihrten sog. Grundwerte-Streit, der bezeichnenderweise die gesellschaftliche Basis kaum oder gar nicht erreicht, pllidiert die SPD dafUr, die Grundrechte des Grundgesetzes nicht mit bestimmten religios-ethischen Grundwerten gleichzusetzen. Vielmehr definieren die Grundrechte als Frefheits-, Mitwirkungs- und Anspruchsrechte Uberhaupt erst die Moglichkeit, Auffassungen zu haben und nach bestimmten Wertorientierungen zu handeln. DemgegenUber macht die CDU gerade geltend, daf.\ auch Grundrechte gesellschaftliche Werte enthalten und insofern das Grundgesetz den Staat "an einen materiellen, verfassungsrechtlich verankerten Grundwertekonsens"l 5 binde. Die Fragen nach dem Ausmaf.\ der Wertkrise der bUrgerlichen Gesellschaft und den moglichen Konsequenzen fUr die Richtung ihrer weiteren Entwicklung bzw. ihren Bestand sowie das Problem des Verhiiltnisses von Grundwerten und Grundrechten mUssen auf einer normativen und empirischen Ebene diskutiert werden. Sie verweisen auf das Fundament sog. pluralistischer Gesellschaften. Und sie verdichten sich zu einem, vielleicht dem zentralen politischen Problem, wenn man einerseits in der Wertdiktatur von Klassen, Einparteienregimen etc. keinen Ausweg zu sehen vermag, andererseits aber den von Bell so genannten "collapse of the older value system" und den Rigorismus des Konflikts zwischen "alten" und "neuen" Werten nicht auf sich beruhen lassen will. Solche politisch-strategischen Aspekte weisen jedoch Uber den Rahmen einer Einflihrung in die konzeptionellen und die empirischen Fragen der politischen Kultur der Bundesrepublik weit hinaus.

17

II. Politische Kultur als politologisches Analysekonzept 1.

Politische Kultur: Zur Entstehung des Konzepts

Der Beginn der modernen political culture-Forschung lli1\t sich vergieichsweise genau bestimmen, sofern man das Auftauchen des Begriffs "political culture" (politische Kultur) als Indikator nimmt. Unter dem Titel "Comparative Political Systems" legte der amerikanische Politologe Gabriel A. Almond flir eine Konferenz des "Committee on Comparative Politics" des "Social ~cience Research Council" im Juni 1956 in Princeton ein Papier vor, das sich fUr die Entwicklung von politischer Soziologie und politologischer Komparatistik als foigenreich erweisen sollte.! Dieser Aufsatz erschien zu einem Zeitpunkt, als der durch Charles Merriam und seine Chikagoer Schule in den zwanziger und drei1\iger Jahren begriindete Behavioralismus2 sich mehr und mehr durchsetzte und traditionellen, sei es normlltiv-philosophischen, sei es verfassungsrechtlich-institutionellen Orientierungen der amerikanischen Politologie zuriickdrangte. Hatte die Politologie lange Zeit - und nicht nur in den USA - ihre Hauptbegriffe von der politischen Philo sophie und aus dem Verfassungsrecht bezogen, wurde die neue politologische Terminologie vor al1em durch die Systemlehre (David Easton), die Kybernetik (K. W. Deutsch), und die strukturell-funktionale Theorie (Gabriel A. Almond) gepragt. Die Behavioralisten wandten sich entschi~den "gegen die Sterilitat blo1\er Beschreibung, die ,barfii1\ige Empirie', auch gegen Metaphysik, Spekulation, normative Verpflichtung oder rechtlichinstitutionelle Analyse,,3. Ihr Interesse galt nicht mehr, zumindest nicht unmittelbar, den amerikanischen oder europiiischen Verfassungssystem und politischen Institutionen, sondern der an naturwissenschaftlichen Leitbildern orientierten Erforschung des politischen Individualverhaltens. Insofern versteht sich der Behavioralismus als ein Fort-Schritt auf dem Wege der Verwissenschaftlichung der Politologie. Mit ihm verband sich ein umfassendes wissenschaftspolitisches Programm, von dem in den folgenden 18

fiinfzehn bis zwanzig Jahren zahlreiche Impulse fUr die empirische Forschungspraxis ausgingen. Der "behavioralistischen Revolution" in den Sozialwissenschaften, also auch in der Politologie, kam es vor allem darauf an . empirische Theorien zu entwickeln, die Datenerhebung und -nutzung zu verbessern und zu intensivieren, die analytischen Methoden und Forschungstechniken zu verbessern, insbes. die vergleichende Methode fortzuentwickeln und ihre allgemeine Anwendung durchzusetzen. 4 War also das Interesse der durchgangig von einem institutionellen Politikverstandnis gepragten Politikwissenschaft traditionell Uberwiegend auf makropolitische Strukturen und Prozesse gerichtet, rUckte nun das Individuum, seine politischen Einstellungen und Verhaltensweisen und seine politische Sozialisation in den Vordergrund des Interesses. Es Uberrascht daher nicht, daB der Behavioralismus auch Eingang in die Vergleichende Regierungslehre fand, jene traditionsreiche politologische Teildisziplin, die ihr wissenschaftliches Profil und Selbstverstandnis als vergleichende Institutionenlehre und Verfassungsrechtslehre gewonnen hatte. 5 DaB hier politisch-gesellschaftliche Entwicklungen und Ereignisse ihren Niederschlag gefunden haben, ist nicht zu Ubersehen. Nach der Erfahrung der ZerstOrung demokratischer Systeme durch den Faschismus und angesichts fortdauernder bzw. wachsender Instabilitiit politischer Regime in vielen Teilen der Welt wurde die Kalkulierbarkeit und Steuerung von Stabilitat und Wandel politischer Systeme - vor allem aus der Perspektive und von den Interessen einer Super- oder Weltordnungs- bzw. interventionsmacht wie der USA - zu einem an Bedeutung rasch zunehmenden politischen und in der Folge auch politologischen Problem. Und eben diesen Fragen der Entwicklung, der Krisen und des Wandels in den Landern der sich im Zuge der Dekolonisierung 'konstituierenden Dritten Welt war mit den herkommlichen, an den politischen Institutionen, Verfassungsordnungen und Rechtssystemen der entwickelten westlichen Industriegesellschaften orientierten Methoden nicht beizukommen. Angesichts der Erweiterung des Gegenstandsbereichs auf prinzipiell alle politischen Systeme der Welt, insbesondere aber auf die der neuen Staaten in der Dritten Welt, und angesichts der Veranden.\ng bzw. Differenzierung wissenschaftlicher Fragestellungen wurde vielmehr die Einbeziehung und Anwendung so ziologischer , anthropologischer und psychologischer Konzepte erforderlich. 19

In seinem schon genannten Aufsatz versteht Almond Staat und Regierung als politisches System und dieses wiederum als Handlungssystem (system of action). Ein analytisches Konzept, das von einer Gesamtheit handlungsrelevanter Einheiten (Rollen, Rollentrigem) ausgeht, auf die Analyse ihrer Interaktionen und Interdependenz abzielt und als Wertpramisse Stabilitat LS. eines sich dauerhaft wandelnden Systemgleichgewichts zugrunde legt. Ein Ansatz, der heute nicht weiter bemerkenswert erscheint, wenngleich er Mitte der fiinfziger Jahre noch keineswegs selbstverstandlich und allgemein akzeptiert war, aber doch immerhin schon in den Grundsatzdiskussionen iiber die neuen politologischen Paradigmata lebhaft erortert wurde. 6 Die eigentlich innovative Bedeutung dieses Beitrages kam in dem Vorschlag Almonds zum Ausdruck, fUr die Erweiterung dieses Ansatzes um die Dimension der "politischen Orientierung" (als Sammelbegriff fiir politische Einstellung, politische Werte, Ideologien, Nationalcharakter etc.) das Konzept "political culture" einzufiihren. Sein analytischer Vorzug lag und liegt darin, daf.\ es weder mit dem Konzept des politischen Systems zusammenfillt noch identisch ist mit dem Begriff der allgemeinen Kultur. Politische Kultur geht iiber die engeren Grenzen des politisch-administrativen Systems hinaus. Es erfaf.\t das ,Ambiente' dieses Systems, seine Einbettung in einen historisch, regional und/oder national etc. spezifischen Kontext politischer Wertiiberzeugungen, Einstellungen und Verhaltensweisen. Politische Kultur meint also Art und Umfang politischer Kenntnisse, emotion ale Bindung an das und Bewertung des politischen Systems wie auch Art und Intensitat politischen Handelns selbst. Sie ist insofem ein Bestandteil der historisch gewachsenen allgemeinen Kultur, als der Gesamtheit aller geistigen und ideellen Traditionen, gesellschaftlichen Normen und Institutionen, Verhaltensstile etc. Diese fUr die Existenz jedes politischen Systems wesentlichen kognitiven und evaluativen Faktoren einer spezifischen politischen Kultur nicht gesehen zu haben, ist - wie Almond im iibrigen meint der entscheidende Grund fiir die tibertreibungen und Vereinfachungen der nicht selten politisch mif.\brauchten sog. NationalcharakterLiteratur friiherer Jahrzehnte. 7 Wenn auch die Einfiihrung von Fragestellung und Forschungsansatz der politischen Kultur fraglos dem nachhaltigen Einfluf.\ des Behavioralismus auf die Politikwissenschaft zuzuschreiben ist, darf doch nicht iibersehen werden, daf.\ mit diesem Konzept in 20

gewisser Weise ein anti-behavioralistischer Effekt verbunden war. Immer wieder haben amerikanische Politologen betont, daf.\ die politologische Analyse zeitweilig vor der Gefahr stand, in der Beschrlinkung auf das politische Individualverhalten, sei es des Wahlers oder politischen Fiihrers etc., die politischen Makrostrukturen aus dem Auge zu verlieren. 8 So gesehen liegt die Bedeutung dieses Konzeptes fiir die Entwicklung politologischer Forschung gerade darin, daf.\ es das gesamte politische System wieder in den Blick bekommt, ohne die analytischen Vorziige der Individualpsychologie preiszugeben. Mit der Gesamtheit des politischen Systems sind seine "inputs", also Interessen, Forderungen, politische Wertiiberzeugungen und Einstellungen, sowie politisches Verhalten iiberhaupt, gemeint, ferner seine "outputs", wie Gesetzte, materielle Leistungen und natiirlich der politisch-administrative Willensbildungs- und Entscheidungsprozef.\ selbst. Damit schien ein dem gestiegenen Forschungsanspruch und erweiterten Gegenstandsbereic.h angemessenes Konzept gefunden zu sein. Denn der political culture-Ansatz will ja die Rerrschaftsverhiiltnisse verschiedener Lander vergleichend im Hinblick auf ihre jeweiligen sozio-kulturellen Rahmenbedingungen und zugleich unter Beriicksichtigung der historisch begriindeten, sei es kontinentalen, regionalen oder nationalen Besonderheiten untersuchen. Politische Kultur wird daher als Indikator benutzt, zur Bestimmung des soziopolitischen Entwicklungsstandes, des Modernisierungsgrades eines Landes. Politische Kultur und politische Entwicklung stellen insofern komplementiire Ansatze dar. Erst wenn man diese beiden Aspekte herausstellt, den komparativen und den entwicklungstheoretischen, wird verstandlich, daf.\ sich dieser Ansatz so nachhaltig und ertragreich auf die politologische Forschungspraxis ausgewirkt hat. Dies gilt allerdings vorzugsweise fiir die amerikanische Politologie. Rier ist Ende der fiinfziger Jahre - koordiniert und intellektuell stimuliert durch das schon erwiihnte "Committee on Comparative Politics" - ein umfangreiches Forschungsprogramm in Angriff genommen worden, das seinen Niederschlag in Zeitschriften und ganzen Buchreihen gefunden hat, wie etwa den "Ptinceton Studies of Political Development". Von den zahlreichen empirischen und komparatistischen Untersuchungen zur politischen Kultur seien nur zwei genannt: "The Civic Culture" (1963) von Gabriel Almond und Sidney Verba und "Political Culture and Political Development" (1965) von Lucian W. Pye und Sidney Verba. Obwohl ihre empirischen Daten inzwischen veraltet und ihre Methoden

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und theoretischen Ansatze vielfach kritisiert worden sind, werden sie in einschlagigen Publikationen bis heute immer wieder zitiert. 9 In der Bundesrepublik gibt es dafdr keine Parallele. Das hat gewill mit der Geschichte der Politischen Wissenschaft in Deutschland zu tun, ihrer "Verspatung" gegenliber der Politologie in anderen westlichen Landern. Das mag speziell daran liegen, da~ die vergleichende Politikforschung eher ein Schattendasein fUhrt und die Entwicklungslanderforschung sich zumeist ,von politisch-akonomischen Konzepten und Fragestellungen leiten la~t. Immerhin hat es Ansatze gegeben, das politische Kulturkonzept hierzulande einzufUhren und fUr die empirische Politologie fruchtbar zu machen. Diese Versuche liegen zehn und mehr Jahre zuriick. 10 Sie wurden zu einer Zeit unternommen, als die zweite Politologen-Generation der Nachkriegszeit dabei war, liber eine intensive und kritische Rezeption der au~erdeutschen, insbesondere amerikanischen Politologie ihre eigene Identitat und zugleich Anschlu~ an die internationale Forschungsentwicklung zu finden. 11 Doch sind diese Bemiihungen weitgehend folgenlos geblieben. Jedenfalls sucht man beispielsweise unter den zahlreichen Spezialistengruppen innerhalb der Deutschen Vereinigung fUr Politische Wissenschaft etwa nach einem Arbeitskreis "Politische Kultur" vergeblich. Systematische Untersuchungen, die dieses analytische Konzept anwenden, blieben Ausnahmen. 12 Hier scheint erst jetzt eine Wende einzutreten. 13 Das ist urn so erstaunlicher als ja gerade die deutsche politische Kultur aufgrund der zahlreichen und folgenschweren Zasuren in der neueren politischen Geschichte Deutschlands ein liberaus ergiebiges Forschungsfeld darstellt. Eine Feststellung, die fUr die Bundesrepublik ebenso zutrifft wie fdr die politischen Kulturen friiherer Herrschaftssysteme in Deutschland, wenn auch - wegen fehlender Umfragedaten - die historische politische Kulturforschung starker auf andere Quellen und Methoden angewiesen ist. Das hei~t allerdings nicht, da~ in der Bundesrepublik in den verschiedenen sozialwissenschaftlichen Disziplinen: in der Pad agogik , Psychologie, Soziologie und Politologie liber einzelne Aspekte der politischen Kultur nicht gearbeitet wUrde. Die einen beschiiftigen sich speziell mit dem politischen Wertsystem 14 und seiner bewu~tseinsma~igen Verankerung in der Bevolkerung, mit der Erfragung von politischen Einstellungen, Kenntnissen etc., 1Soder mit dem komplizierten Vermittlungsproze~ zwischen individuellem Bewu~tsein und politischem System,16 insbesondere aber mit Wahlund sonstigem politischem Verhalten. 17 Fortgeschrittene Speziali-

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sierung und Arbeitsteilung machen hier aber offensichtlich den Begriff der politischen Kultur entweder iiberfliissig oder stehen einer disziplineniibergreifenden, systematischen Anwendung dieses Konzeptes im Wege. Die anderen versuchen zwar, den gesamten empirischen Problemzusammenhang der politischen Kultur darzustellen, sie benutzen diesen Begriff aber mehr assoziativ und verzichten weitgehend auf eine systematische KHirung dieseses Konzeptes. 1 8 So gesehen scheinen zwei Moglichkeiten zu bestehen: Entweder wird das analytische Profil von politischer Kultur immer undeutlicher, so da~ mit diesem Begriff alles und nichts "erkliirt" werden kann oder es gelingt, ihn so zu priizisieren, daJl. nicht nur einzelne Elemente (Werte, Einstellungen etc.), sondern die Totalitiit des Wirkungszusammenhangs von Individuum und politischem System sichtbar gemacht werden kann. Der folgende Versuch einer kritischen Erorterung und Neubegriindung der politischen Kultur als einem politologischen Analysekonzept mochte zuniichst das nicht unerhebliche konzeptionelle Defizit verringern; er ist insofern vielleicht ein erster Schritt in die zuvor genannte Richtung. 2.

Politische Kultur: Ein politologisches Analysekonzept

2.1 Merkmale und Definitionen politischer Kultur Der Ausdruck "politische Kultur" bringt einen komplexen politisch- sozialen bzw. sozio-kulturellen Tatbestand auf einen formelhaften Begriff. Zugleich steht er fUr ein politologisches Analysekonzept, das vor allem bei empirisch-vergleichenden Untersuchungen angewandt wird. Politische Kultur bezeichnet also nicht schon etwa eine empirische Theorie politischen Verhaltens oder politischer Entwicklung. Komplexitiit und inhaltliche Unbestimmtheit kennzeichnen bis heute die giingigen Begriffsdefinitionen. Einige ausgewilhlte Beispiele mogen dies verdeutlichen. In seinem schon zitierten Aufsatz begniigte sich Gabriel Almond !nit einer ebenso simplen wie vieldeutigen Formulierung: "Every political system is embedded in a particular pattern of orientations to political action. I have found it useful to refer to this as the political culture".19 Allgemein und so mit interpretationsbedUrftig blieb auch die Ausgangsdefinition in der beriihmten Civic Culture-Studie von Gabriel Almond und Sidney Verba, die ihrer dort entwickelten political culture-Typologie vorausging: "The political culture of a nation is the

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particular distribution of patterns of orientation toward political objects among the members of the nation".2o In der Bezeichnung und Zuordnung verschiedener empirischer Elemente der politischen Kultur sehr viel differenzierter, umfassend und doch prazise war dagegen die an lexikalischen Anspriichen orientierte Definition von Lucian Pye: "Political culture is the set of attitudes, beliefs, and seritiments which give order and meaning to a political process and which provide the underlying assumptions and rules that govern behavior in the political system. It encompasses both the political ideals and the operating norms of a polity. Political culture is thus the manifestation'in aggregate form of the psychological and subjective dimensions of politics. A political culture is the product of both the collective history of a political system and the life histories of the members of that system, and thus it is rooted equally in public events and private experiences".2 1 1m Anschlu1\ daran bemiiht sich folgende Definition zunachst urn Prazisierung einzelner analytischer Elemente:

",Kultur' soll die Gesamtheit aller Meinungen (beliefs), Einstel: lungen (attitudes) und Werte (values) bezeichnen, die in einer gegebenen Gesellschaft zu einem gegebenen Zeitpunkt anzutreffen sind. Meinungen, Einstellungen und Werte werden dabei... als auf einer ... Achse liegend angesehen, wobei ,Meinungen' die oberflachlichsten und ,Werte' die am tiefsten gehenden ,Pradispositionen ' zu Handlungen darstellen ..... So kann eine ,Meinung' in einer bestimmten Auffassung zu einem tagespolitischen Problem, eine ,Einstellung' in einer tiber einen langeren Zeitraum entstehenden Praferenz fUr eine bestimmte Partei und ein ,Wert' in dem grundlegenden Bekenntnis zu einer ,freiheitlichen Gesellschaftsordnung' bestehen".22 1m Rahmen dieser Definitionen bewegt sich auch noch folgender, neuerer Versuch einer Systematisierung der zahlreichen und'recht verschiedenartigen Elemente bzw. Variablen der politischen Kultur:

",Politische Kultur' ist das Verteilungsmuster der Orientierungen, das die Mitglieder einer Gesellschaft gegentiber ihrem politischen System, seinen Teilbereichen, seiner Politik und ihrer speziellen Rolle in diesem System haben. Dazu gehoren u.a. politische Traditionen, Volkshelden, Images Offentlicher Institutionen, politische Verhaltensstile der BUrger und Eliten, durch die politische Ideologie artikulierte Ziele, form ale und informale Regeln der politischen 24

Interaktion und auch politische Vorurteile. Die politische Kultur umfa1.)t nicht das, was in der Politik geschieht, sondern das, was die Mitglieder der Gesellschaft dartiber denken: empirische Glaubenstiberzeugungen darUber, was vor sich geht und Ansichten tiber Werte und Ziele, die in der Politik verfolgt werden sollen".23 Auch wenn hier von politischem Verhalten ("Verhaltensstile") noch die Rede ist, verengt diese Umschreibung doch das zuvor ausgebreitete Spektrum des Problembereichs der politischen Kultur auf den mikropolitischen Aspekt individueller politischer Einstellung. Das politische Geschehen, also politisches Handeln von wem und mit welcher Zielsetzung auch immer, wird davon abgetrennt. Von diesen Definitionsversuchen, die angesichts ihres Abstraktionsniveaus, ihrer z. T. offensichtlichen Beliebigkeit bei der Aufziihlung von Merkmalen der politischen Kultur und ihrer teilweise recht einseitigen Akzentuierung mehr Fragen aufwerfen als beantworten, hebt sich folgender vorteilhaft abo Er ist urn die definitorischen Anstrengungen der akademischen Diskussion giinzlich unbektimmert und versteht unter politischer Kultur "die fUr eine Gesellschaft typischen Formen politischer Auseinandersetzungen, also sowohl typische Argumentationsmuster als auch Verhaltens- und Verfahrensweisen Einige Elemente der politischen Kultur eines Landes sind juristisch und institutionell geregelt (so etwa der Beamtenstatus, bestimmte Strukturen im Ausbildungssystem, der rechtliche Charakter von Rundfunk- und Fernsehanstalten), andere sind durch lang tradierte Verfahrensweisen bestimmt. Die wichtigsten Elemente der politischen Kultur jedoch sind nicht in geschriebenen oder ungeschriebenen institutionellen Regelungen enthalten, sondern in den giingigen Anschauungsund Verhaltensweiseno (Hervorh./P.Ro) Die Traditionen der politischen Kultur eines Landes sind deshalb so einflu1.)reich, weil sie fest in den Sozialisationsstrukturen verankert sind, sie kommen von den Eltern auf die Kinder, von den Lehrern auf die Schiller und sie werden weniger durch Unterweisung als vielmehr durch die Erfahrung konkreter alltiiglicher Verhaltensweisen verrnittelt. Deshalb setzen sie sich fort, sofern nicht durch einen grundlegenden Wandel gesellschaftlicher Bedingungen neue gesellschaftliche Praktiken und Verhaltensweisen hervorgebracht werden". 24 0

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Die hier beispielhaft aufgefUhrten Definitionen lie1.)en sich beinahe beliebig erweitern. 25 Ausdruck der begrifflich-konzeptionellen Unsicherheit und Unbestimmtheit in diesem Bereich? Ja und Nein. Folgt man niimlich diesen und anderen einschliigigen Defini-

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tionen, dann zeigt sich, da~ jenseits alIer subjektiven Akzentsetzungen der verschiedenen Autoren eine weitgehende Dbereinstimmung liber die definitorisch notwendigen Merkmale politischer Kultur besteht, wahrend die Auffassungen liber die definitorisch hinreichenden Merkmale von politischer Kultur auseinandergehen. Faftt man sie zusammen, dann Iaftt sich politische Kultur umschreiben als die Verteilung von politischen Kenntnissen, politischen Wertiiberzeugungen, politischen Einstellungen und politischen Verhaltensweisen innerhalb der Bevolkerung einer Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt. Diese analytischen Differenzierungen sind jedoch nur ein erster, notwendiger Schritt der Explikation dieses Konzepts. Denn ohne eine theoretisch begrUndete Zuordnung von Wertiiberzeugungen, Einstellungen und Verhaltensweisen und bestimmten politischen Objekten ist eine politische Kulturanalyse einer Gesellschaft schwerlich moglich. Zu den Inhalten politischer Kultur zahlen - ohne Anspruch auf Vollstandigkeit - politische Traditionen, politische Identifikationen, politisches Rollenverstandnis, Images Offentlicher Institutionen, politisches Verhalten und Verhaltensstile der verschiedenen sozialen Klassen bzw. soziokulturellen (religiosen, ethnischen, regionallandsmannschaftlichen etc.) Gruppen, form ale und informale Verfahren im politischen Prozeft, insbesondere speziflsche Konflikt- und Problemlosungsstrategien, Einstellungen zu den Grundwerten einer Gesellschaft, Kenntnisse politischer Zusammenhange, politische Vorurteile, aber auch Bewertungen von Zielen und Ergebnissen der Politik. Eine solche, eher additive Definition kann allerdings liber eine erste Vorstellung von politischer Kultur hinaus noch nicht befriedigen, geschweige denn forschungspraktische Beachtung finden.

2.2 Civic Culture: Die anglo-amerikanische Variante als Prototyp westlicher politischer Kultur? Bei ihren Bemiihungen um eine forschungspraktisch taugliche Operationalisierung der politis chen Kultur sind Almond/Verba in ihrem Flinf-Lander-Vergleich einen anderen Weg gegangen. 26 Ihnen ging es wesentlich um eine Dynamisierung dieses Konzeptes, die in dem Versuch einer Klassifizierung verschiedener Entwicklungsstufen der politischen Kultur ihren Niederschlag fand. "Entwicklung" operationalisierten sie liber das Kriterium der "Sakularisation", worunter sie zweckrationales Handeln und empirischanalytische Orientierungen verstanden. Objektspezifisch differenzierten sie zunachst zwischen politischen Orientierungen, die sich

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a) auf das politische System als Ganzes, b) auf den "input" (Interessenverbande, Parteien; Forderungen an das und Untersttitzungsleistungen gegeniiber dem System), c) den "output" (Gesetze; Verwaltungshandeln; Steuerung des okonomischen Systems) und d) auf das eigene Ich als Teilnehmer am politischen ProzeB richten (Kenntnisse der eigenen Rechte und Pflichten, politische Partizipationsbereitschaft u.a.) Je nach Intensitat (O=schwach; I =stark) und Differenzierungsgrad (a-d) der politischen Orientierungen werden drei Idealtypen politischer Kultur unterschieden: die parochiale ("parochial") Kultur (0), die bei geringer Systemkomplexitat und kaum entwickelter Rollenspezialisierung nur schwach ausgebildete, diffuse politische Orientierung kennt; die Untertanen- ("subjective") Kultur (lja+c), in der sich ausgepragte politische Orientierungen auf die als funktional spezialisiert wahrgenommene politisch-administrative Autoritat ihre Leistungen und Anspriiche beschranken, wiihrend fUr die partizipative ("participant") Kultur (lja,b,c,d) ein aIle Objektfelder einschlieBendes, voll ausdifferenziertes Orientierungsmuster gegeben ist. Almond und Verba sind jedoch bei dieser mehr idealtypischen Klassifikation, die den Eindruck der Homogenitat der verschiedenen Typen politischer Kultur erweckt, nicht stehen geblieben. Ihnen kam es vor allem darauf an, ein analytisches Konzept zu entwickeln, das die Dimension des kulturellen Wandels und der politischen Entwicklung beriicksichtigt und empirisch-vergleichender Untersuchung zuganglich macht. Dabei ging es auch urn das Problem, daB in Zeiten schnellen oder plOtzlichen soziokulturellen Wandels eine Dbereinstirn mung zwischen politischer Kultur und politischem Herrschaftssystem nicht besteht. Eine Sichtweise, die voraussetzte, daB - idealtypisch gesprochen - die parochiale, Untertanen- und partizipative Kultur weitgehend in traditionalen, zentralistisch-autoritiiren und demokratischen politischen Strukturen ihre Entsprechung finden. In der realen politisch-kulturellen Entwicklung wird jedoch eine Form der politischen Orientierung nicht einfach durch eine andere ersetzt. Die Untertanen-Kultur etwa loscht die diffusen Orient ierungen auf die primaren und vertrauten Strukturen lokaler Sozialverbande nicht aus. Vielmehr fiigt sie den auf die Familie, das Dorf, die Stammesgruppen und die religiose Gemeinschaft gerichte27

ten Orientierungen eine neue, spezielle Untertanen-Orientierung auf die zentralen Herrschaftsinstitutionen hinzu. Ebensowenig ersetzt die partizipative Kultur die Orientierungsmuster der parochialen und Untertanen-Kultur. Die partizipative Kultur ist ein neues soziales Element, das die iilteren Formen ersetzt, neben sie tritt und/oder sich mit ihnen verbindet. Insofern mu~ man zwei Aspekte kultureller Heterogenitat unterscheiden. Der BUrger ist charakterisiert durch parochiale, partizipative und Untertanen-Orientierungen und dementsprechend la~t sich die "civic culture" als eine besondere kulturelle Mischform beschreiben, eine Gesellschaft, deren Mitglieder parochiale, Untertanen- und BUrger-Orientierungen und Verhaltensweisen aufweisen. Wie Almond und Verba weiter ausfiihren hat die Frage der Ubereinstimmung/NichtUbereinstimmung zwischen politischer Kultur und politischem Herrschaftssystem deshalb so gro~s Gewicht, weil es zahlreichen politischen Systemen nicht gelungen ist, diese Ubereinstimmung dauerhaft herzustellen, nicht selten urn den Preis des Zusammenbruches eines politischen Systems, was sich u.a. am Beispiel der Weimarer Republik, ihrem Scheitern und dem Aufstieg der faschistischen Diktatur aufzeigen la~t. Wie das folgende Schema zeigt wird hier jedoch Ubereinstimmung/NichtUbereinstimmung zwischen politischer Kultur und politischem System lediglich formal bestimmt. Eine solche Kongruenz liegt bei stark oder allgemein positiver Orientierung in kognitiver, emotionaler und wertender Hinsicht vor. Apathie und Entfremdung bezeichnen entsprechend Stadien der Aufl6sung dieser Ubereinstimmung: Tab. 1.' Ubereinstimmung/NichtUbereinstimmung zwischen politi-

scher Kultur und Struktur

Kognitive Orientgn. Emotionale Orientgn. Wertende Orientgn.

+

o

Dbereinstimmung

Apatbie

Entfremdung

+ + +

+ 0 0

+

=hohes

Malb von Bewu1.\tsein, hohe Intensitiit gefiihlsm~iger Bindung und positiver Bewertung politischer Objekte. =Hohe Intensitiit negativer Geftihle und Bewertungen. =Stark ausgepriigte Indifferenz.

Quelle: Almond/Verba, Civic Culture, 1963, 21.

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Insofern kann dieses Schema auch als eine Charakterisierung von Stabilitiit/lnstabilitiit politischer Systeme gelesen werden. Wiihrend die linke Spalte einen Zustand ausgepriigter politischer Stabilitiit beschreibt, zeigt die mittlere und die rechte Spalte politische Instabilitiit an: Die politischen Strukturen sind zwar bekannt, aber die gefiihlsmiii)ige Bindung an die und die Bewertung der politischen Institutionen sind indifferent oder gar negativ. Almond und Verba riiumen . ein, dai) diese Matrix das historisch aui)erordentlich viel·gestaltige P.hiinomen politisch-kulturellen Wandels allen falls ansatzweise erfassen kann. Immerhin inspirierte sie der Versuch, das Problem von Stabilitlit und Wandel, das Mit- und Gegeneinander verschiedener politischer Kulturen in einem politischen System theoretisch zu kliiren, zu einer weiteren, "realistischen" Typologie. Eine Typologie sog. systemischer Mischtypen, die dadurch entsteht, dai) jeder der drei "reinen" Typen mit jedem anderen Typ kombiniert oder verrnischt wird: 2 7 die parochiale-Untertanenkultur ("Parochial-Subject Culture") hier hat ein erheblicher Teil der BevOlkerung die ausschliei)lichen AnsprUche der Stammes-, Dorf- oder Feudalherrschaft zurUckgewiesen und Loyalitiit gegenliber einem schon komplexeren politischen System entwickelt, das liber spezialisierte und zentrale Herrschaftsstrukturen verfiigt. Die Entstehung von Konigreichen aus vet:hiiltnismiii)ig undifferenzierten lokalen/regionalen Einheiten ist der klassische Beispielfall. Allerdings gestaltet sich der kulturelle Wandel von parochialen zu staatsbUrgerlichen Orientierungsmustern schwierig und recht unterschiedlich. Der Gegensatz zwischen preui)ischem und britischem Absolutismus gibt ein interessantes Beispiel. Wiihrend etwa in Preui)en die UntertanenHaltung sHirker ausgepriigt gewesen sein dUrfte als die parochiale Orientierung, hat in Groi)britannien wahrscheinlich ein groi)eres Gleichgewicht zwischen beiden bestanden. Dies ist auch an den unterschiedlichen Images der Herrschaftsverhiiltnisse abzulesen. Spricht man auf der einen Seite von "Kadavergehorsam", so auf der anderen yom selbstbewu1.)ten, aber auch loyalen Landedelmann, Kaufmann und freien Bauern. 1m Uhterschied zu Groi)britannien wird Preu&n wahrscheinlich politisch-kulturell stark gepriigt durch die Polarisierung zwischen fortbestehender parochialer Subkultur (insbes. in der Bauernschaft der ostdeutschen Provinzen) und einer spezifischen Untertanenkultur jener Bevolkerungsteile bzw. Berufsgruppen, die besonders unter dem Einflui) des preui)ischen Absolutismus standen bzw. ihn historisch

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profiliert haben: den Beamten der Biirokratie Preu~ns und den Sold at en seiner Armee. die partizipative Untertanenkultur ("Subject-Participant Culture"). Das wichtigste Problem, das im Proze~ der Nationenwerdung gelost werden mu~, ist die Ausbildung nationaler Identitiit und Loyalitiit in der Bevolkerung gegeniiber der Zentralgewalt. Wenn dabei parochiale Orientierung und lokale Autonomie nicht zerstort werden, kann das die spiitere Entstehung einer demokratischen Infrastruktur begiinstigen. Jedenfalls ist das in GroJ.).. britannien der Fall gewesen. Hier hat die durch die Insellage begiinstigte Herausbildung einer staatsbiirgerlichen Kultur lokale Strukturen und Kulturen nicht aufgelOst. 1m Gegenteil. Aus den stiidtischen Gemeinden, Religionsgemeinschaften und Vereinigungen von Kaufleuten sind die ersten Interessengruppen der sich entwickelnden britischen Demokratie hervorgegangen. Demgegeniiber hat der erhebliche Einflu~ staatlicher Macht in Preu~en solche Institutionen ins Private abgedriingt oder sie staatlicher Herrschaft unterworfen. Deshalb begann die spiiter einsetzende Periode der Demokratisierung in Deutschland mit einer erheblichen Kluft zwischen privatem und offentlichem Bereich. Dieser Typus der politischen Kultur ist dadurch charakterisiert, da~ ein erheblicher Teil der Bevolkerung politisches Interesse, Kompetenz und politische Teilnahmebereitschaft entwickelt hat, die Bevolkerungsmehrheit jedoch weiterhin an obrigkeitsstaatlicher Orientierung und politischer Passivitiit festhiilt. Mit der Folge politisch kultureller und struktureller Instabilitiit, einem Wechsel von autoritiiren und demokratischen Regierungsformen, was das franzosische, italienische und deutsche Beispiel im 19. und 20. Jahrhundert je auf seine Weise illustriert. die parochial-partizipative Kultur ("Parochial-Participant Culture"). Dieser Typus charakterisiert das' zeitgenossische Problem kultureller Entwicklung in vielen der jungen Nationen. Da bei den meisten von ihnen noch eine parochiale Kultur besteht, aber bereits demokratische politische Strukturen eingefiihrt worden sind, stehen diese Liinder vor der schwierigen Aufgabe, iiber die Entwicklung einer entsprechenden politischen Kultur ihre nationale Einheit zu behaupten oder iiberhaupt erst zu erreichen. Die in dieser Typologie zum Ausdruck gebrachte Erkenntnis der mehr oder Minder stark ausgepriigten Heterogenitiit jeweiliger po30

litischer Kulturen wird weiter dadurch differenziert, da~ Almond und Verba im Anschlu~ an R. Linton (The Cultural Background of Personality) den Terminus "Subkultur" einfUhren. Er dient dazu, zumindest zwei Arten von "subkulturellen Spaltungen" zu unterscheiden. Einmal bezieht sich dieser Ausdruck auf unterschiedliche Einstellungen gegeniiber verschiedenen Politikbereichen ("policy subcultures") bei iibereinstimmend positiver Orientierung gegeniiber dem politis chen System. Zum anderen zielt dieser Begriff auf die bei "gemischten" politischen Kulturen iibliche Spaltung in der Bevolkerung hinsichtlich der akzeptierten bzw. favorisierten Regierungsform. Vor dem Hintergrund dieser analytischen Differenzierungen und Typologisierung ist die Kreation jenes politisch-kulturellen Mischtyps zu sehen, den Almond und Verba "civic culture", Biirgerkultur, genannt haben. Mit den zuvor genannten Typen politischer Kultur hat sie historisch wie systematisch gesehen viel gemeinsam. Den Typus, der ihr am nachsten kommt, gleichsam die radikale und ideale Version, nennen Almond und Verba die rational-aktivistische Kultur ("rational-activist culture"). Hier handelt der Biirger ebenso rational wie informiert, nach allgemeinen Prinzipien und aufgrund seines kalkulierten Selbstinteresses - ein input-orientiertes Modell rational motivierter politischer Partizipation. 1m Modell der "civic culture" ist dieses Element zwar ebenfalls vorhanden, aber durch zusatzliche Faktoren wie Passivitat, Traditionalismus und politische Indifferenz, d. h. durch eine Reihe nicht-politischer, sozialer Normen und Einstellungen gleichsam ausbalanciert. Die "civic culture" ist also keine moderne Kultur, vielmehr eine, die Modernitat mit Traditionalismus erfolgreich kombiniert hat. Ein anschauliches Beispiel fUr eine s0lche Entwicklung gibt Groillbritannien. Man kann die Entwicklung der britischen politischen Kultur 28 verstehen als das Produkt einer Serie von ZusammenstOillen zwischen Modernisierung und Traditionalismus. Zusammenstoille, die heftig genug waren, sozialen und politis chen Wandel zu bewirken, aber eben nicht so heftig, daill sie zu Desintegration und Polarisierung gefUhrt h1itten. Teilweise bedingt durch seine insulare Sicherheit war Groillbritannien, als es in das Zeitalter nationaler Einigung und des Absolutismus eintrat, in der Lage, ein groilleres Maill an aristokratischer, lokaler und korporativer Autonomie zu gewahren und aufrecht zu erhalten, als dies auf dem europaischen Kontinent moglich war. Die Loslosung der Kirche von Rom und die Arif1inge von re31

ligiOser Toleranz waren ein erster Schritt der Sakularisierung. Ein zweiter, ebenso wichtiger, war der Aufstieg einer neuen sozialen Klasse, der Unternehmer und Kaufleute, mit der sich Hof und Aristokratie verbanden, da sie sich selbst in Handel und Gewerbe engagierten. Auf diese Weise hat sich unter den britischen Eliten eine politische Kultur entwickelt, die feudalistisch-traditionale und parlamentarisch-demokratische Elemente in sich aufnahm und integrierte. Wichtige Voraussetzung dafiir, da~ sich Gro~bri­ tannien mit seinem politis chen System den raschen und tiefgreifenden sozialstrukturellen Veranderungen durch die industrielle Revolution im 18. und 19. Jahrhundert gut angepa~t hat. Die aristokratischen Whigs gingen eine Koalition mit dem wohlhabenden Biirgertum ein, eine Koalition, die die Prinzipien der Reprasentation und Parlamentsherrschaft durchsetzte. Dabei pa~ten sich die aristokratischen und monarchischen Krafte der "civic culture" an, weil sie im' Wettbewerb mit and.eren auf Zustimmung aus dem Yolk angewiesen waren, aber auch, urn den Rationalismus der sakularen Tendenzen der Zeit zu mildern und Respekt vor der Heiligkeit der Nation und gegeniiber ihren ehrwiirdigen Institutionen zu vermitteln. Was daraus hervorging, war eine "dritte Kultur", weder traditional noch modern, aber von beiden etwas; eine pluralistische Kultur der Kommunikation und Uberzeugung, des Konsenses und der Vielfalt, eine Kultur, die Wandel ermoglicht und ihn zugleich ma~igt: die Biirger-Kultur. Dieser Typus politischer Kultur ist hier deshalb so ausfiihrlich behandelt worden, weil er mit den nach herrschender Auffassung stabilsten und funktionsfahigsten demokratischen Systemen: Gro~­ britannien und USA identifiziert, fiir die effizienteste Form der politischen Kultur gehalten und daher auch vielfach als Ma~stab zur Beurteilung bzw. als Konzept zur Analyse anderer politischer Kulturen angewandt wurde und wird. Die anglo-amerikanische Civic Culture als Prototyp westlicher politischer Kultur? Eine solche Konzeption mu~te auf ideologiekritische Einwande sto~en. Sei es, da~ der "verkiirzte" Demokratiebegriff, sei es, da~ das diffuse Politikverstandnis kritisiert wurde. Einwande, die im dritten Abschnitt dieses Kapitels erortert werden.

2.3 Zur wissenscha!tssystematischen Einordnung Die voranstehenden Ausfiihrungen haben deutlich werden lassen, es sich beim politischen Kulturansatz urn eine terminologische

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und konzeptionelle Innovation in der Politologie handelt. Allerdings verweist die moderne politische Kulturforschung, die nach den fUr Struktur, Stabilitiit und Wandel eines politischen Systems "funktional notwendigen" politischen Wertorientierungen und Einstellungen von Einzelnen, Gruppen und sozialen Klassen sowie ihrem politischen Verhalten fragt, durchaus auf eine iiltere Tradition. Denn das psychisch-soziale Korrelat politischer Institutionen steHte sich schon den Klassikern der vergleichenden politischen Soziologie wie Aristoteles, Montesquieu, de Tocqueville, Marx/Engels und Max Weber als eine Kernfrage jeder politischen Ordnung. 1m Unterschied zu ihren Vorliiufern steht den zeitgenossischen Vertretern dieses Forschungsansatzes, in dem sich die Gegenstandsbereiche insbesondere der Politologie, Soziologie und Psychologie iiberschneiden, ein hochentwickeltes methodisches und forschungstechnisches Instrumentatrium (Statistik, empirische Sozialforschung) zur Verfiigung. Politische Kultur ist daher nicht etwa als eine neue Disziplin, sondern als ein analytisches Konzept mit einem bestimmten Erkenntnisinteresse und Forschungsprogramm aufzufassen. Neben den zuvor erorterten Aspekten der Entstehung, der definitorischen Priizisierung und moglichen Operationalisierung des politischen Kulturkonzepts wirft dies zudem die Frage seiner wissenschaftssystematischen Einordnung und Abgrenzung gegeniiber verwand ten Ansiitzen auf. Es ist verschiedentlich darauf hinge wiesen worden, dai\ zu den modernen Vorliiufern der politischen Kulturforschung vor aHem die Vorurteils-, Ideologie- und Nationalcharakterstudien gehoren. 29 So ergiebig diese verschiedenen soziologischen und sozialpsychologischen Forschungszweige zum Teil auch sind, erfassen sie doch nur Teilaspekte des Problemfeldes der politischen Kultur und diese zumeist isoliert. Wiihrend jedoch die Vorurteilsforschung ein bestimmtes Einstellungssyndrom inhaltlich wie ursiichlich im nation alen wie im internationalen Rahmen zu analysieren versucht 30 und die Ideologieforschung sich mit einem spezifischen, inhaltlich mehr oder weniger konsistenten Wertsystem beschiiftigt,31 hat sich die sog. Nationalcharakterforschung als theoretisch ebenso fragwiirdig (Rassentheorie) wie methodisch unzureichend (VeraHgemeinerung und Stilisierung von Familienstrukturen und Personlichkeitsmerkmalen zum National-Charakter) erwiesen und inzwischen weitgehend selbst diskreditiert. 32 Wie oben schon angedeutet ist die Entfaltung der modernen politischen Kulturforschung wesentlich das Ergebnis veriinderter 33

Erkenntnisinteressen und neuer Fragestellungen. Sie vollzog sich in den vergangenen lahrzehnten im Rahmen der sich schnell verzweigenden und methodisch zunehmend professionalisierten Sozialwissenschaften. Nach Entstehung, Erkenntnisinteresse, Fragestellung und empirischer, d. h. historisch-politischer Gegenstandsbestimmung muB politische Kulturforschung zwar primar als politologischer Forschungszweig angesehen werden, doch ist ihre enge Zuordnung zur Soziologie, besonders aber zur Psychologie 33 nicht zu iibersehen, wie dies die schemlttische Darstellung der Verflechtung von Politologie und ihren (ausgewahlten) Nachbardisziplinen sichtbar macht (Abb. 1). Hier zeigt sich jedoch bereits, daB die politische Kulturforschung einerseits das Ergebnis kontinuierlicher Ausdifferenzierung und Verflechtung in den Sozialwissenschaften ist, sich aber andererseits der Gefahr ausgesetzt sieht, bei fortschreitender Arbeitsteilung und Spezialisierung ihre Identitat und Eigenstandigkeit, die sie ja hierzulande noch erst erringen miiBte, zu verlieren. Mit der Profilierung der vier flir die politische Kulturforschung ebenso zentralen wie speziellen Arbeitsbereiche: der politis chen Wertforschung, der politischen Sozialisationsforschung, der politischen Einstellungs- bzw. Meinungsforschung und nicht zuletzt der politischen Verhaltens- (insbes. Wahl-)forschung, ist diese Entwicklung jedenfalls schon weit fortgeschritten. 34 Sie hat einen Punkt erreicht, an dem sich nur eine Alternative aufdrangt: Entweder, diese vier Forschungszweige entwickeln sich mehr oder weniger getrennt voneinander weiter und lassen damit immer weniger ein systematisches und anschauliches Verstandnis yom Entwicklungsund Wirkungszusammenhang der politischen Kultur eines Landes zu, - oder diesem Forschungsansatz gelingt es, diese Problemfelder wieder starker als integrale Teile eines politischen Gesamtzusammenhangs sichtbar und verstandlich zu machen, was sich langfristig dann auch auf die Forschungspraxis und Wissenschaftsorganisation auswirken miiBte. (s. Abb. 1 auf Seite 35) 3. Politische Kultur: Kritik Ging der politische Kulturansatz seinerzeit aus einem politisch motivierten, spezifischen Forschungsinteresse und aus einer Kritik an der zu eng auf Staat, Nation und Verfassungsordnung fixierten politologischen Regierungslehre hervor, muB heute, angesichts veranderter Problemstellungen, langjahriger forschungspraktischer Er34

Abb. 1: Die systematische Stellung der politischen Kulturforschung in den Sozialwissenschaften Politologie bkonomie

Politische bkonomie/ Wirtschaftspolitik

(Sozial- u. Wirtschafts) Geschichte

Historische Grundlagen der Politik

Soziologie

Politische Soziologie Politische/Polit. Sozialisation ~ Pol. Werte Kultur (-forschung) ~ Pol. Einstellungen ~ Pol. Verhalten

Psychologie

Politische Psychologie

Padagogik

Politische Bildung/ Bildungspolitik

fahrungen und anhaltender Diskussion tiber Vorztige und Schwachen dieses Ansatzes, das Konzept selbst auf seine Brauchbarkeit und seine Implikationen hin kritisch befragt werden, sofern man nicht tiberhaupt auf diesen Analyserahmen verzichten will. Denn immerhin ist dieser Terminus trotz (oder gerade wegen?) seiner nun auch hierzulande wachsenden Popularitat ein schwer fa~bares Konzept geblieben.35 Schon frtih hat Sidney Verba 36 vor der Gefahr gewarnt, da~ "politische Kultur" zu einer Residualkategorie wird, die alles "erklart", was nicht durch prazisere und konkretere Faktoren etc. erklart werden kann. Ein Verzicht auf dieses Konzept ware aber ebenso voreilig wie verfehlt. Es gibt nach wie vor nur wenige Ansatze und Forschungsrichtungen, die explizit versuchen, zwischen mikro- und makropolitologischer Analyse einen Brtickenschlag herzustellen, also bei der politologischen Analyse (individuelles) politisches Verhalten auf politische Strukturen zu beziehen. 1m tibrigen pladieren auch die Kritiker dieses Konzeptes nicht fiiI seine Aufgabe, wohl aber fiiI eine tiberprtifung im Sinne einer stiirkeren Prazisierung, Erganzung und verbesserten Operationalisierung. 37 1m Mittelpunkt stehen dabei vor allem folgende Fragen:

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a) Die grundlegende Frage nach dem theoretischen Status. Dient der politische Kulturansatz primiir der (typologisierenden) Beschreibung oder der - dariiber noch hinausgehenden - empirischen Analyse komplexer sozio-kultureller Sachverhalte? b) Das Problem der verschiedenen Analyseebenen, also die Frage nach der Verkniipfung von Mikro- und Makroanalyse. Lassen sich die verschiedenen Analyseebenen verbinden, welche Probleme ergeben sich aus der Integration verschiedener sozialwissenschaftlicher Disziplinen und ihrer unterschiedlichen theoretischen Ansiitze? c) Die Frage der Offenlegung der normativen Grundannahmen und der Vermengung von empirisch-analytischen und normativwertenden Aussagen. Von welchen normativen Priimissen geht der Ansatz aus, insbesondere welcher Demokratie- und Politikbegriff liegt ihm zugrunde?

3.1 Was leistet das Konzept der politischen Kultur? Unter der polemisch-pointierten Frage: Eine Ursache auf der Suche nach ihrer Wirkung - oder was erkliirt politische Kultur? haben sich David Elkins und Richard Simeon 38 in einem ebenso kritischen wie gedankenreichen Essay mit den grundlegenden theoretisch-methodologischen Problemen dieses Analysekonzeptes auseinandergesetzt. Ihr Bestreben ist zweifach: durch eine Kritik die Schwiichen, und durch eine Revision die Anwendungsmoglichkeiten dieses Ansatzes offenzulegen: Politische Kultur ist eine kollektive Eigenschaft, sei es von Nationen, sei es von sozialen Klassen, ethnischen Gruppen, Eliten etc. Was mit diesem Konzept vielleicht erkliirt werden kann sind Differenzen hinsichtlich Art und Umfang von Handlungsoptionen zwischen solchen Einheiten. Denn Individuen haben Wertiiberzeugungen, Meinungen und Einstellungen, aber sie haben keine Kultur(en). Politische Kultur ist ein Erkliirungsansatz "zweiter Ordnung". Er ist sinnvoll und zutreffend nur in Verbindung mit institutionellen und strukturellen Erkliirungsansiitzen anzuwenden. Mit Struktur sind hier Merkmale angesprochen wie Alter, Geschlecht, Einkommen, sozialer Status etc. Gesellschaften lassen sich unterscheiden hinsichtlich der zahlenmiiBigen Verteilung ihrer Mitglieder auf die verschiedenen sozialstrukturellen Kategorien und zum anderen hinsichtlich der Auffassungen, die Individuen derselben Kategorie vertreten. 36

Politische Kultur konstituiert schlief.\lich ein weitgehend unbewuf.\tes Perzeptionsraster, das die Art und Weise der Situationswahrnehmung und -bewertung bestimmt. Diese impliziten Annahmen, die den Inhalten politischer Kultur zugrunde liegen, werden meist fUr selbstverstiindlich gehalten. Geht man von dieser Kritik aus, stellt sich die Frage, in welchem Zusammenhang und auf welche Probleme das Konzept ergiebig angewandt werden kann. Elkins/Simeon pliidieren dafUr, daf.\ es vor allem komparatistisch eingesetzt wird. Man kann mit politischer Kultur offensichtlich nicht Abweichungen innerhalb ein und derselben Einheit, beispielsweise einer Gesellschaft, plausibel machen, wenn per definitionem alle Gruppen dieser Gesellschaft an derselben politischen Kultur teilhaben, es sei denn, daJl. die eigentlichen Triiger politischer Kultur(en) subnationale oder subkulturelle Gruppen sind. Das Konzept der politischen Kultur ist nur dann noch intranational anzuwenden, wenn sich der Vergleich auf verschiedene zeitliche Phasen ein und derselben politischen Kultur bezieht (z.B. wie in der folgenden vergleichenden Analyse der politischen Kultur des Deutschen Kaiserreichs und der Bundesrepublik). Zweitens sollte der politische Kulturansatz nicht isoliert und direkt angewendet werden. Da Kultur weit zu fassen ist als der Bereich der in einer Gesellschaft gegebenen Annahmen, Grundauffassungen etc., kimn man von ihnen nicht direkt und ohne weiteres auf eine individuelle Einstellung und Handlung oder auch auf eine kollektive Entscheidung schlief.\en. Dazu ware es notwendig, daJl. sich diese allgemeinen Annahmen etc. mit besonderen Interessen, Informationen und Zielen verbinden. Die allgemeinen kulturellen Annahmen und Grundauffassungen stellen lediglich die Optik dar, durch die die unmittelbaren politischen Ereignisse und Akteure gesehen und beurteilt werden. Insofem bezweifeln Elkins/Simeon zu Recht, daf.\ das Konzept der politischen Kultur zur Analyse von Einstellungs- und Verhaltensweisen allein ausreicht. Politische Kultur ist ein wichtiger, aber eben doch nur ein Tei1(aspekt) individueller Handlung. Er definiert lediglich das Repertoire individuell verftigbarer, alternativer Handlungsmoglichkeiten. So dUrfte sich wahrscheinlich eine ,autoritiire' Personlichkeit in ihrer Sprache, ihrem Verhalten etc. erheblich von einer solchen in einem ganz anderen sozio-kulturellen Kontext unterscheiden. Gegeniiber anderen Erkliirungsansiitzen sollte "politische Kultur" daher nicht als konkurrierendes, sondem als komplementiires Analysekonzept verstanden und angewandt werden.

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Auf einer dritten Ebene kann der political culture-Ansatz wahrscheinlich gewisse Merkmale politischer Institutionen verstiindlich machen. Beispielsweise konnte die strukturelle Differenz zwischen dem britischen Kabinettsystem und dem prasidentiellen Regierungssystem der USA (auch) auf unterschiedliche, kulturell vermittelte Annahmen Uber Autoritat und Souveranitat zurUckzufUhren sein. Als bedeutsam konnte sich der political culture-Ansatz aber vor allem auf der "policymaking"-Ebene erweisen, wo er bisher so gut wie gar nicht angewandt worden ist. 39 Zumal dann, wenn der Akzent auf der kulturell vermittelten Definition politischer Themen und Alternativen liegt. So erscheint es beispielsweise unwahrscheinlich, daB mit politischer Kultur erklart werden kann, warum in einem gegebenen EntscheidungsprozeB die politik-inhaltliche Alternative A gegenUber der Alternative B den Vorzug erhielt. Das Konzept mag ailerdings hilfreich sein, zu verstehen, warum Uberhaupt nur A und B in Erwagung gezogen worden sind, wahrend C, D und E Uberhaupt nicht beachtet wurden. Daher konnte der politische Kulturansatz Ziel, Umfang und Inhalt von Regierungsaktivitaten miterklaren, denn sie sind zumindest teilweise bedingt durch die Verteilung von Auffassungen Uber die Rolle des Staates, Uber das wUnsch bare Gleichgewicht zwischen offentlicher und privater Aktivitat und das Verhiiltnis von kollektiven und individuellen Entscheidungen. Wenn es nach Auffassung von Elkins/Simeon auch noch verfrtiht ist fUr eine detaillierte Klassifikation der Typen solcher kultureller GrundUberzeugungen und Annahmen, die konstitutiv sind fUr die politische Kultur jeder Gesellschaft, haben sie mit nachfolgender Aufstellung doch eine erste Prazisierung und Systematisierung versucht. Allgemein(st)e Indikatoren politischer Kultur sind danach: 40 1. Annahmen tiber die Ordnung des Universums. 2. Vermutungen Uber die Natur der Kausalitat. 1st die Welt ziellos, ihre Existenz und Entwicklung zufiillig? Sind Ereignisse vorbestimmt? Unvermeidbar? 1st das Handeln von Menschen weniger wichtig oder wichtiger als auBermenschliche materielle Ursachen? 3. Welches sind jeweils die prinzipiellen Ziele der Politik? 4. Sollte man versuchen, Gewinne zu maximieren oder Verluste zu verringern? D.h. welche Annahmen bestehen hinsichtlich der relativen Kosten von optimistischen und pessimistischen Strategien?

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5. Wer gehort zur eigenen politischen Gemeinschaft? Hat sie einen vagen Zusammenhalt oder wird sie durch eine scharfe Wir-Sie-Unterscheidung charakterisiert? Variieren diese Abgrenzungen je nach Situation oder bleiben sie mehr oder weniger unverlindert? Wem oder was gegentiber fiihlt man sich verpflichtet? 6. Welche Typen von Ereignissen, Aktivitliten oder Institutionen werden als politisch angesehen? Wird das Politische positiv oder negativ bewertet? 7. Annahmen und Auffassungen tiber andere, ihre VertrauenswUrdigkeit etc. Offensichtlich unterscheiden sich diese hoch abstrakten Indikatoren erheblich von den konkreten deskriptiven Elementen der zuvor vorgestellten Operationalisierung politischer Kultur. Individuen, die glauben, daB alle Geschehnisse auf identifizierbaren GrUnden beruhen, werden anders denken, empfinden und handeln als solche, die meinen, daB sich die Dinge dieser Welt "einfach so" ereignen und Menschen sie weder erklliren noch verlindern konnen. Dabei werden sich Individuen, die diese Grundauffassungen vertreten, nicht automatisch fUr eine bestimmte Handlungsweise entscheiden. Ihre schlieBliche Aktivitlit oder Passivitlit hlingt ebensosehr von anderen situationsspezifischen Bedingungen, aber auch von ihrer politischen Sozialisation, von Institutionen, politischer Ftihrung etc. abo Der kausale Status dieser Annahmen ist probabilistisch nicht deterministisch. Sie konstituieren grundlegende, aber eben nur allgemeine Verhaltensdispositionen, eine Dimension, die von der bisherigen politischen Kultur-Forschung mit ihrer Akzentuierung der typologischen Beschreibung und Unterscheidung spezieller politischer Einstellungen und Verhaltensweisen allerdings nicht berucksichtigt worden ist. Die zunlichst eher skeptisch beurteilte Brauchbarkeit des politischen Kulturkonzepts ist also vor allem eine Frage seiner analytischen Komplexitlit. Sie wird im Zusammenhang des Versuchs einer normativen und analytischen Neubegrundung dieses Konzeptes eingehender erortert. Immerhin deutet sich schon hier an, daB politische Kultur einerseits je nach Fragestellung und Untersuchungsgegenstand bald als abhlingige, bald als unabhlingige Variable behandelt werden kann, andererseits und fUr sich genommen mehrere soziokulturelle Variablen integriert, zwischen denen wiederum bestimmte Abhlingigkeitsbeziehungen bestehen. 39

3.2 Politische Kultur als Verknupfung von Mikro- und Makropolitik? Mit der Frage nach dem heuristischen oder Erkliirungswert des Konzeptes der politischen Kultur steht das Problem der Verknlipfung von mikro- und makropolitischer Analyse(ebene} in einem engen Zusammenhang. 41 Doch zuniichst: Was ist gemeint, wenn von Mikro- und Makrostruktur oder -analyse gesprochen wird? Der amerikanische Politologe Heinz Eulau hat in einer grundlegenden Studie darauf hingeweisen, dafl sich der Polito loge in besonderem Mafle mit der Verknlipfung von verschiedenen Typen von Untersuchungseinheiten und ihrem wechselseitigen Einflufl beschiiftigt (z.B. dem Wirkunszusammenhang von Abgeordnetemverhalten, Parteiorganisation, Sozialstruktur und Parlament). Er hat es also gleichzeitig mit unterschiedlichen Einheiten zu tun und entsprechend mit verschiedenen Ansatzhohen und theoretischen Ansiitzen. FUr den Politologen erscheint es daher zweckmiiflig - statt von einer Mikro-Makro-Dichotomie - von einem Mikro-MakroKontinuum auszugehen. Was mikro- und was makropolitisch ist, hiingt nicht von der vermeintlich "absoluten Grofle" eines Gegenstandes ab, sondern davon, an welchem Punkt auf dem Kontinuum der Gegenstandsbereich fixiert wird. Eulau macht dies an Beispielen deutlich: Eine Nation mit Millionen von Staatsangehorigen und der aus neun Richtern bestehenden Supreme Court unterscheiden sich in dieser Hinsicht enorm in ihrer Grofle. Beide Gegenstiinde aber lassen sich mikroanalytisch untersuchen, indem man sie in ihre verschiedenen Bestandteile auflost, also empirische Bezugspunkte hinzufligt. Beide lassen sich aber auch makroanalytisch betrachten. In diesem Fall zielen Darstellung und Analyse auf Kontexteigenschaften oder die des Untersuchungsgegenstalldes selbst. Graphisch liiflt sich dies folgendermaflen darstellen:

Abb. 2: Das Mikro-Makro-Kontinuum Erweiterung der empirischen Bezugspunkte Mikropol

~-------------------------------

Verringerung der empirischen Bezugspunkte

Quelle: Euiau, Heinz: Micro-Macro Political Analysis. Accents ofInquiry, Chicago 1969, 18.

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Makro-

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - pol

Diese allgemeinen Hinweise erscheinen angebracht, weil die Einfiihrung des Kulturbegriffs in die Politologie ebenso attraktiv wie verwirrend war und mit der intendierten Verkntipfung von Mikro- und Makropolitik bzw. -analyse ein Problem aufwarf, welches in der traditionellen Politologie gar nicht bestand. Denn Politik oder politisches Handeln wurde hier gleichgesetzt mit den Funktionen, der Dynamik in den Beziehungen von Parteien, Verbanden, Regierungen, Nationen etc. Die allgemeine Auffassung war (und ist), daE politische Institutionen selbstandige Eigenschaften haben, getrennt von den Eigenschaften der in diesen Institutionen tatigen Personen(gruppen). Die "behavioralistische Revolution" kehrte diese Tendenz urn und stellte die zentrale Bedeutung des politischen Verhaltens von Individuen fiiI die politologische Analyse heraus. Der damit erhobene, tiber die bisherigen politologischen Fragestellungen hinausweisende Anspruch, namlich ausgehend von einem individuenorientierten Politikverstandnis den soziokulturellen (-psychischen) Kontext mit dem politisch-institutionellen System zu verkntipfen, warf und wirft nicht unerhebliche neue Probleme auf: Wie ist es moglich, in eine Disziplin, die doch letztlich mit Makrostrukturen zu tun hat, Einsichten der Psychologie richtig einzubeziehen?42 Lassen sich Individuum und System tiberhaupt theoretisch verkntipfen, wenn das Konzept der politischen Kultur einem struktur-funktionalen oder systemtheoretischen Modell verpflichtet ist? Beide sind Makrotheorien, die von Annahmen tiber Funktionen von Institutionen (Integration, Stabilitat, Regierbarkeit etc.) bzw. tiber Systemeigenschaften ausgehen. Intrapsychische Prozesse und politisches Individualverhalten kommen in ihnen nicht VOT. Wenn aber das Verhaltnis von Mikro- und Makropolitik ungeklart ist, kann es leicht zu Trugschltissen kommen. Sei es, daE von Eigenschaften ,kleiner' Einheiten auf die Eigenschaft der Einheit geschlossen wird, die sich aus ihnen zusammensetzt, so daE beispielsweise aus dem unbestandigen Verhalten der einzelnen Gruppenmitglieder die Unbestandigkeit der Gruppe insgesamt gefolgert wird. Unbestandig bedeutet dabei auf beiden Ebenen etwas anderes: Bezogen auf das Individuum ist ein Personlichkeitsmerkmal gemeint; bezieht man Unbestandigkeit auf die Gruppe selbst, handelt es sich urn das Binnenverhaltnis der Gruppe, also die Struktur der Beziehungen zwischen den Gruppenmitgliedern, oder urn das AuEenverhaltnis der Gruppe, (sog. individualistischer FehlschluE). Sei es, da~ - umgekehrt - makrostrukturelle Eigenschaften mit Hilfe von anthropomorphen (=vermenschlichten) Kategorien auf Eigenschaften von 41

Individuen zuriickgefilhrt werden, wie das bei den ebenso fragwiirdigen wie im Rahmen von politischen Feindbildern wirkungsvoIlen Nationalcharakter-Beschreibungen geschieht. Hier wird beispielsweise von der begrtindbaren FeststeIlung, daB Deutschland faschistisch, rassistisch, autoritar und militaristisch gewesen ist, darauf geschlossen, daB aIle Deutschen Nazis und Militaristen waren. Oder - urn ein anderes Beispiel zu nennen - es wird von der begrtindbaren Bewertung, daB das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung ungerecht sei, auf die Ungerechtigkeit der Verfassungsrichter geschlossen (sog. okologischer oder Gruppen-FehlschluB). In diesem Zusammenhang ist schlieBlich noch das Problem der Reifikation zu nennen, bei der Begriffe und theoretische Konstrukte (z.B. Rolle) zur Analyse und Interpretation von Interaktionen in falscher Konkretisierung wie natUrliche Ganzheiten angesehen werden. 43 Die Erorterung des Verhaltnisses von Mikro- und Makropolitik konzentriert sich also vor aIlem auf das Problem, die LUcke zwischen diesen beiden Polen zu schlieBen. Vereinfacht gesprochen lassen sich zwei Vorgehensweisen unterscheiden: Die eine beginnt auf der politischen Makroebene und thematisiert die psychologische Dimension eher implizit. Die struktur-funktionale und systemtheoretische politische Kulturanalyse - wie wir sie bei Almond, Verba u.a. finden - geht nun von einer stets prekaren Gleichgewichtslage (z.B. zwischen geseIlschaftlichem ,input' und politisch-administrativem ,output ') und unsicheren Systemstabilitat aus. Daraus resultieren weitreichende Vorgaben filr den politis chen SozialisationsprozeB. "Sozialisation meint in dieser Konzeption nicht soziales Lernen im allgemeinen, sondern Rollenlernen; zweitens, dieses Rollenlernen ist konzipiert als ein ProzeB der Vermittlung von Werten im Sinne von diffusen positiven AttitUden ("civic attitudes"/P .R.) und sehr allgemeinen Verhaltensdispositionen; drittens schlieBlich werden diejenigen Aspekte sozialen (politi~chen) Lernens vernachlassigt, die sich auf politisches Alltagsverhalten, konkrete politische Handlungsmoglichkeiten und die Artikulation partikularer Interessen beziehen."44 Hinzu kommt, daB die funktionalistische und systemtheoretische politische Kulturanalyse nicht erklaren kann, wie die filr erforderlich gehaltenen Einstellungen und Verhaltensformen zustandekommen. Dazu benotigt sie irgend eine psychologische Sozialisationstheorie. Lehner und Wehrli haben allerdings nachdriicklich darauf hingewiesen und im einzelnen dargelegt, daB die VerknUpfung von psychologischen Theorien und Systemtheorie kaum moglich ist und insbesondere bei der Psychoanalyse scheitern muB, 42

da diese eine Konflikttheorie, die Systemtheorie aber eine Konsenstheorie ist. 4 5 Der andere Ansatz beginnt mikroanalytisch bei der Entwicklung der individuellen Personlichkeit und begreift das soziopolitische Umfeld ebenso als ihre Manifestationen wie er davon ausgeht, daB das Individuum immer schon durch dieses System sozialisiert wird. Ein solcher Ansatz liegt jenen Studien zugrunde, die sich mit dem Wirkungszusammenhang von Personlichkeitsstruktur und -entwicklung, offentlicher Meinung und Vorurteilen beschiiftigen, wie beispielsweise in der beriihmten Untersuchung von T. W. Adorno u.a. tiber die autoritiire Personlichkeit. 4 6 So wird begreiflich, daB die politische Kulturforschung zur SchlieBung der Lticke zwischen Individualverhalten und Herrschaftssystem auf die komplexen Prozesse der politischen Sozialisation verc und auf die Konzepte und Erkenntnisse der politischen Sozialisationsforschung als ihrem komplementiiren Forschungszweig angewiesen ist. 4 7 Denn politische Sozialisation schlieBt beides ein: Die frtihe Entwicklung und psychisch-kulturelle Vorformung des Individuums (entsprechend seiner sozialstrukturellen Einbettung: sozialen Klassen-, Religionszugehorigkeit etc.) und die spiitere Vermittlung bzw. Aneignung spezifischer politischer Kenntnisse, Einstellungen, und Verhaltensweisen, die sich direkt auf das politische System beziehen. Politische Sozialisation repro9uziert oder veriindert politische Kultur und vermittelt das Individuum tiber kollektive Einheiten mit dem politischen System. DaB diese Vermittlung vor allem die Alltagswelt des Individuums betrifft, steht auBer Frage. Politische Kultur- bzw. Sozialisationsforschung richtet daher zur Verkntipfung von Mikro- und Makropolitik ihr Auge'lmerk auf Formen und Inhalte der ,Politik im Alltag'.

3.3 Politische Kultur: Bedingung filr Systemstabilitiit oder gesellschaftliche Demokratisierung? Die Kritik an der politischen Kulturforschung hat nicht nur die analytisch-konzeptionellen Schwiichen hervorgehoben, sondern auch und zu Recht auf die normativen Annahmen hingewiesen, die zumeist implizit und unkritisch in die Anwendung dieses Konzeptes einflieBen. 48 Solche normativen 1m plikationen sind selbst mit dem soziologischen Kultur-Begriff verbunden und verweisen auf 43

die Geschichte politisch-soziologischer Theoriebildung. Denn Kultur und analoge Konzepte sind bis heute wesentlich durch die sog. "Normative Schule" des 19. Jahrhunderts gepragt worden. Sie geht davon aus, daB soziale Verbande wie beispielsweise Gruppen oder ganze Gesellschaften durch die ihnen jeweils gemeinsame Kultur charakterisiert werden konnen. Die Kultur kommt u.a. in symbolischen Sinndeutungen zum Ausdruck und stiitzt sich auf eine fest verwurzelte Wertbindung der Mitglieder eines solchen sozialen Verbandes, wesentliche Voraussetzung dafiir, daB zwischen den Mitgliedern einer Gesellschaft ein Konsens zustande kommt, der wiederum soziale Desintegration verhindert bzw. verhindern solI. Als zweitrangig oder gar unerheblich gilt demgegeniiber die Einsicht, daB soziale Ordnung das Ergebnis von Zwangsgewalt und/oder Eigennutz bzw. individuellem oder kollektivem Interessenkalkiil ist. Dariiber hinaus zielt diese "Kultur"-Kritik heute auf den umgangssprachlichen Bedeutungsgehalt des Begriffes "Kultur", wie er im Fortgang der deutschen Geistes- und Sozialgeschichte - als Inbegriff von Bildung: Kunst, Literatur, Musik und Theater - selbst zu einem Wert-Begriff geworden ist, abgehoben yom Begriff der Zivilisation und der Alltagswelt. 4 9 Demgegeniiber hat der anglo-amerikanische culture-Begriff diese Idealisierung nicht erfahren, sondern einen pragmatischniichternen Sinn behalten und seinen direkten Bezug zur historischempirischen Alltagswelt nicht verloren. 5 0 Mit dem zuvor genannten Aspekt steht eine zweite normative Implikation des Konzepts der politischen Kultur im Zusammenhang. Sie kommt in der Tendenz zum Ausdruck, Ideen, Werte, Symbole etc. als unabhiingige Variablen anzusehen, beispielsweise bei der Darstellung und zum Verstandnis politis chen Handelns oder gar zur Erklarung sozialen Wandels. Kritiker dieser Betrachtungsweise finden ihre konsequentesten Vertreter bekanntlich in Marx und Engels, denen zufolge Ideen, Werte etc. letzlich Epiphanomene sind. Ein Aspekt also, der auf das alte und doch ungeloste Problem des Verhaltnisses von Basis und Dberbau verweist. Ein Problem allerdings, daB hier weder in seinen wissenschaftlich-theoretischen noch in seinen historisch-gesellschaftlichen Beziigen ausgebreitet werden kann. 5 1 Zu den normativen Implikationen der politischen Kulturforschung sind allerdings nicht nur der vor allem in Deutschland zugleich verengte und wertbesetzte Kulturbegriff und die Frage nach

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dem kausalen Status von Ideen, Werten und Symbolen zu rechnen. Hierzu gehort auch und nicht zuletzt das dem politischen Kulturkonzept zugrunde gelegte Demokratieverstiindnis. 5 2 Wenn auch dem politischen Kultur-Ansatz in empirisch-analytischer Hinsicht ein innovatives Moment nicht abgesprochen werden kann, wegen seines restriktiven Demokratiebegriffs erweist er sich in normativer Hinsicht als eher konservativ. Ais restriktiv kann der Demokratiebegriff der politischen Kulturforschung deshalb bezeichnet werden, weil politische Partizipation und Sozialisation im Hinblick auf politische Integration und Stabilitiit definiert, also ausschlie~lich unter dem Gesichtspunkt ihrer Funktionalitiit fUr iibergeordnete Systemziele gesehen werden. Da~ basisdemokratische Prozesse, da~ organisiertes oder spontanes Protestverhalten von Minderheiten in diesem Konzept unberiicksichtigt bleiben oder a priori unter stabilitiitsgefiihrdenden Faktoren subsumiert werden, kann kaum iiberraschen. Ais problematisch mut.) deshalb vor allem der Umstand gewertet werden, da~ der politische Kultur-Ansatz das Individuum eben nicht interessen- und handlungstheoretisch, sondern systemanalytisch begreift, eben blo~ nach den fUr Stabilitiit oder gesteuerten Wandel des politischen Systems funktional notwendigen Wertiiberzeugungen, Einstellungen, Verhaltensformen und Sozialisationsprozessen fragt. Die impliziten Vorbehalte der politischen Kulturforschung gegeniiber gesellschaftlicher Demokratisierung und Politisierung kommen auch darin zum Ausdruck, da~ sie - systemtheoretisch orientiert - nicht in der Lage ist, einen system"kritischen" Schwellenwert zwischen funktionaler und dysfunktionaler Partizipation anzugeben (wobei hier "kritisch" eben nicht von Kritik, sondern von Krise kommt!). In bezeichnender Ambivalenz und Unbestimmtheit hei~t es von dem ,civic man' lediglich, da~ sein Verhalten rational, informiert und durch kalkuliertes Selbstinteresse bestimmt sein solle, zugleich aber auch durch Passivitiit, Traditionalismus und politische Indifferenz. Wird die civic culture als Prototyp westlicher politischer Kultur propagiert, kann nur noch untersucht werden, in welchen Liindern dieser Typus und inwieweit er realisiert ist. Da die empirischen Merkmale der "civic culture" der amerikanischen Demokratiegeschichte entnommen sind, kann das Ergebnis nicht iiberraschen: Der "civic man" ist eher amerikanisch oder britisch als italienisch, mexikanisch- oder deutsch. Da zur amerikanischen Demokratiegeschichte aber beides gehort: eine lange Tradition und ein 45

hohes MaB individueller (materieller) Freiheit und realer Demokratie einerseits, sowie Rassismus gegeniiber Indianern und Afrikanern und McCarthyismus andererseits, hat Heide Gerstenberger kiirzlich zu Recht vor den Gefahren einer "komparativen Begriindung des kritischen Begriffs der politischen Kultur" gewarnt. Denn auf diese Weise "kann eine undiskutierte Orientierung an anderen Formen von Herrschaftsausiibung in die Analyse Eingang finden ,,5 3 , zumal dann, wenn es sich dabei urn die sog. Vorbilddemokratien westlicher Provenienz handelt. Unbestritten zielt das erkenntnisleitende Interesse der empirischvergleichenden politis chen Kulturforschung auf die Bedingungen von Stabilitiit und Anpassungsfiihigkeit des jeweils untersuchten politischen Systems. Stabilitiit und Anpassungsfiihigkeit sollen dabei iiber einen historisch und national/regional jeweils spezifischen, niimlich den sozialokonomischen Verhiiltnissen angemessenen Typus politischer Kultur (und Herrschaft) hergestellt und/oder gewiihrleistet werden. 1m Mittelpunkt steht dabei das Problem der nationalen Identitiit - die politisch-kulturelle Version des allgemeinen entwicklungspsychologischen Problems des individuellen Identitiit. Die Herausbildung und der Bestand nationaler Identitiit hiingen - wie etwa das Beispiel der bis zu ihrem Ende im Schatten des wilhelminischen Kaiserreichs stehenden Weimarer Republik anschaulich macht - davon ab, ob bzw. inwieweit es gelingt, in der Gesellschaft Identifikationen (Symbole) auszubilden und dauerhaft zu befestigen, wie beispielsweise NationalbewuBtsein, Loyalitiit etc. Parallel dazu verliiuft die Aneignung der jeweils klassen- oder gruppenspezifischen sozio-kulturellen Normen und Rollen. Wer wissen mochte, wie diese Identifikationsmuster zustande kommen oder gerade nicht, bzw. warum sie widerspriichlich bleiben (z.B. Weimarer Republik) wird sich allerdings auf eine unhistorische, systemtheoretische politische Kulturforschung kaum einlassen konnen.

4. Politische Kultur: Versuch einer Neubegriindung Der Versuch einer Neubegriindung des politischen Kultur-Ansatzes im Sinne eines heuristischen Konzeptes geht von der zuvor dargelegten Kritik an den normativen Defiziten und analytischen Schwiichen dieses Ansatzes aus. Ein Versuch, der notwendig er-

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scheint, wenn politische Kultur nicht ein "catch-all term" (L. Dittmer) werden oder als kritischer Begriff nicht Uberhaupt aufgegeben werden soll. Die Unterscheidung zwischen empirisch-analytischer und wertender Wissenschaft ist weit verbreitet und auch in der politischen Kulturforschung nicht unUblich. S4 Dabei wird das GUtesiegel "Wissenschaftlichkeit" allein strikt em pirisch-analytischer Wissenschaft zugebilligt. Wer gegen diese Unterscheidung argumentiert, da~ sie in die Irre fUhrt, weil empirische Wissenschaft - so wertfrei sie auch immer vorgehen undJoder erscheinen mag - letztlich auf normative Pramissen gar nicht verzichten kann,s 5 wird seine eigenen Wertentscheidungen und sein erkennntnisieitendes Interesse offen legen und so Uberzeugend wie moglich zu begrUnden versuchen. Dies gilt selbstverstandlich auch dann, wenn man - wie in diesem Versuch einer analytischen und normativen NeubegrUndung des politischen Kulturkonzeptes - als normative Pramissen oder Zielwerte Selbstund Mitbestimmung (Partizipation) zugrundelegt.

4.1 Begriindung des normativen Vorverstiindnisses Diese Werte haben heute immerhin den Rang von politis chen ,Grundwerten' und sind als solche verfassungsrechtlich verankert. Teilweise sind sie darUber hinaus auch in gesetzliche Normierungen verschiedener Lebensbereiche eingeflossen (z.B. Schulverfassungsgesetze, Personalvertretung und betriebliche Mitbestimmung, Stadtebauforderungsgesetz), werden hier allerdings auch wieder eingeschrankt oder ganz zurUckgenommen (Hochschulbereich). Jedenfalls erscheint die Umsetzung des Konzeptes der Partizipation aus der Sicht jener, die im Anschlu~ an die programmatischen OEeDUberlegungen S 6 Partizipation als ein qualitatives Element der einzelnen Lebensbereiche auffassen und entsprechend gesamtgesellschaftliche Demokratisierung anstreben, nach Umfang und Intensitat bis heute unzureichend. Dies hei~t aber nichts anderes, als dai\ die genannten ,Grundwerte' auf der konkreten gesellschaftlichen ,Ebene' umstritten sind. S 7 Erst hier wird erkennbar, dai\ und inwiefern die sog. politischen ,Grundwerte' von gesellschaftlichen Interessen und Machtpotentialen abhangen. Der Terminus ,Partizipation' (der heute vielfach fUr die mehr oder weniger bedeutungsgleichen AusdrUcke: politische Teilnahme, Teilhabe, Beteiligung oder Mitbestimmung gebraucht wird) verweist zunachst auf den Bereich der politischen Theorie im allge47

meinen und den der Demokratietheorie im besonderen. 5 8 Diese erstreckt sich in ihrer normativen Variante auf die anthropologische, sozialphilosophische etc. BegrUndung der Forderung nach politischer Teilhabe. Demokratietheoretisch kann politische Beteiligung nicht ohne weiteres schon als Wert ,an sich' begriffen werden. Denn sie wird stets in bestimmten Mittel-Zweck-Relationen funktionalisiert, sei es Uberhaupt erst zur Durchsetzung von Freiheit und Selbstbestimmung, sei es zur Legitimation/Stabilitiit von Herrschaft, also fUr ,Ubergeordnete' Systemziele. Letztere Auffassung reduziert Demokratie allerdings schnell zu einer Methode, auf ein bestimmtes politisches Verfahren. Sozialgeschichtlich gesehen stellt die Ausweitung von individueller/kollektiver Partizipation ein wesentliches Merkmal der Modernisierung (lndustrialisierung, sozialer Wandel, Demokratisierung etc.) dar. Uber die Analyse und den Vergleich zeitlich und regional unterschiedlicher Modernisierungsprozesse (vgl. z. B. Gro~britannien und Preu~en-Deutschland) hat die historische Partizipationsforschung inzwischen einen differenzierten Partizipationsbegriff erarbeitet: "Ausdehnung und Steigerung der Partizipation gesellschaftlicher Gruppen ist ... im Verlauf der Modernisierung traditioneller Gesellschaften einmal ein quasiautomatischer Proze~, der sich in der regelm~ig einsetzenden Verlagerung der gesellschaftlichen Orientierung, Interessen, Forderungen und Zielsetzungen der mobilisierten sozialen Gruppen von der Uberwiegend lokalen auf die gesamtgesellschaftliche und gesamtpolitische Ebene ausdrUckt. Eng dam it verbunden ist die Partizipationssteigerung in einer zweiten Weise: Sie besteht darin, da~ die in der bisher geschilderten Form partizipierenden sozialen Gruppen au~erdem nach Partizipation im Sinne politischer Mitbestimmung und Teilhabe streben. Diese zweite Richtung der Partizipationsausweitung war aber in der Regel von den sich neu formierenden gesellschaftlich und politisch zumeist stark benachteiligten Gruppen zu erkiimpfen ... ,,59 . Seine besondere Eignung im Rahmen des analytischen Konzeptes der politischen Kultur gewinnt dieser Partizipationsbegriff dadurch, da~ er sowohl die Bewu~tseins- als auch die Verhaltensebene erfa1\t, zwei Variablen, die im Konzept der politischen Kultur in einem engen Wirkungszusammenhang stehen. Nicht minder bedeutsam ist die historisch-kritische Qualitiit dieses zweiseitigen Partizipationsbegriffs, stellt er doch einerseits die Unvermeidlichkeit der mit fortschreitender Industrialisierung zu-

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nehmenden Politisierung heraus, urn andererseits auf die strukturell begriindete Ungleichzeitigkeit von Massen-Mobilisierung und Demokratisierung zu verweisen, woflir die historisch-politische Entwicklung in Deutschland yom Kaiserreich, Uber die Weimarer Republik bis zum Faschismus ein so anschaulich-erschreckendes Beispiel ist: "Gesteigerte Mobilisierung und Interessenartikulation konnte bei bestimmten gesellschaftlichen Gruppen auch ohne eine Partizipationssteigerung in dem gekennzeichneten zweiten Sinne erfolgen ... Politische Beteiligung bedeutete statt dessen bei diesen Gruppen fast ausschlie~lich einseitige Interessendurchsetzung sowie die Bekiimpfung eines Systems, das den pluralistischen Interessenausgleich beinhaltete". 6 0 So Hi~t sich die Entscheidung flir Partizipation und Demokratisierung als vorrangiger Wertorientierung des politis chen Kulturkonzepts theoretisch mit den Prinzipien der politischen Selbstbestimmung (als Vermeidung von Entfremdung und im Gegensatz zu Fremdbestimmung) und Selbsttiitigkeit (im Gegensatz zu Versorgung und Apathie) begrUnden. Eine BegrUndung, die durch sozialgeschichtliche Tatbestiinde und Interpretatione~ noch gestUtzt und nicht zuletzt durch einschliigige empirische Untersuchungen erhiirtet wird, wonach die Erweiterung und Intensivierung der Partizipation der BUrger ihre subjektive Zufriedenheit im allgemeinen erh6ht. 61 Empirisch-analytisch und normativ ist diese Position am Uberzeugendsten bisher in der "Theorie der aktiven Gesellschaft" von A. Etzioni entwickelt und begriindet worden. 62 Eine explizit partizipationstheoretische Begriindung des politis chen Kulturkonzepts verhindert zugleich, da~ politische Kultur - wie das nicht selten geschieht - auf politische Mehrheits- oder Elitenkultur reduziert wird. Vielmehr knUpft sie mit Blick auf gesellschaftliche Minderheiten und Konflikte, auf soziale Bewegungen und sozialen Wandel bewu~t an emanzipatorisch orientierten bedUrfnis-, interessen-, konflikt- und sozialisationstheoretischen Konzepten an. 1m Ubrigen erfa~t ein partizipationstheoretisch bestimmter Begriff von politischer Kultur genau jene Innenseite der Macht in den Vergesellschaftungsformen innerhalb der Verfassungsordnung und des Herrschaftssystems, die die Individualpsychologie nicht erreicht und die politologische Makroanalyse verfehlt. Mit der Einbeziehung des intermediiiren Bereichs, des Erlernens von Machtstrategien in der Alltagswirklichkeit von Schule, Familie, Betrieb, Verein, Gemeinde etc. lii~t sich die LUcke zwischen Mikro- und

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Makropolitik schlie~en, die oben Gegenstand der Kritik an der bisherigen politis chen Kulturforschung war. Die partizipationstheoretische Neubegriindung des politis chen Kulturkonzeptes hat also auch forschungsstrategische Vorztige. Anders als bei dem systemfunktional definierten Konzept der ,civic attitudes' ist Partizipation tiber ein ganzes Btindel von Indikatoren operationalisierbar, ohne da~ sich zugleich das Problem der Bestimmung des Schwellenwertes stellen wiirde. tIber den u. a. mittels Befragung erfa~baren Bereich der Wertorientierungen und konkreten politischen Einstellungen hinaus ist politische Kultur damit hinsichtlich einer zusatzlichen Dimension quantitativ darstellbar. Bei allen Schwierigkeiten der Datenlage (Unvollstandigkeit und Uneinheitlichkeit der Daten: amtliche Statistiken und U mfragedaten; F ehlen aggregierter Verteilungsma~e) und Datenerhebung eroffnet politische Kulturforschung ein weites Feld langfristiger und vergleichender Gesellschaftsbeobachtung. Eben mit Blick auf die politische Kulturforschung hat Roswitha Sehringer eine erste Systematik von Partizipationsindikatoren vorgestellt,63 die hier erganzt und konkretisiert wurde. Partizipation wird zunachst nach Lebensbereichen unterschieden, wobei der institutionell politische Bereich allerdings nicht mehr den erst en Rang einnimmt. Weitere partizipationsrelevante Lebensbereiche sind Arbeitswelt, Bildung, Wohnen und Umwelt, Freizeit und Konsum und nicht zuletzt der kirchlich-weltanschauliche Bereich. Innerhalb dieser Lebensbereiche wird Partizipation nach verschiedenen "Aktivitats-" oder besser: Intensitatsgraden unterschieden, denn Sehringers Aktivitatsskala reicht von "manifester" bis "latenter" Partizipation (=Partizipationsbereitschaft). Sie umfa~t Wahlakte, Organisationsaktivitat und -zugehorigkeit, Partizipationsbereitschaft, politisches Interesse und politische Kenntnisse. Urn ein anschaulicheres Bild von moglichem Umfang und moglicher Interisitat der Partizipation zu bekommen, kann man diese Partizipationsdimensionen miteinander in Beziehung setzen, wobei hier die Dimension Partizipationsintensitat im Sinne einer nach oben "offenen" Skala (schwach = Wahlbeteiligung bis stark = organisiertes/spontanes Protestverhalten) geschrieben worden ist (Abb.3). In diesem Zusammenhang verdienen daher nicht nur beispielsweise das Konzept der "Planungszelle" von Peter C. Dienel Beachtung,64 oder auch die zahlreichen anderen Versuche einer qualitativen und quantitativen Verbesserung der Btirgerbeteiligung. 6 5 Beachtung verdie50

nen vor allem auch die politischen Aktions- und Selbstverwaltungsformen alternativer Arbeitsorganisation und Lebensweise. Die ausdrUckliche Entscheidung flir Partizipation als normati" vern Bezugspunkt flir politische Kulturforschung wird vielleicht den Vorwurf auf sich ziehen, demokratietheoretisch einseitig zu argumentieren und empirisch naiv zu sein, jedenfalls hinter dem beispielsweise von LuhmannjNaschold erreichten Niveau einer "komplex en Demokratietheorie" zuriickzubleiben. In diesem Rahmen war es allerdings weder moglich noch beabsichtigt, eine empirisch gehaltvolle und normativ differenzierte Partizipationstheorie mit dem politischen Kulturkonzept detailliert zu verbinden. Es ging hier lediglich darum, dem in der empirischen politischen Kulturforschung zumeist verdeckten normativen Vorverstandnis, das aber - wie das Beispiel der "civic culture" zeigt - letztlich auf Herrschaftsstabilitat als vorrangigem Wert fixiert ist, eine explizit und uneingeschr1inkt demokratische Wertpramisse gegenUberzustellen. Ob nun Komplexitat und Demokratie (Luhmann) oder Demokratie wegen Komplexitat (Naschold): die politiktheoretische wie praktisch-politische "Vereinbarkeit" von industriegesellschaftlich-komplexen Herrschaftsstrukturen und Demokratie liegt auf der Hand. Gegen deren Stabilitatsinteresse (und dessen Betonung durch eine systemtheoretische politische Kulturforschung) bleiben aber Demokratisierungsprozesse und gesellschaftliche Basisanspriiche und -interessen historisch wie aktuell schnell auf der Strecke.

4.2 Begriindung des analytischen Konzepts Der Versuch einer Neubegriindung des politis chen Kulturkonzepts hat zwei miteinander zusammenhangende Aufgaben zu bewaltigen: Die Darlegung und Begriindung der Wertpramissen, die in den Forschungsprozei:> einfliei:>en i. S. einer expliziten Entscheidung des stets gegebenen Wert- oder Zielkonflikts. Sie mui:> erganzt werden durch eine Prazisierung des analytischen Bezugsrahmens und der in ihm verknUpftcn Variablen. Angesichts der in definitorischer Hinsicht bestehenden Unbestimmtheit und Unsicherheit erscheint es erforderlich, die oben angedeutete Vielfalt und Vielzahl empirischer Merkmale zu systemattsieren und damit zugleich WillkUr und Beliebigkeit im Umgang mit diesem Konzept zu kontrollieren. Entsprechend der hier verfolgten Intention, die politologische LUcke zwischen Individuum

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Abb. 3: Partizipationsmatrix

Partizipationsindikatoren

Gesellschaftliche Partizipationsbereiche Instit.Arbeits- Wohnen Schule Kirchl. polito welt Umwelt weltanBereich sch.Ber.

Freizeit Konsum

"Unkonventionelles" Verhalten (Pro tes tverhalten.)

Demonstrationen, Go-in, Sit-in, u. a. Formen des gewaltfreien Widerstands Schulboy"wilder Haus- u. kott; Streik" Baustellenbesetz. Schiilerstreik

Politische Aktivitiit in Organisationen

Parlamente, Parteien, polit. Vereine

Gewerk- Mitarbeit in den gesetzlich verankerten Gremien der Selbstverwaltung und Mitschaft (Betr. bestimmung und in Biirgerinitiativen rat)

Organisationszugehorigkeit

Mitgl.in Parteien pol.Vereinen

Gewerk- Mitglied in den o.g. Gremien und in Biirgerinitiativen schaft

indirekter Partizipationsindikator (Disposition)

Partizipationsbereitschaft Wahlbeteiligung

Parlamentswahlen

Betriebs- Wahlen flir vergleichbare Funktionsu.Perso- triiger in den o.g. Organisationen/Grenalrats- mien wahl

Politische Kenntnisse u.polit. Kompetenz

indirekter Partizipationsindikator (Disposition)

"Objektives" und "subjektives" pol. Interesse

indirekter Partizipationsindikator (Disposition)

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und politischem System zu schlieflen, wird die Dichotomie zwischen den Polen partizipations- und sozialisationstheoretisch aufgelost. Dadurch liif,t sich politische Kultur als ein Individuum und politisches System verbindendes Kontinuum darstellen (Abb.5). Stellt man darUber hinaus Individuum und politisches System jeweils als Mikro-Makro-Kontinuum dar und einander gegentiber, ergibt sich eine· vier-Felder-Matrix, deren Felder 2 und 3 den analytischen Bezugsrahmen des politischen Kulturansatzes definieren (Abb.4). Er liegt gewissermaf,en quer zu den Feldern 1 und 4, flillt also weder mit dem Problemfeld des politischen noch mit dem des individuellen ,Systems' zusammen. In jedem dieser vier Felder werden wiederum drei, forschungsstrategisch besonders relevante Aspekte unterschieden: die Analyseebene, der Untersuchungsgegenstand bzw. das ihm entsprechende Systemproblem und die jeder Problemdefinition zugrundeliegende Wertentscheidung. Dieses Schema erlaubt selbst noch keine Aussage tiber die Art der Abhlingigkeit der verschiedenen Variablen, die im Konzept der politischen Kultur zusammengefaf,t sind. Vielmehr stellt es den Versuch dar, die Dimensionen und Elemente der politischen Kultur in ihrer systematischen Zuordnung anschaulich sichtbar zu machen. Ein Konzept also, mit dem sich politische Sozialisation, politische Wertorientierungen, politische Einstellungen (einschlief,lich politischen Interesses, politischer Kenntnisse) und schlief,lich das politische Verhalten selbst im historisch-gesellschaftlich vermittelten Zusammenhang empirisch darstellen und analysieren lassen sollen. 1m Rahmen des vorliegenden Buches kann dieser Zusammenhang jedoch allen falls als ein heuristisches Modell skizziert und erlliutert werden. Geht man dabei im Anschluf, an Elkins/ Simeon davon aus, daf, das politische Kulturkonzept sinnvoll nicht als konkurrierender, sondern als - insbesondere in Verbindung mit der sozialstrukturellen Analyse - komplementlirer Ansatz anzusehen und anzuwenden ist, lassen sich immerhin einige Abhlingigkeitsbeziehungen der Variablen dieses Konzeptes aufzeigen. Sidney Verba und Norman Nie 66 haben in ihrer bekannten Partizipationsstudie eine Kombination aus soziologischem und sozialpsychologischem Erkllirungsansatz als "Standardmodell" zur Erkllirung politischen Verhaltens bezeichnet und zugrunde gelegt: die "civic attitudes" eines Individuums werden durch seinen sozialokonomischen Status beeinfluflt und beeinflussen selbst unmittelbar sein partizipatives Verhalten. 67 Dieses Modell ist dadurch charakterisiert, "dafl die fUr die Erkllirung als notwendig

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Abb. 4: Die analytischen Bezugsrahmen des Konzepts der politi-

schen Kultur Individuum (Mikropol) Analyseebene, Aggregatstufe des sozialen Systems

1)

a) Individuum

UntersuchungsII"lI"nstand bzw. Systemproblem

b)

Wissenschafdicher und politischer Ziel(Wert· )konflikt

c)

Personalisadon

Identitiit

3) Sozialstrukturell a) differenzierte Kollek· tive (Arbeiter, Mittelstand etc.) b) • Politische EinstellunII"n • Politisches Verhalten (Pol. Sozialisation)

z.B., c) systemfunktionale Partizipation vs. Demokratisierung

2)

4)

a) Individuum und soziokulturelles Umfeld (Fa-

a) Politisches System

milici Schule, Freundes-

gruppe etc.) b) • Politische WertorientierungeD

(Politische Soziali· sation)

z.B., c) Anpassung vs. Non· konformismus

b)

Gesamtll"sellschafd. Steuerung

z.B., c) Stabilitlt vs. Reform, Wachstum vs. Leben .. sinn u. -quaJitit: Politisches System (Makropol)

QueUe: Peter Reichel, Politische Kultur - mehr als ein Schlagwort? In: PVS, Heft 4 (1980), S. 395

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(Mikropol) Individuum

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