Die Rückkehr der Könige von Uganda: Politische Kultur und Moderne in Afrika [1. Aufl.] 9783839423844

Königen und anderen sakralen Herrschern wurde außergewöhnliches Charisma, Heilskraft und Führungsmacht zugeschrieben - s

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Die Rückkehr der Könige von Uganda: Politische Kultur und Moderne in Afrika [1. Aufl.]
 9783839423844

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Erläuterung
Einleitung
Das Königtum Bunyoro-Kitara
Revitalisierung und Erneuerung
Moderne und politische Kultur
Zur neueren Anthropologie der Königtümer
Diskurse und Dispositive der Macht
Archiv- und Feldforschung
TEIL I. HISTORISCHE DISKURSE
1. Rede und Gegenrede über Bunyoro-Kitara
Sakrales Königtum
Mission und Philanthropie
Lokale Geschichtsschreibung
Marxismus und Panafrikanismus
Kulturökologie und Kulturdemografie
Krieg, Trauma und Vernichtung
2. Geschichte, Mythen und Traditionen
Besiedlung des Zwischenseengebietes
Mythologisierung des Reiches Kitara
Historisierung des Reiches Bunyoro-Kitara
Kolonialkrieg und Mythos Kabalega
Zusammenfassung
3. Kosmologie und Geisterkulte
Kosmische Ordnung und Geisterkulte
Die Macht der Geistmedien
Mahano – sakrale Macht
Die königliche Triade
Der Körper des Königs
Die Schreine der toten Könige und der Palast des Königs
Christianisierung des Königtums
Zusammenfassung
4. Transformationen des cattle kingdoms in der Moderne
Clane und Königtum
Transformationen der Regierung
Politische Macht und Geschlecht
Land, Administration und Territorium
Militärmacht, Raub und Krieg
Krise des cattle kingdoms
Armut und Unfruchtbarkeit
Sklaverei und neuer Reichtum
Koloniale Transformationen
Zusammenfassung
5. Postkoloniale Herrschaftsdiskurse
Politik und Ethnizität – Die ‚verlorenen Gebiete‘
Streben nach Hegemonie
Die Abschaffung der Königtümer
Reziproke Assimilation der Eliten
Sozialismus und sakraler Königsmord
Militärherrschaft und Terror
Befreiungskampf und Demokratisierung
NRM und die Rückkehr der Königtümer
Zusammenfassung
TEIL II. ERNEUERUNGSDISKURSE
6. Thronfolge und Legitimation des Königs
Das Traditional Rulers Statute von 1993
Der Prozess
Unterdrückter Legitimationsdiskurs
Dominanter Legitimationsdiskurs
7. ‚Unsere Dinge‘. Besitztümer und die Materialisierung der Diskurse
Rückgabe von Besitz und Vermögen
Unveräußerbare Besitztümer, dichte Objekte
Veräußerbare Besitztümer, kommerzielle Objekte
Institutionalisierung und Finanzierung der königlichen Regierung
Diskurse der Jugend
Modernisierungsdiskurs und Dispositiv der Armut
Zusammenfassung
8. Erneuerung der Clangesellschaft.Konstituierung der Ordnung und der Subjekte
Fragmentierung der Clane
Revitalisierung der Clane und die Konstruktion von Ethnizität
Neugründung: Der Rat der Clane
Die Dynamik von Kultur
Die Distribution von Ämtern und Aufgaben
Okkultes Wissen und verborgene Macht
Rituelle Musik und performative Macht
Spirituelle Macht und kosmische Ordnung
Ordnungsmacht: Palastwache und Miliz
Zusammenfassung
9. Das Empango-Fest.Rituelle Erneuerung und Medialisierung
Ritual und Performanz
Semantik und Funktion von Empango
Die Krönung 1994
Das Empango-Fest 2000 „Rebirth of Bunyoro-Kitara“
Zusammenfassung
Schluss
Anhang
Glossar
Archive
Bibliografie
Abbildungsverzeichnis

Citation preview

Raphaela von Weichs Die Rückkehr der Könige von Uganda

Kultur und soziale Praxis

Raphaela von Weichs (Dr. phil.), Kultur- und Sozialanthropologin, ist Mitglied des Forschungszentrums »Institut de Sciences Sociales des Religions Contemporaines« (ISSRC) der Universität Lausanne. Ihre Forschungsinteressen liegen in der Religionsanthropologie, politischen Anthropologie und transnationalen Migration.

Raphaela von Weichs

Die Rückkehr der Könige von Uganda Politische Kultur und Moderne in Afrika

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2013 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Jahresfest (Empango) und königliche Rituale im Königtum Bunyoro-Kitara, Westuganda: Die Krone des Königs, Solomon Iguru Gafabusa, im Schoß der Königinmutter (Foto: Raphaela von Weichs 2000) Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-2384-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Vorwort | 9 Erläuterung | 13 Einleitung | 15

Das Königtum Bunyoro-Kitara | 17 Revitalisierung und Erneuerung | 22 Moderne und politische Kultur | 26 Zur neueren Anthropologie der Königtümer | 29 Diskurse und Dispositive der Macht | 32 Archiv- und Feldforschung | 36

TEIL I HISTORISCHE DISKURSE 1. Rede und Gegenrede über Bunyoro-Kitara | 51

Sakrales Königtum | 51 Mission und Philanthropie | 56 Lokale Geschichtsschreibung | 58 Marxismus und Panafrikanismus | 61 Kulturökologie und Kulturdemografie | 63 Krieg, Trauma und Vernichtung | 64 2. Geschichte, Mythen und Traditionen | 69

Besiedlung des Zwischenseengebietes | 70 Mythologisierung des Reiches Kitara | 74 Historisierung des Reiches Bunyoro-Kitara | 77 Kolonialkrieg und Mythos Kabalega | 82 Zusammenfassung | 85 3. Kosmologie und Geisterkulte | 87

Kosmische Ordnung und Geisterkulte | 88 Die Macht der Geistmedien | 95 Mahano – sakrale Macht | 97 Die königliche Triade | 100 Der Körper des Königs | 101

Die Schreine der toten Könige und der Palast des Königs | 103 Christianisierung des Königtums | 105 Zusammenfassung | 107 4. Transformationen des cattle kingdoms in der Moderne | 109

Clane und Königtum | 110 Transformationen der Regierung | 114 Politische Macht und Geschlecht | 115 Land, Administration und Territorium | 116 Militärmacht, Raub und Krieg | 118 Krise des cattle kingdoms | 120 Armut und Unfruchtbarkeit | 121 Sklaverei und neuer Reichtum | 123 Koloniale Transformationen | 124 Zusammenfassung | 126 5. Postkoloniale Herrschaftsdiskurse | 129

Politik und Ethnizität – Die ‚verlorenen Gebiete‘ | 129 Streben nach Hegemonie | 132 Die Abschaffung der Königtümer | 134 Reziproke Assimilation der Eliten | 136 Sozialismus und sakraler Königsmord | 138 Militärherrschaft und Terror | 140 Befreiungskampf und Demokratisierung | 142 NRM und die Rückkehr der Königtümer | 143 Zusammenfassung | 145

TEIL II ERNEUERUNGSDISKURSE 6. Thronfolge und Legitimation des Königs | 149

Das Traditional Rulers Statute von 1993 | 151 Der Prozess | 155 Unterdrückter Legitimationsdiskurs | 167 Dominanter Legitimationsdiskurs | 179 7. ‚Unsere Dinge‘ Besitztümer und die Materialisierung der Diskurse | 191

Rückgabe von Besitz und Vermögen | 192 Unveräußerbare Besitztümer, dichte Objekte | 194

Veräußerbare Besitztümer, kommerzielle Objekte | 206 Institutionalisierung und Finanzierung der königlichen Regierung | 214 Diskurse der Jugend | 217 Modernisierungsdiskurs und Dispositiv der Armut | 219 Zusammenfassung | 222 8. Erneuerung der Clangesellschaft Konstituierung der Ordnung und der Subjekte | 223

Fragmentierung der Clane | 224 Revitalisierung der Clane und die Konstruktion von Ethnizität | 233 Neugründung: Der Rat der Clane | 238 Die Dynamik von Kultur | 244 Die Distribution von Ämtern und Aufgaben | 248 Okkultes Wissen und verborgene Macht | 253 Rituelle Musik und performative Macht | 263 Spirituelle Macht und kosmische Ordnung | 268 Ordnungsmacht: Palastwache und Miliz | 272 Zusammenfassung | 274 9. Das Empango-Fest Rituelle Erneuerung und Medialisierung | 277

Ritual und Performanz | 279 Semantik und Funktion von Empango | 282 Die Krönung 1994 | 285 Das Empango-Fest 2000 „Rebirth of Bunyoro-Kitara“ | 294 Zusammenfassung | 328 Schluss | 331 Anhang | 343 Glossar | 343 Archive | 347 Bibliografie | 348 Abbildungsverzeichnis | 371

Vorwort

Die Anfänge dieses Buches liegen in meiner Forschung in Uganda von April 1999 bis Oktober 2000, seine Fortsetzung in der steten Beobachtung der Ereignisse seit der Revitalisierung der Königtümer in Uganda. Empirie und Theorie haben mein Wissen über die politische Kultur des Königtums epistemologisch, kontextuell, global wie lokal, in Europa, Afrika, in Uganda und in Bunyoro-Kitara im Besonderen fundiert und vertieft. Ich hoffe, dass dieses Buch das Verständnis der politischen Kultur und des Königtums in Afrika bereichert und mit einem Gebiet vertraut macht, das bis heute eine marginale Position in der Forschung hat: der Westen Ugandas und das Königreich Bunyoro-Kitara. Ich danke allen, die dieses Buch ermöglicht haben. Mein ganz besonderer Dank geht an Rukirabasaija Agutamba Solomon Gafabusa Iguru I, Omukama von Bunyoro-Kitara, an Nyinamukama Gertrud Komweru, an die Mitglieder des königlichen Hofes, des königlichen Clans und der königlichen Regierung sowie an alle anderen Clane und Bewohner des Königreiches Bunyoro-Kitara, Befürworter wie Kritiker des Königtums, die ihre Zeit für meine Forschung gaben und mich darin unterstützten, insbesondere: Yolamu Ndoleriiere Nsamba, Kassim Rubenda, John Rukidi Gafabusa, Irene Kabasuga Gafabusa, Erizura Rwakabale, Rukiya Batebe, George Muhuruzi, Christopher Sabiiti, Lenard Kitalibara, John Muniongo, Elisabeth Ndugutse, Henry Ford Miriima, Kyanku kya Mihingo, Matoyo Barwogeza, Bishop Albert E. Baharagate, Bishop Deogratius Byabazaire, Bishop Wilson Turumanya, Rev. Bonifence Kyalgonza, Emanuel Baguma Basigara, Emanuel Nyamara, Omukonda Karongo, Francis Kiparu, Ibrahim Nyangabyaki, Kyokuhaire Hajj Bruhani, Roy Kakongoro, Sarah Nyabiryo, Agnes Byanjeru, Jessica Mukakyera, Amos Kulika, Saferezi Mugenyi, Samioni Mawejje, Amos Bigabwa, Ephraim Isuzu, John Kalibagwa, Metusera Katuramu, Florence Nsungwa, Salai Kitaimuka, Petero Gawamukulya, Petero Tibigyayo, Tadeo Kaiita, Yosamu Kaahwa, Tito Masengere, John Byakutaga, Nyakabango Rwakaikara, Bezaleri

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Rumanywoha, Mwirumubi Mutagaywa, George Magezi, Lucy Muhuruzi, Simon Rweru, Desiderata Kabasunga, Mugenyi Kitahimbwa, Neko Rukanyanga, Gabriel Kasumbi, Yosefu Kazairwe, Athanasi Nyakatura, Nzerena Basigirenda, Nicholas Rugemwa, Yowana Nyamutale, George Kazaana, Joseph Kazaana, Mohammed Kasigwa, Yowana Gafabusa, Francis Mucunguzi, George Tinkamanyire, Simon Rubani, Beatrice Kisembo, John Kasigwa, Paul Ndahura, Rev. Canon Yafesi Kyamiza, Mzee Mburwamukoro, Dosteo Bisaka, Baguma Isoke und Sebastian Sekiteleko. In Kenga danke ich den Dorfbewohnern und Dorfbewohnerinnen, insbesondere meinem Gastgeber Ponsiano Sentongo und seiner Familie sowie Marie-Rose Nsungwa, Augustino Irumba, John Chrisostom Mikisa, Andrea Kyamulesire, Alphonso Kisembo, Joseph Tumusiime, Angela Kobusinge und Charles Bakaihawenki für ihre Gastfreundschaft, ihr Wissen und ihre Unterstützung. Yohana Nyabwana gebührt besonderer Dank für sein Wissen, das in dieses Buch einfloss. Einige Personen habe ich im Text anonymisiert, um ihre Persönlichkeit zu schützen. Für ihre Inspiration, Betreuung und Unterstützung während meiner Doktorarbeit möchte ich Professor Heike Behrend danken. Ferner geht mein Dank an die Mitarbeiter des Instituts für Afrikanistik der Universität zu Köln, an Monika Feinen für ihre Kartografie und Bildbearbeitung, an Professor Michael Bollig vom Institut für Ethnologie der Universität zu Köln, an das Forschungskolleg „Medien und Kulturelle Kommunikation“ und besonders an Professor Monika Salzbrunn von der Universität Lausanne für ihre Unterstützung und Freundschaft in den ‚Rites de Passage‘ der Promotion und bei der Entstehung dieses Buches. Meine Forschung in Uganda wäre nicht ohne die finanzielle Unterstützung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und die Anbindung an die Universität Makerere möglich gewesen. Ich danke dem DAAD und Prof. Manuel Muranga vom Makerere Institute of Languages sowie Prof. Louise Pirouet und Prof. Edward I. Steinhart für anregende Diskussionen und wertvolles Forschungsmaterial. Gerald Lubega war ein unschätzbarer Assistent und zusammen mit Mark Musinguzi ein ausgezeichneter Runyoro-Sprachlehrer. Ich danke ihm für sein Engagement und seine Freundschaft. Koji Hirata, Esther Binda, Elizabeth Serafina, Francis Tumusiime und Joseph Cash Kasangaki bereicherten meine Zeit in Uganda. Roswitha Salwetter danke ich für ihre wertvollen Kommentare zum Manuskript, den inspirierenden Austausch beim Schreiben und ihre Ermutigungen, Christiane Seif für die Korrektur des Manuskripts, Dr. Clara Himmelheber, Dr. Larissa Förster, Dr. Anne Klein, Dr. Stefanie Michels, Dr. Matthias Österle, Jürgen Mahrenholz, Sonka Stein, Lioba von Detten und Martina Groß für For-

V ORWORT

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schungsmaterial, Ermunterung, Kritik und wertvolle Fragen und ihnen allen für ihre Freundschaft und Unterstützung. Mein größter Dank geht an meine Eltern und an meine Familie, die in jeder Hinsicht eine Stütze waren und die mir dieses Buch durch ihr Vertrauen und ihren Beistand ermöglicht haben. Dieses Buch ist meinen Eltern gewidmet.

Erläuterung

In dieser Arbeit habe ich verschiedene Begriffe aus der Lokalsprache Runyoro gebraucht. Bezeichnungen für ethnische Gruppen (z. B. Banyoro), Clane (z. B. Babito) und sozioökonomische Bezeichnungen (z. B. Bahuma) habe ich nicht kursiv markiert. Alle übrigen indigenen Bezeichnungen und Titel sind kursiviert (z. B. nyinamukama), mit Ausnahme der Bezeichnung ‚Omukama‘, die beständig im Text vorkommt. Eigennamen sind nicht kursiviert (z. B. Kasohera oder Nyakoka). Die Hauptsprache in Bunyoro-Kitara ist Runyoro, die zu den Bantu-Sprachen gezählt wird.1 Im Distrikt Kibaale hat sich ein Dialekt herausgebildet, der stark durch Luganda beeinflusst ist. Im gleichen Distrikt haben Migranten aus Kigezi das Rukiga eingeführt. Im Distrikt Masindi gibt es einen starken Einfluss der Luo-Sprachen. In Runyoro werden elf Wortklassen gebildet, die jeweils ein Paar im Singular und Plural ergeben. In der ersten Klasse wird das Präfix Mu- im Singular mit dem Präfix Ba- im Plural ersetzt. Die Präfixe O- (Sg.) und A- (Pl.) bezeichnen den unbestimmten Artikel (zum Beispiel O-mu-kama, Sg., A-ba-kama, Pl.; O-mu-bito, Sg., A-ba-bito Pl.). Dieses System setzt sich mit anderen Präfixen in den folgenden zehn Klassen fort. Das Präfix ku- gibt den Infinitiv eines Verbes an (z. B. kubandwa). Vgl. Glossar.

1

Rubongoya, L. T.: A Modern Runyoro-Rutooro Grammar, Köln: Köppe 1999.

Einleitung

Das Jahr 1993 brachte für die Republik Uganda eine überraschende Wende und ein Ereignis, das die ‚Rückkehr der Könige‘ ermöglichte. Die ‚traditionellen Herrscher‘ erhielten von der Regierung des National Resistance Movement die Erlaubnis, ihre Autorität zu erneuern, wenn auch unter eingeschränkten, modifizierten Bedingungen. Sie durften weder politisch aktiv werden noch administrative Aufgaben und Rechte ausüben noch militärisch intervenieren.1 Ihre Aufgaben waren rein ‚kultureller‘ Art, denn als ‚traditionelle Herrscher‘ wurden sie Hüter der Tradition und Garanten von Kultur. Beide, Tradition und Kultur, bildeten von nun an eine strategische Einheit und formierten sich zu einem Diskurs über die Macht in der Moderne2. Zum einen dienten sie der Legitimation von Machthabern, die aus alten und neuen Eliten kamen. Zum anderen lieferten die Begriffe Tradition und Kultur Anhaltspunkte für die Erneuerung und die Verteidigung von Identitäten, Ethnizitäten und Reichtümern. Die Rückkehr der Könige wurde daher in der Bevölkerung je nach Gebiet und Historie sowohl mit Zustimmung als auch mit Widerspruch aufgenommen. Davon abgesehen konnten

1

Vgl. Nsibambi, Apollo: „The Restauration of Traditional Rulers“, in: Hansen, Holger B./Twaddle, Michael (Hg.): From Chaos to Order. The Politics of Constitutionmaking in Uganda, Kampala/London: Fountain 1995, S. 41-59, hier: S. 47; Perrot, Claude-Hélène/Fauvelle-Aymar, Francois-Xavier (Hg.): Le Retour des Rois. Les Autorités Traditionnelles et l’État en Afrique Contemporaine, Paris: Karthala 2003.

2

Den Begriff der Moderne verstehe ich hier epochengeschichtlich, ohne dabei seine Zentrierung auf Europa zu übernehmen. Ich gehe von einem heterogenen Modernitätsbegriff aus, der zwischen verschiedenen Modernen in unterschiedlichen Kulturen unterscheidet, gleichzeitig aber auch die Gemeinsamkeiten sieht. Im nächsten Kapitel führe ich diese Überlegungen anhand der Theorien von Anthony Giddens, Jean und John Comaroff sowie Gurminder Bhambra weiter aus. In diesem Zusammenhang diskutiere ich auch die Begriffe ‚Tradition‘ und ‚politische Kultur‘.

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auch andere Autoritäten die Bezeichnung ‚traditioneller Führer‘ in Anspruch nehmen. Sie taten dies strategisch seit der Verabschiedung des neuen Gesetzes. So kehrten lokale Autoritäten, die im Kolonialstaat nie den Status eines Königs erlangt hatten, aber wie die Könige im postkolonialen Staat ein politisches Schattendasein führten, an die Oberfläche der gesellschaftlichen Ereignisse zurück. 1995 wurde die Legitimation der ‚traditionellen Herrscher‘ in einer neuen nationalen Verfassung verankert. Institutionell gehörte das Königtum wieder zur politischen Kultur Ugandas, auch wenn die Staatsmacht in ihrer offiziellen Rhetorik Kultur und Politik streng voneinander trennte.3 Die Rückkehr der Könige leitete somit eine Reihe von Prozessen der Identitätsbildung, der Machtverteilung und des Kampfes um materielle Ressourcen ein, die Teil der Moderne in Afrika sind und zugleich die politische Kultur des Zwischenseengebietes fortsetzen. In diesem Buch untersuche ich einen Erneuerungsprozess, ein Revival traditioneller Autoritäten, die im Kontext von Modernisierungs- und Demokratisierungsdiskursen wieder an Macht und Autorität gewinnen. Aus westlicher Perspektive erzeugt dies ein widersprüchliches Bild von Tradition und Moderne, einen Anachronismus. Handelt sich es sich aber tatsächlich um einen Widerspruch, oder lässt sich die Rückkehr der Könige als ein Aspekt der Moderne erklären? Eines der vier großen Königtümer von Uganda ist Bunyoro-Kitara im Westen der Republik. Bunyoro-Kitara versteht sich als das älteste und mächtigste der ehemaligen Reiche, bildet zugleich aber das schwächste Glied in der Reihe der modernen Königtümer, die ihre Retablierung durchsetzen konnten. Das Gebiet gilt als eines der ärmsten im östlichen Afrika, weil es von kolonialen und postkolonialen Regimen geplündert und vernachlässigt wurde. Östlich davon liegt das Königtum Buganda, südlich liegen die beiden Königtümer Tooro und Ankole. Die Rückkehr der Könige war kein Automatismus, sondern ein politischer Prozess, wie das Beispiel Ankoles zeigt. Dieses Königtum konnte nicht erneuert werden, weil die Regierung Ugandas ihre Zustimmung verweigerte. Bunyoro-Kitaras gelungene Retablierung und der Versuch einer Rückkehr zu Macht, Reichtum und Reproduktivität ist das engere Thema dieses Buches. Ich untersuche, welche Diskurse und Praktiken mit der Retablierung dieses Königtums verbunden sind und wie die Revitalisierungssprozesse vonstatten gingen. Mit welcher Legitimation ist der König wieder an die Macht gekommen, und wie weit reicht seine Autorität? Worauf stützt sich seine Macht, und wer sind die

3

Doornbos, Martin/Mwesigye, Frederik: „The New Politics of King-Making“, in: Hansen, H. B./Twaddle, M. (Hg.): From Chaos to Order, S. 61-77, hier: S. 61 ff.

E INLEITUNG

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Gegner? Wie wird das neue Königtum sichtbar gemacht, durch welche Performanzen und welche Medien? Und schließlich, wo liegen die historischen Kontinuitäten und Brüche dieses Königtums? Dies sind übergreifende Fragen an eine politische Kultur, die sich im ostafrikanischen Zwischenseengebiet seit dem 12. Jahrhundert herausgebildet hat und dort lebendig geblieben ist.

D AS K ÖNIGTUM B UNYORO -K ITARA Das Königtum Bunyoro-Kitara konnte 1994 mit der Krönung von König Salomon Iguru Gafabusa, der Ernennung einer königlichen Regierung und der Berufung eines königlichen Parlaments als konstitutionelle Monarchie retabliert werden. Politisch nicht souverän, aber konstitutionell verankert, umfasste das Königreich 1995 die drei Distrikte Hoima, Masindi und Kibaale mit einer Fläche von insgesamt etwa 20.000 Quadratkilometern und einer Bevölkerung von etwa 800.000 Menschen.4 2006 und 2012 kamen die zwei neu gegründeten Distrikte Buliisa und Kiryandongo hinzu, die beide aus dem Gebiet Masindis herausgetrennt wurden. Die Bevölkerungszahl des gesamten Königreiches wird 2012 auf bis zu 1,4 Millionen Menschen geschätzt.5 Hoima ist der zweitgrößte Distrikt des Königtums mit der Residenz des Königs. Trotz seiner geringeren Fläche lag die Bevölkerungszahl 1997 in Kibaale höher als in Hoima und nur geringfügig niedriger als in Masindi. Diese Diskrepanz und die hohe Bevölkerungszahl in Kibaale erklären sich durch die Zuwanderung von Migranten vor allem aus Ruanda und Kigezi, aber auch aus anderen Teilen Ugandas, Zentral- und Ostafrikas. In allen drei Distrikten ist die Bevölkerung sehr ungleich verteilt. Sie konzentriert sich in bestimmten Regionen und Handelszentren, während benachbarte Räume nur spärlich bewohnt sind. Drei verschiedene Routen führten im Jahr 2000 nach Bunyoro-Kitara. Eine asphaltierte Fernstraße kam von Kampala und verlief im Norden über Gulu Richtung Sudan. Diese Straße diente militärischen und wirtschaftlichen Zwecken, so auch als Verbindung zu den Karuma-Wasserfällen und zum Murchison-Nationalpark, den touristischen Attraktionen Bunyoro-Kitaras. Am Kafu zweigte eine unbefestigte Piste nach Bunyoro-Kitara, zur Distriktstadt Masindi ab. Eine zweite Route führte von Kampala direkt nach Hoima, der Hauptstadt Bunyoro-Kitaras, und endete dort. In Busunju, an der Grenze zum

4

Uganda Bureau of Statistics, Population Census 2002, http://www.ubos.org.

5

http://www.scribd.com/doc/35682709/2010-01-21-Bunyoro-Kitara-KingdomGeneral-Information.

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Abb. 1: Die Distrikte von Bunyoro-Kitara 1995-2006

© Monika Feinen Karte der Distrikte von Bunyoro-Kitara 1995-2006, Uganda. 2006 entstand der Distrikt Buliisa und 2012 der Distrikt Kiryandongo, indem der Distrikt Masindi verkleinert wurde. Das Königtum Bunyoro-Kitara umfasst seither fünf Distrikte.

Königtum Buganda war der Übergang zum Königtum Bunyoro-Kitara physisch spürbar, da die asphaltierte Fahrbahn abrupt zu planierter Erde wechselte und holprig wurde. Von da an hüllten rote Staubwolken die Fahrzeuge und Passagiere ein. Eine dritte Route mit einer asphaltierten Fernstraße führte von Kampala in Richtung Süden. Die Hauptstrecke brachte den Verkehr über das ehemalige Königtum Ankole nach Ruanda oder über Fort Portal, die Hauptstadt des Königtums Tooro, in den Kongo. In Mubende, an der Grenze Bugandas, zweigte eine unbefestigte Straße nach Bunyoro-Kitara ab, in den Distrikt Kibaale. Der Asphalt endete auch diesmal, bevor Bunyoro-Kitaras Gebiete erreicht wurden. Bunyoro-Kitaras Grenzen werden durch die Flüsse Nil, Kafu, Muzizi und Nkusi markiert sowie durch den Mwitanzigesee, dessen Mitte die Grenze zur Republik Kongo bildet. Im Nordwesten trennt der Nil Bunyoro-Kitara von der Union der Alur chiefdoms (Nebbi Distrikt) und im Norden von den Distrikten

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der Acholi (Gulu) und Langi (Apac). Im Osten verläuft entlang des Kafu die Grenze mit dem Königtum Buganda und dessen Distrikten Mubende, Kiboga, Luwero und Nakasongola, im Süden entlang der Flüsse Muzizi und Nkusi mit dem Königtum Tooro und dessen Distrikten Kabarole und Bundibugyo.6 Straßen, Flüsse und Seen vernetzen das Zwischenseengebiet, seine Staaten und Regionen. Eisenbahn und der Flugverkehr sind in Uganda nur zu einem geringen Teil ausgebaut. Mit dem öffentlichen Verkehr war Bunyoro-Kitara lediglich per Überlandbus oder Sammeltaxi auf schlecht ausgebauten Straßen zu erreichen. Zu den wichtigsten Themen der politischen Wahlkämpfe in den Distrikten BunyoroKitaras gehörten daher die Zustände der Straßen, der Mangel an Kommunikation, Vernetzung, Energie und Absatz. Dabei stand die Exklusion dieses Gebietes von der Verteilung staatlicher Ressourcen im Kern der Kritik. Die Ordnung der Distrikte Das Königtum Bunyoro-Kitara hatte in den Jahren 1999 bis 2000, dem Zeitraum meiner Feldforschung in Uganda, drei Distrikte mit einem äußerst heterogenen ethnischen Profil. Nach den Statistiken der Distrikte waren etwa 60 Prozent der Einwohner eines Distriktes Banyoro, zu denen in Masindi auch die Bagungu gruppiert wurden. Die übrigen 40 Prozent teilten sich auf in Angehörige von Ethnien aus dem Norden, Süden und Osten Ugandas, aus dem Sudan, Ruanda, Kenia und dem Kongo.7 In Kibaale waren Banyoro inzwischen gegenüber den

6 7

Uganda Districts Information Handbook, 1992; People and Cultures of Uganda, 1993. Der Hoima District Development Plan 1997-2001 nennt keine Zahlen. Banyoro/ Bagungu werden hier als „dominante“ ethnische Gruppe angegeben, deren Vorrechte im Entwicklungsplan festgehalten sind. „Because of the diversity of the ethnic groups, the following description will mainly focus on the Banyoro/Bagungu, since they dominate.“ Interethnische Gruppen und Heirat werden aber als „more and more socially and culturally acceptable“ bezeichnet (Hoima District Local Council: Hoima District Development Plan 1997-2001, Hoima: District Local Council 1997, S. 7). Ich gehe hier nicht auf die neueren Entwicklungen nach 2001 ein. Im Masindi Development Plan 1998-2001 werden Banyoro/Bagungu mit 59,9 Prozent angegeben (Masindi District Local Government: Masindi District Integrated Sustainable Development Plan 1998/99-2000/01, Masindi). Der Kibaale District Development Plan 1999-2001 verzichtet ganz auf eine ethnische Zuordnung seiner Bevölkerung (Kibaale District Local Government: District Development Plan 1999-2001, Kibaale: Local Government 1999). Die politischen Spannungen zwischen den ethni-

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anderen ethnischen Gruppen in der Minderheit. Diese Verschiebungen hatten zu Konflikten geführt und den Diskurs der ‚Einheit Bunyoro-Kitaras‘ angefacht. Älteste und Meinungsführer betrachteten ‚disunity‘ als eine der großen Schwächen des Königtums Bunyoro-Kitara. Fusion und Fission der Provinzen des Reiches waren Teil der Geschichte seines Aufstiegs und Niedergangs. Bereits 1962 war das Königreich Bunyoro-Kitara durch die neu gegründete Nationalregierung in zwei Wahlkreise Bunyoro Nord und Bunyoro Süd aufgeteilt worden. 1979 entstanden daraus die Distrikte Masindi und Hoima. Zwei counties, Buyaga und Bugangaizi, waren 1896 an Buganda gefallen (die ‚verlorenen Gebiete‘) und kehrten 1964 per Referendum zu Bunyoro-Kitara zurück. Sie vergrößerten den Distrikt Hoima. 1992 spalteten sich diese beiden counties wieder von Hoima ab, bildeten ein drittes county, Buyanja, und gründeten den Distrikt Kibaale. Kibaale besitzt somit drei Wahlkreise, Hoima hingegen nur noch zwei (Bugahya und Buhaguzi). Der Distrikt Masindi wurde in vier Wahlkreise aufgeteilt (Baitera, Bujenje, Bulisa, und Buruli). In politischen Entscheidungsprozessen auf nationaler Ebene hatten die Distrikte Masindi und Kibaale daher bis zur Abschaffung 1964 mehr Stimmen als Hoima, das Zentrum des Königtums. Seit 1995 wird in der Verfassung des Staates Uganda festgehalten, welche Distrikte sich zu den Königtümern zuordnen und wie folglich die Grenzen der Königreiche verlaufen. Als ein Resultat der Dezentralisierungspolitik des Staates vermehrten sich die Distrikte Ugandas, sodass deren Zahl zwischen 1989 und 2000 von 33 auf 45 stieg.8 Politische Randgebiete rechneten nun mit staatlicher Förderung, sei es durch nationale Steuereinnahmen oder durch ausländische Subventionen. Im zentralistischen System hatten Grenzdistrikte wie Hoima, Masindi und Kibaale kaum an einer „Politik des Bauches“9 teil. Sie gehören vielmehr zur Peripherie des postkolonialen Staates und dienen als militärische Pufferzonen oder als Ressourcengebiete. Technische und institutionelle Innovationen der Moderne konzentrieren sich auf Buganda und die Hauptstadt Kampala. Der Mangel an öffentlicher und technischer Infrastruktur wiederholte sich in allen drei Distrikten Bunyoro-Kitaras. Im südlichen Distrikt Kibaale war er Ge-

schen Gruppen haben in diesem Distrikt eine hohe Sensibilität für hegemoniale Behauptungen erzeugt. 8

Bis 2011 stieg die Zahl der Distrikte auf insgesamt 112, darunter der Stadtdistrikt der Hauptstadt Kampala. Vgl. Statoids, http://www.statoids.com/uug.html, 19. Januar 2013, und Republic of Uganda, Ministry of Local Government, http://molg.go.ug/ local-governments, 19. Januar 2013.

9

Bayart, Jean-François: The State in Africa. The Politics of the Belly, London/New York: Longman 1993.

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genstand eines der hartnäckigsten Diskurse. Hier führte die Stromleitung lediglich bis Kakumiro, nahe an der Grenze zu Buganda. Von da an nutzte die Bevölkerung Generatoren, Dieselmotoren, Kerzen und Petroleumlampen, um Energie und Licht zu erzeugen. Die regelmäßige Erklärung dieses Zustandes mit dem Mangel an power war doppelbödig. Sie verwies auf eine grundlegende Kritik an der Haltung des Staates gegenüber der westlichen Bevölkerung, die das National Resistance Movement seit seinem Buschkrieg unterstützt hatte. Kibaale begann seit seiner Gründung 1992 eigene institutionelle Einrichtungen zu schaffen, ein headquarter zu bauen, Straßen zu befestigen und wirtschaftlich zu prosperieren. Diese Veränderungen waren jedoch nur durch die Unterstützung der staatlichen irischen Entwicklungsorganisation ‚Ireland Aid‘ möglich, die die ‚verlorenen Gebiete‘ zu einem Zielprojekt erklärt hatte. ‚Kibaale‘ bedeutet ‚Felsen‘. Der Distrikt ist durch eine höher gelegene Felsenlandschaft geprägt, unterbrochen durch Papyrussümpfe und kleinere Regenwälder. Es erforderte daher harte Arbeit, dem Boden fruchtbares Land abzugewinnen. Bakiga-Migranten, die aus den Bergen Kigezis kamen, wurden in die schwierigen Lagen verwiesen. Dennoch schafften sie es, den Boden gewinnbringend zu nutzen. Im interethnischen Diskurs drückten Banyoro immer wieder Erstaunen und Anerkennung für die Leistungen ihrer Nachbarn aus Kigezi aus. Andererseits wurden Bakiga mit Misstrauen beobachtet und politisch unter Kontrolle gehalten. Kagadi, eine Stadt an der Grenze zum Kongo, war ein Fokus von Bakiga-Migranten, die durch die Produktion von waragi, einer BananenSpirituose, zu Wohlstand gekommen waren.10 Hier herrschte rege Betriebsamkeit. Geschäftsleute vermarkteten die Spirituose nicht nur auf den Wochenmärkten Bunyoro-Kitaras, sondern auch in Buganda, in Kampala und in anderen Teilen Ugandas. Ihren Profit brachten sie zurück nach Kagadi und investierten ihn in Taxen, Tankstellen, Fahrschulen, Fotolaboratorien und Kioske. Durch diesen Erfolg wuchs Kagadi zusehends, wovon auch Banyoro profitierten. Kibaale war nicht nur ein Zielort für Siedler aus Kigezi, sondern auch für Rindernomaden aus Ankole. In Dürrezeiten wie im Juni 2000 zogen die Nomaden durch den Distrikt Kibaale in den Distrikt Hoima, an den Ufern und Steilhängen des Albertsees entlang bis zu den Weidegebieten des Distriktes Masindi. Auch hier kam es immer wieder zu Streitfällen zwischen Banyoro-Bauern und den Bahima-Nomaden. Öffentlich wurden diese Streitfälle jedoch erst, als Nomaden einen Hügel besetzten, der als sakraler Ort des Königtums galt. Masindi, der nördliche Distrikt des Königtums, besitzt große Waldgebiete, Weide- und Flachlandschaften, die sich für den großflächigen Plantagenanbau

10 New Vision, 9. März 2000: „Kagadi wakes up to boom.“

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eignen. Er ist seit Langem Ziel von Migranten und Flüchtlingen aus Norduganda und dem sudanesischen Raum. Hier war seit 1911 das Zentrum der kolonialen wirtschaftlichen Aktivitäten und des infrastrukturellen Aufbaus. 1921 wurde ein Hafen am Nil gebaut. Die Stadt Masindi wurde zum Umschlagplatz zwischen dem Norden, dem Westen und dem Zentrum des Protektorats. Seit 1912 diente sie als Distrikthauptstadt und Sitz des Königs, bis 1921 Hoima diese Funktionen übernahm. Schon während der Kolonialzeit entstand in Masindi eine Holz-, Zuckerrohr- und Fleischindustrie, für die Plantagen, Farmen und Forste angelegt wurden. Beinahe die Hälfte des Landes ist seither nicht für die Subsistenzwirtschaft zugänglich, sondern kommerzielles Land, zusammen mit dem MurchisonNationalpark, den Wildreservaten Bugungu und Karuma sowie dem BudongoForst mit großen Ebenholzvorkommen. In der Distrikthauptstadt selbst haben sich Geschäfte, Märkte und Büros von staatlichen und nichtstaatlichen, auch ausländischen Organisationen niedergelassen. Die Infrastruktur hatte während der Bürgerkriege schwer gelitten, sie konnte jedoch nach der Machtübernahme des National Resistance Movements 1986 in Teilen wieder aufgebaut werden. Erleichtert wurde dieser Aufbau durch Unterstützung aus dem Ausland und durch das Interesse der neuen Machthaber an den wirtschaftlichen Ressourcen, den Agro- und Forstbetrieben, den Naturparks und den darin befindlichen touristischen Attraktionen dieses Distrikts.11 Im Distrikt Hoima und seiner gleichnamigen Hauptstadt, dem Zentrum Bunyoro-Kitaras und Sitz des Königs, war eine öffentliche Infrastruktur zwar vorhanden, jedoch stark verfallen oder durch Krieg zerstört. Hoima mangelte es nicht nur an wirtschaftlicher Prosperität. Es litt außerdem durch die Abspaltung des Distriktes Kibaale unter dem Verlust von Steuern, Wählerstimmen und Ressourcen. Die Regierungen des Königtums und der Lokalverwaltung intrigierten gegeneinander und gerieten zunehmend in einen Konflikt um politische Kompetenzen und materielle Ansprüche. Kommunikation, Transport, Vermarktung und die Suche nach Möglichkeiten der Prosperität gehörten zu den wichtigsten Themen der lokalen Diskurse.

R EVITALISIERUNG

UND

E RNEUERUNG

Wenn von der Rückkehr der Könige oder anderer traditioneller Autoritäten in Afrika die Rede ist, dann häufig in Begrifflichkeiten wie ‚Restauration‘, ‚Resur-

11 Beispielsweise engagierte sich die deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit bei der Verwaltung und Pflege des Murchison-Nationalparks.

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gence‘ oder ‚Retraditionalisierung‘.12 Gemeint ist damit eine Rückbesinnung auf die eigene Kultur, eine Erneuerung und Erfindung von Traditionen sowie eine Abkehr vom Staat und von den Institutionen der Moderne, bestenfalls ein Synkretismus traditioneller und moderner Institutionen. Problematisch an diesen Begrifflichkeiten ist ein Hang zur Überbewertung und Essenzialisierung des ‚Traditionellen‘. So suggeriert der Begriff ‚Retraditionalisierung‘, wie Patrick Chabal zu Recht kritisiert, eine Kehrtwende in einem linearen Prozess des Fortschritts.13 Eine Zunahme von Hexereivorstellungen oder eine politische Aufwertung traditioneller chiefs wird dann als regressiv und unmodern interpretiert. Es entsteht der Eindruck, als verhielten Afrikaner sich entweder ‚traditionell‘ oder ‚modern‘ und als ließen sich diese Kategorien säuberlich voneinander trennen. In den Politikwissenschaften sprechen Patrick Chabal und Jean Pascal Daloz von einer „political instrumentalisation of disorder“ im subsaharischen Afrika.14 Modernität in Afrika zeigt sich ihrer Sicht nach in der Herausbildung eines politischen Systems, dass durch Unordnung und Funktionsstörungen (‚disorder‘) gekennzeichnet ist. Afrikaner ziehen darin aber sowohl moderne als auch traditionelle Register, um zu überleben, sich zu bereichern und Macht zu gewinnen. In letzter Konsequenz führt dieser Ansatz zu dem Schluss, dass Afrika in der Krise verhaftet bleiben wird, weil die derzeitige politische Unordnung keine Ordnung erzeugen kann. Obwohl dieser politologische Diskurs versucht, essenzialistische und kulturalistische Argumente zu vermeiden, bleibt er ihnen doch verhaftet. Er determiniert politisches und kulturelles Denken und Handeln in Afrika so, als wäre es nicht mit dem westlichen modernen System kompatibel. Wenn aber Afrikaner in ihrer politischen Praxis kulturell gefangen sind, wie kann dann Veränderung eintreten und wie kann Kultur dynamisch werden? Ein Problem der These, afrikanische Gesellschaften verharrten in einer Modernitätskrise, liegt darin, Traditionen in Afrika damit als alt, unveränderlich und

12 Prunier, Gérard: „Les Restaurations Monarchiques en Ouganda“, in: Perrot, C. H./ Fauvelle-Aymar, F.-X. (Hg.): Le Retour des Rois, S. 343 ff.; Valsecchi, Pierluigi: „Kingship. Chieftaincy and Politics. A View from Nzema (Ghana)“, in: Perrot, C. H./ Fauvelle-Aymar, F.-X. (Hg.): Le Retour des Rois, S. 63-82, hier: S. 63 ff.; Oomen, Barbara: „‚We must go back to our history‘. Retraditionalisation in a Northern Province Chieftaincy“, in: African Studies 59 (2000) 1, S. 71-95. 13 Chabal, Patrick: „The African Crisis. Context and Interpretation“, in: Werbner Richard/Ranger, Terence (Hg.): Postcolonial Identities in Africa, London/New Jersey: Zed Books 1996, S. 29-54, hier: S. 32. 14 Vgl. Chabal, Patrick/Daloz, Jean-Pascal: Africa Works. Disorder as Political Instrument, Oxford: James Currey 1999, S. xviii (Introduction).

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authentisch darzustellen. Authentizität ist jedoch in diesem Zusammenhang ein schwieriges Konzept, weil selbst die Spuren der Traditionen, die in die Vergangenheit zurückreichen, kaum zum Ursprung führen. Währen Traditionen ewig? Oder können sie verändert werden, ohne ihre Identität und Aussage zu verlieren? Und wie weit kann diese Veränderung gehen? Ich verstehe Traditionen in diesem Buch als Diskurse und Praktiken, die Aussagen über den Umgang mit der Vergangenheit in der Gegenwart machen. Dabei ist es im Prinzip gleichgültig, ob diese Traditionen jüngst erfunden oder über einen langen Zeitraum überliefert wurden. Wenn sich die Aussagen über die Vergangenheit verändern, dann auch die Eigenart der Traditionen in der Gegenwart. Insofern sind Traditionen Indizes dafür, wie Modernität kulturell verstanden wird. Der Anthropologe Erich Kolig verbindet mit dem Begriff der ‚Retraditionalisierung‘ ein konstruktivistisches Konzept. Er schreibt: „Retraditionalisation involves the assembly of a selection of deliberately chosen traditions for the expressed purpose of achieving certain desired effects in the political, legal and ideological realms.“15 Allerdings besteht bei dieser Sicht die Gefahr, kulturelles Revival auf seine strategische Verwendbarkeit zu reduzieren und ideele Vorstellungen von der Schaffung einer kosmischen und moralischen Ordnung oder kultureller Identitätsbildung zu ignorieren. Manche Autoren verwenden den Begriff ‚Retraditionalisierung‘ schlicht für Diskurse und Praktiken, die afrikanische Konzepte von Autorität und Herrschaft wieder aktualisieren. Beispielsweise Barbara Oomen, wenn sie schreibt, chiefs oder traditionelle Autoritäten würden in Südafrika wieder in ihr Amt gesetzt, um ein Machtvakuum im PostApartheid-Staat zu füllen.16 In diesem Fall werden alte Machtpositionen erneuert und ‚Traditionen‘ debattiert oder neu formuliert. Wichtig ist mir jedoch zu zeigen, wie sich hybride Formen von Institutionen und Praktiken bilden, wenn ein Handlungsspielraum für Innovationen und lokale (Macht-)Konstrukte entstanden ist. Mit der Rückkehr der Könige traten Fragen der Repräsentation in den Vordergrund, die teils durch die Erfindung von Traditionen gelöst wurden, teils durch den Einsatz moderner Medien, Produkte und Feste mit Ereignischarakter. Eric Hobsbawm und Terence Ranger haben auf ähnliche Prozesse aufmerksam

15 Kolig, Erich: „Indigenous Cultural Revival“, in: Kolig, Erich/Mückler, Hermann (Hg.): The Politics of Indigeneity in the South Pacific. Recent problems of identity in Oceania, Münster: LIT 2002, S. 7-24, hier: S. 7. 16 Oomen, B.: „‚We must go back to our history‘“, S. 71-95.

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gemacht, die bereits unter kolonialer Herrschaft stattfanden.17 Allerdings haben sie die repressiven Machttechniken gegenüber den produktiven überbetont und so die Kolonisierten zu passiv dargestellt. Im postkolonialen Staat greifen die ugandischen Könige und ihre Berater zu neuen Strategien, um moderne Formen der Repräsentation zu finden oder alte Formen zu modernisieren. Eine Voraussetzung für solche aktiven Handlungsweisen ist, dass die Könige nicht nur politisch, sondern auch rituell legitimiert sind. Sie können dann durch die Medialisierung, Kommerzialisierung und Musealisierung der lokalen Kultur neue Maßstäbe von Reichtum setzen. Ein Beispiel wäre die Vernetzung des Königtums durch Telekommunikationstechniken wie das Mobiltelefon oder das Radio, die von der königlichen Regierung etabliert werden. Alte wie neue Medien werden in diesen Erneuerungsprozessen eingesetzt, und Kultur wird nicht als statisch, sondern als veränderbar betrachtet. Ich möchte daher von einer ‚Revitalisierung‘ als kreativem Akt statt von einer ‚Retraditionalisierung‘ sprechen und zeigen, wie die Rückkehr der Könige einen alten Machttyp erneuert, ihn modernisiert und so ein Dispositiv der Macht erzeugt. Mein Hauptaugenmerk liegt auf den historischen und aktuellen Transformationen des Königtums sowie auf der Kreativität und Handlungsmacht (agency) der verschiedenen Akteure in diesem Prozess. Ich werde von einer ‚Modernisierung des Königtums‘ sprechen, denn mit der Revitalitalisierung und Erneuerung der Institution werden viele Praktiken den Bedingungen der Moderne angepasst. Modernisierung steht aber nicht für sich allein, sondern bildet hybride Formen von kulturellen Institutionen, Diskursen und Praktiken. Ein Beispiel sind die indigenen Geisterkulte, die mit den christlichen Kulten rivalisieren. In der Öffentlichkeit repräsentiert sich das Königtum als christlich, im Geheimen werden zugleich Rituale der Geisterkulte durchgeführt. Die Aufnahme des Heiligen Geistes in das Pantheon der lokalen Geister ist ein Beispiel für die Hybridisierung der religiösen Vorstellungen und Praktiken. Auch die Gebete, Handlungen und Objekte zur Sakralisierung des Königs haben im christlichen Gottesdienst und in den ‚traditionellen‘ königlichen Ritualen hybride Formen angenommen. Der Begriff ‚König‘ wird in Bezug auf Afrika nicht immer eindeutig verwendet oder, wie Pierluigi Valsecchi es sieht, unter die Kategorie eines höchsten chiefs gefasst.18 In dieser Arbeit bezeichnet der Begriff ‚König‘ eine Autorität, die durch Rituale inthronisiert und zugleich sakralisiert wird, dadurch außerge-

17 Hobsbawm, Eric/Ranger, Terence (Hg.): The Invention of Tradition, Cambridge: Cambridge University Press 1983. 18 Valsecchi, P.: „Kingship. Chieftaincy and Politics“, S. 70-71.

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wöhnliche Handlungsmacht erhält und diese in öffentlichen wie in okkulten Handlungen für das Königtum zur Wirkung bringt. In Bunyoro-Kitara deutet der Titel ‚Omukama‘ (wörtlich ‚Melker‘) an, dass der König eine über das politische Handlungskonzept hinausgehende Funktion hat und eine sakrale Person ist. Er ist ein ‚Melker‘ im Sinne einer Autorität, die zum Nehmen und Geben von Reichtümern berechtigt und verpflichtet ist, um sie zu erhalten, zu vermehren und wieder zu verteilen. Das Konzept von ‚Reichtum‘ (obutungi) erstreckt sich dabei auf Personen und belebte wie unbelebte Dinge, also auf Land, Güter, Tiere, Menschen und die Vermehrung solcher Kategorien. Im ehemaligen cattle kingdom Bunyoro-Kitara war Milch eine Metapher und ein Zeichen des Reichtums.

M ODERNE

UND POLITISCHE

K ULTUR

Die Rückkehr der Könige und die Revitalisierung von Monarchien in Afrika wirft die Frage nach den Kennzeichen einer afrikanischen Moderne auf. Für die westliche Moderne führt der Soziologe Anthony Giddens vier institutionelle Dimensionen an, die zu enormen sozialen Transformationen und globalen Netzwerken geführt haben.19 Dies sind die Techniken der Überwachung, die militärische Macht, die kapitalistische Akkumulation und die Umgestaltung der Natur durch Industrialisierung. Giddens geht davon aus, dass sich diese Dimensionen im Kontext der Globalisierung immer weiter radikalisieren. In Uganda operieren diese Dimensionen bis heute auf eigene Weise und in unterschiedlicher Intensität. Sie exkludieren einen Großteil der Bevölkerung vom Wissen, vom Kapital und von der Macht. Erstaunlich einerseits, folgerichtig andererseits kehrten unter Duldung des Militärs gegen Ende des 20. Jahrhunderts die Könige von Buganda (1993), Tooro (1993), Bunyoro-Kitara (1994) und Busoga (1996) zurück. Genauer gesagt, begannen einige der Königtümer, sich wieder als Institutionen von Macht zu etablieren und unter dem Deckmantel der Kultur in einem prekären politischen Verhältnis zum Staat einzurichten.20 Andere schafften es nicht, die Anerkennung durch das herrschende nationale Regime zu erhalten, wie das Königtum Ankole oder das Königtum der Bakonzo. Kulturelle und politische Transformationen sind daher zwei weitere wichtige Dimension der Moderne, die

19 Giddens, Anthony: Konsequenzen der Moderne, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1995, S. 11, 75-85. 20 Doornbos, M./Mwesigye, F.: „The New Politics of King-Making“.

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in Giddens’ institutionellem Paradigma unberücksichtigt bleiben.21 Transformationen sind jedoch nicht ausschließlich moderne Prozesse, sondern auch in traditionellen Kontexten konstitutiv für Veränderungen. Mit der Rückkehr der Königtümer verbinden sich Ereignisse, in denen nicht nur politische, sondern auch okkulte Formen der Macht des Königs und seines Umfeldes aktualisiert werden. Ethnologische Studien haben gezeigt, dass okkulte Vorstellungen und Praktiken mit der Krise der postkolonialen Staaten in Afrika ein revival erfahren haben. Die Chicagoer Anthropologen Jean und John Comaroff sind der Ansicht, dass die Kapitalisierung und Kommerzialisierung von Menschen, Gütern und Transaktionen auf lokaler und globaler Ebene nicht mit den Hoffnungen auf Wohlstand, Sicherheit und Fortschritt mithalten kann.22 Um die Diskrepanz zwischen Hoffnung und Erfahrung auszugleichen, bedienen sich immer mehr Akteure krimineller und okkulter Praktiken, von denen der Krieg lediglich eine Form, Hexerei eine andere darstellt. Der Fokus meiner Arbeit liegt nicht auf den illegitimen Formen der Krisenbewältigung, sondern auf denen, die als legitim betrachtet werden. Mein Interesse gilt der Umgestaltung einer afrikanischen Gesellschaft in der Moderne, in deren Mittelpunkt die Wiederherstellung des Königtums steht und der König als potenter ‚Krisenmanager‘ erscheint. Mit der Soziologin Gurminder Bhambra lässt sich fragen, ob Moderne nicht selbst ein Mythos ist, in dem Europa als der Ursprung des Modernen privilegiert wird.23 Bhambra fordert, die Verbindung lokaler Geschichtsdiskurse und -praktiken im Diskurs der Moderne ernst zu nehmen. Zum einen sei es verkehrt, Moderne als ein europäisches Phänomen zu sehen und einen Ursprung in Europa zu behaupten, selbst wenn ihre Vervielfältigung außerhalb Europas anerkannt werde. Zum anderen lasse sich zeigen, wie moderne Prozesse im 19. Jahrhundert global Transformationen bewirkten. Bhambras Einwand lässt sich am Zwischenseengebiet Ostafrikas illustrieren. Dort entfaltete der Fernhandel neue Dimensio-

21 Vgl. hierzu Dürrschmidt, Jörg: Globalisierung, Bielefeld: Transcript 2002, S. 51. 22 Comaroff, Jean/Comaroff, John (Hg.): Modernity and its Malcontents. Ritual and Power in Postcolonial Africa, Chicago/London: University of Chicago Press 1993, Introduction, S. xii. Zu ergänzen sind hier die Militarisierung und Überwachung des Alltags, der Kommunikation und der Institutionen, die eine dauerhafte Krise bewirken. Dazu gehören auch die Ausbreitung des menschlichen Immunschwäche-Virus (HIV) und das Krankheitsbild dieser erworbenen Immunschwäche (AIDS). 23 Bhambra, Gurminder K.: „From Modernization to Multiple Modernities“, in: dies.: Rethinking Modernity. Postcolonialism and the Sociological Imagination, Basingstoke: Palgrave 2009, S. 56-82.

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nen und Wirkungen, die sowohl den lokalen als auch den globalen Raum veränderten. Der Handel mit Waffen, Elfenbein und Sklaven ebenso wie die Anwendung von Herrschaftswissen und innovativen Techniken beschleunigten die Transformationen in diesem Raum. Moderne lässt sich daher nicht als einseitiger Transfer verstehen, sondern als eine gestreute Wirkung von Dispositiven.24 Die Gestaltung einer ‚eigenen‘ Moderne bedeutet nicht, aus der Tradition auszubrechen oder Tradition als unmodern zu verstehen. Sie bedeutet vielmehr, eine ‚politische Kultur‘ zu etablieren, die tradierte und innovative Praktiken ebenso wie das Wissen darum verbindet. Den Begriff der ‚politischen Kultur‘ verwende ich in Anlehnung an Wyatt MacGaffey, einen Anthropologen, der bei den Bakongo im unteren Kongogebiet geforscht hat. Er schreibt: „‚Political culture‘ means, how Bakongo understood, and still understand, the experience of power in their lives.“25 Politische Kultur setzt sich mit den existenziellen Fragen des Lebens und ihrer Gestaltung auseinander. Sie basiert auf einer Kosmologie, die verschiedene Kraftfelder vereint. Im Zentrum der politischen Kultur der Bakongo standen im 19. Jahrhundert chiefs und minkisi. Letzteres sind Objekte, die durch Medizin ‚aufgeladen‘ und mit Kraft versehen wurden. Auch reiche Personen erlangten durch rituelle Investitur den Titel eines chiefs. Objekte und Personen konnten gleichermaßen mithilfe der medizinisch-rituellen Wirkungen, die ihnen zugesprochen wurden, Macht ausüben, vor allem in der Kontrolle der Herrschafts- und Handelsbeziehungen.26 Unter kolonialer Herrschaft veränderten sich die rituellen und politischen Praktiken der Bakongo. Ihre Kraftvorstellungen und Kosmologie beeinflussen jedoch weiterhin, so MacGaffey, die politische Kultur im Kongo.27 Ebenso lässt sich argumentieren, dass die politische Kultur des benachbarten Bunyoro-Kitara versucht, Antworten auf existenzielle Fragen zu finden. Wie im Kongo ist die Vorstellung von der Macht sakraler Personen und sakraler Objekte nicht verschwunden. Im Gegenteil, sie ergänzt und erhöht die Autorität politischer und kultureller Führer.

24 Der Begriff des Dispositivs entstammt dem ‚Werkzeugkasten‘ des französischen Geschichtsphilosophen Michel Foucault, der ihn zur Untersuchung von Macht und Machtwirkungen in Europa entwickelte. Siehe Foucault, Michel: Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit I, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1983. 25 MacGaffey, Wyatt: Kongo Political Culture. The Conceptual Challenge of the Particular, Bloomington: Indiana University Press 2000, S. 1 f. 26 Ebenda, S. 74, 75. 27 Ebenda, S. 1.

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Z UR

NEUEREN

A NTHROPOLOGIE

DER

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K ÖNIGTÜMER

Die Institution des Königtums in Afrika ist ein klassischer und kontinuierlicher Forschungsgegenstand sozial- und geisteswissenschaftlicher Disziplinen wie der Anthropologie, der Politikwissenschaft, der Religionswissenschaft und der Geschichte, ohne dass es zu einer sinnvollen Verknüpfung der Epistemologien dieser Fächer in Bezug auf ihren Forschungsgegenstand gekommen wäre.28 Für das östliche und zentrale Afrika haben sich vor allem Vansina, de Heusch, Lemarchand und Maquet innerhalb der frankophonen Anthropologie sowie EvansPritchard, Richards, Fallers, Mair, Beattie und Southwold innerhalb der angelsächsischen Anthropologie hervorgetan. All diesen Autoren ist gemeinsam, dass sie sich auf die eine oder andere Weise mit der Sakralität des Königs auseinandersetzen, die von James George Frazer bereits zu Anfang des 20. Jahrhunderts thematisiert worden war.29 Die französische Anthropologie tendierte zu einer Akzeptanz von Frazers religionswissenschaftlichen Thesen, während die britische Seite sich weitgehend distanzierte und stattdessen die soziopolitische Funktion des Königs betonte. Die politische Anthropologie übernahm schließlich zusammen mit der historischen Anthropologie das Forschungsfeld, sodass religionstheoretische Ansätze eine Zeit lang vernachlässigt wurden. In den 1990er Jahren belebte sich die Forschung um die Sakralität des Königs wieder, noch bevor die Rückkehr der Könige in Afrika zu einem eigenen Thema werden konnte. Benjamin Ray, Christopher Wrigley und Christopher Taylor lieferten eindrucksvolle Studien zur Religion und Kosmologie der historischen Königtümer von Buganda und Ruanda.30 Kurz darauf wurden drei der vier Königtümer von Uganda reinstalliert und ihre neuen Könige gekrönt.

28 Eine gute Übersicht bieten Lemarchand, Rene (Hg.): African Kingship in Perspective. Political Change and Modernization in Monarchical Settings, Forst Grove: Frank Cass & Co. 1977, sowie Quigley, Declan (Hg.): The Character of Kingship, Oxford: Berg 2005. 29 Frazer, Georg James: The Golden Bough, London: Macmillan 1906-1915. Frazers Theorie des sakralen Königtums stelle ich als historischen Diskurs in dieser Arbeit vor. Siehe weiter unten. Ebenso Feeley-Harnik, Gillian: „Issues in Divine Kingship“, in: Annual Review of Anthropology 14 (1985), S. 273-313. 30 Ray, Benjamin: Myth, Ritual, and Kingship in Buganda, New York/Oxford: Oxford University Press 1991; Wrigley, Christopher: Kingship and State. The Buganda Dynasty, Cambridge: Cambridge University Press 1996; Taylor, Christopher C.: Milk, Honey and Money. Changing Concepts in Rwandan Healing, Washington/London: Smithsonian Institution Press 1992.

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Der Anthropologe Michael Karlström führte genau zu diesem Zeitpunkt in Buganda eine Untersuchung zu Popular Royalism and the Restoration of the Buganda Kingship durch.31 Karlström stellt eine doppelte Krise in Buganda fest, die sich darin artikulierte, dass der ugandische Staat in den 1970er und 1980er Jahren zusammengebrochen war und damit auch eine moralische Krise in Buganda eingetreten war. Mit der Rückkehr des kabaka in den 1990er Jahren sollte die alte soziale und moralische Ordnung wiederhergestellt werden, so analysiert Karlström die Aussagen der gandischen Monarchisten. Damit bestätigt er indirekt die Arbeiten von Ray und Wrigley, die den kabaka als zentrales Symbol für Ordnung, Bedeutung und Macht betrachten. Zugleich betont Karlström, dass die Definition des neuen Königtums als eine kulturelle und nicht politische Institution auf die Erfindung einiger moderater gandischer Monarchisten zurückging. Sie versuchten auf diese Weise das Königtum im Nationalstaat zu neutralisieren, legten aber in der Praxis den Begriff ‚Kultur‘ als eine politische Handlungsweise aus. Das neue Regime unter Präsident Museveni hingegen betrachtete Kultur als ‚Nebensache‘ und domestizierte den König durch den Bann aller politischen Aktivitäten und die Restriktion seiner exekutiven Mittel. Zwar konnte Karlström zeigen, dass die Rückkehr des kabaka mehr als ein politischer Handel war, dennoch unterschätzt er meiner Ansicht nach die Gewichtung von Kultur in der Politik der ugandischen Regierung (NRM). In der deutschen Ethnologie und Afrikanistik haben Heike Behrend, Clara Himmelheber und Juliet Kiguli zur Rückkehr der Königtümer in Uganda gearbeitet und sich dabei vor allem auf Buganda konzentriert. Kiguli problematisiert die Konstruktion von Geschlecht und Macht unter dem Eindruck der ‚Ebyaffe‘Debatte, in der die Rückgabe der Besitztümer des Königtums verhandelt wurde.32 In einer Biografie der Dinge untersucht Himmelheber die Funktion und Bedeutung der königlichen Regalia im Kontext einer Modernisierung des Königtums. Anhand der Biografie der Dinge erforscht sie die Formation von Diskursen zur ethnischen Identität in Buganda und zur Konstruktion des Königtums als einer ‚Erfindung‘ zwischen Tradition und Moderne. Himmelheber zeigt, wie mediale Macht zu einer politischen Strategie in der lokalen und globalen Reprä-

31 Karlström, Mikael: The Cultural Kingdom in Uganda. Popular Royalism and the Restoration of the Buganda Kingship, Dissertation, Chicago: University of Chicago, 1999. 32 Kiguli, Juliet: Gender, ‚Ebyaffe‘ and Power Relations in the Buganda Kingdom. A Study of Cultural Revivalism, Dissertation, Köln: Universität zu Köln 2001.

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sentation des Königtums Buganda wird.33 Behrends Arbeiten konzentrieren sich auf die Themen Modernität und Macht in lokalen Geistbesessenheitskulten, in denen alternative Konstruktionen zu hegemonialen Bestimmungen von Geschlecht, Geschlechterbeziehungen und Subjektvorstellungen entstehen. Ein Beispiel sind Königsfrauen in Buganda, die seit der Krönung des amtierenden Königs als Geistmedien der toten Könige wieder aktiv werden und sich durch gender-crossing alternative Identitäten und kulturelle Freiräume verschaffen.34 Sie zeigt ferner, wie in den Besessenheitskulten der Königtümer und in den charismatischen Kirchen Geistmedien aktiv werden, die hybride Techniken verwenden und diese in ihren Machtstrategien einsetzen.35 In ihrem neusten Buch Resurrecting Cannibals dekonstruiert sie eindrücklich die Figur des Kannibalen, den Anti-Hexerei-Diskurs und damit verbundene Hexenjagden einer katholischen Laienorganisation, der Uganda Martyrs Guild, im revitalisierten Königtum Tooro. Behrend macht deutlich, wie sich lokale, in der Kosmologie und der politischen Kultur des Königtums vorhandene Konzepte der Inkorporation in der Semantik von ‚essen‘ und ‚gegessen werden‘ mit der christlichen Theophagie verbinden und die Figur des Kannibalen reproduzieren.36 In einer Zeit der internen Krise aufgrund der Aids-Epidemie, des Versagens der politischen Regierung und des Guerillakrieges übernimmt die charismatische Erneuerungsbewegung eine Aufgabe des Königs: die Säuberung des Königtums von Hexen und Kannibalen. Zur Rückkehr der Könige in Uganda schrieb auch der niederländische Politologe Doornbos eine Revision seiner Monografie Regalia Galore aus den 1960er Jahren über das Königtum Ankole.37 In Ankole war die Retablierung des

33 Mayer-Himmelheber, Clara: Die Regalia des Kabaka von Buganda. Eine Biographie der Dinge, Münster: LIT 2001. 34 Behrend, Heike: „Macht und Geschlecht. Königsfrauen in Buganda“, in: Völger, Gisela/Engelhard, Jutta (Hg.): Sie und Er. Frauenmacht und Männerherrschaft im Kulturvergleich, Köln: Stadt Köln 1997, S. 165-173. 35 Behrend, Heike: „‚Call and Kill‘. Zur Verzauberung und Entzauberung westlicher technischer Medien in Afrika“, in: Kümmel, Albert/Schüttpelz, Erhard (Hg.): Signale der Störung, München: Fink 2003, S. 287-300; dies.: „Geisterstimmen in Afrika. Die Stimme als Medium der Fremdpräsenz“, in: Epping-Jäger, Cornelia/Linz, Erika (Hg.): Medien/Stimmen, Köln: DuMont 2003, S. 85-99. 36 Behrend, Heike: Resurrecting Cannibals. The Catholic Church, Witch-hunts, and the Production of Pagans in Western Uganda, Oxford: James Currey 2011. 37 Doornbos, Martin: The Ankole Kingship Controversy. Regalia Galore Revisited, Kampala: Fountain 2001.

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Königs fehlgeschlagen, trotz einer Krönung des Thronkandidaten im Jahre 1993. Auf Druck des oppositionellen Diskurses in Ankole lehnte die NRM-Regierung eine Anerkennung des dortigen Königs ab. Doornbos bleibt aber wie in Regalia Galore im politischen Diskurs. Allzu leichtfertig übernimmt er meiner Ansicht nach den oppositionellen Diskurs, der das Königtum für überflüssig erklärt. Im Gegensatz zum König von Ankole wurde die Rückkehr des Königs von Bunyoro-Kitara von der Regierung begrüßt und rechtlich legitimiert. Sie war bisher nicht Thema einer systematischen Untersuchung, weil sich die Aufmerksamkeit auf Buganda konzentrierte. Meine Arbeit zeigt, wie sich das Königtum in einem peripheren Gebiet, das infrastrukturell und wirtschaftlich schwach dasteht, wieder einrichtet und ein Machtdispositiv entfaltet. Sie wurde in besonderem Maß von der 2007 erschienenen Monografie des Ethnologen Jean-Pierre Warnier inspiriert.38 Warnier untersucht aus Foucault’scher Perspektive den Körper und die Techniken der Macht im Königtum Mankon in Westkamerun. Er analysiert die Prinzipien des sakralen Königtums und zeigt, wie der Körper des Königs zum Behälter für lebensspendende Substanzen wird, die von den Ahnen gesegnet und über die Untertanen versprengt werden. Er zeigt die Verknüpfung von körperlicher und materieller Kultur. Schließlich kommt er zu dem Schluss, dass die Techniken der Macht ein Dispositiv von menschlichen und räumlichen Hüllen (container) hervorbringen, die der „Topfkönig“ verwalten muss. Auch diese Studie steht im Kontext der ‚Rückkehr der Könige‘ in Afrika. Sie zeigt, wie die Transformationen der Moderne mit der ‚Regierungskunst‘ (Gouvernementalität) des Königs in Zusammenhang stehen.

D ISKURSE

UND

D ISPOSITIVE

DER

M ACHT

Die in dieser Arbeit vorgenommene Diskursanalyse orientiert sich an Michel Foucaults Diskurs- und Machtbegriff. Im Folgenden möchte ich die für meine Arbeit wichtigsten Positionen und Begriffe Foucaults vorstellen. Was versteht er unter den Begriffen Diskurs, Macht und Wahrheit? Die kleinste Einheit eines Diskurses ist für Foucault die Aussage, die eingebunden in ihren historischen Kontext Formationen mit anderen Aussagen bildet.39 Diskurse sind konstitutiv für das Soziale und die Gesellschaft, es gibt jedoch kein intendierendes Subjekt,

38 Warnier, Jean-Pierre: The Pot-King. The Body and Technologies of Power, Leiden/ Boston: Brill 2007. 39 Foucault, Michel: Archäologie des Wissens, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1997, S. 115 ff.

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welches den Diskurs hervorruft und Gesellschaft nach seinen Vorstellungen gestaltet.40 Vielmehr treten die Diskurse aus den Aussagen von Individuen und Institutionen hervor. Sie materialisieren sich als Sprache, Körper, Architektur oder Ähnliches. Gleich, welche Form sie annehmen, drückt sich in ihnen der Wille zur Macht aus, der aus dem Begehren zu wissen, zu handeln, zu bestimmen, zu erschaffen, kurz, ‚Wahrheiten‘ über die Gesellschaft zu konstituieren, hervorgeht. Deswegen ist Macht nicht nur repressiv, sondern auch und vor allem produktiv. Sie bewirkt die ‚Geburt‘ von Objekten, die im Diskurs Subjektstatus gewinnen und als solche wieder neue Aussagen und Formationen des Wissens, der Macht und der Wahrheit bilden.41 Nach einem ähnlichen Prinzip formieren sich Diskurse zu Dispositiven42, in denen verschiedene Diskurse in Beziehung zueinander treten, sich ergänzen, einander rechtfertigen oder bekämpfen. Foucault unterscheidet diskursive Praktiken, die Aussagen über etwas machen, von nichtdiskursiven Praktiken, die Macht institutionalisieren und ‚verkörpern‘. Mit der Materialisierung der Aussagen und ihrer Institutionalisierung entstehen neue Aussagen, die sich formieren und den Diskurs vorantreiben. Diskurse haben so die Eigenschaft, sich immer weiter auszudifferenzieren, zu verfeinern oder zu radikalisieren. Anfangs vertrat Foucault die These, Macht sei repressiv. Später distanzierte er sich von dieser Sichtweise und betonte, neben dem unterdrückenden gebe es auch einen produktiven Aspekt von Macht. Damit durchdringt der Wille zum Wissen und mit ihm das Begehren der Macht das moderne Subjekt. Im Subjekt verschränken sich Aussagen und Diskurse zu Machtwirkungen. Das Subjekt selbst hingegen ist machtlos, es existiert nicht als Souverän seiner selbst, es ist

40 Foucault, M.: Archäologie des Wissens, S. 135; Bublitz, Hannelore: Diskurs, Bielefeld: Transcript 2003, S. 81. 41 Foucaults Machtbegriff veränderte sich im Laufe seines Schaffens, wurde differenzierter und vielschichtiger. In Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit 1 fasst Foucault zusammen: „Unter Macht, scheint mir, ist zunächst zu verstehen: die Vielfältigkeit von Kraftverhältnissen, die ein Gebiet bevölkern und organisieren; das Spiel, das in unaufhörlichen Kämpfen und Auseinandersetzungen diese Kraftverhältnisse verwandelt, verstärkt, verkehrt; die Stützen, die diese Kraftverhältnisse aneinander finden, indem sie sich zu Systemen verketten – oder die Verschiebungen und Widersprüche, die sie gegeneinander isolieren; und schließlich die Strategien, in denen sie zur Wirkung gelangen und deren große Linien und institutionellen Kristallisierungen sich in den Staatsapparaten, in der Gesetzgebung und in den gesellschaftlichen Hegemonien verkörpern.“ (Foucault, M.: Der Wille zum Wissen, S. 113-114.) 42 Ich werde den Begriff Dispositiv weiter unten ausführlicher erklären.

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das Objekt und zugleich das hervorgebrachte, regulierte Subjekt diskursiver Formationen, das heißt der Formationen des Wissens und der institutionalisierten Macht. Neben der Absage an die Vorstellung vom souveränen Subjekt, das den Lauf seiner Geschichte bestimmt und sich selbst als Individuum konstituiert, hat Foucault auch den tieferen Sinn von Aussagen bestritten. Er arbeitete an der Oberfläche der Aussagen und erfasste positivistisch das Gesagte und das Handeln, ohne ihre Bedeutung zu erforschen. Ebenso hat er den Umgang mit Geschichte als linearem Prozess abgelehnt und sich den Brüchen, Widersprüchen und dem Zufall von Ereignissen und Aussagen zugewandt.43 Sein Interesse galt daher weniger dem Alltäglichen und der Routine als dem Auffälligen und seiner Normalisierung durch die Regeln der Diskurse. Mit den Mitteln der Diskursanalyse werde ich in dieser Arbeit die Legitimation von Macht, ihre Institutionalisierung und die Ausdifferenzierung ihrer Diskurse untersuchen. Dabei gehe ich von Macht als einer repressiven und produktiven Kraft aus, vor allem in der Hervorbringung von Materialität, Legitimität und Moral. Anders als Foucault werde ich nicht nur analytisch in Bezug auf die reine Materialität von Sprache und Praxis, sondern auch hermeneutisch vorgehen und den ‚tieferen‘ Sinn von Symbolen der Macht untersuchen. Beispielsweise werde ich mich Ritualen und Regalia auf der Ebene ihrer semantischen Bedeutung nähern. Ich spreche in dieser Arbeit von einem Dispositiv44, das sich in der Auseinandersetzung um die Macht in Uganda etablierte. Wenn man die Elemente des Dispositivs als

43 Foucault, M.: Archäologie des Wissens, S. 41, 147, 243. 44 In Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses zeigt Foucault 1975, wie die Disziplinargesellschaft ein Dispositiv von Überwachung und Bestrafung schafft, das zur Selbstdisziplinierung des Subjekts führt. In Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit 1 macht er 1976 am Beispiel der Diskurse über den Sex deutlich, wie sich ein Sexualitätsdispositiv in der bürgerlichen Gesellschaft Europas herausbildet. 1978 folgt dann die Vorlesung über die Gouvernementalität, in der Foucault die Dispositive zur Kontrolle des Einzelnen (Souveränitätsdispositiv) und ganzer Bevölkerungsteile (Regierungskunst) untersucht Vgl. Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1994 [Originalausgabe 1975: Surveiller et punir. La naissance de la prison]; ders.: Der Wille zum Wissen; ders.: Geschichte der Gouvernementalität 1. Sicherheit, Territorium, Bevölkerung, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2004.

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„heterogene Gesamtheit, bestehend aus Diskursen, Institutionen, architektonischen Einrichtungen, reglementierenden Entscheidungen, Gesetzen, administrativen Maßnahmen, wissenschaftlichen Aussagen, philosophischen, moralischen und philanthropischen Lehrsätzen, kurz Gesagtes ebenso wie Ungesagtes“45

versteht, wie es Foucault tat, dann ist ein Dispositiv die Gesamtheit von Diskursen, Praktiken und Institutionen, die strategisch zur Erzeugung von Wissen und Macht eingesetzt werden. Wissen und Macht nehmen einen besonderen Stellenwert in der Geschichtsphilosophie Foucaults ein. Innerhalb der Geschichte des Abendlandes stellte er einen ausgeprägten Willen zum Wissen und die Etablierung von wissenschaftlichen Disziplinen zur Konstitutierung von Wahrheiten über den Menschen fest. In diesem Kontext unterschied Foucault verschiedene Machttypen wie die Macht des Souveräns, die Disziplinarmacht der Institution und schließlich die Selbsttechnologien des Subjekts und seine Internalisierung von Machtpraktiken. Man kann sich fragen, ob der „Werkzeugkasten“ Foucault, seine Begriffe, Methoden und Denkweisen, mittels derer er die Geschichte der Machtbeziehungen und Machttypen des ‚Abendlandes‘ untersuchte, auch in der Analyse der Macht in Afrika greifen. Dafür, dass die Diskurstheorie und -methode unabhängig von ihrer kulturellen Lokalisierung für die Analyse der Macht geeignet ist, spricht zum einen, dass sie die Verknüpfung unterschiedlicher Machttypen, ihre Herkunft und Herausbildung zu untersuchen erlaubt. Foucault spricht diesbezüglich von zwei Methoden, der Archäologie und der Genealogie. Die Archäologie des Wissens privilegiert die Beschreibung der Diskurse, ihrer Formation und ihrer Ordnung, die Genealogie untersucht die Formation der nichtdiskursiven Praktiken und der Diskurse unter ihren historischen Bedingungen. Sie fragt, unter welchen Bedingungen Diskurse auftauchen oder verschwinden, während die Archäologie sich allein damit beschäftigt, wie die Aussage auftaucht, in welcher Form, als welches Ereignis, unter welcher Strategie. Zum anderen lässt sich mit dem Literaturwissenschaftler Homi Bhabha argumentieren, dass der koloniale Diskurs Produkt einer Hybridisierung von Aussagen und Praktiken ist, die sowohl von den Kolonisierten als auch von den Kolonisatoren erzeugt werden. In diesem Prozess bedeutet Hybridisierung nicht eine harmonisierende ‚Verschmelzung‘, sondern eine Subversion des dominanten Diskurses. Für Bhabha bleibt der koloniale Diskurs ambivalent, angreifbar, nie im vollen Besitz der

45 Foucault, Michel: Dits et Écrits. Schriften, Band III, 1976-1979, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2003, S. 392. Zitiert nach: Ruoff, Michael: Foucault-Lexikon, Paderborn: Fink 2007, S. 101.

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Macht, des Wissens oder der Wahrheit. Es gibt keine klaren Polaritäten und Zuordnungen, sondern immer ein Dazwischen, das neue Handlungsspielräume eröffnet, „strategies of subversion“46. In Anlehnung an Foucault verstehe ich unter einem Diskurs eine unbestimmte Menge von Aussagen, die bestimmten Regeln folgen und die Materialisierung oder Institutionalisierung des Gesagten hervorbringen.47 Umgekehrt sind auch nichtdiskursive Praktiken produktiv, indem sie diskursive Gegenstände hervorbringen und damit neue Diskurse bilden oder alte beeinflussen. Beide Praktiken (diskursive und nichtdiskursive) wirken wechselseitig auf die Bildung eines Dispositivs. Ein Dispositiv ist in der Betrachtung seiner Elemente umfangreicher als die Betrachtung einzelner Diskurse, denn „es berücksichtigt den Diskurs, die Macht und das Ungesagte (Einrichtungen, Institutionen, Verdrängtes)“48. Die Verflechtung von verschiedenen Diskursen ist daher ein Teil der Analyse eines Dispositivs. Das Dispositiv selbst kann als ein Netz betrachtet werden, in dem die Beziehungen zwischen den einzelnen Elementen nicht festgelegt sind, sondern in dem diese sich in ständiger Bewegung befinden. Im Kontext der Auseinandersetzung um die Macht und die Rückkehr der Königtümer in Uganda entsteht ein Dispositiv, in dem sich eine Reihe unterschiedlichster Diskurse, Praktiken und Institutionen zu Machtstrategien, Machttechniken und Wissenstypen verbunden haben.

A RCHIV -

UND

F ELDFORSCHUNG

Das Material meiner Arbeit geht im Wesentlichen auf einen zwölfmonatigen Feldforschungsaufenthalt in Uganda (April bis September 1999 und Februar bis August 2000) zurück, den ich zum größten Teil in Bunyoro-Kitara, zum kleineren Teil in den benachbarten Königtümern Tooro und Buganda verbrachte. Von Kampala aus organisierte ich meine Aufenthalte im Westen des Landes und suchte Schlüsselinformanten auf, die in der nationalen Hauptstadt ihre Büros führten. Darüber hinaus recherchierte ich im Vorfeld, in der Zwischenphase und nach meinem Forschungsaufenthalt nach Aussagen über das Königtum BunyoroKitara, vor allem in britischen Archiven, in elektronischen Medien (Internet, Datenbanken) und in Printmedien, die ‚Die Rückkehr der Könige‘ als Thema

46 Bhabha, Homi: The Location of Culture, New York: Routledge 2007, besonders „Signs taken for Wonders“, S. 112. 47 Foucault, M.: Archäologie des Wissens, S. 145 ff. 48 Ruoff, M.: Foucault-Lexikon, S. 101.

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aufgegriffen haben. Über elektronische Post blieb ich mit einigen meiner zentralen Gesprächspartner in Uganda und Bunyoro-Kitara vernetzt, sodass ich dem weiteren Verlauf des Retablierungsprozesses aus der Ferne folgen konnte. Die tagespolitischen Ereignisse lassen sich bis heute in den elektronischen Ausgaben der Tageszeitungen The New Vision und The Monitor verfolgen. Meine Archivrecherche begann in der Cambridge University Library, die die Royal Commonwealth Society Library übernommen hatte. Hier befindet sich unter anderem die fotografische Sammlung von Captain Arthur Thruston, der König Kabalega von Bunyoro-Kitara im April 1899 mit seinem Bataillon gefangen nehmen und in der Haft fotografieren konnte. Die Bilder zeigen unter anderem den am Arm amputierten König. Als Teil des Dispositivs der Kolonialmacht fließen sie in den historischen Diskurs über das Königreich Bunyoro-Kitara mit ein. Im Public Record Office in London befinden sich koloniale Korrespondenzen über Bunyoro von den Jahren der frühen Kolonialzeit und Depression 1900-1920, der Wiederaufbauperiode 1920 bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges, der Zeit des Weltkrieges und der Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs von 1950-1960, die in die nationale Unabhängigkeit und Abschaffung der Königtümer in Uganda 1967 mündete. In der Zeit der Militärregime und Bürgerkriege in Uganda blieb der wissenschaftliche Gegenstand ‚Königtum‘ marginal49, bis er sowohl in Uganda als auch international in den 1990er Jahren neue Aufmerksamkeit erregte.50 In den Archiven der Makerere University und des National Archives Entebbe befinden sich Zeitschriften und Akten aus der kolonialen Epoche von 1890 bis 1961, die mit Korrespondenzen zwischen der Imperial East African Company und dem Foreign Office begannen und vom Colonial Office fortgesetzt wurden. Darin setzt sich die Kolonialverwaltung mit den verbliebenen Eliten Bunyoros über die Verwendung der Ressourcen des Königreiches auseinander und diskutiert die Restriktionen, die der Bevölkerung und dem königlichen Clan auferlegt worden sind. Das Hoima District Archiv besitzt Akten mit Informationen über die Vorgänge in den 1960er Jahren. Dazu gehört die Abschaffung des Königtums, die Evakuierung des Palastes, die Verbannung des Königs und der Regalia

49 Ruyonga, Asaba, E.: Cannibalism as an African Culture. In the Kijura People of Toro District, B. A. Thesis, Kampala: Makerere University 1978; Mukasa-Balikuddembe, Joseph: The Indigenous Elements of Theatre in Bunyoro and Tooro, unveröffentlichte Masterarbeit, Dar-es-Salaam: University of Dar-es-Salaam 1973. 50 Mafeje, Archie: Kingdoms of the Great Lakes Region. Ethnography of African Social Formations, Kampala: Fountain 1998; Nsibambi, A: „The Restauration of Traditional Rulers“; Doornbos, M./Mwesigye, F.: „The New Politics of King-Making“.

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aus dem Palast, die nachfolgenden Bemühungen um den Erhalt der Königsgräber und ähnliche Dinge, die mit dem Königtum in Beziehung stehen. Einige Protokolle berichten über die Treffen und Debatten der Akteure des Königtums und des königlichen Clans, in denen die Vorgehensweise der Reinstitutionalisierung detailliert diskutiert wurde. Um mir das wichtigste Medium der Kommunikation anzueignen, nahm ich Sprachunterricht in Runyoro, einer der Lokalsprachen des westlichen Uganda. So konnte ich auch mit Personen, die nur wenig oder keine Englischkenntnisse besaßen, kommunizieren. Für halbstrukturierte und tiefergehende Interviews blieb ich auf die Hilfe meines Assistenten und Sprachlehrers angewiesen. Im Gebrauch der lokalen Sprache entdeckte ich Konzepte des Denkens, Handelns und Fühlens wie beispielsweise den Gebrauch eines empaako. Der Begriff bezeichnet die Kosenamen von Geistern des Cwezi-Kultes (vgl. Kapitel „Kosmologie und Geisterkulte“). Einen solchen Kosenamen erhält jede Nyoro-Person bei ihrer Geburt, wodurch sie unter den Schutz eines spezifischen Clan- oder Familiengeistes gestellt wird.51 Es erleichtert den Beginn einer Kommunikation, wenn sie mit der Frage nach dem empaako des Gegenübers eingeleitet wird. Sein Gebrauch signalisiert Höflichkeit, Freundschaft und Zuneigung, er kann aber auch gegenteilige Reaktionen hervorrufen. Wiedergeborene Christen, vor allem aus den charismatischen Bewegungen, lehnen das empaako entschieden ab, weil sie es mit satanischen Praktiken in Verbindung bringen. Eher zufällig hatte ich mein empaako ‚Adyeri‘ von Kaikara, einem weiblichen Geist des EmbandwaKultes entlehnt. Neben den kommunikativen Aspekten hatte es den Vorteil, dass es für viele Banyoro leichter zu merken war als mein deutscher Name. Zur Forschung im Königtum war es notwendig, den Habitus52 der höfischen Gesellschaft in Bunyoro-Kitara kennenzulernen. Erst mit der Zeit entwickelte ich ein Gefühl für das Mögliche und das Unwahrscheinliche und begriff allmäh-

51 Die bekanntesten sind Amooti, Akiiki, Abooki, Atwooki, Abwooli, Adyeri, Atenyi, Araali, Apuuli, Acaali, Bala (für chiefs) und Okali (nur für den König). Vgl. Nyakatura, John W.: Aspects of Bunyoro Customs and Tradition, Nairobi: East African Literature Bureau 1971, S. 19. 52 Den Begriff ‚Habitus‘ verwende ich hier in Anlehnung an Bourdieu als ein Erzeugungsprinzip von klassifizierbaren sozialen Praktiken und Dingen (Produkten), von Unterscheidungen und Bewertungen des sozialen Geschmacks, von Lebensstil. Mit dem Habitus als Erzeugungsformel lassen sich distinktive Zeichen erklären, die Urteile und Bewertungen (einer Klasse) ausdrücken. Vgl. Bourdieu, Pierre: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1987, S. 277-278.

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lich, dass rituelles Wissen einem starken Schutz unterliegt. Vertrauen und Einbindung in die lokale Gemeinschaft waren notwendig, die ich durch meine Mobilität nicht in dem Maß erreichte, wie sie für die Einführung in rituelles Wissen erforderlich gewesen wäre. Aussagen über das Königtum verschoben sich je nachdem, in welchem der drei Distrikte von Bunyoro-Kitara ich mich bewegte und welche gesellschaftliche Position mein jeweiliger Gesprächspartner innehatte. Zu Beginn meiner Forschung bereiste ich die drei Distrikte des Königtums und stellte mich den verschiedenen Akteuren und Machthabern vor. Neben dem Omukama und einigen wichtigen Persönlichkeiten des Königtums zählten dazu die wichtigsten Repräsentanten des Staates, der Vertreter der Regierungspartei (NRM) oder Residence District Commissioner (RDC), der Vorsitzende des Distrikts oder Local Council Chairman (LCV) und der Schatzmeister oder Council Administration Officer (CAO) des jeweiligen Distrikts. Im Austausch mit den politischen Autoritäten der Distrikte lernte ich rasch die Spannung zwischen dem Königtum und dem Staat mit seinen Lokalregierungen kennen. Vom König erhielt ich jedoch die Genehmigung für meine Forschung, denn mit der Retablierung des Königtums wuchs auch das Interesse an seiner Präsenz in den Medien und an der Rekonstruktion der Geschichte des Königtums. Da ich Interesse an den ‚kulturellen‘ Aspekten des Königtums bekundete, wurde ich im Palast an Schlüsselinformanten verwiesen. Häufig handelte es sich dabei um Personen, die ein rituelles Amt und ein königliches Ministeramt bekleideten, wie etwa der ‚Kopf der Regaliahüter‘ (omukuru w’ebikwato), der zugleich königlicher ‚Minister für Kultur‘ war. Auch der Chef der Palastwache (omuboggora) wurde mir als Referent in Fragen der ‚Kultur‘ des Königtums empfohlen. ‚Kultur‘ wurde in diesem Zusammenhang als schützenswertes Gut, das es militärisch zu verteidigen galt, verstanden. Mit dem Chef der Palastwache entwickelte ich eine vertrauensvolle Beziehung und führte aufschlussreiche Gespräche, die von Interna durchzogen wurden, deren Enthüllung er meinen Darstellungen entgegenstellte. Der Chef der Regaliahüter und Minister für Kultur dagegen machte jedes Gespräch zu einer Prüfung meines Wissensstandes. Zu meinem großen Bedauern gelang es mir nicht, ein Interview mit der Mutter des Königs (nyinamukama) zu führen. Königinmütter hatten bis in das 19. Jahrhundert mit dem König und seiner Schwester zusammen regiert und einen eigenen Hof besessen. Die amtierende Königinmutter und Witwe des 1967 abgesetzten Königs Tito Winyi lebte 1999/2000 zurückgezogen in einem Dorf in der Umgebung von Hoima, der Residenz des Königs, und trat erst beim jährlichen Empango-Fest in Erscheinung. Stattdessen besuchte ich die beiden anderen, noch lebenden Witwen des inzwischen verstorbenen Sir Tito Winyi. Aufgrund

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ihres großen Altersunterschiedes, ihres unterschiedlichen Ranges in der höfische Gesellschaft und ihrer Erfahrungen nach der Abschaffung des Königtums 1967 ergaben diese Leitfaden- und Tiefeninterviews differenzierte Aussagen über die höfischen Macht- und Geschlechterverhältnisse zur Kolonialzeit, über die Egalisierung des königlichen Clans und seiner Frauen seit der Abschaffung des Königtums und über die Reorganisationsbemühungen des königlichen Clans nach der Wiedereinrichtung des Königtums. Die offizielle Schwester des Königs (batebe) war eine weitere wichtige Gesprächspartnerin. Nach anfänglichen informativen Gesprächen entzog sie sich zusehends meinen Besuchen. Je näher wir den Inhalten der Praktiken im Palast und in den Ritualen kamen, desto reservierter wurden ihre Auskünfte. Von Beginn an beschränkte sie sich auf ihr Amt als Repräsentantin der Babito-Prinzessinnen (Babitokati). Bei weitergehenden Fragen vertröstete sie mich, um sich im Palast über die richtige Antwort zu erkundigen. Wie andere Frauen war sie weit stärker auf eine Absicherung ihrer Aussagen durch männliche Autorität angewiesen als ihre männlichen Kollegen. Okwiri, der Repräsentant der BabitoPrinzen entzog sich ebenfalls meinen Besuchen, so gut es ging. Dennoch nutzte er die Gespräche, um mir eine Idee von der Größe Bunyoro-Kitaras und dem Alter der Dynastie zu vermitteln. Okwiri war ein Verfechter der HamitenTheorie und leitete daraus außerdem die Exklusivität des Babito-Clans in Bunyoro-Kitara ab. Meine Forschung stieß auf eine ambivalente Haltung im Palast. Einerseits war ich willkommen und wurde für einen längeren Aufenthalt in den Palast eingeladen, andererseits war ich suspekt und erhielt einen ‚Betreuer‘ zur Seite gestellt, der meine Tätigkeiten leiten und beobachten sollte. Dies beinhaltete ein Angebot, mich mit dem mit königlichen Emblemen beschrifteten Landrover des Königtums zu den Regaliahütern und Amtsinhabern zu chauffieren. Da ich nicht als Partner des Königtums auftreten wollte, nahm ich dieses Angebot nicht wahr, sondern benutzte die lokalen Motorroller (bodaboda), die auch ohne Chauffeur am Taxipark zu mieten waren. Auf diese Weise versuchte ich mich einer zu starken Kontrolle zu entziehen. Die offiziellen Organe des Königtums respektierten diese Entscheidung. Allerdings schränkte sich dadurch auch die Reichweite meiner Beobachtungen und Gespräche ein, vor allem in Bezug auf die Vorgänge im Palast und in der Regierung des Königtums. Diese Lösung machte jedoch die Besuche bei Regaliahütern und Amtsinhabern weniger offiziell. So baute sich durch wiederholte Besuche, Treffen und Vertröstungen mit der Zeit Vertrauen auf. Das große Fest (empango) wurde mir von meinen Gesprächspartnern als Höhepunkt meines Aufenthaltes in Bunyoro-Kitara versprochen. Beim Empan-

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go-Fest fanden die Akteure Gelegenheit, etwas aufzuführen und zu sein, was sie (mir) zuvor nur beschreiben konnten. Eine Herausforderung meiner Forschung war die Auseinandersetzung mit der Funktion des Amtes und seiner Bezahlung. Regaliahüter, Musiker und andere Amtsträger richteten Appelle und Forderungen für eine Vergütung ihrer Performanz nicht nur an das Königtum, sondern auch an mich. Die Ämter ließen Prestige und Lohn erwarten. Dabei war die Höhe der Entschädigung undefiniert und variierte erheblich zwischen den verschiedenen Persönlichkeiten. Manche Beamte distanzierten sich von jeder Erwartungshaltung, andere begannen ihre Forderungen mit hohen finanziellen Summen und betrachteten materielle Geschenke als unzureichend. Vielmehr sahen sie die Geschenke als einleitende Gaben für weitere Transaktionen, ähnlich wie bei den Verhandlungen eines Brautpreises. Offiziell verbot die königliche Regierung eine Kommerzialisierung des Wissens über das Königtum durch ihre Beamten. Inoffiziell waren solche Transaktionen willkommen. Tatsächlich offenbarten die Verhandlungen über den Transaktionswert des Wissens zwischen mir und meinen Gesprächspartnern, wie unsere jeweilige Position zu bewerten sei. Personen mit oder ohne Amt konnten mir wertvolles Wissen geben, ohne eine Entschädigung für ihren Zeitaufwand und ihre Kenntnisse zu verlangen. Ebenso konnte der umgekehrte Fall eintreten. Auch die materiellen Verhältnisse meiner Gesprächspartner ließen dabei nicht auf eine Regel schließen. Vielmehr kam es darauf an, ob die jeweilige Person es selbst für wichtig hielt, mir ihr Wissen mitzuteilen. In diesem Fall gehorchte die Transaktion von Wissen nicht kommerziellen Interessen, sondern machtpolitischen, denn in der Regel konkurrierten Amtspersonen und Clane untereinander. Es kam also sehr darauf an, in welchem Kontext ich meine Fragen stellte und ob ich einen kritischen Punkt der lokalen Diskurse traf, den die betreffende Person zu kommunizieren suchte. Meine Forschung setzte sich aus mehreren Abschnitten zusammen. Nach der ersten Rundreise ließ ich mich in einem Dorf im Westen des Distrikts Kibaale nieder, um meine Runyoro-Kenntnisse zu praktizieren und eine BanyoroGemeinschaft im Sinne einer small-scale community kennenzulernen, wie es John Beattie getan hatte. Mein Ziel war in gewisser Weise, aus der Optik der Außenseiterin auf die Institution des Königtums zu schauen und von dort einen Standpunkt zu gewinnen. Danach wandte ich mich dem Zentrum des Königtums Hoima zu und kehrte die Perspektive um. Dieser Abschnitt folgte im Januar 2000. Hier mietete ich ein Haus der katholischen Kirche in Hoima, das mich zur Mieterin des dortigen Bischofs machte. Ich konzentrierte mich auf die Erforschung der rituellen Objekte (Regalia), der rituellen Ämter, der Rituale, der

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königlichen Gräber der drei letzten Könige (Kabalega, Duhaga, Tito Winyi) und des Empango-Festes, das im Juli 2000 stattfinden sollte. Von Hoima aus besuchte ich den Mwitanzigesee (Albertsee) und nahm Kontakt zu traditionellen Heilern, Geistmedien und zu Mitgliedern einer königlichen Musikband auf. Danach suchte ich das alte Kernland des Königtums im Distrikt Kibaale auf, wo die Mehrheit der Gräber der Könige lagen. Dort stieß ich auf das Mubende Banyoro Committee (MBC), das in den 1950er und 1960er Jahren für die Rückkehr der ‚verlorenen Gebiete‘ zum Königreich Bunyoro-Kitara gekämpft und mit der Rückkehr des Königtums neue Bedeutung erlangt hatte.53 Ich verfolgte daher die Geschichte und die gegenwärtigen Aktionen dieser Organisation. In Kibaale stieß ich auf eine erregte Debatte, die um die Landreform und den Umgang mit ethnisch fremden Siedlern kreiste. Der xenophobisch geprägte Diskurs wurde vom MBC vorangetrieben und schloss an einen historischen Diskurs über die Teilung des Königtums und seine an Buganda ‚verlorenen Gebiete‘ sowie an eine verpasste Landreform an. Um diese Zeit, im Juni 2000, spitzten sich der Krieg im Kongo und die Verwicklung Ugandas darin zu. Die Armee Zimbabwes intervenierte im Kongo, während in Zimbabwe Kriegsveteranen gegen weiße Siedler rebellierten und ‚ihr‘ Land zurückforderten. Diese Ereignisse waren ‚heiße‘ Themen in der ugandischen Presse.54 Sie lieferten Szenarien, die auf die lokale Situation in Kibaale übertragbar waren und dort Drohgebärden auslösten.55 Um den nördlichen Teil Bunyoro-Kitaras in meine Forschung einzuschließen, besuchte ich mehrmals den Distrikt Masindi und suchte Älteste, Meinungsführer und Regaliahüter auf. Daneben verschaffte ich mir einen Eindruck von der gewaltigen Größe der Nationalparks in Bunyoro-Kitara, einem Streitpunkt zwischen Staat und Königtum, da der Nationalstaat von den Devisen des Tourismus profitierte und die Landnutzungsfläche im Königtum beschränkte. Auch

53 Als ‚verlorene Gebiete‘ wurden die Unterdistrikte Buyaga und Bugangaizi im kolonialzeitlichen Distrikt Mubende bezeichnet. ‚Verloren‘ gingen die Gebiete 1893, als Hochkommissar Henry Colvile einen Feldzug gegen König Kabalega unternahm. Colvile überließ die südlichen Gebiete Bunyoro-Kitaras seinen Verbündeten, den Baganda, sodass sie von 1893 an als ‚verloren‘ galten. Vgl. Dunbar, Archibald R.: A History of Bunyoro-Kitara, Nairobi: East African Institute of Social Research, Oxford University Press 1965, S. 86. 54 Die beiden Tageszeitungen New Vision und Monitor lieferten von März bis Mai 2000 negative Meldungen über Präsident Mugabes Landpolitik in Simbabwe, die sie von internationalen Nachrichtenagenturen übernahmen. 55 Tatsächlich trat diese Ankündigung 2003 ein, als Mitglieder des MBC gegen Bakiga im Distrikt Kibaale vorgingen.

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im Süden des alten Kernlandes von Bunyoro-Kitara befand sich ein für das Königtum bedeutender Ort. Auf einem Hügel nahe der Stadt Mubende stand der Schrein des Cwezi-Geistes Ndahura in Form eines tropischen Baumriesens. Ich besuchte das weibliche Geistmedium dieses Kultortes und ließ mir die Bedeutung des Schreins für die Krönungsfeierlichkeiten in Buganda, Bunyoro und Tooro erklären. Darüber hinaus galt der Ort als ein Zentrum des Cwezi-Kultes, wo Besucher die Geister und Ahnen um Segen, Gesundheit, Reichtum und Wohlstand bitten. Mit zunehmendem Wissen wurde mir die politische Lage meines Forschungsgebietes bewusster. Obwohl der Westen Ugandas als sicheres Terrain galt, erwies sich diese Einschätzung als falsch. Im Süden des Distrikts Hoima und im Distrikt Kibaale operierten die Allied Democratic Forces (ADF), eine bewaffnete Opposition des regierenden National Resistance Movements (NRM). Die ADF setzten sich aus ehemaligen Soldaten des Amin Regimes (NALU National Army for the Liberation of Uganda) und aus Mitgliedern des Islamic Tabliq Youth Movements zusammen. Unter der Führung von Jamil Mukulu sollen die ADF einen islamischen Staat für Uganda angestrebt haben. Ihr Rückzugsgebiet hatten sie in den Ruwenzori-Bergen. Von dort aus arbeiteten sie sich in die Distrikte der Königtümer Tooro und Bunyoro-Kitara vor. Hier überfielen ihre Kämpfer Schulen und Dörfer, um neue Rekruten zu entführen. 1999 verübten die ADF Attentate in Märkten, Sammeltaxen und in einem Fußballstadion in Kampala. 2000 begannen ADF-Gruppen, die Bevölkerung Hoimas und Kibaales zu überfallen, um Druck in Bezug auf das anstehende ‚Referendum zum politischen System‘ auszuüben. Dabei drangen sie über den Mwitanzigesee bis an den Rand des Distrikts Hoima vor. Die ADF unterstützten die Option der ‚Mehrparteien-Demokratie‘ und operierten gegen das Einparteiensystem der NRM. Da sie sich zunehmend marginalisierten, von Regierungstruppen gejagt und wegen ihrer Gewaltakte gefürchtet wurden, hatten sie keine Unterstützung in der Bevölkerung des ugandischen Westens. Ihre Operationen wurden von der Bevölkerung genau beobachtet und registriert. Über ein Netz von Taxiparks, Busstationen, Märkten, lokalen Radiosendern, Zeitungen und Pendlern wurde ihr jeweiliges Auftauchen und Verschwinden kommuniziert. Bevor wir uns zu einer Recherche in betroffene Gebiete aufmachten, erkundeten mein Begleiter und ich zunächst die Sicherheitsfrage. Trotzdem konnten ADF-Kämpfer mit ihrem Auftauchen überraschen. Manchmal erfuhr ich erst vor Ort, dass ‚Rebellen‘ in der Nähe waren. Dieser Unsicherheit war es geschuldet, dass wir Besuche am Mwitanzigesee mehrmals verschieben mussten. In Kibaale gebot die Sicherheit, sich nicht im Umfeld von Sumpfgebieten und Waldgebieten, wo ADF-Kämpfer untergetaucht waren, aufzuhalten. Zwar überließ ich es weitgehend meinem Mit-

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arbeiter und unseren Informanten, die Frage der Sicherheit einzuschätzen, dennoch beeinflusste die Sorge vor unliebsamen Überraschungen und die Verantwortung für die Sicherheit aller Beteiligten (Forscher, Mitarbeiter, Gastgeber) meinen Forschungsplan. Ich fühlte mich in der Regel sicherer, wenn ich nicht allzu lang an einem Ort wohnte. Anders als in Norduganda, wo offener Krieg zwischen der Lord Resistance Army und den Truppen der Regierung (UPLF) herrschte, blieb das Phänomen Krieg in den westlichen Königtümern verdeckt und begrenzt. Die latente Unsicherheit der Bevölkerung wirkte verstärkt auf eine Unterstützung für die NRM. Sie galt als Garant für den Frieden im Westen Ugandas, der 1986 mit Hilfe der lokalen Bevölkerung erkämpft worden war. Diese Parteinahme beeinflusste meine Forschung insofern, als Kritiker der Regierung in der Minderheit waren. Seit der Writing-culture-Debatte gibt es eine Priorität in der postmodernen Anthropologie, die Perspektive der Subalternen einzunehmen. In jüngerer Zeit hat sie sich von dieser Priorität gelöst und einer multi-sited ethnography zugewandt, die auch die Perspektive der Eliten erforscht.56 Verarmte Bauern konnten neben relativ reichen Politikern, Staatsbeamten und Unternehmern hohe Positionen im Königtum einnehmen. Allerdings lässt sich mit Recht fragen, inwieweit mittellose Beamte, die vielleicht über okkultes Wissen verfügten, auch politische Macht besaßen. Im Kabinett des Königs schien die Regel zu herrschen, dass Bildung und Reichtum die Voraussetzungen für politische Führung waren. Häufig kamen solche Führer aus der Bunyoro Kitara Development Foundation, die 1992 gegründet worden war.57 Die BKDF war eine Versammlung von einflussreichen

56 Marcus, George E.: „Ethnography in/of the World System. The Emergence of MultiSited Ethnography“, in: Annual Review of Anthropology 24 (1995), S. 95-117. 57 Vgl. dazu Van Binsbergen, W.: „Nkoya Royal Chiefs and the Kazanga Cultural Association in Western Central Zambia Today“, in: van Rouveroy van Nieuwaal, Emile/ van Dijk, Rijk (Hg.): African Chieftaincy in a New Socio-political Landscape, Leiden/ Münster: LIT 1999, S. 114-118. Van Binsbergen zeigt hier, wie die Kazanga Cultural Association, eine Organisation von Mitgliedern der urbanen Mittelklasse, zusammen mit der politischen Elite, den chiefs im Königtum Nkoya, eine politische Ethnisierung zu ihrem Vorteil betreibt. ‚Formale Organisationen‘ wie der ‚Kulturverein‘ haben alte und lokal etablierte Formen der Organisation wie den Ältestenrat abgelöst. Die Positionen der chiefs und des Königs werden in diesem Prozess folklorisiert. Ähnliches lässt sich für die Bunyoro Kitara Development Association beschreiben. Auch im 1993 nicht reinstitutionalisierten Königtum Ankole, im Südwesten Ugandas, kämpfen zwei Kulturvereine um beziehungsweise gegen die Rückkehr des Königtums und die

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Banyoro aus Politik, Kirche, Medien, Bildung und Wirtschaft. Sie hatte ihren Sitz in der nationalen Hauptstadt Kampala. Die Organisation war eine aktive Versammlung von Banyoro, die sich der Kultur, dem Königtum und dem Wiederaufbau von Bunyoro-Kitara widmeten.58 Beinahe zwangsläufig kreuzten sich in der BKDF die Verbindungen des Lokalen mit dem Globalen. Viele der Mitglieder lebten im urbanen Raum, als Geschäftsleute, Unternehmer, Staatsbeamte, staatlich Angestellte oder Studenten. Neben akademischen Graden, die nicht selten an europäischen und US-amerikanischen Institutionen erworben worden waren, hatten BKDF-Mitglieder durch Medien und Auslandsreisen oder durch Verwandte und Freunde in der Diaspora Kontakte zum Westen. Um mein Thema archäologisch und genealogisch zu erfassen, arbeitete ich an verschiedenen Orten, auf verschiedenen Zeitebenen und aus verschiedenen Perspektiven. Da mein Hauptinteresse der Frage galt, wie sich das Königtum materialisiert, wie es Diskurse hervorbringt und selbst hervorgebracht wird, welche Praktiken und Institutionen ‚erfunden‘ werden, um es zu erschaffen, sprach ich mit den unterschiedlichsten Personen, mit Unterstützern wie Kritikern. In der Regel stieß meine Beschäftigung mit der politischen Kultur des Königtums auf großes Interesse. Bemerkenswert war die Vielfalt der verschiedenen Aufgaben im Palast, die Flexibilität der Beamten und ihrer Kompetenzen, aber auch der Wunsch oder Wille zur Kommerzialisierung ihres Wissens. Ich verstehe dieses Begehren als Teil des Dispositivs der Macht, in dem es um die Generierung von Reichtum, (Re-)Produktivität und Prosperität im Königtum geht. Es wurde bald deutlich, dass ich als Europäerin und Akademikerin in der Banyoro-Gesellschaft einen hohen Status hatte, der mich dazu verpflichtete, angemessene Gegengaben zu erbringen. Ich wurde um Zuschüsse zu Schulgeld, Miete, Krankenhauskosten, Arztbesuchen, Hausbau, Hochzeiten, Beerdigungen und Jubiläumsfeiern, um Darlehen, Schreibutensilien, Kleidung, Medikamente, Hautcremes, Fotos, Fotoapparate, Ferngläser, Soda, Benzin, Bier, Schnaps, Tee und Zucker, Süßstoff, Brot, Fisch, Fleisch, Eier und Ähnliches gebeten. In der Tat war es ethisch schwierig, dem Image einer NGO und dem entwicklungspolitischen Diskurs, seiner Terminologie, seinen Versprechen und Erwartungen zu entkommen. Dieser Umstand bewies jedoch immer wieder, dass das Lokale mit dem Globalen verknüpft ist, selbst dann noch, wenn der Forscher längst das Feld verlassen hat und sich im Schreibprozess befindet. Per Internet und Post erreichten mich drin-

damit verbundenen Privilegien. Vgl. Doornbos, M.: The Ankole Kingship Controversy. 58 Persönliche Mitteilung durch meinen ersten Runyorolehrer Mark Musinguzi, der Mitarbeiter am Institut of Languages der Makerere Universität war (April 1999).

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gende Anfragen und verspätete ‚Rechnungen‘ von Informanten oder Grüße und Hochzeitsankündigungen von Söhnen, deren Eltern meine Visitenkarte nach einem Interview erhalten hatten. Manchmal gab ich, in anderen Fällen widersprach ich nach Ermessen. Letztlich geht in diese Forschung die Erkenntnis ein, dass Moral, Reichtum und Sicherheit im globalen Zusammenhang durch lokale Kontexte und Bedingungen herausgefordert werden. Bunyoro-Kitara steht im Mittelpunkt meiner Forschung, weil hier 1994 ein neuer König gekrönt wurde und das Königtum einige Merkmale besitzt, die es von anderen Königtümern unterscheidet. Zu Bunyoro-Kitaras Besonderheiten gehört eine lange Geschichte des Aufstiegs und des Niedergangs im Zwischenseengebiet, die in der militärischen Besatzung des Königtums durch die Kolonialmacht endete. Weiterhin zeichnet es sich durch eine Reihe von Innovationen unter König Kabalega aus, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zu entscheidenden Transformationen führten und Bunyoro-Kitara vor seiner kolonialen Eroberung kurzfristig wieder erstarken ließen. Ein drittes Merkmal ist die Heterogenität der Bevölkerung in diesem Königreich und ihre Beziehung zur Institution des sakralen Königtums. Diese Arbeit besteht neben der Einleitung und dem Schluss aus zwei Teilen: erstens der Untersuchung der historischen und zweitens der aktuellen Diskurse und Praktiken zur Rückkehr des Königs von Bunyoro-Kitara. Im ersten Hauptteil der Arbeit untersuche ich historische Diskurse zum Königtum von Bunyoro-Kitara, die in den aktuellen Debatten zur Rückkehr des Königs wieder aktualisiert wurden oder zur Analyse dieser Debatten grundlegend sind. Dabei konzentriere ich mich zunächst auf die Konstruktion eines Geschichtsbildes des Imperiums Bunyoro-Kitara mit seinen Mythen, seiner Religion, seinen Helden und seiner politischen Kultur. Ich stelle das Königtum im 19. Jahrhundert vor und diskutiere Aspekte seiner Religion und Kosmologie, seiner Mythologie, Wirtschaft und Politik. Anschließend untersuche ich die partielle Übernahme und Transformation dieses Geschichtsbildes während der kolonialen Herrschaft und der frühen postkolonialen Regime. Im zweiten Hauptteil greife ich aktuelle Diskurse in den Jahren 1999 bis 2000 in Bunyoro-Kitara auf und untersuche darin die Legitimation von Macht, ihre Materialisierung, ihre Vergesellschaftung, ihre Verteilung und schließlich ihre Medialisierung und Performanz. Dabei greife ich auf die historischen Diskurse zurück und untersuche die Wechselwirkungen und Beziehungen der verschiedenen diskursiven Zeitebenen. In den aktuellen Diskursen, die ich als ‚Erneuerungsdiskurse‘ bezeichne, werden die Regeln der Nachfolge, die Rückgabe der Besitztümer, die Reorganisation der Clane und die Verteilung der Ämter verhandelt. Schließlich werden auch die Rituale des Königtums auf innovative

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Weise medialisiert und performiert, sodass ich in meiner Arbeit ein umfassendes Dispositiv der Macht analysiere, bevor ich zum Schlusswort und Ausblick komme.

Teil I Historische Diskurse

1. Rede und Gegenrede über Bunyoro-Kitara

Im Vergleich zu den zentralafrikanischen, westafrikanischen und südafrikanischen Königtümern wurden die Königtümer des Zwischenseengebietes recht spät entdeckt. 1862 erschienen die ersten Europäer in dieser Region. Die Briten John Hannington Speke und James Grant befanden sich auf der Suche nach den Quellen des Nils, als sie 1862 die ostafrikanischen Reiche Karagwe, Buganda, Tooro und Bunyoro-Kitara passierten. Sie waren beeindruckt vom Pomp und rituellen Zeremoniell des Herrschers in Buganda, zugleich entsetzt über die Armut und die Forderungen des Herrschers in Bunyoro-Kitara. So hat das Königtum Bunyoro-Kitara bereits im 19. und 20. Jahrhundert eine Reihe von Diskursen und Gegendiskursen hervorgebracht, die von europäischen Entdeckungsreisenden, Forschern, Missionaren, Offizieren und Kolonialbeamten, aber auch von afrikanischen Historiografen und Wissenschaftlern verschriftlicht wurden. Im Mittelpunkt stehen Debatten über die Sakralität des Königs, seine soziopolitischen Funktionen, den Herrschaftsmythos der Dynastie, den Aufstieg und Niedergang des Nyoro-Staates und neuerdings über das Missverhältnis zwischen Kolonialstaat, Königtum und Ökologie. Im Hintergrund schwingt dabei die Frage mit, wie sich das Königtum in der Geschichte positioniert. Ist es Akteur oder Opfer der diskursiven Ereignisse? Ich versuche zu zeigen, dass die Debatten nicht isoliert, sondern in Bezug zueinander geführt wurden. Die Intertextualität der historischen Diskurse zeigt, dass bestimmte Themen fortlaufen und dominant werden, während andere zurücktreten, verschwinden und wieder auftauchen.

S AKRALES K ÖNIGTUM Warum hat das Königtum in Ostafrika seit dem 19. Jahrhundert so viel Aufmerksamkeit in Europa erregt? Sir James Frazer hat mit seinen religionswissen-

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schaftlichen Studien zweifelsohne zur Faszination, die das sakrale Königtum auf die westliche Wissenschaft ausübt, beigetragen und die ostafrikanischen Reiche als Belege für seine Thesen herangezogen. Eine seiner Kernthesen, die ich weiter unten näher erläutere, betrifft die Unsterblichkeit des Königtums. Frazer war der Ansicht, dass sich die Kontinuität der Institution in der Lebenskraft des Königs ausdrücke und diese durch rituellen Königsmord auf einen Nachfolger übertragen werde. Demzufolge konnte es gemäß der Heroldsformel ‚Der König ist tot, es lebe der König‘ nur einen temporären, aber keinen endgültigen Tod des Königtums geben. Zugleich schuf Frazer ein Konvolut an ethnografischen Beispielen, mit denen er seine Thesen zu behaupten versuchte, und schickte seinen Schüler, den Missionar und Ethnografen Reverend John Roscoe, ins Feld, um ethnografische Belege zu finden. Reverend John Roscoe führte zwischen 1910 und 1920 zwei ethnografische Exkursionen nach Bunyoro durch und schrieb die erste längere Monografie über The Bakitara or Banyoro. Dabei orientierte er sich an Frazers Theorie des sakralen Königtums.1 Von Bunyoro berichtete Roscoe, dass ein Scheinkönig in den königlichen Ritualen getötet werde.2 Darüber hinaus wurde nach Roscoes Berichten zu Neumond ein Fest abgehalten und die Vitalität des Königs durch Menschenopfer gestärkt.3 Frazer griff auf Roscoes Berichte aus Bunyoro zurück, um seine Thesen zu stützen. Er war der Ansicht, der menschliche König besitze göttliche Qualitäten und kontrolliere kraft seiner besonderen Qualitäten die Fruchtbarkeit von Natur und Mensch. In seiner These vom Königsmord (Regizid) 1911 erklärte er den Sinn von Menschenopfern damit, dass der menschliche Gott durch Seelenübertragung gestärkt werde und, sobald seine Vitalität oder die seines Herrschaftsraumes und seiner Untertanen nachlasse, er selbst getötet werde, um die göttliche Lebenskraft auf einen Nachfolger zu übertragen. 1919 fügte Frazer diesen Ideen eine weitere hinzu: Er betrachtete den König als einen potenziellen Sündenbock, der für die Leiden der Gesellschaft verantwortlich gemacht und getötet werde, wenn er nicht in der Lage sei, die Probleme zu lösen. In all seinen Thesen ist eine starke Analogie zur jüdisch-christlichen Lehre zu

1

Frazers Hauptwerk The Golden Bough besteht aus mehreren Bänden, 1922 erschienen sie in einer gekürzten Fassung. Als deutsche Übersetzung verwende ich Frazer, Georg James: Der Goldene Zweig, gekürzte Version, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1989.

2

Roscoe, John: The Bakitara or Banyoro. The First Part of the Report of the Mackie Ethnological Expedition to Central Africa, Cambridge: Cambridge University Press 1923, S. 129-130, und Beattie, John: The Nyoro State, Oxford: Clarendon Press 1971, S. 111-112, der sich hier auf Roscoe beruft.

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Roscoe, J.: The Bakitara or Banyoro, S. 108.

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finden, der Frazer kritisch gegenüberstand. Indem er das Christentum praktisch und philosophisch in die Nähe heidnischer Praktiken und Vorstellungswelten rückte, setzte er sich starker Kritik in der wissenschaftlichen Gemeinschaft aus. Frazers Ideen waren in England stark umstritten und werden bis heute aus unterschiedlichen Gründen im Westen kontrovers diskutiert.4 Die Theorien des sakralen Königtums, des Sündenbocks und des Königsmordes haben sich jedoch als fruchtbare Ansätze zur Erklärung des Königtums in Afrika erwiesen und sollen auch in dieser Arbeit aufgegriffen werden. Die britische Sozialanthropologie stand Frazers Ideen besonders skeptisch gegenüber, weil sie seine komparatistische Methode für zu eklektisch und spekulativ hielt. John Beattie, der in den 1950er Jahren in Bunyoro arbeitete, distanzierte sich von dem Gedanken, der König von Bunyoro sei ‚göttlich‘. Beattie unterschied theoretisch jedoch nicht zwischen Sakralität und Göttlichkeit. Folglich verwarf er beide Konzepte und richtete sich nach Evans-Pritchards Interpretation des Königs der Shilluk (Sudan) als eines politischen Funktionsträgers, dessen soziale Rolle die Ausbalancierung der Gesellschaft war. Zu diesem Zweck besaß der Shilluk-König okkulte Mittel, wenn er jedoch in seinen Funktionen versagte, konnte er als Sündenbock getötet werden. Kosmologische Vorstellungen blieben bei dieser Interpretation weitgehend außer Acht, sodass das gesellschaftliche Leben auf die Frage der Bedürfnisse, der Sicherheit und des Gleichgewichts reduziert wurde. Beattie betonte die ‚traditionelle‘ politische Autorität des Königs von Bunyoro, ohne seine rituelle Funktion zu bestreiten. Den rituellen Charakter des Königs sah er jedoch lediglich als eine Funktion des Amtes, das darin bestand, ein soziales System zu binden und symbolisch zu repräsentieren. Sakralität galt Beattie wie anderen Strukturfunktionalisten eher als Form denn als Inhalt. Im kolonialen System der Briten stand nicht religiöse, sondern politische Autorität im Fokus ihrer ‚indirekten Herrschaft‘. Beattie reagierte damit auf die Monografie John Roscoes The Banyoro or Bakitara, die ihm zu starken Akzent auf die sakralen Aspekte der Herrschaft legte. Er schrieb die zweite ethnografische Monografie über die Banyoro und den Nyoro State. Doch Beattie arbeitete zu einer Zeit in Bunyoro, als sich die Bevölkerung allmählich an die koloniale Ökonomie anzupassen begann und demografisch von den Folgen des Krieges, verschiedener Epidemien und einer starken Tendenz zur Emigration erholte. Die Regierung des Königs und der König selbst hegten Misstrauen gegenüber Beatties Interessen.5 Seine Studien liefern anschauliches

4

Siehe Quigley, D. (Hg.): The Character of Kingship.

5

Beattie, John: Understanding an African Kingdom. Bunyoro, New York: Holt, Rinehart & Winston 1965, S. 47.

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Material zu den kritischen Diskursen der Banyoro über die Transformationen der kolonialen Moderne.6 Dabei vereinnahmte Beattie jedoch die Kritik der Banyoro am Kolonialstaat, indem er sie als das Versagen des ‚traditionellen‘ Systems, das heißt der Institution des Königtums, gegenüber den Herausforderungen des modernen Staates interpretierte. Roscoes Ethnografie wurde neuerdings auch von Nsamba, einem NyoroHistoriker im Dienste des amtierenden Königs von Bunyoro-Kitara, kritisiert und als eine Verunglimpfung der lokalen Kultur aufgefasst. So schreibt Nsamba über Roscoes Darstellung von Sexualität, Moral und Ehe in Bunyoro: „John Roscoe lied that there was a strange custom of polyandry among the Banyoro. He said this custom turned upside down ideas of morality common to most tribes in Uganda. Hospitality forced Banyoro to share wives with guests. (Roscoe, J. Twenty Five Years in East Africa, CUP, 1921, S. 257) […] His words were biased notions to entertain and amuse audiences in Europe. It was a way of making money during Roscoe’s time. White people wrote about savages in distant lands and sold the stories.“7

Nsamba kritisiert zu Recht, dass Roscoe die Bedeutung der Promiskuität und Polyandrie nicht erkannt hatte, sie aber moralisch bewertete. Gleichwohl ist Roscoe im Gegensatz zu anderen Entdeckungsreisenden nicht vorzuwerfen, dass er sein ethnografisches Material verzerrte, um sein wissenschaftliches Publikum zu beeindrucken. Vielmehr bemühte er sich um Authentizität, die jedoch durch Frazers Lehre bereits untergraben war. Unter den Bedingungen einer Aufwertung der lokalen Kultur, wie sie seit den 1990er Jahren stattfindet, kommt Roscoes ethnografischen Berichten indirekt neue Beweiskraft zu. Beispielsweise wurde 1993 in einem Prozess um die Thronfolge John Beatties Bunyoro. An African Kingdom (1961) als Referenz für die Heiratsregeln des Babito-Clans genannt.8 Beattie selber identifizierte seine Informanten nicht weiter, sondern

6

Z. B. in Beattie, John: „Bunyoro through the Looking Glass“, in: Journal of African Administration 12 (1960) 2, S. 85-94.

7

Nsamba, Yolamu Ndoleriire: Breaking Chains of Poverty, Hoima: Bunyoro-Kitara

8

„The witness referred to section 8 of this Agreement [1933] and Beattie’s ‚An African

Kingdom Advocacy Publication 2000, S. 13. Kingdom‘, p. 30 about the custom forbidding Babitokati from marrying. He stated that although the Babitokati were kept under strict guard and could only mix with their brothers, still physical needs compelled the girls and boys to have sexual intercourse. An offspring of such an accociation was secretly whisked off by someone eventually to be returned to the real father as a slave.“ (Record of Civil Appeal in the Supreme

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fasste sie unter der allgemeinen Rubrik ‚in Bunyoro‘ zusammen. Auf diese Weise wird verschleiert, welche von Roscoes Beobachtungen in Beatties Texten neu präsentiert und interpretiert werden.9 Auf belgisch-französischer Seite veranlassten Frazers Thesen vom Königsmord und Sündenbock den Strukturalisten Luc de Heusch, beide als Variationen eines Themas zu betrachten, als Sieg der Kultur über die Natur.10 Bevor der König eines natürlichen Todes sterben kann, so de Heusch, wird er rituell getötet und so seine Lebenskraft und die Kontinuität des Königtums erhalten. De Heusch lehnt zwar die Vorstellung Frazers vom ‚göttlichen‘ König ab, nicht aber dessen Vitalitätsthese. Vielmehr betrachtet er den König in Afrika als einen ‚sakralen‘ Herrscher, der im Wesentlichen die rituelle Funktion hat, Leben zu schaffen. Sakralität erhält der König, indem er kulturelle Grenzen im Ritual überschreitet und so außergewöhnliche Qualitäten erwirbt oder beweist. Als herausragendes Beispiel für einen solchen Tabubruch nennt de Heusch den ‚königlichen Inzest‘, den ein afrikanischer König mit seiner (Halb-)Schwester in den Installationsritualen begeht.11 De Heuschs These leidet nicht so sehr an der Erklärung eines Phänomens als an einer ahistorischen Sichtweise und am Anspruch der Universalität, mit der sie aufgestellt wird. Auf seine These komme ich in meinem Kapitel über die Kosmologie und über die Thronfolge in BunyoroKitara zurück. Mit der hermeneutischen Wende in den 1970er Jahren versuchte der Religionshistoriker Benjamin Ray nachzuweisen, dass Frazers Konzept des göttlichen Königs irreleitend ist, weil es Sakralität mit Göttlichkeit gleichsetzt. Für Ray ist der König (kabaka) von Buganda kein Gott, sondern ein zentrales Symbol für Ordnung, Sinn und Macht. Sakralität ist ein rein analytischer Begriff, kein semantischer. Im Luganda hat er keine Entsprechung. Phänomenologisch

Court of Uganda at Mengo, No. 18, 1994. Appeal from Judgement and Decree of the High Court Uganda at Kampala, 14.03.1994, Court Civil Suit No. 804 of 1993: Prince John David Christian Mpuga Rukidi versus 1. Prince Solomon Iguru, 2. Hon. Henry Kajura and all Members of the Committee for Coronation of Prince Solomon Iguru, S. 1-259, hier: S. 168.) 9

Beattie (The Nyoro State) griff insbesondere auf Roscoe (The Bakitara or Banyoro) zurück und rekonstruierte aus seiner sozialanthropologischen Sicht Institutionen der Banyoro, die Roscoe, wie er meinte, in seiner Monografie falsch beschrieben hatte.

10 Heusch, Luc de: „Forms of Sacralized Power in Africa“, in: Quigley, D. (Hg.): The Character of Kingship, S. 25-37. 11 Ebenda, S. 29. Vgl. auch Heusch, Luc de: Essais sur le Symbolisme de l’Inceste Royale en Afrique, Bruxelles: Université libre: Institut de Sociologie Solvay 1958.

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wurde Sakralität durch Rituale der Macht ausgedrückt, zu denen auch Menschenopfer gehörten. Die Macht zu Töten stützte die politische Macht des Königs. Sie drückte zudem ihre Radikalität aus. Je größer beispielsweise die Macht des kabaka von Buganda wurde, indem er seine Kontrollorgane wie die Führer der Clane entmachtete, desto größer und umfangreicher wurden auch seine Demonstrationen von Macht, unter anderem durch die Tötung von Personen. Interessanterweise führte Ray seine Studien unter den Bedingungen des Terrors durch, die das Regime Idi Amins verursachte. Rays Sicht des Königs liest sich streckenweise wie der Versuch, Gewaltherrschaft und ihre Symbole über den jeweiligen Machthaber hinaus zu verstehen. Da er in den 1970er Jahren in Buganda arbeitete, sah er sich von den Hütern der königlichen Gräber und der königlichen Traditionen Bugandas als ihr wissenschaftliches Medium in der Kritik am Amin Regime eingesetzt.12

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Die Theorie des sakralen Königtums hat eine Reihe wissenschaftlicher Debatten hervorgerufen. 1920 erschien Twilight Tales of the Black Baganda, geschrieben von der ersten britischen Missionarin in Bunyoro, Ruth Fisher.13 Mit den ‚Black Baganda‘ waren die Banyoro gemeint. Da diese jedoch in der literarischen Landschaft des 20. Jahrhunderts noch unbekannt waren, ersetzte der Verleger das Ethnonym mit dem der Baganda. In einer Mischung aus oral history und christlicher Deutung verschriftlichte Fisher den Legitimationsdiskurs der BabitoDynastie, wie er ihr von König Duhaga und seinen Geistmedien mitgeteilt worden war. Damit schuf sie zum einen ein hybrides Geschichtsbild des Königtums mit christlich-europäischen und kosmologisch-afrikanischen Vorstellungen, des Weiteren fixierte sie Mythen und ihre Variationen in einer biblischen Auslegung der Geschichten.

12 Ray, B.: Myth, Ritual and Kingship in Buganda, S. 8. 13 Ruth Fisher betonte die Differenz zwischen der dunklen, mythischen Kosmologie der Banyoro mit ihren Gottheiten, Halbgottheiten und ordinären Menschen auf der einen und der erhellenden Theologie des Christentums der Europäer auf der anderen Seite Vgl. Fisher, Ruth: Twilight Tales of the Black Baganda. The Traditional History of Bunyoro-Kitara, a Former Ugandan Kingdom, London: Marshall & Son 1911 [zweite Auflage 1970].

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Fisher knüpfte darüber hinaus an Reiseberichte der britischen Forschungsreisenden John Speke, John Grant und Samuel Baker an.14 Von ihnen übernahm sie einen christlichen Herrschaftsmythos, der das Königtum in Bunyoro auf die Einwanderung von Hamiten zurückführte. Die Hamiten, so vermutete Speke, waren Nachkommen der christlichen Galla aus Äthiopien.15 Speke implizierte damit die Vorstellung, dass die Galla vom Glauben abgefallen und einer erneuten Mission zugänglich seien. Er missverstand die terms of trade mit Kamurasi, dem König (Omukama) von Bunyoro, und interpretierte sie als ‚Gier‘ eines Halbzivilisierten. Baker verstärkte das negative Bild der Banyoro-Könige, indem er König Kabalega als unberechenbaren Despoten beschrieb, wie es in der Reiseliteratur des 19. Jahrhunderts üblich war. Beide, Speke und Baker, lieferten eine Legitimation für die gewaltsame Eroberung des Reiches ‚Unyoro-Kittara‘ und provozierten eine Unterwerfung, die unter dem Deckmantel der ‚AntiSklaverei-Kampagne‘ Großbritanniens erfolgte. Baker selbst marschierte als Gouverneur der Provinz Äquatorial-Ägypten (Sudan) im März 1872 in BunyoroKitara ein und versuchte dort eine Provinz für Ägypten zu gründen. Im Juni 1872 wurde er von Kabalegas Soldaten (abarusura) verjagt und musste mit dem Rest seiner eigenen Söldnertruppe und mit seiner ungarischen Frau nach Äquatorial-Ägypten zurückfliehen.16 Bakers Darstellung von Omukama Kabalega präsentiert Bunyoro-Kitara als antiimperiale Gegenmacht. Seine negativen Aussagen wurden sowohl von Frederick Lugard, dem Befehlshaber der Imperial British East Africa Company, als auch von den britischen Offizieren Henry Colvile und Arthur Thruston übernommen. In ihren Erlebnisberichten von der Eroberung Bunyoro-Kitaras verfestigten sie das negative Bild von Kabalega erneut. Umgekehrt scheinen sich Historiker sehr bald einig gewesen zu sein, dass Bakers Selbstdarstellung in der Auseinandersetzung mit Kabalega seiner eigenen Karriere und weniger der

14 Speke, John H.: Die Entdeckung der Nilquellen, Berlin: Edition Ost 1995, Bd. I und II. [engl.: Journal of the Discovery of the Sources of the Nile, Edinburgh/London: Blackwood & Sons 1863]; Grant, James A.: A Walk across Africa. Domestic Scenes from my Nile Journal, Edinburgh/London: Blackwood & Sons 1864; Baker, Samuel: The Albert Nyanza. Great Basin of the Nile and Explorations of the Nile Sources, London: Macmillan & Co 1867; ders.: Ismailia. A Narrative of the Expedition to Central Africa for the Suppression of the Slave Trade, London: Macmillan & Co 1874. 15 Speke, J.: Die Entdeckung der Nilquellen, Bd. I, S. 338. 16 Dunbar, A. R.: A History of Bunyoro-Kitara, S. 58-59.

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‚Wahrheit‘ über die damaligen Ereignisse diente.17 Aus lokaler Perspektive gilt Baker bis heute in Bunyoro-Kitara als der Erfinder eines Feindbildes, der die Krise und den Niedergang des Königtums durch seine imperialen Intentionen und chauvinistischen Darstellungen im literarischen Diskurs mitprovoziert hat. Den ersten europäischen Gegendiskurs zu Baker führte Emin Pasha, ein preußischer Jude, der ursprünglich Eduard Schnitzler hieß. Schnitzler konvertierte zum Islam und wurde 1878 im Dienste des ägyptischen Khediven Gouverneur der Provinz Äquatorial-Ägypten.18 Emin Pasha führte mit Omukama Kabalega Verhandlungen über das Betreten seines Herrschaftsgebietes durch ägyptische Truppen. Da er auf Diplomatie setzte und das Image Kabalegas in seinen Veröffentlichungen aufwertete, galt er seither in indigenen Historiografien als ‚Freund‘ Bunyoro-Kitaras. Emin korrigierte die Darstellung seines eigenen Gesandten, Captain Casati, der 1886 von Kabalega empfangen wurde und ähnlich wie Baker diplomatisch versagte. Casati wurde 1888 von Kabalegas Soldaten öffentlich gedemütigt und anschließend wie Baker aus dem Königreich verjagt.19 Dem Kolonialbeamten und Historiker Dunbar zufolge war er der letzte Europäer, der Kabalega vor seiner Gefangennahme 1899 zur Gesicht bekam.20 Ohne Zweifel gab der Topos des ‚Verrats‘ und der ‚Lüge‘ früh Anlass zu mündlichen wie schriftlichen Gegendiskursen der Banyoro.

L OKALE G ESCHICHTSSCHREIBUNG Petero Bikunya, Omukama Tito Winyi und John Nyakatura waren wohl die bedeutendsten Historiografen Bunyoro-Kitaras in der Kolonialzeit, die auf die provokativen Fremddarstellungen der Europäer antworteten. Bikunya diente König Duhaga als Premierminister (1917-1939), als Reverend John Roscoe 1919 seine zweiten ethnografischen Studien in dem Königtum aufnahm. Omukama Tito Winyi folgte seinem Bruder Duhaga auf den Thron, und Nyakatura war als Dis-

17 Doyle, Shane: Crisis and Decline in Bunyoro. Population and Environment in Western Uganda 1860-1955, Oxford: The British Institute in East Africa/James Currey 2006, S. 6 und 48. 18 Gray, John M.: „The Diaries of Emin Pasha. Extract II Bunyoro“, in: Uganda Journal 25 (1961) 2. 19 Casati, Gaetano: Zehn Jahre in Äquatoria und die Rückkehr mit Emin Pascha, Bd. I und II, Bamberg: Buchner’sche Verlagsbuchhandlung 1891, Bd. II, S. 92 ff. 20 Dunbar, Arthur B.: „Emin Pasha and Bunyoro-Kitara, 1877-1889“, in: Uganda Journal 24 (1960) 1, S. 71-84, hier: S. 79.

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triktverwalter und oberster Richter einer der erfolgreichsten Kolonialbeamten Bunyoros. Alle drei Autoren schrieben ihre ‚Geschichte der Könige von Bunyoro-Kitara‘, wobei die Autorenschaft nicht eindeutig zu trennen ist.21 Bikunya und Nyakatura schrieben nicht auf Englisch, sondern auf Runyoro, Nyakatura mit der Intention, seine Geschichte als Lehrbuch für die Jugend zu veröffentlichen.22 Bikunyas und Nyakaturas Ky’Abakama ba Bunyoro finden sich bis heute in Banyoro-Haushalten, häufig als Kopie, meist in sehr mitgenommenem Zustand. König Tito Winyi publizierte 1937 seine Version der ‚Könige von Bunyoro-Kitara‘, die er mit dem Kürzel seines deportierten Vaters, Omukama Kabalega, autorisierte. Sie erschien im Uganda Journal, einem wissenschaftlichen Medium zur Kommunikation über die Natur und Kultur des Protektorats. Hier publizierten in erster Linie Wissenschaftler und Kolonialbeamte, von denen einige Wissenschaft als ‚Hobby‘ betrieben. Sie sympathisierten mit dem desolaten Königtum und schrieben Abhandlungen über die Konfrontation der Banyoro mit den Imperialisten23, über die bedauerlichen Gründe des Scheiterns der Banyoro24 oder über lokale Machtverhältnisse und ihre Institutionen in Bunyoro.25 Außen vor blieb das Scheitern der Kolonialmacht in diesem Königtum. Omukama Tito Winyi richtete seine Bemühungen hingegen darauf, die herrschende Dynastie zu behaupten, die Institution des Königtums zu verteidigen und das Territorium zu sichern.26 Die dynastischen Geschichtsschreibungen über die Könige von BunyoroKitara bilden gewissermaßen ein eigenes Genre, da sie bis in die Gegenwart

21 Bikunya, Petero: Ky’ Abakama ba Bunyoro (History of Bunyoro), London/Kampala: Sheldon/Uganda Bookshop 1927; K. W.: „The Kings of Bunyoro-Kitara“, in: Uganda Journal 3 (1935) 2, S. 155-160 (Part I); 4 (1936) 1, S. 75-83 (Part II); 5 (1937) 2, S. 53-67 (Part III); Nyakatura, John W.: Abakama (Kings) of Bunyoro-Kitara, Abatembuzi, Abacwezi, Ababiito, St. Justin: P. Q. Canada 1947 [englische Übersetzung, Neuauflage: Kisubi: Marianum Press, 1999]. 22 Nyakatura, John W.: Abakama (Kings) of Bunyoro-Kitara, Neuauflage, Preface, o. S. 23 Z. B. Gray, John M.: „The Siege of Bukumi, Mubende District in 1898“, in: Uganda Journal 25 (1961) 1, S. 65-85; ders.: „The Diaries of Emin Pasha. Extract II Bunyoro“. 24 Z. B. Dunbar, A.: A History of Bunyoro-Kitara. 25 Z. B. Lanning, E. C.: „Masaka Hill – An Ancient Centre of Worship“, in: Uganda Journal 18 (1954) 1, S. 24-30. 26 So schrieb er im selben Jahr „The Kings of Bunyoro-Kitara“ und „The Procedure in Accession to the Throne of a nominated King in the Kingdom of Bunyoro-Kitara“ (in: Uganda Journal 4 [1937] 4). Später bemühte er sich vor allem um die Rückgabe von Gebieten, die 1893 im Krieg gegen Briten und Baganda an das Nachbarreich fielen.

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kontinuierlich reproduziert und an die politischen Umstände adaptiert werden. David Henige, Iris Berger und auch Christopher Wrigley haben über die Reproduktion von königlichen Genealogien und die Konstruktion von mythischen Vorfahren, Geistern und Geisterkulten reflektiert.27 Henige und Berger kamen zu dem Ergebnis, dass Mythos und Geschichte nicht unversöhnlich nebeneinanderstehen. Vielmehr geht Berger davon aus, dass Mythen bei kritischer Beleuchtung Aufschluss über historische Ereignisse wie die Entstehung von Geisterkulten als Gegenmacht zur Macht des Königs geben können.28 Wrigley lehnt diese Sicht ab. Er sieht mythische Figuren als Konstruktionen ihrer jeweiligen historischen Epoche, die entsprechend den kulturellen Transformationen selbst transformiert werden. Insofern reflektieren Mythen den Zeitgeist und die Macht, die die Politik und Geschichte bestimmen, sie sind aber nicht Geschichte. Sie entstehen durch kulturelle Praktiken wie die Erfindung und Umgestaltung von Ritualen. Wrigley hat seine Perspektive in Kingship and State. The Buganda Dynasty 1993 erneut dargestellt und dabei die These vertreten, dass das Königtum im Zwischenseengebiet eine ursprünglich rituelle Institution war, die erst durch wirtschaftliche und militärische Transformationen selbst zu einer politischen Institution wurde und zu expandieren begann.29 Die Dynastie von Buganda legitimierte die veränderten Machtbeziehungen im Nachhinein durch eine Adaption ihrer königlichen Genealogien, Mythen und Rituale. Bunyoro-Kitara als Nachbar und größter Rivale von Buganda konterte diese Legitimationen mit eigenen mythischen und genealogischen Erfindungen, sodass in einer Art Wechselwirkung endlose Königslisten und hybride Mischungen von Vorfahren entstanden, die ‚positiv‘ nicht nachzuweisen sind. Eine der neueren dynastischen Geschichtsschreibungen stammt von einem Mitglied der herrschenden Dynastie, dem Clan der Babito. Der Mediziner Apuuli Kuhumuro veröffentlichte 1994 kurz vor der Inthronisation seines Nef-

27 Henige, David: „‚The Disease of Writing‘. Ganda and Nyoro Kinglists in a Newly Literate World“, in: Miller, Joseph C. (Hg.): The African Past Speaks, Dawson: Folkestone 1980, S. 240-261; Berger, Iris: „Deities, Dynasties and Oral Tradition. The History and Legend of the Abacwezi“, in: Miller, J. C. (Hg.): The African Past Speaks, S. 61-81; Wrigley, Christopher C.: „Some Thoughts on the Bacwezi“, in: Uganda Journal 22 (1958) 1, S. 11-17. 28 Berger, Iris: „Fertility as Power. Spirit mediums, Priestesses and the Pre-colonial State in Interlacustrine East Africa“, in: Anderson, David M./Johnson Douglas H. (Hg.): Revealing Prophets. Prophecy in East African History, London: James Currey 1995, S. 65-82. 29 Wrigley, C.: Kingship and State, S. 87.

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fen, Omukama Iguru Gafabusas, eine Studie über ‚das 1000-jährige Königreich Bunyoro-Kitara‘.30 Neben einer Wiederholung der dynastischen Standardversion wiederholt diese Studie, die vom Department of History der Makerere Universität autorisiert wurde, noch einmal die Genese des Reiches Bunyoro-Kitara und die Legitimation der Babito-Dynastie, die 1994 ihr Erbe antrat.

M ARXISMUS

UND

P ANAFRIKANISMUS

Kritische Diskurse zur europäischen und kolonialen Geschichtsschreibung über Bunyoro-Kitara kamen in den 1970er Jahren durch marxistische und panafrikanische Ansätze. 1973 gab der nigerianische Historiker Geoffrey Uzoigwe Abakama ba Bunyoro-Kitara von John Nyakatura in englischer Übersetzung heraus. Er veröffentlichte damit eine wichtige Gegendarstellung der BanyoroElite zu den imperialen Diskursen über das Königtum und den Widerstand König Kabalegas.31 Uzoigwe versuchte darüber hinaus in eigenen Texten zu widerlegen, dass die Regierung unter Kabalega unfähig war, auf die Herausforderung der Moderne und den Imperialismus zu antworten. Er zeigte, dass während der Herrschaft Kabalegas in den 1860er bis 1890er Jahren eine starke Dynamik vom Fernhandel ausging und der König auf diese Dynamik geschickt mit Reformen, vor allem im militärischen Bereich, reagierte.32 Im Gegensatz zu britischen Wissenschaftlern wiederholte Uzoigwe nicht die Geschichte der imperialen Siege, sondern fokussierte auf die antiimperialen Strategien eines afrikanischen Königtums. Damit legte er die Grundlage für eine lokale und nationale Heroisierung König Kabalegas. Seit der Regierung Yoweri Musevenis gehört der antiimperiale König von Bunyoro-Kitara zu den Nationalhelden Ugandas, die am heroes day gefeiert werden. Einen antiheroischen Diskurs führte der Historiker Edward Steinhart, der sich für die Entstehung des Staates Bunyoro interessierte und seinen Aufstieg

30 Kihumuro, Apuuli: A Thousand Years of Bunyoro-Kitara Kingdom. The People and the Rulers, Kampala: Fountain 1994. 31 Nyakatura, John: Anatomy of an African Kingdom, Garden City/N. Y.: Anchor Press 1973. 32 Uzoigwe, Geoffrey: „Revolution and Revolt in Bunyoro-Kitara. Two Studies. Kabalega’s Abarusura. The Kyanyangire“, in: Makerere History Papers 5 (1970), S. 1-65; ders.: „Kabalega and the Making of a New Kitara“, in: Tarikh 3 (1970) 2, S. 5-21; ders.: „Precolonial Markets in Bunyoro-Kitara“, in: Comparative Studies in Society and History 14 (1972) 4, S. 422-455.

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wie Niedergang untersuchte. Zunächst demontierte Steinhart die Theorie der Eroberung durch Pastoralnomaden, die aus der Fremde kamen. Stattdessen vertrat er eine Theorie der Adaption an die herrschenden Umweltbedingungen und übernahm dabei einen marxistischen Ansatz von Klassenbildung. So kam er zu dem Schluss, dass der Staat Bunyoro-Kitara im 15. Jahrhundert durch eine politische Anpassung an die ökologischen Veränderung durch große Dürren und Hungersnöte entstanden war. Dabei etablierte der Luo-Clan der Babito eine Dynastie über Bauern (Bairu) und Pastoralnomaden (Bahuma) und nahm selbst eine pastorale Lebensweise an.33 Bauern und Pastoralnomaden waren nicht per se Unterdrückte oder Herrschende, sondern abhängig von ihrer ökonomischen Lage. Aus beiden kam die neue herrschende Elite, die durch Ämter an das Königtum gebunden wurde.34 Und schließlich, so Steinhart, wurde der Niedergang des Reiches durch eine zu starke Expansion nach außen eingeleitet, der die Bürokratie und Kontrolle von innen nicht gewachsen waren.35 Unter Kabalega verstärkten sich die fragilen Tendenzen des Staates durch die imperiale Bedrohung. Der Kö-

33 Steinhart, Edward I.: „The Emergence of Bunyoro. The Tributary Mode of Production and the Formation of the State. 1400-1900“, in: Salim, Ahmed I. (Hg.): State Formation in East Africa, New York: St. Martin’s Press 1985, S. 70-90, hier: S. 77-79. Nicht Eroberer, sondern friedliche Luo-Einwanderer übernahmen eine Vermittlungsposition zwischen Bantu-Pastoralnomaden und Bantu-Bauern. Luo-Clane kombinierten beide Produktionsweisen miteinander, assoziierten sich aber mit der pastoralen und ‚tributären‘ Produktionsweise. Rinder wurden spätestens seit dem 16. Jahrhundert eine Grundlage von Reichtum, Macht und Prestige und wurden wie andere Reichtümer gezüchtet und geraubt. Die zweite Grundlage in der Konsolidierung des BabitoReiches wurde die Zentralisierung von Autorität über Land und Leute unter dem (Luo-)Clan der Babito. Dieser Clan vergrößerte sich und bildete die herrschende Dynastie. Durch Klientelbeziehungen mit Pastoralnomaden wie mit Bauern, die Autorität über Land und Leute verliehen bekamen, band der Babito-Clan beide Bevölkerungsteile an das Königtum. Aus diesem System entstand eine Bürokratie mit Autoritätsbefugnissen und Ämtern. Das Königtum bildete in diesem System den ideologische Überbau der politisch herrschenden Klasse von landbesitzenden Bauern und rinderbesitzenden Pastoralnomaden, mit dem König als Nukleus. Unter dem Druck der Briten und ihrer afrikanischen Alliierten gab die Kohäsion der herrschenden Klasse nach und löste sich in Kollaboration mit den imperialen Eroberern auf. 34 Ebenda, S. 84. 35 Steinhart, Edward I.: „The Destruction of the Nyoro State“, in: Claessen, Henri/van der Velde, Pieter (Hg.): Early State Dynamics, Leiden: Brill 1987, S. 187-201, hier: S. 188.

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nig konnte die Loyalität der Massen nicht halten, weil die herrschende Elite, seine chiefs, mit den Eroberern kollaborierte.36 Uzoigwe und Steinhart gingen mit unterschiedlichen theoretischen Prämissen, aber ähnlichen Methoden an eine Gegendarstellung zur kolonialen Geschichtsschreibung heran. Gelebte Geschichte wird bei ihnen zum ‚Schlüssel‘ für letztendliche Begründungen von Aufstieg und Niedergang. Geschichte ist demnach Abbild einer erfahrenen Wirklichkeit, nicht Konstrukt diskursiver Ereignisse. Bei beiden Historikern ist ein starker Determinismus der politischen und sozialen Beziehung zu finden, der den Verhältnissen in Bunyoro nur aus der jeweiligen Perspektive ihrer Autoren gerecht wird. Für Uzoigwe ist Bunyoro eine Supermacht, ein souveräner Staat, für Steinhart ein höchst fragiles Gebilde, das im Königtum einen ideologischen Überbau und im König seinen politischmilitärischen Führer besitzt. Macht wird als das Verhältnis von Herrschern zu Beherrschten, als Beziehung von falschem zu wahrem Bewusstsein untersucht.

K ULTURÖKOLOGIE

UND

K ULTURDEMOGRAFIE

Der britische Historiker Shane Doyle hat in jüngerer Zeit eine Demografie- und Umweltgeschichte von Bunyoro geschrieben, anhand derer er die Krisen und den Niedergang des Königreiches zu erklären versucht.37 Seine Studie zeigt, dass die Transformationen der ökologischen und demografischen Bedingungen Ostafrikas zu den vernachlässigten Themen der postkolonialen Diskurse gehören. In diesem Zusammenhang bietet Doyle eine Gegendarstellung zu kolonialen Diskursen, die das Scheitern der Modernisierung in Bunyoro mit der Rückständigkeit der im Krieg eroberten, kolonialen Subjekte erklärten. Dem hält Doyle entgegen, dass der Krieg gegen das Königtum das fragile ökologische Gleichgewicht außer Kontrolle brachte und die Demografie in eine Regression versetzte. Nach der Eroberung des Gebietes verhinderten diskriminierende koloniale Diskurse und ökologisch riskante Praktiken der Kolonialverwaltung eine Bewältigung der Krise, eine Erholung der Bevölkerung und eine Entwicklung von ‚Fortschritt‘. Mit seiner Darstellung schließt sich Doyle im Wesentlichen den Ergebnissen von Steinhart an, ergänzt sie aber um die Untersuchung eines kolonialen Bevölkerungsdispositivs. Darin formieren sich Strategien und Tech-

36 Steinhart, Edward I.: Conflict and Collaboration. The Kingdoms of Western Uganda, 1890-1907, Princeton, NJ: Princeton University Press 1977 [Neuauflage: Kampala: Fountain 1999]. 37 Doyle, S.: Crisis and Decline in Bunyoro.

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niken der Macht zur Regulierung Bunyoro-Kitaras unter fremder Herrschaft. Wie Foucault arbeitet Doyle positivistisch an einer Archäologie der Umweltgeschichte des Königreiches. Allerdings bleibt für ihn die Macht repressiv und berücksichtigt nicht ihre produktive Seite. Er schreibt: „[N]o where else in east [sic] Africa was the introduction of colonial rule so painful as in Bunyoro.“38 Die aktuelle höfische Geschichtsschreibung hat sich Doyles Argumente zwar zu eigen gemacht und die Verluste des Königtums unterstrichen, sie hat aber gleichzeitig den Widerstand betont, den der König gegen die Invasion der Briten und Baganda aufbrachte. Die Effektivität des Widerstands wird von Doyle hingegen zurückhaltender beurteilt und wäre sicher noch einmal eigens zu untersuchen. Steinhart und Doyle stimmen darin überein, dass sie Bunyoro als einen von der Umwelt determinierten Staat betrachten, dessen fragiler Aufbau unter dem Druck der imperialen Eroberung und kolonialen Abschöpfung von ökonomischem, ökologischem und sozialem Kapital zusammenbricht. Dabei betont Doyle, dass unter der repressiven Macht des Kolonialstaates die Handlungsmacht des Königtums zu stark unterdrückt wurde und so keinen Spielraum für ein eigenes Krisenmanagement ließ. Im Gegenteil, die Könige unter kolonialer Herrschaft und ihre Entourage steigerten die Wirkung der Kolonialmacht noch einmal durch ihre willentliche ‚Kollaboration‘. Diese Betrachtungen berücksichtigen nicht, welche Gegendiskurse von Seiten der Banyoro-Elite geführt wurden und welcher Logik sie in Reaktion auf die koloniale Macht folgten. Letztlich verharren diese Erklärungen in den etablierten Diskursen über eine misslungene Modernisierung.

K RIEG , T RAUMA

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V ERNICHTUNG

Der Nyoro-Historiker und Privatsekretär des Königs von Bunyoro-Kitara Yolamu Nsamba beruft sich unter anderem auf Doyles Studien, um die Konsequenzen einer destruktiven Kolonialpolitik für Bunyoro-Kitara zu benennen. Er stellt die Aspekte Ökologie, Ökonomie und Demografie in den Vordergrund seiner Kritik am kolonialen und postkolonialen Staat und fordert Entschädigung für Bunyoro-Kitara.39 Seine Thesen untermauern eine Klage gegen die ehemalige

38 Ebenda, S. 91. 39 Nsambas Breaking Chains of Poverty ist eine kleine Broschüre über die koloniale Politik in Bunyoro-Kitara, ihre Praktiken der Unterwerfung, der Bereicherung und des versuchten Genozids: „The British plotted genocide to grab the wealth.“ (S. 10.)

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Kolonialmacht Großbritannien, die 2004 erhoben wurde.40 Doyles Texte sind so in die aktuellen Diskurse der Bildungselite im Königtum eingeflossen. Der Literaturwissenschaftler Homi Bhabha hat den Begriff ‚Hybridisierung‘ für eine Verbindung verwendet, die gleichzeitig eine Differenz erzeugt. So entsteht im kolonialen Diskurs eine Ambivalenz zwischen der Selbstrepräsentation der Kolonialmacht und der Mimesis der Kolonisierten, die die Kolonialherren nachahmen. Nach Bhabha macht diese Ambivalenz Verhandlungen und neue kritische Diskurse erst möglich.41 Auch Doyles Arbeiten sind ambivalent. Einerseits unterstützt er einen Opfer-Täter-Diskurs, der sich durch die Geschichte Bunyoro-Kitaras zieht, andererseits ist sein umwelthistorischer Ansatz ein Versuch, eine neue Perspektive auf die Krise in Bunyoro-Kitara zu eröffnen, die sich einer einfachen Täter-Opfer-Dichotomie entzieht. Die Anerkennung, die einer wissenschaftlichen Studie aus der ehemaligen kolonialen Metropole von Seiten des Königtums entgegengebracht wird, kann als eine neue Entwicklung in der Geschichtsschreibung des Königtums betrachtet werden. Sie lässt sich zum einen auf Doyles These zurückführen, dass Bunyoro-Kitara das Opfer des imperialen Staates wurde, zum anderen darauf, dass er eine moralische Entschädigung im wissenschaftlichen Diskurs anbietet, die Großbritanniens Vorgehen im Krieg gegen Bunyoro-Kitara öffentlich kritisiert. Damit ermöglicht er Bunyoro-Kitara, Wiedergutmachung von Großbritannien zu fordern. Um die Krise im kolonialen Bunyoro zu benennen, spricht Doyle vom „Trauma der Eroberung“: „Most parts of the east African population had begun to recover from the traumas of conquest and the adjustment to colonial rule by the 1920s, and experienced accelerating demographic increase from the 1940s. Why were the Banyoro and a handful of other ethnic groups different? […] But the scale and intensity of colonial conquest in Bunyoro was unmatched in east Africa. Nowhere else did conquest involve so many soldiers, require so many engagements or proceed with such destruction.“42

Doyle sagt nicht, welche „anderen ethnischen Gruppen“ wie Bunyoro-Kitara ein Trauma erlitten. Der Traumabegriff impliziert, dass die koloniale Erfahrung

40 Vgl. Doyle, Shane: „From Kitara to the Lost Counties. Genealogy, Land and Legitimacy in the Kingdom of Bunyoro, Western Uganda“, in: Social Identities 12 (2006) 4, S. 457-470, hier: S. 458. Über die Klage des Königs von Bunyoro-Kitara gegen die Queen of England berichtete The Guardian am 23. Oktober 2003. 41 Bhabha, H.: The Location of Culture. 42 Doyle, S.: Crisis and Decline in Bunyoro, S. 246.

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‚Wunden‘ im physischen und im psychischen Sinn bei der Bevölkerung Bunyoro-Kitaras hinterlassen hat. Doyle gebraucht den Begriff des ‚Traumas‘ in einem naturalisierten Sinn, als Resultat eines Unfalls oder eines Krieges. Der Kultursoziologe Jeffrey Alexander spricht in diesem Zusammenhang von einer ‚Laientheorie‘ des Traumas, „according to [which] traumas are naturally occurring events that shatter an individual or collective actor’s sense of well-being. In other words, the power to shatter – the ‚trauma‘ – is thought to emerge from events themselves“.43 Nicht der Unfall oder die Kriegshandlungen lösen Traumata aus, sondern sie sind Topoi durch Ereignisse wie Unfälle und Kriege hervorgerufener Diskurse. Alexander schlägt daher vor: „Events are not inherently traumatic. Trauma is a socially mediated attribution.“44 Er betont damit die Materialisierung des Traumas durch den Ereignisdiskurs und seine Aussagen.45 In der anthropologischen Traumaforschung wird heute der Schockdiskurs, der über Generationen hinweg geführt wird, als ‚kulturelles Trauma‘ bezeichnet. In diesem Sinn lässt sich Nsambas Metapher von Bunyoro als ‚Beute‘ der Imperialmacht Großbritannien als ein kulturelles Trauma verstehen.46 Kriegstechnik wurde auch gegen Bunyoro-Kitara eingesetzt. Neben technologisch bereits hochentwickelten Hotchkiss-Gewehren verursachten vor allem die MaximMaschinengewehre schockartige Effekte und Verluste.47 Nsamba vertritt die An-

43 Alexander, Jeffrey: „Toward a Theory of Cultural Trauma“, in: ders.: Cultural Trauma and Collective Identity, Berkeley, CA: University of California Press 2004, S. 1-30, hier: S. 2. 44 Ebenda, S. 8. 45 Die ersten Forschungen zum ‚Trauma‘ begannen im 19. Jahrhundert, als die Eisenbahn zu einem der wichtigsten Transportmittel in Europa wurde. Mit den ersten Unfällen wurde der ‚Schock‘ des Aufpralls, der ‚äußeren‘, aber noch wichtiger der ‚inneren Verletzungen‘ zum Thema in der Medizin. Die innere ‚Erschütterung‘ blieb lange verborgen und wurde weder gesellschaftlich noch medizinisch als Verletzung anerkannt. Gleiches galt für Kriegsveteranen, die mit ‚Granat-Schocks‘ aus dem Ersten Weltkrieg zurückkehrten. Erst als die Medizin den Schock durch das Versagen von Transport- und Kriegstechnik als psychisches Massenphänomen erkannte, begann sie, bei den Kranken eine ‚Neurose‘ zu diagnostizieren und die Wiederholung des Schocks im unbewussten Zustand wie im Schlaf als ein ‚Trauma‘ zu bezeichnen. Vgl. Schivelbusch, Wolfgang: Geschichte der Eisenbahnreise. Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert, Frankfurt am Main: Fischer 1977. 46 Nsamba, Y.: Breaking Chains of Poverty. 47 Vgl. dazu Ellis, John: The Social History of the Machine Gun, Baltimore: John Hopkins University Press 1975 [1945].

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sicht, dass Großbritannien bewusst eine Vernichtungspolitik und einen Genozid an den Banyoro verfolgte. Er schreibt: „The British plotted genocide to grab the wealth. […] Lugard and Colvile had a fixation to kill the Banyoro. […] The invaders used ‚scorch earth‘ tactics.“48 Damit greift er einen Vernichtungsdiskurs auf, der bereits durch den Krieg in Bunyoro-Kitara hervorgerufen worden war. Nsamba lässt keinen Zweifel an der moralischen Verantwortung der Briten, ihren Reichtum auf Kosten Bunyoro-Kitaras aufgebaut zu haben. Er fordert im Namen des Königtums eine Entschädigung, da sich die Auswirkungen der Krise Bunyoro-Kitaras bis in die Gegenwart fortsetzten.49 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es eine Reihe einflussreicher Ansätze zur Untersuchung des Königtums von Bunyoro-Kitara gegeben hat. Dazu gehören die Vorstellung vom sakralen Königtum als Theorie der Fruchtbarkeit, die strukturfunktionalistischen Fallstudien über die Funktionalität des Königtums als soziale und politische Institution, die strukturalistischen Analysen und symbolischen Interpretationen zu Herrschaftsmythologie und zum Ritual sowie panafrikanische und marxistische Ansätze zum Aufstieg und Niedergang des Staates. Obwohl diese Ansätze wichtige Einblicke in die Anthropologie des Königtums gewähren, haben sie doch ebenso bedeutende Einschränkungen. Sie tendieren zur Reduktion von Komplexität zugunsten klarer Modelle und logischer Abfolgen, sie vernachlässigen historische Kontexte, Brüche und Differenzen und stellen universale Paradigmen auf oder produzieren Wahrheitsdiskurse. Neuere Arbeiten zur Krise Bunyoro-Kitaras unter kolonialem Einfluss zeigen, wie die Strukturen der longue durée angegriffen wurden und lokale Überlebenspraktiken wie -diskurse veränderten. Für meine Arbeit ist die Theorie des sakralen Königtums von größter Relevanz, weil sie es ermöglicht, die profane wie die sakrale oder auch okkulte Macht des Königs in der politischen Kultur des Zwischenseengebietes zu untersuchen.

48 Ebenda, S. 10, 11. 49 Gleichzeitig beansprucht Nsamba mit dem Einstieg in einen normativen Diskurs über das Unrecht den Status der Wahrheit. Aus diskurstheoretischer Perspektive steht der Begriff der ‚Wahrheit‘, der sich an Authentizität und Absicht orientiert, im Widerspruch zu ‚Wahrheit‘, die durch nichtdiskursive und diskursive Praktiken erzeugt wird. Wahrheit wird dann als ein Produkt von Wissen und Macht begriffen. Letztere erzeugen ständig neue Wahrheiten, neues Wissen und neue Macht. Mit diesem Einwand soll nicht die Rekonstruktion von Geschichte als Kritik an herrschenden Diskursen über die Wahrheit relativiert, sondern der Determinismus von Kritik als ‚wirkliche Wahrheit‘ hinterfragt werden.

2. Geschichte, Mythen und Traditionen

In diesem Kapitel stehen mythische, historische und ethnische Diskurse im Mittelpunkt, die Teil der Tradition des Königtums von Bunyoro-Kitara geworden sind. In der Geschichte Bunyoro-Kitaras haben sich Mythen etabliert, die bis in die Gegenwart und ihre aktuellen Diskurse hineinwirken und als Traditionen im Sinne von überlieferten Handlungsanweisungen, Überzeugungen oder Glaubensvorstellungen behandelt werden. In meinen Ausführungen lehne ich mich an Christopher Wrigleys Verständnis von Mythen als einem Diskursgenre an, das in Quasigeschichte konvertiert werden kann.1 Ich betrachte Mythologie, Geschichte und Tradition als diskursive Ereignisse, die soziale Praktiken hervorbringen und von ihnen hervorgebracht werden. Mein Anliegen ist es, das produktive Element der Diskurse herauszuarbeiten. Politische Geschichte und politische Kultur lassen sich leichter verstehen, wenn der mythische Diskurs als Subtext mitgelesen wird. Ich beginne mit dem Versuch einer Rekonstruktion der soziopolitischen Genese der Königtümer im Zwischenseengebiet und untersuche dann, welche Diskurse sich um das Reich Kitara und das Nachfolgerreich Bunyoro-Kitara bildeten. Mein Fokus liegt auf der Verknüpfung von Mythologie und Geschichte zur Etablierung einer höfischen Tradition und auf der Produktion neuer Diskurse, die die aktuellen Debatten zum Königtum Bunyoro-Kitara beeinflussten. In Mythen werden Idealbilder entworfen und gelehrt sowie die konstruierten Ideale ständig hinterfragt und auf die Probe gestellt. So haben Mythen einen hohen normativen Wert, sind aber nicht unveränderlich. In narrativer Weise beurteilen sie menschliches Handeln und abstrahieren davon. Einerseits werden die idealisierten Personen in Mythen überhöht, verklärt und glorifiziert, andererseits werden sie verurteilt, bestraft, getötet, wenn sie dem Ideal nicht entsprechen. In

1

Wrigley, C.: Kingship and State, S. 55. Wrigley spricht allerdings von ‚Pseudogeschichte‘ und fällt damit in einen essenzialisierenden Diskurs zurück, in dem Mythen etwas vorzugeben scheinen, was nicht ist.

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höfischen wie in populären Mythen gehören soziale und politische Konflikte zu den wichtigsten Themen. Mythen können als eine kodierte Sprache begriffen werden, zu deren Verständnis die Kenntnis des politischen und sozialen Kontextes und der Erzählfiguren gehört. Der Begriff ‚Tradition‘ hat mit der Entstehung der Nationalstaaten in Afrika enorme Bedeutung und neue Auslegung erfahren. Während Tradition im kolonialen Diskurs als Bündel von statischen Überlieferungen verstanden wurde, erhielt der Begriff im postkolonialen Diskurs ein weit dynamischeres Element. Er forcierte Legitimationsdiskurse ethnischer Bewegungen und nationaler Gründungen, die sich auf die ‚Kultur und Tradition‘ ihrer ethnischen Mitglieder stützten.2 In den 1980er Jahren wurde das innovative, erfinderische Element in Traditionen thematisiert, nicht zuletzt um einem naiven Verständnis von oraler Geschichte kritisch zu begegnen. Hobsbawm und Ranger haben das Thema der Imagination im Kontext der Geschichtswissenschaft aufgegriffen.3 Sie zeigen, dass Traditionen häufig alles andere als ‚uralte‘ Überlieferungen sind und ständig neu erfunden werden. Sie unterscheiden ‚alte‘ und ‚neue‘ Traditionen, indem sie das Alte als authentisch behandeln, das Neue als ‚erfunden‘. Damit ignorieren sie allerdings den Umstand, dass jede Geschichte auf der Vorstellungskraft und Auswahl der Erzähler beruht und Authentizität somit eine fragwürdige Zuschreibung ist. Problematisch wird die Unterscheidung dann, wenn Veränderungen des kulturellen Verhaltens als ‚Fälschungen‘ und ‚Manipulationen‘ eingeschätzt werden, weil sie nicht auf Vorlagen aus der Vergangenheit zurückgreifen, anders gesagt, wenn kulturelles Verhalten nicht als kreativ und veränderlich, sondern als statisch verstanden wird.

B ESIEDLUNG

DES

Z WISCHENSEENGEBIETES

Das Gebiet der Großen Seen umfasst den Kyoga-, Nyanza- (Victoria-), Mwitanzige- (Albert-), Rweru- (Georg-), Masyoro- (Edward-), Kivu- und den Tanganyikasee. Es kann als eine ökologische Zone betrachtet werden, die seit Jahrhunderten Landwirtschaft, Viehzucht, Fischerei, Jagd, Handwerk und Handel möglich machte. In ihrer Rekonstruktion der Siedlungsgeschichte und politischen Genese des Gebietes gehen Historiker von einer Besiedlung in mehreren

2

Eriksen, Thomas H.: Ethnicity and Nationalism. Anthropological Perspectives,

3

Hobsbawm, E./Ranger, T.: The Invention of Tradition.

London: Pluto Press 1993, S. 129.

2. G ESCHICHTE , M YTHEN

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T RADITIONEN

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Phasen aus.4 Nach diesen Rekonstruktionen wanderten gegen Ende des 9. Jahrhunderts Bantu-Gruppen aus dem Westen ein, die bereits kurzhornige Rinder (endora) mit sich führten. Sie überquerten oder umwanderten den Albertsee und passierten dabei die Ruwenzori-Berge und das Semliki-Delta im Süden des Sees. Zu ihnen zählt der Clan der Bayaga, der ein eigenes Herrschaftsgebiet für sich in Anspruch nahm und seinen Einfluss in der Region und später im Königtum Bunyoro-Kitara ausübte.5 Die Immigranten trafen nicht auf ein leeres, unbewohntes Gebiet, sondern auf Waldbewohner (Ituri), die sich ökonomisch auf die Nutzung der Flora und Fauna des Tropenwaldes spezialisiert hatten.6 Etwa zur gleichen Zeit wie die ersten Bantu-Gruppen kamen ‚nilosaharische‘ Gruppen (Madi) aus dem Norden in das Zwischenseengebiet. Da sie Kleinvieh, vor allem Ziegen (embuzi) mitbrachten, wurden sie mit den ‚Tembuzi‘ in Verbindung gebracht.7 Diese mythischen Figuren wurden im 20. Jahrhundert als erste Dynastie von Bunyoro-Kitara in die Genealogie der Könige aufgenommen.8

4

In den folgenden Ausführungen greife ich auf eine amerikanische ‚Geschichtstradition‘ zurück, die in der Rekonstruktion der Geschichte des Zwischenseengebietes einen positivistischen Ansatz verfolgt. Ich stütze mich vor allem auf Buchanans Arbeit zum ‚Kitara Komplex‘, in dem sie sich methodisch auf Mythen und Traditionen nichtköniglicher Clane beruft. Auch andere amerikanische Historiker wie Steinhart, Berger, Webster, Tantala und zuletzt Schoenbrun stützen sich methodisch auf die Oral History, die Mythenforschung, Linguistik und auf naturwissenschaftliche wie archäologische Untersuchungen. Mythen und orale Geschichte werden dabei nicht als Imaginationen, sondern als authentische Geschichten über Bevölkerungsbewegungen und Transformationen in Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft beurteilt. Archäologische Funde gelten als Beweise für geschichtliche Hypothesen. Strukturalistisch orientierte Historiker wie Wrigley haben jedoch eingewandt, dass diese Methoden nicht als Beweise ausreichten, weil sie Chronologien einzuführen suchten, wo keine lineare Logik herrsche, und weil sie die Tiefenstruktur der Mythen zu oberflächlich abhandelten. Vgl. Wrigley, C.: „Introduction to Myth“, in: ders.: Kingship and State, S. 43-56.

5

Buchanan, Carole A.: „Courts, clans and chronology in the Kitara Complex“, in: Webster, James B. (Hg.): Chronology, Migration and Drought in Interlacustrine Africa, London: Longman 1979, S. 87-124, hier: S. 97.

6

Buchanan, Carole A.: The Kitara Komplex. The Historical Tradition of Western Uganda to the 16. Century, Dissertation, Indiana: Indiana University Microfilms 1974, S. 45.

7

Webster, James B.: „The Reign of the Gods“, in: ders. (Hg.): Chronologie, Migration

8

K. W.: „The Kings of Bunyoro-Kitara, Part I“.

and Drought in Interlacustrine Africa, S. 125 ff., hier: S. 125.

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Im 12. Jahrhundert fand eine weitere Bantu-Einwanderung statt. In diesem Fall kamen die Einwanderer aus dem Osten des heutigen Uganda, aus der Umgebung des Mt. Elgon. Sie brachten Langhornrinder (sanga oder enshagara) mit und gelten deswegen als die ersten Pastoralisten (Bahuma), die am Victoriasee vorbei in das westliche Zwischenseengebiet zogen. Zudem besaßen die Einwanderer Wissen und Geschick in der Eisenverarbeitung und Töpferei. Zwar waren diese Techniken im Zwischenseengebiet bereits verbreitet, aber noch nicht ausgereift. Zwei Clane, Basita und Basingo, konnten durch ihre metallurgischen und töpferischen Techniken exponierte Machtpositionen in der Region aufbauen. Wie der Clan der Bayaga gehörten sie später zur politischen Elite des Königtums Bunyoro-Kitara. Die Einwanderung der Pastoralisten hat Spekulationen über ihre Identifikation mit den Bacwezi, der zweiten Dynastie von Bunyoro-Kitara, hervorgerufen. Edward Steinhart zufolge waren sie historische Personen. Er schreibt: „That the Bacwezi were real people seems to all but the hardiest sceptics to be well established. And the bulk of opinion, supported by archaeological investigation, identifies them with the ‚pastoral folk‘‚who today constitute the Bahima of Ankole and the Bahuma of Bunyoro.“9 Allerdings sind Bahuma in mehreren Phasen in das westliche Zwischenseengebiet eingewandert. Die CweziPhase wird vor allem mit der Zunahme von Rindern in der Region und mit der Ausbreitung der pastoralen Kultur- und Wirtschaftsweise verbunden. Trotz archäologischer Funde und Rekonstruktionsversuche blieben die cwezi ein Mythos, der zu weiteren Hypothesen Anlass gab. Einerseits wurde mit ihrem ‚Verschwinden‘ die Entstehung neuer Königtümer im Süden des Zwischenseengebietes erklärt.10 Andererseits wurde bezweifelt, dass es sich um historische Personen gehandelt habe.11

9

Steinhart, E. I.: „The Emergence of Bunyoro“, S. 73.

10 Ebenda, S. 76. Siehe auch Mafeje, A.: Kingdoms of the Great Lakes Region, S. 17, 18. 11 Tantala, Renee Louise: The Early History of Kitara in Western Uganda. Process Models of Religious and Political Change, Dissertation, Madison: University of Wisconsin 1989. Die Historikerin Renee Tantala vertrat die Ansicht, dass der Begriff cwezi beim Aufkommen des Kultes „spirits“ bezeichnete, deren menschliche Medien sich ‚Bacwezi‘ nannten. Diese Einschätzung ist insofern irreführend, als sie einen Unterschied zwischen Embandwa- und Cwezi-Medien suggeriert. Wie ich weiter unten zeigen werde, ist die Kommunikation mit den Geistern in Besessenheitsritualen (kubandwa) für beide Kulte gleich, die Kategorien von Geistern sind hingegen unterschiedlich. Siehe auch Wrigley, C.: „Some Thoughts on the Bacwezi“.

2. G ESCHICHTE , M YTHEN

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Die neueren historischen Erklärungsansätze bringen die Mobilität im Zwischenseengebiet mit ökologischen Krisen in Zusammenhang.12 So steht nicht mehr eine veraltete und evolutionistische Eroberungstheorie aus dem 19. Jahrhundert als Erklärung im Raum, sondern eine moderne, ökologische Krisentheorie, die Dürren, Hungerkatastrophen und Epidemien unter Tier und Mensch für die Mobilität verantwortlich macht. Mit dieser Theorie wird die Einwanderung von Luo-Clanen im 15. Jahrhundert und die Etablierung der dritten Dynastie, der ‚Babito‘, untermauert.13 Demnach flohen Luo-Gruppen (Palwo) im frühen 15. Jahrhundert vor einer Hungersnot im südsudanesischen Raum und wanderten südwärts. Sie ließen sich an beiden Seiten des Nils nieder. Durch die Einführung von Hirse als Kulturpflanze soll es ihnen gelungen sein, in einen Handel mit der Bantu-Bevölkerung zu treten. Als Vermittler zwischen der Luound der Bantu-Kultur konnten sie dann soziale wie politische Klientelbeziehungen mit Bauern und Viehzüchtern aufbauen. Die Integration der Palwo wird anfänglich als friedfertige Eingliederung in eine vorherrschende BantuKultur beschrieben. Erst mit den nachfolgenden Luo-Gruppen (Babito) soll eine aggressivere und militärische Expansion eingesetzt haben, die von einigen bereits vorhandenen Bahuma-Clanen im Zwischenseengebiet unterstützt wurde.14 Diese historische Rekonstruktion erscheint mir plausibel, um die Bevölkerungsbewegungen in diesem fruchtbaren und ökologisch heterogenen Gebiet zu erklären. Sie übernimmt aber auch die umstrittene Idee der Eroberung.

12 Hier sind vor allem die Arbeiten von J. B. Webster, E. Steinhart, D. Schoenbrun und S. Doyle zu nennen. 13 Steinhart, E. I.: „The Emergence of Bunyoro“; Buchanan, C. A.: The Kitara Complex; Berger, Iris: Religion and Resistance. East African Kingdoms in the Precolonial Period, Tervuren: Musée royal de l’Afrique centrale 1981. 14 Der britische Historiker Wrigley vermutet, dass die Luo (Niloten) sehr viel früher einwanderten, etwa um die erste Jahrtausendwende. Seiner Ansicht nach konnten Babito im 16. oder frühen 17. Jahrhundert das Königtum Bunyoro-Kitara etablieren, weil diese Gruppe über militärische und rituelle Ressourcen verfügte: „[T]he environment gave the Bito certain advantages“. Wrigley erklärt jedoch nicht, warum andere Clane oder ethnische Gruppen diese Umweltressourcen nicht zu ihrem Vorteil nutzten (Wrigley, C.: Kingship and State, S. 203).

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M YTHOLOGISIERUNG

DES

R EICHES K ITARA

Mit dem Namen ‚Kitara‘ verbinden sich Mythologie und Geschichte. Seine wörtliche Bedeutung wird von Banyoro häufig mit ‚Schwert‘ übersetzt und spielt auf die Entstehungsgeschichte, die kriegerischen Expansionen und den Ruhm des Reiches an. Kitara gilt als das Riesenreich der Bacwezi-Dynastie und darüber hinaus als Ausdruck für Macht, Reichtum und Innovation. John Nyakatura, Bunyoro-Kitaras Hofhistoriograf, beschrieb die Reichweite Kitaras unter den Bacwezi: „It extended as far as Madi and Bukidi in the north, Kavirondo in the east, Kiziba, Karagwe, Rwanda, and Kigezi in the south, to the westward, it encompassed the Ituri forest and the lands of Bulega, all of which now belong to the Congo. Isingo and Bwera also formed part of the kingdom.“15

Diese Extensionen haben einige Historiker angezweifelt und als Versuch einer nachträglichen Profilierung der Babito-Dynastie in der Geschichte des Zwischenseengebietes gewertet.16 Dennoch ist in Nyakaturas Darstellung, wie Buchanan in The Kitara Komplex (1974) einräumt, nicht alles ‚Erfindung‘, sondern die Umschreibung eines Raumes, der durch Bauern und Viehzüchter, autonome Clane und zentralisierte Königtümer in der long durée geprägt wurde. Die früheren Einwanderer hatten sich niedergelassen und Land genommen. Meist war ein Hügel der Bezugspunkt einer Clangruppe, wo die Mitglieder Ahnenrituale und Geisterkulte ausübten. Diese autonomen Clane akzeptierten die Führung der Ältesten und wählten einen von ihnen zum Führer (mukungu). Ihr Territorium galt als saza, als eine politische Einheit. Buchanan hat die SazaOrganisation einer vordynastischen Zeit zugeordnet. Ebenso können die saza als rudimentäre Formen politischer Zentralisierung und ihre bakungu (Pl.) als Vorläufer königlicher Herrschaft angesehen werden. Trotz dieser Fokussierung auf

15 Nyakatura, J. W.: Anatomy of an African Kingdom, S. 1. Madi entspricht den Gebieten der Alur, Madi und Lugbara, Bukidi ist ein anderer Name für das Gebiet der Langi, Kavirondo für das Gebiet der Jopadhola, Iteso und Bagisu. Kiziba und Karagwe gehörten zu den Babito-Königtümern im heutigen Tansania, Rwanda war ein Bahinda-Königtum, und Kigezi gehört zu den wenigen Gebieten, die kein Königtum annahmen. Singo und Bwera fielen im 18. Jahrhundert an Buganda. 16 Kiwanuka, Semakula: „The Empire of Bunyoro-Kitara: Myth or Reality?“, in: Canadian Journal of African Studies 2 (1968) 1, S. 27-48; Doyle, S.: From Kitara to the Lost Counties, S. 459.

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Claneinheiten müssen die Grenzen Kitaras in Bezug auf Herrschaft, Kultur und Ökonomie als flexibel und die sozialen Praktiken zunehmend als hybrid verstanden werden. Im Zuge der Migration verbanden sich die ethnisch diversen Clane sprachlich, religiös und kulturell, unterschieden sich aber ökonomisch, denn Rinderzüchter und Bauern hatten verschiedene Lebensweisen. Seit im 15. Jahrhundert Pastoralisten zuwanderten und Langhornrinder mitbrachten, erlangte deren Lebensweise zunehmend größere Bedeutung. Allerdings kann nicht von einer vollkommenen Absorption der ansässigen Bevölkerung in die Kultur und Ökonomie der Bahuma gesprochen werden. Vielmehr fand ein Transformationsprozess statt, in dessen Verlauf bereits etablierte Clane ihre Lebensweise veränderten und pastorale Praktiken, Werte und Identitäten annahmen. Am einfachsten lässt sich diese Transformation an den Meidungsobjekten nachweisen, die sich einige Clane nach ihrer ‚Humaisierung‘ als sekundäre Erkennungszeichen (Totem) zulegten. Buchanan weist darauf hin, dass Totems als Symbole eine soziale Funktion ausübten, indem sie den Status und die Zugehörigkeit eines Clans angaben und so die soziale Interaktion der Clane regelten. BahumaClane führten in der Regel ein Totem, das mit der pastoralen Kultur, vor allem mit Rindern und mit Milch assoziiert wurde. Nicht-Bahuma-Clane hingegen beachteten Wildtiere, Insekten, Pflanzen oder Artefakte als ihre Meidungsobjekte und als soziale Unterscheidungsmerkmale. Clane, die von einer Kategorie zur anderen wechselten, legten ihr erstes Totem nicht ab, sondern nahmen ein zweites hinzu und integrierten sich so in die neue Ordnung, ohne die alte aufzugeben. Gleichzeitig halfen soziale Praktiken wie der Blutpakt oder die Einheirat, eine Interaktion zwischen den Clanen herzustellen und Fremdheit zu überwinden. Eine andere Bedeutung erhält der Name ‚Kitara‘, wenn er im Kontext kolonialer Diskurse geführt wird. In diesem Fall rivalisieren zwei Sichtweisen. Die eine verbannt Kitara in das Reich der Mythen und der Halbgötter, die den Namen cwezi tragen. Die andere holt Kitara zurück aus dem Reich der Mythen und Halbgötter in die Geschichte des Reiches Bunyoro-Kitara. Nyakatura beschreibt die Reichweite Kitaras „during the reign of Kabalega and before the British annexed some parts of it to neighbouring countries“17. In diesem Fall liegt der Fokus auf Kitara als politischer Macht im Zwischenseengebiet nicht mehr auf einer ethnischen, wirtschaftlichen und kulturellen Pluralität. Kitara schmilzt vielmehr zu einer semantischen und ethnischen Einheit zusammen, bläht sich dabei aber räumlich auf. In diesem Manöver erhält Kitara das Image einer Supermacht und eines Großreiches (empire). Nyakatura war bestrebt, Bunyoro geschichtlich zu

17 Nyakatura, J. W.: Anatomy of an African Kingdom, S. 125.

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emanzipieren und zu rehabilitieren, nachdem es den Krieg gegen eine anglogandische Militärmacht in den 1890 Jahren verloren hatte.18 1947 schrieb er: „Brethren, be proud of your now small kingdom which still remains and also of your language! Both are great symbols of the past history of a country. Do not be dismayed by the present small size of your kingdom. Empires have risen and fallen in the past.“19

Im Kontext der imperialen Selbstdarstellung Großbritanniens richtet sich dieser Appell gegen den hegemonialen Diskurs.20 In Opposition dazu dehnte Nyakatura in seinem historischen Diskurs die Grenzen des Reiches bis nach Kenia, Tanganyika und Ruanda aus und erklärte einige seiner Nachbargebiete zu Kolonien des Reiches.21 Dieser Diskurs blieb wie erwähnt nicht unwidersprochen. Die Beziehungen und Einflüsse Bunyoro-Kitaras durch Handel, Allianzen und Raubzüge im 19. Jahrhundert mit den Königtümern Nkore und Karagwe im Süden, Buganda im Osten, Bulega im Westen und Alur, Acholi und Langi im Norden ließen sich allerdings nachweisen.22 Die Grenzen Bunyoro-Kitara blieben jedoch fließend und die Kontrolle in den entfernt gelegenen Gebieten durch das politische Zentrum Bunyoro-Kitaras sporadisch. Im 20. Jahrhundert wehrten sich Alur, Acholi und Langi gegen eine historische Vereinnahmung als ‚Kolonien‘ Kitaras. Ebenso widersprachen gandische Historiker vehement der These, dass Buganda eine Abspaltung und damit ein Teil des alten Kitara sei. Der Historiker David Henige zeigte, dass sich die Königtümer Buganda und Bunyoro-Kitara mit der Länge ihre dynastischen Genealogien zu übertrumpfen suchten, um so die Frage des Alters, der Bedeutung und der Macht ihrer Reiche in der Vergan-

18 Ebenda, S. 1-2. Vgl. auch Uzoigwe, G.: „Kabalega and the Making of a New Kitara“. 19 Nyakatura, J.: Abakama (Kings) of Bunyoro-Kitara, Neuauflage, S. 2. 20 The Coronation of Her Majesty Queen Elisabeth II, Programme of Events, 1953; Royal Visit to Uganda of Her Majesty Queen Elisabeth, the Queen Mother, Feb., 18th to 27th, 1959, Programme of Events. 21 Nyakatura, J.: Abakama (Kings) of Bunyoro-Kitara, Neuauflage, S. 2. 22 Uzoigwe, G.: „Precolonial Markets in Bunyoro-Kitara“, S. 438. In „Kabalega and the Making of a New Kitara“ schrieb er: „The balance of learned opinion, however, is that the Kitara Empire did exist. What is still in doubt is its extent and the nature of its control. […] In some cases this control amounted to no more than an occasional payment of tribute to, and the strategic acceptance of, the sovereign power.“ (S. 2.) Vgl. Karugire, Samwiri R.: A Political History of Uganda, Nairobi: Heinemann 1980, S. 27; Reid, Richard: Political Power in Pre-Colonial Buganda, Oxford u. a.: James Currey 2002, S. 136 ff.

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genheit zu beeinflussen.23 Diese Frage gewann vor allem im kolonialen Protektorat an Bedeutung, als es galt, in der Konkurrenz mit den anderen Königtümern eine angemessene Position zu gewinnen. Letztlich war diese Rhetorik im 20. Jahrhundert das diskursive Feld, auf dem die Schlachten geschlagen werden mussten. Innerhalb Bunyoro-Kitaras hatte sich der hegemoniale Diskurs der Babito gegenüber den Herrschaftsmythen konkurrierender Clane durchgesetzt.24

H ISTORISIERUNG

DES

R EICHES B UNYORO -K ITARA

Die Zeit vom 15. bis zum 17. Jahrhundert wird in den historischen Rekonstruktionen als langsamer Übergang in ein neues Wirtschafts- und Gesellschaftssystem beschrieben, in dem die Babito zum königlichen Clan aufstiegen. Der Begriff ‚Munyoro‘ bedeutet ‚Herr‘. Er ist historisch nicht eindeutig und scheint sich im Laufe der Zeit verändert zu haben. Einerseits wird er mit der Herrschaft der Babito assoziiert, mit ethnischer Identität, politischer Zugehörigkeit zum Reich Kitara und mit politischer Opposition zu den Nachbarreichen. Andererseits steht er in Beziehung zur Sklaverei in Bunyoro-Kitara.25 Diese Interpretation taucht im Kontext der Kriege und der Sklaverei im 19. Jahrhundert im Zwischenseengebiet auf. In den kolonialen und postkolonialen Diskursen der Banyoro waren es vor allem Baganda und Briten, die die Bezeichnung ‚Banyoro‘ als Schimpfwort in ihrer politischen Rhetorik verwendeten. Damit gekoppelt wurde der Vorwurf, Banyoro versklaven und in ihrer Existenz vernichten zu wollen. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurden diese Vorwürfe unter dem Begriff ‚Genozid‘ wieder aufgenommen. Die Babito konsolidierten ihre Herrschaft im 16. und 17. Jahrhundert. Ihr Expansionsdrang variierte je nach Ambition und militärischem Vermögen des jeweiligen Herrschers. Von den dreiundzwanzig Königen der Babito-Dynastie, die bis 1899 regierten, unternahmen nicht alle Expansionen und Raubzüge in Nachbargebiete.26 Dazwischen la-

23 Henige, D.: „‚The Disease of Writing‘“, S. 246. 24 Schoenbrun, David L.: A Green Place, A Good Place. Agrarian Change, Gender, and Social Identity in the Great Lakes Region to the 15th Century, Portsmouth: Heinemann 1998, S. 219 f. 25 Vgl. Médard, Henri/Doyle, Shane (Hg.): Slavery in the Great Lakes Region of East Africa, Oxford: James Currey 2007. Darin besonders Doyle, S.: „Bunyoro and the Demography of Slavery Debate“, S. 231 ff. 26 Winyi I, Olimi I, Nyabongo I und Chwa I erweiterten ihr Territorium durch Raubzüge in und Kriege mit Buganda, Nkore, Madi, und Ruanda. Die Babito-Könige Winyi II,

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gen Perioden der Konsolidierung, unterbrochen von Nachfolgekriegen zwischen rivalisierenden Babito-Prinzen. Mit dem Beginn des 18. Jahrhunderts setzte der Niedergang der Macht der Babito-Könige ein. In dieser Zeit begann auch der Übergang von einer zyklischen zu einer linearen Zeitrechnung in der höfischen Geschichtsschreibung. Olimi III Isansa (um 1710-1730), einem der beiden ‚Heldenkönige‘ BunyoroKitaras, gelang es, Angriffe von Buganda und Nkore abzuwehren und Nkore zu besetzen. Aber schon sein Sohn Duhaga I (um 1731-1782) verlor bedeutende Gebiete an Buganda.27 Nach Duhagas Tod rebellierte Prinz Bwohe und gründete mit Unterstützung des Königs von Buganda, Kabaka Junju, das Königreich Kooki.28 In der internen Dynamik des Königtums entwickelte sich eine Rivalität zwischen den Palwo und den Babito Luo. So war es bis zum 18. Jahrhundert ‚Tradition‘ beziehungsweise Regel, dass die Mutter eines Babito-Königs aus dem Palwo-Clan kam. Mit der Machtübernahme des Mubito-Königs Olimi Isansa (ca. 1733-1760), dessen Mutter einem Bantu-Clan angehörte, erlosch die politische Bindung der Babito an die Palwo. Aus Sicht der Palwo übernahmen die Babito durch diesen Bruch die Kosmologie der Bantu und ersetzten ihre alten ‚Jogi‘ durch die ‚Cwezi-Geister‘.29 Die Palwo lehnten sich gegen ihre politische Exklusion auf und rebellierten. Sie wurden militärisch unterworfen und wanderten schließlich zum großen Teil in Richtung Osten aus, wo sie neue ‚Königtümer‘ in Acholi und im Gebiet des späteren Königtums Busoga gründeten.30 Trotz dieser Demonstration der Stärke haben Historiker das 18. Jahrhundert als Beginn des Niedergangs Bunyoro-Kitaras gewertet. Teile der Palwo kehrten nach einiger Zeit aus ihrem Exil zurück und begannen erneut, sich gegen die Herrschaft der Babito aufzulehnen, mit dem Ziel, diese Dynastie zu stürzen und einen Palwo als König zu installieren.31 Ein Umsturz gelang ihnen jedoch nicht. Die Babito-

Chwa I, Kyebambe I Omuzikya, Kyebambe II Bikaju kamen durch Nachfolgekriege an die Macht, in denen sie den bereits gekrönten Nachfolger töteten. Vgl. Nyakatura, J. W.: Anatomy of an African Kingdom. 27 Dem höfischen Mythos zufolge litt er unter dem Fluch Wamaras, der als Geistmedium des letzten Cwezi-Herrschers seinen Tempel in der Provinz Bwera besaß. Duhaga blieb lange Zeit ‚impotent‘ und kinderlos. 28 Nyakatura, J. W.: Anatomy of an African Kingdom, S. 85. 29 Adefuye, Ade: „Palwo Jogi. Impact on Political History“, in: Webster, J. B.: Chronology, Migration and Drought in Interlacustrine Africa, S. 215-230, hier: S. 222. 30 Ebenda, S. 223. 31 Ebenda, S. 224.

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Könige blieben bis zur Herrschaft von Omukama Kabalega (1869-1899) mit der Rivalität der Palwo-Prinzen konfrontiert. Sie bevorzugten Frauen aus BahumaClanen und schmiedeten so neue Allianzen, doch diese Heiratspraxis brachte neue Probleme mit sich. Babito-Prinzen konnten sich auf ihre maternalen Verwandten stützen, rebellieren und eigene Königtümer gründen. Diese Veränderungen schwächten das Reich und die Babito-Dynastie seit Mitte des 18. Jahrhunderts. Buganda nutzte den Machtverlust Bunyoro-Kitaras, um zu expandieren und sich Zugang zu neuen ökonomischen Ressourcen zu verschaffen.32 Daraus formierte sich ein neuer Diskurs über Macht und Hegemonie im Zwischenseengebiet. Richard Reid, ein britischer Historiker, sieht ein Hauptmotiv für die Expansion Bugandas darin, dass das Königtum Kriegstechnik, Material und Kenntnisse in der Eisenverarbeitung benötigte.33 Mit Kabaka Junjus Eroberung der Provinz Bwera verschaffte sich Buganda die Kontrolle über Bunyoro-Kitaras Ressourcen. Die neue Eroberung erleichterte das Aufstreben Bugandas als hegemoniale Macht im Zwischenseengebiet.34 Der Machtwechsel in Bwera vergrößerte den Reichtum Bugandas und beschleunigte den Niedergang BunyoroKitaras. Obendrein befanden sich der Schrein und das rituelle Zentrum des Cwezi Wamara in Bwera, ein Umstand, der die Babito besonders traf, weil der königliche Clan eine enge Beziehung zum Kult um Wamara pflegte. Bugandas Aufstieg im 18. Jahrhundert ordnete die Machtverhältnisse im Zwischenseengebiet neu. Die Regierungszeit von Nyamutukura (1786-1835) kennzeichnete nach Meinung des Historikers Edward Steinhart den Tiefpunkt der Babito-Macht in Bunyoro-Kitara.35 Nyamutukura war selbst durch die Ermordung seines Bruders Kasoma an die Macht gekommen. Um 1830 rebellierte sein Sohn Kaboyo und gründete das Königreich Tooro im Westen Bunyoro-Kitaras. Dadurch verlor Bunyoro-Kitara weiteres wertvolles Weideland und seine Salzfelder in Katwe, einer Siedlung am nördlichen Edwardsee. Bunyoro-Kitaras Salzindustrie stützte

32 Reid, R.: Political Power in Pre-Colonial Buganda, S. 72, 82, 44. 33 Ebenda, S. 81. 34 Ebenda, S. 73 f. Die Provinz war reich an Eisenvorkommen, an Feigenbäumen, an Weideland und Rindern. Aus der Rinde der Feigenbäume wurden hochwertige Stoffe gefertigt. Bis zum 19. Jahrhundert florierte der Handel mit diesen Gütern. Dann wurden Baumwollstoffe aus Europa eingeführt, und die lokalen Rindenstoffe verloren an Prestige und Wert. Als Stoffe für rituelle Zwecke blieben sie wertvoll. 35 Steinhart, E. I.: Conflict and Collaboration, Reprint, S. 22; Steinhart, E. I.: „The Emergence of Bunyoro“, S. 82.

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sich fortan auf Kibiro, ein Handelszentrum am Albertsee.36 Ein weiterer Verlust war die nördliche Provinz Chope, die von Palwo-Clanen bewohnt und Anfang des 19. Jahrhunderts von einem Mubito verwaltet wurde. Prinz Kachope rebellierte gegen den alternden Nyamutukura und wurde dabei von den Palwo-Clanen unterstützt.37 Nach dem Tod Nyamutukuras versuchte sein Sohn Kamurasi (1852-1869), den Trend zur Sezession aufzuhalten. Er hatte den Thron durch Ermordung seinen Halbbruders Rwakabale (1848-1852) erobert und führte jahrelang Krieg mit Chope.38 Allein die Vielzahl der gewaltsamen Throneroberungen und Separationen zeigt, dass sich das Reich in einer tiefen Krise befand. Häufig wurden Separationen durch Nachfolgekriege ausgelöst, und die Thronfolge war zum Problem geworden. Seit der Änderung der matrilinearen Regel, die eine Palwo-Abstammung der Königinmutter vorsah, gab es keine genealogische Einschränkung für den Thronfolger, vorausgesetzt, es handelte sich um einen Sohn des Königs. Damit erweiterte sich das Spektrum der Kandidaten und Rivalen erheblich. Hinzu kam, dass der mütterliche Clan des Thronfolgers nun Zugang zur Macht hatte und ihn deshalb militärisch unterstützte.39 Besonders deutlich wurde diese Tendenz bei der Machtübernahme Kabalegas Mitte des 19. Jahrhunderts. Wie ich in den aktuellen Diskursen des Königtums zeigen werde, war die Herkunft und Clanzugehörigkeit der Königinmutter auch am Ende des 20. Jahrhundert ein kritischer Faktor bei der Thronfolge des neuen Königs von Bunyoro-Kitara. Nach Kamurasis Tod 1869 eroberte sein Sohn Kabalega gewaltsam den Thron. Dabei handelte er gegen den Willen der Königsmacher, die aus der politischen Gerontokratie und den Bahuma-Clanen kamen und seinen Halbbruder Kabigumire bevorzugten. Sie konnten jedoch einen militärischen Sieg Kabalegas nicht verhindern. Zum einen wurde Kabalega von seinem mütterlichen Clan, den Banyonza, unterstützt. Entscheidenden Einfluss auf die Thronfolge übte jedoch Mutesa I, kabaka von Buganda, aus, der Kabalega Hilfstruppen sandte.40 Externe Einmischung und interne Rivalitäten der politischen Eliten haben immer wieder über den Ausgang der Sukzession und der Machtverhältnisse in den Königtümern entschieden. Arabische Händler und Milizen aus dem angloägyptischen Sudan hatten bereits zur Zeit Kamurasis im Norden Bunyoro-

36 Doyle, S.: Crisis and Decline in Bunyoro, S. 29. 37 Nyakatura, J. W.: Anatomy of an African Kingdom, S. 94. 38 Ebenda, S. 91-97. 39 Uzoigwe, Geoffrey: „Succession and Civil War in Bunyoro-Kitara“, in: African Historical Studies 4 (1973), S. 49-71, hier: S. 58. 40 Nyakatura, J. W.: Anatomy of an African Kingdom, S. 110.

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Kitaras Dörfer überfallen, Gefangene genommen und nach Elfenbein gejagt. Sie nutzten die Spannungen zwischen den unterschiedlichen politischen Fraktionen des Königtums, indem sie Gewehre und andere Importgüter gegen Sklaven und Elfenbein tauschten und sich kurzfristig als Söldner anboten.41 Von solchen Zulieferungen an Waffen, Munition und Soldaten wurden die Abakama zunehmend abhängiger. Auch die Handelsrouten zur Ostküste und Sansibar, dem Umschlagsplatz von Sklaven und Handelwaren, öffneten sich in dieser Zeit für das westliche Zwischenseengebiet. Im Schatten dieser Entwicklungen waren die ersten europäischen Entdeckungsreisenden und Philanthropen gekommen, die sich dem Kampf gegen die Sklaverei und die Barbarei verschrieben hatten und gleichzeitig die Handelsrouten für den Westen ausleuchteten. Die Forschungsreisenden John Speke, James Grant und Samuel Baker standen anfangs im Verdacht, Inkarnationen der cwezi zu sein. Die Babito-Könige dieser Epoche, Kamurasi und Kabalega, misstrauten ihren Interessen zutiefst. Kabalegas Herrschaft begann um das Jahr 1867 nach einer langen Übergangsperiode, die das Land in Kriegszustand und Chaos versetzte. Im Anschluss an seine Machtergreifung setzte er alles daran, kürzlich verlorene Gebiete zurückzuerobern. Dies gelang ihm in Bezug auf die Provinzen Busongora im Süden, Chope im Norden und Tooro im Westen. Lediglich Provinzen im Osten wie Bwera oder das Königtum Kooki, die bereits im 18. Jahrhundert unter die Herrschaft Bugandas gefallen waren, konnte Kabalega nicht zurückgewinnen. Um seine Macht zu festigen und flexibel auf Provokationen innerhalb wie außerhalb seines Reiches reagieren zu können, reformierte er die militärische Organisation des Königtums und schuf ein stehendes Heer. Einzelne Clane erhielten gesonderte Aufgaben in der militärischen Führung oder im Aufbau einer Verwaltung nach der Eroberung eines Gebietes. Im Gegensatz zur Führung von Clanen oder Provinzen waren die militärischen Positionen nicht erblich, sondern von Leistung abhängig. Dadurch konnte es auch Außenseitern gelingen, in der politischmilitärischen Hierarchie des Königtums aufzusteigen. In der Konsequenz führte dieses System zu einer Aufweichung der Grenzen zwischen einer pastoral orientierten Elite und einer bäuerlich orientierten Masse. Sie führte aber auch zu einer Verhärtung der Positionen in Bezug auf die Rechtfertigung königlicher Gewalt. Kabalegas Herrschaft ist nicht unumstritten in Bunyoro-Kitara. Sie wird einerseits in Verbindung mit der Etablierung eines sicheren Herrschaftsraumes, mit

41 Uzoigwe, G.: „Precolonial Markets in Bunyoro-Kitara“, S. 446; Tosh, John: „The Northern Interlacustrine Region“, in: Gray, Richard/Birmingham, David (Hg.): Precolonial African Trade. Essays on Trade in Central and Eastern Africa before 1900, London/New York: Oxford University Press 1970, S. 102-118, hier: S. 115.

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dem Aufblühen von Märkten und Handel sowie dem Import neuer, moderner Waren diskutiert, andererseits mit einer schonungslosen und blutigen Exekutive der Macht assoziiert. Kabalega setzte seine Autorität nicht nur durch neue administrative Maßnahmen, sondern auch repressiv und mittels Gewalt durch, zumal Bunyoro-Kitara immer stärker unter den Druck der geopolitischen Ereignisse geriet. Um 1880 verstärkten sich die Aktivitäten der Elfenbein- und Sklavenhändler aus dem angloägyptischen Sudan. Die politischen Ereignisse in ÄquatorialÄgypten, die Expansion seiner Provinzen gen Süden und der Aufstand des Mahdi 1883 bedrohten die Grenzgebiete Bunyoro-Kitaras. Im Nachbarreich Buganda brachen Konflikte zwischen Katholiken und Protestanten aus, die sich mit der Mission Großbritanniens, vertreten durch die Church Missionary Society, und mit der Mission Frankreichs, vertreten durch die ‚Weißen Väter‘, verbündet hatten.42 Die europäischen Mächte übten über diese konfessionellen Bindungen ihren Einfluss in der lokalen Bevölkerung und auf deren Führer aus. Die Führung Bunyoro-Kitaras blieb bei diesen ‚Religionskriegen‘ ein externer Beobachter und gewährte Muslimen aus Buganda Asyl. Dennoch konnte sie sich den Ereignissen nicht entziehen. Einerseits wurde Bunyoro-Kitara zur Pufferzone zwischen den französischen und britischen Interessensgebieten westlich und östlich des Nils, andererseits wurde es immer weiter in die Dynamik der lokalen Kriege verwickelt. Muslime hatten durch ihre Präsenz und ihr Handelsvolumen den größten Einfluss auf Omukama Kabalega. Sie kamen inzwischen auch von der Ostküste, von Sansibar, und versorgten den König mit Informationen, neuen Waffen und Munition.

K OLONIALKRIEG

UND

M YTHOS K ABALEGA

Mit Omukama Kabalega verbinden sich Mythos und Geschichte in moderner und prägnanter Weise. Nach einer langen Phase des Nachfolgekriegs und der inneren Krisen folgte die Herrschaft Kabalegas und seines Militärs, die trotz ihrer teils räuberischen Exekutive stabilisierend auf die innere Sicherheit wirkte. Der florierende Fernhandel verweist darauf, dass es für Händler und Karawanen möglich war, das Land zu bereisen, solange sie sich an der Monopolstellung des Königs in Bezug auf knappe Güter orientierten. Die Herrschaft Omukama Kabalegas fällt mit der Eskalation der weltweiten Handelsinteressen in Territo-

42 Karugire, S. R.: A Political History of Uganda, S. 62 ff.; Ashe, Robert P.: Chronicles of Uganda, New York: Randolph & Co 1895 [zweite Auflage 1971].

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rialkriege um Ressourcen zusammen. Unter dem Druck Äquatorial-Ägyptens und Bugandas, das sich mit britischen Interessen solidarisiert hatte, entschied sich Kabalega für die militärische Verteidigung seines Territoriums. Damit schlug er, so berichtet der Hofchronist John Nyakatura, den Rat seiner Mutter und einiger anderer Ratgeber aus und folgte stattdessen den Forderungen seiner Großmutter und zweier Armeeführer.43 Offensichtlich war der Beraterstaat uneinig, welche Strategie in der damaligen militärischen Lage die bessere war. Bis heute ist nicht klar, ob Omukama Kabalega seine eigenen Möglichkeiten überschätzte oder ob er sich frühzeitig der politischen Konsequenzen bewusst war, die ein Vertrag mit den Fremdmächten brachte. Der Krieg begann 1893 mit einem Beschluss von Colonel Colvile, dem Gouverneur der britischen Protektoratsregierung in Buganda. Ziel seiner Kampagne war zunächst die Zerschlagung von Widerstand und Unruhe im Westen des Protektorats und in der Folge die Ausweitung des Protektorats auf Bunyoro-Kitara. Um dieses Ziel zu erreichen, kam eine – für lokale Verhältnisse – enorme Armee mit 15.000 Personen zum Einsatz. Sie wurde von Schnellfeuer- (Hotchkiss) und Maschinengewehren (Maxim) begleitet. 1894 wiederholte sich die Kriegexpedition, die von dem britischen Offizier Arthur Thruston als „Chasse aux Negre“44 ironisiert wurde, in einem ermüdenden Krieg gegen die Guerillataktik König Kabalegas. Zwischenzeitlich trafen zwei Anfragen Kabalegas für eine friedliche Bewältigung der Krise ein. Sie wurden jedoch von britischer Seite nicht als ernsthafte Angebote verstanden. Ein Jahr später war Bunyoro-Kitara okkupiert und an die britische Interessenszone in Ostafrika angegliedert. Dabei waren die Wasserwege des Nils und seiner Nebenflüsse ebenso bedeutend wie die Sicherung des Landes und seiner Ressourcen für die Wertschöpfung der Kolonie. Innerhalb dieser zwei Kriegsjahre war das Land durch britische Forts befestigt und der König zum Kommandeur einer Partisanenarmee geworden. Zwar schloss er sich 1898 mit Mwanga, dem entthronten kabaka von Buganda, zusammen, aber beide wurden 1899 in Lango, also außerhalb des Territoriums der beiden Königtümer, von einer britisch-sudanesischen Truppe gefangen genommen und deportiert. Der Verlust von Macht und Autorität schrieb sich nicht nur in die politischen Institutionen des Königtums ein, sondern auch in den Körper des Königs selbst. Im Kampf verwundet und durch Blutverlust geschwächt, musste Kabalega am rechten Arm amputiert werden. Im sakralen Königtum konnte es jedoch keine ‚amputierte Macht‘ geben, sondern nur den Tod des Königs. Kabalega bat

43 Nyakatura, J.: Anatomy of an African Kingdom, S. 151. 44 Thruston, Arthur B.: African Incidents. Personal Experience in Egypt and Unyoro, London: Murray 1900, S. 125.

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daher seinen Sohn Jasi um Tötung, an der dieser durch die Intervention der britischen Soldaten gehindert wurde. Aus der Tragik der Ereignisse entwickelte sich im 20. Jahrhundert ein Mythos um Kabalega als König, Held und antikolonialer Widerstandskämpfer. Er wird seither jedes Jahr zusammen mit den Widerstandskämpfern der National Resistance Army am ‚Heroes Day‘ gefeiert. 1999 schuf das retablierte Königtum Bunyoro-Kitara eigens einen ‚Kabalega Day‘, um an den letzten souveränen Herrscher des Reiches zu erinnern. Seither ist Kabalega in den Medien Ugandas zu einer Ikone geworden. Er erscheint in Zeitungen, auf Buchumschlägen, Briefmarken und ist immer wieder ein Thema in den verschiedenen Radio- und Fernsehsendern. Abb. 2: Briefmarke „The Monarchs of the Millenium: King Cwa II Kabalega 1869-1899“

Dem gegenüber schuf der Gegendiskurs, der vor allem in Buganda geführt wurde und weiter geführt wird, das Bild eines politischen Verlierers, der nicht in der Lage war, die Situation richtig einzuschätzen und die lokalen Machtbeziehungen an die globalen Verhältnisse anzupassen. So schrieb ein Journalist der ugandischen Tageszeitung New Vision: „King Kabalega is no hero, he miscalculated. Kabalega’s bravery pulled back Bunyoro one hundred years and caused

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untold misery.“45 Diese Einschätzung ist ihrerseits Teil eines Legitimationsdiskurses, in dem die Kollaboration mit einer Kolonialmacht zur Debatte steht. Im Gegensatz zu Bunyoro-Kitara kooperierte das Reich Buganda mit der Kolonialmacht Großbritannien und profitierte von dieser Kooperation durch den Gewinn der Lost Counties von Bunyoro-Kitara. Darüber hinaus verschuf sich Buganda durch den Export seines Verwaltungssystems in die Königreiche Bunyoro-Kitara, Ankole, Tooro und Busoga eine vorteilhafte Position im Kolonialstaat. Unter der britischen Politik einer ‚indirekten Herrschaft‘ wurden die Königtümer zu ‚kolonialen Erfindungen‘, um mit Terence Ranger zu sprechen46, und bürokratische Apparate dieses Systems. Bunyoro-Kitara schrumpfte um etwa die Hälfte seines Territoriums, seine höheren Verwaltungspositionen waren, trotz eines Aufstandes der Banyoro-chiefs 1907, bis in die 1920er Jahre durch gandisches Personal dominiert, und seine bisherige Ökonomie war ruiniert. Buganda ging als Gewinner aus den neuen Machtverhältnissen hervor. Der Kabalega-Mythos kann daher als ein verzögerter Gegendiskurs zur Dominanz und Legitimation der Macht Bugandas gelesen werden, in welchem sich die unterschiedlichen Themen zur ‚Versklavung‘ Bunyoro-Kitaras anordnen lassen.

Z USAMMENFASSUNG Das Zwischenseengebiet Ostafrikas ist ein klassisches Einwanderungsgebiet, in dem Migrationsprozesse nicht nur neue Strukturen, sondern auch solche der long durée geschaffen haben. Verschiedene ethnische Gruppen, die sozial als Clane organisiert waren, etablierten sich in einem durch die Großen Seen und Gewässer wie den Nil begrenzten ökologischen Raum. Bantu und Luo brachten politische Kulturen und religiöse Praktiken wie die Geisterkulte in das Zwischenseengebiet, die sich zwar in ihren Diskursen und Praktiken unterschieden, aber auch hybridisierten. Der Luo-Clan der Babito konnte sich offensichtlich als Vermittler zwischen den lokalen Bantu-Clanen etablieren und gründete diese mediale Position auf eine Verknüpfung von bäuerlichen mit pastoralen Ritualen. Im Zentrum dieser historischen Prozesse standen der Bito-König und seine Sakralisierung. Trotz diverser wirtschaftlicher Tätigkeiten konkurrierten vor allem bei lang anhaltenden ökologischen Krisen die Clane von Rinderhirten mit denen von Bodenbauern. Rinder boten als mobiles Kapital eine stärkere Machtbasis im Ver-

45 „King Kabalega is no hero, he miscalculated“, in: New Vision, 10. Juni 1999. 46 Ranger, T.: „The Invention of Tradition in Colonial Africa“, in: Hobsbawm, E./ Ranger, T.: The Invention of Tradition, S. 211 ff.

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gleich zum Boden, der bei einer exit option, wie sie die Migration darstellt, nicht mitgenommen werden konnte. Die politische und wirtschaftliche Dominanz der Rinderbesitzer führte zu einer pastoralen Orientierung von politischer Herrschaft und zu ihrer Repräsentation im Königtum. Reichtum materialisierte sich aus Sicht der Herrschenden zuerst in Rindern und erst dann in anderen Dingen wie Land, Artefakten, Sklaven etc. Kitara galt bis zum 19. Jahrhundert als ein an Rindern, Bewohnern und Ressourcen reiches Gebiet. Allerdings kann nicht von einem kontinuierlichen Aufstieg gesprochen werden, da es immer wieder Brüche und Krisen gab. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts konnte König Kabalega eine Konsolidierung Bunyoro-Kitaras durchsetzen. Mit Beginn der kolonialen Expansion und der Eroberung Bunyoro-Kitaras gegen Ende des 19. Jahrhunderts war das cattle kingdom zerschlagen. Damit verkehrte sich der ehemalige Reichtum in eine strukturelle Armut, die von Diskursen über die ‚Versklavung‘ der Banyoro begleitet wurden. Der ‚Kabalega-Mythos‘, der etwa zeitgleich entstand, verstärkte sich im 20. Jahrhundert. Ich bezeichne sowohl den ‚Kitara‘- als auch den ‚Kabalega‘-Diskurs als Mythen, weil sie historische Prozesse und Diskurse in lokale Paradigmen transformieren. Mythen sind daher geeignet, hegemoniale Diskurse zu bestätigen, sie zu kritisieren oder zu untergraben. Sie haben ein Potenzial, sich in neuen Diskursformationen und Praktiken zu materialisieren.

3. Kosmologie und Geisterkulte

Die religiösen Vorstellungen des Zwischenseengebietes zeichnen sich durch eine Kosmologie aus, die eine Vielzahl von Geisterkulten integriert.1 Unter den Geistern lassen sich Ahnengeister (emizimu), Naturkräfte und Fremderscheinungen (embandwa) unterscheiden. Eine weitere Gruppe bilden die Kulturheroen (cwezi)2, die auch als Geister einer vorangegangenen Herrscherdynastie in Erscheinung treten. Ich möchte in diesem Kapitel den Zusammenhang zwischen Kosmologie, Königtum und Geisterkulten herstellen, um später ihr Zusammenwirken bei der Rückkehr des Königtums zeigen zu können. Dabei gehe ich von der These aus, dass es Parallelen und Verknüpfungen zwischen dem Königtum und den Geisterkulten des Zwischenseengebietes gibt. Ich untersuche, worin diese Parallelen liegen und welche Machtwirkungen sie haben. Ferner gehe ich der Frage nach, welchen Einfluss die Kolonisation und Christianisierung auf die religiösen Diskurse und Praktiken in diesem Teil des Zwischenseengebietes hatten. Für den zweiten Teil meiner Arbeit ergeben sich daraus zwei Fragen: In welche diskursive Formationen und Praktiken wurden diese Institutionen transformiert? Wie veränderte sich die Beziehung zwischen Religion und Politik in der afrikanischen Moderne? Um die Konzepte der Geister und ihre Beziehung zum Königtum zu verstehen, stelle ich zunächst die kosmische Ordnung und die drei wichtigsten Kulte vor.

1 2

Hinzu kommen christliche, islamische und hinduistische Einflüsse. Ich benutzte hier die Kleinschreibung, wenn ich von den cwezi als Geistern und nicht als menschlichen Personen (Bacwezi) spreche.

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K OSMISCHE O RDNUNG

UND

G EISTERKULTE

Nach indigenen Vorstellungen teilen Banyoro den Kosmos in drei Räume ein: Himmel (iguru), Erde (ensi) und Unterwelt (okuzimu).3 Im Himmel lebt Ruhanga, der auch Nyamuhanga genannt wird, mit Nkya, seinem Bruder. Ruhanga ist der Schöpfer der Natur und der Erfinder der Kultur. Er sorgt für Regen und für Nachkommen, und er ordnet die Gesellschaft. Sein Name leitet sich nach Meinung der Historikerin Renee Tantala von dem Verb kuhanga, ‚erschaffen, schöpferisch sein‘ ab. Nyamuhanga hat zwei Söhne, Kazooba, die Sonne (das Licht) und Ira, die Dunkelheit. Der Name seines göttlichen Bruders Nkya bedeutet ‚Morgengrauen‘.4 Nkya ist der Vater der Menschen. Als solcher personifiziert er das Prinzip der Menschheit, die mit dem Morgengrauen zur Welt kam. Die Erde wird von Nkyas Kindern, den Menschen, und von Kantu, dem Bösen, bewohnt. In der Unterwelt leben die Totengeister (emizimu) und der Gott der Toten (Nyamiyonga). Die Unterwelt erreichen die Menschen gewöhnlich nach ihrem Tod durch Löcher im Boden, durch Gräber, Höhlen, Wasserlöcher, Brunnen und tiefe Gewässer. Geister sind anders als die entfernten, aus der Welt zurückgezogenen Götter nahbar und durch menschliche Handlungen zu beeinflussen. Emizimu5 sind nach lokalen Vorstellungen die Geister von Toten. Zu Lebzeiten besitzen die Menschen einen Leib (omubiri) und eine darin enthaltene Lebenskraft (omwoyo). Diese Kraft wird auch als ‚Atem‘ oder im christlichen Diskurs ‚Seele‘ des Menschen verstanden. Nach dem Tod verfällt der Leichnam (omutumbi), der zu Lebzeiten die Lebenskraft oder Seele des Menschen beherbergt hat. Omwoyo nimmt eine schattenartige Form an und wird zum Geist (omuzimu). Nach dieser Transsubstantiation wandert der Geist in die Unterwelt (okuzimu)6, wo er ein Dasein führt, das dem Leben auf der Erde gleicht. Der ugandische Religionswissenschaftler A. B. T. Byaruhanga-Akiiki zitiert eine Frau aus Bunyoro, die ihm folgende Vorstellung von der Unterwelt vermittelte: „There are plants, animals, hills, rivers, lakes and so on. And the activities there are similar to those we have on earth. After rain, on a hot afternoon, steam seems to come from the

3

Tantala, R. L.: The Early History of Kitara in Western Uganda, S. 263-645.

4

Ebenda, S. 536.

5

Vgl. Schoenbrun, D. L.: A Green Place, A Good Place, S. 197-198.

6

Das Konzept der Unterwelt (okuzimu) ist nicht mit dem christlichen Konzept der Hölle (gehena) vergleichbar, da ihr die negative Wertigkeit und die Dichotomie zum Paradies fehlt. Okuzimu ist als Reich der Toten eine jenseitige Lebenswelt.

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ground, and the traditional answer has been that people in the underworld are cooking, that is why one sees smoke. […] When one goes to kuzimu, one cannot come back like a normal human being to tell others [how it is; R. v. W.]; this, one can do only in dreams and visions.“7

Das Jenseits unterscheidet sich vom Diesseits in seiner Unzugänglichkeit für die Lebenden. Darüber hinaus ist es ein Abbild der Erde und des irdischen Lebens. Die semantische Beziehung zwischen diesen beiden Welten kann nur durch Kommunikation erhalten werden. Ein Ahnengeist macht sich in Visionen, Träumen oder auch in Krankheiten bemerkbar, vor allem dann, wenn seine Nachkommen die Ahnenrituale vernachlässigen. Er kann dann als Wandergeist (ebijaijana)8 durch die Wildnis ziehen und sein Unwesen treiben. Eine Form der Artikulation des Geistes und seiner esoterischen Willenskraft besteht darin, Menschen krank werden zu lassen oder zu töten. Solche Wandergeister können schattenartig, unförmig, objektförmig oder in Tiergestalt unterwegs sein. Nachts sind sie an den Lichtern ihrer Fackeln zu erkennen, mit denen sie die Berge, Hügel und Höhlen erleuchten, während sie herumirren.9 Ein Heiler erklärte mir, wie er Kranke, die von feindlichen Geistern befallen werden, behandelt: „Emizimu are very hostile. They are not friendly, nobody wants to stay with them. When a sick person has captured an omuzimu, at first, the omuzimu has to be transferred from the sick to a healthy person, which means capturing the omuzimu. He can then be asked why he possessed the sick and what he wants, what kind of sacrifice he demands. The healthy person, now possessed by the spirit, will eat the sacrifice, then the spirit moves out of the door with the possessed for a short distance. The spirit will then disappear in the wilderness. He will move with the wind and he might attack another person.“10

Die hier beschriebene Behandlung, den Geist zu fangen und im Busch freizusetzen, ist nur eine mögliche Form der Behandlung von Krankheit. Andere Heiler und andere Krankheiten verwandten anderen Methoden. Von ebijaijani wird ge-

7

Byaruhanga, Akiiki A. B. T.: Religion in Bunyoro, Nairobi: Kenya Literature Bureau 1982, S. 34. Siehe auch Davis, Margrete B.: A Lunyoro–Lunyankole–English and English–Lunyoro–Lunyankole dictionary, Kampala/London: Uganda Book Shop/ Macmillan 1938.

8

Byaruhanga, A. A. B. T.: Religion in Bunyoro, S. 27.

9

Ebenda.

10 Gespräch mit omufumu Ephraim Isuzu in Kyentale 19. März 2000.

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sprochen, wenn es sich um die bedauernswerten und gefährlichen Geister von Toten handelt, denen ein Unrecht getan wurde, beispielsweise dadurch, dass sie nicht auf dem Land der Ahnen begraben wurden. Dies war vor allem während des Krieges gegen Bunyoro-Kitara 1891-1899 und während der beiden Weltkriege der Fall. Aber auch danach gab es immer wieder Gründe, warum die Ahnen nicht zur Ruhe kamen. Emizimu sind Geister, mit denen im alltäglichen Leben zu rechnen ist und für die materielle Vorkehrungen zu treffen sind. In diesem Sinne ist die soziale Ordnung ein fragiles System, in dem spirituelle Aspekte zu bedenken sind. Der Schutz der Clane und die Sicherheit ihrer Clan- und Begräbnisstätten gehörten in vorkolonialer Zeit zu den Aufgaben des Königs. Im Laufe des 19. Jahrhunderts zerstreuten sich viele Clane und verloren ihren Landbesitz. Mit der Rückkehr des Königtums, 1994, wurden zur Reorganisation der Clane eigens ein Ministerium in der Regierung des Königs eingerichtet und alte Gebietsansprüche sowie Begräbnisstätten erneuert. Der Begriff ‚embandwa‘ ist im Zwischenseengebiet ebenfalls weit verbreitet. Er personifiziert Naturkräfte, Krankheiten und ungewöhnliche Erscheinungen als Geistwesen und Fremdgeister. Embandwa stehen mit Heilungspraktiken in Verbindung, die als kubandwa bezeichnet werden.11 Dabei treten Geister durch ihre Medien in Erscheinung. Sie werden durch rhythmische Musik, Lieder und Gebete, durch Tabak und andere Düfte zu Seancen gerufen. Bei dieser Art des Heilens unterstützen die Geister die Diagnose und therapeutischen Maßnahmen des Heilers, indem sie den Kranken zunächst überwältigen, sich durch ihr so geschaffenes Medium artikulieren und nach gelungener Therapie eine dauerhafte Beziehung mit ihm eingehen.12 Krankheit kann daher als eine Kommunikation zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Mächten beschrieben werden, die sich physisch und psychisch Ausdruck verschaffen. Im Geisterdiskurs der Banyoro können embandwa den menschlichen, den terrestrischen und materielle Körper ergreifen. Sie können diese Körper manipulieren, töten, beben, ausbrechen, bersten oder sprechen lassen. Embandwa hausen in der Natur, in Flüssen, Bäumen, Felsen und Höhlen und können durch Kraftentladungen wie Donner und Blitz erfahrbar werden. Geister können grundsätzlich in jeglicher Flora und Fauna leben, sodass bestimmte Gräser, Insekten und Säugetiere historisch betrachtet einen besonderen Stellenwert als Schutz- und Meidungsobjekte

11 Nyakatura, J.: Aspects of Bunyoro Customs and Tradition, S. 54. 12 Behrend, Heike: „Geister als Repräsentationen von Vergangenem“, in: Deutsch, Jan G./Wirz, Albert: Geschichte in Afrika. Einführung in Probleme und Debatten, Berlin: Das Arabische Buch 1997, S. 283-297, hier: S. 289.

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(emiziro) erhielten.13 In diesen Beziehungen wurde das Verhältnis Mensch zu Objekt oder Tier als reziprok und verwandtschaftlich betrachtet, da ein ständiger Austausch zwischen ihnen stattfand. In historischen und ethnografischen Quellen werden embandwa als personifizierte Schutzgeister von Clanen und Familien beschrieben.14 Möglicherweise gingen sie aus lokalen oder territorialen Geistern hervor und wurden erst später zu Geistern eines regionalen Kultes.15 Jede Familie und jeder Clan hatte ein menschliches Medium, das mit dem jeweiligen Geist durch Kubandwa-Praktiken in Verbindungen treten konnte. Häufig wurden Frauen und Kinder als Geistmedien initiiert, die von einer Krankheit geheilt worden waren oder vom Clan oder der Familie gewählt wurden. Gerade Frauen, so argumentiert die Kulturhistorikerin Iris Berger, ermöglichte die Institution des Geistmedientums, aus geschlechtlichen Restriktionen auszubrechen und Einfluss in der eigenen Verwandtschaftsgruppe und darüber hinaus zu gewinnen.16 Die Geistmedien hatten vor allem die Aufgabe, Krankheiten und Unfruchtbarkeit zu heilen beziehungsweise deren Ursache ausfindig zu machen. Ihre heilenden Fähigkeiten beruhten auf ihrer Beziehung zu den jeweiligen Geistern. In Konfrontation mit europäischen Reisenden, Kolonialmächten, Missionaren und europäischer Technik kamen zu den Vorstellungen von bekannten Schutzgeistern unbekannte Fremdgeister hinzu. Beide galten als embandwa, die mit übernatürlichen Mächten und Kräften arbeiteten. Zu den bekanntesten embandwa der Kolonialzeit und der beiden Weltkriege gehörte Enjungu, der Geist der Europäer, Empolandi, der

13 Karubanga, H. K.: Bukya Nibwira, Kampala: History Department, Makerere University College 1969, S. 23. 14 John Beattie hat zahlreiche Artikel zum Geistbesessenheitskult geschrieben, in denen er allerdings den Unterschied zwischen Embandwa-Geistern und Cwezi-Geistern nicht klar herausarbeitet, sondern die cwezi lediglich als „the traditional objects“ des Mbandwa-Kultes bezeichnet, deren Medien in den 1950er Jahren ebenfalls ‚mbandwa‘ genannt wurden. Vgl. Beattie, John: „Initiation into the Cwezi Spirit Possession Cult in Bunyoro“, in: African Studies 16 (1957) 3, S. 150-161. Ein Vierteljahrhundert früher bezeichnete John Roscoe in The Bakitara (Roscoe, J.: The Bakitara or Banyoro, S. 21-28) und Ruth Fisher in Twilight Tales (S. 69-99) die cwezi als Götter und mbandwa als deren Medien. Interessant daran ist, dass Mbandwa-Geister vor der Ausbreitung des Cwezi-Kultes und dann erst wieder mit dem Auftauchen europäischer Fremdgeister in Kulten adressiert wurden. In der Zwischenzeit beherrschten offensichtlich Cwezi-Geister und ihre Medien das religiöse Feld. 15 Schoenbrun, D. L.: A Green Place, A Good Place, S. 202. 16 Berger, I.: „Fertility as Power“, S. 68.

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Geist von polnischen Flüchtlingen, die 1943 von den Briten nach Bunyoro gebracht wurden, Krankheiten wie die Cholera, Pocken und Syphilis sowie Technik wie das Maschinengewehr, der Panzer und das Flugzeug. Nyakatura und Beattie berichteten, dass die Fremdgeister unter kolonialer Herrschaft an Zahl und Bedeutung ständig zunahmen.17 Der Begriff embandwa umfasst somit ein Spektrum an agency18 von spirituellen Kräften, die von Schutz bis Angriff reichen. Er beschreibt das Fassbare, das Vertrauen weckt und Leben schafft. Er beschreibt aber auch das Unfassbare, das Misstrauen weckt und dem die Menschen respektive die Kolonisierten schutzlos ausgeliefert sind. In der Terminologie der Anthropologin Mary Douglas umreißt er die Kategorien von Reinheit und Gefährdung.19 Unter kolonialer Fremdherrschaft verschob sich seine Bedeutung immer stärker in Richtung repressiver Mächte und Gefahr. Zur Zeit meiner Forschung 1999-2000 waren die europäischen Geister weniger bedeutsam. Sie wurden auch nicht von allen Heilern, die als Geistmedien arbeiteten, in alte und neue embandwa unterschieden. Ein Heiler erklärte mir: „There are different types of embandwa. Some are Bacwezi, others not, like Rubanga, the embandwa of the twin ceremonies. There are no new and no old embandwa, because all of them were created at the same time, when Ruhanga created human beings and the world and the embandwa. But they reveal themselves only at times and some might not be known or might be forgotten. Each nation has its own embandwa, like the embandwa Polandi, which belonged to the Poles and which came with the Polish refugees to Bunyoro, to Nyabigoma (Nyabeya). Embandwa speak the language of that culture, where they come from. The Baganda have their embandwa, who speak Luganda. Embandwa Kifaru has its origin in Buganda, be-

17 Nyakatura, J.: Aspects of Bunyoro Customs and Tradition, S. 55-56; Beattie, John: „Group Aspects of the Nyoro Spirit Mediumship Cult“, in: Rhodes Livingstone Journal 30 (1961), S. 11-38, hier: S. 28-30. 18 Ich greife hier auf das Konzept von sozialer agency zurück, das Alfred Gell in Art and Agency (1998) entwickelt hat: „The idea of agency is a culturally prescribed framework for thinking about causation, when what happens is (in some vague sense) supposed to be intended in advance by some person-agent or thing-agent.“ Entscheidend bei dieser Handlungstheorie ist die Intention, die von den betroffenen Personen in die Handlung der Person, des Dings, des Geistes etc. gelegt wird. Vgl. Gell, Alfred: Art and Agency. Anthropological Theory, Oxford/New York: Oxford University Press 1998, S. 12-27. 19 Douglas, Mary: Reinheit und Gefährdung, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1988.

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cause the Second World War came from there and Kifaru speaks Luganda. All embandwa are equally powerful. If Rubanga punishes me, I can fall into coma until I have been cured. Kifaru also can make me suffer, it can cane me. The symptoms of the various embandwa are different, each one has its own method of punishing and curing people. None should be underestimated. If you want help from an embandwa, you must appease it. It helps more, the more you appease and please it.“20

Trotz mancher Unterscheidungsmerkmale lassen sich die Embandwa-, Cweziund Emizimu-Kulte nicht klar voneinander trennen, sondern überschneiden sich in einigen Aspekten. Dies trifft besonders auf die Kulturheroen (Bacwezi) zu. Laut höfischer Mythologie verschwanden sie auf mysteriöse Weise aus dem Reich Kitara, nachdem das Volk begann, gegen ihre Herrschaft zu rebellieren. Der Grund ihres Herrschaftsverlustes lag in einer schwindenden übernatürlichen Kraft. Auf das Kraftkonzept werde ich weiter unten zurückkommen. Cwezi sind hybride Geister, die die Merkmale von embandwa und emizimu in sich vereinen. Ihnen werden übernatürliche Kräfte zugeschrieben. Im Herrschaftsdiskurs der Babito-Könige gelten sie als die Ahnengeister von vorangegangenen Königen und deren Clanmitgliedern. Ihre Hybridisierung lässt sich nur im Kontext der Geschichte des Königtums verstehen. Vermutlich fand bereits vor Beginn der Babito-Herrschaft eine religiöse Transformation statt, die einige Historiker langen und harten Dürreperioden zuschreiben.21 Die Historikerin Renee Tantala vertrat die Meinung, dass Cwezi-Geistmedien einen innovativen Kult forcierten und mit bereits etablierten Embandwa-Geistmedien um religiösen und politischen Einfluss zu konkurrieren begannen. Tantala vermutete weiter, dass sich diese Situation unter der zunehmenden Herrschaft des Babito-Clans verschärfte, als dieser begann, seine Macht religiös zu legitimieren.22 Ich schließe mich Tantalas Interpretation an, weil Cwezi-Geistmedien die Machtansprüche der lokalen Clane vertraten und es naheliegend ist, dass sie in der Herrschaft des Babito-Clans nicht nur Konkurrenz und Repression, sondern auch Schutz und Machtgewinn erkannten. Aus dieser religiös-politischen Allianz konnte so eine Kontinuität von Bacwezi- und Babito-Königen konstruiert werden. Vermutlich lässt sich die Transformation der cwezi zu einer Dynastie von Menschen mit übernatürlichen Kräften auf die Erzählungen der Geistmedien zurückführen. Schließlich war es ihre Aufgabe, kosmologische Zusammenhänge zu interpretieren und die diesseitige Ordnung zu erklären. Die Vorsilbe Mu-/Ba-

20 Gespräch mit omufumu Ephraim Isuzu in Kyentale, 19. März 2000. 21 Webster, J. B.: Chronology, Migration and Drought in Interlacustrine Africa. 22 Tantala, R. L.: The Early History of Kitara in Western Uganda, 1989.

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(Sg./Pl.) kennzeichnete diese Transformation der cwezi von Geistern zu Menschen. In den Ursprungs- und Herrschaftsmythen der Babito wird die neue Dynastie aus der Nachkommenschaft eines Mucwezi und einer Frau des BakwongaClans gebildet. Die heroischen Bacwezi verkörperten nun die Vorfahren der Babito-Könige, aber auch die Verbündeten der Bakwonga sowie einiger anderer mächtiger Clane in Bunyoro-Kitara. Bacwezi kehrten, so Behrend, als Ahnen zurück und rückten ins Zentrum der Besessenheitskulte (embandwa).23 Ihre Medien beeinflussten den Ablauf politischer Entscheidungen im Königtum und bildeten die religiöse und rituelle Elite. Auch andere Embandwa-Medien besaßen Einfluss am Hof und praktizierten kubandwa zur Heilung von Krankheiten ebenso wie zur Erneuerung der Fruchtbarkeit des Landes, des Königs und der Bevölkerung. Mit Beginn der kolonialen Herrschaft erhielt die Geisterthematik eine neue Dimension. ‚Weiße‘ wurden nun von ‚schwarzen‘ Geistern unterschieden, berichtet John Beattie.24 Der farblichen Zuordnung weiß/schwarz entsprach das Gegensatzpaar eigene/fremde Geister. Cwezi wurden mit Gesundheit, Erfolg, Prosperität, Reinheit und den Ahnen assoziiert, symbolisiert in der Farbe Weiß. Neue embandwa waren nicht mehr autochthone, sondern fremde Mächte, sie verkörperten neue Krankheiten, neue Gefahren und dunkle Mächte, symbolisiert in der Farbe Schwarz.25 Sehr schnell kamen alle Aktivitäten, die mit dem Embandwa-Kult in Zusammenhang standen, im kolonialen Staat unter Hexereiverdacht. Sie wurden per Gesetz verboten. Cwezi wurden zum Gegenstand eines Herrschaftsdiskurses, der seit dem 19. Jahrhundert von Afrikanern und Europäern gemeinsam geführt wurde.26 Die

23 Behrend, H.: Resurrecting Cannibals, S. 56. 24 Beattie, John: „Spirit Mediumship in Bunyoro“, in: Beattie, John/Middleton, John (Hg.): Spirit Mediumship and Society in Africa, London: Routledge & Kegan 1969, S. 159-170. 25 Vgl. Douglas, M.: Reinheit und Gefährdung. 26 Sehr früh schon war von Europäern die Frage aufgeworfen worden, wer die ‚Cwezi‘ waren, von denen die Babito als dritte Dynastie von Bunyoro-Kitara ihre Legitimation zur Herrschaft ableiteten. Der Entdeckungsreisende John Speke, hielt die ‚Wabandwa‘ in der Residenz König Kamurasis 1862 für Zauberinnen. Emin Pasha, Gouverneur der Provinz Äquatorial-Ägypten, sprach 1886 von ‚Wichezi‘ und ‚Zigeunerinnen‘, die am Hof König Kabalegas lebten. Er meinte in ihnen die Reste einer autochtonen Bevölkerung der Region zu erkennen. Der britische Gouverneur H. H. Johnston hielt die Cwezi für ‚Hamiten‘ aus dem Nordosten Afrikas, die das Zwischenseengebiet erobert und das Königtum als Institution einführten. Unter kolonialer Herrschaft schloss sich

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Historikerin Iris Berger betont, dass die diskursive Zuordnung der cwezi zum Bereich des Weißen vor allem das Bedürfnis nach Legitimität von Macht im kolonialen Kontext ausdrückte.27 In diesem Diskurs kennzeichnete ‚weiß‘ die Rechtmäßigkeit von Macht und Ordnung, ‚schwarz‘ verwies auf illegitime Macht und Unordnung. Um ihre verbleibende Macht im kolonialen System zu legitimieren, konstruierten der König von Bunyoro-Kitara und seine Klientel eine Genealogie, die cwezi mit Babito genealogisch verband.28 Iris Berger und David Henige haben diese Genealogien als Konstrukte oder Erfindungen bezeichnet. In populären und wissenschaftlichen Diskursen gingen die Bacwezi als die Prä-Bito-Dynastie von Bunyoro-Kitara ein. Von den christlichen Kirchen wurden die Geisterkulte satanisiert, während der Ahnenkult (emizimu) als eine Form des Seelenkultes in die christliche Praxis integriert werden konnte.

D IE M ACHT

DER

G EISTMEDIEN

Männliche Mitglieder des königlichen Babito-Clans durften als Machthaber nicht selbst kubandwa praktizieren. Sie waren Auftraggeber von Seancen und somit auf Medien angewiesen. Diese nannten sich ‚kibandwa‘, (Sg.) oder ‚embandwa‘, (Pl.), auch wenn sie Cwezi-Geistbesessenheit praktizierten. Die Vorsilbe ‚ki-‚ weist darauf hin, dass es sich um Personen handelte, die Objektstatus besaßen und somit als Medien von Geistern handelten. Der König versuchte die verschiedenen Geistmedien an seinen Hof zu binden, um rituell kommunizieren und seine Macht durch Reinigungs-, Fruchtbarkeits- und Regenriten ausüben zu können. Anscheinend praktizierten auch weibliche Mitglieder des Babito-Clans kubandwa. Renee Tantala gibt darauf einen Hinweis.29 In Roscoes und Nyakaturas Skizzen der königlichen Anlage (kikaali) findet sich ein Haus mbandwa und ein Haus itambiro.30 Im ersten Fall handelte es sich um das Wohnhaus der Geistmedien, im zweiten um einen Embandwa-Schrein. Sie

schließlich auch der Munyoro-Historiograf Nyakatura der Ansicht an, die Cwezi seien aus der Fremde gekommen, aus Abessinien, Portugal oder eben aus Europa. 27 Berger, I.: „Deities, Dynasties and Oral Tradition“, S. 78. 28 Henige, D.: „‚The Disease of Writing‘“. 29 Tantala, R. L.: The Early History of Kitara in Western Uganda, S. 177. 30 Roscoe, J.: The Bakitara or Banyoro, S. 80; Nyakatura, J. W.: Anatomy of an African Kingdom, S. 122 ff.

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weisen daraufhin, dass eine Inkorporation von Geistmedien in das Königtum und in den Palast des Königs gelungen war.31 Geistmedien waren auf verschiedenen sozialen und politischen Ebenen aktiv. Je größer ihr Wirkungsfeld, desto größer war auch ihr Einfluss in der Gesellschaft bis hin zur Präsenz am Hof des Königs. Im 19. Jahrhundert sollen einige andere Militärführer, Hofbeamte und Wahrsager Omukama Kabalegas embandwa gewesen sein: so der Militärführer Ireeta Byangombe, der Hof- und Hexenmeister Bamuroga und der Wahrsager Kasoira.32 Sowohl Frauen als auch Männer konnten Geistmedien oder Priester werden. Tantala macht jedoch deutlich, dass Männer leichter die notwendigen Mittel für die höchsten Stufen der Initiation aufbringen konnten als Frauen. Dies mag ein Effekt der veränderten Situation im 19. Jahrhundert gewesen sein, als neue Märkte erschlossen wurden, zu denen Frauen keinen Zugang hatten. Sicher ist, dass viele Medien weiblichen Geschlechts waren, aber nur wenige Frauen zu Führerinnen ritueller Zentren aufstiegen. Das weibliche Medium Nyakahuma zum Beispiel, das aus dem Clan der Basazima (Schlangen) kam33, galt als ‚spirit wife‘ des ersten Mucwezi-Königs Ndahura. Der Schrein seines Geistes wurde aufgesucht, um für Fruchtbarkeit, Reichtum und später auch gegen die Gefahr der Pocken zu beten. Es handelte sich um einen Urwaldriesen, der sich auf dem Hügel von Kisozi befand. Später wurde darauf das Hauptquartier der Distriktregierung von Mubende gebaut. Am ‚Witch-Tree‘, wie der Baum im kolonialen Diskurs genannt wurde, vollzog das Geistmedium ein Krönungsritual für die Babito-Könige. Dieses Ritual wurde auch 1994 bei der Krönung des neuen Königs von Bunyoro-Kitara durchgeführt. Das Geistmedium Ndahuras übte und seine Nachfolgerin übt bis heute weit über Bunyoro-Kitara hinaus religiösen Einfluss aus. Bis zum 19. Jahrhundert herrschte Nyakahuma uneingeschränkt. Aufgrund kolonialstaatlicher Repressionen floh das Medium 1902 in das Königreich Tooro und starb dort. Auf dem Hügel in Mubende errichtete die Kolonialverwaltung dann 1907 ihr eigenes Heilzentrum, ein ‚Sanatorium‘, das in unmittelbarer Nähe zum ‚Hexenbaum‘ lag.34

31 Tantala, R. L.: The Early History of Kitara in Western Uganda, S. 173; Nyakatura, J.: Aspects of Bunyoro Customs and Tradition, S. 55, Fußnote 4. 32 Tantala, R. L.: The Early History of Kitara in Western Uganda, S. 173; ‚Kasoira‘ wird im 20. Jahrhundert ‚Kasohera‘ ausgesprochen und geschrieben. 33 Lanning, E. C.: „Excavations at Mubende Hill“, in: Uganda Journal 30 (1966) 2, S. 153-163, hier: S. 163, Fußnote 18. 34 Ebenda, S. 155. Das Königtum war von mehreren Hügeln markiert, auf denen sich die Schreine von Cwezi- und Embandwa-Geistern befanden. Auf dem Hügel von Bwera

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Da die Tätigkeit und Fähigkeit eines Mediums einem bestimmten Ritus folgte, war seine Macht weniger davon abhängig, ‚wie‘ als ‚mit welchen‘ Geistern es in Verbindung stand. Nur zwei der neunzehn cwezi galten als die Geister von Königen (Ndahura und Wamara). Ihre Schreine gehörten zu den rituellen Zentren der Babito-Könige.35 Die übrigen cwezi wurden mit mächtigen Clanen assoziiert. Diese konstruierten eine besondere Beziehung zu ihrem Cwezi-Geist. In Mythen wurden die Clan-Geist-Beziehung und das Verhältnis der Clane untereinander festgehalten.36 Dabei entstanden Machtdiskurse, in denen die Beziehungen der Geister auf die der Clane übertragen wurden. Wie die Meidungs- und Schutzobjekte wurden die cwezi als Verwandte und als ‚Brüder‘ betrachtet. Durch ihren cwezi besaßen prominente Clane rituellen Schutz und weitreichende Autonomie gegenüber dem König.37 Gleichzeitig waren die prominenten Clane mächtige Verbündete des Babito-Königs.

M AHANO –

SAKRALE

M ACHT

Der König konnte mahano, eine Form von sakraler und kreativer Kraft durch Rituale an seine Untergebenen weiterleiten und ihnen dadurch einen Teil seiner Macht geben. Der Begriff ihano bezeichnet den Schrecken, das Erstaunen und das Wunderbare und beschrieb im vorkolonialen Königtum von Bunyoro-Kitara neben politisch-religiöser Macht zugleich einen körperlich gefährlichen Zu-

lag der Schrein des Cwezi Königs Wamara, auf dem Hügel von Musaija Mukuru der von Rubanga. Einige embandwa, wie der Geist der Zwillinge, Rubanga, transformierten sich im Laufe der Zeit zu Cwezi-Geistern. Die Geistmedien dieser Schreine zählten zu den Mächtigsten von Bunyoro-Kitara. Sie repräsentierten die Clane der Bamoli (Buschantilope) und der Babopi (Tausendfüßler), die die Hügel kontrollierten. Neben rituellen Zwecken wurden die Hügel vor allem militärisch genutzt, einerseits als Asyl, andererseits als Verteidigungszentrum. 35 Es ist möglich, dass ‚Ndahura‘ und ‚Wamara‘ alternierende Titel für Könige waren, da die Alternation bis heute ein wiederkehrendes Moment in der Nomenklatur von Clanführern ist. 36 Die Clane der Bayaga, Basingo und Basita berufen sich bis heute auf solche Mythen, um ihre dominante Position in Kitara zu unterstreichen. 37 Vgl. Babiiha, J. K.: „The Bayaga Clan of Western Uganda“, in: Uganda Journal 22 (1958) 1, S. 123-130.

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stand.38 Mahano war eine Vervielfachung dieses Phänomens. Zu den Zuständen, die mahano waren, zählten Zwillingsgeburten, komplizierte Geburten oder ungewöhnliche Wachstumserscheinungen. Das Konzept drückt Vorstellungen von der Kraft kreativer Prozesse, der Heilung, der Schlichtung von Disputen, der Generierung und Ausbalancierung von Reichtümern in der Gesellschaft aus. Mahano war eine Besonderheit von Experten und Führern. Sie trugen daher ein besonderes Würdenzeichen, meist eine Kopfbedeckung. Der Soziolinguist und Historiker David Schoenbrun bezeichnete mahano als eine kreative und moralische Kraft, die die Balance zwischen sozialer Verantwortung und politischer Macht herstellte: „The ideology of mahàno argued that only legitimate kings, chiefs, and healers might safely come in contact with mahàno and direct or deflect its power for the good of all. Ordinary persons were to try to stay clear of it.“39

Zu den produktiven Prozessen von mahano gehörten Körpertechniken wie der Geschlechtsverkehr, das Essen, rituelle Handlungen oder das Schmelzen und Schmieden von Metallen. Nur legitimierte Personen wie Könige, chiefs, Heiler, Geistmedien und Handwerker konnten mahano gewinnen und es zum Wohle aller lenken.40 Die aktivierte Kraft hatte dann eine produktive Wirkung, sie konnte aber auch destruktiv sein.41 Beattie beschrieb mahano in den 1960er Jahren als einen Zustand, der auf verschiedene Weise erzeugt werden kann: 1. durch Dinge, die nicht getan werden dürfen und als unsoziales Verhalten gelten; 2. in Übergangsstadien, vor allem bei Tod und Geburt; 3. durch Übertragung politischer Autorität; 4. durch Dinge, die anormal und alarmierend sind und außerhalb der gewöhnlichen Ord-

38 Beattie, John: „On the Nyoro Concept of Mahano“, in: African Studies 19 (1960) 3, S. 145-150, hier: S. 145. 39 Schoenbrun, D. L.: A Green Place, A Good Place, S. 113. 40 Ebenda, S. 113, 116, 161. 41 In Westuganda, schreibt Heike Behrend, wird in Bezug auf die Kraftvorstellungen von einer Art „pneumatischem Medium“ gesprochen, „das zirkuliert und das von Dingen, Tieren, Menschen und Worten Besitz ergreifen und sie dann ermächtigen kann.“ Macht, Kraft und Elektrizität werden dabei in ein semantisches Feld gefasst. Ein von der Kraft besessenes Wesen oder Ding ist mit Energie aufgeladen und handlungsmächtig. Der Prozess wird lokal häufig mit Elektrifizierung verglichen. Behrend bezieht sich dabei auf Beobachtungen in den 1990er Jahren. (Behrend, H.: „Geisterstimmen in Afrika“, S. 86.)

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nung stehen. Was die jeweiligen Dinge zu seiner Zeit unterschied, war lediglich die Intensität der kraftvollen Substanz. Eine Form von mahano war der sexuelle Verkehr mit Personen, die gemieden werden sollten. Die extremste Form war der Inzest. Aber auch die Formen des Inzests unterschieden sich in ihrem Grad an Gefahr. Beattie schreibt, dass Vater-Tochter- und Mutter-Sohn-Inzeste als weit gefährlicher betrachtet wurden als Bruder-Schwester-Inzeste.42 Er erfuhr von seinen Informanten, dass Personen, die einer inzestuösen Verbindung entstammten, als verdorben galten, als unberechenbar, unvernünftig und verrückt. Sie konnten in ein Feuer treten oder im Busch herumwandern und Dinge tun, die nicht als normal betrachtet wurden und mit großen Gefahren verbunden waren. Schlimmer noch, sie konnten Unglück über ihre ganze Familie bringen.43 Der Vorwurf des Inzests war daher schwerwiegend. Ich komme auf diesen Vorwurf in Kapitel 6 über den Prozess der Legitimation eines neuen Königs für Bunyoro-Kitara im Jahr 1994 zurück. Auch das Erscheinen der ersten Milchzähne im Ober- statt im Unterkiefer erzeugte mahano. Dieser Punkt ist besonders interessant, wie wir später sehen werden, weil der Unterkiefer des Königs bis zum 19. Jahrhundert vom Leichnam getrennt und separat bestattet wurde. Der Kiefer scheint als Sitz der spirituellen Kraft betrachtet worden zu sein. Wenn also die Zähne eines Kindes an falscher Stelle zuerst wuchsen, signalisierte dieser Vorgang eine Störung der natürlichen Ordnung. Für Beattie war ‚Kraft‘ oder ‚Macht‘ in der Kinyoro-Kosmologie letztlich gleichbedeutend mit ‚spirit‘. Er schrieb 1969: „Their [Banyoro] universe has a spiritual as well as a material aspect; it is a world of forces which although their effects are manifest are not themselves tangible. Force is in the last resort spirit, and in terms of the mbandwa cult, men, themselves spirits, can enter into, and sometimes participate effectively in the unseen world of extra-human powers.“44

Die Ambivalenz von mahano liegt darin, dass sie die betroffenen Personen stark macht, sofern sie kontrolliert werden kann. Ist dies nicht der Fall, so muss die dahinter wirkende Kraft durch Rituale gebannt werden. Sie wirkt folglich wie ein Geist. Die Initiation eines Novizen in einen Geisterkult war eine gefährliche Situation, ebenso wie die Initiation des Königs in sein sakrales Amt. Bei beiden wurde die Gefahr durch rituellen Inzest aufgehoben. Wenn der König Macht an seine Untergebenen transferierte, geschah dies durch bestimmte Körpertechniken

42 Beattie, J.: On the Nyoro Concept of Mahano, S. 145. 43 Ebenda, S. 147. 44 Beattie, J.: „Spirit Mediumship in Bunyoro“, S. 170.

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und (Körper-)Flüssigkeiten. Ein neu ernannter chief erhielt vom König einen Schluck Milch und bestätigte seine Treue durch einen Kuss auf dessen Handballen.45 Durch sein Sperma und die Chance der Fruchtbarkeit ermöglichte der König seinen Frauen (abago), an seiner Macht teilzuhaben. Da er die Grenzen der sozialen Ordnung mehrfach und ungeheuerlich überschritt, war seine Kraft und Macht von außergewöhnlicher, sakraler Dimension. Die bedeutendste Grenzüberschreitung war wohl der rituelle Inzest, den er mit seiner Halbschwester als Teil der Krönungs- oder Initiationsrituale beging.46

D IE

KÖNIGLICHE

T RIADE

Neben der Idee von mahano gab es eine weitere Parallele zwischen König- und Geistmedientum. Der König übte mit seiner Halbschwester eine ähnliche Funktion im Königtum aus wie der ‚Kopf‘ (nyineka) einer gewöhnlichen BanyoroFamilie. Dieser regierte die Familie zusammen mit seiner (klassifikatorischen oder Halb-)Schwester (batebe). Als ‚batebe‘ wird eine weibliche Person auf dem Stuhl einer Autorität (kitebe) betitelt. Meine Vermutung besteht darin, dass sie gleichzusetzen ist mit einem Geistmedium der Familie, einem embandwa. Daraus lässt sich schließen, dass auch die batebe des Königs, seine Halbschwester, möglicherweise die Funktion eines Geistmediums hatte. Für diese These spricht die Tatsache, dass das Haus der batebe im Palast oder Kral des Königs den Namen ‚Mucwa‘ trug. Dieser Name bezeichnet einen der wichtigsten Jogi-Geister der Luo, zu denen die Babito verwandtschaftliche Beziehungen pflegten.47 Aus meiner Sicht ergibt die herausragende Stellung der Schwester des Königs, die John Roscoe als „Queen“ bezeichnete48, keinen Sinn, wenn sie nicht im rituellen Kontext und hier im Kontext der Geisterkulte gesehen wird. Mit der Etablierung der Babito-Dynastie scheint die batebe ebenso wie die übrigen Frauen des

45 Roscoe, J.: The Bakitara or Banyoro, S. 110; Beattie, John: „Rituals of Nyoro Kingship“, in: Africa 29 (1959), S. 134-145, hier: S. 142. 46 Beattie, J.: „Rituals of Nyoro Kingship“, S. 144. Beattie bezweifelt eine Heirat zwischen dem König und seiner Schwester, wie sie von Roscoe behauptet worden war. Er bestreitet aber nicht, dass Babito Inzest praktizierten, allerdings nicht zwischen Geschwistern gleicher Eltern, sondern zwischen Halbgeschwistern oder klassifikatorischen Geschwistern. Dennoch wurden solche Beziehungen als inzestuös und als Verstoß gegen die herrschenden sozialen Regeln gesehen. 47 Adefuye, A.: „Palwo Jogi. Impact on Political History“, S. 217. 48 Roscoe, J.: The Bakitara or Banyoro, ‚The Royal Family. (1) The Queen‘, S. 136-145.

3. K OSMOLOGIE UND G EISTERKULTE

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Babito-Clans graduell und allmählich an Macht verloren zu haben. Zumindest wurde sie einer Definition von Fruchtbarkeit unterworfen, die die eigene Reproduktion durch Kinder ausschloss und ihr ein männliches soziales Geschlecht zuordnete. Wie weibliche Geistmedien konnten sie zwischen verschiedenen Identitäten wechseln, sich Liebhaber nehmen oder Macht ausüben und eine Provinz verwalten. Als dritte Person gehörte die Mutter des Königs (nyinamukama) zur königlichen Triade.49 Sie herrschte über ihren eigenen Hof und über ihre eigenen Ländereien. Auch sie besaß politische und sakrale Macht, weil sie in die königlichen Rituale eingebunden wurde. Anders als die Schwester des Königs kam sie nicht aus dem herrschenden Babito-Clan, sondern aus einem der gewöhnlichen Clane. Daher verkörperte sie nicht nur das Prinzip der Fruchtbarkeit und der Reproduktion, das den weiblichen Mitgliedern des königlichen Clans verwehrt wurde. Sie repräsentierte die Mutterschaft auch in den königlichen Ritualen. Wenn der König seine Kopfbedeckung oder ‚Krone‘ (ekondo) ablegte, ruhte diese im Schoß seiner Mutter.50 Die Funktion der (zukünftigen) Königinmutter lag wie in anderen afrikanischen Königtümern zunächst in der Unterstützung ihres Sohnes bei der Thronfolge.51 In der Regel kämpfte ihr Clan auf der Seite des Schwestersohnes (mwiwha). Später wurde der König durch seine Mutter und ihre Clanbrüder, die entsprechende Ämter erhielten, beraten. Ich zeige nun, wie sich das Konzept von ‚Fruchtbarkeit‘ am Körper des Königs manifestierte und wie sich dieser Körper unter Einfluss der Kolonialmacht und der Mission veränderte.

D ER K ÖRPER

DES

K ÖNIGS

Die britische Anthropologin Mary Douglas hat in ihrem Beitrag zu den ‚Zwei Körpern‘ das Verhältnis zwischen dem sozialen Körper der Gesellschaft und

49 Ebenda, ‚The Royal Family. (2) The King’s Mother‘, S. 145-149. 50 K. W.: „The Procedure in Accession to the Throne of a Nominated King in the Kingdom of Bunyoro-Kitara“, in: Uganda Journal 4 (1937) 4, S. 289-299, hier: S. 294. 51 Vgl. Kaplan, Flora S. (Hg.): Queens, Queen Mothers, Priestesses and Power. Case Studies in African Gender, New York: Academy of Science 1997; Hanson, Holly: „Queen Mothers and Good Government in Buganda“, in: Allman, Jean/Geiger, Susan/Musisi, Nakanyike: Women in African Colonial Histories, Bloomington: Indiana University Press 2002, S. 219-236.

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dem natürlichen Körper des Individuums thematisiert.52 Ich greife hier Douglas’ These vom natürlichen Körper als physischem und symbolischem Mikrokosmos des gesellschaftlichen Körpers auf. Mikro- und Makrokörper stehen nach Douglas im ständigen Austausch von Bedeutungsgehalten. Der Körper selbst ist ein eingeschränktes Ausdrucksmedium, das den Restriktionen der Gesellschaft unterliegt und Kontrollen unterworfen wird. Dieser Ansatz lässt sich auf den Körper des Königs in Bunyoro-Kitara anwenden, da der König zumindest bis zum 19. Jahrhundert die Vitalität der Gesellschaft verkörperte. Am deutlichsten kam diese Vorstellung darin zum Ausdruck, dass alles, was der König tat, eine Wirkung auf das Land und die Bevölkerung hatte. In den königlichen Ritualen von Bunyoro-Kitara wurde großer Wert auf die Körperkontrolle des Königs und auf seine rituelle Reinheit gelegt. Drehte er sich während der Nachtruhe um, so gefährdete er die herrschende Ordnung, verunreinigte er sich und berührte er den Boden, so verunreinigte er das Königtum.53 Teilweise waren diese Vorstellungen auch in den 1990er Jahren wieder lebendig. Alles, was den Körper des Königs durchlief, wurde in eine produktive Kraft transformiert, sofern er die Vitalität dazu besaß. Diese Funktion machte den königlichen Körper zu einem Leitmedium. Seine Nahrung bestand offiziell aus Flüssigkeiten, vor allem Bananenoder Hirsebier und Milch, die täglich von auserwählten Kühen gemolken wurde. Eine Ausnahme bildete das rituell geopferte und geröstete Rindfleisch, mit dem der König gefüttert wurde, um seine Lebenskraft zu stärken. Ein Diener steckte ihm das Fleisch mit einer Gabel in den Mund, sodass er wie ein Machtobjekt mit Energie geladen wurde. Andere feste, aus der Erde gewonnene Nahrungsmittel waren für den König tabu, weil sie ihn verunreinigten und schwächten. Sie wurden von den Herrschenden gering geschätzt.54 Wenn der König starb, bestieg ein Prinz das Dach des Palastes und verschüttete einen Krug mit Milch. Dies war das Zeichen dafür, dass das Land in Chaos und Unfruchtbarkeit zu stürzen drohte, weil des Königs Vitalität erloschen war und die Frage der Thronfolge in der Regel zum Krieg führte. Der Leichnam des toten Königs wurde über einem Feuer aufgebahrt, bis ihm jegliche Flüssigkeit und damit jegliches Leben entzogen war. Anschließend wurde ihm

52 Douglas, Mary: „Die Zwei Körper“, in: dies. (Hg.): Ritual, Tabu und Körpersymbolik. Sozialanthropologische Studien in Industriegesellschaft und Stammeskultur, Frankfurt am Main: Fischer 1986, S. 99-123, hier: S. 109. 53 Beattie, J.: „Rituals of Nyoro Kingship“, S. 137. 54 Sir James Frazer machte als Erster auf eine Analogie zwischen der Vitalität des Königs und der Fruchtbarkeit von Land und Leuten in den Weltbildern afrikanischer Königtümer aufmerksam (Frazer, G. J.: Der Goldene Zweig, S. 388).

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wieder etwas Milch eingeflößt55, dann wurde der Unterkiefer vom Leichnam getrennt und beide an verschiedenen Orten bestattet. Die Öffnung der Grabkammer wurde nicht mit Erde, sondern mit den Häuten von Rindern geschlossen. Neun Hacken spannten die Häute über der Öffnung. Sie galt als ‚Brunnen‘ (iziba), aus dem auch in Zukunft die Kraft des toten Königs floss. Zugleich wurde das Grab von den Frauen des toten Königs bewacht. Einige sollen mit dem König begraben worden sein, um ihm in der Unterwelt (okuzimu) zu dienen.56 Im 19. Jahrhundert wurde – vermutlich unter Einfluss der kulturellen Veränderungen in Buganda – auf die Trennung von Körper und Kiefer verzichtet. Einige Frauen des toten Königs kümmerten sich um sein Grab. Wenn eine Person vom Geist des Königs ergriffen wurde, diente sie ihm als sein Medium. Der lebende König fertigte eine Trommel (empango) an, mit deren ‚Stimme‘ er seine Macht im Königtum artikulierte. Sie war mit magischen Substanzen gefüllt und wurde rituell immer wieder mit Kraft geladen. Ähnlich einem nkisi, einer mit medizinischen Substanzen gefüllten Figur in der politischen Kultur des Kongo, war sie ein zentrales Machtobjekt des Herrschers.57 In der Regel waren Tier- oder Menschenopfer gefordert, um die Objekte mit Macht zu laden. Die Potenz, Leben zu nehmen, steigerte dabei die Vorstellung von der Vitalität des Königs und von seiner Macht, Leben zu geben. John Nyakatura berichtet von einem Ritual (empyemi), welches eine größere Zahl an Menschenopfern forderte und so die Thronfolge eines neuen Königs vollendete.58 Der König bewies damit, dass seine Herrschaft von den Lebenden und den Geistern akzeptiert worden war. Das Individuum wurde in dieser Logik dem Kollektiv und dessen Kontinuität geopfert.

D IE S CHREINE DER TOTEN K ÖNIGE UND DER P ALAST DES K ÖNIGS Die Anordnung des königlichen Palastes orientierte sich an der räumlichen oder architektonischen Ordnung der rituellen Zentren der Geisterkulte. E. C. Lanning hat eine Vorlage für diese Hypothese in seiner Beschreibung des Schreins von

55 Roscoe, J.: The Bakitara or Banyoro, S. 125-126. 56 Vgl. Ingham, Kenneth: „The Amagasani of the Abakama of Bunyoro“, in: Uganda Journal 17 (1953) 2, S. 138-145; Roscoe, J.: The Bakitara or Banyoro, S. 126. 57 Vgl. MacGaffey, W.: Kongo Political Culture, S. 79-96. 58 Nyakatura, J. W.: Anatomy of an African Kingdom, S. 205.

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Wamara auf dem Hügel von Bwera/Masaka geliefert.59 Es handelte sich um eine kralähnliche Einzäunung, in deren Zentrum sich der Schrein befand. Die Einzäunung wurde von verschiedenen Öffnungen durchbrochen. Das Haupttor hieß ‚The Giver of Cows‘ (mugabante) und war der Ort, an dem Geschenke, vor allem Kühe, getauscht wurden. Daneben gab es verschiedene andere Ein- und Ausgänge. Wie ein Körper besaß der Tempel verschiedene Öffnungen, durch die er Personen, Dinge und Tiere aufnahm oder ausstieß. Im Schrein befanden sich die Regalia des Geistes und seines Mediums. Dazu gehörten Speere und Trommeln als die wichtigsten Embleme der Macht sowie Elefantenzähne, die Sperren oder Gefahrenzonen markierten. Der Palast des Königs war räumlich ähnlich strukturiert wie ein Schrein, jedoch weitaus größer und elaborierter organisiert. Wenn Roscoes Zuordnungen der Himmelsrichtungen des vorkolonialen Palastes zutreffen, dann lag die Reproduktion des natürlichen Körpers des Königs im Westen, die seines sozialen Körpers im Osten und Süden, wo Rechtsprechung und rituelle Repräsentation stattfanden.60 Der Norden diente der spirituellen Regeneration des Königs und

59 Lanning, E. C.: „Excavations at Mubende Hill“. 60 Roscoe, J.: The Bakitara or Banyoro, S. 125-126. Im königlichen Palast (kikaali) gab es ein Haupthaus (karuzika), das im Zentrum der Palastanlage lag. Der Eingang war durch einen Elefantenzahn markiert, dahinter befanden sich die Trommeln des Königtums. Die übrige Palastanlage war in verschiedene funktionale Bereiche geteilt. Nach den Beschreibungen des Missionars und Ethnografen John Roscoe lagen einige rituelle, nichtöffentliche Orte im nördlichen Teil des Palastes. Sie wurden vom König und seinen Geistmedien für religiöse Zwecke genutzt. Im Süden lag der öffentliche Bereich mit dem Haupttor mugabante. Dort wurden Güter, Personen und Tiere genommen oder fortgegeben. Hier befanden sich auch die Häuser der Wahrsager (Kasoira und Nyakoka) und des Palastchefs (bamuroga). Durch sie wurde der Palast außen wie innen vor Hexerei, Zauberei und anderen Gefahren geschützt. Die südliche Verlängerung der Palastanlage bildete eine Reihe von sieben rituellen Räumen, die durch Öffnungen und Höfe einen Durchgang erlaubten. Der König marschierte täglich durch diesen Gang, vollzog dort eine Reihe von Ritualen und hielt Beratungen und Gericht über hohe Beamte und Mitglieder seines eigenen Clans. Im Osten der Palastanlage befanden sich weitere Tore, die vor allem dem Zugang zu Gerichtshöfen und den Bediensteten des Königs dienten. Im Westen lag der eher ‚private‘ Teil des Palastes mit dem Schlafhaus und dem Badehaus des Königs sowie einer Küche für die Zubereitung seiner Mahlzeiten. Hinter einer Umzäunung residierten außerdem die Königinmutter, die Schwester des Königs (batebe) und einige andere Berater. Im

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des Königtums, den Anti-Hexerei-Ritualen, Schutzamuletten, Gebeten und den Besessenheitsritualen der Geistmedien. In der Mitte befand sich das Zentrum mit dem Sitz des Königs sowie einem Bereich, in dem er rituellen Geschlechtsverkehr hatte und seine Milch trank. Meiner Ansicht nach war der Palast organologisch aufgebaut und bildete einen weiteren, einen räumlichen Körper des Königs. Wie der französische Anthropologe Jean Paul Warnier anhand des Königtums Mankon in Kamerun gezeigt hat, ist die Vorstellung vom Raum – vom Palast oder von der Stadt – als einer körperlichen Hülle des Königs und als Ausdruck seiner Extensionen auch aus anderen Teilen Afrikas bekannt.61 Aus Roscoes Beschreibungen geht nicht hervor, wo in vorkolonialer Zeit die vielen hundert Frauen des Königs wohnten. Entweder war ihm dieser Aspekt unwichtig oder er wurde verschwiegen, da sich die Organisation des Palastes seit der kolonialen Eroberung Bunyoro-Kitaras stark verändert hatte. Der zu Roscoes Zeit regierende König Andreya Duhaga (1902-1924) war Protestant und monogam. Er hatte eine Frau und drei Töchter.62 Die Parallelen und Verbindungen zwischen den Schreinen von Geistern und dem Palast des Königs lösten sich mit zunehmender Christianisierung rasch auf.

C HRISTIANISIERUNG

DES

K ÖNIGTUMS

Die anglikanische Church Missionary Society übte seit 1895 durch den Missionar Rev. A. B. Fisher und seine Frau Ruth starken Einfluss auf die politische Elite und ihre Klientel aus.63 Der spätere König, Prinz Bisereko, lebte anscheinend nach seiner Gefangennahme als ‚houseboy‘ im Haushalt von Rev. Fisher.64 Als Andreya Duhaga Bisereko war er der erste getaufte und protestantisch erzogene Mubito-König (1902-1924). In der Folgezeit blieb die Dynastie der Babito und die Elite des Königtums protestantisch. Die katholische Mission der franzö-

Westen lag ferner der Kral mit den neun sakralen Kühen der königlichen Herde (enkoorogi), die täglich die Milch für den König produzierten. 61 Warnier, J.-P.: The Pot-King. 62 Kihumuro, A.: A Thousand Years of Bunyoro-Kitara Kingdom, S. 84. Von den drei Töchtern König Duhaga Biserekos konnte ich die jüngste Tochter, Norah Bulituli, 1999 noch in nun hohem Alter kennenlernen. 63 Vgl. Vorwort in Fisher, R.: Twiglight Tales, S. xxii.; Thomas, Harold B.: „The Reverend A. B. Fisher in Uganda. A memoir“, in: Uganda Journal 21 (1957) 1, S. 107-110. 64 Doyle, Shane: An Environmental History of the Kingdom of Bunyoro in Western Uganda, from c. 1860-1940, Dissertation, University of Cambridge 1998, S. 212.

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sischen ‚Weißen Väter‘ richtete hingegen ihre Bekehrungsbemühungen auf die einfache bäuerliche Bevölkerung. Sie gründeten 1894 eine Missionsstation in Bikumi in der Provinz Bugangaizi und 1986 eine weitere in Bujuni in der Provinz Buyaga. In diesen beiden Provinzen lagen die Gräber der Könige von Bunyoro-Kitara. Nun wurden sie der katholischen Fraktion der Baganda-chiefs zugesprochen. In der Folge trat die Bevölkerung der ‚verlorenen Gebiete‘ mehrheitlich zum Katholizismus über, denn die Religion des chiefs, der häufig sein ‚headquarter‘ in der Kirche hatte, gab den Ausschlag dafür, welche Konfession die Bauern übernahmen.65 Die katholische Kirche gründete etliche Grundschulen und etablierte in Bukumi und Bujuni zwei höhere Schulen, die die Kinder von Katholiken ausbildeten. In den Regionen des restlichen Bunyoro-Kitara waren Katholiken und Protestanten in etwa gleichstarke Konfessionen. Für die höhere Bildung waren dort jedoch nur protestantische Schulen zu finden. Im Vergleich zum 19. Jahrhundert besaßen Muslime im Königtum und im Palast des Königs weit weniger Einfluss. Sie bildeten aber weiterhin eine wichtige, vor allem im Handel aktive Gruppe. Daneben wurden die Geisterkulte trotz repressiver Maßnahmen gegen Geistmedien und Heiler im Geheimen weiter praktiziert. Im 20. Jahrhundert ging die rituelle Macht des Königs und der Geistmedien weitgehend verloren. Kinyoro-Vorstellungen von Fruchtbarkeit kamen unter christlichen Einfluss, und mahano verschwand als ein gültiges Konzept. Würdenzeichen wie Kopfbedeckungen (makondo), die mit mahano in Zusammenhang standen, wurden nach den 1950er Jahren kaum mehr getragen oder respektiert. Omukama Tito Winyi (1924-1967) führte zwar weiterhin einen Teil der königlichen Rituale durch und heiratete sechzehn Frauen, aber auch er konnte (oder wollte) die Säkularisierung des Königtums nicht aufhalten. Mit der Abschaffung des Königtums 1967 und der Etablierung des autoritären Regimes von Milton Obote brach die Allianz zwischen der protestantischen Kirche und dem Königtum. Die Königtümer Ugandas konnten nicht mehr durch die Kirche geschützt werden. Umgekehrt konnten sie keinen Einfluss mehr auf die Gläubigen und ihre Praktiken ausüben. Die geltenden ethischen Normen wurden durch die Bürgerkriegszustände außer Kraft gesetzt und schufen einen Mangel an moralischer Ordnung. Hexereibeschuldigungen, denen die etablierten christlichen Kirchen und der Islam wenig entgegenzusetzen hatten, mehrten sich. In den Geisterkulten und in neuen christlichen Bewegungen, die an die Diskurse und

65 Interview mit dem amtierenden und hochbetagten Kyanku kya Mihingo, dem Clanführer der Bayaga, in Rutoma, Kyanaisoke, 23. August 1999. Während der Kolonialzeit war Kyanku einer der wenigen Banyoro-chiefs in Buyaga (später in Buganda) geworden.

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Praktiken der Geisterkulte anschlossen, entstanden neue Formen des ethischen Verhaltens. Auch die bisherige hierarchische Ordnung der Banyoro-Gesellschaft wurde hier infrage gestellt und egalisiert.

Z USAMMENFASSUNG Zwischen dem König- und dem Geistmedientum gab es eine Reihe von Schnittpunkten, die in den Machtpraktiken der königlichen Rituale und in den Ritualen der Geistbesessenheitskulte lagen. Ihre Machtzentren, der Schrein eines Geistes ebenso wie der Palast des Königs, zeigten strukturelle Ähnlichkeiten in ihrer räumlichen Abbildung des Mikro- beziehungsweise des Makrokosmos, den Menschen wie Geister bewohnten. Der Körper des Königs war wie der Körper des Geistmediums ein Ort der Transmission beziehungsweise der Transformation. Das Geistmedium überließ sich jedoch passiv der Macht des Geistes, dessen Botschaften es vermittelte, während der König aktiv das kreative Potenzial seiner Sakralität einsetzte und unter Kontrolle hielt. Um die Kontrolle über seinen Körper und Geist nicht zu verlieren, durfte er auch nicht kubandwa oder Geistbesessenheit praktizieren. Die Produkte seiner körperlichen Handlungen – Fortpflanzung, Handel, Kriegsbeute und die Einnahme von nährstoffreichen Flüssigkeiten – transformierte er somit direkt in Reichtum und Fruchtbarkeit, solange er dazu körperlich in der Lage war. Er war kein Vermittler von spirituellen Mächten, sondern selbst produktiv und mächtig. Diese Vorstellung fand mit Beginn der Kolonialherrschaft ihr vorläufiges Ende. Die königlichen Rituale wurden zu einer Inszenierung für den kolonialen Apparat, während die Geisterkulte in die Geheimhaltung untertauchten. Unter der Regierung von Präsident Museveni traten die Institutionen des Königtums und der Geisterkulte wieder zum Vorschein. Sie lassen sich mit anderen Erneuerungsbewegungen Afrikas und mit der Erfindung von Neotraditionen vergleichen. Zur Zeit meiner Feldforschung, 1999-2000, waren einige Geistmedien wieder als Heiler tätig. Das Wissen um ihre aktuellen Praktiken und über die Identität der praktizierenden Medien wurde aber weiterhin vor Außenstehenden geschützt und eine Kooperation des Königtums mit den Geisterkulten von beiden Seiten verneint. Gleichwohl waren hier Prozesse der Rehabilitation im Gang, die die Funktionen von Geistmedien zumindest außerhalb des königlichen Palastes wieder belebten.

4. Transformationen des cattle kingdoms in der Moderne

Meine Untersuchung der Transformationen des Königtums konzentriert sich auf die Dynamik des 19. Jahrhunderts.1 In diesem Zeitraum begann sich die Moderne im afrikanischen Zwischenseengebiet stärker als zuvor bemerkbar zu machen. Es setzten Prozesse der Globalisierung, der Säkularisierung und der Individualisierung ein, die sich im 20. Jahrhundert unter dem Druck des kolonialen Staates radikalisierten und beschleunigten. Ich richte meinen Blick daher auf die Darstellung der vorkolonialen Dynamik und auf die Transformationen unter kolonialem Einfluss. Dieses Kapitel geht den folgenden zentralen Fragen nach: Auf welche Diskurse und Praktiken griff das Königtum zurück, als es am Ende des 20. Jahrhundert wieder eingerichtet wurde? Gibt es historische Kontinuitäten in den Praktiken der politischen Kultur des Königtums? Wo sind Brüche oder hybride Formationen unter kolonialer Herrschaft entstanden? Ich werde die Transformationen der politischen Kultur anhand der Machtbeziehungen verdeutlichen, die mit der Rückkehr des Königtums in den 1990er Jahren wieder zum Thema wurden: die Organisation der Clane und ihr Verhältnis zum Königtum, die Macht- und Geschlechterverhältnisse, das Verhältnis zwischen Land und Territorium sowie zwischen Administration und Militär.

1

Obwohl ich methodisch die Kosmologie mit ihren Geisterkulten von der politischen Kultur des Königtums trenne, sehe ich beide in einem Kontext und als eng miteinander verknüpft. An ihren Knotenpunkten kann religiöse in politische Macht verkehrt werden und umgekehrt.

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C LANE

UND

K ÖNIGTUM

Im Kapitel „Geschichte, Mythen und Traditionen“ habe ich bereits gezeigt, wie das Zwischenseengebiet über einen langen Zeitraum zum Siedlungsgebiet bäuerlicher und pastoraler Clane wurde. Bäuerliche Clane konstruierten ihre Identität oft um einen Hügel, der vom Clanführer (omukuru w’oruganda) bewohnt wurde.2 Der Clanführer war für den Ahnenschrein verantwortlich, verteilte Landnutzungsrechte und entschied mit den Ältesten über Heirats- und Streitfragen im Clan. Er sorgte für den Zusammenhalt der Mitglieder, für Feste und Gebetstage zu Ehren der Ahnen, für die Organisation von Kubandwa-Ritualen und für den Schutz der rituellen Objekte des Clans.3 Der Begriff des ‚Clans‘ (oruganda) war nicht durch genetische, sondern durch klassifikatorische Verwandtschaft charakterisiert. Sie wurde über verschiedene Formen von Zugehörigkeiten wie Blutsverwandtschaft, Blutpakte, Einheirat und Adoption konstruiert. So konnten beispielsweise Sklaven in einen beliebigen Clan aufgenommen werden und eine neue Zugehörigkeit mit begrenzten Rechten erhalten. Clane waren Institutionen der Integration, der Identität und der Kooperation. Da viele Clane im gesamten Zwischenseengebiet verbreitet waren, ließen sich translokale und transregionale Zugehörigkeiten konstruieren.4 Über Meidungsobjekte (emiziro) wurden soziale Identitäten symbolisch gekennzeichnet und zugeordnet. So konnten die exogamen Verwandtschaftsgruppen legitime von illegitimen Heiratspartnern unterscheiden. Endogame Verbindungen galten als inzestuös und

2

Rev. John Roscoe listete 1923 115 Clane auf, bei denen er pastorale Clane (Bahuma), Clane von freien Bauern (Banyoro) und Clane von unfreien Bauern (Bairu) unterschied. In seinen Kategorien klingt an, dass der Sklavereidiskurs des 19. Jahrhunderts in Bunyoro-Kitara fortwirkte und soziale Hierarchien vortäuschte, die es praktisch nicht mehr gab. John Beattie ging in seinen Arbeiten von etwa 150 Clanen in Bunyoro-Kitara aus, von denen einige pastorale Bahuma waren. Das Ethnonym ‚Bairu‘ gebrauchte er nicht, weil es in den 1950er Jahren zu stark negativ besetzt war. Stattdessen hatte sich ein Diskurs etabliert, der die gesamte Bevölkerung unter dem Begriff ‚Banyoro‘ als Ethnonym fasste. Vgl. Roscoe, J.: The Bakitara or Banyoro, S. 12-20; Beattie, John: „Nyoro Kinship“, in: Africa 27 (1957) 4, S. 317-340.

3

Zu Kubembeka- und Kubandwa-Praktiken vgl. Byaruhanga, A. A. B. T.: Religion in Bunyoro, S. 44-50.

4

Zum wissenschaftlichen Kanon gehört inzwischen, dass Identitäten kulturelle Konstrukte sind, die je nach Situation improvisiert und strategisch eingesetzt werden können. Vgl. Werbner, Richard: „Multiple Identities, Plural Arenas“, in: ders./Ranger, T. (Hg.): Postcolonial Identities in Africa, S. 1 ff.

4. T RANSFORMATIONEN

DES CATTLE KINGDOMS IN DER

M ODERNE

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wurden mit harten Strafen sanktioniert. Manche Clane nahmen mehrere Meidungsobjekte an und erweiterten so das Spektrum ihrer Heiratsmöglichkeiten. Andere spalteten sich ab und wählten ein neues Meidungsobjekt, um neue Allianzen und Kooperationen eingehen zu können. Die Clanorganisation veränderte sich jedoch in den Strukturen der longue durée. Sie erweckt zunächst den Eindruck, als wäre das Prinzip der Deszendenz wichtiger als das der Residenz gewesen. Tatsächlich aber wurde im Laufe der Zeit die Residenz das wichtigere Prinzip, da sich die großen Verwandtschaftsgruppen auflösten. Der Sozialanthropologe John Beattie betont, dass in den 1950er Jahren gute Nachbarschaft in den Dörfern einen hohen Stellenwert besaß, weil die Verwandtschaftsgruppen immer kleiner wurden. Dörfer waren in den 1950er Jahren heterogene Gemeinschaften, deren Mitglieder aus verschiedenen Clanen und häufig aus verschiedenen Ethnien kamen.5 Ein Dorf konnte sich über mehrere Hügel der zahlreichen Sumpflandschaften verteilen. Der Historiker Shane Doyle wendet zu Recht ein, dass die Auflösung der Clane vermutlich ungleich erfolgte.6 In der Tat halten manche Clane bis heute an ihrem lokalen Zentrum, den Gräbern ihrer Ahnen und den Objekten fest, die sie mit ihren Geisterkulten verbinden.7 In seiner Monografie The Nyoro State stellt John Beattie fest: „The clan system as the focus of local rather than nationwide loyalities, may be regarded as having stood, at least in traditional times, in some measure of opposition to the kingship.“8 Diese These betrachte ich als eine zentrale Aussage und beschränke sie nicht auf ‚traditional times‘. Sie zeigt, dass lokale und nationale Machtdiskurse miteinander konkurrierten.9 Um die Gegensätzlichkeit zwischen den Interessen der Clane und denen des Königtums zu überwinden, so folgerte Beattie, wurden die Clane am Hof des Königs durch bestimmte Funktionen und

5

Beattie, John: Bunyoro. An African Kingdom, New York: Stanford University Press

6

Doyle, S.: Crisis and Decline in Bunyoro, S. 16.

7

Das bekannteste Beispiel ist der Bayaga-Clan, in dessen Territorium sich nicht nur der

1960. Zu ‚Verwandtschaft‘ siehe S. 48-60, zu ‚Nachbarschaft‘ siehe S. 61-69.

Hügel mit den Gebeinen von Bayaga-Ahnen, sondern auch einige der Gräber von Babito-Königen befinden. 8

Beattie, J.: The Nyoro State, S. 126.

9

Shane Doyle ging kürzlich so weit zu behaupten, dass der eigentliche Niedergang des Babito-Reiches bereits im 18. Jahrhundert stattgefunden habe und auf den Widerstand lokaler clanorientierter Gruppen zurückzuführen sei, nicht auf den Verfall imperialer Strukturen. Aus seiner Sicht bezeichnete das Synonym ‚Kitara‘ die Stärke der politischen Kultur im Zwischenseengebiet mit ihrer Ideologie der Königtümer, ihren Handelsnetzen und Clanallianzen. Vgl. Doyle, S.: Crisis and Decline in Bunyoro, S. 13.

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Aufgaben integriert. Eine bedeutende Gruppe waren die Ältesten (bakuru b’ebikwato), die aus verschiedenen Clanen kamen und für den Thron, die Trommeln, Speere, Schilde und andere Machtobjekte des Königs verantwortlich waren. Es war ihr Privileg, die Objekte in den königlichen Ritualen, am Tage, bei Neumond und beim Jahresfest in Aktion zu bringen. Eine andere Gruppe (banyamirwa) waren die Bademeister, Kämmerer, Köche und Melker des Königs. Aus diesen Gruppen wählte der König inoffizielle Berater (basekura), die seinen offiziellen Beraterstab aus hohen Würdenträgern (bajwara kondo) ergänzten. Aus Beatties Sicht handelt es sich um symbolische und integrative Funktionen. Mit dieser strukturfunktionalistischen Sichtweise reduziert er die Beziehung der Clane zum Königtum auf ihre systemstabilisierenden Eigenschaften. Er begründet den Zusammenbruch des Königtums mit der Überlegenheit der kolonialen Herrscher und mit der Funktionsschwäche der alten Institutionen des Königtums. Beatties kolonialapologetische Perspektive hatte die ‚Demokratisierung‘ des afrikanischen Staates im Blick. Ihr entging das kreative und oppositionelle Potenzial von indigenen Institutionen in Afrika. Diese Sichtweise geht davon aus, dass Identitäten und Institutionen an ein System gebunden sind, und schließt aus, dass sie unter veränderten Machtverhältnissen neu entworfen werden können. Die Aufgaben der Clane lediglich als integrative Momente zu sehen, unterschätzt die Handlungsmacht der Clane und ihrer Repräsentanten. In den 1950er Jahren existierten die Clane in der Tat kaum mehr als politische Gruppen. Beattie übersah auch die Geschlechterpolitik am Hof des Königs. Omukama Tito Winyi erwähnt eine ganze Reihe von Frauen des Königs (bago) und von Prinzessinnen des Babito-Clans (Babitokati), die für sakrale Räume, sakrale Objekte und für die Durchführung ritueller Handlungen des Königs verantwortlich waren.10 Babitokati repräsentierten den Clan ebenso, wie er von Prinzen (Babito) vertreten wurde. Bago konnten einen zukünftigen König gebären und so die machtvolle Position einer Königinmutter einnehmen. Hinzu kommt, dass die Regalia keine Erfindung der Babito-Dynastie waren, sondern verschiedener Clane, die mit diesen Objekten Machtansprüche verbanden. Bestimmte Aufgaben am Hof des Königs blieben daher das Vorrecht einzelner Clane. Gegen eine rein funktionalistische Perspektive wende ich ein, dass die Aufgaben der Clane am Hof des Königs auf mehreren Ebenen von Bedeutung waren. In ritueller Hinsicht verliehen sie den verantwortlichen Akteuren außergewöhnliche Macht (mahano). In materieller Hinsicht wurden die Beamten des

10 Vgl. Roscoe, J.: The Bakitara or Banyoro; K. W.: „The Procedure in Accession to the Throne of a Nominated King in the Kingdom of Bunyoro-Kitara“, S. 290-299.

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Königs durch Ländereien und chiefdoms entschädigt. Sie erhielten damit Rechte, die Bewohner ihres Territoriums zu besteuern sowie Abgaben und Dienste einzufordern. Und schließlich ermöglichten die Aufgaben den Clanen, politische Interessengruppen am Hof zu bilden, Intrigen zu schmieden und Umstürze zu planen. Ihre Stellvertreter konnten so die Machtstellung des Clans stärken, sie konnten aber auch das ganze Kollektiv gefährden, wenn sie einen Fehler begingen. Paradigmatisch für die Clan- und Machtintrigen wird in Bunyoro-Kitara der Mythos von den beiden Bacwezi-Clanbrüdern Mugenyi und Mulindwa erzählt.11 Darin trachtet Mugenyis Mutter, die ein Mitglied des Basingo-Clans ist, nach dem Thron für ihren Sohn und für sich als Königinmutter. Sie will Mulindwa als Konkurrenten ausschalten. Das Komplott wird verraten und der gesamte Basingo-Clan geächtet. In den weiteren Erzählungen werden Basingo immer wieder zu Menschenopfern in den königlichen Ritualen, mit denen die Herrschaft der Babito-Könige gestärkt werden soll. Der Mythos lässt sich als Chiffre eines politischen Konflikts zwischen dem Basingo-Clan und den Herrschern in Bunyoro-Kitara lesen. Ein führender Vertreter des Clans erzählte mir, Basingo hätten sich als Eisenschmiede, Kriegsführer, Töpfer und Regenmacher hervorgetan. Er sagte: „Okusinga means to win, charm, gain power. Basingo were influencial in the palace, many chiefs and military leaders (barusura) were Basingo.“12 Durch ihre soziale Stigmatisierung wurden Basingo in ihren Künsten und machtpolitischen Möglichkeiten von der Babito-Dynastie unter Kontrolle gehalten. Mit der Etablierung des Kolonialstaates und der protestantischen Mission in Bunyoro-Kitara verloren die Clane und ihre Regaliahüter den eigentlichen Wert ihrer Aufgaben – die Macht der sakralen Objekte. Eine Zeitlang konnten sie noch damit rechnen, für ihre Dienste vom König ein Stück Land (kibanja) oder eine Ernennung als chief zu erhalten. Seit den 1950er Jahren gingen auch diese Privilegien verloren und damit das Ansehen und das Interesse an solchen Aufgaben. Bereits Omukama Duhaga hatte eine Reihe von königlichen Ritualen abgeschafft.13 Die Clane verfügten als Kollektive immer weniger über politischen Einfluss im Königtum. Viele ihrer Mitglieder verstreuten sich durch Abwanderung in Gebiete außerhalb Bunyoros. Clane waren nun in erster Linie für die Suche nach legitimen Heiratspartnern von Bedeutung.

11 Nyakatura, J. W.: Anatomy of an African Kingdom, S. 29. Zu Nyakaturas höfischer Erzählung über die Verfluchung des Basingo-Clans gibt es alternative Diskurse innerhalb des Basingo-Clans. 12 Interview mit Lawrence Tinkamanyire am 2. Mai 2000 in Butema, Hoima Distrikt. 13 Kihumuro, A.: A Thousand Years of Bunyoro-Kitara Kingdom, S. 81.

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T RANSFORMATIONEN

DER

R EGIERUNG

Im 19. Jahrhundert regierte der König unter der Kontrolle verschiedener Berater. Wie ich im letzten Kapitel gezeigt habe, besaßen die Mutter (nyinamukama) und die Halbschwester (batebe oder kalyota, ein alternierender Titel) des Königs rituelle Macht und politischen Einfluss. Daneben herrschte ein Rat von Würdenträgern (bajwara kondo), der politisches Mitspracherecht besaß und starken Einfluss am Hof des Königs, im Militär und in den Clanen ausübte. Der Rat steuerte zusammen mit einigen inoffiziellen Beratern (basekura) die Meinungen und Entscheidungen des Königs. Noch heute werden politische Berater und Älteste in Bunyoro-Kitara im positiven Sinn als opinionleader bezeichnet. Die beiden bedeutendsten Ratsmitglieder waren der Palastchef mit dem Titel bamuroga und ein Provinzfürst mit dem Titel mugema, der zugleich die Kontrolle über die königlichen Gräber ausübte. Diese beiden Würdenträger waren während der Interimsperiode der Nachfolgekriege die Regenten des Königtums. Sie verwahrten den königlichen Leichnam, bis einer der Babito-Prinzen im Nachfolgekrieg gesiegt hatte und den toten König bestattete. Der königliche Clan wurde geschlechtsspezifisch vertreten. Die weiblichen Mitglieder standen unter der Führung der batebe, die männlichen wurden von einem Mubito-Prinzen mit dem Titel okwiri vertreten. In der Repräsentation des Königtums und seiner Regierung bildete der König zwar den rituellen und politischen Fokus, er wurde aber von den verschiedenen Interessenvertretern beeinflusst und kontrolliert. Diese Form der Regierung endete mit der Entmachtung und Exilierung Omukama Kabalegas am Ende des 19. Jahrhunderts. In der Folge begann ein Prozess der Bevormundung und Bürokratisierung des Königsamtes. Entscheidungen wurden nun direkt vom Gouverneur der Kolonie und seinen Vertretern getroffen. Die britische Protektoratsregierung inthronisierte 1900 Kitahimbwa, einen jugendlichen Sohn Kabalegas, als König und ließ ihn von einem Munyoro und einem Muganda als Regenten kontrollieren. Sie setzte Baganda als chiefs in Bunyoro ein und entmachtete so auch die lokalen politischen Führer. Kitahimbwa rebellierte gegen diese Bevormundung und wurde 1902 durch einen anderen Sohn Kabalegas, Omukama Duhaga (1902-1924), ersetzt. Als getaufter Christ schaffte Duhaga eine Reihe königlicher Rituale ab. Diese Maßnahmen und seine Bereitschaft zur Kollaboration mit den Baganda-chiefs in BunyoroKitara machten ihn unpopulär unter den Banyoro-chiefs.14 1907 kam es zum ersten Boykott gegen das neue System. Der Boykott richtete sich auch gegen den neuen König, weil dieser mit der Kolonialverwaltung kollaborierte. Trotz Ver-

14 Dunbar, A.: A History of Bunyoro-Kitara, S. 108.

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haftung und Bestrafung der rebellierenden Banyoro-chiefs wurden keine weiteren Baganda zu chiefs ernannt. Der Boykott war erfolgreich. Erst 1933 erhielt das besetzte Königtum unter der Regierung von Omukama Tito Winyi (1924-1967) einen Vertrag, in dem das Native Government des Omukama unter der Aufsicht des Gouverneurs offiziell anerkannt wurde. Es galt die Politik der Indirect Rule. Die drei wichtigsten Ämter waren nun das des Premierministers (katikiro), des obersten Richters (muramuzi) und des Schatzmeisters (muketo). Mit dem ersten Vertrag 1933 wurde außerdem ein Parlament (rukurato) berufen, in welchem die politischen Vertreter der Distrikte saßen. Das Parlament hatte jedoch nur eine beratende Funktion und konnte vom König leicht übergangen werden. Bis 1955 fällte Omukama Tito Winyi seine politischen Entscheidungen, vor allem die Ernennung von chiefs, auch ohne Zustimmung des Parlaments. Er musste sie allerdings vom Gouverneur des Protektorats genehmigen lassen.15 Mit der Etablierung politischer Parteien in Uganda formierte sich erneut Widerstand gegen das herrschende System und die Alleinherrschaft des Königs. 1955 wurde der Vertrag von 1933 revidiert und eine konstitutionelle Monarchie geschaffen. Das Parlament und seine Ausschüsse diktierten nun dem König die politischen Entscheidungen, die er nur noch inoffiziell beeinflussen konnte. Die eigentliche Regierung übernahm der Premierminister (katikiro) zusammen mit seinen Ministern. Rituale gehörten zwar weiterhin zum königlichen Zeremoniell, sie hatten aber ihre sakrale Bedeutung weitestgehend eingebüßt. Zumindest für die neue politische Elite Bunyoro-Kitaras, die in Missionsschulen und in den Universitäten der kolonialen Metropole studiert hatte, war die Vorstellung von der Sakralität des Königs überholt. Die Königinmutter wurde weiterhin rituell eingebunden, besaß aber keine politische Funktion. Die Königinschwester (batebe) übernahm wie in vorkolonialer Zeit die Führungsrolle für den weiblichen Teil des königlichen Babito-Clans. Als solche war sie auch politisch im Parlament vertreten. Ihr geschlechtlicher Gegenspieler, der Königsbruder (okwiri), vertrat die Interessen der männlichen Babito-Mitglieder.

P OLITISCHE M ACHT

UND

G ESCHLECHT

Vor der Kolonialherrschaft konzentrierte sich die politische Kultur des Königtums auf die Generierung von Reichtum und Fruchtbarkeit. Die königliche Triade von Mutter, Sohn und Schwester verkörperte einen Kult um die Fruchtbarkeit von Mensch und Natur. Dies beinhaltete, dass die Königinmutter nach der

15 Beattie, J.: The Nyoro State, S. 150 f.

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Inthronisation ihres Sohnes keine weiteren Kinder gebären, sondern sich auf ihre neue rituelle und politische Aufgabe konzentrieren sollte. Ebenso repräsentierte die Königinschwester den femininen Aspekt von Macht und Sexualität. Auf ihre eigene Fruchtbarkeit musste sie jedoch völlig verzichten. Sie durfte keine eigenen Kinder und damit potenziellen Aspiranten auf den Thron gebären. Feministische Anthropologinnen wie Caroline Ifeka betonen, dass in vorkolonialer Zeit Frauen in Afrika Macht besaßen, weil sie diese performativ zu erzeugen wussten.16 Dies gilt in besonderer Weise für die Königinmutter, aber auch für andere Frauen, die sich politische Macht durch geschicktes Agieren aneigneten. Die Königinmutter in Bunyoro-Kitara besaß wie die Königinschwester einen eigenen Herrschaftsbereich und eigene Ländereien. Gemessen an der Sakralität des Königs war sie weniger machtvoll, aber dennoch gefährlich und sakral. Auch weibliche Geistmedien und Priesterinnen von Geisterschreinen konnten sich einen eigenen Herrschaftsbereich sichern, der selbst für den König gefährlich und sakral war. Die machtvolle Stellung von Frauen im Königtum Bunyoro-Kitara hatte sich im 20. Jahrhundert zu einer Dominanz des männlichen Geschlechts verschoben. Vermutlich begann dieser Prozess nicht erst mit Beginn der Kolonialherrschaft, sondern bereits mit den neuen Machttechniken unter Omukama Kabalega. Um die Legitimation seiner Herrschaft zu beweisen, war er weniger auf alte Konzepte von Fruchtbarkeit und weiblicher Macht angewiesen. Er konnte stärker auf militärische Mittel, auf die Institution der Sklaverei und auf die Warenströme des Fernhandels zurückgreifen. Gegen Ende seiner Herrschaft waren diese Möglichkeiten zerstört, und der König befand sich permanent auf der Flucht. Seine Frauen und Kinder, seine Mutter und die Königinschwester gerieten in Gefangenschaft. Zur Kolonialzeit trat lediglich die in der Kirche getraute Ehefrau des Königs (omugo) in den offiziellen Machtdiskurs. Sie galt als weibliche Repräsentantin der königlichen Familie und ihre Kinder als die legitimen Nachkommen des Königs (abaana b’engoma).

L AND , A DMINISTRATION

UND

T ERRITORIUM

Auch wenn nominell das gesamte Land dem König gehörte, so war es doch bis zum 20. Jahrhundert im Besitz der Clane. Clanführer (abakuru b’enganda) besa-

16 Ifeka, Caroline: „The Mythical and Political Powers of Queen Mothers, Kings and Commoners in Nso, Cameroon“, in: Ardener, Shirley (Hg.): Persons and Powers of Women in Diverse Cultures, New York/Oxford: Berg 1992, S. 135-157, hier: S. 135 f.

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ßen privilegierten Zugang zum König. Als soziale und politische Führer vermittelten sie die Interessen ihrer Mitglieder. Sie wurden in den größeren Clanen selbst als eine Art ‚König‘ (Omukama) betrachtet und kontrollierten ein bestimmtes Territorium in Bezug auf seine Landnutzung. Das Land selbst gehörte den Ahnen, die es urbar und fruchtbar gemacht hatten. Ihre Nachkommen hatten die Nutzungsrechte an dieser Fruchtbarkeit, aber der König verfügte über ihre Produktivität. Er war der ‚Melker‘ oder Omukama. Den Clanführern standen die Verwaltungsbeamten des Königs (bakungu) gegenüber, die in den Provinzen des Königtums regierten und Tribute eintrieben. Diese ‚Provinzfürsten‘ hatten außerdem die Pflicht, Arbeits- und Militärdienste zu organisieren und königliches Recht zu sprechen. Zur Ausübung solcher Tätigkeiten engagierten sie Verwaltungsbeamte (batongole), die auf die Kooperation der Bauern und Rinderhirten angewiesen waren. Unzufriedene Bauern konnten abwandern und dem Provinzverwalter die Kontrolle über ihre Produktivität nehmen. Für die Delegation von Aufgaben, Macht und Autorität gab es ein expandierendes System von Titeln und Titelträgern, die von der Ebene des königlichen Palastes bis zur Ebene des Dorfvorstehers reichten.17 Die ökonomische Politik unterstand somit den Clanführern, die das Land quasi im Auftrag der Ahnen verwalteten, die politische Ökonomie leiteten die bakungu, die auf diese Weise die Bevölkerung kontrollierten. Nicht unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass viele der Provinzfürsten aus dem königlichen Clan kamen. Als Prinzen sammelten sie ihre eigene Klientel um sich und bauten ihre Provinzpaläste häufig zu peripheren Machtzentren aus. Dadurch stellten sie eine potenzielle Gefahr für das eigentliche Zentrum im Palast des Königs dar und mussten immer wieder diszipliniert werden. Hilfreich war dabei ihre Duplikation durch einen Stellvertreter. Ein mukungu hatte wie der König ‚zwei Körper‘. Als natürlicher Körper verkehrte er zwischen dem Palast des Königs und dem Palast seiner Provinz, um so in beiden Terrains die Kontrolle zu bewahren und gleichzeitig für den König präsent zu sein. War der mukungu auf Reisen oder im Krieg, so musste er von einem seiner Beamten vertreten werden. Dieser wurde dann als mukungu betitelt und trug damit auch alle Konsequenzen seiner Aufgabe. Das Prinzip, einen natürlichen Körper durch einen anderen, in diesem Fall politischen Körper zu duplizieren, wiederholte sich auch in anderen Machtpraktiken des Königtums. Nach John Roscoes ethnografischen Angaben wurde bei der Inthronisation eines BabitoKönigs in vorkolonialer Zeit für ein paar Tage ein Scheinkönig auf den Thron gesetzt und dann ermordet. Auf diese Weise diente die Kopie des natürlichen Körpers als Schutz, Stellvertreter und im Frazer’schen Sinne als ‚Sündenbock‘

17 Beattie, J.: The Nyoro State, S. 131-133.

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für das Original.18 Mit den Stellvertretern war die Gefahr der Rebellion eines Provinzfürsten zumindest gemindert. Das Territorium des gesamten Königtums erstreckte sich über all die Gebiete, deren politische Führer und Provinzverwalter dem Babito-König Loyalität erwiesen. Die Grenzen waren daher fließend. Selbst nach dem Verlust der südlichen Gebiete, die im Kolonialkrieg verloren und von britischen Offizieren an das Königtum Buganda transferiert worden waren, blieben diese Provinzen loyal zum König von Bunyoro-Kitara. Ab 1900 führte die Kolonialregierung das Verwaltungssystem Bugandas in Bunyoro-Kitara und im übrigen Protektorat ein. Das besetzte Königtum wurde in counties (saza) eingeteilt, die auf drei weiteren Ebenen verwaltet wurden: dem sub-county (gombolola), der parish (miruka), und dem village (kyaro).19 Auf den obersten drei Ebenen gab es den saza chief, den gombolola chief und den miruka chief. Die Dorfebene wurde von bakungu oder batongole headmen verwaltet. Damit wurden die höchsten Beamten des Königtums Bunyoro-Kitara auf die unterste Ebene des neuen Verwaltungssystems gesetzt. Deutlicher konnte die Entwertung des alten Systems durch die neuen Machthaber nicht gemacht werden.

M ILITÄRMACHT , R AUB

UND

K RIEG

Im 19. Jahrhundert verloren die Clanführer und auch die Provinzfürsten erheblich an Autonomie gegenüber der zentralistischen Politik des Königshofes unter Omukama Kabalega (1871-1899). Bereits zu Beginn seiner Herrschaft ersetzte Kabalega viele der Babito-Prinzen, die als bakungu in den Provinzen herrschten, durch seine Gefolgsleute aus nichtköniglichen Clanen. Außerdem ließ er die Armee seines Vaters auf mehrere Garnisonen erweitern und im Laufe der Zeit mit Gewehren bewaffnen.20 Unter Omukama Kamurasi (1852-1869) hatten die Soldaten (barusura) in erster Linie für die Ordnung im Palast und für den Schutz des Königs gesorgt. Für Kriegsdienste waren Bauernsoldaten aus den Provinzen rekrutiert worden. Diese irregulären Truppen (obwesengeze) waren die eigentli-

18 Roscoe, J.: The Bakitara or Banyoro, S. 130-131. 19 Ich übernehme hier die englischen Termini, weil es im Deutschen keine geeignete Übersetzung gibt. County, sub-county, parish und village entsprechen in etwa einem Distrikt, einem Unterdistrikt, einer Gemeinde und einem Dorf. Vgl. dazu Beattie, J.: The Nyoro State, S. 200. 20 Uzoigwe, G.: „Revolution and Revolt in Bunyoro-Kitara“, S. 310; Doyle, S.: Crisis and Decline in Bunyoro, S. 56.

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chen Machtmittel der Provinzfürsten. Mit den barusura erhielten sie eine schlagkräftige Gegenmacht. Zu Beginn der 1890er Jahre sollen etwa 20.000 ausgebildete Soldaten als barusura gekämpft haben. Mit dem Ausbau der Kanuflotte konnten auch die Wasserwege für militärische Angriffe und zur Sicherung des Territoriums genutzt werden. Zu Land und zu Wasser verfügte Kabalega mit den barusura über ein Machtmittel, das er räumlich und zeitlich flexibel einsetzen konnte. Auf diese Weise wurde er weniger abhängig von den Kriegsdiensten der Bevölkerung und seiner Provinzverwalter (bakungu). Militärisch verfügte der König über zwei Armeen, denn auch die Provinzgouverneure mobilisierten im Kriegsfall die männliche Bevölkerung und bildeten Regimenter (bwesengeze). Diese waren jedoch kleiner und weniger gut ausgebildet und ausgestattet als die barusura. Dies war sicher auch ein Grund, warum die Armeen immer mehr Söldner aus den umliegenden Ethnien und Deserteure der ägyptischen Armee aufnahmen. Barusura-Regimenter waren berüchtigt dafür, dass sie auch in der eigenen Bevölkerung mordeten, plünderten und für den König Tribute eintrieben.21 Der nigerianische Historiker Geoffrey Uzoigwe argumentiert, der König habe die Bevölkerung vor den Übergriffen seiner barusura nicht schützen können, weil er damit den Regimentern die Lebensgrundlage entzogen und sich selbst seines Machtinstruments beraubt hätte.22 Dies ist nur bedingt zutreffend, denn wie der britische Historiker Shane Doyle schreibt, gab Kabalega den Barusura-Regimentern Land, das von Sklaven bewirtschaftet wurde. Zudem konnten Barusura-Führer zu Provinzführern (bakungu) ernannt werden, vor allem in Regionen, die als rebellisch galten. Im Laufe der Zeit begannen sich die bwesengeze an die militärischen Strukturen der barusura anzugleichen, und die Söhne von chiefs traten in die Barusura-Regimenter ein. Im Kriegsfall wurden beide Armeen gleichzeitig eingesetzt. Mit dieser Verbindung der Armeen und der Provinzverwaltung wurde die Administration strenger zentralisiert und stärker durchorganisiert. Wie Doyle meint, waren die Armeen aber auch für zunehmende soziale Spannungen in Bunyoro-Kitara verantwortlich.23 Die Ökonomie des Königtums beruhte lange Zeit auf pastoralen und bäuerlichen Produktionsweisen sowie auf Krieg und Raub. Seit dem 18. Jahrhundert führten Land- und Bevölkerungsverluste zu Krisen in der politischen und wirtschaftlichen Ökonomie des Königtums, die teils durch militärische Expansionen, teils durch Handel mit Elfenbein und Sklaven ausgeglichen werden konnten. Im Folgenden möchte ich zeigen, wie sich die Krise des cattle kingdoms auf die po-

21 Doyle, S.: Crisis and Decline in Bunyoro, S. 56, 57. 22 Uzoigwe, G.: „Revolution and Revolt in Bunyoro-Kitara“, S. 313-314. 23 Doyle, S.: Crisis and Decline in Bunyoro, S. 57.

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litische Kultur auswirkte und die Vorstellungen von Fruchtbarkeit in eine neue Richtung lenkte.

K RISE

DES CATTLE KINGDOMS

Bunyoro-Kitara wird in der wissenschaftlichen Literatur als eines der cattle kingdoms im afrikanischen Zwischenseengebiet bezeichnet. Der Terminus ist ambivalent, weil er impliziert, dass Rinder den Reichtum und Fokus des Königtums bildeten. Tatsächlich profitierte das Reich Kitara lange Zeit von der Viehzucht. Ähnlich wie in den südlicheren Reichen Nkore, Ruanda, Burundi und anderen hatten sich Viehhalter (Bahuma) durch ungleiche Klientelbeziehungen mit Bauern als dominante Klasse etabliert. Im 19. Jahrhundert allerdings war diese Dominanz gebrochen und der Rinderreichtum im Schwinden. Bis zum 18. Jahrhundert lag das Kernland Bunyoro-Kitaras noch sehr weit südlich in den Provinzen Bwera, Mwenge, Kyaka, Buyaga und Bugangaizi. Hier befanden sich die Weidegründe und Machtzentren der Bahuma-Clane und auch das Zentrum des Babito-Reiches. Die große Zahl an königlichen Gräbern, archäologische Funde von pastoralen Verteidigungsanlagen und die Konzentration von Schreinen der Cwezi-Geister/-Könige unterstützten diese These. Von den Bahuma-Clanen wurde besonders der Schrein Ndahuras mit dem Medium Nyakahuma auf dem Hügel von Mubende konsultiert. Dieser Schrein erhielt im 19. Jahrhundert noch zusätzliche Aufmerksamkeit, weil der Geist Ndahuras um Schutz vor den Pocken gebeten wurde. Neue Krankheiten waren über die Karawanenrouten, aber auch durch Raubzüge und den Sklavenhandel eingeschleppt worden. Die Pocken, Cholera und die Schlafkrankheit gehörten neben der Diphterie und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten zu diesen neuen Gefahren. Bei den Tieren breitete sich die Rinderpest immer wieder aus und führte zu rapiden und großen Verlusten. Als Kompensation mussten Raubzüge in Buganda und Ankole durchgeführt werden. Die relativ hohe Mobilität im 19. Jahrhundert, die Migration von Menschen und Waren sowie der Verlust und Gewinn von Weidegebieten brachten ein großes Potenzial an externen Einflussfaktoren für die Wirtschaft des cattle kingdoms. Es scheint jedoch nicht, dass die Tauschebene der Rinder in die anderer Prestigegüter und Machtobjekte wie Waffen eingriff. Rinder waren für die pastoralen Bahuma weiterhin die Lebensgrundlage und das Zahlungsmittel für den Brautpreis. Die ärmeren Bauern (Bairu) nutzten für diesen Zweck Ziegen. Für den König und die übrige Elite waren Rinder neben der Vergabe von Land und Sklaven Tauschgut zum Aufbau von Klientelbeziehungen.

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Die Fixierung auf Rinder als Machtmittel der politischen Bindung löste sich im 19. Jahrhundert langsam und wurde durch das Begehren nach neuen technischen Waffen und Prestigegütern wie Perlen, Kupferdraht, Baumwollstoffen etc. ersetzt. Die Hegemonie der Rinderzüchter, die auf der Kontrolle von Rindern und ihrer Assoziation mit Fruchtbarkeit und Reichtum beruhte, verlor mit den neuen Gütern einen Großteil ihrer Legitimationskraft. Der Nachfolgekrieg zwischen dem Mubito-Prinzen Kabalega und seinem Halbbruder Kabigumire hatte die gesamte Bevölkerung und die Wirtschaft geschwächt. Es kam zu Hungersnöten und Epidemien, und die Rinderpest reduzierte die Herden noch weiter. Das Königtum musste seine Herrschaftsideologie und seine Ökonomie auf eine veränderte geopolitische und wirtschaftliche Lage ausrichten. Die Symbolik, Metaphorik und Metonymie der Milch, die der König in den Ritualen melken ließ, trank und in Macht transformierte, um das Königtum zu bereichern, wurden auf andere Leit- und Tauschmedien übertragen. Allen voran gehörten hierzu Elfenbein und Sklaven, die gegen neue Luxusgüter getauscht werden konnten.

A RMUT

UND

U NFRUCHTBARKEIT

Die historischen Quellen zur wirtschaftlichen Macht Bunyoro-Kitaras im 19. Jahrhundert sind widersprüchlich. Europäische Reisende und Offiziere des 19. Jahrhunderts berichteten von der Dichte der Bevölkerung ebenso wie von entpopularisierten Gebieten, von der schlechten Ernährungslage in diesem Königtum ebenso wie von den gut organisierten Feldern und Plantagen. Sie beschrieben das Land als fruchtbar, mit ausreichend Regen und Vegetation, zugleich auch als arm und die Bevölkerung als schlecht genährt. Emin Pascha erwähnte 1878 eine Gruppe von Frauen (baranga) am Hof des Königs, die er für Prostituierte hielt. Allerdings gehen seine Beobachtungen nur so weit, dass ihm die relativ große Bewegungsfreiheit dieser Frauen auffiel. Andere Frauen, auch die des königlichen Babito-Clans, durften den Palast nicht verlassen, ohne streng beaufsichtigt zu werden. Emin und nach ihm Shane Doyle schlossen daraus, dass diese Frauen sexuelle Dienste für reiche Banyoro am Hof des Königs leisteten. Dieser Schluss ist nicht naheliegend, da baranga häufig aus chiefly families kamen und die Töchter angesehener Banyoro waren. Möglicherweise galt für sie wie in gewöhnlichen Banyoro-Familien die Regel, dass Geschlechtsverkehr zwischen der Frau eines Gastgebers und seinem männlichen Gast als Zeichen der Gastfreundschaft galt. Diese Praktiken machten die baranga aber noch nicht zu Prostituierten oder Konkubinen, die sich für ihre Dienste bezahlen ließen. Meiner Ansicht nach gibt es zu diesem Thema nicht genügend Informationen, um

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eine solche These zu halten. Mir wurde berichtet, dass baranga eine enge Beziehung zu Babitokati hatten und als deren Spione agierten. Zusammen mit den Prinzessinnen sorgten sie außerdem für die spirituelle Atmosphäre des Palastes, sammelten wohlriechende Gräser und legten diese im Palast aus oder produzierten ‚Parfüme‘, mit denen die Rindenstoffe gepflegt werden konnten. Baranga, was so viel wie ‚wilde Lilie‘ bedeutet, galten als gute Musikantinnen und Tänzerinnen. Am Hof gab es daneben noch Sklavinnen (bazaana), deren Bewegungsfreiheit und Rechte eingeschränkt waren. Sie mussten die niederen Dienste für die Frauen, Schwestern und Tanten des Königs verrichten. Baranga hatten eigene Familien außerhalb des Palastes und so gewissermaßen wie andere Bedienstete im Palast eigene Aufgaben. Baranga der nachkommenden Generation nahmen 1994 mit der Retablierung des Königtums ihre Aufgaben wieder auf. Offensichtlich erkannte Omukama Kabalega den Wert der neuen Handelsbeziehungen mit den Händlern von der Ostküste Afrikas und mit den Sklaven- und Elfenbeinjägern aus dem Sudan für den Wiederaufbau seines Reiches. Er reglementierte den Im- und Export durch die Kontrolle der Karawanen, die das Reich betreten durften, und durch Steuern, die er durch seine Beamten auf dem Markt eintreiben ließ. Die wichtigsten Handelsgüter in Bunyoro-Kitara waren Salz, Töpfer- und Eisenwaren, Hacken, Waffen und Rindenstoffe. Die Schmiedekunst der Banyoro genoss im gesamten Zwischenseengebiet großes Ansehen und war ein Standbein des transregionalen Marktes. Der Handel in Bunyoro-Kitara wurde von Emin Pascha in seiner ganzen Fülle beschrieben.24 Der Besitz von Gewehren war ein Monopol des Königs. Da Gewehre auf dem internationalen Markt nicht für Rinder zu tauschen waren, griff Omukama Kabalega auf Elfenbein und Sklaven zurück, die auf den Fernhandelsmärkten gute Preise erzielten. Bei der Elefantenjagd musste der Jäger einen Stoßzahn des getöteten Tieres als Abgabe an den König abliefern. Da Elefanten in diesem Teil des Zwischenseengebietes offensichtlich gute Lebensbedingungen fanden und sich aufgrund der sinkenden Bevölkerungsdichte paradoxerweise ausbreiten konnten, war Elfenbein keine knappe Ressource.

24 Schweinfurth, Georg/Ratzel, Friedrich (Hg.): Emin Pascha. Eine Sammlung von Reisebriefen und Berichten Dr. Emin-Pascha’s aus den ehemals ägyptischen Aequatorialprovinzen und deren Grenzländern, Leipzig: F. A. Brockhaus 1888, S. 109 ff.

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S KLAVEREI

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R EICHTUM

Das Königtum war zwar reich an Tauschgütern, litt aber aufgrund von Mangelernährung, Unfruchtbarkeit und Kindersterblichkeit unter einer negativen Bevölkerungsentwicklung. Diese Problematik hat der Historiker Shane Doyle ausführlich in seinem Buch Crisis and Decline in Bunyoro untersucht.25 Er stellt darin die provokante und plausible These auf, dass Bunyoro-Kitara im 19. Jahrhundert auf die Sklaverei angewiesen war, um seine negative Bevölkerungsentwicklung auszugleichen. Zu diesem Zweck, so Doyle, wurden Raubzüge mit dem Ziel geführt, gebärfähige Frauen zu entführen, um sie zu Ehefrauen oder zu Sklavinnen zu machen. Mit der Geburt eines Kindes konnte eine versklavte Frau die Freiheit und damit volle Rechte im Clan ihres Ehemannes erlangen. Das würde bedeuten, dass die Staatskunst und Bevölkerungspolitik darin bestand, sich durch Sklaverei nicht einfach an Gütern zu bereichern, sondern vor allem die menschliche Reproduktion und damit die Bevölkerungszahl zu erhöhen. In Anbetracht der geopolitischen Lage Bunyoro-Kitaras und seiner Nachfrage nach Waffen scheint mir diese Interpretation richtig, aber zu stark auf das Problem der demografischen Krise gerichtet zu sein. Auch in Bunyoro gab es ein Stratum an reichen Bauern und Rinderhaltern, die sich als ‚Banyoro‘ oder ‚Herren‘ begriffen und durch Sklavenhandel neue Reichtümer und Macht erwarben. Erstaunlich ist zudem, dass umgekehrt Buganda seine Raubzüge auf Bunyoro-Kitara richtete und dort eine erhebliche Zahl von Sklaven, vor allem Frauen, nahm. Diese scheinen jedoch in Buganda zur Arbeit in den Bananenplantagen eingesetzt und nicht mit dem Ziel der Fortpflanzung und Erhöhung der Bevölkerungszahl genommen worden zu sein. Im dicht bevölkerten Buganda bestanden keine Problem der Reproduktion, sondern solche der Umverteilung von Reichtum. Der Krieg gegen Bunyoro-Kitara (1893-1899) gibt dem Sklavenhandel eine paradoxe Funktion. Statt seine Bevölkerung vermehrt zu reproduzieren, stürzte das Königtum in eine noch tiefere demografische Krise. Da Bunyoro-Kitara seit der Mitte des 19. Jahrhunderts immer stärker im Sklavenhandel engagiert war, galt es in den Augen des britischen Empires als eine der letzten Bastionen im Menschenhandel. Dieses Argument diente als Rechtfertigung für einen Angriffskrieg gegen das Königtum. Allerdings wurde im kolonialpolitischen Diskurs auch kein Hehl daraus gemacht, dass Großbritanniens geopolitische Interessen am Nil auf dem Spiel standen. Die Sklaverei lieferte also einen willkommenen Vorwand, um wirtschaftliche und politische Störfaktoren zu beseitigen. Hungersnöte, Armut, eine hohe Sterbe- und eine niedrige Geburtenrate kennzeich-

25 Doyle, S.: Crisis and Decline in Bunyoro.

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neten nach dem Krieg die Situation der Bevölkerung in dem besetzten Königtum.

K OLONIALE T RANSFORMATIONEN Durch den kolonialen Krieg (1893-1899) verlor das Königtum etwa die Hälfte seines Territoriums und seiner Bevölkerung. Es folgte eine Phase des ökonomischen Umbruchs, in der die Kolonialverwaltung verschiedene Maßnahmen einführte, um die Wirtschaft zu monetarisieren. Ziel war es, den Cash-crop-Anbau anzutreiben, die Kosten der Verwaltung durch Steuern zu senken und das Prinzip der Lohnarbeit zu verbreiten. Anders als in Buganda sollte es kein Privateigentum an Land (mailo) geben, da das ganze Land nun nominell der britischen Krone gehörte und zur Cash-crop-Produktion durch Kleinbauern genutzt werden sollte. Gefragt waren Kaffee, Kakao, Gummi und Baumwolle. Der König musste bürokratische Aufgaben übernehmen und schriftlich über seine Maßnahmen Rechenschaft ablegen. Seine Handlungsmacht wurde nun auf ein bürokratisches Amt in der Kolonialverwaltung übertragen.26 Erst 1917 ernannte er einen Premierminister (katikiro) zu seiner Unterstützung. Das Königtum deckte seine Unkosten durch einen Teil der Steuern und Abgaben, die von den chiefs und den britischen Kolonialbeamten für den kolonialen Staat eingetrieben wurden. Prinzipiell änderte sich an diesem System bis zum Ende der kolonialen Herrschaft 1962 nichts Wesentliches. Die Geld- und Warenwirtschaft etablierte sich weiter über die Einführung von Schulgebühren, Krankenhaus- und Transportkosten sowie über die neuen Märkte. In den 1950er Jahren entstanden Kooperativen von Kleinbauern, die mit modernem Saatgut, Traktoren und moderner Vermarktung bessere Preise erzielen sollten. Die Kooperativen scheiterten in kurzer Zeit an den Monopolen der Aufkäufer, die die Preise diktierten, und an den Preisschwankungen des Weltmarktes für die cash crops. John Beattie berichtete dennoch, dass Bunyoro-Kitara es im Vergleich zu anderen Teilen des britischen Protektorats zu Wohlstand gebracht hatte. Er machte seine Beobachtungen vor allem an der kolonialen Infrastruktur fest: an Straßen, Schulen, Krankenhäusern,

26 In Ruth Fishers Twilight Tales of the Black Baganda (S. 194) findet sich ein Foto des Munyoro-chiefs und königlichen Regenten Paulo Byabacwezi, auf dem er mit einer Schreibmaschine abgebildet ist. Schriftlichkeit wurde für Positionen oberhalb der Dorf- und Gemeindeebene im kolonialen Staat zur Bedingung. Eine Schreibmaschine perfektionierte diese neue Fertigkeit und brachte vermutlich zusätzliches Prestige für ihre Besitzer.

4. T RANSFORMATIONEN

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Poststellen sowie an der Zahl der Fahrräder, der Busse, der rechtwinkligen Häuser mit Wellblechdächern und anderen Zeichen der Moderne. Tatsächlich begegnete mir dieses Bild einer ‚goldenen Vergangenheit‘ in meinen Interviews mit älteren Banyoro häufiger. Die Moderne mit ihrem Bildungssystem, ihren materiellen und technischen Errungenschaften wurde darin als ein Zugang zu neuem Reichtum betrachtet. Noch genauer sah Archibald Dunbar, ein Beamter der kolonialen Landwirtschaftsabteilung, die Vorteile der Moderne für die Banyoro: „It would, however, be safe to say that in 1900 the bulk of the people lived in grassbeehive-shaped huts. In 1936 about three-quarters of the people lived in these huts and less than one-tenth in 1961. In 1900 the people wore barkcloth and skins and their possessions were few, except for those manufactured or grown locally. These would have been pots, pipes, hoes, spears, knives, axes, stools, drums, gourds, barkcloth, hides and skins. By 1961 the majority of the people lived in square houses built of mud-and-wattle, sometimes cement plastered and cement floored and roofed with corrugated iron. They wore clothes made from cotton or synthetic fibres, shoes or sandals made out of old motor car tyres and their possessions were many, including beds, mattresses, blankets, sheets, crockery, aluminium pots and pans, cutlery, glassware, hoes, axes, pangas, chairs, tables, mats, pictures and photographs, not least being a bicycle and frequently a radio. Even in 1961 all gradations of wealth, and consequently possessions, could be found: some people still living in abject poverty. Manufactured soap and imported paraffin were in common use.“27

Nach Aussage dieses Beamten hatten sich nicht nur die materiellen Bedürfnisse und ihre Deckung durch importierte Produkte grundlegend verändert. Auch die Ernährungsweise der Bevölkerung revolutionierte die bisherige soziale Ordnung und ihre Hierarchien. Fingerhirse und Süßkartoffeln, die bisherigen Grundnahrungsmittel, wurden durch Kochbanane, Reis, Cassava und Mais ergänzt und allmählich ersetzt. Tee, Zucker, Öl und importiertes Salz wurden zur Standardware und (Weiß-)Brot zu einem Nahrungsmittel reicher Städter. Frauen begannen, Eier, Huhn und Fisch zu essen, eiweißreiche Nahrungsmittel, die ihnen zuvor verboten waren. Ebenso brachen die ehemals pastoralen Clane mit Nahrungstabus, die ihnen den Verzehr von Eiern, Huhn, Fisch und Bohnen untersagten. Lediglich das Meidungsobjekt (omuziro) blieb für alle Banyoro ein strenges Nahrungstabu. Das nährstoffreiche Hirsebier wurde durch weniger

27 Dunbar, A.: A History of Bunyoro-Kitara, S. 216-217.

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nahrhaftes Bananen- und Maisbier und durch Bananenschnaps (waragi) ersetzt.28 Langfristig führte die veränderte Ernährungsweise zu neuen Krankheitsbildern wie Diabetes als Folge von Fehlernährung. Der Alkoholkonsum war bereits im 19. Jahrhundert mit dem Fernhandel und den neuen Märkten von einem Privileg der Ältesten zu einem Privileg der Jungen, Reichen und Mächtigen geworden.29 Alkoholismus wurde im 20. Jahrhundert zu einem verbreiteten Problem. Kurzfristig aber verbesserte sich für viele Banyoro bis in die 1960er Jahre die Lebensqualität und damit die Fruchtbarkeit. Auch die Arbeiten von Shane Doyle zeigen, dass sich die Geburtenrate in Bunyoro-Kitara gegen Ende der Kolonialherrschaft wieder erholt hatte.30

Z USAMMENFASSUNG Das Königtum in Afrika griff im 19. Jahrhundert auf moderne Technologie und eine räuberische Produktionsweise zurück, um seine Macht zu sichern. Ähnliche Vorgänge wurden von Jean-François Bayart unter dem Titel „Die Politik des Bauches“ für das 20. Jahrhundert beschrieben.31 In diesem Kontext nimmt der Raub die Form von Korruption an. Er wird von Bayart als eine Ursache für die Krise der afrikanischen Staaten interpretiert. Ich gehe nicht so weit, in der „Politik des Bauches“ einen kulturellen Determinismus zu sehen. Unter den Bedingungen fragiler Herrschaftsverhältnisse und Lebensbedingungen betrachte ich sie vielmehr als eine politische Strategie, die in einen moralischen Diskurs eingebunden ist und kritisiert wird. Mit Anthony Giddens lässt sich feststellen, dass die Moderne auch in Afrika zu einer Institutionalisierung von militärischer Macht und zu einer Technisierung des Krieges führte, die auf Dauer die Entbettung sozialer Institutionen zur Folge hatte. In Bunyoro-Kitara war vor allem die Kohäsion der Clane von den Entbettungsmechanismen der Moderne betroffen. Vorerst jedoch konnten Außenseiter wie ethnisch Fremde und Sklaven in das Königtum integriert werden und in der sozialen Hierarchie zu militärischen Führern aufsteigen. Babito-Prinzen und Bahuma-Viehzüchter waren in dieser militärischen Institution weniger bedeutsam als diejenigen, die von ihnen als Bairu be-

28 Ebenda. 29 Willis, Justin: Potent Brews. A Social History of Alcohol in East Africa 1850-1999, Oxford: James Currey 2002, S. 91 ff. 30 Doyle, S.: Crisis and Decline in Bunyoro; Doyle, S.: An Environmental History of the Kingdom of Bunyoro in Western Uganda, S. 375. 31 Bayart, J.-F.: The State in Africa.

4. T RANSFORMATIONEN

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zeichnet wurden, die bäuerlichen Clane. Allerdings kam es im 19. Jahrhundert auf allen Ebenen zu einer sozialen Mobilität, die die ethnischen und sozialen Grenzen aufweichte. Neue ökonomische Diskurse bewirkten die Exklusion des weiblichen Geschlechts von der Macht und die Entmachtung der BakunguProvinzfürsten. Das Clansystem verlor in dieser Transformation seine politische Funktion und löste sich trotz seiner sozialen Funktionen immer stärker auf. Im 19. Jahrhundert fand eine Transformation Bunyoro-Kitaras von einem cattle kingdom zu einer Sklavenhaltergesellschaft statt. Im Zentrum der Macht standen nicht mehr vorrangig die Verfügbarkeit und die Symbolik von Rindern als Reichtum, sondern der Fernhandel mit seiner Warenökonomie. Sklaven und Elfenbein wurden darin die wichtigsten Handelsgüter, und die Armee bildete das wichtigste Machtinstrument. Mit der Verschiebung seiner Herrschaftsmittel führte Omukama Kabalega neue Dimensionen der Macht im Zwischenseengebiet ein. Ähnliche Prozesse fanden in den anderen Königtümern, allen voran in Buganda statt. Im Unterschied zu Buganda kämpfte das Königtum BunyoroKitara mit einer demografischen Krise, die Armut und Unfruchtbarkeit zu zentralen Themen der lokalen Diskurse machte. Die Ökonomie der Sklaverei war eine Antwort darauf. Sie vertiefte aber auch das Bewusstsein über die Macht des Reichtums und die Ohnmacht der Armut. Unter kolonialer Herrschaft materialisierten sich die neuen ökonomischen Diskurse in einer veränderten Lebensweise der Bevölkerung. Explizit kamen die Transformationen in der Ernährung und in den Geburtenraten zum Ausdruck. Zwar wurde die Institution des Königtums von der Mehrheit der Bevölkerung nicht infrage gestellt, wohl aber die Performanz des Königs unter den kolonialstaatlichen Bedingungen. Im folgenden Kapitel zeige ich, wie im postkolonialen Staat neue hegemoniale Diskurse und die Formation von politischen Parteien zur Beseitigung des Königtums führten.

5. Postkoloniale Herrschaftsdiskurse

Gleich zu Beginn der postkolonialen Ära setzten die neuen Machthaber die Zeichen des Wechsels. Fünf Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung wurden die Königtümer abgeschafft (1967) und der Staat Uganda zur Republik erklärt. In den folgenden Jahren (1967-1986) herrschten vier Regime und zwei Interimsregierungen, die sich auf das Militär als Machtinstrument stützten. In diesem Kapitel geht es mir darum zu zeigen, wie sich die neuen Machtverhältnisse in Uganda etablierten und wie die neuen Regime ihr Verhältnis zu den ehemaligen Königtümern, besonders zu Bunyoro-Kitara gestalteten. Ich greife Jean-François Bayarts Thesen von der „reziproken Assimilation alter und neuer Eliten“ und vom „Streben nach Hegemonie“, die in den postkolonialen Staaten Afrikas zu einer „Politik des Bauches“1 geführt haben, auf und untersuche diese Thesen anhand der Entstehung des Staates Uganda und der Abschaffung seiner Königtümer. Mein Augenmerk liegt auf der Kontinuität, der longue durée, und auf den Brüchen in den Diskursen und Praktiken der politischen Kultur des Königtums und des postkolonialen Staates. Ich frage ferner, welche Diskurse die Rückkehr der Königtümer (1993) ermöglichten.

P OLITIK UND E THNIZITÄT – D IE ‚ VERLORENEN G EBIETE ‘ Mit der Transformation zum postkolonialen Staat sorgten sich Banyoro verstärkt um den Verbleib ihrer ‚verlorenen Gebiete‘ in Buganda und um den Status

1

Bayart beruft sich hier auf den italienischen Politologen Antonio Gramsci, für den die „reziproke Assimilation der Eliten“ eine Voraussetzung für ‚Hegemonie‘ als eine Form der Herrschaft durch Zustimmung ist (Bayart, J.-F.: The State in Africa, S. 149).

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Bunyoro-Kitaras in diesem postkolonialen Staat. Ethnizität wurde in den Auseinandersetzungen um die Gebiete zum dominanten Diskurs. Seit ihrem Transfer an Buganda 1894 hatten Banyoro gegen die Okkupation der counties Bugangaizi und Buyaga protestiert. Auf beiden Seiten wurde die Zugehörigkeit der Bevölkerung zum Königtum Bunyoro-Kitara verteidigt. Als ein Zeichen dieser Zugehörigkeit wurde auf die Gräber der Babito-Könige verwiesen, die mehrheitlich in Buyaga und Bugangaizi liegen.2 Die Vorbereitungen zur Unabhängigkeit des postkolonialen Staates riefen die Befürchtung hervor, dass die Gebiete und damit das alte Kernland Bunyoro-Kitaras endgültig an Buganda verloren gehen könnten. Selbst in anderen Teilen des Protektorats dienten die Gebiete als Präzedenzfall für die Privilegierung Bugandas im Kolonialstaat und für eine verfehlte Landpolitik der Kolonialregierung.3 Omukama Tito Winyi behauptete seine Herrschaftsansprüche, indem er sich diplomatisch für die Rückgabe der Gebiete einsetzte und immer wieder Petitionen an die britische Regierung sandte. In den Gebieten selbst formierte sich seit den 1920er Jahren friedlicher und seit Ende des Zweiten Weltkriegs gewaltsamer Widerstand. Einige führende Banyoro gründeten das Mubende Banyoro Committee (MBC), eine Bewegung zur Befreiung der ‚verlorenen Gebiete‘. Sie schrieben Petitionen an den Gouverneur des Protektorats und forderten Reformen. Das MBC machte sich zum Sprachrohr der ethnischen Mehrheit, indem es von einer ‚Versklavung‘ der Banyoro durch die Baganda-chiefs und Landbesitzer sprach.4 Mit dem Historiker Shane Doyle lässt sich argumentieren, dass das MBC den Anti-SklavereiDiskurs der britischen Imperialisten für seine politischen Ziele zu nutzen wusste.5 Es bezichtigte Buganda einer Praxis der Ausbeutung, für die BunyoroKitara von den Briten mit Krieg und Unterwerfung gestraft worden war. Der

2

Außerdem wurden die counties Buwekula (Nord Singo), Bulemezi, Buruli und Bugerere zurückgefordert. Diese lagen zwar an den Grenzen zwischen Buganda und Bunyoro-Kitara, ihr ‚Transfer‘ nach Buganda fand aber bereits vor dem Eingriff der Briten statt. Dazu: Karugire, S. R.: A Political History of Uganda, S. 213-215.

3

Kiwanuka, Semakula: „The Diplomacy of the Lost Counties and its Impact on Foreign Relations of Buganda, Bunyoro and the Rest of Uganda, 1900-1964“, in: Mawazo 4 (1974) 2, S. 111-141, hier: S. 117.

4

Karugire, S. R.: A Political History of Uganda, Appendix 1: „Memorandum submitted by the Mubende Banyoro Committee to the Commission of Privy Councillors appointed to investigate the issue of Bunyoro’s lost counties of Buyaga, Bugangaizi, Buwekula, Bugerere, Buruli and portions of the counties of Singo and Bulemeezi“, 1980, S. 201-210.

5

Doyle, S.: From Kitara to the Lost Counties.

5. P OSTKOLONIALE H ERRSCHAFTSDISKURSE

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Sklavereidiskurs nährte sich durch Gesetze, die die Regierung Bugandas für die ‚verlorenen Gebiete‘ erlassen hatte. Sie verbot die Lokalsprache Runyoro, passte Nyoro-Namen der hegemonialen Sprache Luganda an und verbot Versammlungen. Baganda-chiefs und Landbesitzer konnten Banyoro-Bauern zu Arbeitsdiensten heranziehen und Abgaben von ihnen fordern. Andererseits verweigerten sie Banyoro die Möglichkeit, Land zu kaufen und darauf mit cash crops und soliden Gebäuden zu investieren.6 Banyoro fühlten sich neben der Manipulation ihrer ethnischen Identität zudem im Zugang zu Bildung und Arbeit diskriminiert. Viele waren gezwungen, in reichere Regionen wie Buganda abzuwandern.7 Ökonomisch galten die ‚verlorenen Gebiete‘ in Buganda als ressourcenreich und fruchtbar, zugleich aber führten Baganda einen ethnischen Diskurs, der Banyoro als ‚faul‘ stigmatisierte, da sie die Arbeit verweigerten. Umgekehrt betrachteten oppositionelle Banyoro die infrastrukturellen Maßnahmen der Baganda als unzureichend für eine wirtschaftliche Entwicklung. Sie erklärten Baganda für arrogant und sahen deren kulturelle Hegemonie als eine Bedrohung für die eigene Identität. Banyoro erklärten (und erklären) die lange Dauer ihrer geringen menschlichen Reproduktion und ihrer geringen wirtschaftlichen Produktivität mit dem Subimperialismus der Baganda unter den Briten.8 Die gegenseitigen Stigmatisierungen verhärteten die politischen Positionen. Mit Joseph Kazairwe, einem Veteranen des Zweiten Weltkriegs, wurde das MBC in der 1950er Jahren radikaler.9 Unter seinem Einfluss nahmen die Proteste gegen die Präsenz der Baganda militante Formen an. Waffen wurden in die Gebiete geschmuggelt und Überfälle auf Baganda, ihr Eigentum und ihre Unterstützer unternommen. Zur Unabhängigkeitskonferenz in London 1961 spitzte sich die Krise um die ‚verlorenen Gebiete‘ zu. Das MBC mobilisierte die Bevölkerung, um die Baganda-chiefs und -Siedler in den Gebieten gewaltsam zu vertrei-

6

Kiwanuka, S.: „The Diplomacy of the Lost Counties“, S. 115.

7

Henry Ford Miriima, Journalist und Pressesprecher des Omukama von BunyoroKitara reaktivierte den Sklavereidiskurs 2000 in seinem Buch Ebyafayo bya Kibaale Distrikti (Die Geschichte des Kibaale Distrikts) (Miriima, Henry Ford: Ebyafaayo bya Kibaale Distrikti [1891-2000], Kampala: New Vision Printing and Publishing Corporation 2000). H. F. Miriima übernahm die Aufgaben seines Vaters Joseph Kazairwe, des ehemaligen MBC-Sekretärs.

8

Roberts, Andrew D.: „The Sub-Imperialism of the Baganda“, in: Journal of African

9

Zur Geschichte des MBC siehe Kiwanuka, S.: „The Diplomacy of the Lost Counties“,

History 3 (1962) 3, S. 435-450. S. 113 f., sowie Southall, Roger J.: Parties and Politics in Bunyoro, Kampala: Makerere Institute of Social Research 1972, S. 16.

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ben und so Druck auf die Verhandlungen in London auszuüben. Die Kolonialregierung griff zur Disziplinarmacht, erklärte den Ausnahmezustand für die Gebiete und patrouillierte darin mit Polizeieinheiten. Die oppositionellen Diskurse der Banyoro gegen die Hegemonie Bugandas brachten letztendlich die Gebiete zurück zum Königtum Bunyoro-Kitara. Allerdings hatte dieser Erfolg einen hohen Preis, denn er führte zur Abschaffung der Königtümer.

S TREBEN

NACH

H EGEMONIE

Im Streben nach Hegemonie gibt es nach Jean-François Bayart zwei Idealtypen: die „konservative Modernisierung“, bei der die alten Eliten an der Macht bleiben, und die „soziale Revolution“, bei der ein Teil der „Unterdrückten“ an die Macht kommt.10 In Uganda fand beides nacheinander statt. Die Königtümer, allen voran Buganda, versuchten eine „konservative Modernisierung“, bis sie schließlich durch eine „soziale Revolution“ gestürzt wurden. Für das Königtum Bunyoro-Kitara brachte die Unabhängigkeit zwei gravierende Veränderungen. Zum einen erhielt es 1964 nach einem Referendum die counties Buyaga und Bugangaizi zurück, zum anderen wurde es 1967 zusammen mit den anderen Königtümern Ugandas abgeschafft. Wie konnte es innerhalb so kurzer Zeit zu einem Sturz des politischen Systems kommen? Der eigentliche Machtwechsel bahnte sich bereits vor der Unabhängigkeit des Protektorats an. Bugandas privilegierte Stellung als autonomes Gebiet hatte zu scharfer Kritik aus Bunyoro-Kitara geführt, insbesondere als die Verhandlungen zur Unabhängigkeit begannen und Buganda den Status quo auf die postkoloniale Ordnung zu übertragen suchte. Omukama Tito Winyi forderte auf der Unabhängigkeitskonferenz in London 1961 erneut die Rückgabe der ‚verlorenen Gebiete‘.11 Er erreichte jedoch nicht mehr als die Zusicherung der Briten, dass es ein Referendum zu dieser Frage geben werde. Das Referendum wurde auf die postkoloniale Ära vertagt und so der neuen ugandischen Regierung die Verantwortung zugeschoben. Kurz vor der Unabhängigkeit herrschte vor allem die Frage, wer den zukünftigen Staat führen und wie dieser Staat organisiert sein sollte. Für die britische Regierung galt es, eine Sezession des Königtums Buganda zu verhindern. Buganda forderte wie die übrigen Königtümer eine föderale Ordnung, bean-

10 Bayart, J.-F.: The State in Africa, S. 119 ff. 11 Karugire, S. R.: A Political History of Uganda. Darin: Appendix 2: „Uganda Constitutional Conference 1961 Restoration of Bunyoro’s Lost Counties. Memorandum by the Katikiro of Bunyoro Kingdom. Mr. Z. Kwebiha“, S. 212-222.

5. P OSTKOLONIALE H ERRSCHAFTSDISKURSE

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spruchte darin aber die politische Hegemonie. Außerdem beharrte Buganda auf der territorialen Hegemonie über die ‚verlorenen Gebiete‘.12 Im Kampf um die Macht entfalteten regionale, ethnische und religiöse Aspekte ihre Wirkung. Vor der Unabhängigkeit hatte die Democratic Party (DP), die als Partei der Katholiken galt, einen deutlichen Sieg bei den Wahlen zur gesetzgebenden Versammlung davongetragen. Die Protestanten und damit auch die alte Elite der Königtümer sahen ihre Interessen im Uganda Peoples Congress (UPC) vertreten. Dennoch standen die Parteien in Opposition zur Macht der Könige. Besonders deutlich wurde dies im politischen Kampf um die ‚verlorenen Gebiete‘, in dem weder die DP noch die UPC die Interessen des Königs von Buganda unterstützte. Aus diesem Grund formierte sich die Partei Kabaka Yekka (King alone). Sie war allein in Buganda vertreten und hatte hier die konservative Klientel hinter sich. Die UPC sah sich gezwungen, mit der KY in eine Koalition zu treten. Nach den ersten allgemeinen Wahlen zum Nationalparlament (1962) bildeten beide zusammen die Regierung. Darin wurde Obote zum Premierminister ernannt, und der kabaka von Buganda übernahm das Amt des Staatspräsidenten. Eine Vorherrschaft Bugandas im postkolonialen Staat schien unvermeidlich. Sie entschied sich jedoch am Referendum zu den ‚verlorenen Gebieten‘, in dem der Machtkampf zwischen dem Königtum Buganda und dem Nationalstaat administrativ ausgetragen wurde. Kurz vor dem Referendum initiierte der kabaka eine neue Siedlungspolitik, um das Referendum für Buganda zu entscheiden. Er veranlasste BagandaVeteranen des Zweiten Weltkrieges, sich in den Distrikten Buyaga und Bugangaizi niederzulassen. Hierzu schuf er eine Modellsiedlung in Nyaika, einem Dorf an den Ufern des Albertsees.13 Die Taktik ging jedoch nicht auf, weil die Wähler länger als zwei Jahre in den ‚verlorenen Gebieten‘ gelebt haben mussten. Für die meisten Baganda-Veteranen traf diese Bedingung nicht zu. Noch vor dem Referendum, im August 1964, löste Milton Obote die Koalition der UPC mit der Partei des Kabaka (KY) auf. Inzwischen hatte die UPC neue Mitglieder aus den konkurrierenden Parteien abwerben können, sodass die Partei stark genug war, allein zu regieren. Im November konnte daraufhin die Regierung das Referendum in den ‚verlorenen Gebieten‘ auch gegen den Widerstand Bugandas durch-

12 Zu den Verhandlungen kurz vor der Unabhängigkeit siehe Southall, R. J.: Parties and Politics in Bunyoro, S. 14-20. 13 Das Ndaiga-Projekt wird detailliert in Sembabule Kiwanuka: „The Diplomacy of the Lost Counties“, S. 130-132, beschrieben.

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führen.14 Die Bevölkerung der beiden counties Buyaga und Bugangaizi entschied sich mit großer Mehrheit für eine Rückkehr zu Bunyoro-Kitara. Damit lagen auch die meisten Gräber der Babito-Könige wieder auf dem Territorium dieses Königtums. Buganda hatte einen wichtigen Teil seines Herrschaftsraumes verloren. Nach diesem Verlust weigerte sich der kabaka, den Transfer der ‚verlorenen Gebiete‘ zu unterzeichnen und verstieß damit gegen seine Pflichten als Staatspräsident. Er ordnete dieses Amt der Autorität des Königs unter und provozierte so weitere Auseinandersetzungen mit dem Premierminister.

D IE A BSCHAFFUNG

DER

K ÖNIGTÜMER

1966 war ein entscheidendes Jahr für die postkoloniale Regierung, denn es brachte die „soziale Revolution“, die Bayart als einen Idealtyp des Strebens nach Hegemonie betrachtet.15 Allerdings kamen nicht die „Unterdrückten“ an die Macht, sondern diejenigen, die sich bereits über die „konservative Modernisierung“ etabliert hatten. Premierminister Obote und ein Offizier der Armee, Colonel Idi Amin, waren in den illegalen Handel mit Gold und Elfenbein aus der Republik Zaire verwickelt. In der Nationalversammlung wurde dazu eine Anfrage gestellt. Als der Premierminister eine Untersuchung veranlasste und fünf seiner Minister festnehmen ließ, spitzte sich die Krise zu. Unter den verhafteten Ministern befand sich George Magezi, einer der führenden Politiker des Uganda Peoples Congress in Bunyoro-Kitara. Er hatte zusammen mit den anderen Ministern die Anfrage unterstützt, vermutlich, wie R. C. Southall in seiner politischen Analyse dieser Zeit meint, um Obote zu stürzen.16 Magezi hatte offensichtlich längst die Absicht des Premierministers erkannt, die Königtümer zu beseitigen. Nach der Verhaftung der Minister setzte Obote die Unabhängigkeitsverfassung von 1962 außer Kraft und erklärte den Ausnahmezustand für das ganze Land. Sich selbst ernannte er zum Staatspräsidenten. Zur Legalisierung seiner selbstdeklarierten „Revolution“17 erließ er eine Übergangsverfassung, in der die föderale Struktur des postkolonialen Staates abgeschafft wurde und mit ihr die

14 Zur Krise 1964 siehe Kabwegyere, Tarsis B.: The Politics of State Formation and Destruction in Uganda, Kampala: Fountain 1995, S. 208-209. 15 Siehe Bayart, J.-F.: The State in Africa, S. 119 ff. 16 Southall, R. J.: Parties and Politics in Bunyoro, S. 47. 17 Karugire, Samwiri R.: The Roots of Instability in Uganda, Kampala: Fountain 1996, S. 57.

5. P OSTKOLONIALE H ERRSCHAFTSDISKURSE

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Königtümer. Das Amt des Präsidenten versah Obote mit der Macht über den öffentlichen Dienst, die Justiz und das Militär. Konkret bedeutete dies, dass der Präsident die Exekutive und die Vergabe von Ämtern kontrollierte.18 Die Regierung Bugandas lehnte daraufhin die neue Verfassung ab und forderte Obote auf, das Territorium Bugandas als Regierungssitz zu verlassen. Diesen Widerstand beantwortete Obote mit einer militärischen Attacke auf den Palast des kabaka. Sie wurde von dem inzwischen zum General beförderten Idi Amin ausgeführt. Kabaka Frederik Mutesa floh in die koloniale Metropole London. Kurz nach dem Angriff auf den Palast in Buganda wurden auch die übrigen Könige entmachtet und aufgefordert, ihre Paläste zu verlassen. Ihre Regalia wurden auf Lastwagen verladen und in das Nationalmuseum gebracht. Omukama Tito Winyi zog sich in seinen zweiten Palast in Masindi im Norden Bunyoro-Kitaras zurück. Die Genealogie der Ereignisse zeigt, wie sich in kurzer Zeit das Dispositiv der Macht veränderte und die Königtümer ausschloss. Zu diesem Zweck beseitigte das neue Regime die Symbole und Repräsentationsfiguren der Königtümer, handelte aber wie die Könige im 19. Jahrhundert mit Gold anstelle von Sklaven und mit Elfenbein. Zur Legitimation seiner Macht, die keine sakrale Begründung hatte, festigte der Präsident seine Macht 1967 mit einer neuen zentralistischen Verfassung. Anhand dieser Legitimation herrschten auch die nachfolgenden Regime bis 1993. Die wichtigsten Änderungen lagen in der Entmachtung der Königtümer und in der Ermächtigung der Zentralregierung unter der Herrschaft des Uganda Peoples Congress. Uganda wurde zur Republik erklärt. Zwei Jahre später (1969) wurden die Aktivitäten oppositioneller politischer Parteien verboten, sodass die UPC zur Einheitspartei des Landes aufstieg.19 Praktisch erlebten die Königtümer das gleiche Schicksal wie zuvor die Geisterkulte und einige Jahre später die politischen Parteien. Sie wurden gebannt und verboten. Im 19. Jahrhundert war der König von Bunyoro-Kitara militärisch gestürzt und exiliert worden. Die Briten hatten den natürlichen Körper des Königs beseitigt und durch einen anderen ersetzt. Sie hatten das Repräsentationssystem jedoch beibehalten. Die postkoloniale Regierung im 20. Jahrhundert revolutionierte das politische System und beseitigte neben dem König auch den sozialen und räumlichen Körper des Königtums. Das Territorium BunyoroKitaras wurde dem neu gegründeten Nationalstaat und seiner zentralistischen Verwaltungspolitik als Ganzes einverleibt. Es wurde ‚geschluckt‘, um in der

18 Karugire, S. R.: A Political History of Uganda, S. 192; Mukholi, David: A Complete Guide to Uganda’s Fourth Constitution. History, Politics and the Law, Kampala: Fountain 1995, S. 16. 19 Mukholi, D.: A Complete Guide to Uganda’s Fourth Constitution, S. 16-18.

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Metaphorik der politischen Kultur des Zwischenseengebietes zu bleiben. Obote konfigurierte eine nationalstaatliche Variante des Königtums im Zwischenseengebiet, obwohl er selbst aus einer ‚segmentär‘ organisierten politischen Kultur kam. Seine Politik gegen die Könige erzeugte einen politischen Kult um das Amt und die Macht des Präsidenten.

R EZIPROKE A SSIMILATION

DER

E LITEN

Jean-François Bayart sieht ein ‚Übergangsszenario‘ vom Kolonialstaat zum Nationalstaat, in dem es zu einer ‚reziproken Assimilation der Eliten‘ kommt. Damit meint er „a widespread alliance of different regional, political, economic and cultural segments of the social elite“20. Ihm zufolge diente der postkoloniale Staat dieser neuen Union als Matrix.21 Zwar kam es im postkolonialen Uganda zu einer Assimilation von Teilen der alten und der neuen Eliten, gleichzeitig aber herrschten innerhalb der neu gegründeten Parteien die alten politischen und konfessionellen Gegensätze. Der Anthropologe Richard Werbner weist darauf hin, dass eine reziproke Assimilation von Eliten zwar zu gemeinsamen Identitäten führt, zugleich aber auch Ambivalenzen erzeugt. Er spricht von einer „politischen Hybridität“22, die sich in der politischen Kultur des postkolonialen Staates über Jahre hin aufbaut und sowohl zu stillschweigendem Einverständnis (Hegemonie im Sinne Gramscis) als auch zu Widerstand führen kann. Es wäre irreführend, die Abschaffung der Königtümer allein den hegemonialen Bestrebungen Bugandas und der Parteipolitik auf nationaler Ebene zuzuschreiben, denn ebenso schwer wogen die Interessen auf der Lokalebene. Mit den allgemeinen Wahlen zogen 1960 politische Parteien in das königliche Parlament Bunyoro-Kitaras ein.23 Bereits 1955 war der Omukama durch das rukurato in seiner Macht beschränkt und Bunyoro-Kitara zu einer konstitutionellen Monarchie erklärt worden. Der Mubito-Prinz Dr. I. K. Majugo, später Vorsitzender der UPC in Bunyoro-Kitara, musste dabei zwischen dem König und seinem Parlament vermitteln und den Omukama von seiner Niederlage überzeugen.

20 Bayart, J.-F.: The State in Africa, S. 150. 21 Ebenda. 22 Werbner, R.: „Multiple Identities, Plural Arenas“, S. 14. 23 Zu ihren Unterstützern gehörte der Premierminister (katikiro) des Königtums, Metusera Katuramu, und ein Neffe des Omukama, Dr. Majugo. Ein weiterer MunyoroPolitiker, George Magezi, gehörte zu den Parteiführenden der UPC in der Hauptstadt Kampala. Siehe Southall, R. J.: Parties and Politics in Bunyoro.

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Dieser lenkte ein, unterstützte aber in den Rukurato-Wahlen 1960 die Kandidaten der Democratic Party und somit die Katholiken. Das Misstrauen des Königs gegenüber den Vertretern der UPC war deutlich, denn seit Beginn der Christianisierung in Bunyoro-Kitara gehörten die Dynastie der Babito und mit ihr die chiefs des Königtums zum protestantischen Lager. Lediglich in den ‚verlorenen Gebieten‘ dominierten die Katholiken als Konfession und als politischer Block. Sie gehörten jedoch noch nicht wieder zu Bunyoro-Kitara und waren nicht in dessen Parlament vertreten. Seit der Unabhängigkeit 1962 setzte sich die Regierung des Königtums, das nun föderalen Status besaß, aus einem Ministerrat und einem Premierminister (katikiro) zusammen. Diese Ämter besetzten UPCMitglieder. Dr. Majugo, der Neffe des Omukama, führte zusammen mit George Magezi die UPC, ohne selbst ein Amt in der Regierung des Königtums zu besetzen. Beide waren politische broker24 zwischen der lokalen und der nationalen Ebene. Sie vermittelten zwischen den Zielen der Partei und denen des Königtums Bunyoro-Kitara. Das theoretische Konzept des brokers impliziert, dass die Akteure mehr als einen Diskurs beherrschen und zwischen verschiedenen Diskursen wechseln können. In einigen wichtigen Fragen wie der politischen Repräsentation der Königtümer und des Privateigentums wich George Magezi jedoch von Obote ab. Vor allem boykottierte er dessen sozialistische Positionen und blieb loyal zum Königtum. Dr. Majugo und sein Parteisekretär Metusera Katuramu hingegen unterstützten Obote, selbst als dieser die Königtümer abschaffte und seine „Common Man’s Charter“ verkündete.25 In diesem Zusammenhang möchte ich zwar mit Bayart von einer ‚reziproken Assimilation der Eliten‘ reden, weil die UPC bereits seit der Unabhängigkeit und der Formation des postkolonialen Staates die junge gebildete Elite in BunyoroKitara absorbierte.26 Auch die alte ‚chiefly elite‘ unterstützte von 1960 bis 1966 die UPC, weil sie die ‚verlorenen Gebiete‘ zurückgebracht und die Hegemonie Bugandas beendet hatte. Gleichzeitig sollte nicht vergessen werden, dass keine der Eliten homogen, sondern immer von inneren Fraktionen zerrissen war und damit die Assimilation störte. ‚Politische Hybridität‘ erzeugte im ugandischen

24 Das Konzept des brokers wird auch von Thomas Eriksen verwendet, allerdings für Migranten, die als cultural brokers zwischen zwei Kulturen vermitteln (vgl. Eriksen, Th.: Ethnicity and Nationalism, S. 65). Bayart spricht in diesem Zusammenhang von „Entrepreneur“, betont damit aber auch die wirtschaftlichen Interessen der Akteure stärker als ihre politischen oder kulturellen (Bayart, J.-F.: The State in Africa, S. 207 ff.). 25 Southall, R. J.: Parties and Politics in Bunyoro, S. 51-53. 26 Bayart, J.-F.: The State in Africa, 1993, S. 150.

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wie in anderen postkolonialen Staaten neue multiple Identitäten.27 Nach der Abschaffung der Königtümer gab es nur noch eine Partei, die UPC, mit einem breiten Spektrum an politischen Interessen und feindlichen Fraktionen. Offene oppositionelle Diskurse verstummten jedoch unter dem zunehmenden Druck der Parteiführung und der Sicherheitsorgane.

S OZIALISMUS

UND SAKRALER

K ÖNIGSMORD

Mit der neuen Verfassung von 1967 verkündete Präsident Obotes einen „Moveto-the-Left“ und eine „Common Man’s Charter“ (1969). Die neue politische Ideologie war sozialistisch orientiert. Sie richtete sich gegen die Ordnung der Königtümer und privilegierte nun den ‚einfachen Bürger‘. Königtümer galten als ‚feudale Ordnungen‘ und als reaktionär. Obote entledigte sich aller Symbole des Königtums und verbat die Partei Kabaka Yekka (King Only). Seit der Krise um den Lubiri-Palast des kabaka hatte Obote den Ausnahmezustand über Buganda verhängt. In Bunyoro-Kitara verlor der königliche Clan seine privilegierte Stellung, seinen Landbesitz und die Möglichkeit, von den Pächtern zu leben. Babito sahen sich staatlichen Repressionen ausgesetzt. Wer nicht im öffentlichen Dienst unterkam, versuchte sich als Unternehmer oder als Bauer, eben als ‚Common Man‘. Auch einige Babitokati, weibliche Mitglieder des königlichen Clans, machten sich beruflich selbstständig. Für viele Mitglieder der königlichen Lineage begann jedoch ein Prozess der Verarmung28, der durch den Terror der Regime in den kommenden Jahren auch auf die übrige Bevölkerung übergriff. Obotes Ziel, eine sozialistische Ordnung in Uganda zu etablieren und somit die herrschende Ordnung zu revolutionieren, begann mit der Manipulation der Gesetzgebung und der Armee. Mit diesen Mitteln sollte der Staat entkolonisiert werden und fest in der Hand afrikanischer Akteure liegen. Seit der Krise 1966 grenzte Obote die Möglichkeiten der Opposition gegen sein Regime zunehmend ein. Die neue Konstitution von 1967 verlieh ihm autokratische Möglichkeiten. Neue Gesetze wurden 1969 erlassen, nach denen politische Kandidaten in mehreren Wahlkreisen gewinnen mussten, um als Abgeordnete in das Parlament einzuziehen. Sechzig Prozent der ausländischen Betriebe und einige inländische Unternehmen sollten verstaatlicht werden. Asiaten und Europäer sollten das Land verlassen. Nach einem Attentat auf den Präsidenten im Oktober 1969 wurde Uganda im Dezember zum Einparteienstaat erklärt und der Ausnahmezustand

27 Vgl. Werbner, R.: „Multiple Identities, Plural Arenas“, S. 15. 28 Interview mit Prinz Silvester Kisoro, 15. Mai 2000, Hoima.

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verhängt.29 Obote regierte nun ausschließlich mit UPC-Unterstützern, mit der Geheimpolizei und mithilfe der Armee. Er setzte Mitglieder seiner eigenen Ethnie (Langi) an die Spitze des Militärs und ließ neue Soldaten nach ethnischer Zugehörigkeit vor allem bei den Acholi und Iteso im Norden Ugandas rekrutieren. Obotes Misstrauen richtete sich gegen die Königtümer, insbesondere Buganda. Er beseitigte nicht nur ihre ‚zwei Körper‘, sondern unterdrückte auch die königliche Symbolik. Dennoch handelte er nach dem Vorbild der Könige. Er erkannte die Armee und die Partei, das heißt eine eigene Gefolgschaft, als Stützen der Macht im Staat. Der ugandische Historiker Karugire argumentiert, dass Obote zur Gewalt griff, weil ihm die Legitimation zur Herrschaft fehlte. Er besaß keine königliche Sakralität und war nicht zum Präsidenten gewählt worden, sondern hatte den kabaka gestürzt.30 Ich möchte Karugires Argument aufnehmen und behaupten, dass Obote den König politisch und symbolisch ‚tötete‘, um selbst die Nachfolge anzutreten. Andernfalls hätte er sich nicht gegen die Sakralität des Königs behaupten können. Diese Gefahr bestand auch für die nachfolgenden Machthaber. In der Theorie des sakralen Königtums behauptete James Frazer, dass die sakrale Kraft des Königs durch Mord auf den Nachfolger übertragen wird. Tatsächlich beging Obote ‚sakralen Königsmord‘ in mehreren Königtümern zugleich. Mit diesem Begriff meine ich den symbolischen Tod des Königs, nicht seinen physischen. Nichtsdestotrotz starb Kabaka Mutesa II bereits drei Jahre und Omukama Tito Winyi vier Jahre nach der Abschaffung der Königtümer. Ihr Tod besiegelte den Tod der Königtümer. In Bunyoro-Kitara war Premierminister Obote noch 1964 zum Empango-Fest mit einer Ekondo-Krone ausgezeichnet worden. Sie war einerseits ein Zeichen der Anerkennung für die Rückgabe der ‚verlorenen Gebiete‘, andererseits symbolisierte sie eine Verpflichtung gegenüber dem sakralen König in Bunyoro-Kitara. Wer die Würde der Krone verletzte, der musste mit der Strafe der dem Objekt innewohnenden Kraft rechnen. Obote lehnte die Machtteilung mit den Königen seit der Krise 1966 ab und wurde bald darauf selbst gestürzt.

29 Kabwegyere, T. B.: The Politics of State Formation and Destruction in Uganda, S. 210-215. 30 Karugire, S. R.: A Political History of Uganda, S. 189.

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M ILITÄRHERRSCHAFT

UND

T ERROR

Im Januar 1971 übernahm Obotes Armeeführer, General Idi Amin, die Macht in Uganda. Er verkündete 18 Punkte, mit denen er den Putsch begründete.31 Dazu gehörte die Spaltung der Armee in Pro-Obote- und Anti-Obote-Kräfte, die Machtstellung der Langi in der Armee und die Bevorzugung des Langi-Distrikts im Entwicklungsplan der sozialistischen Regierung. Vor allem aber wurden die ungleiche Verteilung der Güter, die zunehmende Korruption, die Unsicherheit der Bürger und das Verbot der politischen Opposition als Gründe für den Putsch genannt. Amin setzte die Verfassung von 1967 in einigen Punkten außer Kraft und ernannte sich selbst zum ‚Präsidenten auf Lebenszeit‘ – gewissermaßen zum König. Die Abschaffung der Königtümer machte er nicht rückgängig. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Obote bediente sich Amin jedoch explizit der Symbolik und Rituale des Königtums.32 Im April 1971 ließ er den Leichnam des kabaka von England nach Uganda bringen und bestattete ihn medienwirksam mit einem Staatsbegräbnis in den königlichen Gräbern Bugandas in Kasubi. Als Omukama Tito Winyi im Juni 1971 starb, nahm Amin auch am Staatsbegräbnis für den ehemaligen König von Bunyoro-Kitara teil. Zum einen versuchte er auf diese Weise die Unterstützung der Baganda und Banyoro für sich zu gewinnen. Zum anderen versuchte er seine Machtübernahme zu legitimieren, indem er sich der Körper der Könige bemächtigte und sie bestattete. Tatsächlich verhielt er sich wie ein Thronfolger, der nach dem Sieg über die Rivalen den toten König bestattet und dann die Rituale der Inthronisation durchläuft. In weiten Teilen des Landes wurde er als ‚Befreier‘ vom UPC-Regime begrüßt.33 Präsident Obote war ungeachtet aller sozialistischen Rhetorik dem Königsmord selbst zum Opfer gefallen. In den folgenden Jahren verlor Amin rasch seine Glaubwürdigkeit. Er herrschte ausschließlich durch Dekrete, durch das Militär und durch die Geheimpolizei.34 Im Gegensatz zu den Königen der vorkolonialen Ära waren die postkolonialen Regimeführer jeglicher Kontrolle entzogen. Es gab keine formellen Institu-

31 Mukholi, D.: A Complete Guide to Uganda’s Fourth Constitution, S. 19. Ebenso in Karugire, S. R.: A Political History of Uganda, Appendix IV, 1980, S. 238-240. 32 Werbner, R.: „Multiple Identities, Plural Arenas“, S. 15. 33 Vgl. Ray, B.: Myth, Ritual and Kingship in Buganda, S. 5. 34 Es handelte sich um die Public Safety Unit, das State Research Bureau und das Defence Council. Die ersten beiden Organe waren nach Angaben von Karugire für die Verfolgung und Ermordung zahlloser Ugander verantwortlich (Karugire, S. R.: The Roots of Instability in Uganda, S. 79).

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tionen im Staat, die ihnen Opposition boten und sie kontrollierten. Nach Amins Sturz im April 1979 durch die Invasion der tansanischen Armee und verschiedener ugandischer Befreiungsgruppen herrschte ein Machtvakuum. Die Befreiungsgruppen schlossen sich als Uganda National Liberation Front (UNLF) zusammen und richteten Kommissionen als Regierungsinstrumente ein. Zwei Präsidenten, zunächst Yusuf Lule und nach ihm Godfrey Binaisa, scheiterten jedoch innerhalb eines Jahres an den bestehenden Machtverhältnissen. Die allgemeinen Wahlen im Dezember 1980 brachten den Uganda Peoples Congress (UPC) und dessen Vorsitzenden Milton Obote wieder an die Macht. Die Wahlen waren nachweislich manipuliert und die Wähler der Democratic Party (DP) als Sieger betrogen worden.35 In den folgenden Jahren (1980-1985) versuchten verschiedene ugandische Befreiungsbewegungen Präsident Obote und das UPC-Regime, das sich erneut auf das Militär stützte, zu stürzen. Ohne Zweifel hatte der postkoloniale Staat die Versprechen der Freiheit und des Fortschritts nicht einhalten können. Gemessen an der politischen Kultur der Königtümer hatten die neuen Regime zu sozialem und politischem Chaos geführt und den bestehenden Reichtum zerstört. Entscheidender noch, sie hatten die Moral der Gesellschaft untergraben. Während meiner Forschung 1999/2000 äußerten ältere Banyoro immer wieder ihr Bedauern darüber, dass die Jugend im Krieg aufgewachsen war und sich von der Kultur der Königtümer entfremdet hatte. Es entstand eine Diskrepanz zwischen den moralischen Vorstellungen der alten und der jungen Generationen. Neue religiöse Bewegungen wie die SiebenTage-Adventisten, die unabhängigen Pfingstlergemeinden und die katholischen Charismatiker (Katwesengereza) verteufelten zudem die alten Geisterkulte, die traditionellen Heiler (bafumu) und die Kubandwa-Medien. In den ehemaligen ‚verlorenen Gebieten‘ gründete Dosteo Bisaka, ein früherer Katechist der katholischen Kirche, eine eigene religiöse Bewegung.36 Wie ich 1999 vor Ort feststellen konnte, galt Bisaka als erfolgreicher Priester und Heiler, der gegen bösartige Geister und Kannibalen kämpfte. Sich selbst verstand er als Teil einer spirituellen Trinität, die mit den lokalen und translokalen Geistern den Kampf aufnahm.37

35 Karugire, S. R.: The Roots of Instability in Uganda, S. 85 ff. und Appendix I: „The Rigged 1980 Uganda General Elections“, S. 98-114. 36 Kassimir, Ronald: „The Politics of Popular Catholicism in Uganda“, in: Spear, Thomas T./Kimambo, Isaria N. (Hg.): East African Expressions of Christianity, Oxford u. a.: James Currey 1999, S. 248-274, hier: S. 262-265. 37 Im Juni 1999 besuchte ich das Gotteshaus (itambiro ly’omukama) von Dosteo Bisaka und führte ein erstes Gespräch mit ihm. Ein Interview fand unter Führung von Heike

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B EFREIUNGSKAMPF

UND

D EMOKRATISIERUNG

Mit den manipulierten Wahlen 1980 trat zunächst eine Kehrtwende für die Gebiete der ehemaligen Königtümer ein. Unter der Führung von Yoweri Museveni formierte sich eine Widerstandsgruppe, die Popular Resistance Army (PRA), gegen das zweite Obote-Regime. In Bunyoro-Kitara galt Museveni als „One of us“.38 Er kam aus der alten Elite des ehemaligen cattle kingdoms Nkore und gehörte einem führenden Clan, den Bahinda, an. Museveni identifizierte sich mit den Viehhaltern (Bahima), lehnte jedoch das Königtum als ‚tribalistische‘ Institution ab. Er gehörte zur akademischen afrikanischen Elite des kolonialen und postkolonialen Staates, die sich von den herrschenden Regimen nur begrenzt ‚assimilieren‘ ließ. Unter Museveni formierte sich eine Widerstandsgruppe gegen Idi Amin, die er auch in veränderter Konstellation gegen Milton Obotes zweites Regime führte. Die PRA begann ihren Guerillakrieg gegen das Obote-Regime 1981 in Luwero, einem Distrikt des ehemaligen Königtums Buganda.39 Kurz darauf schloss sie sich mit den Uganda Freedom Fighters (UFF) zusammen und nannte sich National Resistance Army (NRA). 1985 kam es zu einem erneuten Militärputsch unter der Führung der Acholi-Offiziere Bazillio und Olara Okello. Damit hielten die Acholi aus dem Norden Ugandas zum ersten Mal die Macht im Staat.40 Die NRA führte ihren Buschkrieg nun weiter gegen das neue Militärregime. Sie bildete eine zweite Front im Westen und Südwesten Ugandas, das heißt in den Gebieten der ehemaligen Königtümer Bunyoro-Kitara, Tooro und Ankole. Hier fand sie wie in Buganda Unterstützung in der Bevölkerung und konnte neben dem militärischen auch einen administrativen Flügel aufbauen, das National Resistance Council (NRC).

Behrend am 2. August 1999 in Muhooro, Kagadi-Distrikt statt. Bei dieser Gelegenheit überreichte uns Owobusobozi (Der Allmächtige) Bisaka die von ihm als Teil der Trinität verfasste Heilige Schrift The Book of God of the Age of Oneness. We are one in the Lord God of Hosts. Disunity has ended. 38 Interview am 3. Juli 1999 mit Muzeeyi Mburwamukoro einem der Berater von Omukama Solomon Iguru, in Pakanyi, Masindi Distrikt. 39 Präsident Yoweri K. Museveni gibt sein eigenes Narrativ über den Befreiungskampf gegen Idi Amin und den anschließenden Buschkrieg gegen Milton Obote, sowie über die Machtübernahme der NRA in Sowing the Mustard Seed. The Struggle for Freedom and Democracy in Uganda (London: Basingstoke 1993). 40 Behrend, Heike: Alice und die Geister. Krieg im Norden Ugandas, München: Trickster 1993, S. 33.

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Im Laufe des Guerillakrieges entstanden in den ‚befreiten Gebieten‘ der NRA sogenannte ‚Resistance Councils‘ (RCs). Die Idee ähnelte den Arbeiterund Soldatenräten in revolutionären kommunistischen Regimen Europas. Sie wurde von der FRELIMO in Mosambik entlehnt. Die RCs sollten egalitäre, ‚basisdemokratische‘ Machtverhältnisse gewährleisten. Auf Dorfebene bildeten jeweils neun Mitglieder der Gemeinschaft einen Dorfrat. Dieser entschied über Streitfragen und traf administrative Entscheidungen, wie sie auch zur Unterstützung der NRA notwendig waren. In den 1990er Jahren wurden die Resistance Councils in Local Councils (LCs) umbenannt. Ihre Struktur und Mitgliedschaft blieb erhalten. Später entstanden die Räte auf Dorf-, Gemeinde-, Bezirks- und Distriktebene. Sie mündeten im NRC. Die oberen vier Ebenen wurden indirekt gewählt, indem immer ein Mitglied aus den neun Mitgliedern der unteren Ebene in die nächsthöhere Ebene gesandt wurde. Das System wurde in den von Museveni eroberten Gebieten äußerst populär, weil es mit der Dominanz der alten rivalisierenden Parteien brach. Nach der Machtergreifung der NRA im Januar 1986 bildete es die Grundlage der neuen Administration und der politischen Machtstrukturen. Die neuen Machthaber propagierten eine Ideologie der Einheit, nach der alle Parteien unter einer Organisation, dem National Resistance Movement (NRM), zusammengefasst wurden. Zur Demokratisierung der politischen Struktur dienten die Widerstandsräte auf den oben genannten fünf Ebenen. Die Königtümer wurden demgegenüber als Bedrohung betrachtet, weil sie die alten Rivalitäten und Ungleichheiten verkörperten. Gleichzeitig bildeten sie aber das Rückgrat des neuen Regimes, denn dessen Unterstützer kamen mehrheitlich aus der Bevölkerung der alten Königtümer.

NRM

UND DIE

R ÜCKKEHR

DER

K ÖNIGTÜMER

Die neuen Machthaber, das National Resistance Movement, wurden mit der Forderung nach einer Rückkehr der Königtümer und des Mehrparteiensystems konfrontiert. Präsident Museveni und das NRC, der militärische Rat, entschieden sich für die Entbannung der Königtümer und gegen politische Parteien. Das Traditional Rulers (Restitution of Assets and Properties) Statute 1993 ermöglichte die Rückgabe der Besitztümer der Königtümer, die Milton Obote 1967 konfisziert und verstaatlicht hatte. Zugleich wurde den Königen in dem Statut politisches Handeln untersagt, wie der spätere Vizepräsident von Uganda, Professor Apollo Nsibambi, bekräftigte:

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„It is made clear that a traditional ruler shall not take part in partisan politics, stand for election to a political office, overtly favour or campaign for a candidate running for political office. He shall not have or exercise any administrative, legislative executive or juridical powers of central or local government. He is also exempted from direct personal tax.“41

Im Zehn-Punkte-Programm der NRM standen ‚Demokratisierung‘, ‚Sicherheit von Person und Besitz‘ und ‚nationale Einheit‘ an erster Stelle.42 In seinem Modernisierungs- und Demokratisierungsdiskurs trennte das NRC zwischen politischer und kultureller Autorität sowie zwischen politischer und kultureller Handlungsmacht. Diese Trennung orientierte sich an westlichen Regierungsmodellen und ignorierte die politische Kultur der Königtümer mit ihrer Verbindung von Politik und Religion. Die Argumentation der NRM führte zu höchst widersprüchlichen Machtdiskursen und Machtpraktiken in Uganda, da die Könige einerseits nicht politisch aktiv sein und andererseits die Politik der Regierung unterstützen sollten.43 Nicht nur in den Königtümern meldeten ‚traditionelle Führer‘ ihre Autorität an und erwarteten politische und finanzielle Unterstützung durch die NRM. Deren Vorsitzender, Präsident Yoweri Museveni, kehrte die von Obote in den 1960er Jahren vollzogenen Maßnahmen schlichtweg um. Neben dem Traditional Rulers Statute 1993 deklarierte er eine Modernisierung des Staates, zog die Regierung aus sozialen Maßnahmen zurück, devaluierte die ugandische Währung und leitete eine Privatisierungspolitik der verstaatlichten Betriebe ein. Ferner dezentralisierte er die Regierung, sodass die Lokalregierungen wieder eigene Machtbefugnisse und selbstverwaltete Distriktbudgets erhielten.44 Mit der Transformation der lokalen Räte (Local Council) in Lokalregierungen (Local Government) schuf Präsident Museveni eine Gegenmacht zu den zurückgekehrten ‚Traditional Rulers‘. In Bunyoro-Kitara führte diese Machtteilung zu einem tiefen Konflikt zwischen der Lokalregierung und der Regierung des Königtums. Über seine Stellvertreter, die Residence District Commissioners (RDC), oder direkt griff der Präsident immer wieder in die lokale Politik ein. Wie sein Vorgänger Obote war auch Präsident Museveni ‚Oberster Befehlshaber der Armee‘ und zugleich ‚Vorsitzender der Movement-Partei‘. Deren Politik

41 Nsibambi, A.: „The Restoration of Traditional Rulers“, S. 47. 42 Museveni, Y. K.: Sowing the Mustard Seed, Appendix: „The Ten-Point-Programme of the National Resistance Movement“, S. 217. 43 Vgl. Karlström, M.: The Cultural Kingdom in Uganda; Nsibambi, A.: „The Restoration of Traditional Rulers“. 44 Vgl. Museveni, Y. K.: Sowing the Mustard Seed.

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wurde nach langen Konsultationen der Bevölkerung von den Resistance Councils befürwortet und in einer neuen Verfassung 1995 verankert. Statt einer UPCFührung war nun eine NRM-Führung an der Macht. Allen übrigen Parteien war wie den neuen Königtümern und den traditionellen Autoritäten anderer Gebiete die politische Opposition untersagt. Erst im Jahr 2000 sollte ein Referendum zum politischen System stattfinden und über die Rückkehr der politischen Parteien entscheiden.45

Z USAMMENFASSUNG Die Entstehung des postkolonialen Staates Uganda veränderte das Dispositiv der Macht im Zwischenseengebiet, nachdem es bereits vom kolonialen Staat transformiert worden war. In der heterogenen Gesamtheit des Dispositivs verschwanden die Königtümer als Institutionen. Dieses Kapitel umfasst den Zeitraum zwischen der Abschaffung und der Rückkehr der Königtümer im 20. Jahrhundert. Die beiden zentralen Ereignisse fanden im postkolonialen Staat statt, den sie damit in entscheidendem Maß formierten beziehungsweise transformierten. Nach der Unabhängigkeit wurde Uganda ein föderaler Staat mit konstitutionellen Monarchien, kurz darauf eine zentralistische Republik mit sozialistischer Ideologie und schließlich eine dezentralisierte Republik mit basisdemokratischer Ideologie. Die drei Formen der Herrschaft benennen die jeweils hegemonialen Diskurse und die Auslegung ihrer Praktiken, wie sie von östlichen und westlichen Regierungen zum Ideal erhoben worden waren. Die Institution des Königtums verlor in diesen Repräsentations- und Herrschaftsmodellen ihre politische Handlungsmacht. Dabei entschied sich der Machtkampf zwischen dem Königtum Buganda und dem postkolonialen Staat an der Frage des Territoriums, am Besitz der ‚verlorenen Gebiete‘ von Bunyoro-Kitara. Ethnische und kulturelle Argumente wie der Verlust der Königsgräber von Bunyoro-Kitara überdeckten die ökonomische und bevölkerungspolitische Bedeutung dieser Gebiete. Ihr Besitz war auch für das Königtum Bunyoro-Kitara im postkolonialen Staat unverzichtbar. Durch die ‚reziproke Assimilation der Eliten‘ konnte Bunyoro-Kitara bis 1967 einen politischen Diskurs über die Verteilung der ökonomischen und politischen Macht im postkolonialen Staat führen. Diese Diskurse verstummten, als die Königtümer zum Störfaktor und abgeschafft wurden.

45 Nabudere, Dani W.: Uganda Referendum 2000. Winners and Losers, Kampala: The Monitor Publications 2000.

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In Anlehnung an James Frazers Theorie vom sakralen Königtum folgere ich, dass Präsident Milton Obote ‚sakralen Königsmord‘ beging, als er die Nachfolge antrat. Nicht nur für Banyoro brach damit die postkoloniale Ordnung zusammen. Dabei musste Obote zur repressiven Macht greifen, um auch die Reste königlicher Symbolik und Macht zu unterdrücken. Im Vergleich dazu missbrauchte Idi Amin die königlichen Körper, Rituale und Symbole zur Legitimation seiner Herrschaft. Unter der Regierung des National Resistance Movement konnten sich die Königtümer wieder zu Wort melden und ihre politische ‚Kultur‘ neu ausüben. Dabei fanden sie in den Lokalregierungen eine Gegenmacht vor, mit der sie um Ressourcen und Einfluss konkurrierten. In Bunyoro-Kitara waren diese Konflikte besonders ausgeprägt. Damit verkörpert das Königtum im Zwischenseengebiet im Weber’schen Sinn eine Form der legitimen Herrschaft, an der die postkolonialen Regime in der Bevölkerung noch heute gemessen werden .

Teil II Erneuerungsdiskurse

6. Thronfolge und Legitimation des Königs

„Kings are born. They are never appointed“1. PRINZ JOHN RUKIDI vor dem High Court der Republik Uganda, 1993 im Prozess um die Thronfolge in Bunyoro-Kitara.

Nachfolge oder Sukzession ist häufig, aber nicht notwendigerweise an ein Erbrecht gebunden. Sie kann auch durch eine Wahl oder durch Gewalt entschieden werden. Entscheidend ist die Frage der Legitimation des Nachfolgers. Mit der Rückkehr des Königtums 1993 kam es zu einem Konflikt zwischen zwei rivalisierenden Prinzen und ihren Unterstützern um die Thronfolge in Bunyoro-Kitara. Ich untersuche hier, wie die Thronfolge geregelt und dabei die Legitimation des neuen Königs verhandelt und begründet wurde. Dabei kommen unterschiedliche Konzepte und Überlieferungsschriften zur Geltung, die nicht hierarchisch geordnet sind: die Tradition, mittels derer eine ursprüngliche Bedeutung und Gültigkeit beansprucht wird; die Verfassung, die als Abkommen mit der Kolonialmacht eingeführt wird; das Testament, in dem ein letzter Wille, eine Intention des Königs niedergeschrieben und mit seiner Signatur besiegelt wird. Allerdings handelt es sich um eine Fotokopie des Testaments, denn das Original ließ sich nicht mehr auffinden. Im Prozess stellte der Kläger, der den Thron für sich beanspruchte, die Authentizität des Testaments, der Signatur und der Fotokopie, die den Verklagten zum Thronfolger erklärte, infrage.2 Wenn es jedoch, wie Derrida sagt, keinen ursprünglichen Ursprung gibt (worin er mit Foucault übereinstimmt), sondern Ursprünge in den Diskursen erst erzeugt werden, dann gibt es

1

Record of Civil Appeal, S. 45.

2

Ich beziehe mich hierbei auf Jacques Derridas Thesen zur Dekonstruktion der Schrift und der Performance von Sprechakten in Engelmann, Peter (Hg.): Randgänge der Philosophie. Signatur Ereignis Kontext, Wien: Passagen 1999, S. 325-353.

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auch keine Authentizität, sondern nur die Spur des Vergangenen in der Gegenwart. Und von dieser Spur gibt es in jeder neuen Interpretation Abweichungen und neue Spuren, die von denjenigen bestimmt werden, die den Diskurs mit Macht besetzen. Genau dieses Ereignis der Auslegung und Aneignung des Diskurses will ich beschreiben und analysieren. Bis zum 19. Jahrhundert wurde die Nachfolge in Bunyoro-Kitara durch zwei Methoden geregelt: Entweder durch die Nominierung eines Prinzen, den der amtierende König für geeignet hielt, oder durch Krieg zwischen den Unterstützern rivalisierender Prinzen. 1869-1871 kämpften Prinz Kabalega und Prinz Kabigumire ganze zwei Jahre um den Thron und brachten das Königreich Bunyoro-Kitara an den Rand einer politischen und wirtschaftlichen Katastrophe. Epidemien und Hungersnöte begleiteten den Krieg. Sie galten als Ausdruck von Chaos und Führungslosigkeit, anders gesagt, als Zeichen einer kosmischen Unordnung. Die Kriege wurden in erster Linie von den rivalisierenden Prinzen und den sie unterstützenden Clanen geführt.3 Sie bezogen aber die restliche Bevölkerung in struktureller Weise mit ein und konfrontierten sie mit der Gewalt von Willkürherrschaft und mit den Gefahren epidemischer Krankheiten. Ambitionierte Clane gaben dem König Frauen, von denen jede potenziell den Thronfolger gebären konnte. Die Frauen des Königs waren daher wichtige Bindeglieder zwischen dem König und den verschiedenen Clanen. Für die Mutter des Prinzen und für den mütterlichen Clan versprach die Thronfolge ihres Schwestersohnes Privilegien und Machtpositionen im Königtum. Für den Nachfolger waren allerdings noch weitere Prüfungen vorgesehen, die er in den königlichen Installationsritualen bestehen musste. So musste er über Blutopfer steigen und seine Reinheit sowie seine Kraft und Fähigkeit zur Herrschaft beweisen. Die Blutopfer sollten den Segen der Ahnen, der embandwa und der cwezi bringen, die zum Pantheon der Geister gehörten.4 Im 20. Jahrhundert untersagte die Kirche die Blutopfer in den königlichen Ritualen. Zudem konnte die Thronfolge nicht mehr durch Krieg geregelt werden, wenn die Nominierung durch den vorherigen König von einem der Rivalen abgelehnt worden war. Stattdessen wurde der Kampf vor Gericht geführt und in einer Prozessakte niedergeschrieben. Sie ist in ihren Aussagen selektiv und in den Regeln des juristischen Vorgangs schwer durchschaubar. Dennoch bietet sie eine

3

Uzoigwe, G.: „Succession and Civil War in Bunyoro-Kitara“.

4

Vgl. Kapitel 3 „Kosmologie und Geisterkulte“. Interview mit Emanuel Nyamara Kasohera, Masindi, 19. Mai 2000. Kasohera führte die Blutopfer bei der Krönung Prinz Igurus 1994 zusammen mit seinem Kollegen Omukonda Karongo aus. Sie schlachteten einen weißen Hahn und einen schwarzen Bullen „for blessings“.

6. T HRONFOLGE

UND

L EGITIMATION DES K ÖNIGS

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Sammlung von verstreuten Aussagen, Begriffen, Äußerungsmodalitäten, Strategien und Gegenständen des Legitimationsdiskurses, die sich zu hybriden Diskursen zusammenschließen. Sie verweist auch darauf, dass dem Legitimationsdiskurs andere Diskurse vorausgehen. Im Sexualitäts-, Verwandtschafts- und Inzestdiskurs ist besonders eindrücklich sichtbar, mit welchen Strategien und Begriffen der Legitimationsdiskurs geführt wird. Aber auch die schriftliche Nominierung eines Nachfolgers im Testament des letzten Königs und ihre Legitimation durch die königliche Signatur zeigen, dass es neue Äußerungsmodalitäten gibt, die einen König hervorbringen. Bevor ich den Prozess, seine Aussagen zu den kulturellen Regeln der Nachfolge und seinen juristischen Diskurs untersuche, begebe ich mich auf das Feld der politischen Beziehungen zu Beginn der 1990er Jahre, die zur Wiedereinführung der Königtümer führten. Dann verorte ich meine eigene Position als Feldforscherin am Ende der 1990er Jahre in einem Beziehungsgeflecht von Aussagen und Sprechern zu diesem Prozess.

D AS T RADITIONAL R ULERS S TATUTE

VON

1993

Die Regierung des National Resistance Movement (NRM), die seit 1986 an der Macht ist, nahm 1993 eine Verfassungsänderung vor. Das National Resistance Council (NRC) verabschiedete den Zusatzartikel 118 A für die Verfassung von 1967, die bis 1995 in Kraft war. Er erlaubte es, die Traditional Rulers zu reinstitutionalisieren, wo dies von der Bevölkerung gewünscht und unterstützt wurde. Ausschlaggebend sollte dabei „the culture, customs and traditions of the community“5 sein, die den traditionellen Herrscher retablieren wollte. „Article 118 A, Section 3 (2) The institution of Traditional Rulers may where the people of the community for which a person is to be Ruler so wish, exist according to the culture, customs and traditions of the people.“6 „Article 118 A, Section 3 (3) The person to be designated as Traditional Ruler shall be determined in accordance with the culture, customs and traditions of the community for which that person is to be Traditional Ruler. (8) […], unless the context otherwise requires, ‚Traditional Ruler‘ means King or Ruler by whatever name called of a Kingdom or territory, the institution of which was previously abolished under this Constitution.“7

5

„Constitutional (Amendment) Statute, 1993“, zit. in: Record of Civil Appeal, S. 141.

6

Ebenda.

7

Ebenda, S. 141-142.

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Dem Anthropologen Michael Karlström zufolge kam das Gesetz auf Druck der Monarchisten in Buganda zustande.8 Buganda liegt im Zentrum des Staates Uganda. Zwar hatte die NRM in den westlichen Teilen Ugandas ihre politische Klientel, aber gerade im ökonomischen Zentrum wuchs die Unzufriedenheit über das ausbleibende Wirtschaftswachstum und über die Abneigung der NRM, die Königtümer wieder zu legalisieren. Monarchisten aus Buganda forderten schon während des NRM-Buschkrieges eine Rückkehr des kabaka. Vor dem Hintergrund eines erneuten Machtkampfes übernahm Präsident Museveni die Initiative. Er überzeugte 1992 den High Command der National Resistance Army von der Notwendigkeit, die Monarchien wieder einzurichten. Die Rückgabe der Besitztümer der Königreiche war hierzu ein erster und, wie wir später sehen werden, gewagter Schritt, weil er die politische und wirtschaftliche Handlungsmacht der Königtümer unterschätzte. Auf dieses Thema werde ich im nächsten Kapitel „‚Unsere Dinge‘ – Besitztümer und die Materialisierung der Diskurse“ zurückkommen. Mit dem Artikel 118 A sicherte sich die NRM die politische Unterstützung der südlichen und westlichen Regionen, in denen Monarchisten und Befürworter des Movement Systems großen Einfluss auf die politische Meinungsbildung nahmen. Während meiner Feldforschung 1999-2000 bestätigte sich Karlströms Einschätzung, dass die NRM nicht ohne die Unterstützung der Bevölkerung im ehemaligen Königtum Buganda regieren konnte. Vor dem Hintergrund der Einführung eines Mehrparteiensystems in Uganda benötigte die NRM darüber hinaus die Wählerstimmen aus den westlichen Gebieten. Bunyoro-Kitaras Retablierung verzögerte sich gegenüber der der Königtümer von Buganda und Tooro um ein Jahr, weil die Nachfolge auf den Königsthron noch ungeklärt war. Die beiden Prinzen, Prinz John Mpuga Rukidi und Prinz Solomon Iguru Gafabusa zogen vor den High Court der Republik Uganda, zusammen mit ihren Unterstützern und den Königsmachern. Im Folgenden stelle ich die Prozessakte und die Protagonisten des Falles vor. Die Prozessakte Im Juli 1999, drei Monate nach Beginn meiner Forschung in Uganda, lernte ich Prinz John Rukidi kennen. Inzwischen hatte ich die drei Distrikte meines Forschungsgebietes bereist und Kontakte zur Bevölkerung, zur Lokalregierung, zum König, seiner Regierung und seinem Palastpersonal, zum königlichen Clan und zu den Kirchenvertretern aufgebaut. Schnell wurde mir klar, dass die Retablie-

8

Die folgende Darstellung der Ereignisse stützt sich auf Karlström, M.: The Cultural Kingdom in Uganda, S. 234-235.

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rung des Königtums von heftigen Konflikten innerhalb Bunyoro-Kitaras begleitet wurde. Besonders ausgeprägt war der Streit um die Rückgabe der Besitztümer des Königtums, die von Milton Obote verstaatlicht worden waren. Doch bereits die Wahl eines Thronfolgers hatte zu großen Konflikten innerhalb des dynastischen Clans geführt. Ich suchte den emeritierten Bischof der katholischen Diözese Hoima, Dr. Edward Baharagate, auf, um mehr darüber zu erfahren. Der Bischof verwies mich an Irene Kabasuga, eine jüngere Schwester von Prinz John Rukidi. Sie führte ein Restaurant in Kampalas Stadtteil Wandegeya. In Begleitung meines Mitarbeiters besuchte ich das Restaurant, und wir tauschten unsere empaako9 aus. Darüber entstand ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen uns als ‚Banyoro‘. Irene Kabasuga erzählte mir, sie habe ihre Mutter, Margarete Winyi, aufgenommen, nachdem die Königtümer abgeschafft worden waren und die ehemalige Königin sich von Sir Tito Winyi getrennt hatte. 1993 unterstützte sie ihren Bruder John Rukidi, der sich als Kronprinz betrachtete. Irene Kabasuga war eine ältere, sehr vorsichtige Person, die schwierige Zeiten durchlebt hatte. Nach einigen Besuchen schlug sie ein Treffen mit Prinz John Rukidi vor. Bald darauf traf ich ihren 72-jährigen Bruder und ließ mir von ihm erklären, welche Argumente für seine Nominierung zum König und gegen die seines Halbbruders sprachen.10 Im nächsten Jahr besuchte ich John Rukidi auf seinem Land in Butema, einem trading centre im Distrikt Hoima, nicht weit von der Hauptstadt (Hoima) des Königtums entfernt. Hier lebte der Prinz, wenn er sich nicht in Kampala aufhielt. Er blickte verbittert auf den Prozess zurück, weil er von der politischen Manipulation des Falls überzeugt war. Seit dem Ende des Prozesses äußerte er sich nicht mehr öffentlich zu dessen Ausgang und sagte: „I keep quiet“.11 Gleichzeitig plante er eine Klage vor dem Gerichtshof für Menschenrechte in

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Empaako ist eigentlich ein Kosename für embandwa. Aus der Tradition der Geisterkulte heraus wurde jedem Kind in Bunyoro-Kitara bei der Geburt ein empaako verliehen, das es schützen sollte. Noch heute werden die meisten Banyoro mit einem empaako benannt und mit diesen in Konversationen adressiert. Empaako sind daher wichtige Merkmale der emotionalen Kommunikation unter Banyoro. Allerdings lehnen strenge Mitglieder von Pfingstkirchen oder charismatischen Bewegungen die empaako ab, weil sie darin eine Verbindung zu den Praktiken der Geisterkulte sehen. Vgl. Abschnitt 6 in der Einleitung, in dem ich mein empaako erläutere.

10 Das erste Treffen und informelle Gespräch mit Prinz John Rukidi fand am 8. Juli 1999 in Wandegeya, Kampala, statt. 11 Das zweite Treffen und vertiefte Interview mit Prinz John Rukidi fand am 26. April 2000 in seinem Haus in Butema im Distrikt Hoima statt.

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Genf. Bei diesem Besuch vertraute er mir die Prozessakte zum vorliegenden Fall an, damit ich mir selbst ein Bild machen und den Fall in meine Forschung aufnehmen konnte. Auf diese Weise schien es ihm möglich, mich über das Lokale hinaus zum Medium seines Protestes zu machen. Ich kopierte die Akte und gab sie ihm anschließend zurück. Im königlichen Palast in Hoima erfuhr ich wenig über die Ansichten Prinz Salomon Igurus zu diesem Nachfolgeprozess. Solomon Iguru war inzwischen seit fünf Jahren König. Die Aussagen beider Seiten, wie sie sich aus der Akte und meinen Interviews ergeben, werde ich im Folgenden darstellen und analysieren. Dabei ist mir bewusst, dass ich mich nicht, wie Foucault meint, dem Diskurs entziehen kann, um ihn von außen zu beobachten, sondern aus der Perspektive des Verlierers und seines oppositionellen Diskurses spreche. Den dominanten Diskurs der Königsmacher und des Königs habe ich hingegen so weit wiedergegeben, wie er mir durch die Akte und durch informelle Gespräche zugänglich war. Von offizieller königlicher Seite artikulierte er sich paradoxerweise in erster Linie durch sein

Abb. 3: Offizielles Portrait von Omukama Solomon Iguru Gafabusa, König von Bunyoro-Kitara

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Schweigen. In Bunyoro-Kitara waren bestimmte Aspekte des Prozesses längst bekannt. Sie kursierten als Geschichten und Skandale über den königlichen Clan und artikulierten den inoffiziellen Diskurs über die Thronfolge. Dennoch gab es ein Thema, das die Würde des Königtums und des Königs gefährdete und worüber nicht öffentlich gesprochen wurde. Es war der Vorwurf des Klägers, dass sein Vater das Inzesttabu übertreten hatte und dabei einen Sohn mit seiner „cousine-sister“ gezeugt hatte. Dieser Vorgang drohte in den Augen des Klägers, der sich zur Thronfolge qua Geburt berechtigt fühlte, erneut Unglück über das Königtum zu bringen. Ich berichte über dieses Thema, obgleich ich damit möglicherweise einen weiteren Tabubruch begehe. Gerade dieser Aspekt des Prozesses zeigt aber, wie die Legitimität des Königs und das Wohlergehen des Königtums voneinander abhängig gemacht wurden.

D ER P ROZESS Prinz John Mpuga Rukidi prozessierte gegen seinen jüngeren Bruder Prinz Solomon Iguru und dessen Krönungskomitee vor dem Hohen Gericht in Kampala.12 Das Krönungskomitee setzte sich aus zehn Personen zusammen, die alle aus der alten Elite des Königtums Bunyoro-Kitara stammten. Die Mehrheit davon wohnte in den Distrikten Hoima, Kibaale oder Masindi, den Gebieten des Königtums Bunyoro-Kitara zur Kolonialzeit. Ich werde auf die Konstellation des Krönungskomitees weiter unten zurückkommen. Auf der gegnerischen Seite befand sich Prinz John Rukidi mit seiner engsten Familie. Es klagten sein Bruder James Bukaju und seine Schwester Irene Kabasuga mit allen Mitgliedern der königlichen Familie von Sir Tito Gafabusa Winyi IV, dem verstorbenen König, und seiner verstorbenen Ehefrau Lady Margarete Kabaikya. Der Begriff ‚königliche Familie‘ war 1933 erstmals in das Abkommen zwischen dem Königtum Bunyoro-Kitara und der Kolonialmacht Großbritannien aufgenommen worden. Er bezeichnete seither die Nachkommen des kirchlich getrauten Königspaares. Mit John Rukidi klagten daher seine fünf noch lebenden Geschwister und deren Nachkommen. Die Mitglieder von Rukidis Familie lebten seit der Abschaffung des Königtums 1967 entweder in der westlichen Diaspora oder in der Hauptstadt Kampala. Rukidis Bindungen an

12 Record of Civil Appeal. Der Fall kam 1993 vor den High Court und in der Berufung 1994 vor den Supreme Court. Prinz Rukidi verlor den Prozess an seinen Bruder Iguru, der am 11. Juni 1994 zum König gekrönt wurde.

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Hoima und die anderen Distrikte des ehemaligen Königtums waren schwach. So fand der Prinz nur wenige Unterstützer für seinen Anspruch auf den Thron. Prinz Rukidi führte vier Konzepte an, die sein Recht auf den Thron begründen sollten: die monogame christliche Ehe, das Konzept der „königlichen Familie“, das Erstgeborenenrecht und das Inzesttabu. Prinz Iguru und das Krönungskomitee hingegen legten dem Hohen Gericht die Kopie eines Testaments von Omukama Sir Tito Winyi vor, in welchem er seinen Sohn Iguru zum Nachfolger auf den Thron nominiert. Daneben begründeten sie entsprechend dem Statut der NRM von 1993 die Nominierung Prinz Igurus mit dem ‚Willen des Volkes‘ und den ‚cultural traditions and customs‘ in Bunyoro-Kitara. Um den juristischen Diskurs zu verfolgen, gebe ich zunächst die Anliegen und die Begründungen der Kläger und dann die Verteidigung der Angeklagten wieder. Die Kläger baten das Gericht um drei Deklarationen13: 1. Prinz Iguru sei kein Mitglied der königlichen Familie des verstorbenen Sir Tito Gafabussa Winyi IV und der Lady Margarete Kabaikya Winyi oder einer anderen Omugo (Königin) des verstorbenen Omukama (Königs). Daher habe er kein Recht, gekrönt zu werden. 2. Prinz Rukidi sei ein Mitglied der königlichen Familie des verstorbenen Omukama und Lady Margaretes und immer als rechtmäßiger Kronprinz anerkannt worden. 3. Im Falle seines Ablebens sei sein Bruder James Bikaju, ebenfalls ein Mitglied der königlichen Familie, der rechtmäßige Nachfolger des verstorbenen Omukama als König von Bunyoro-Kitara. Weiterhin baten sie um zwei Unterlassungsverfügungen im Hinblick auf folgende Umstände: 1. Prinz Iguru behaupte öffentlich, dass er ein Mitglied der königlichen Familie und deswegen berechtigt sei, Sir Tito als Omukama von Bunyoro-Kitara nachzufolgen. 2. Der Ehrenwerte Henry Kajura und das Krönungskomitee bereiteten die Krönung Prinz Igurus vor.

13 Record of Civil Appeal, S. 11-15.

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Ihre Begründung lautete: 1. Sir Tito Winyi wurde 1924 als Omukama (König) von Bunyoro-Kitara gekrönt. 2. 1927 heiratete er Margarete Kabaikya in der Kathedrale St. Peter. Sie wurde Omugo (Königin), und beide, König und Königin, begründeten die königliche Familie. 3. 1928 bekamen sie ihr erstes Kind und nannten den Jungen John David Christian Mpuga Rukidi. 4. Am Tag der Geburt verkündeten der König und sein Parlament, das rukurato, ein Kronprinz und Erbe für den Thron sei geboren. Der Tag wurde ein öffentlicher Feiertag im ganzen Königreich. 5. Der Kronprinz (der Kläger John Rukidi) wurde in einer besonderen Weise unter der Aufsicht und auf Kosten des rukurato erzogen, ausgebildet und auf die Thronfolge vorbereitet. 6. In der Schule und an anderen öffentlichen Orten und in öffentlichen Veranstaltungen erhielt der Kronprinz eine besondere Behandlung und genoss so lange besonderen Respekt, bis das Königtum 1967 abgeschafft wurde. 7. Er stand seinem Vater, Sir Tito Winyi, bis zu dessen Tod 1971 sehr nah und wurde von ihm immer als Nachfolger behandelt. 8. Um das Königtum in Bunyoro-Kitara wiederherzustellen, sei er die erste und die vorrangig rechtmäßige Person für die Thronfolge. 9. Die Nachfolge für den Thron von Bunyoro-Kitara werde sowohl durch das Gesetz und die Verfassung Ugandas als auch durch die customs geregelt. Nur die Mitglieder der königlichen Familie seien berechtigt, auf den Thron zu folgen. 10. Prinz Iguru sei kein Mitglied der königlichen Familie und daher nicht zur Thronfolge berechtigt, solange Söhne und Enkelsöhne der königlichen Familie existierten. 11. Prinz Iguru könne auf keinen Fall auf den Thron Bunyoro-Kitaras folgen, weil er inzestuös von einer Verwandten des Omukama geboren worden sei. 12. Die Mutter Prinz Igurus könne nach den Regeln der Kinyoro-Kultur und -customs nicht die Mutter eines Königs werden, da sie selbst ‚Prinzessin‘ sei. 13. Sir Tito und Lady Margarete seien rechtmäßig in der Kirche und im Einklang mit den christlichen Prinzipien und den Gesetzen des Landes getraut worden, und nur die Umstände dieser Heirat berechtigten zur Nachfolge auf den Thron. 14. Seit der Gesetzesnovelle zur Rückkehr der traditionellen Herrscher sei Prinz Iguru (dennoch) als Nachfolger des Omukamas von Bunyoro-Kitara dekla-

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riert worden und werde weiterhin als solcher deklariert. Es werde behauptet, Sir Tito habe ihn in seinem Testament zum Nachfolger erklärt und alle Mitglieder seines Komitees, das sich ‚Krönungskomitee‘ nenne, sammelten Gelder und bereiteten die Krönung Prinz Igurus vor. Im Einzelnen nannten die Kläger folgende Bereiche, in denen Prinz Iguru und das Krönungskomitee den Diskurs formierten: in der breiten Bevölkerung, der kulturellen Elite, der Kirche, und den Massenmedien. 1. Prinz Iguru bereise das Königreich und stelle sich der Bevölkerung selbst als nächster Omukama vor. 2. Er besuche Veranstaltungen wie das ‚Kabalega Fundraising‘ als Kronprinz. 3. Er nehme an Gottesdiensten als ‚der nächste Omukama von Bunyoro‘ teil. 4. Er habe im Radio verkünden lassen, dass er der Nachfolger von Sir Tito Gafabusa Winyi IV sei. 5. Er habe Informationen an Zeitungen schicken lassen, um als ‚nächster Omukama‘ genannt zu werden. 6. Das Krönungskomitee sammele in der Öffentlichkeit Gelder für die Krönung Prinz Igurus. 7. Es bereite den Palast vor. 8. Es bitte die Bevölkerung über das Radio, die Krönung Prinz Igurus in jeder Hinsicht zu unterstützen. 9. Es habe ein Datum für die Krönung gesetzt: den 27. September 1993. Abschließend führte die Klage zwei Argumente gegen das Testament an: 1. Sir Tito habe kein Testament hinterlassen, in dem er Prinz Iguru als Thronfolger ernannte. 2. Hätte er ein Testament hinterlassen, in welchem er Prinz Iguru zum Thronfolger ernannte, wäre der Wille nichtig, da der Omukama ein konstitutioneller Monarch war und nach dem geltenden Recht nur Mitglieder der königlichen Familie zu Nachfolgern ernennen konnte. Und sie machte auf die Dringlichkeit einer richterlichen Entscheidung aufmerksam: 3. Prinz Iguru und das Krönungskomitee setzten die Vorbereitungen in aller Ernsthaftigkeit fort. Mit einer Krönung Igurus sei der Sinn der Klage erloschen.

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Die Verteidigung argumentierte: 1. Der Anlass der Klage Prinz Rukidis sei verjährt. Seit 1971 [dem Tod des letzten Omukamas Sir Tito Winyi] werde Prinz Iguru als Erbe des verstorbenen Sir Tito Winyi [seit 1967 nicht mehr Omukama] anerkannt und daher auch als Nachfolger für den Thron. 2. Prinz Rukidi habe die Position Igurus seit 1971 nicht bestritten und solle die Verleumdungen unterlassen. 3. Prinz Iguru sei rechtmäßig vom letzten Omukama nominiert worden. Eine Fotokopie des Instruments der Nominierung sei vorhanden. 4. Nach dem Tod Sir Tito Winyis sei Prinz Iguru in Anwesenheit der Angeklagten des Krönungskomitees und anderer Personen als Erbe Sir Tito Winyis und als Nachfolger für den Thron eingesetzt worden. Er habe die erforderlichen Zeremonien und Riten im Einklang mit der Kultur, den customs und der Tradition vollzogen. 5. Prinz Iguru sei seit 1971 als Erbe des letzten Omukama und als Thronfolger von Banyoro von der Kirche und von vielen anderen Organisationen anerkannt. In dieser Eigenschaft habe er an öffentlichen Zeremonien, Veranstaltungen und Gottesdiensten teilgenommen. 6. Die Verteidigung bestreite insbesondere zwei Behauptungen (§ 17, 18). Die Kläger sollten die Behauptungen beweisen.14 7. Prinz Iguru erfülle die Voraussetzungen der Verfassung von 1962, Zusatzstatut 7 von 1993, um als Omukama (traditional ruler) installiert zu werden. Sechs Zeugen sagten für Prinz Rukidi aus. Es waren in erster Linie die Mitglieder der früheren königlichen Regierung und des königlichen Haushaltes. Der erste Zeuge war er selbst. Ihm folgte Yosiya Balikonzaki, sein Diener im King’s College Buddu, einer Schule für die Elite des Protektorats Uganda, der bezeugte, mit welchen königlichen Privilegien Rukidi aufgewachsen war. Danach sagte der ehemalige Premierminister (katikiro) seines Vaters aus, Metusera Katuramu, der die Abschaffung des Königtums als führendes Mitglied der Partei Uganda Peoples Congress (UPC) mitgetragen hatte. Tatsächlich unterstütze der Exkatikiro Rukidis Anspruch auf den Thron. Er hoffe auf ein politisches Comeback der Königtümer. Ähnlich wie Rukidi betrachte er die Rückkehr des Königtums im Nachhinein als eine Täuschung durch die Staatsmacht, weil sie den Königtümern keine politische und auch keine wirtschaftliche Macht gebe. Beide ge-

14 Es handelt sich um die Behauptung, Prinz Iguru sei aus ‚inzestuöser Geburt‘ und seine Mutter dürfe als ‚Prinzessin‘ nicht die Mutter eines Omukama werden.

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hörten dem protestantischen Lager an. Dem katikiro folgte Peter Mijumbe, ein ehemaliger Politiker der Democratic Party und Mitglied der katholischen Kirche. Er gehörte zum königlichen Parlament, als dieses 1955 die Neuerung einführte, dass die Thronfolge durch ein Testament des amtierenden Königs geregelt werden sollte. Anschließend sagte ein Privatsekretär des letzten Königs, James Rujumba, aus. Er bezeugte die Echtheit der Unterschrift des Königs auf der Fotokopie des Testaments. Außerdem erklärte er, dass es den weiblichen Mitgliedern des Babito-Clans erlaubt sei zu heiraten. Der Zeuge war der Ansicht: „Babitokati are sexually greedy since long time back“. Er äußerte damit eine Überzeugung, die in der Bevölkerung weit verbreitet war. Sie drückte die Angst vor der Macht der Prinzessinnen aus, die sie bis zum Beginn der Kolonialzeit besessen hatten. Sexualität war eine Form der Aneignung und Übertragung von Macht, die wie der königlichen Inzest strengster (ritueller) Kontrolle unterlag. Zwar übertraten einige Babitokati seither das Heiratstabu, aber eine Ehe mit einer Frau aus dem königlichen Clan galt als schwierig, weil sie angeblich die Herrscherin in ihrer Familie war. Dem Exprivatsekretär folgte eine Tante der beiden Prinzen, Veronica Kakima, die bezeugte, dass sich die Heiratsregeln geändert hätten und die Mutter von Prinz Iguru im Palast von Omukama Tito Winyi gelebt hätte. Zuletzt erklärte Prinz Kakonge, der eine Professur in Biochemie an der Universität Makerere innehatte: „Babitokati were kept under strict guard and could only mix freely with their brothers because of physical needs, the boys and girls used to have sexual intercourse.“ Die Übertretung des Inzesttabus gehörte ihm zufolge zu den sexuellen Praktiken des königlichen Clans, weil die Kultur die natürlichen Bedürfnisse unterdrückte. Es durften jedoch keine Nachkommen gezeugt werden. Für die Verteidigung von Prinz Iguru und seinem Krönungskomitee sagten zehn Zeugen aus: Einige davon saßen selbst im Krönungskomitee, andere waren ebenfalls Angestellte der letzten königlichen Regierung gewesen oder gehörten zum königlichen Clan der Babito. Zudem hatte die Verteidigung zwei Urkundenbeamte des High Court vorgeladen, die Auskunft über das verschwundene Testament des letzten Königs geben sollten. Prinz Iguru, der seine Aussage schriftlich gab, und seine Mutter, die im Mittelpunkt der Beweisführung des Klägers stand, sagten nicht öffentlich aus. Somit hüllten sich der Hauptangeklagte und seine Mutter in Schweigen. Sie überließen dem Krönungskomitee das Sprechen und die Führung des Diskurses.

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Krönungskomitee Prinz Rukidi kämpfte gegen eine Auswahl der sich formierenden oder bereits vorhandenen Elite, die Prinz Iguru protegierte. Den Vorsitz führte Henry Kajura, Staatsminister und Mitglied der NRM seit dem Buschkrieg und zugleich Abgeordneter des nationalen Parlaments für Bugahya-county im Distrikt Hoima. Neben all diesen Funktionen gehörte Kajura zu den führenden Mitgliedern des Bafumambogo-Clans. Dieser Clan übte in den Krönungsritualen eine wichtige Funktion aus. Neben dem Staatsminister gehörten auch der katholische und der protestantische Bischof der Diozöse Hoima zu diesem Clan. Im Krönungskomitee befanden sich weiterhin drei Mitglieder des Basita-Clans: Christopher Sabiiti, der Vorsitzende des Supreme Council of Clans of Bunyoro-Kitara, George Muhuruzi, der Betreiber der größten Getreidemühle von Hoima und Hüter zweier königlicher Trommeln, und Joseph Biribonwa, einer der Führer des Basita-Clans. Ohne die Mitwirkung des Basita-Clans war eine Performanz der Krönungsrituale nach den Regeln des Königtums Bunyoro-Kitara unmöglich, da dieser Clan sich im Besitz der bedeutendsten königlichen Regalia, der Trommeln Nyalebe und Tibamulinde befand. Ferner gehörten zu den Komiteemitgliedern drei Babito-Prinzen, die aus verschiedenen Unterclanen stammten: Prinz John Muniongo, ein Angestellter des öffentlichen Dienstes, Prinz Erizura Rwakabale, ein pensionierter Angestellter der East African Community und Prinz Herbert Kimera, zu diesem Zeitpunkt der Führer des königlichen Clans mit dem Titel okwiri. Und schließlich saßen im Komitee, Abby Hairora, ein pensionierter Lehrer und Führer des Bahinda-Clans, Paul Ndahura, Geschäftsmann in Hoima und Führer des Bacwezi-Clans, und Joseph Kazairwe, der ehemalige Sekretär und Führer des Mubende Banyoro Committee in den ‚verlorenen Gebieten‘ und späterer saza chief. Wie leicht zu erkennen ist, befand sich Prinz Iguru in der Gesellschaft einflussreicher und ausschließlich männlicher Personen aus dem ehemaligen Königtum Bunyoro-Kitara. Lediglich die Kirchenführer hielten sich in der Unterstützung eines der Thronkandidaten zurück. Einige dieser Komiteemitglieder sagten vor dem Hohen Gericht aus. Es waren George Muhuruzi, Erizura Rwakabale und Henry Kajura. Als Experte für die königlichen Rituale sprach Muhuruzi über die Rolle der Königin und des Kronprinzen in der Kolonialzeit. Er erklärte, Prinz Rukidi habe während der Kolonialzeit keine außergewöhnliche Rolle in den königlichen Ritualen gespielt, seine Mutter sei jedoch eine der Frauen des Königs (abago) gewesen, die eine rituelle Aufgabe übernommen habe. Sie habe die Perlen des Königs gehütet. Erizuura Rwakabale, der einer anderen Patrilinie angehörte als die Brüder Iguru und Rukidi, war als Waise unter dem Schutz und

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auf Kosten Omukama Tito Winyis aufgewachsen. Er sagte zur Signatur des Königs aus, die er von den Schecks kannte, die der König für ihn ausgestellt hatte. Er war der Ansicht, dass die Ehe zwischen Babito und Babitokati nicht verboten sei, wenn sie nicht die gleichen Eltern hätten oder aus verschiedenen Unterclanen kämen. Ferner sagte er aus, Iguru habe das Bestattungsritual für seinen Vater vollzogen, er sei im Testament als Erbe genannt und durch entsprechende Rituale als Erbe installiert worden. Der Zeuge Erinest Kwebiha war Katholik und hatte 1960 das Amt des katikiro von Bunyoro-Kitara an den Protestanten Katuramu abgeben müssen – der ja ein Zeuge Rukidis war und dessen Thronfolge unterstützte. Kwebiha hatte bis zum Tod Omukama Tito Winyis das Amt des mugema inne. In dieser Funktion war er 1971 für die 26 königlichen Gräber und deren Hüter verantwortlich und ein enger Vertrauter des verstorbenen Königs gewesen. Er hatte die Bestattungsrituale und die Installationsrituale für Iguru als Erben geleitet. Dazu sagte er im Prozess aus. Ein anderer Zeuge, Nicholas Rugemwa, ein ehemaliger Privatsekretär von Omukama Tito Winyi bestätigte die Authentizität der Signatur des Königs auf dem Testament. Zudem sagten zwei ehemalige Registrare des Hohen Gerichts aus, dass das Testament 1962 registriert worden und nach seiner Verlesung 1971 verschwunden sei. Zum politischen Prozess der Retablierung erklärten zwei Vertreter der Resistance Councils (RCV) in den Distrikten Masindi und Hoima, wie sie von der Möglichkeit der Retablierung des Königtums erfahren hatten, wie sie die Möglichkeit diskutiert, eine Resolution verfasst und Prinz Iguru als Thronfolger akzeptiert hatten. Der RCV-Vertreter von Masindi sagte: „1993 Council sat to deliberate a vote of thanks to the NRM government for restoring traditional rulers. The DRC (District Resistance Council) member Wamala told, that arrangements were on the way for coronation. He asked about the successor to the throne. The Council member informed us that the late Omukama would be succeeded by Solomon Iguru as per the late King’s will and information by the Okwiri of the Babito clan. The reaction of the Council was to endorse the will. It was common knowledge to all people of Masindi that Iguru was the successor.“15

Die Aussage macht deutlich, wie eng die Auslegung der ‚customs and traditions‘ mit politischen Erwägungen und mit alten sozialen Hierarchien verknüpft war. Die Lokalregierungen überließen die Entscheidung über die Person des zukünftigen Königs dem königlichen Clan und akzeptierten die Nominierung Igurus.

15 Record of Civil Appeal, S. 109.

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Die treibende Kraft der Monarchisten kam keineswegs allein aus dem Babito-Clan, sondern aus dem Basita-Clan. Dieser Clan war wie erwähnt tief in die Geschichte des Königtums involviert und besetzte in der Vergangenheit führende Positionen am Hof und in den königlichen Ritualen. Die Basita mobilisierten die Unterstützung des Staatsministers Henry Kajura, dessen Clan (Bafumambogo) ebenfalls eine wichtige Aufgabe in den königlichen Ritualen spielte. Die Banyoro-Monarchisten bildeten so eine Allianz der verschiedenen Eliten auf nationaler und lokaler Ebene. Ich gebe den Vorgang der politischen Inauguration des Königtums hier aus der Prozessakte wieder: „Defendent 7: Henry Mugerwa Kajura – Catholic. ‚I am 59 years. […]: I am a Munyoro from Hoima, Kitaba village. I represent Bugahya County in the NRC. When referring to Bunyoro Kingdom we speak of Hoima, Kibaale and Masindi District. I recollect last year the NRC passing a statute restoring monarchies No. 19 of 1993. After this passage some work started. A Committee was set up chaired by Mr. Sabiti. I was asked by some Banyoro as only Minister of the District [Hoima] to come and give impetus to the exercise. An announcement was put on radio where all Banyoro and sympathisers were asked to come and discuss ‚abyabo‘ – Friday 22/8/93. It took place at the YMCA. About 100 people turned up. I described the purpose of the meeting that we were not moving for the restoration as we should. We decided to go ahead and restore the kingdom. I was mandated to approach the three districts to see if we could restore the kingship. Before that I invited the three district R. C. Council members for consultation. We did not have to discuss the name of the king-to-be. Everyone knew it was Iguru. At that time Prince Iguru approached me to involve him in the exercise of firing impetus to the matter. I as the minister decided to call a meeting for all shades of life at Kabalega S. S. [Secondary School] Masindi on Thursday 26/8/93. Everybody endorsed the monarchy and the monarch. I proceed [sic] to Hoima. On Friday the Okwiri was meeting with the Babiito clan only. The Okwiri Prince Kirema [sic! Kimera] told me that 98 % had agreed. Princess Majorie had disagreed and walked out of the meeting. We held the scheduled meeting on 28/8/93 at Rukurato Hall. All shades – Hajis, Bishops, RCV council members of the three districts, the clan heads headed by Mr. Sabiti, the Babiito headed by NRC members of the Districts, except Brigadier Kyaligonza16, youths

16 Brigadier Kyaligonza repräsentierte wie der Staatsminister Henry Kajura ein county des Distriktes Hoima im National Resistance Council (NRC). Beide Repräsentanten hatten sich am Buschkrieg von Präsident Museveni und der NRA beteiligt und gehörten nun zur militärischen beziehungsweise politischen Elite des Staates. Im Gegensatz

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through Bunyoro – Kitara Development Foundation. It was a general assembly. It included everyone who was interested. At the meeting I had been approached by many people and had called the RCs and there was a feeling of many Banyoro that it was time to iron out the issue of the monarchy. I was confirmed as council member after I had been challenged. We disclosed an expression of whether the people of Bunyoro-Kitara wanted their Kingdom back. The idea of who should be king came up. People demanded to know who their king was to be. I replied that from what I had gathered in Kampala and Masindi and the Babiito clan opinion it appeared Iguru would be accepted. There was an uproar of unanimity. Thereafter we resolved on (i) the restoration of Bunyoro-Kitara Kingdom. (ii) By acclamation Iguru was acclaimed as the person [sic] to be crownd. Thereafter we held a party. Acededes [sic] were sung. People were jubilant. Before the celebaration a committee of 100 people appointed to take charge of the coronation preparations. I was appointed to chair it. We started already. […] We have 11 committees of 10 people each. We passed a formal resolution and signed. […] I signed this document. I took this resolution together with the other two districts to H. E. the President plus that of the ‚General Assembly‘.“17

Staatsminister Kajuras Aussage zeigt wie ein Zeitraffer, mit welcher Zufälligkeit und Geschwindigkeit die Chance zur Restauration des Königtums in BunyoroKitara genutzt wurde. Nachdem das National Resistance Council die Entscheidung eines kleinen Kreises von Armeeführern der National Resistance Army durch das Traditional Rulers Statute am 23. Juli 1993 bestätigt hatte, traf eine kleine Gruppe von Banyoro innerhalb von sechs Tagen die wichtigsten Entscheidungen und Schritte ihrer Umsetzung. Initiiert wurde der Restaurationsdiskurs von Christopher Sabiti, dem Vorsitzenden des Supreme Council of Clans, einer Organisation zur Rehabilitierung und Restauration der Banyoro-Clane nach dem Modell der Clanorganisation in Buganda.18 Allerdings bedurfte es eines indigenen Vermittlers wie des NRC-Mitglieds Henry Kajura, um die latenten Restaurationspläne der Banyoro mit den politischen Zielen der NRM-Regierung zu vereinen. In seiner Funktion als Staatsminister und als Repräsentant der Banyoro-Bevölkerung im NRC übernahm Kajura die Führung des Restaurations-

zum Minister vertrat der Brigadier innerhalb der NRM einen kritischen Diskurs zur neuen Politik. Er betrachtete das Königtum als eine Gefahr für die Lokalregierungen. Folglich nahm er auch nicht an der konstituierenden Sitzung zur Rückkehr des Königtums teil. 17 Record of Civil Appeal, S. 110-113. 18 Ich werde im Kapitel „Erneuerung der Clangesellschaft“ auf dieses Thema und den Vorsitzenden des Clanrates zurückkommen.

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Diskurses in Bunyoro-Kitara, indem er in immer kleinere politische und soziale Einheiten vordrang, um am Ende wieder auf der höchsten politischen Ebene anzukommen: Ausgehend vom NRC rief er zur Versammlung von interessierten Banyoro in Kampala auf, konsultierte die Führer der Lokalregierungen (RCV), ging einen Umweg über den königlichen Clan und den potenziellen Thronfolger bis zu den Versammlungen der drei potenziellen Distrikte des Königtums und zurück zum Staatspräsidenten und dem NRC. Dabei wurde seine Führung zwar einmal infrage gestellt, aber effektiv nicht bestritten. Durch das Radio als das am weitesten verbreitete technische Kommunikationsmedium in Uganda konnte der Diskurs rasch gestreut und Versammlungen einberufen werden. Die Rückkehr des Königtums vollzog sich durch Resolutionen, Signaturen, Akklamationen und Jubelfeiern. Henry Kajuras Darstellung der Ereignisse zeigt, wie der Machtdiskurs der Regierung nichtdiskursive Gestalt annahm und dabei Politik und Kultur miteinander verschmolzen. Trotzdem kam der Staatsminister zu dem Schluss, dass die Nachfolge eine rein ‚kulturelle‘ Angelegenheit sei, die politisch von der Öffentlichkeit überprüft werde. „In 1993 changes have taken place. This is the first time that people have acclaimed their king. Iguru had been appointed heir by the late Omukama. The people accepted the obvious. Succession to the throne is a cultural matter but not political suggestion. That the people have no right to reject a person is not correct. People have a democratic right in respect of (sic) public offices. They are indicators.“19

Entgegen dem demokratischen Diskurs der NRM lag aber die politische Entscheidung nur bedingt in der Hand der Wähler. Die Opposition in Gestalt von Prinzessin Marjorie ‚wanderte aus‘ und verstummte bis zum Prozess vor Gericht. Die Thronfolger Prinz Rukidi manövrierte sich früh ins Abseits der sozialen und politischen Unterstützung. Politisch kritisierte er das Einparteiensystem der NRM und forderte stattdessen die Rückkehr zum Mehrparteiensystem. Er gehörte zu den Befürwortern der föderalen Struktur des Staates und sah darin eine Zukunft für ein politisch aktives Königtum. Neben dieser staatskritischen Einstellung verkörperte er für die weniger privilegierten Teile der Bevölkerung einige bedrohlichen Aspekte des Königtums. So etwa die starke Hierarchie der Gesellschaft und die Ausbeutung der einfachen Bauern. In der Bevölkerung galt er als arrogant und

19 Record of Civil Appeal, S. 112-113.

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herrisch und erfüllte damit die Stereotypen der babito b’engoma, der Männer und Frauen aus dem dynastischen Clan. Die Qualitäten der Babitokati fasste er mir gegenüber wie folgt zusammen: „They were regarded as men in Banyoro society. They were considered as tough as men, good fighters, not timid, selfconfident and commanding.“20 Unter dem Regime von Milton Obote war er wie andere Babito durch politische Verfolgung gefährdet. Er verzichtete darauf, seine Ansprüche auf den Thron geltend zu machen. Auch unter Idi Amin sah er keine Chance für eine Rückkehr des Königtums. Wie sein Vater war John Rukidi Protestant und zugleich Polygamist. Eine seiner Frauen war die Tochter des Bayaga-Clan-Führers Kyanku kya Mihingo, sodass eine Allianz mit einem der bedeutendsten Clane Bunyoro-Kitaras bestanden hatte. Die Ehe führte jedoch zu Konflikten und zur Trennung.21 Prinz Rukidi setzte sich auch über die Meinung der Kirchenführer, zumindest in Fragen der Sukzession, hinweg. Mit Äußerungen wie „Religious leaders opinion in Bunyoro do not matter to me“22 ignorierte er die geistigen Führer. Ohne deren Unterstützung aber hatte er wenig Aussicht auf eine Anerkennung als Thronfolger. Rukidi repräsentierte eine Klientel, die die britische Monarchie als Modell für eine konstitutionelle Monarchie unter kolonialer Herrschaft anerkannt hatte. Zum einen vertrat er die Regeln des kolonialen Diskurses, der das Königtum transformiert hatte und in die koloniale Moderne führte. Zum anderen überschritt seine staatskritische Haltung die Möglichkeiten der Monarchisten in der Anfangsphase der Reinstitutionalisierung des Königtums. Prinz Iguru hingegen trat mit fünfzig Jahren als moderner, innovationsfreudiger Unternehmer auf, der das Königreich Bunyoro-Kitara aus seiner tiefen und langjährigen Krise steuern konnte. Einerseits repräsentierte er die Idee des ‚traditionellen Herrschers‘ und das alte System. Andererseits vertrat er die Ziele der NRM, die veraltete Traditionen reformieren wollte und eine moderne Führung versprach. Seiner physischen Statur nach schien Prinz Iguru seinem Vater Tito Winyi und seinem Großvater Kabalega zu gleichen. Dieser Aspekt wurde in den Zeitungen als Gegenbild zu seinem schlechten Image aufgrund von öffentlichem Alkoholkonsum und unternehmerischen Pleiten eingesetzt. Während meiner Feldforschung hörte ich das Gerücht, Omukama Iguru sei ein ‚Wiedergeborener‘ und gehöre einer christlichen Erneuerungsbewegung an. Dieses Gerücht lässt vermuten, dass er vor seiner Krönung gebeichtet hatte, um ein neues soziales Leben zu beginnen. Parallel zur Retablierung des Königtums setzte eine Kom-

20 Interview mit John Rukidi in Butema, 26. April 2000. 21 Gespräch mit Kyanku kya Mihingo in Rutoma, 23. August 1999. 22 Record of Civil Appeal, S. 23.

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merzialisierung des Kabalega-Mythos ein. Auf Fundraising-Auktionen und anderen öffentlichen Veranstaltungen trat Prinz Iguru als zukünftiger Omukama auf und warb für die Unterstützung zur Retablierung des Königtums. Um den Anthropologen Clifford Geertz zu zitieren, zog der (zukünftige) König durch das Land und „markierte dabei sein Territorium wie ein Wolf, der seinen Duft versprüht“.23 Er zeigte seine Präsenz, nahm an Feierlichkeiten teil, vergab Auszeichnungen und tauschte Geschenke aus. Prinz Iguru bemühte sich, die Figur eines modernen Königs zu repräsentieren. Gleichzeitig assoziierte er sich seit der Machtübernahme der NRM mit deren politischer Führung.

U NTERDRÜCKTER L EGITIMATIONSDISKURS Aus der politischen Perspektive der NRM war Prinz Rukidi ein kritischer Kandidat. Darüber hinaus vertrat er ein anderes kulturelles Konzept dessen, was die Institution des Königtums charakterisieren und wie sie funktionieren sollte. Um seine Position und seinen Anspruch auf die Nachfolge zu begründen, griff er, wie bereits angedeutet, auf vier Konzepte zurück, die ich als gegenständliche, begriffliche und strategische Elemente von kolonialen und christlichen Diskursen verstehe. Es waren 1. 2. 3. 4.

die Monogamie und das Sakrament der Ehe, das Konzept der ‚königlichen Familie‘, das Erstgeborenenrecht und das Inzesttabu mit dem Endogamieverbot.

Allerdings bin ich der Auffassung, dass sich die Elemente dieser Diskurse mit den Elementen lokaler Legitimationsdiskurse zu hybriden Diskursen vereinten. Mit Homi Bhabha verstehe ich den Begriff ‚Hybridisierung‘ als eine Praktik des kolonialen und missionarischen Diskurses, in der der hegemoniale Blick durch die subalterne Perspektive gebrochen wird.24 Die kolonialen und missionarischen Konzepte halten der Ironie und der Kritik der Kolonisierten nicht stand. Vielmehr werden sie durch das Taktieren mit diesen Elementen, mit ihrer Anwendung und Nicht-Anwendung, ihrer Umkehrung ins Gegenteil und mit ihrer eige-

23 Geertz, Clifford: „Centers, Kings, and Charisma. Reflections on the Symbolics of Power“, in: Local Knowledge, New York: Basic Books 1983, S. 121-146, hier: S. 125. 24 Bhabha, H.: The Location of Culture, S. 162.

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nen Rhetorik ständig unterlaufen. Prinz Rukidi begab sich in seiner Kritik des dominanten Legitimationsdiskurses, der seinen Bruder zum König machen wollte, auf das hybride Feld der Diskurse, welches ich nun zu entfalten suche. Monogamie und die ‚königliche Familie‘ Mit der Christianisierung strebten die protestantische wie die katholische Mission unter anderem eine Veränderung der Heiratspraktiken von der Polygamie25 zur Monogamie an. Große Einheiten wie der Clan und die Lineage zerfielen unter dem Einfluss der Monogamie, aber auch der Migration in die kleinen Einheiten der Kernfamilie. Sie war das Modell der Familie in einem modernen christlichen und bürgerlichen Staat. Da der König und sein Clan in BunyoroKitara an der Spitze der sozialen Hierarchie standen, befanden sich die Babito zunächst im Mittelpunkt der Bemühungen um eine Transformation der BanyoroGesellschaft. Mitglieder des königlichen Clans hatten leichten Zugang zu den Missionsschulen. Der Wechsel von der Polygamie des Königs zur Monogamie kam 1903, als Prinz Andreya Duhaga von den Briten zum König erklärt wurde.26 Als erster König Bunyoro-Kitaras erhielt er das Sakrament der Ehe und beschränkte sich auf eine Frau. Mit ihr hatte er drei Töchter. Eine weibliche Nachfolge war jedoch ausgeschlossen. Sie wurde durch patriarchale Regeln verhindert, tabuisiert und mythologisch sanktioniert. In diesen Mythen brachten Frauen, die an die Macht kamen, dem Königtum Unglück. Statt einer Tochter kam also ein Bruder Duhagas auf den Thron. Omukama Tito Winyi wurde 1924 in St. Peter, der protestantischen Kathedrale von Hoima, gekrönt. 1927 heiratete er in der gleichen Kathedrale Margarete Kabaikya, eine Frau aus dem Baziriga-Clan.27 Zwar hatte Omukama Tito Winyi schon vor seiner kirchlichen Trauung zwei Frauen gehei-

25 Ich spreche hier von der polygynen Form der Polygamie, da nur Männer mehrere Frauen haben konnten, aber nicht umgekehrt, wie es bei der Polyandrie der Fall gewesen wäre. 26 Vgl. „Christianisierung des Königtums“in Kapitel 3. Zwar lässt sich darüber streiten, ob vor der Kolonialherrschaft alle Frauen des Königs mit dem König ‚verheiratet‘ waren oder ob nicht der Begriff ‚Polygynie‘ die Praxis beschreibt, mit der der König Allianzen zu den anderen Clanen aufbaute. Ich glaube aber, dass dies kein grundsätzlicher Unterschied war. Alle Frauen des Königs gehörten zu seinem Harem und waren tabu. Je mehr Frauen er hatte, desto größer war die Möglichkeit, dass er Kinder zeugte, von denen ein Sohn der nächste König wurde. 27 Interview mit Lady Margaretes Neffen George Kazaana in Butema, 2. Mai 2000.

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ratet und auch danach noch dreizehn weitere geehelicht, aber erst das Sakrament der Ehe machte Margarete Kabaikya zur ‚Königin‘ (omugo). Fortan trat sie bei öffentlichen Anlässen an der Seite des Omukama auf, während die anderen Frauen (abago) des Königs den Palast verlassen mussten. Für einige von ihnen kaufte Omukama Tito Winyi ein Stück Land und errichtete ihnen ein Haus. In der Konsequenz änderte sich auch das rituelle Leben am königlichen Hof, da die abago des Königs, wie ich im Kapitel „Transformationen des cattle kingdoms in der Moderne“ gezeigt habe, unterschiedlichste rituelle Aufgaben im Namen ihres Clans erfüllt hatten. Allerdings gab es kein offizielles Amt, das eine ‚Königin‘ (omugo) anerkannt hätte. Problematisch an dieser Terminologie war, wie der Anthropologe Justin Willis meint, die Weigerung der Kolonialregierung, überhaupt einen königlichen Terminus für afrikanische Herrscher anzuerkennen. Dies hätte die afrikanischen Könige und Königinnen mit europäischen Herrschern gleichgestellt.28 Obwohl die Polygamie nicht abgeschafft werden konnte, weil sie als soziale Praktik fest etabliert war, hatte die christliche Monogamie einen Bruch mit der Tradition hervorgerufen. Für Prinz Rukidi war daher der Akt der Eheschließung entscheidend. Er erklärte mir: „Once the Omukama, Sir Tito Winyi chose to marry under a monogamous system of marriage, he had opted out of the application of the customary law.“29 Die monogame Ehe des Königs diskriminierte die übrigen Frauen des Königs, indem sie 1930 vom rukurato zu „Konkubinen“, also Nebenfrauen des Königs, erklärt wurden.30 Sie mussten den Palast verlassen und in die umliegenden Dörfer ziehen. Prinz Rukidi hatte eine weitere Erklärung für die Reform des Palastes und die geschlechtliche Ordnung darin. Er erklärte mir, dass die Nebenfrauen den Palast verlassen mussten, um den König vor seinen „bad habits“31 zu schützen. Er eignete sich augenzwinkernd für seine Argumentation einen christlichen Diskurs an, der die alten Praktiken verurteilte. Dass er selbst eine polygame Ehe führte, unterstreicht lediglich die Hybridität im Sinne Bhabhas und die Ambivalenz dieser Aussage. Er erklärte mir ferner, dass das Dekret des rukurato eine

28 Eine omugo oder Königin wird weder in den Abkommen von 1933 oder 1955 noch in der Verfassung 1962 erwähnt. Sie war offiziell mit den anderen abago gleichgestellt, aber durch die kirchliche Ehe hervorgehoben und wurde in Bunyoro-Kitara als Königin bezeichnet. Vgl. Willis, Justin: „A Portrait for the Mukama“, in: The Journal of Imperial and Commonwealth History 34 (2006) 1, S. 105-122. 29 Interview mit Prinz John Rukidi, Butema, 11. April 2000. 30 Ebenda. 31 Ebenda.

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Reaktion auf ein Attentat gewesen sei, das etwa zwei Jahre nach seiner Geburt auf ihn verübt worden sei. Die Nebenfrauen, die in der Tat potenzielle Königinmütter waren, galten als Gefahr für den Erstgeborenen des amtierenden Königs. Letztlich verurteilte er nicht die Polygamie, sondern den Vertragsbruch, den sein Vater begangen hatte und der ihm nun den Thron verwehrte. Außerdem war er sich der Gefahren, die die königliche Polygamie darstellte, bewusst. In Zusammenhang mit der Monogamie verwies Prinz Rukidi daher auf das Konzept der ‚königlichen Familie‘, das erstmals in der Verfassung von 1962, also zum Ende der Kolonialzeit auftauchte. Im indigenen Diskurs unterschied John Rukidi zwei Begriffe: Die ‚Kinder des Königs‘ (abaana b’omukama) und die ‚Kinder der Trommel‘ (abaana b’engoma). Erstere waren seiner Ansicht nach alle leiblichen Kinder des Königs, gleichgültig, ob sie aus einer kirchlichen Ehe oder aus einer ‚Customary‘-Ehe stammten.32 Letztere waren nur diejenigen Kinder des Königs, die aus der kirchlichen Ehe stammten. Sie befanden sich in der Nähe der Macht, die die Trommel des Königs verkörperte. Mit den ‚Kindern der Trommel‘ verband sich eine Vorstellung von Kraft, die ich im Kapitel „Kosmologie und Geisterkulte“ unter dem Konzept von mahano beschrieben habe. Diese Kraft konnte unbelebte Dinge beleben und ihnen Handlungsmacht verleihen.33 Sitz solcher Kraft war neben der Trommel auch der Stuhl, kitebe. In Bunyoros Palastsprache hieß der neunbeinige Sitz des Herrschers nyamyaro, was ihn in Zusammenhang mit kyaro, einer von einem Clan bewohnten Siedlung brachte. Eine Vielzahl von königlichen Namen priesen den Omukama als ‚ha kyaro‘ (‚von allen [Leuten] hier‘), wie die Ansprache ha kyaro Agutamba („Heil den Menschen in diesem Land“).34 Macht war jedoch auch in anderen Dingen

32 Vgl. die Unterscheidung zwischen Tradition und customs, die Terence Ranger in „The Invention of Tradition in Africa“ traf. Ihm zufolge wurde im Kontext des 20. Jahrhunderts und der Kolonialherrschaft der Begriff der Tradition mit allerlei Erfindungen gefüllt, während für ihn ‚customs‘ dem entsprach, was tatsächlich lange Zeit lokal praktiziert wurde. Später revidierte er seine Ansicht und gelangte zu der Auffassung, dass auch das sogenannte ‚customary law‘ voll von neuen Erfindungen sei, die als altes Brauchtum definiert würden. (Ranger, Terence: „The Invention of Tradition in Africa“, in: Hobsbawm, E./Ranger, T.: The Invention of Tradition, S. 211-262, hier: S. 211; Ranger, Terence: „The Invention of Tradition Revisited. The Case of Colonial Africa“, in: Ranger, Terence/Vaughan, Olufemi [Hg.]: Legitimacy and the State in Twentieth Century Africa, Basingstoke: Macmillan 1993, S. 62-111, hier: S. 62.) 33 Behrend, H.: „Geisterstimmen in Afrika“, S. 86. 34 Das Verb kutamba wurde von meinem Assistenten, einem Runyoro-Sprecher, mit ‚heilen‘ übersetzt. Ähnlich ist ein Gebetshaus ‚itambiro‘ (ein Haus des Heilens). Nya-

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und Personen verkörpert. Die Trommel, ngoma, wurde im Kontext der königlichen Rituale zu mpango, ‚der Mächtigen, Großen oder Größten‘.35 In ihr war eine Kraft, die sie wie ein Tabernakel umschloss. Der Missionar John Roscoe berichtete 1915 von Fetischen, „kleinen Objekten“, die in die Trommel eingesetzt wurden. Ein Fetisch saß im Bauch der Trommel und wurde mit menschlichem Opferblut gefüttert. „This may be a small object, like a ball of medicated clay, or a stick to which a number of objects are fastened, but over the fetish the blood of some victim is poured; in the case of royal drums it is the blood of human beings who are decapitated over the drum for the purpose […] and in the olden days the blood of three human beings was allowed to run over the fetish when a new king was proclaimed.“36

Nach Roscoe wurde die königliche Trommel durch den Fetisch, ein Machtobjekt, sakralisiert. Anders ausgedrückt könnte man sagen, dass der Fetisch die Trommel mit Macht füllte und diese sich auf den König übertrug. Auf diesen Aspekt komme ich in meinem letzten Kapitel „Das Empango-Fest“ zurück. Für einen neuen Herrscher wurden Roscoe zufolge auch die Fetische der königlichen Trommeln erneuert und gestärkt.37 Beim Tod eines Omukama wurde die Trommel auf den Kopf gestellt, damit sie schwieg. Erst mit der Initiation des Nachfolgers wurde sie wieder umgedreht, mit Opferblut belebt und zum Sprechen gebracht, sobald sie vom König oder seinen Trommlern geschlagen wurde. Prinz Rukidi brachte die ‚Kinder der Trommel‘ (abaana b’engoma) mit der sakralen Kraft und den okkulten Diskursen um die königlichen Regalia und die königlichen Rituale in einen Zusammenhang. Zugleich hybridisierte er den indi-

katura übersetzte ‚Agutamba‘ mit ‚Saviour‘, ‚Erlöser‘ (Nyakatura, J. W.: Anatomy of an African Kingdom, S. 191). Beattie übersetzt ‚Agutamba‘ mit ‚the medicine that cures or wards off poverty‘ (Beattie, J.: The Nyoro State, S. 141). Schoenbrun übersetzte den Infinitiv ‚kutamba‘ mit ‚Fallen stellen‘ und ‚verhexen‘ (Schoenbrun, D. L.: A Green Place, A Good Place, S. 116). Der Omukama von Bunyoro-Kitara, der mit Agutamba begrüßt wurde, war in diesem Sinn nicht nur Herrscher, sondern eine Medizin, die heilt und verhext. 35 Ndoleriire, Oswald u. a.: Runyakitara Studies, Bd. 3: Culture, Kampala: Institute of Languages, Makerere University 1996. 36 Roscoe, John: The Northern Bantu. An Account of Some Central African Tribes of the Uganda Protectorate [1915], London/Edinburgh: Frank Cass & Co. 1966, S. 87-88. 37 Ebenda.

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genen und den kolonialen Diskurs, indem er die Trommel als das Wahrzeichen der ‚königlichen Familie‘ definierte und das britische Konzept der ‚königlichen Familie‘ mit ‚Kinder der Trommel‘ übersetzte. Mit diesem diskursiven Manöver versuchte er, die übrigen Kinder des Königs (abaana b’omukama) von der Thronfolge auszuschließen. Primogenitur Die Einführung des Christentums mit seinen Begleiterscheinungen war für Prinz Rukidi, aber auch für die übrigen Zeugen des Prozesses der entscheidende Bruch in der traditionellen Legitimation des Thronfolgers. Sie brachte neue kulturelle und politische Regeln. Er erklärte vor dem Hohen Gericht: „I [Rukidi] was groomed as successor to the throne. In that process I was taught the culture, customs and history of the kingdom. Our last dynasty was of Babito. I am a Mubito. Before [Christianity] the dynasty succession was by wars. […] Rukurato started during the reign of Kabalega. I do not know the year. In those days kings had many wives and children. When Christianity came in, during Duhaga’s reign, the custom changed. The eldest son of a legally married wife would be king.“38

Vermutlich könnte man „Christianity“ durch ‚the British‘ ersetzen, denn das Konzept der Primogenitur war eine englische beziehungsweise europäische Erfindung, die es zuvor in Bunyoro-Kitara nicht gegeben hatte. Nach englischer Auffassung garantierte das Erstgeborenenrecht eine konfliktfreie Nachfolge des Monarchen, und die Dynastie sorgte für die Kontinuität des Herrschergeschlechts und der Krone.39 Die Könige konnten sterben, aber die Krone, die die Gemeinschaft in Ewigkeit verkörperte, war unsterblich. Im vorkolonialen Bunyoro-Kitara waren Nachfolgekriege die Regel. Rivalisierende Prinzen mussten um die Herrschaft kämpfen, wenn sie die Nominierung eines der Prinzen nicht anerkannten. Als John Mpuga Rukidi 1928 geboren wurde, erhielt er den Namen seines mythischen Großvaters, des ersten Mubito-Königs Mpuga Rukidi. Als Christ wurde er auf den Namen John getauft, den auch sein biologischer Großvater, der gestürzt Omukama Kabalega im Exil gewählt hatte. Von den sechzehn Söhnen und zweiundzwanzig Töchtern Omukama Tito Winyis war er mit einem beson-

38 Record of Civil Appeal, S. 20-21. 39 Kantorowicz, Ernst H.: Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters, Stuttgart: Klett-Cotta 1992, S. 337-339, 378, 397.

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deren Namen geehrt worden. Die Namensgebung zeigt, wie mit ihr Zeichen für die Thronfolge gesetzt wurden. Prinz Rukidi betrachtete noch weitere höfische Praktiken als Zeichen seiner Nominierung. Er führte an, dass das Parlament des Königs (rukurato) seinen Geburtstag 1928 aus Freude über einen Thronerben zu einem Feiertag erklärt hatte. Seit dem Abkommen 1955 zwischen der Protektoratsregierung und dem Königtum hatte das rukurato die Verantwortung und die Kosten für die Erziehung des Thronerben übernommen. Das rukurato schickte den Thronerben auf die protestantische Eliteschule King’s College Buddu in Buganda, wo er neben dem zukünftigen kabaka von Buganda eine westliche Bildung durch europäische Lehrer erhielt. Die Fahrt vom Palast in Hoima zur Schule in Buddu legte er in der Limousine seines Vaters zurück, begleitet von einem Diener, der auch in der Schule für ihn sorgte. In den 1950er Jahren wurde er zunächst Polizist und absolvierte dann eine juristische Ausbildung als Scotland-Yard-Inspektor in Uganda. Später ging er auf Kosten des rukurato für ein Studium in ‚Social Development and Public Administration‘ nach Großbritannien. Bei öffentlichen Anlässen, so behauptete er, saß er zur Linken seines Vaters und seine Mutter zur Rechten des Königs. In öffentlichen Reden wurde er als ‚Mubito b’engoma‘ (‚Prinz der Trommel‘) adressiert, was er mit ‚Kronprinz‘ übersetzte.40 Durch Geburt, Erziehung und Bildung sah er sich für die Würde des Königs vorherbestimmt. Seinem Bruder Iguru sprach er diese Würde ab, weil er nicht der Erstgeborene war, nicht zu den ‚Kindern der Trommel‘ gehörte, keine besondere Erziehung genossen hatte und im Palast seines Vaters ‚versteckt‘ wurde – eine Behauptung, die ich weiter unten aufgreifen werde. Nur die Brüder, Söhne und Enkelsöhne John Rukidis konnten das königliche Erbe antreten, wenn er selbst darauf verzichtete. Allerdings hatte er keine anderen Beweise für sein Recht als Erstgeborener als die Art und Weise seiner Erziehung und Ausbildung. Selbst in den Abkommen zwischen dem Königtum und der Protektoratsregierung war die Primogenitur nicht als Nachfolgeregel aufgeführt. Zudem sagten Zeugen aus, dass auch die anderen Kinder von Omukama Tito Winyi eine besondere Erziehung und Ausbildung erhalten hatten. Auch sie wurden mit der königlichen Limousine zur Schule gebracht. George Muhuruzi, der Experte für die königlichen Rituale, bestritt, dass Rukidi jemals nahe der Trommel gewesen sei, da ihm der Zugang zum Thronraum verboten war. Allein Rukidis Mutter hatte eine rituelle Aufgabe. Sie hütete die Perlen des Königs.41 George Muhuruzi, der Mitglied des Krönungskomitees von Prinz Iguru war, blendete in seiner Aussage

40 Record of Civil Appeal4, S. 41-43. 41 Record of Civil Appeal.

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die Transformationen der Kolonialzeit förmlich aus. Rukidis Mutter, die als omugo eine herausragende Stellung unter den abago des Königs hatte, war nach Muhuruzi lediglich eine unter vielen Frauen des Königs. Rukidi setzte den Schnitt zwischen dem alten und dem neuen System jedoch bei der Trauung seiner Eltern 1928. Inzesttabu und Endogamieverbot Um Prinz Rukidis Anspruch auf den Thron durchzusetzen, reichte es nicht, die eigene Qualifikation zu beweisen, vor allem weil der Richter diesen Punkt der Verhandlungen strich. Übrig blieb allein die Frage, ob Prinz Iguru berechtigt war, König von Bunyoro-Kitara zu werden. Auch die Ansprüche der Geschwister Rukidis wurden im Prozess nicht verhandelt. Stattdessen überprüfte der Richter, inwiefern das Inzesttabu ein kritischer Punkt in der Legitimation Igurus als König und seiner Mutter als Königinmutter war. Prinz Rukidi erhob den Vorwurf, der Vater und die Mutter Igurus seien Babito und Omukama Tito Winyi habe Inzest mit einer „cousine-sister“ praktiziert42: „It is a fact my father committed incest“.43 Er behauptete ferner, der König habe die Tochter des Bruders seines Vaters geheiratet und mit ihr ein Kind gezeugt.44 Seiner Ansicht nach hatte der verstorbene König damit zwei Tabubrüche begangen. Erstens hatte er innerhalb des Clans geheiratet, zweitens hatte er mit seiner Clanschwester (Mubitokati) Nachkommen gezeugt. Mit anderen Worten, Rukidi warf seinem Vater Bruder-Schwester-Inzest und Endogamie vor, zwei Praktiken, die gewöhnlich ein kulturelles Tabu darstellten.45 Der Babito-Clan war jedoch im

42 Ebenda, S. 41. 43 Ebenda, S. 45. 44 Ebenda, S. 41. 45 James Frazer stellte in Totemism and Exogamy. A Treatise on Certain Early Forms of Superstition and Society (London: Macmillan & Co 1910) die These auf, dass die Meidung des Totems als Zeichen der eigenen Verwandtschaftsgruppe zur Institutionalisierung der Exogamie führte. Sigmund Freud diente Frazers These als Vorlage zu seinem Werk Totem und Tabu. Einige Übereinstimmungen im Seelenleben der Wilden und der Neurotiker (Leipzig: Heller 1912-1913). Nach Freud stiftet das Totem (des Clans) ein System verwandtschaftlicher Bindungen, das wesentlich umfangreicher ist als das der bürgerlichen Familie. Gerade deswegen, meinte Freud, gelten in Clansystemen umfangreiche soziale Meidungsvorschriften und herrscht ein Abscheu vor dem Inzest. Dieser Abscheu herrscht nach Freud ebenso in kleinen Familien, aber hier können Meidungsvorschriften nicht helfen, deswegen müssen die Inzestwünsche un-

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Schwester-Bruder-Verhältnis von dem Tabu ausgenommen, wenn es sich um eine entfernte patrilaterale Kusine handelte. Wenn es sich um eine matrilaterale Kusine handelte, so schrieb John Beattie, führte der Inzest zu mahano, einem gefährlichen Zustand.46 Beattie bezeichnete mahano als ein Konzept für abweichendes soziales Verhalten, zum Beispiel abweichendes sexuelles Verhalten, insbesondere der Inzest: „The worst kinds of incest are mother-son incest and father-daughter incest. Then comes brother-sister incest. For a man to sleep with any woman he calls ‚sister‘ is incest, but it is very heinous for a man to cohabit with his mother’s daughter than with a patrilateral halfsister. Exempt from the rule against brother-sister incest are the Bito. […] But even the Bito (with the possible exeption of the king in ancient times) would ordinarily cohabit only with a distant patrilateral ‚half-sister‘. ‚No Bito, not even (according to my informants) the Mukama in traditional times, would sleep with a full sister or a matrilateral halfsister; ‚they respect their mother’s child‘, Nyoro would say. No Nyoro may marry or cohabit with a member of his mother’s clan, or (unless he is a Bito) with a member of his own clan. These unions would give rise to mahano.“47

Demzufolge war einem Mubito in den 1950er Jahren, als Beattie in Bunyoro forschte, die Kohabitation mit einer entfernten patrilateralen Kusine erlaubt, nicht aber die mit einer matrilateralen Kusine. Beattie gibt ferner einen Hinweis darauf, dass möglicherweise der rituelle Inzest des Königs „in ancient times“ eine erwünschte Form von mahano war, die ihm sakrale Macht verlieh, wie ich bereits im Kapitel „Kosmologie und Geisterkulte“ argumentiert habe. Im Prozess wurde die Legitimation Komwerus als Königinmutter durch Rukidi infrage gestellt, weil ihr Vater der Onkel des Königs gewesen war. Bwiso, ihr Vater, war ein klassifikatorischer Bruder von Omukama Kabalega. Die Verteidigung wandte ein, dass Komwerus Vater einer anderen Patrilineage angehörte als der König.48 Seine Identität wurde jedoch im Prozess nicht weiter geklärt. Klar war lediglich, dass Komweru eine patrilaterale Kusine des Königs war und somit grundsätzlich eine sexuelle Beziehung mit ihm haben konnte. Durfte der König sie dennoch heiraten, und durfte sie Königinmutter werden? Kurz vor seinem Tod bat Komwerus Vater den König, er möge seine Tochter als

terdrückt und sublimiert werden. Vgl. Berkel, Irene: Sigmund Freud, Paderborn: Fink 2008, S. 84-86. 46 Beattie, J.: „On the Nyoro Concept of Mahano“, S. 145. 47 Ebenda. 48 Record of Civil Appeal, S. 127.

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Waise aufnehmen. So kam Gertrud Komweru in den Palast von Bunyoro-Kitara. Bald darauf wurde sie eine der Frauen von Omukama Tito Winyi. Nach der kirchlichen Trauung des Omukama mit der Mutter Rukidis zog Komweru in ein Dorf im Umkreis der königlichen Hauptstadt Hoima. Ihre Ehe mit Omukama Tito Winyi verstieß jedoch gegen das Abkommen von 1933 zwischen der britischen Protektoratsmacht und dem Königreich Bunyoro-Kitara. Dort hieß es: „Should the present custom which forbids the marriage of Babiitokati, that is, women of the Royal clan, be abondoned, the Mukama, by and with the consent of the Rukurato, shall have the right to insert the sons and descendants of Babiitokati, being recognised Babiito, in such place in the above list as may be approved by the Governor.“49

Das Abkommen bestimmte außerdem die Thronfolge in der Art, dass der König seinen Nachfolger nominieren und geheim halten sollte. Erst nach dem Tod des regierenden Omukama sollte der Name des Nominierten dem Gouverneur mitgeteilt werden, der den Nominierten bestätigten musste. Erst dann konnte der Thronfolger bekannt gegeben werden. Nahm der König vor seinem Tod dieses Recht nicht in Anspruch, fiel es dem rukurato zu. Der britische Gouverneur entschied in jedem Fall als letzte Instanz über die Wahl des Herrschers von Bunyoro-Kitara. 1955 wurde die zitierte Passage gestrichen und damit indirekt die Ehe von und zwischen Babito legalisiert. Der König konnte zudem einen Nachfolger in seinem Testament bestimmen. Gertrud Komweru, die Mutter Igurus, war daher seit 1955 eine legale Ehefrau von Omukama Tito Winyi. Ihre Kinder wurden als legitim anerkannt und konnten den Thron beerben. Nach diesen Regeln konnte Komweru Königinmutter werden. In der Unabhängigkeitsverfassung von 1962 hieß es dann, der Thronerbe müsse „from the line of the Royal Family of Bunyoro“ sein.50 Es fehlte jedoch eine klare Definition der ‚königlichen Familie‘. An dieser Stelle des Thronfolgediskurses tauchte das Testament als Entscheidungsinstrument auf. Rukidi behauptete, das Testament sei irrelevant für die Frage der Nachfolge, weil nur Mitglieder der ‚königlichen Familie‘ berechtigt seien, auf den Thron zu folgen.51 Für ihn war die Stunde seiner Geburt 1928 auch die Geburt der ‚königlichen Familie‘. Die Geburt seines Bruders betrachtete er hingegen als ein Stigma und folgerte: „He can’t be an ideal to the

49 Turton, Neville/Griffin, John/ Lewey, Arthur: Laws of the Uganda Protectorate, Bd. 6: Native Agreements and Buganda Native Laws, London: Roworth 1936, S. 1411-1418, hier: „The Bunyoro Agreement 1933“, S. 1413. 50 Uganda Government, The 1962 Constitution. 51 Record of Civil Appeal, S. 52.

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people with that stigma.“52 Deswegen sei dieser Bruder vor der Öffentlichkeit versteckt worden, wohingegen er selbst als Kronprinz präsentiert worden sei. Warum führte Prinz Rukidi das Inzesttabu als Beweis seiner eigenen Legitimation an, und warum wurde umgekehrt das Thema des königlichen Inzest von der Gegenseite tabuisiert? Ich meine, dass gerade das Inzesttabu die Hybridität und Ambivalenz des Legitimationsdiskurses zeigt. Der kolonial-christliche Diskurs und der indigene Diskurs verquickten sich in einer Weise, die mehrere Interpretationen des Inzests erlaubte. Entscheidend war, ob der indigene oder der koloniale Diskurs dominant wurde. Im Babito-Clan konnte der ‚BruderSchwester-Inzest‘ dafür sorgen, dass die Macht im Clan blieb und das Amt des Königs gestärkt wurde. Der rituelle Inzest war zumindest vor der Christianisierung Teil der königlichen Rituale. Der König und seine klassifikatorische Schwester überschritten mit dem rituellen Inzest die Grenzen des Gewöhnlichen. Während die Beteiligten an einem solchen Tabubruch üblicherweise von den Menschen oder den Geistern bestraft wurden, verlieh er dem König und seiner Schwester die Macht zum Herrschen. So gesehen war ein Inzest für den König und seine Schwester legitim, die Zeugung eines Kindes jedoch nicht. Folglich wäre die sexuelle Beziehung zwischen Omukama Tito Winyi und seiner Kusine Komweru auch im indigenen Diskurs durchaus legal gewesen, wenn sie nicht zur Geburt eines Sohnes geführt hätte. Eine solche Aussage war für das Hohe Gericht jedoch nicht von Bedeutung. Dennoch war Prinz Rukidi der Ansicht: „If my father and mother did not produce, it would be proper for the king to appoint any other son. Iguru couldn’t qualify as he is a product of an incestuous association.“53 Damit spielte er auf ein Argument an, das die Reinheit und Würde seines Bruders betraf, denn Iguru war mwiwha, das Kind einer Schwester. Diese Position gab es im königlichen Clan bis zur Einführung des Christentums nicht. Erst dann konnten Babitokati Kinder bekommen. Als Sohn einer Schwester, deren väterliche Lineage eine andere als die des Königs war, kam eine rivalisierende Lineage des Babito-Clans an die Macht. Es kam also auf den Standpunkt der Betrachtung an. Als Sohn des Königs war Prinz Iguru legitimiert, die Nachfolge anzutreten. Als Sohn einer Schwester des Königs als mwiwha, durfte er die Dynastie nicht fortsetzen. Und als Kind eines königlichen Inzests war er unrein und nicht legitimiert für die Sakralität und Würde eines Königs.

52 Interview mit John Rukidi in Butema, 11. April 2000. 53 Record of Civil Appeal, S. 54.

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Schwestersöhne und Mutterbrüder Nach den Regeln des Verwandtschaftssystems der Banyoro war Gertrud Komweru eine patrilaterale Schwester des Königs. Ihr Sohn Iguru verknüpfte zwei Lineages des gleichen königlichen Clans. Somit war er ein Grenzgänger und gefährlich, weil er den Clan seiner Mutter mit dem seines Vaters verband. Er war der Sohn einer Schwester des Königs und damit eine soziale Person, die in der Verwandtschaftsterminologie Bunyoros als mwiwha (Sg.) bezeichnet wird. Als bwiwha (Pl.) gelten alle Nachkommen der Frauen des eigenen Clans bis zur eigenen Generation. Diese soziale Rolle konnte es nur in Clanen geben, in denen die Frauen heirateten. Ein mwiwha konnte nicht Nachfolger eines Haushaltsvorstandes werden, schrieb Beattie und zitierte Banyoro mit den Worten: „A mwihwa can only inherit when the ruganda is finished“.54 Ein mwiwha konnte daher nur erben, wenn es keinen männlichen Erben in der Patrilineage gab. Nach Beattie ist ein mwiwha gefährlich, weil er ein Außenseiter und gleichzeitig ein Kind des Clans der Mutter ist.55 Während muko, der Mann der Schwester, ein Fremder ist, dem eine Frau gegen Brautgeld (mukaga) gegeben wird, bildet mwiwha eine Verwandtschaftsbeziehung zum Clan der Mutter über die Körperflüssigkeit Blut, obwohl er wie muko einem anderen Clan angehört und in diesem erbt. Beattie zufolge betrachteten Banyoro die Beziehung zwischen dem Sohn einer Frau und ihrer patrilinearen Abstammungslinie als mit dem Blutspakt (mukago) vergleichbar. Der Blutpakt diente der Etablierung von Vertrauensbeziehungen zwischen Fremden, im Handel oder in anderen Bündnissen. Ein Bruch dieses Vertrauens brachte die rituelle Kraft des Blutpaktes zur Geltung und konnte zum Tod führen. Beattie beschrieb das Verhältnis zwischen mwiwha, dem Schwestersohn, und nyinarumi, dem Mutterbruder, so, als wäre es eine hierarchische Vater-Sohn-Beziehung, in der der Onkel der rituellen Macht des Neffen unterworfen ist. Diese Beziehung weitet sich auf alle Männer des Clans der Mutter aus, die für mwiwha Mutterbrüder sind. Mwiwha, so Beattie, „is even said to ‚rule‘ them“.56 Sein Geist gilt als besonders gefährlich und rachsüchtig für den Fall, dass die Juniorposition des mwiwha nicht mit Respekt und Privilegien bedacht wird. So betrachtet, besaß Prinz Iguru die Macht, den Omukama zu beherrschen und seinen Willen zu beeinflussen, denn sein Vater war gleichzeitig ein klassifikatorischer Bruder von Prinz Igurus Mutter. Die Heirat und Geburt

54 Beattie, John: „Nyoro Marriage and Affinity“ in: Africa 28 (1958) 1, S. 1-22, hier: S. 19. ‚Ruganda‘ ist der Runyoro-Begriff für ‚Clan‘. 55 Ebenda. 56 Beattie, J.: „Nyoro Marriage and Affinity“, S. 14.

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eines Kindes hatte die Grenzen der sexuellen Regeln der Babito überschritten. Iguru konnte Unglück über seine Mutterbrüder, banyinarumi, sowie deren Clanangehörige und Familien bringen, so auch über Rukidi. Beattie vermutete in Anwendung von Marcel Mauss’ Reziprozitätstheorie, dass ein hierarchisches Verhältnis zwischen einer Familie, die eine Frau gibt, und einer Familie, die eine Frau nimmt, umgekehrt wurde. Während die frauennehmende Familie in der Schuld der frauengebenden steht, kann durch die Position von mwiwhas auch Macht über die frauengebende Gruppe ausgeübt werden.57 Solch eine Konstellation in den Heiratsallianzen hat politische Konsequenzen. Sie setzt die Mutterbrüder, ob real oder klassifikatorisch, unter Druck. In der Kombination der sozialen Positionen des mwiwha und Omukama gewann Iguru illegitime politische Macht und durfte nicht gekrönt werden. Die Macht, die ein mwiwha durch das Verhältnis zu seinen Mutterbrüdern besitzen kann, hatte sich 1862 gezeigt, als Prinz Kabalega gegen seinen Bruder Kabigumire um den Thron in Bunyoro-Kitara kämpfte.58 Der nigerianische Historiker Uzoigwe betonte die Rolle des mütterlichen Clans der Banyonza, die Kabalega unterstützen. Die Mutterbrüder waren die Königsmacher ihres Schwestersohnes.59 Anders als Babito waren sie nicht durch Abstammung an den herrschenden Clan gebunden. Kabalega war nicht durch Ernennung der herrschenden Babito-Lineage (Bajaawe) Omukama geworden, sondern zunächst durch den Kampf gegen sie, bis zu dem Punkt, an dem auch der herrschende Clan seinen Sieg anerkennen musste. Nach Uzoigwes Recherchen war dieser Moment eingetreten, als Kabalega sich des Leichnams seines Vaters bemächtigt, ihn beerdigt und das notwendige Totenritual vollzogen hatte.

D OMINANTER L EGITIMATIONSDISKURS Prinz Iguru und das Krönungskomitee reagierten auf die Klagen Prinz Rukidis und seiner Familie mit drei Elementen, die ich als Medien einer Schriftkultur bezeichnen möchte. Es waren 1. das Testament des letzten Königs, 2. die Signatur des Dokuments, 3. die Fotokopie des Testaments.

57 Ebenda, S. 19. 58 Nyakatura, J. W.: Anatomy of an African Kingdom, S. 169. 59 Uzoigwe, G.: „Succession and Civil War in Bunyoro-Kitara“, S. 58.

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Die Schrift hat „repräsentativen Charakter“, wenn sie im Bild, in der Reproduktion, in der Nachahmung einen Inhalt kommuniziert.60 Zu diesem Schluss kommt Jacques Derrida in seinen Überlegungen über die Schrift und den Stellenwert der Schrift im Diskurs. Mit der Schrift verflüchtigt sich auch die Idee des Ursprungs, denn mittels der Reproduktion durch die Schrift – und durch die Vervielfältigungstechniken der Schrift – bleiben lediglich Spuren eines Autors zurück. Der Text ist nicht mehr an den Autor gebunden, ebenso wenig wie die Handschrift oder Signatur die Anwesenheit des Autors garantiert. Die Signatur repräsentiert Anwesenheit, aber der Autor ist beim Lesen abwesend.61 Man kennt seine Intention nicht, man kann sie lediglich vermuten oder bewusst hineinlegen. Ich verstehe Derrida so, dass er die Idee des Ursprungs als Utopie auffasst. In der Schriftkultur wird die schriftliche Kommunikation stärker gewichtet als das gesprochene Wort. Sie betont damit den repräsentativen Charakter von Zeichen in der Zeit und auch im Raum. Auch über den Tod hinaus repräsentiert die Schrift, vor allem die Unterschrift, den Autor.62 Testament, Fotokopie und Signatur Im Prozess um die Thronfolge ergänzten die Zeugenaussagen den schriftlichen Willen und die Signatur des toten Königs. Gegenaussagen, die das Testament infrage stellten, weil es sich um eine Fotokopie handelte, und die Signatur, weil sie nicht ‚authentisch‘, nicht ‚wahrhaftig‘ sei und ebenso gut eine Fälschung sein könne, gelang es nicht, den dominanten Diskurs zu brechen.63 Prinz Rukidi betrachtete das Testament als eine Fälschung. Irene Kabasuga, seine Schwester, erklärte mir, es handele sich um eine Intrige. Sie behauptete, zwei Mitglieder einer konkurrierenden Babito Lineage, Dr. Majugo Rwakabale und Erizuura Rwakabale, hätten den Willen des Königs gefälscht.64 Dr. Majugo war in den 1960er Jahren ein führendes Mitglied der UPC und hatte die Abschaffung des Königtums durch Milton Obote gebilligt. Er war inzwischen verstorben. Sein Bruder Erizuura war Pensionär und wurde von Prinz Iguru nach dessen Krönung zum Führer des Babito-Clans ernannt. Irene Kabasuga vermutete daher ein Komplott der konkurrierenden Lineage gegen Prinz Iguru, die das Testament

60 Derrida, Jacques: „Signatur Ereignis Kontext“, in: Engelmann, P. (Hg.): Randgänge der Philosophie, S. 325-353, hier: S. 329. 61 Ebenda, S. 348 ff. 62 Ebenda, S. 330. 63 Record of Civil Appeal, S. 192. 64 Interview mit Irene Kabasuga Gafabusa, Kampala, 8. Juli 1999.

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benutzte, um die Machtpositionen im Königtum zu besetzen. Das Testament war für sie ein zweifelhaftes Mittel der Legitimation. Oralität und Schriftlichkeit standen im Prozess um die Nachfolge in Bunyoro-Kitara in einem Spannungsverhältnis. Kultur, Bräuche und Traditionen basierten auf Oralität, auf der mündlichen Weitergabe von spezifischem Wissen, teils geheim, teils öffentlich. Im 19. Jahrhundert begann die Aufzeichnung dieses Wissens in arabischer Schrift, im 20. Jahrhundert folgte die lateinische Schrift.65 Verschriftlichung bedeutete auch, dass die mündlichen Überlieferungen kodiert und fixiert wurden. Damit war ihre Auslegung weit weniger verhandelbar als in der mündlichen Form. Schriftliche Texte wie die ‚Geschichte Bunyoro-Kitaras‘ von John Nyakatura ergänzten die mündlichen Erzählungen.66 Die Parallelität und Konkurrenz von Mündlichkeit und Schriftlichkeit prägte auch den Nachfolgeprozess von 1993. Einerseits wurden Zeugen zu den Traditionen der Nachfolge in BunyoroKitara vernommen, andererseits wurden deren Aussagen einem Schriftstück, dem Testament, untergeordnet. Das Testament existierte lediglich als unbeglaubigte Kopie. Es war auf den 22. Oktober 1962 datiert und TOP SECRET an den ‚Chief Justice of Uganda‘ gerichtet. In seiner Willenserklärung „according to the law who will be my successor and heir to the throne of Bunyoro-Kitara Kingdom after my death“, erklärte Omukama Tito Winyi67:

65 Henige, D.: „‚The Disease of Writing‘“. 66 Insbesondere John Nyakaturas Ky’ Abakama ba Bunyoro-Kitara [The Kings of Bunyoro-Kitara], 1947, das 1973 von G. Uzoigwe unter dem Titel Anatomy of an African Kingdom herausgebracht wurde. 67 Im Bunyoro-Abkommen von 1955 hieß es: „The Omukama and his successors in office shall have the right to nominate a successor to the position and dignity of Rukirabasaija Agutamba Omukama. Such nomination shall be communicated to the Governor and shall not be disclosed until after the death of the Omukama. If a deceased Omukama has failed to nominate a successor acceptable to the Governor the right of nomination shall, as soon as possible after his death, be exercised by the Rukurato. The successor nominated as aforesaid must be approved by the Governor without whose approval no person shall be recognised as Omukama.“ (The Bunyoro Agreement 1955, Entebbe: Uganda Protectorate Printery 1955, S. 3.) In der Konstitution von 1962 erschien zum ersten Mal der Begriff „Königliche Familie von Bunyoro“. „The Omukama shall be entitled to nominate his successor to the throne of Bunyoro from amongst the line of the Royal Familie of Bunyoro.“ (The Constitution of Uganda 1962, Uganda Constitutional Commission, Kampala. Part I, 2. [1], S. 127.) An die Stelle des Gouverneurs trat von nun an der Präsident von Uganda,

182 | D IE R ÜCKKEHR DER K ÖNIGE VON U GANDA „In accordance with the Constitution of Uganda which came into effect on the 9th October 1962, and in accordance with the previous Bunyoro Agreement [1955], I present to you my will in which I have named my successor and heir to the throne of Bunyoro-Kitara. Suleimani Iguru will be my successor and heir to the throne of the Kingdom of BunyoroKitara when I die wether by accident or natural death.“68

Die Klägerseite bezweifelte die Echtheit des Dokuments, die Wortwahl und Formulierung und die Authentizität der Signatur. Obwohl es keine Zeugen für die Reproduktion des Testaments gab, galt es vor Gericht als „secondary evidence“69. Ein solcher Beweis konnte vorgelegt werden, wenn das Original entweder zerstört oder nicht auffindbar war, aber ein äquivalentes Beweisstück existierte, welches die Urteilsfindung erleichtern konnte. Prinz Rukidis Fall hing daher von der Frage ab, ob das Hohe Gericht die Fotokopie akzeptierte oder verwarf. Der Richter hielt die Vervielfältigung und somit das Testament für geeignet, die Frage der Legitimation zu klären. Die Verteidigung verlangte ferner einen Beweis für den angeblichen Inzest des Königs. Diesen Beweis konnte die Klägerseite nicht liefern, weil im Abkommen von 1955 kein Heiratsverbot für Babitokati erwähnt worden war, sodass die Endogamie im Clan der Babito legal wurde. Mit dem Statut der NRM von 1993 wurden die ‚Traditionen, Bräuche und die Kultur‘ in Übereinstimmung mit dem ‚Willen des Volkes‘ Teil des dominanten Diskurses. Die Erfindungen des kolonialen Diskurses wie die ‚königliche Familie‘ und der ‚Kronprinz‘ hatten in diesem Thronfolgeprozess ihre Legitimation verloren. Der Schrift kam nun die Funktion zu, den Kandidaten zu stützen, der die customs erfüllte. Paradoxerweise konnte John Rukidi keinen schriftlichen Beweis vorlegen, dass er bei seiner Geburt zum Nachfolger ernannt und sein Geburtstag zum Feiertag erklärt worden war.70 Er konnte sich lediglich auf Augen- und Ohrenzeugen berufen. Königsmord Im Gegenzug zu den Inzestvorwürfen, die Prinz Rukidi gegen seinen Vater und Prinz Igurus Geburt erhob, behauptete die Verteidigung, Rukidi habe im Konflikt mit seinem Vater gestanden. 1962 habe Omukama Tito Winyi deshalb ein

um die Nomination in Bunyoro zu genehmigen. Von 1962 bis zur Abschaffung der Königtümer 1967 wäre dies der kabaka von Buganda gewesen. 68 Record of Civil Appeal, Appendix A. 69 Ebenda, S. 185. 70 Ebenda, S. 46.

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Testament geschrieben und seinen Sohn Iguru zum Nachfolger nominiert. Rukidi leugnete die Vorwürfe vor dem Hohen Gericht: „I was on good terms with my father. I never had a confrontation with my father. I don’t know I used a gun to threaten my father.“71 Verschiedene Versionen dieser Auseinandersetzung wurden mir in Bunyoro-Kitara erzählt. Baguma Isoke, der Staatsminister für Land und Wasser, der zugleich Mitglied der Nationalversammlung aus dem Distrikt Kibale war, erzählte mir von folgender Geschichte: „Omugo [Königin Margarete] had a lover in 1955, around that time. She escaped with him from the palace and went to Kiryateete, a village behind the palace in Hoima. On her return she was caught up by the Omukama who canned her up seriously. Rukidi came to help for his mother and wrestled his father. The Omukama went in wrath to get his spear and Rukidi run for his gun to protect himself. He was a police man. They did not fight each other again, but the Omukama [Sir Tito Winyi] subsequently changed his will in favour of Iguru.“72

In dieser Geschichte war der weibliche Ungehorsam die treibende Kraft des Konflikts zwischen Vater und Sohn. Die zukünftige Königinmutter provozierte die Strafe des Königs, die auch den Sohn traf. Eine andere, ähnliche Version erzählten Dorfbewohner im Distrikt Hoima: „Rukidi had misunderstandings with his father. He wanted to shoot him with a gun. The Omukama threatened him with a spear. The plan to kill the King had been made earlier on between Rukidi and his mother, because he wanted to take over the throne, because he was the heir. The incident was just something that sparked of the plan. The Omukama ran into hiding in Masindi. Rukidi was cooled down by elders. Then the Omukama came back and gave Rukidi one mile of land, to please him. But he also changed his will and put Iguru as the heir and another one [of his sons] who was the priority, but that one died. The King sent copies of the will to Buganda and Britain. Rukidi was ignorant about the issue until his father died. Then kingdoms had been abolished. If they had coronated Rukidi, he would have died within a week, because it would have been disregarding the will of the father.“73

In dieser Version, die an den ödipalen Konflikt erinnert, versucht Rukidi seinen Vater zu töten, um den Thron von Bunyoro-Kitara zu besteigen. Der Versuch

71 Record of Civil Appeal, S. 47. 72 Interview mit Baguma Isoke, Kampala, 28. Februar 2000. 73 Nach Erzählungen der Dorfbewohner von Kyesiga, Hoima Distrikt, 20. März 2000.

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misslingt. Seine Mutter unterstützt den Umsturzversuch, um ihren Sohn an die Macht zu bringen. Rukidis technische Überlegenheit – er besitzt als Polizist ein Gewehr – zwingt den König zur Flucht. Die Ältesten besänftigen den Rebellen, und der König gibt ihm Land als ein Zeichen des Friedens. Als Konsequenz enterbt der König den rebellischen Sohn als Thronfolger. Er schreibt ein Testament, welches er den kolonialen Machthabern und ihren Verbündeten, den Baganda, übergibt. Den Rebellen lässt er im Ungewissen. Das Skript für diese Geschichte findet sich in der Mythologie BunyoroKitaras, die Nyakatura im Königtum durch seinem Buch Abakama ba BunyoroKitara noch einmal verbreitet hatte.74 Es beschreibt das Problem der Rebellion durch die jüngere Generation, die sich über die Ältesten hinwegsetzt. Es thematisiert auch den Niedergang des Königreiches durch den Krieg und die technische Überlegenheit der Briten mit ihren Schusswaffen. Und es spricht über die Macht der Mütter, die ihren Sohn zum König machen, indem sie den alten König töten. Dennoch ist die Macht des toten Königs größer als die der Mütter und ihrer Söhne, weil er die Rebellion als Geist strafen kann. Auch die Mutter des Rebellen wird von der Strafe des Königs getroffen, hieß es in der Fortsetzung der von den Dorfbewohnern erzählten Geschichte: „The Omukama left in his will the mother of Rukidi should not be buried at Mparo.75 When she died, the Omukama was already dead. Rukidi buried her at Mparo. Few days later, the grave was hit by lightening. The body and bones were exhumed, they came out and fell outside of the grave. Rukidi and few others organised a burial in Butema on his piece of land, one mile. This was a warning by his father from the land of the living-dead. Rukidi would not have survived a week as a king.“76

Wie in vielen anderen Geschichten, beispielsweise über den verlassenen Palast des Königs in Hoima, brachten die Dorfbewohner das Königtum mit okkulten Mächten in Verbindung. Die sakrale und okkulte Macht des Königs war kein totes Konzept, sondern eine lebendige Vorstellung, ebenso wie die Geistaktivität des toten Königs. Das königliche Ehepaar trennte sich, als die Königtümer abgeschafft wurden und die königliche Familie den Palast verlassen musste.77 Zu die-

74 Nyakatura, J.: Abakama (Kings) of Bunyoro-Kitara, Neuauflage. 75 Mparo ist ein Hügel in der Nähe der Stadt Hoima. Dort liegen die Gräber von Omukama Kabalega und Omukama Sir Tito Winyi. 76 Nach Erzählungen der Dorfbewohner von Kyesiga, Hoima Distrikt, 20. März 2000. 77 Interview mit Lady Margaretes Neffen, George Kagaaza, in Butema, 2. Mai 2000. Lady Margarete starb 1986, ein halbes Jahr nach der Machtübernahme der NRM.

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sem Zeitpunkt, 1967, hatte der König bereits sein Testament geschrieben. Möglicherweise wusste Lady Margarete bereits, dass Prinz Rukidi nicht Thronfolger werden sollte. In den Erzählungen erscheint sie als machthungrige Frau und untreue Gattin, die vom König zu Recht gezüchtigt wird. Von John Rukidi wird einerseits berichtet, wie er seine Mutter vor dem Zorn seines Vaters schützt, andererseits wird er ebenfalls als machthungrig und unbeherrscht dargestellt. Im Kern der Kritik hatte Rukidi die Position des Oberhauptes der Familie (nyineka) und des Königtums (omukama) angegriffen. Er hatte die Sakralität des Königs verletzt, die ein Modell für die Sakralität des Vaters war. Deswegen fiel er in Ungnade, nicht nur beim Vater, sondern auch in der Bevölkerung. Die Regel der Primogenitur, die Prinz Rukidi für sich in Anspruch nahm, hatte der letzte König Bunyoro-Kitaras, Sir Tito Winyi, insgeheim außer Kraft gesetzt. Ob in Person oder stellvertretend durch die Erfinder seines Testaments, das Schriftstück konterkarierte alle Regeln der konstitutionellen Monarchie. Es missachtete die christlichen Vorstellungen von der Thronfolge. Es bestimmte nicht den Erstgeborenen und nicht den durch die kirchliche Ehe vorbestimmten Sohn zum Thronfolger. Bestattungsrituale 1971, vier Jahre nach Abschaffung der Königtümer durch Präsident Obote, verstarb Sir Tito Winyi im Krankenhaus in Kampala. General Idi Amin hatte sich im gleichen Jahr an die Macht geputscht. Der Leichnam des Omukama wurde für neun Tage aufgebahrt, und Prinz Iguru, der in Großbritannien studierte, kehrte zur Bestattung nach Uganda zurück. Der Leichnam wurde in Begleitung Präsident Amins und Prinz Igurus nach Masindi geflogen und in Mparo, einem Hügel in der Nähe von Bunyoros Distrikthauptstadt Hoima, bestattet. In Mparo befand sich bereits die Grabstätte Omukama Kabalegas, die wie die übrigen fünfundzwanzig Gräber der toten Könige von Bunyoro-Kitara unter der Obhut des mugema stand. Dieses Amt besetzte 1971 Ernest Kwebiha, der von 1956 bis 1962 königlicher Premierminister (katikiro) gewesen war. Er leitete die Bestattungsrituale des toten Königs und installierte Iguru als dessen Erben. Im Prozess erklärte er: „When the tomb was ready we buried. Prince Rukidi was not there but Iguru was there. Iguru dropped soil in the grave. I was present at the burial throughout the function. I did not see any other children perform as Iguru did. I was very busy. I only saw Iguru. After the burial I went for tows of the Amagasani [königlichen Gräber] […]. Thereafter we waited for the installation of the heir.

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After the burial at Mparo, I did not hear the will being read. I was in the tomb of Kabalega. […] Babiito Rwakabale James Kihika and Rwakabale [Ernest] came to tell them when I would hand over the spears. I replied them to prepare the day the regalia and all things for the rituals. When that day came it befell on me, as I was thrustworthy, he [Sir Tito Winyi] had confided in me about the will and that I had to place the spear in Igurus hands and that, if God willing, the Kingdoms were to be restored, Iguru should be king. I performed the function, handed the spear to Iguru, dressed him in a bark cloth, milk ensuga (stick). Iguru then sealed [sic! sat?] on his late father’s chair at Kihande. Around that chair were Babiito and Babiitokati and Banyoro friends. I adressed the heir on how he should believe [sic! behave?] as king. Prince Rukidi was present at the function. After installation people presented gifts to the heir.“78

Kwebiha hatte seiner Aussage zufolge das Vertrauen des verstorbenen Königs genossen und wusste unabhängig von einem Testament, dass Iguru König werden sollte. Er sah Iguru Erde in das Grab werfen und betrachtete dies als einen Bestattungsritus. Ein anderer Zeuge mit dem Titel kasumba sagte aus, Iguru habe ein Stück Rindenstoff in das Grab gelegt.79 Dann ging die Familie in das Haus des verstorbenen Königs, wo das Testament von dem Bevollmächtigten des High Court verlesen wurde. Bald darauf installierte der mugema den Erben des verstorbenen Königs, Prinz Iguru, indem er ihm einige Regalia gab. Im Prozess erklärte er: „When it is an ordinary heir he gets what I gave. Where [sic] he is an heir to the throne he gets other things in addition like the stool. In Iguru’s case he sat on his father’s chair.“80 Handelte es sich aber um den Thron des Königs oder um den Sitz des Vaters? Im Vergleich mit John Beatties ethnologischer Arbeit über die Begräbnisund Nachfolgerituale der Banyoro zeigt sich, dass der mugema den Erben eines Haushalts (nyineka), nicht aber den eines Königtums einsetzte.81 Prinz Rukidi machte eine klare Unterscheidung zwischen der Erbschaft der materiellen

78 Record of Civil Appeal, S. 113-114. 79 Ebenda, S. 106. Kasumba ist der Führer der Babito-Lineage Bacaaki. Bis zum 19. Jahrhundert herrschte Kasumba ähnlich wie der Bayaga-Clan-Führer Kyanku kya Mihingo in einem Teil des heutigen Kibaale-Distrikts relativ autonom vom Omukama von Bunyoro-Kitara. Die Krönungsrituale des Königs enden mit einem rituellen Besuch des neuen Omukama bei Kasumba, so kam Omukama Iguru 1994 zu Kasumba. Vgl. Interview mit Barwogeza Kasumba in Bwikara, 5. September 1999. 80 Record of Civil Appeal, S. 115. 81 Beattie, John: „Nyoro Mortuary Rites“, in: Uganda Journal 26 (1961) 2, S. 171-183.

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Reichtümer seines Vaters und der Nachfolge als Omukama, und erklärte: „Iguru can be the heir to his late father as an individual but not as a king, otherwise we shall have a wrong lineage of the kings of Bunyoro just as we make a fresh start.“82 Demnach unterschied er zwischen zwei Körpern des Königs, so wie die britische Rechtslehre zwischen dem individuellen Besitz des Königs und dem korporativen Besitz der Krone trennte. Prinz Iguru sollte den persönlichen Besitz Sir Tito Winyis erben, Prinz Rukidi aber die Krone. Außerdem argumentierte er, die ‚falsche Lineage‘ käme an die Macht, wenn Iguru zum König gemacht würde. Damit konnte er nur die Lineage von Budoli meinen, dem Vater von Igurus Mutter Komweru. Eine weitere Gefahr für das Königtum sah Prinz Rukidi in folgendem Umstand: „As mwiwha he [Prinz Iguru; R. v. W.] is associated with bad omen. It is a shameful position, because bwiwha clean the courtyard after the burial. […] Such a person cannot succeed to the throne.“83 Er deutete damit an, dass ein mwiwha etwas Unreines tat und es im Babito-Clan keine bwiwha geben konnte, solange Babitokati keine Kinder bekamen. Der Anthropologe John Beattie erwähnt eine Vielzahl von rituellen Regeln und Meidungsgeboten der Banyoro, so auch in ihren Beerdigungsriten.84 Demzufolge löst ein mwiwha den Haushalt eines Toten auf, indem er all die Dinge, die das soziale Leben des Verstorbenen geordnet haben, beseitigt und damit auch die soziale Person des Toten. Dieser existiert nur noch als Geist. Ein mwiwha kann die herrschende Ordnung unterlaufen, Tabus brechen, und Handlungen ausführen, ohne selbst dafür bestraft zu werden. Die Strafe trifft den Mutterbruder, die väterliche Autorität im Clan der Mutter, nicht den Schwestersohn. Ein mwiwha ist ein Außenseiter in der mütterlichen Familie, der gefährliche Rituale ausführen kann.85 Da Prinz Iguru der Sohn einer Mubitokati war, besaß er für Prinz Rukidi nicht die Würde und die Reinheit, die einen König zu einer idealen Person machte.

82 „I’m for Rukidi“, Leserbrief von David Mugambo, Hoima, in: The Monitor, Reader’s Forum, 1. März 1994. 83 Interview mit John Rukidi in Butema, 11. April 2000. 84 Beattie, J.: „Nyoro Mortuary Rites“, S. 180. 85 Beattie, J.: „Nyoro Marriage and Affinity“, S. 19-21.

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Gerichtsurteil „Judgement: I make the following orders: (a) I declare that Prince Solomon Iguru is a member of the Royal Family of the late Sir Tito Winyi IV and accordingly has a right to be crownd to succeed the said late Sir Tito Gafabusa Winyi IV.“86

Das Hohe Gericht erkannte Prinz Iguru als rechtmäßigen Thronfolger an und hielt alle Vorwürfe Prinz Rukidis für widerlegt und unbegründet. Der Richter glaubte den Aussagen der Verteidiger, ihrem Dokument und ihren Zeugen, auch wenn diese mutmaßten oder sich in Widersprüche verstrickten. Dagegen erklärte er die Aussagen des Klägers für ungültig, weil Prinz Rukidi sich auf Ereignisse und Aussagen berief, die er nicht schriftlich belegen konnte – wie etwa seine Nominierung zum Kronprinzen und die Deklaration eines Feiertages zu Ehren seines Geburtstages. Das Hohe Gericht wurde zur Entscheidungsinstanz der Aussagen, die als ‚wahr‘ oder ‚unwahr‘, als ‚beweiskräftig‘ oder ungültig galten. Es fällte seine Entscheidungen aufgrund schriftlicher Dokumente und mündlicher Zeugenaussagen, nach den Prinzipien der Schriftlichkeit, der Mündlichkeit und des modernen Rechtsstaates. Gleichzeitig aber legte der Richter diese Prinzipien nach juristischem Ermessen aus und akzeptierte die Beweiskraft einer Fotokopie in Ermangelung des Originals. Die Frage der Authentizität eines Dokuments und einer Signatur wertete er als zweitrangig gegenüber den Zeugenaussagen, die das Dokument stützten. Schon die Feststellung, dass es ein Testament und eine Signatur des letzten Königs gegeben hatte, also eine schriftliche Aussage und ein modernes Instrument der Rechtsprechung, die den letzten Willen des Verstorbenen kundtaten, legitimierte nach Ansicht des Richters den Thronfolger. Die Thronfolge wurde somit rechtstaatlich entschieden, sie richtete sich aber nach den Regeln des herrschenden Systems. Der staatlich legitimierte Thronfolger unterstützte die Regierung, anders als sein Rivale, der zur politischen Opposition zählte. Prinz Rukidi fehlte es an politischer Klientel. Er erklärte mir in Bezug auf die herrschende NRM: „Once you are their supporter, you become king.“ Als Verfechter des Mehrparteiensystems kritisierte er den Bann der Oppositionsparteien im Einparteienstaat und die Korruption, die er als „licence to rule“ bezeichnete. Eine von der Regierung geplante Landreform betrachtete er als „landgrabbing“ mit Unterstützung des Staates. Administrativ trat er für eine förderale

86 Record of Civil Appeal, S. 232.

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Struktur in Uganda ein, in der die Königtümer politische Macht bekamen. Er erklärte mir, viele Dinge im Palast würden falsch gemacht, weil die Verantwortlichen nicht im Palast aufgewachsen seien und kein Wissen besäßen. Die Rituale seien verzerrt. Der Palast, der einst ein respektierter und sakraler Raum gewesen sei, werde der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, die darin ein- und ausgehe. Der Palast sei jedoch kein Ort für profane Dinge. Selbst Omukama Tito Winyi habe sich durch Rituale schützen müssen, und sein Bruder Iguru habe, nachdem er zum König gekrönt worden war, den Palast von seiner gefährlichen Magie reinigen müssen. Die Verfassungsnovelle 118 A von 1993 war das rechtliche Regelwerk des herrschenden Regimes, mit dem es die Rückkehr der Könige kontrollierte. Darin wurde die Entscheidung für oder gegen die Monarchie von den ‚customs and traditions‘ und vom Willen des Volkes abhängig gemacht. Die ethnologische und historische Forschung hat gezeigt, dass ‚Tradition‘ ebenso wie ‚customs‘ Begriffe sind, die je nach Diskurs und Machtverteilung mit Inhalt gefüllt werden.87 Prinz Rukidi war nicht stark genug in das Netzwerk der lokalen und der nationalen Eliten eingebunden, daher versagte seine Auslegung der Tradition und der customs, die sich vor allem auf den kolonialen Diskurs der Thronfolgeregelung stützte. Die kritischen Themen, die Rukidi anführte, um die Krönung seines Bruders zu verhindern, waren wirkungslos gegen die Macht des Krönungskomitees und seine politischen Beziehungen. Seine Behauptung: „Kings are born, they are never appointed“88 traf nicht zu, da die Nachfolge durch machtkonstituierende Diskurse und Praktiken geregelt wurde. In vorkolonialer Praxis bedeutete dies häufig Krieg, unter kolonialer Herrschaft galten europäisch-christliche Thronfolgeregeln. Rechtlich wurde mit der Gesetzesnovelle von 1993 keine klare Trennung zwischen diesen Regelsystemen gezogen, sodass beide in den juristischen Diskurs und seine Entscheidung eingingen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass der neue König nach seiner Krönung zu den Regeln des christlichen kolonialen Diskurses zurückkehrte. Prinz Rukidi starb 2002 an Herzversagen.89 Im gleichen Jahr ging Omukama Iguru eine kirchliche Ehe ein, um mit seiner zweiten Frau legitime Thronfolger zu zeugen. Im ersten Kabinett seines Rivalen Omukama Solomon Iguru saßen einige Mitglieder des Krönungskomitees. George Muhuruzi übernahm 1994 das Amt des Ministers für Kultur. Christopher Sabiti wurde Minister für Clane. Erizura Rwakabale wurde von

87 Z. B. Hobsbawm, E./Ranger, T.: The Invention of Tradition. 88 Record of Civil Appeal, S. 45. 89 „Bunyoro royal tombs robbed“, in: The Monitor, 12. Dezember 2003.

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Omukama Solomon Iguru gegen den Willen der Mehrheit der Babito-Mitglieder zum okwiri (Führer des Babito-Clans) ernannt. Im Prozess um die Nachfolge des Königs habe ich gezeigt, wie mit der Retablierung des Königtums eine Debatte über die Legitimation des neuen Königs entbrannte. Die Thronfolge war auch in den benachbarten Königtümern nicht ohne Komplikationen verlaufen, da rivalisierende Interessengruppen und Individuen die Legitimation der Kronprinzen anzweifelten. Das Problem ist daher eher strukturell als symptomatisch zu betrachten. Während in vorkolonialen Nachfolgekriegen die politische Klientel eines Prinzen und der bewaffnete Kampf über die Thronfolge entschied, mussten die Rivalen nun zu sozialen, religiösen und kulturellen Argumenten greifen, um den Gegner zu schlagen und sich als ‚traditionelle Führer‘ zu behaupten. Mit der Legitimation des neuen Königs wurde gleichzeitig über die Institution der Monogamie, der Polygamie, der Primogenitur und über Grenzüberschreitungen wie den königlichen Inzest und den Königsmord verhandelt. Im Gegensatz zur kolonialen Rechtsprechung kamen die Regeln der Nachfolge nun aus afrikanischen und europäischen Rechtsvorstellungen. Die Auslegung des Richters war daher entscheidend für den Ausgang des Prozesses. Die Auseinandersetzung um das Testament des letzten Königs zeigt ferner, wie Schrift und Sprache in der afrikanischen Moderne flexibel eingesetzt werden und um Gültigkeit konkurrieren. Die Schrift dient vor allem der Unterstützung mündlicher Aussagen, nicht umgekehrt. Mündliche Diskurse bestimmen das gesellschaftliche Geschehen, schriftliche legitimieren es vor den Organen des Staates. Daher konnte es keinen Thronfolger ohne die Zustimmung des Staates geben. Die obersten Richter werden in Uganda vom Präsidenten bestimmt, und somit ging das Urteil des Richters mit den Präferenzen der Staatsmacht konform. Der Prozess zeigt, wie die Interpretation des Rechts von denen bestimmt wird, die den Legitimationsdiskurs mit Macht besetzten. Er zeigt ferner, wie sich die Gerontokratie in Uganda mit den neuen Eliten zusammenschließt, um mit der Rückkehr der Königtümer neue Macht zu gewinnen.

7. ‚Unsere Dinge‘ Besitztümer und die Materialisierung der Diskurse

Zur Wiedereinrichtung des Königtums bedurfte es nicht nur eines Thronfolgers, sondern auch materieller Mittel. Als ‚unsere Dinge‘ (ebyaitu) bezeichneten Banyoro eine ganze Reihe von Dingen, mit denen die Rückkehr des Königs verwirklicht werden sollte.1 Es waren im weitesten Sinn der Besitz und das Vermögen des Königtums vor seiner Abschaffung. In sechsundzwanzig Jahren waren Teile davon verloren gegangen. Einiges konnte jedoch zurückgefordert und zurückgegeben werden, anderes wurde vom Staat und seinen Organen zurückgehalten. In diesem Kapitel untersuche ich die Diskurse um ‚unsere Dinge‘ und ihre Beziehung zur Macht. Im vorangegangenen Kapitel ging es um die Thronfolge, das heißt um die Legitimation eines neuen Königs. Nun möchte ich die Aufmerksamkeit auf die Erneuerung der rituellen und ökonomischen Macht des Königs lenken. Ich zögere hier, mit Foucault von einem ‚Souverän‘ zu sprechen2, denn in Uganda wurde die politisch-juridische Macht des Königs von der strategischen Macht des modernen Staates beschnitten. Daher bleibe ich beim Begriff des Königs, der sich durch seine Sakralität und rituelle Macht auszeichnet. Nichtsdestotrotz ist die Wiederherstellung der Souveränität des Königs im postkolonialen Staat eines der Ziele des Königtums und seiner Unterstützer. Anders gesagt, der Diskurs über die Rückkehr des Königs geht langsam in einem Dispositiv der Macht auf. Das Ungesagte erhält dabei Vorrang vor dem Gesagten. Die Praktiken der Retablierung können den Diskurs der Rückkehr nun ihrer-

1

Z. B. „Elders ask for ebyaitu“, in: New Vision, 18. August 1999, und Rede des

2

Zur Souveränität des Königs und zur Mikrophysik der Macht des modernen Staates

katikiro zum 7. Empango-Fest in Hoima, 29. Juli 2000. „We are grateful for ebyaitu“. siehe Foucault, M.: Überwachen und Strafen.

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seits einschränken, produktiv formen und dominieren.3 Erst mit der Materialisierung und Institutionalisierung von ebyaitu ist der König wirklich zurückgekehrt. Welche Diskurse wurden um ebyaitu geführt, seit der Begriff Anfang der 1990er Jahre zum Thema öffentlicher Debatten wurde? Erstens thematisiert ebyaitu die Rückgabe unveräußerbarer Dinge. Dabei handelt es sich um Regalia, die zur Krönung des Königs benötigt wurden, sowie um Paläste und Gräber oder Grabstellen der Könige von Bunyoro-Kitara, die ebenfalls zurückgegeben wurden. Im damit verbundenen Diskurs um das Weltkulturerbe artikulierte der Staat, welchen kommerziellen Wert die Dinge des Königtums für ihn haben. Zweitens bezieht sich der Begriff ebyaitu auf eine Kette von Ereignissen, die durch die Rückforderung der Regierungsgebäude und der Landrechte des Königtums ausgelöst wurden. Ich beschreibe diese Ereignisse, ihre Diskurse, Machtstrategien und nichtdiskursiven Praktiken: das Ungesagte, aber Sichtbare. Hier artikulieren sich die finanziellen Interessen und Nöte einer Lokalregierung, die mit dem Königtum um Macht und Besitz konkurriert. Drittens bezieht sich ebyaitu auf Dinge, die von der Zentralregierung zurückgehalten wurden, weil sie deren finanzielle Interessen berühren: Betriebe und Ländereien, die in der einen oder anderen Form zum Staatsbudget beitragen. Diese Dinge sind Objekte einer staatlichen Privatisierungspolitik, die globale statt lokale Investoren bevorzugt. Was verbindet die verschiedenen Diskurse? Sie alle thematisieren die ‚materielle Armut‘ und den ‚kulturellen Reichtum‘ Bunyoro-Kitaras, die in einem Missverhältnis stehen. Sie debattieren die Frage der Ökonomie des Königtums, die Bezahlung der Aktivitäten, der Amtsinhaber und der Regierung des Königs, aber auch des Königs selbst. Sie applaudieren dem postkolonialen Staat, aber sie kritisieren ihn auch. Letztlich ist ihr Gegenstand die Macht und die Würde des Königtums und des Königs in diesem Staat.

R ÜCKGABE

VON

B ESITZ

UND

V ERMÖGEN

Der High Command der NRA beschloss im April 1992, die Verstaatlichungspolitik der Obote-Regierung rückgängig zu machen und den Königtümern ihren Besitz und ihr Vermögen zurückzugeben. Das Traditional Rulers Statute 118 A von 1993 erhielt den Zusatz „Restitution of Assets and Properties (Supplement No. 4)“.4 Namentlich erwähnt wurde nur das Königtum Buganda, das bereits

3

Ruoff, M.: Foucault-Lexikon, S. 95.

4

„The Traditional Rulers (Restitution of Assets and Properties) Statute No. 8, Supplement No. 4, 1993“, in: Uganda Gazette 86 (1993) 32.

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eine Liste seiner Besitztümer (ebyaffe)5 zurückerhalten hatte. Mit den übrigen Königtümern sollten Verhandlungen geführt werden: „In the case of Traditional Rulers other than the Traditional Ruler of Buganda, the Government shall hold negotiations with the Traditional Rulers concerned with a view to returning to them such assets and properties as may be agreed.“6

Die Restitutionen sollten in mehreren Phasen verlaufen und den Dingen Priorität geben, die zur Krönung und Rückkehr des Königs notwendig waren: einigen seiner Regalia und seinem Palast. Außerdem erhielt Bunyoro-Kitara die königlichen Gräber und das dazugehörige Land zurück. In einer zweiten Phase sollten dann die übrigen Besitztümer und das Vermögen des Königtums zurückgegeben werden. Kurz vor der Verabschiedung des Traditional Rulers Statute 1993 erließ die Regierung ein Statut zur Dezentralisierung der politischen Macht.7 So entstanden in allen Distrikten eigenständige Lokalregierungen, die für die Administration und für politische Entscheidungen im Distrikt zuständig waren. Die Könige sollten für den kulturellen Bereich Verantwortung tragen und hier in Aktion treten. Zur Rückkehr der Könige schuf die Zentralregierung mit den Lokalregierungen also gleichzeitig ein politisches Kontrollorgan und einen Puffer in Machtkonflikten. Allerdings unterschätzten die staatlichen Behörden den Willen der lokalen Institutionen, sowohl der kulturellen wie der politischadministrativen, ihre eigenen Interessen durchzusetzen und auszubauen. Nach Bekanntwerden der Entscheidung des High Command 1992 richtete sich die Stimmung in der Bevölkerung in den westlichen Distrikten mehrheitlich gegen eine Wiedereinrichtung des Königtums Bunyoro-Kitara. Erst nach der Mobilisierung durch das Krönungskomitee konnte die Zustimmung der LocalCouncil-Mitglieder zur Rückkehr des Königs gewonnen werden. Der Diskurs um die Rückkehr des Königs war also nicht gradlinig, sondern gewunden und teils unterbrochen. Baguma Isoke, der Führer (LC V) des Distrikts Kibaale und

5

Zur Ebyaffe-Debatte siehe Kiguli, J.: Gender, „Ebyaffe“ and Power Relations in the Buganda Kingdom, und Mayer-Himmelheber, C.: Die Regalia des Kabaka von Buganda.

6

Ebenda.

7

Regan, A. J.: „A Comparative framework for Analysis of Uganda’s Decentralisation Policy“, in: Langseth, Peter/Katorobo, James/Brett, Edward A./Munene, J. C. (Hg.): Uganda. Landmarks in Rebuilding a Nation, Kampala: Fountain 1995, S. 271-303, hier: S. 271-272; Museveni, Yoweri K.: „Building a Democratic Future“, in: ders.: Sowing the Mustard Seed, S. 187-214, hier: S. 190.

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zugleich einer der Abgeordneten zur verfassunggebenden Versammlung von Uganda, stimmte zunächst gegen die Retablierung des Königtums. Bis 1995 war Kibaale nicht Teil des Königtums Bunyoro-Kitara, und die Mitglieder der Lokalregierung unterstützten die Aktivitäten des Königtums nicht. Dann übergaben die Ältesten und die opinionleaders8 des Distrikts der verfassunggebenden Versammlung Ugandas ein Memorandum, in dem sie die Zugehörigkeit Kibaales zum Königtum Bunyoro-Kitara betonten.9 Sie walteten so tatsächlich als ‚Meinungsmacher‘ und übergingen die Ablehnung des Königtums in der Mehrheit der Bevölkerung.10 Die ehemaligen ‚verlorenen Gebiete‘ wurden daraufhin wie schon 1964 dem Königtum Bunyoro-Kitara wiedereingegliedert. Dieses Mal jedoch ohne sich dessen Administration zu unterwerfen.

U NVERÄUSSERBARE B ESITZTÜMER , DICHTE O BJEKTE Die Regalia des Königs Zur Krönung von Prinz Salomon Iguru am 11. Juni 1994 erhielt das Königtum Bunyoro-Kitara einen Teil seiner Regalia zurück. Angeblich setzte sich Präsident Museveni persönlich dafür ein, dass die fünfzig Objekte, die für die Krönung benötigt wurden, rechtzeitig an ein Board of Trustees und an Prinz Iguru ausgehändigt wurden.11 255 Objekte befanden sich in der Obhut des Nationalen Museums in Kampala. Bei dieser Zahl waren mehrere Objekte unter einer Nummer registriert worden.12 Die genaue Zahl der Objekte war nicht bekannt. In der regierungseigenen Tageszeitung New Vision wurden sie auf über 1000 ge-

8

Opinionleaders wurden vom König ernannt. Es waren in der Regel Älteste, die dann mit im District Council saßen. Vgl. „Institutionalisierung und Finanzierung der königlichen Regierung“ in diesem Kapitel.

9

Interview mit Michael Mwanje (Local-Council-V-Mitglied im Distikt Kibaale), Mabale, 17. Juli 2000.

10 „Constitutional Proposal from Kibaale District“, in: Uganda Constitutional Commission Library, 1991. 11 Die New Vision zitiert den Vorsitzenden des Krönungskomitees und Staatsminister für natürliche Ressourcen, Henry Kajura: „Iguru receives royal regalia“, in: New Vision, 8. Juni 1994. 12 Interview mit Ezra Musiime, Paläontologe und Archivar im National Museum Uganda, Department of Antiquities and Museums, Kampala, 2. Juni 1999.

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schätzt, eine Aussage, die den Wert der Sammlung unterstrich.13 Die Funktion eines Museums, Objekte zu sammeln und zur Schau zu stellen, entsprach im Prinzip den Pflichten der Regaliahüter in Bunyoro-Kitara. Diese waren für die Sicherheit und Pflege der einzelnen Objekte verantwortlich und exponierten sie zu besonderen Gelegenheiten. Die Museumsleitung hingegen verzichtete auf die Präsentation der Objekte, solange die Regalia in ihrer Verwahrung waren. Der politische Charakter der Sammlung und die „Empfindsamkeiten“14, die damit verbunden waren, hielten sie davon ab, Teile der Sammlung im globalen Kunsthandel zu veräußern. Die königlichen Objekte wurden als „unschätzbare“15 Antiquitäten eingestuft und dem Ministerium für Tourismus, Wildtiere und Antiquitäten zugeordnet. Ihre Einzigartigkeit schützte sie vor der Zirkulation in der Warenwirtschaft und machte sie gleichzeitig zu potenziellen touristischen Attraktionen. Der Minister für Tourismus, Wildtiere und Antiquitäten hob den besonderen königlichen Status der Objekte hervor und den Schutz, den diese vor Plünderung und Veräußerung durch den räuberischen Staat genossen. Er erklärte in der Tageszeitung New Vision: „Such artefacts are highly valued in foreign museums. They date back to 13th century. Despite our knowledge of a market existing for them, we have not been tempted.“16

Als ‚dichte Objekte‘, ein Begriff, den die Anthropologin Annette Weiner für nicht veräußerbare Dinge gebraucht, stellten die Regalia zwar einerseits einen besonderen kulturellen Wert dar.17 Andererseits war ihre Kommerzialisierung eine besondere Versuchung für den postkolonialen Staat und seine Bediensteten. Sie unterblieb lediglich aufgrund der politischen und kulturellen Gefahr, die mit diesen Objekten verbunden war. Das finanzielle Interesse des Staates drückte sich zudem im Diskurs über das Weltkulturerbe aus. Der Museumskonservator erklärte bei der Rückgabe der königlichen Objekte, dies sei eine Maßnahme im Rahmen der UN-Dekade für kulturelle Entwicklung, die 1988 begann.18 Einerseits verlieh seine Aussage dem Ereignis und der Motivation der NRM-Regierung einen unpolitischen, da

13 „Bunyoro Regalia returned“, in: New Vision, 8. Juni 1994. 14 Interview mit Ezra Musiime, National Museum, Kampala, 2. Juni 1999. 15 „Iguru receives royal regalia“, in: New Vision, 8. Juni 1994. 16 „Bunyoro regalia returned“, in: New Vision, 8. Juni 1994. 17 Weiner, Annette B.: Inalienable Possessions. The Paradox of Keeping-while-giving, Berkeley/Los Angeles: University of California Press 1992. 18 Ebenda.

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kulturellen Charakter. Andererseits war die Erklärung höchst politisch, weil Unicef bereits die Gräber der Könige von Buganda zum Weltkulturerbe erklärt hatte. Es war also denkbar, dass auch Bunyoro-Kitara seine Schätze in das globale Marketing des Kulturerbes einbrachte und so die ugandische Tourismusindustrie förderte. Die regierungseigene Tageszeitung New Vision sprach von „release“19, also von einer Auslieferung, die an den Austausch von Gefangenen erinnert. Mit der Übergabe der Objekte waren Bedingungen verknüpft, die von Prinz Solomon Iguru und dem Board of Trustees unterschrieben werden mussten. In dem Abkommen verpflichteten sie sich, für die sachgerechte Pflege der Objekte zu sorgen und das Museum zu benachrichtigen, wenn Schäden auftraten.20 Die Reinigung und Reparatur der Objekte durfte nur mit Erlaubnis des Museums geschehen: „As has been stated above, the regalia is very old and therefore fragile. It requires not only careful handling but also careful preservation. Hence apart from performing the ceremony of the restoration of Kingship, it should be kept in a climate that will preserve it for posterity. For that reason, Government requests that the King-to-be enters into an agreement guaranteeing obligation to handle, keep and preserve these priceless objects of Cultural Heritage, in a climate that will be conducive to their sustenance for posterity. However, in case this may not be possible, Government will be very willing to redeposit them in their micro-climate and they will be reviewed as and when necessary.“21

Als ich meine Forschung 1999/2000 durchführte und einige der Regalia zu sehen bekam, kümmerten sich die Regaliahüter wenig um die Vorgaben des Museums. Vielmehr beklagten sie sich über den verfallenen Zustand ihrer Objekte. In den siebenundzwanzig Jahren, die die Dinge im ‚Mikroklima‘ des Museumsarchivs verbracht hatten, waren die organischen Teile „cracked, broken or eaten by insects“.22 Der oberste Regaliahüter versperrte sich nicht den wissenschaftlichen Methoden, hielt aber die lokalen Methoden und das Wissen über die Pflege der Objekte mit Milchfett, Kräutern, Rindenstoffen und Rauch für ebenso geeignet,

19 „Iguru receives royal regalia“, in: New Vision, 8. Juni 1994. 20 Abkommen des Königtums mit dem Ministry of Tourism, Wildlife and Antiquities, The Department of Antiquities and Museums, Kampala, 7. Juni 1994. 21 „Briefs for the handing over of Bunyoro-Kitara Regalia; 7th June 1994“ im Anhang von Ministry of Tourism, Wildlife and Antiquities, The Department of Antiquities and Museums, 7. Juni 1994. 22 Interview mit George Muhuruzi, oberster Regaliahüter von Bunyoro-Kitara, Hoima, 23. März 2000.

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das kulturelle Erbe zu bewahren.23 Bis zum 20. Jahrhundert wurden die Regalia beim Neumondfest ausgestellt, gereinigt und mit Opfergaben revitalisiert. Die Christianisierung hatte diese Praktiken verdrängt. Mit der Beförderung ins Museum wurden sie durch chemische Behandlungen ersetzt. Die doppelte Rolle der Regalia als ‚Part of the Cultural and National Heritage, and indeed World Heritage‘24 einerseits und als rituelles Inventar des Königtums Bunyoro-Kitara andererseits fand ihren bizarren Ausdruck darin, dass die Etiketten mit den Inventarnummern des Museums an einigen der CweziObjekte auch für die Krönung nicht beseitigt wurden. Archäologen hatten sie mit Radiocarbontests auf das 16. Jahrhundert datiert. Als ein sichtbares Merkmal ihrer Antiquität und ihres Cwezi-Ursprungs galt das verarbeitete Messing und Kupfer, das in jüngeren Objekten keine Verwendung mehr fand.25 CweziObjekte haben innerhalb der Hierarchie der königlichen Regalia einen besonders hohen Stellen- und Marktwert. Sie waren bedeutender als Regalia, die im Auftrag der Babito-Könige angefertigt wurden. Wie die Bacwezi selbst, so galten auch deren Herrschaftsobjekte als wundersam und genial. Ihre Hüter trugen außerdem eine besondere Verantwortung, weil von den Cwezi-Objekten unkalkulierbare Gefahren ausgingen. Das Wissen um die Handlungsmacht der CweziObjekte und ihre Wirkung machte den Hüter zu einer gefährlichen und gefährdeten Person. In einem Archiv wie dem Museum waren die Regalia in ihrer rituellen Funktion als Machtobjekte außer Kraft gesetzt. Das stellte ihre potenzielle Handlungsfähigkeit jedoch nicht infrage. Zu den Krönungsfeierlichkeiten sollten sie wieder in Aktion treten und reaktiviert werden. 1967 waren die Regalia auf einem Lastwagen der Staatsregierung unter polizeilicher Eskorte deportiert wor-

23 Ebenda. 24 Ebenda. 25 Groteskerweise waren gerade die ältesten Objekte aufwendig mit Perlen verziert, die aus den Glasmanufakturen in Böhmen und Mähren nach Afrika kamen. Möglicherweise waren Perlen aber auch schon im 16. Jahrhundert über den Kongo und mit dem Vordringen der Portugiesen in das Zwischenseengebiet getragen worden. Oder sie waren nachträglich auf die älteren Objekte appliziert worden, um so deren symbolischen Wert zu steigern und gegenüber den ‚Nachfolgern‘ zu markieren. Auch Speke und Grant, die erst 1874 in Bunyoro-Kitara erschienen, bedienten sich unter anderem des Kupferdrahts und der bunten Perlen, um Zölle und Passiergeld zu zahlen oder Geschenke zu machen.

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den. 1994 zogen sie, diesmal jedoch unter großem Jubel, auf einem Lastwagen der Lokalregierung in der Distriktstadt Hoima wieder ein.26 Obwohl die Regalia rituelle Bedeutung für das Königtum haben, vertrat Omukama Iguru mir gegenüber die Ansicht, dass die zurückgegebenen Objekte keine aktuelle kulturelle Funktion mehr besitzen und durch neue ersetzt werden sollten. Er plante ein Museum, um dort die alten Regalia auszustellen. Die neuen Objekte hingegen beabsichtigte er wie in der Vergangenheit einmal im Monat auszustellen und der Öffentlichkeit zu präsentieren. Auf dem Gelände des Palastes sollte ein Museum entstehen, mit allen Gebäuden, die ursprünglich eine Funktion gehabt hatten. Die Regaliahüter und Titelträger sollten jedoch nicht darin wohnen, da dies der Gegenwart nicht angemessen war. Nur einmal im Jahr, zum Empango-Fest, sollte das Museum seine ursprüngliche Funktion zurückerhalten. Omukama Iguru hatte den Wert des Kulturerbes erkannt. Er sprach vom „world village“27, in dem die Welt zusammenrückt und Bunyoro-Kitara seinen Platz bekommen sollte. Seine Vorstellungen waren nicht rückwärtsgewandt, sondern äußerst modern in der lokalen und globalen Vermarktung kultureller Ressourcen.28 Mit materiellen Mitteln konnte er seine Macht stabilisieren und den reformerischen Kurs seines Großvaters Omukama Kabalega erneut aufnehmen.29 Musealisierung der königlichen Gräber Ähnliche Vorstellungen von einer Musealisierung des Kulturerbes existierten über die sechsundzwanzig königlichen Gräber in Bunyoro-Kitara, die weit verstreut und teils schwer zugänglich waren.30 Einige der königlichen Gräber

26 „Bunyoro regalia returned“, in: New Vision, 8. Juli 1994; „Coronation fever takes over in Hoima“, in: New Vision, 11. Juli 1994. 27 Gespräch mit Omukama Iguru in Hoima, Karuzika Palace, 17. Juni 1999. Ich passe mich hier der Wortwahl des Palastes an, denn der Informationsminister teilte mir mit, der König gebe keine Interviews, sondern artikuliere sich durch seine Sprecher. Ich führte dann doch ein vertieftes Gespräch mit Omukama Iguru ohne die Vermittlung seiner Sprecher und ohne es als Interview mit Frage und Antwort zu gestalten. 28 Vgl. Comaroff, John L./Comaroff, Jean: Ethnicity, Inc., Chicago/London: The University of Chicago Press 2009. 29 Vgl. Kapitel 4 „Transformationen des cattle kingdoms in der Moderne“. 30 Ich besuchte sechs königliche Gräber und das Grab einer Prinzessin. Es waren die Ruhestätten von Tito Winyi und Kabalega in Mparo, von Duhaga in Kinogozi, Kamurasi in Ngangi, Nyamutukura in Kibeedi, Nyabongo in Bukonda und das Grab

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(gasani), die ich im Distrikt Kibaale aufsuchte, waren während der Herrschaft der Baganda in den ‚verlorenen Gebieten‘ zu ‚Nicht-Orten‘ verfallen. Der französische Ethnologe Marc Augé gebrauchte diesen Begriff, um Orte in der modernen Gesellschaft zu benennen, die en passant wahrgenommen werden. Als Gegenbegriff entwickelte er den ‚anthropologischen Ort‘, den „die Eingeborenen einnehmen, die dort leben und arbeiten, die ihn verteidigen, seine herausragenden Zeichen bestimmen, seine Grenzen bewachen, aber auch nach den Spuren der unterirdischen oder himmlischen Mächte, der Ahnen oder Geister fahnden, die ihn bevölkern und seine innerste Geographie erleben, als wäre das kleine Teil Menschheit, das ihnen an diesem Ort huldigt und opfert, zugleich die Quintessenz, als gäbe es Humanität, die dieses Namens würdig ist, einzig am Ort des Kultes, den man ihr weiht.“31

Für Augé ist dieser Ort eine Erfindung. Er ist von jenen entdeckt worden, die ihn für sich beanspruchen. Manchmal weckte erst der Ethnologe das Interesse der von ihm Erforschten an diesen Orten und stieß dabei auf die kulturellen Markierungen eines Territoriums.32 Für mich war lediglich ein Loch in der Erde zu sehen, welches von vier Muramura-Büschen markiert wurde. Die MuramuraPflanze wird in Bunyoro-Kitara zu medizinischen Zwecken und als traditionelle Begrenzung von Landbesitz verwendet. In dieser Funktion war sie ein Signal, um die Grenzen zu schützen. Als anthropologische Orte mussten die Königsgräber erst wiederentdeckt und mit Funktionen gefüllt werden, wofür das retablierte Königtum kein Geld besaß. Anders als in Buganda bestand in Bunyoro-Kitara zu Beginn der Retablierung wenig Interesse an den königlichen Gräbern. Andere Objekte wie die Regalia und der Palast in Hoima waren von größerer Bedeutung und mussten repariert werden. Die meisten Gräber lagen im Distrikt Kibaale, der sich wie bereits erwähnt in der verfassunggebenden Versammlung 1993 gegen eine Zugehörigkeit zum Königreich Bunyoro-Kitara ausgesprochen hatte. Für die Zentral- und Lokalverwaltung waren die Gräber ohne wirtschaftliche Bedeutung. Ihr Land, fünf acre um jedes Grab, wurde an das Königtum zurückgegeben, blieb aber zunächst von den Bauern, die darauf wirtschafteten, besetzt. Einige der Bauern gaben sich mir gegenüber als Hüter der Gräber aus, obwohl die königliche Regierung man-

von Ncookwa, einer Mubitokati, die vor der Kolonialzeit das county Buyanja in Bugangaizi regiert hatte. 31 Augé, Marc: Orte und Nicht-Orte. Vorüberlegungen zu einer Ethnologie der Einsamkeit, Frankfurt am Main: Fischer 1994, S. 53. 32 Ebenda.

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gels Finanzen keine Beamten ernannt hatte. Seit Omukama Igurus Krönung erwarteten die inoffiziellen Hüter Privilegien für ihre Dienste, da ein solches Amt in der Kolonialzeit Steuerbefreiung und die Nutzung des Landes um das Grab mit sich gebracht hatte. Abgesehen von diesen direkten Vorteilen hofften einige informierte Hüter, dass die Gräber für den Tourismus architektonisch erneuert und mit musealen Objekten ausgestattet würden. Dennoch wäre es voreilig, die kulturelle Bedeutung der Gräber im Distrikt Kibaale zu unterschätzen und lediglich ihren kommerziellen Aspekt zu sehen. Vorläufig waren sie Symbole des Verfalls und der langen Separation dieses Gebietes vom Königtum BunyoroKitara. Für das Königtum repräsentierten sie nicht nur die lange Geschichte des Reiches, sondern auch den Anspruch auf den Distrikt Kibaale als Teil BunyoroKitaras. Nicht nur im Fall einer föderalen Ordnung des Staates, die in der verfassunggebenden Versammlung 1993 diskutiert worden war, galt der bevölkerungsreiche Distrikt Kibaale als ein politisch und ökonomisch wertvolles Gebiet. Auch als anthropologischer Ort, in dem die Gräber der Könige lagen, konnte das Königtum nicht auf den Distrikt Kibaale verzichten. Einen anderen Eindruck machten die drei Gräber aus der kolonialen Epoche: Es waren die der Könige Kabalega, Duhaga und Tito Winyi.33 Das Grab von Duhaga (1902-1924) liegt in Kinogozi, auf einem Hügel im Distrikt Hoima. Es befindet sich in einem Haus mit Glasfenstern und Wellblechdach und trägt eine Grabplatte aus Zement, auf der ein gemauertes Kreuz steht. Als ich das Grab besuchte, waren eine Kuhhaut und eine Perlenkette um das Kreuz geschlungen. Außerhalb des Hauses liegen die Gräber der Töchter Duhagas und das seiner kirchlich angetrauten Ehefrau. Nach außen wirkte die Grabstätte schlicht und protestantisch. Dieser Eindruck wurde lediglich durch die Kuhhaut und die Perlenkette gebrochen, die ihm einen heidnischen Ausdruck verliehen.34 Dennoch

33 Mein Assistent besuchte auch das Grab von Omukama Kitahimbwa in Nalweyo, der von 1900 bis 1902 regierte und 1966 starb. Der Beschreibung nach war es ein Backsteinbau, den Kitahimbwas Sohn Mugenyi bauen ließ. Die Öffnung des Grabes (iziba) war mit einer Zementplatte bedeckt, wie es sonst nur beim Grab Omukama Duhagas, einem überzeugten Protestanten der Fall war. Außen waren wie bei Duhaga die Kinder und die Frau (omugo) des verstorbenen Königs beerdigt. Diese Gräber drückten weit stärker als das von Kabalega und Winyi die Macht der Kirche aus. Vgl. Protokoll 27. Mai 2000. 34 Kuhhäute bedeckten im 19. Jahrhundert einerseits neben Löwen- und Leopardenfellen den Thron des Omukama und andererseits die Öffnung eines Grabes für den toten König. Die Häute wurden, solange es einen Reichtum an Rindern gab, mit dieser ökonomischen Macht assoziiert. Perlenketten gehörten zu den Insignien des Königs und

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drückte das Grab Duhagas die Macht der Kirche in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus. Es stand unter der Obhut eines Bahinda-Clan-Führers, der Sprecher des königlichen Parlaments (rukurato) war. Er kontrollierte die Besucher und kommerzialisierte sein Wissen, wenn Touristen erschienen. Da ich seine historischen Kenntnisse unwissentlich nicht in Anspruch genommen hatte und keine Gebühr für die Besichtigung des Grabes zahlen wollte, verwies er mich des Ortes.35 Mein wissenschaftliches und touristisches Interesse stieß bei ihm auf Widerstand, als es sich nicht kommerzialisieren ließ. Das Beispiel macht deutlich, dass Musealisierung und Tourismus als attraktive Ressourcen betrachtet werden. Eine Musealisierung der Gräber war bereits im Programm der Retablierung des Königtums vorgesehen, aber aufgrund der mangelnden Ressourcen noch keine offizielle Politik. Die Gräber der Könige Kabalega und Tito Winyi lagen auf einem Hügel mit dem Namen Mparo. Hier hatte Omukama Kabalega 1872, als Samuel Baker das Königtum für Ägypten zu annektieren versuchte, seinen Palast.36 Sein Grab wurde durch eine Grasarchitektur im Stil des vorkolonialen Palastes geschützt. Die Graböffnung im Boden war von einer Kuhhaut überspannt und mit den Schäften von neun Hacken befestigt. Die Zahl Neun repräsentiert laut Grabhüter die neun Bacwezi, die in der Mythologie als Vorfahren der Babito-Könige gelten.37 Da die Öffnung des Grabes als ‚Brunnen‘ (iziba) bezeichnet wird, darf sie nicht durch eine feste Platte geschlossen werden.38 Das Grab drückt als ‚Brunnen‘ eine Fruchtbarkeitssymbolik aus, die mit dem cattle kingdom und der Flüssigkeit Milch assoziiert wird. Das Grab und der Palast des toten Königs sind dabei identisch, denn das Grab ist der Palast des ‚lebenden Toten‘. Folglich

seiner Würdenträger. Im retablierten Königtum wurden sie während der königlichen Rituale von Beamten und Regaliahütern als Zeichen ihres Amtes getragen. 35 Die ‚Grabesruhe‘ in Kinogozi war 2004 beendet. Unter der Schlagzeile „Land wrangle hits Bunyoro royal tombs“ berichtete die New Vision am 16. Oktober 2004, dass ein Landbesitzer gegen vier Vertreter des Königtums vor Gericht zog, weil sie seine ‚Properties‘ – dazu zählen nach geltendem Landrecht die Nutzpflanzen und die Gebäude des Bewohners – zerstört hatten. Angeklagt wurden der okwiri (Führer des Babito-Clans), der Sprecher des königlichen Parlaments (rukurato), Abi Hairora, der Grundstücksverwalter des Königtums, Francis Atugonza, und der Omukama selbst, Iguru Salomon Gafabusa. 36 Vgl. „Mission und Philanthropie“ in Kapitel 1. 37 Interview mit Emanuel Baguma Basigara, Hüter der Gasani Kabalega und Winyi, Mparo, 11. März 2000. 38 Ingham, K.: „The Amagasani of the Abakama of Bunyoro“.

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befinden sich auch die persönlichen Dinge des Verstorbenen darin. Im Inneren der Graskonstruktion gab es Objekte, die der Grabhüter als die ‚persönlichen Dinge‘ des toten Königs bezeichnete.39 Die Metaphorik des Grabes als ‚Brunnen‘ weist darauf hin, dass die königlichen Ahnen als leben- und machtspendende Ressource betrachtet wurden. Omukama Duhagas Grab mit seiner christlichen Architektur schert aus diesem Verständnis aus und ordnet sich einem christlichen Verständnis unter, das eine völlig geschlossene Architektur vorsieht. Das Grab Omukama Tito Winyis unterscheidet sich von diesen beiden Gräbern dadurch, dass es von einer offenen Konstruktion mit einem Wellblechdach geschützt wird, aber keine Außenwände besitzt. Folglich waren dort auch keine persönlichen Dinge ausgestellt. Dennoch wurde der moderne Entwurf dieses Grabes dadurch gebrochen, dass eine Kuhhaut durch neun Hacken über die Öffnung des Grabes gespannt war. Auch hier bewachte ein Grabhüter den sakralen Ort und übernahm die Rolle eines Touristenführers. Für sein Wissen, das weit über touristische Oberflächlichkeiten hinausging, und für Fotografien verlangte er wie sein Kollege in Kinogozi eine Gebühr, die er routiniert und höflich einforderte. Er erklärte, dass die Gräber der beiden Könige Teil eines großen Museumsprojektes seien, für die das Königtum Sponsoren suche.40 Die Kommerzialisierung der Gräber ging Hand in Hand mit ihrer Wiederherrichtung als kulturelle und anthropologische Orte. Sie führte aber auch zur Politisierung dieses Kulturerbes. 1999 rückte das Grab Kabalegas in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit und der Ebyaitu-Debatte. Die königliche Ministerin für Soziales und Bildung hatte einen ‚Kabalega Day‘ initiiert, an dem der Gefangennahme des einstigen Herrschers vor 100 Jahren gedacht werden sollte. Sie erzählte mir, wie sie diesen Gedenktag erfunden und initiiert hatte: „I wished you had been there, because that is when we commemorated a hundred years of Kabalega’s capture […]. I was reading through a certain book and came across that he was captured on the 9th of April 1899. So when I came across that, I just rang the Katikiro, the Primeminister, and I said, but really, why can’t we commemorate this day? It just started like that and it turned out to be a big day, because we even launched the Kabalega Educational Fund, we would like to start raising funds, to rehabilitate our education system.“41

39 Interview mit Emmanuel Baguma Basigara, Mparo, Hoima Distrikt, 11. März 2000. 40 Ebenda. 41 Interview mit Elisabeth Ndugutse, Königliche Ministerin für Social Services and Education, Kampala, 28. April 1999. Die Ministerin erklärte mir, sie habe eine Eingebung gehabt, der sie folgte.

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Der Ehrengast, Staatspräsident Yoweri Museveni, nutzte die Gelegenheit, um Omukama Kabalega zum Nationalhelden und antikolonialen Widerstandskämpfer zu erklären. Allerdings existierten in Bunyoro-Kitara zwei entgegengesetzte Diskurse zur Heroisierung Kabalegas. Der dominante Diskurs besagte, dass der einstige König ein Held im antikolonialen Widerstand gewesen war, der Gegendiskurs kritisierte, dass er keine Kooperation mit den Briten zustande gebracht hatte. Mzee Anthanasi Nyakatura, ein Ältester aus Bunyoro-Kitara war der verbreiteten Ansicht: „If Kabalega had not fought the British, they would not have gone to Buganda. This [Bunyoro-Kitara] would be like Kampala.“42 In diesem kritischen Diskurs wurde Kabalega für die Armut der Gebiete Bunyoro-Kitaras verantwortlich gemacht. Am Kabalega Day erneuerte Präsident Museveni den Heldenmythos, sprach eine Laudatio und legte einen Kranz am Grab des toten Königs nieder. Anschließend investierte der Staatspräsident in die Kabalega Education Foundation, eine Stiftung, die anlässlich des Gedenktages gegründet worden war. Anstatt, wie die Presse und auch die Lokalregierung Hoimas spottete, ‚Hot Air‘ an das retablierte Königtum zu verteilen, stiftete er die Hälfte des gesamten Spendenaufkommens (10 Millionen Uganda-Schilling) und erneuerte sein Versprechen, die Hauptstraßen Bunyoro-Kitaras zu asphaltieren.43 Auch ebyaitu, die Frage nach dem Vermögen und den Besitztümern des Königtums, sollte noch vor dem geplanten Referendum zum politischen System im nächsten Jahr (2000) gelöst werden. Mit seinen Versprechen erntete der Präsident Hohn unter den Zuhörern, die ihre Teilnahme am Referendum von der Verbesserung der Infrastruktur abhängig machen wollten. Allen voran hatte die Bunyoro-Kitara Development Foundation, eine Gruppierung von Banyoro-Akademikern, Beamten und Politikern mit Sitz in Kampala, bereits 1998 mit einem Boykott des Referendums gedroht. Sie wollten am ‚nationalen Kuchen‘, den der Präsident verteilte, beteiligt werden. Das Grab Kabalegas war ein anthropologischer Ort, an dem Geschichte und Politik verhandelt wurden. Es stand als ein Zeichen für die Größe Bunyoro-Kitaras und als ein Ort des Heldentums, an dem der Staat an seine Versprechen erinnert wurde. Die Gräber der Könige waren einerseits Objekte für kulturelle, wirtschaftliche und politische Ziele, andererseits blieben sie sakrale Orte, an denen die Ahnen und Geister der Könige aktiv werden konnten.

42 Interview mit Anthanasi Nyakatura in Karuguza, Kibaale Distrikt, 14. Juli 2000. 43 „Speed up power projects approval“, in: New Vision, 13. April 1999.

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Die Sakralität des Palastes Zu den restituierten Kulturgütern gehörte auch der Palast des Königs, kikaali, in der Distriktstadt Hoima. Ein zweiter Palast, kihande, befand sich in der Distriktstadt Masindi. Kikaali war der ältere und wichtigere von beiden. Er war bereits 1905, nach der Okkupation Bunyoro-Kitaras durch das britische Protektorat, im Stil einer kolonialen Lehmarchitektur erbaut worden. Ein halbes Jahrhundert später, 1960-1962, wurde das Haupthaus (karuzika) von der Regierung des Königtums durch eine moderne Architektur ersetzt. Dies geschah im Rahmen eines regelrechten Baubooms in Hoima, bei dem auch ein neues Parlamentsgebäude und verschiedene Verwaltungstrakte errichtet wurden.44 Mit der Abschaffung des Königtums 1967 hatte Omukama Tito Winyi seinen Hauptpalast räumen müssen. Er erhielt eine Anordnung der Staatsregierung durch das Büro des District Commissioners. Der Omukama wurde seines amtlichen Titels enthoben, behielt aber seinen britischen Titel als „Edelmann“: „Offices of Former Kings. Dear Knight, as you are aware, your office as Omukama was abolished as a result of the coming into force on Friday, September 8th, 1967 of the New Constitution of Uganda. I have therefore been directed to inform you that you should make arrangements now, to vacate the official residence and that such vacation should not be later than October 5th, 1967. 2. Your pension will be handled by the Government. You are also hereby warned that ceremonial robes, etc. are now the property of the Government and these should be left behind. A list of them is attached hereto.“45

Seither diente Sir Tito Winyi der zweite Palast (kihande) als Wohnhaus. Karuzika wurde zunächst vom Militär besetzt. Nach kurzer Zeit, so wurde mir von verschiedenen Personen erzählt, kursierten Gerüchte über die Aktivität von

44 Dunbar, A.: A History of Bunyoro-Kitara, S. 205. Im Bauboom von 1956 bis 1962 wurden in der königlichen Residenzstadt Hoima nicht nur der neue Palast, Karuzika, sondern auch etliche Regierungs-, Verwaltungs- und Wirtschaftsgebäude errichtet. 1958 war das Sportstadium vollendet und ein ‚interrassischer‘ Sportclub in Planung. Die Straßen der Stadt Hoima waren asphaltiert und mit einer Bordsteinkante versehen. Ein Ausstellungsraum für Großhandelswaren erwies sich als Reinfall, dafür erhielt die Stadt einen neuen Markt. Für höhere Regierungsbeamte und für Krankenhausangestellte wurden Unterkünfte gebaut. Am wichtigsten sollte neben dem Neubau des Karuzika-Palastes, der Bau eines Parlamentssaals (Rukurato Hall) und ein neuer Block für die Verwaltung des Bunyoro Kingdom Government werden. 45 Hoima District Archive, Box 535, Ref. C. NAF 2/A/5 (1965-1967)

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Geistern im alten Palast und über die Gefahren, die von ihnen ausgingen. Katastrophen, die durch den Einfluss der Natur ausgelöst wurden, beschädigten das Gebäude. Zuerst setzte eine Überflutung den Palast unter Wasser. Daraufhin verließ die Armee das Gelände. Dann wurde das Gebäude von einem SecondHand-Geschäft übernommen. Als Bienen den Palast bevölkerten, versuchte der Mieter, sie mit Rauch zu vertreiben. Das Dach geriet in Brand, und das Feuer zerstörte einen Teil des Gebäudes. Im öffentlichen Diskurs setzte sich die Erklärung durch, dass die Kräfte und Geister der Natur (embandwa) den Ort verteidigt und unbewohnbar gemacht hätten. Manche machten auch die Geister der Könige für die Vorgänge im Palast verantwortlich. In diesem kritischen Diskurs war der Palast kein kommerzielles Objekt. Er durfte nicht zweckentfremdet und für kommerzielle oder militärische Aktivitäten genutzt werden. Nach der Feuerkatastrophe stand der Palast leer. Als Omukama Iguru nach seiner Krönung 1994 in den Palast einzog, so wurde mir von seinem Bruder Rukidi berichtet, reinigte er den Palast zunächst rituell, um die dortigen Gefahren zu bannen.46 Mithilfe der Bevölkerung und durch Spenden wurde der Palast dann renoviert. Das Dach mit blauen, hochglänzenden Ziegeln wurde von Ferne sichtbar. Die etablierten Kirchen unterstützten das Königtum mit modernem Mobiliar. Sie sorgten für eine repräsentative Inneneinrichtung und für eine repräsentative Außenanlage. Ihre Gottesdienste mussten jedoch außerhalb des Palastes stattfinden.47 Die Würde und Sakralität des Palastes war immer wieder ein Thema in den lokalen Diskursen. Omukama Igurus Pläne zur Öffnung des Palastes für das öffentliche Publikum stießen daher nicht auf allgemeine Zustimmung. Für konservative Monarchisten war der Palast ein geschützter Körper. Im 19. Jahrhundert glich er in seiner architektonischen Anatomie einem menschlichen Organismus, der verschiedene Funktionsbereiche und spirituelle Zentren besaß.48 Das Leben darin konnte nur pulsieren, wenn alle Organe an ihrem Platz waren und funktionierten. Im 20. Jahrhundert wurde dieser Organismus gestört, die Beamten und die Frauen des Königs vertrieben, die Regalia abtransportiert, bis schließlich der König selbst gehen musste. Kihande, der zweite Palast, trug 1999 im Vergleich zu karuzika noch immer die Zeichen des Verfalls. Das Haus gehörte zum Privatbesitz von Prinz Iguru Salomon Gafabusa, der ihn von seinem Vater Sir Tito Winyi geerbt hatte. Prinz Iguru hatte darin wie ein gewöhnlicher Munyoro gelebt. Er hatte am öffentlichen

46 Gespräch mit Prinz John Rukidi, Butema, 11. April 2000. 47 Interview mit Bischof Byabazaire von der katholischen Kirche, Hoima, 10. Mai 2000. 48 Vgl. den Grundriss des Palastes in Nyakatura, J. W.: Anatomy of an African Kingdom, S. 122 f., und Roscoe, J.: The Bakitara or Banyoro, 1923, S. 82.

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Leben teilgenommen, war Auto gefahren, hatte Bars besucht etc. Seine Krönung zum Omukama und sein Umzug in den Karuzika-Palast in Hoima bedeuteten einen Rückzug aus dem öffentlichen Leben und seinen Aufstieg vom ‚Armen‘ zum ‚Reichen‘. In der jüngeren Generation wurde dieser Wandel als ungerecht empfunden, insbesondere wenn Omukama Iguru sich wieder wie ein gewöhnlicher Munyoro verhielt, eine Bar besuchte, sein Auto wusch und selbst steuerte oder sich auf eine Schlägerei einließ.49 Der Palast in Masindi diente nun in erster Linie einer der Frauen Omukama Igurus als Wohnsitz.

V ERÄUSSERBARE B ESITZTÜMER , KOMMERZIELLE O BJEKTE „Iguru, Hoima District Council in tug of war“, titelte die New Vision im Juli 1999.50 Zu diesem Zeitpunkt hatte sich ein Konflikt zwischen der Lokalregierung des Distrikts Hoima und der Regierung des Königtums Bunyoro-Kitara zu einer Krise zugespitzt. In den ersten beiden Jahren nach der Krönung Solomon Igurus zum Omukama herrschte Eintracht zwischen der Lokalregierung und der Regierung des Königtums. Die drei District Councils (LCV) von Kibaale, Hoima und Masindi erhielten Schreiben mit der Bitte, die Aktivitäten des Königtums finanziell zu unterstützen. Dabei handelte es sich um die Finanzierung des Palastes, die sechs Wächter, einen Fahrer, vier Hausangestellte, Essen und Getränke für Besucher des Palastes, Ersatzteile und Kraftstoff für die Automobile, Reisespesen des Omukama für vier Touren im Königreich, Reisen nach Kampala und innerhalb Ugandas zu öffentlichen und privaten Zwecken, Taschengeld für den Omukama, fünf Dienstanzüge für den Omukama und neues, repräsentatives Mobiliar für den Palast, insgesamt 47 Millionen ugandische Schilling (33.570 USDollar51) für November 1995 bis Oktober 1996.52 Für das Finanzjahr 1996/1997 existierte ein ähnlicher Aufruf des Königtums an den Schatzmeister (CAO) des

49 Quelle: Aufsätze von Schülern der Klassen Secondary 6 und 7 in zwei Schulen Hoimas, die am 22. März 2000 auf meine Bitte geschrieben wurden. Thema: „Give your view on the Kingship. Is it an asset or a liability?“ 50 „Iguru, Hoima District Council in tug of war“, in: New Vision, 1. Juli 1999. 51 1 US-Dollar war 1999 etwa 1400 Uganda-Schilling wert. 52 Schreiben des Office of the Omukama an die Vorsitzenden der District Councils von Hoima, Masindi und Kibaale, „Maintenance of the Omukama and Financing of Minimum Kingdom Activities“, 10. November 1995, welches ich 1999 vom District Council Hoima zu Forschungszwecken erhielt.

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Distrikts Hoima. 1997 beteiligte sich der Distrikt Hoima mit einer Million Schilling (714 US-Dollar) am Sechs-Millionen-Budget (4200 US-Dollar) des Königtums. Eine weitere Million Schilling kam über Beiträge des königlichen Parlaments (rukurato) zusammen.53 Weitere Zuschüsse gab die Zentralregierung. Finanziell war die Regierung des Königtums von der Kooperation der District Councils und der Zentralregierung abhängig. Ohne ökonomische und finanzielle Ressourcen ließen sich keine Gehälter bezahlen, Aktivitäten und Feste durchführen sowie Interesse und Unterstützung für das Königtum gewinnen. Deswegen forderte die königliche Regierung vehement ‚ihre Dinge‘ zurück. 1995 begann sie Warnungen an die unbefugten Bewohner des Palastgeländes zu verschicken und ihnen mit gewaltsamer Räumung zu drohen.54 Die Bevölkerung reagierte empört auf diese Vertreibungsmaßnahmen. 1996 forderte die königliche Regierung den Parlamentssaal, den Verwaltungsblock und etliche andere von der Lokalregierung benutzte Liegenschaften zurück.55 Unter anderem verlangte sie, dass die Lokalregierung ihre Land Certificates of Titles, die dem Königtum gehörten, an den rechtmäßigen Besitzer zurückgeben sollte.56 So unter Druck gesetzt, begann sich die Lokalregierung zu wehren. Anders als die Distrikte Masindi und Kibaale hatte das District Council von Hoima keine eigenen Verwaltungsgebäude gebaut, sondern die des Bunyoro Kingdom Government übernommen. Es hatte die Möglichkeit einer Rückkehr des Königtums nicht in Betracht gezogen. Nun sollte sie Miete an das neue Königtum zahlen. Der Vorsitzende des District Councils und sein Schatzmeister, der Chief Administration Officer (CAO) leisteten offen Widerstand. Sie erklärten, dass die öffentlichen Gebäude von den Steuern der Bevölkerung finanziert worden seien, sodass die Lokalregierung rechtmäßig Anspruch auf die Gebäude erhebe. Sie betrachteten das District Council als Fortsetzung der Protektoratsregierung und -verwaltung

53 Office of the Omukama an den Chief Administration Officer, Hoima District, 6. Februar 1997, Hoima District Archive, Box 580, Ref. Map 3, 1973-1998: R. A. Omukama of Bunyoro Kitara (Affairs). 54 Brief des Bunyoro-Kitara-Königtums an „All Encroachers on Ekikaali“, 21. Juli 1995. 55 Dazu gehörten ferner das Gefängnis, ein Hotel, ein Stadion und der Marktplatz von Hoima. 56 Hoima District Archive, Obukama bwa Bunyoro-Kitara (Regierung von B.-K., Büro des Katikiro) an das Ministry for Lands, Housing & Physical Planning, Hoima District Chief Administrative Officer’s (CAO) Response to Government’s Restitution of Assets and Properties of Bunyoro-Kitara Kingdom, 23. Februar 1998.

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seit 1933.57 Die anfängliche Einheit zwischen der Lokalregierung als politischer Institution und dem Königtum als kultureller Institution war gestört. Beide kämpften um die gleichen Ressourcen, um an der Macht und handlungsfähig zu bleiben. Mit ihrer Weigerung, die geforderten Dinge herauszugeben, begann eine Art Verwaltungs- und Papierkrieg zwischen den beiden Parteien. Das Königtum trauerte öffentlich um ‚seine Dinge‘.58 Der katikiro sagte daraufhin das alljährliche Empango-Fest ab. 1998, mit der Verabschiedung einer Landreform, verlangte der Vorsitzende der Uganda Land Commission die Rückgabe der Landtitel, die die Lokalregierung Hoimas illegitim erworben hatte. Zum Entsetzen des Staatsministeriums für Local Government verweigerte der Schatzmeister (CAO) von Hoima den Gehorsam und beharrte auf den Rechten der Lokalregierung. Ein Schwall von Vorwürfen, vor allem wegen seiner Insubordination und Arroganz, erging über den rebellierenden Beamten.59 Das Image der Souveränität der Staatsregierung (NRM), des Präsidenten (Museveni) und des Omukama (Iguru) war beschädigt. In den öffentlichen Medien, vor allem den beiden Tageszeitungen New Vision und Monitor, überschlugen sich die Leser in Briefen an die Redaktion. Sie plädierten für den Boykott des Referendums zum politischen System 2000, forderten endlich die Asphaltierung der Hauptverkehrsstraßen in Bunyoro-Kitara und kritisierten wahlweise die Lokalregierung und den Omukama für ihr ‚unwürdiges Verhalten‘.60 Der Omukama wurde in der Öffentlichkeit dafür getadelt, dass er den Rat der Ältesten und seiner Mutter ignoriere. Es hieß, er dürfe niemals selbst Auto fahren, niemals seinen Wagen in aller Öf-

57 Brief des Chief Administrative Officer (CAO) von Hoima an das Ministry of Lands, Housing and Physical Planning, „Restitution of Assets and Properties of BunyoroKitara, 11. Februar 1998. Der Brief wurde mir vom Hoima District Council als Kopie gegeben. Vgl. außerdem den Artikel „Iguru won’t get ebyaitu – CAO“, in: The Monitor, 18. Februar 1998. 58 „Bunyoro declares day for mourning ‚ebyaitu‘“, in: New Vision, 31. Mai 1991; „Iguru raps Hoima council“, in: New Vision, 16. Juni 1999. 59 Brief des Ministry of Lands, Housing, and Physical Planning an den Permanent Secretary, Ministry of Local Government, Kampala. „Restitution of Assets and Properties of the Kingdom of Bunyoro-Kitara“, 26. Februar 1998, der mir vom Hoima District Council zur Verfügung gestellt wurde. 60 „Banyoro are just cowards!“, in: The Monitor, 24. November 1998; „Yes, return ebyaitu!“, in: The Monitor, 15. November 1998; „LC-V, monarchy wrangling“, in: The Monitor, 13. März 1999; „Row over assets divides Banyoro“, in: New Vision, 26. April 1999; „Iguru raps Hoima council“, in: New Vision, 16. Juni 1999.

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fentlichkeit waschen, sich auf keinen Fall in der Öffentlichkeit streiten und schlagen und ganz bestimmt nicht in ein Lokal gehen, um Alkohol zu trinken. Der Omukama wurde daran erinnert, dass er ‚traditionell‘ dem Volk Flüssigkeit und Nahrung zu geben habe. Als Gastgeber sei er daher verpflichtet, Speisen und Getränke anzubieten, und sei es eine Flasche ‚Soda‘.61 „Traditionally the Omukama is the most respected person in Bunyoro-Kitara. But it is surprising to see that the Hoima LC 5 Chairman, the Chief Administrative Officer and the speaker of Orukurato who are Banyoro themselves, abuse the Omukama as if he is a child. While Hoima LC officials are at fault, the Omukama also has weaknesses which encourage his subjects to look down on him […] he has not changed his un-royal behaviour.“62

Zur Disposition stand nicht nur die eigentliche Rückgabe der Objekte, sondern auch die Reputation Bunyoro-Kitaras, des Omukama, der Region und der Bevölkerung. Am ‚Kabalega Day‘ erwarteten die Monarchisten vom Präsidenten eine Entscheidung über ebyaitu und ein Machtwort, das jedoch ausblieb. Der Streit um ebyaitu erreichte seinen vorläufigen Höhepunkt im Juli 1999, wobei der Gegner aus einer unerwarteten Richtung kam. Eine Gemeinde von Pfingstkirchlern der Christian Fellowship Church hatte damit begonnen, auf dem Gelände des Palastes (kikali) eine Kirche zu erbauen. Trotz mehrfacher Aufforderung des Königtums, die Kirche zu räumen, fuhr die Gemeinde fort, ihre Gottesdienste in der Nacht abzuhalten. Mit Musik und Gesängen kämpfte sie gegen die ‚satanischen Praktiken‘ im Palast des Omukamas an. Als im Juli 1999 bei der Reparatur des Kirchendaches auf ein Kirchenmitglied geschossen wurde, fiel der Verdacht auf den Palast und die Jagdwaffen des Omukama. Erneut kreiste die öffentliche Debatte um die Würde des Königs und seine Stellung gegenüber dem Gesetz. Die Kugel in der Schulter des ‚Christian Fellows‘ saß so tief, dass sie im örtlichen Krankenhaus nicht entfernt werden konnte. Sie war in der Darstellung des königlichen Premierministers (katikiro) ein Beweis für die gefährliche Potenz des Omukama. Dieser jedoch genoss Immunität und stand damit über dem Gesetz. Wiedergeborene Christen, Pfingstler und Charismatiker, die zu den neuen unabhängigen Kirchen in Uganda gehören und steigende Mitgliederzahlen haben, sahen die Rückkehr des Königs jetzt noch kritischer als zuvor. Ich gebe hier den Aufsatz eines Schülers wieder, der eine Reihe von Kritikpunkten gegenüber dem König und dem Königtum artikuliert:

61 „Bunyoro royalty should polish image“, in: New Vision, 11. September 1999. 62 Ebenda.

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„The Bunyoro-Kitara Kingdom is more a liability than an asset because of the following reasons. The King no longer has any say about political, economical and social matters as it used to be during the pre-colonial era. The King instead of preserving our culture as a cultural leader is chasing lines and deals. In addition, the King is very expensive. Every graduated tax payer has to incure an expense of Ush 600//= for the King. The money which would be used to pay for our school dues is taken by a helpless person. The King has also been claiming for land and buildings for his personal use. These buildings and land are of great benefit to many people. It is better one man to suffer (King) than a hundred people. The King is also arrogant and indisciplined. As a King he is not supposed to drive himself, buy food from the market, fight and he should have a wife. All of the above are common to our King. This means that instead of having a respected King, we have a thug. The King has also been said to have shot a builder of the Christ the Way Church. To him religion seems to be nothing even when it was written down in the United Nations Organisation that everybody is free to belong to any religion. This means that he violated that right.“63

Damit listete der Schüler Kritikpunkte auf, die durchaus verbreitet waren64: die Finanzierung des Königs und seiner Regierung auf Kosten der Bevölkerung, die Hilflosigkeit des Königs, die Einmischung des Königs in die Wirtschaft, seine Forderung nach Land und Gebäuden der Lokalregierung, sein sozialer Habitus, die rituellen Praktiken im Palast und die Übergriffe auf eine unabhängige Kirche. Nach diesem Ereignis agitierte die Lokalregierung erneut gegen das Königtum. Für den Fall, dass sie neue Gebäude zu errichten oder Miete an das Königtum zu zahlen hatte, kündigte sie den wananchi, den Bewohnern und Steuerzahlern des Landes, eine Steuererhöhung an. Daraufhin baten die Ältesten des Königtums um eine Intervention des Präsidenten.65 Als im April 2000 die Monarchisten in Hoima zum zweiten Mal gegen die Lokal- und Zentralregierung demonstrierten und unter Androhung von Blutvergießen die Herausgabe ‚ihrer Dinge‘ forderten, schritt die Zentralregierung ein. Sie schickte ihren Vizepräsidenten, Apollo Nsibambi, der die Entscheidung des Präsidenten übermitteln sollte. Um ihrer Drohung Ausdruck zu verleihen, hatten die Demonstranten einen Bullen auf den Stufen des Verwaltungsgebäudes geopfert und das Blut des

63 Quelle: Aufsätze von Schülern der Klassen Secondary 6 und 7 in zwei Schulen Hoimas vom 22. März 2000. 64 Auf die Kritik der Jugend komme ich weiter unten erneut zu sprechen. 65 „Elders ask for ebyaitu“, in: New Vision, 18. August 1999.

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Tieres fließen lassen. Kurz darauf (Mai 2000) kapitulierte der Vorsitzende der Lokalregierung und unterschrieb ein Memorandum zur Übergabe der Gebäude und zur Zahlung der Miete an das Königtum. Obwohl die Regierung des Königtums ihr Ziel erreicht hatte und daraufhin das Jahresfest (empango) vorbereitete, setzte sie ihre Aktivitäten und ihren Kampf gegen die Landbesetzer des Palastgeländes (kikali) und gegen die Kirche der Pfingstler fort. Angeblich, so behauptete der Verwalter der königlichen Grundstücke, hatte die Kirche an dem Ort gebaut, wo der ‚traditionelle‘ Schrein des Palastes (ibandiro) stehen sollte. Die Palastgarde (barusura) überfiel die Gemeinde während eines sonntäglichen Gottesdienstes und jagte die 300 Gläubigen davon.66 Die Gemeinde suchte daraufhin Schutz beim Residence District Officer (RDC), dem Stellvertreter der NRM-Regierung in Hoima. Nach diesem Sieg feierte das Königtum sein Empango-Fest unter dem Motto „Rebirth of Bunyoro-Kitara“67 und ging in die zweite Phase des Kampfes um ebyaitu; es forderte die Betriebe, die sich noch in Staatshand befanden, zurück. In der zweiten Phase der Rückgabe der königlichen Besitztümer ging es um weitere veräußerbare Objekte Bunyoro-Kitaras, die von der Regierung Milton Obotes verstaatlicht worden waren. Es handelte sich um verschiedene Forste, Wildreservate, Tee- und Zuckerrohrplantagen, Rinderfarmen, Märkte und Land. Sie waren das Kapital und die Produktionsmittel des kolonialzeitlichen Königtums, die der postkoloniale Staat 1967 ohne Entschädigung enteignet hatte. Mit der Restaurierung des Königtums wurden diese Dinge wieder eingefordert. Von den Forstreservaten, die während der Protektoratszeit vom Bunyoro Kingdom Government gepflanzt worden waren oder unter seine Verwaltung kamen, sollte das Königtum von Bunyoro-Kitara fünfzig Prozent der Einkünfte erhalten.68 Der Staat kontrollierte weiterhin die Betriebe der Tourismus-, Holz- und Fleischindustrie. Nach Ansicht der NRM-Regierung sollte sich das Königtum möglichst selbst durch Mieten und Pachteinnahmen finanzieren, so auch durch die Vermietung der Verwaltungsgebäude an die Lokalregierung. Sie nahm dabei den Konflikt mit der Lokalregierung über die Verteilung der Distriktressourcen in

66 „Tension at church, Bunyoro kingdom wrangle over land“, in: New Vision, 27. Mai 2000. 67 „Empango 2000. Rebirth of Bunyoro-Kitara. The battle again is on as the Banyoro seek to overturn an era of povery and underdevelopment“, in: New Vision, 28. Juli 2000. 68 Diese Abmachung hatte der Vorsitzende des staatlichen Komitees ‚Return of Sites to Traditional Rulers‘, Emmanuel Muchope, 1998 mit dem Katikiro von BunyoroKitara, Israel Ndahura, getroffen.

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Kauf, behielt aber die Kontrolle über die verstaatlichten Wirtschaftsbetriebe. Für die königliche Regierung waren Mieten und Pacht nur ein kleiner Beitrag zu ihrem Haushaltsbudget. Investitionen in Betrieben sollten folgen, um aus der Abhängigkeit von Staatskapital zu kommen. Ein Hindernis auf dem Weg zu größerer Unabhängigkeit lag in den Privatisierungsplänen der NRM-Regierung seit 1987. Sie waren Teil des staatlichen Wiederaufbauprogramms und der Forderungen westlicher Kreditinstitute. Die NRM suchte vor allem ausländische Investoren wie den indischen Großindustriellen Madvhani. Sie überging dabei das Interesse lokaler Investoren in BunyoroKitara. Sogenannte outgrowers, die sich als Produzenten an Zuckerrohr- und Teeplantagen angeschlossen hatten, bemühten sich umsonst um Aktienanteile. Auch die Rinderfarmen wurden zum Verkauf freigegeben. Der Premierminister Bunyoro-Kitaras lobte zum Empango-Fest 2000 die Zeichen des Fortschritts durch die Industrialisierung. Er kritisierte zugleich die Exklusion der Banyoro von der Privatisierung der Betriebe, die den Omukama intervenieren ließ, wie es sonst der Präsident tat. „Our Premierminister [of state] – we are grateful to our government [NRM] for the Kinyara sugar factory works. Today we have two growers who are driving Mercedes Benz. Those who have built brick houses in Masindi are numerous. Every Munyoro should make an evaluation of which crop to grow before actually starting. In that way we shall be able to fight poverty.“69 „Our Premierminister, when the people of Bunyoro heard that the government was about to sell the two [cattle] farms, Kiryana and Kyempisi, they ran quickly to the Omukama. A meeting was held in Kolping Hall Masindi and people requested the King to fight hard and prevent that happening. We approached the Minister concerned, who gave us a hearing and the tendering process was halted. He directed us to put our interest in writing and explain why we want that land and how we shall use it.“70

Der König übernahm die Funktion eines Advokaten und protestierte gegen den Verkauf der Betriebe an Großinvestoren. Er forderte die Möglichkeit für das Königtum und die lokale Bevölkerung, Anteile zu erwerben und auf diese Weise zu investieren. In ähnlicher Weise intervenierte Omukama Iguru in die Tabakproduktion durch Bunyoro-Kitaras Bauern, die neben Baumwolle und Kaffee einen Großteil der Devisen und Steuern erwirtschafteten. Die ersten Jahre der

69 Rede des Katikiro zum 7. Empango-Fest in Hoima, 29. Juli 2000. 70 Ebenda.

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NRM-Regierung fielen mit einem Sturz der internationalen Kaffeepreise zusammen und machten den Kaffeeanbau unrentabel. Tabak konnte seinen Marktwert halten beziehungsweise durch neue Sorten und Verarbeitungsmethoden verbessern. Tabak wurde bereits seit 1934 von der British American Tobacco Industrie (BAT) über Kooperativen vermarktet.71 Die BAT sponserte das Königtum seit seiner Retablierung 1994. Dennoch ging Omukama Iguru zusehends auf Distanz zur Tabakindustrie, mit dem Argument, dass der Anbau die Gesundheit seiner Untertanen schädige und sie vom Anbau nährstoffreicher Nahrungsmittel abhalte. Damit betrieb er aktive Wirtschaftspolitik, die jedoch geschickt in kulturelle Argumente gehüllt wurde. Einer der Schüler, die Kritik am König übten, schrieb: „The King is also a dictator. This was proved when he said that he will stop Banyoro from growing tobacco, the only income now where people are getting money. The bananas and coffee where our parents used to get money have now dried up. Now, tobacco is our last resort. If people do not grow tobacco, then poverty will be at its highest peak.“72

Unter den Bauern gab es durchaus einen kritischen Diskurs gegenüber der Tabakindustrie, in dem sie über die geringen Profite beim Tabakanbau klagten. Auch die hohe Besteuerung durch den Staat war ein ständiger Kritikpunkt. Hinter den Vorwürfen verbarg sich der lang andauernde Unmut über die Vernachlässigung durch den Staat, über den Zustand der Straßen, der Elektrifizierung und anderer Infrastrukturmaßnahmen in Bunyoro-Kitara. Es wurde daher von einigen Banyoro als Aufgabe des Omukama betrachtet, das Land gegen Eindringlinge und fremde Investoren zu verteidigen. Wie die Genealogie der Dinge bis hierher zeigt, konnten sich das Königtum und das Souveränitätsdispositiv erst formieren, als die Dinge zurückgegeben wurden. Ich komme daher nun auf die Institutionalisierung und Finanzierung der königlichen Regierung zu sprechen.

71 Die BAT etablierte sich 1934 als Aufkäufer von Tabak in Bunyoro (vgl. Dunbar, A.: A History of Bunyoro-Kitara, S. 152). 2001 produzierten die Bunyoro/Mubende Division Farmers (umfassen die Distrikte Hoima, Masindi, Kibaale, Mubende und Kiboga) der BAT 9 Millionen Kilogramm Tabak auf 7925 Hektar Land. Insgesamt produzierten vier BAT Tabakanbaudivisionen in Uganda 19 Mio. Kilogramm Tabak. Die Firma BAT prämierte die erfolgreichsten Tabakbauern mit einem Motorrad (1. Preis), einem CD-Walkman (2. Preis) und einer Solaranlage (3. Preis) (vgl. „Bunyoro/Mubende rank as best tobacco farmers“, in: Monitor, 23. Januar 2001). 72 Anonymus, Schüleraufsatz, Hoima, 22. März 2000.

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I NSTITUTIONALISIERUNG UND F INANZIERUNG DER KÖNIGLICHEN R EGIERUNG Omukama Iguru Gafabusa, seit 1994 in Bunyoro-Kitara als König inthronisiert, regierte mithilfe eines Kabinetts von siebzehn Ministern und Ministerinnen73, an deren Spitze ein Premierminister (katikiro) stand. Da es mehr Anwärter auf einen Ministerposten gab als Ministerien, warteten fünf der siebzehn Minister auf ihre zukünftigen Aufgabenbereiche. Zudem gab es einen Generalsekretär und seinen Stellvertreter und in jedem der drei Distrikte Bunyoro-Kitaras sowie in Kampala einen männlichen Stellvertreter des katikiro. Das Kabinett traf sich einmal im Monat, um die Regierungsgeschäfte zu besprechen.74 Es handelt sich hier um ‚Beamte‘, die in Anlehnung an Max Weber dem Typus des ‚patrimonialen Beamten‘ in der traditionalen Herrschaft entsprechen, die zugleich aber Eigenschaften des ‚modernen Beamten‘ in der rationalen Herrschaft anstreben.75 Der reine Typ des ‚modernen Beamten‘ übt das Amt als Beruf aus, ist fachlich geschult, einer Satzung verpflichtet, trennt das Private vom Beruflichen, wird von einer übergeordneten Instanz ernannt, dient dem sachlichen Zweck, kommuniziert schriftlich, hält seine Stellung auf Lebenszeit und erhält ein festes Gehalt und später eine feste Pension. Der ‚patrimoniale Beamte‘ ist im Vergleich dazu der ‚Tradition‘ und dem Souverän verpflichtet, er kommuniziert mündlich, kann jederzeit ersetzt werden, und seine Leistungen für den Herrn haben einen ‚Freiwilligencharakter‘. Seit der Retablierung des Königtums wurde von den königlichen Ministern an einer Verfassung für das Königtum und an der Zahlung fester Gehälter gearbeitet, um ihr Amt in Zukunft als Beruf ausüben zu können. Neben seinem Kabinett ernannte Omukama Iguru die Mitglieder eines Rates (rukurato) oder königlichen Parlamentes. Jedes sub-county des Königtums war im rukurato vertreten. Im Jahr 2000 zählte es 110 Mitglieder, dazu gehörten Frauen und Männer, Älteste, Clanführer und deren Stellvertreter, Repräsentanten von Frauen-, Jugend-, Behindertengruppen und sogenannte opinionleaders aus den drei Distrikten Hoima, Masindi und Kibaale. Der katikiro und sein Kabinett hatten dem rukurato und folglich dem Omukama Rechenschaft über die Regierungsgeschäfte abzulegen. In der Regel nahm der König nicht am rukurato teil,

73 Es waren die Ministerien für Clane; Kultur; Arbeit, Finanzen; Forst; Information; Jugend, Soziales und Bildung sowie Gesundheit. 74 Informationen des Principal Private Secretary des Omukama, Yolamu Nsamba Ndoleriire, Hoima, Karuzika, 17. April 2000. 75 Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, hg. v. Johannes Winckelmann, Tübingen: Mohr 1972, S. 580 ff., 551 ff. und 122 ff.

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sondern überließ die Leitung seinem katikiro und dem Sprecher der Versammlung. Entscheidungen fielen durch Konsens oder Abstimmung, und das rukurato konnte ein Veto gegen den Willen des Königs einlegen. Die letzte Entscheidung in Personal- und Sachfragen lag aber beim König.76 Unter anderem konnte er die Mitglieder seiner Regierung jederzeit ernennen und entlassen. Eine nicht unbedeutende Rolle in der Politik der Distrikte spielten die opinionleaders, die vom König ernannt wurden. Sie saßen im Local Distrikt Council und im rukurato. Ihre Rolle als Berater des jeweiligen Distriktvorsitzenden und seines councils überschnitt sich mit der als Berater des Omukama und seines Parlaments beziehungsweise Kabinetts. Durch ihre Intervention konnten Prozesse im Distrikt unterlaufen oder gar umgekehrt werden. Sobald das Königtum finanziell etabliert war, sollten sie zu chiefs ernannt werden.77 Rückblickend hatte das rukurato einen Charakter angenommen, den es von 1933 bis 1955 besessen hatte. Es war ein Beraterrat, der zwar politische Kontrolle über das Kabinett, nicht aber über den König ausübte. Finanziell trug sich die königliche Regierung durch Steuern, eigene Betriebe und durch Zuweisungen der Kolonialverwaltung. Sie begann daher unter anderem an Festen und Ausgaben für Rituale zu sparen. Bis 1967 blieb das rukurato ein Teil der konstitutionellen Monarchie. Dann wurde es in das District Council Hoima umgewandelt, aus dem 1992 die Lokalregierung hervorging.78 Das 1994 etablierte rukurato war also eine Art Schattenparlament des District Council Hoima. Beide Räte hatten die gleichen ‚Wurzeln‘, standen aber in Opposition zueinander, da sie sich um ebyaitu, die vom Königtum geforderten Besitztümer, stritten. Mangels Finanzen erhielten im retablierten Königtum der Premierminister und die Minister des königlichen Kabinetts ebenso wie die Vertreter des BabitoClans, okwiri und batebe keine Gehälter. Einige Repräsentanten erhielten Amtssitze. Die Minister übten ihr Amt parallel zu ihrem eigentlichen Beruf und ohne offizielle Residenzen aus. Teilweise wohnten sie in Kampala, teilweise in Hoima oder der näheren Umgebung. Minister im Kabinett des Omukama waren daher ausschließlich solche Personen, die über eigenen Besitz und eigene Geldmittel verfügten. Eine Ausnahme in der Bezahlung machte der Privatsekretär des Omukama (PPS) und der Programmmanager des ‚Population and Advocacy Projects‘, das vom United Nations Development Programm finanziert wurde

76 Interview mit Reverend Bonifance Kyaligonza, Sekretär des Kabinetts und des rukurato, Hoima, 11. Juni 2000. 77 Interview mit George Muhuruzi, Minister für Kultur, 8. Juni 2000. 78 Inzwischen sind Begriffe wie ‚Komiti‘ und ‚Council‘ und andere Anglizismen in die moderne Runyoro-Terminologie und in die moderne politische Kultur eingeflossen.

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(UNDP). Über das Projekt, dem der PPS vorstand, erhielten der Manager und sein Vorstand ihre Gehälter. Beide hatten im Verwaltungstrakt des Palastes ihre Büros. Auch die Leibwache des Omukama, sechs Mitglieder der Präsidentengarde, wurde vom Staat bezahlt. Trotz der ehrenamtlichen Arbeit von Ministern und anderen Königtumsvertretern standen sie unter dem Verdacht der Bereicherung. In einem Klassenaufsatz, der auf meine Bitte in zwei Schulklassen geschrieben worden war, schrieb ein Schüler: „Nowadays, some people take the kingship as a business, whereby they are after obtaining money other than doing developmental works for the kingdom. This shows that they have totally forgotten what kingship is.“79

Dabei durfte das Königtum weder Abgaben noch Steuern eintreiben. Die Verfassung von 1995 verbot den Königtümern jegliche administrative Handlung. Stattdessen begann die Distriktregierung von Hoima im gleichen Jahr, eine Sonderabgabe für die Finanzierung des Königtums zu erheben. Diese Maßnahme erregte, möglicherweise von der Lokalregierung mit einkalkuliert, großen Unmut in der Bevölkerung. Die Finanzierung von Ämtern und Aktionen kristallisierte sich zunehmend zu einem Kernproblem des neuen Königtums, das seinerseits unter dem Druck stand, sich zu legitimieren. In der Bevölkerung wurden beide Regierungen gleichermaßen daran gemessen, Wohlstand und Reichtum in die Region zu bringen. Infrastruktur, Wirtschaft und Soziales waren dabei lediglich die Bereiche, in denen sich diese Fähigkeit ausdrücken sollte. Von staatlicher Seite war das Königtum zwar auf kulturelle Repräsentanz beschränkt, intern verfügte es jedoch bereits über eine politische Organisation, die schrittweise erweitert und auch politisch aktiv werden konnte. Im Prozess des Wiederaufbaus sahen die Akteure den Mangel an Ressourcen und Finanzen als Hauptproblem. Im Laufe des Retablierungsprozesses wuchs ihre Erwartung, sich mit ihren diversen Aktivitäten ein Einkommen sichern zu können. Während das Kabinett für sich und den König Gehälter vom Staat forderte, diskutierten Regaliahüter und Musiker des Königs darüber, wie sie vom Omukama für ihre Dienste entschädigt werden sollten. Während der Kolonialzeit waren die Beamten des Königs von der Steuer befreit und erhielten Naturalien, Land oder anderen Begünstigungen. Ähnliche Vorstellungen hatten vor allem ältere Regaliahüter, die wie in den 1950er Jahren zum Palast kamen, um den Omukama um

79 Schüleraufsatz, Klasse Senior 6, 22. März 2000. Auf die Aufsätze komme ich unten ausführlich zu sprechen.

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Unterstützung zu bitten. Jüngere Akteure dagegen forderten ein festes Gehalt für ihre Aufgaben. Vor dem Hintergrund dieser finanziellen Fragen beteiligte sich die Regierung des Königtums an der politischen Debatte über ein föderales System in Uganda. Von der Durchsetzung der föderalen Struktur erhofften sich die Vertreter der Königtümer eine eigene Exekutive, Legislative und Judikative und damit die Möglichkeit, Steuern zu erheben oder zu erlassen, Aufgaben zu verteilen und Ämter zu besetzen und zu bezahlen.

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Die Ebyaitu-Debatte war auch unter der Jugend ein umstrittenes Thema. Es verschränkte sich mit anderen Diskursen über das Königtum. Wie bereits erwähnt, bat ich im März 2000 zwei Lehrer in zwei Sekundarschulen (Klasse 6 und 7) der Stadt Hoima, Aufsätze zur Rezeption des Königtums von Bunyoro-Kitara schreiben zu lassen. Das Thema lautete: „Give your view on the existence of Bunyoro-Kitara Kingdom. Is it an asset or a liability?“ Von zweiundzwanzig Schülern unterstützten fünf den Omukama und das Königtum, fünfzehn äußerten sich kritisch bis ablehnend, und zwei listeten ebenso viele Vor- wie Nachteile auf. Aus den Antworten geht hervor, dass die Lehrer Vor- und Nachteile mit den Schülern besprochen hatten. Dennoch betonte jede/r Schüler/in andere Aspekte und argumentierte unterschiedlich. Von den zweiundzwanzig Schülern waren zwei Mädchen, vier blieben anonym und sechzehn waren Jungen. Zusammengefasst sahen die Befürworter des Königtums den Omukama als den ‚Top Man‘, der sein Königreich wie einen Betrieb führte und die Arbeitslosenzahlen senkte, indem er im Palast Beschäftigung schuf, an erster Stelle für sich selbst als König, aber auch ‚white-collar-jobs‘ für Minister und Sekretäre sowie Arbeiterjobs für einfache Tätigkeiten. Die Schüler erhofften sich den Aufbau einer ‚Industrie‘ durch den Omukama, womit sie handwerkliche Betriebe wie Tischlereien, Metallwerkstätten und Ähnliches meinten, die lokal als Industrie begriffen werden. Für diese Schüler war der Omukama eine potente Person, die Autorität und Macht besaß. Der König sorgte für Ordnung, hatte Macht über Leben und Tod, diente als soziales Bindeglied zwischen den Clanen Bunyoros und verteidigte das Land der Banyoro. Außerdem sorgte der Omukama für die Bildung der Jugend, indem er Schulen bauen ließ. Insgesamt hatte das Königtum nach Meinung dieser Schüler seit seiner Retablierung ‚mehr Gutes als Schlechtes‘ getan und war somit ‚ein Gewinn‘ für Bunyoro. Die zahlreicheren Gegner des Königtums fokussierten ebenfalls auf den Omukama und übten starke Kritik an ihm und seinem ‚afrikanischen Führungs-

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system‘. Sie setzten den Titel ‚Omukama‘ in Anführungsstriche und ironisierten damit eine begriffliche Parallele zwischen Gott, dem Schöpfer und Iguru Solomon, dem König. Nicht erst seit Beginn der Missionierung wurde der Begriff ‚Omukama‘ in verschiedenen Kontexten gebraucht. Diese Schüler kritisierten die Ungleichheit unter den Clanen als Verletzung der Menschenrechte und als Missachtung der Bibel (des Evangeliums). Sie argwöhnten, dass der Omukama ein Heide sei, der keine Gottesdienste besuche und ‚satanische Einflüsse‘ in Form verschiedener Kulte unterstütze. Statt den Omukama als soziales Bindeglied der Clane zu sehen, bezeichneten sie ihn als Diktator und seine Beschäftigungspolitik im und um den Palast als ungerecht, da er willkürlich ernennen und willkürlich entlassen konnte und außerdem nur solche Personen protegierte, die prominent waren. Aufgrund seiner Beschäftigungspolitik wurden manche Clane mächtig, andere dagegen wurden verachtet und ausgeschlossen, sogar geopfert (Basingo), sodass der Omukama Rivalität und Neid unter den Clanen erzeugte, statt Einheit zu bringen. Die kritischen Schüler sahen die Forderungen des Königtums, ‚seine Dinge‘ zurückzubekommen, als Profitsucht des ‚herrschenden Clans‘. Der Kampf um die Besitztümer des Königtums wurde von den Schülern als Kampf eines einzigen Clans und einer einzelnen Person – der des Omukamas – um ihren Privatbesitz dargestellt. Es ging ihrer Ansicht nach im Streit um ebyaitu nicht um das Gemeinwohl, sondern um das Wohl der privilegierten Clane und der herrschenden Familie. Sie gingen davon aus, dass die Gelder veruntreut wurden und die Personen mit ‚white collar job‘ in der Regierung des Königtums ihren Teil vom Kuchen bekamen. Die Schüler betrachteten die Lokalregierung und sich selbst, die zukünftigen Steuerzahler, als Gegner des herrschenden Clans, der Privilegien für sich in Anspruch nahm. Durch seine Opposition gegen die Lokalregierung, so kritisierten sie, hatte das Königtum keine Entwicklung gebracht, sondern die Lokalregierung in der Erfüllung ihrer Aufgaben blockiert. Sie argwöhnten ferner, dass die Rückgabe von Land an das Königtum nur dazu führe, dieses Land ungenutzt zu lassen und andere Aspekte von Entwicklung wie eine ‚industrielle Revolution‘ oder den Aufbau von Bildungs- und Absatzmärkten aufhalte. Für die Kritiker hatte das Königtum bisher nur ‚Niedergang‘ gebracht, und von Omukama Iguru kam seit seiner Krönung nichts Gutes, sondern nur Schlechtes. Sie betonten den Mangel an Moral, Respekt und Würde, den Omukama Solomon Iguru seinen Untertanen, ‚subordinates‘, gegenüber an den Tag legte. Als Beispiel nannten sie den rücksichtslosen Fahrstil des Königs und verschiedene Skandale um körperliche Gewalt, in die der König verwickelt war. Vor allem kritisierten sie, dass Solomon Iguru seine Untertanen mit Verachtung strafe, obwohl er ohne sie zu keiner Existenz als Omukama fähig sei. Nicht die Unterta-

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nen waren in der Schlussfolgerung einer Schülerin das Problem des Königs, sondern der König wurde zum Problem der Bevölkerung. In ihren Augen war der König eine hilflose Person, die nichts besaß, die Bauern aber durch Steuern aussaugte und von ihrem Land vertrieb. Die Aufsätze der Schüler geben einen guten Überblick über die lokalen Debatten um das Königtum. Sie ermöglichen eine jugendliche Sicht auf Ereignisse und Diskurse in Hoima, auf die Ebyaitu-Debatte und den Palast mit seinen Aktivitäten. Sie zeigen auch die Sicht der Kirchen und der Christen sowie die Befürchtungen der verschiedenen Clane. Sie drücken den Ärger über die Institution aus, die für sie keine öffentliche Legitimation besitzt. Im Gegensatz zum Staat betrachteten die kritischen Jugendlichen das Königtum und den Omukama in erster Linie als eine Institution der Macht und der Politik, die nebenbei auch kulturellen Einfluss ausübt. Gleichzeitig übertrugen sie die Kritik am Staat wie Korruption, politische Netzwerke, Assimilation der Eliten, illegitime Akkumulation von Reichtum etc. auf die Kritik am Königtum und seine Vertreter. Dennoch gab es auch Stimmen, die die kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekte des Königtums positiv betonten und nicht überhört werden dürfen. Sie gaben eher die Sicht der Vertreter des Königtums selbst und die Visionen über das Königtum als Erzeuger von Wohlstand wieder. Aber sie waren eindeutig in der Minderheit. Schließlich finden sich in den Aufsätzen Metadiskurse wieder wie die Verteidigung von Menschenrechten, die Notwendigkeit von Entwicklung und Fortschritt, die Bedeutung von Wissen und Bildung, die Attraktivität des Tourismus als Kommerz, das Wunder der Industrialisierung etc., die zeigen, dass die Moderne Gegenstand intensiver Debatten in Bunyoro-Kitara ist.

M ODERNISIERUNGSDISKURS D ISPOSITIV DER A RMUT

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Im Hintergrund der Regierung des Omukama arbeitete sein persönlicher Sekretär (PPS), der omuhandiki w’ensita (Schreiber von Geheimnissen), eine Art Geheimrat. Das Amt und die Schrift waren zu Beginn des Jahrhunderts von den Missionaren eingeführt worden. Die Position entwickelte sich zu einer Vertrauensstellung am Hof des Omukama. 1999 gehörte der PPS zu den wichtigsten Funktionären im Palast. Der amtierende PPS war Akademiker und setzte sich vor allem für bildungspolitische Maßnahmen, höhere Schulen, Alphabetisierung, Familienplanung und Gesundheitsaufklärung ein, Probleme, die in BunyoroKitara prägnant sind. Das Königtum wurde dadurch eine Agentur für Entwicklung und eine Institution der Moderne. Da es keine politische Handhabe besaß,

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operierte es über die Institutionen des Staates und der Vereinten Nationen (UN). Unter der Leitung des PPS übernahm das Königtum ein Bevölkerungs- und Beratungsprojekt. „The role of the kingdom shifted from governance to advocacy. The kingdom advocates on unfair, unjust policies and negative cultural practices. It comes in when it identifies a problem. Then kingdom officials advocate cultural leaders and political leaders on how the defect can be rectified.“80

Das Königtum war jedoch keine Nichtregierungsorganisation (NGO), sondern konnte mit jeder beliebigen Institution kooperieren, sei sie staatlich, öffentlich oder privat. Anders als NGOs musste sich das Königtum nicht turnusmäßig neu registrieren lassen und besaß deswegen laut PPS einen Vorteil.81 Es war unabhängig vom politischen Tagesgeschehen. Aus der Perspektive eines Advokaten und Projektmanagers hatte der Privatsekretär des Königs ein distanziertes Verhältnis zu den Ritualen des Königtums und ihren Akteuren. Viele Rituale betrachtete er als obsolet: „Life in the palace of the past involved a lot of practices which have been ritualised in modern times. Since they are no longer practices determining the daily life of the royals or the people, they have become superficial and are not in need to be restored. E.g. for the King to walk in sandals made of rhino- and leopard-skin is ridiculous since it is no longer the standard of today.“82

Der PPS vertrat nicht die Meinung radikaler Christen, die alles ‚Traditionelle‘ als ‚satanisch‘ bezeichneten, sondern die eines überzeugten Modernisierers. Diesem Ansatz folgte auch Omukama Iguru. Er präsentierte sich in der Öffentlichkeit als moderner König, reduzierte den Umfang der königlichen Rituale auf ein Minimum (zum Empango-Fest) und verschuf sich auf diese Weise individuelle Freiheiten, die ihm ein ritualisierter Alltag nicht erlaubt hätte. Im rukurato, dem königlichen Kabinett, unter den Regaliahütern, im Babito-Clan, sogar in der breiten Bevölkerung waren die Rituale des Königtums der Sinn der verschiedenen Ämter im Palast. Ihre Performanz erzeugte das Königtum. Eine Modernisierung oder Abschaffung solcher Aufgaben wäre für die Amtsinhaber kontraproduktiv und unsinnig gewesen. Für die Modernisierer des Königtums und für

80 Interview mit Yolam Nsamba Ndolerire (PPS), Hoima, Karuzika, 13. März 2000. 81 Interview mit Yolam Nsamba Ndolerire (PPS), Hoima, Karuzika, 17. April 2000. 82 Ebenda.

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Omukama Iguru waren sie einerseits eine finanzielle und rituelle Last, andererseits ein Mittel, die Macht der diversen Clane und das Königtum in den Medien zu repräsentieren. Darauf gehe ich in den letzten beiden Kapiteln ein. Mithilfe schriftlicher Medien etablierte sich ein Diskurs über die Armut in Bunyoro-Kitara, der sich seit dem Krieg gegen die Kolonialmacht Großbritannien und ihren Verbündeten Buganda gebildet hatte. Er stand in starkem Kontrast zu dem Reichtum, mit dem das Bild des vorkolonialen Reiches BunyoroKitara verbunden war. Das Königtum war zu Beginn seiner Wiedereinrichtung 1994 „a shadow of its former self“83, wie eine Kommentatorin in der ugandischen Tageszeitung Monitor schrieb. Auch das retablierte Königtum führte diesen Armutdiskurs fort und verstärkte ihn durch öffentliche Reden und Schriften zu diesem Thema. So schrieb der Privatsekretär des Königs (PPS) einen Text mit dem Titel „Breaking the Chains of Poverty“84. Darin führt er den Kampf gegen Armut, Mangelernährung und Kindersterblichkeit als Gegenstand der Advokatenrolle des Königs ein. Im Mittelpunkt des Textes aber stehen die Geschichte des Königreiches und die historischen Gründe für die Herausbildung des Dispositivs der Armut. Es manifestiert sich in der physischen Konstitution der Bevölkerung, in der Zahl der Geburten, der Arbeitslosen, der Illiteraten, an der Höhe der Steuern (auf Tabak), dem Mangel an Vieh, an Umweltschutz und Umweltmanagement sowie am Schutz von Mutter und Kind. Der Text endet mit dem Appell an Großbritannien, die Verluste zu entschädigen, und mit dem Appell an den ugandischen Staat, seine politischen und administrativen Praktiken in Bunyoro-Kitara zu reformieren, sowie mit dem Aufruf, das retablierte Königtum in seiner Entwicklung zu unterstützen. Ich zitiere hier noch einmal den königlichen Premierminister, katikiro Ndahura, in seiner Eröffnungsrede des Empango-Festes 2000: „Our Guest of Honour [Premierminister Apollo Nsibambi; R. v. W.], Bunyoro is grateful to the government for restoring kingships. […] We are grateful to the Presidential Poverty Eradication Tour which he conducted recently. He appealed to us to plant forests which would later be a source of income. In Bunyoro here, we have been growing tobacco, cotton, etc. but we have always been poor. […] Our Guest of Honour, empango is supposed to take place on 11th June but for the last two years it was not possible, because of poverty but also because we did not have ebyaitu. We

83 „Bunyoro on the Rebound“, in: The Monitor, 9. November 1998. 84 Nsamba, Y.: Breaking Chains of Poverty.

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could not dance and celebrate without ebyaitu. […] Empango celebrations should take place this year, whether there is money or not.“85

Bevor ich weiter unten auf das Empango-Fest und seine Rituale zu sprechen komme, möchte ich hier festhalten, dass seine Performanz und die Repräsentation des Königtums in den Medien in direkter Beziehung zum Diskurs über ebyaitu und die Praktiken der Restitution stand. Ohne die Materialisierung der Macht konnte es auch keine Repräsentation im Lokalen und in den Massenmedien geben, die das Souveränitätsdispositiv stärkte.

Z USAMMENFASSUNG Mit der Rückkehr des Königtums traten nicht nur verschiedene Diskurse über die Institution zutage, sie etablierten sich auch zusehends als ein Dispositiv der Macht, welches ich in Anlehnung an Michel Foucault das Souveränitätsdispositiv nenne. Allerdings ist hier der Souverän durch die repressive Macht des Staates auf seine kulturellen und rituellen Funktionen beschränkt, sodass ich vom sakralen König ohne Souveränität spreche. Zur Institutionalisierung einer Teilsouveränität erhielt das Königtum seine unveräußerbaren Besitztümer zurück. Dazu zählten kulturell verdichtete Objekte wie die Regalia, die Gräber der Könige und die Paläste. Erst die Verhandlungen über veräußerbare Objekte, die einen kommerziellen Gewinn versprachen, führten zu Störungen in der Retablierung und Reinstitutionalisierung des Königtums, mit anderen Worten zur Verhinderung seiner Souveränität. Die Störungen machten sich an den unterschiedlichen Macht- und Wirtschaftsinteressen des Königtums, der Staatsregierung und der Lokalregierung bemerkbar. Sie führten zu Konfliktlinien, die sich quer durch die Gesellschaft zogen. So bildete sich eine Reihe von oppositionellen Diskursen heraus, insbesondere in den unabhängigen Kirchen und in der Jugend des Königtums. Dabei überschnitten sich trotz aller Oppositionen die Vorstellungen über die Modernisierung der Clangesellschaft im Königtum. Auf diese Weise verband sich der Souveränitätsdiskurs mit dem Armutsdiskurs und institutionalisierte neue soziale, kulturelle und politische Praktiken.

85 Rede des Katikiro zum 7. Empango-Fest in Hoima, 29. Juli 2000.

8. Erneuerung der Clangesellschaft Konstituierung der Ordnung und der Subjekte

Nachdem ich in den beiden vorangegangenen Kapiteln die Legitimation des Königs und die Materialisierung der Diskurse im Königtum Bunyoro-Kitara untersucht habe, möchte ich nun zeigen, wie sich die Ordnung und die Subjekte des Königtums konstituieren. In diesem Zusammenhang sind zwei Aspekte von Bedeutung. Zum einen ein (königliches Regierungs-)Programm zu Revitalisierung der Clane, zum anderen die Verteilung der rituellen Ämter im Königtum. Beide zusammen konstituieren die Subjekte des Königtums als Mitglieder von Claneinheiten. Sie schaffen einen sozialen Körper. Damit schließe ich mich zunächst der strukturfunktionalistischen Sichtweise an, die eine organische Beziehung zwischen der sozialen und der politischen Struktur und diese durch Rituale gefestigt sieht. In der aktuellen Praxis müssen sich die Clane jedoch erst wieder konstituieren, um als souveräne Einheiten zu bestehen und um Aufgaben zu übernehmen, in denen sie das Königtum rituell und performativ wiederbeleben. Ohne soziale Einheiten, die die politische Struktur legitimieren, kann es weder ein Königtum noch einen König geben. Die Macht liegt daher nicht einseitig an der Spitze der Gesellschaft, beim König, sondern sie verstreut sich in den Clanen. Sie führt zu Rivalitäten unter und in den Clanen um die Verteilung und Legitimation der rituellen Ämter und Aufgaben. Der Fokus dieses Kapitels liegt auf der Beziehung zwischen dem Königtum und den Clanen und auf dem Verhältnis zwischen der Macht und dem Wissen, das mit den rituellen Ämtern verbunden ist. In der Analyse der Diskurse und Praktiken des retablierten Königtums stellt sich die Frage, wie die Macht verteilt ist und wie sich die soziale, politische und kosmische Ordnung erneuert.1

1

Es ließe sich hier noch genauer darüber nachdenken, welche Ordnungskonzepte zur Repräsentation des Königtums und seiner Gesellschaft in Afrika gebildet oder heran-

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Zunächst diskutiere ich vor dem Hintergrund der Wiedereinrichtung des Königtums das Problem der Clanfragmentierung und der Clan-leadership sowie die Praktiken der Clanführer als Hüter von Land, Kollektivsymbolen und Machtobjekten. Ich greife dabei auf das historische Apriori der diskursiven Praktiken der Clane, das ich in Kapitel 4 beschrieben habe, zurück. Dann analysiere ich den Diskurs der Clanidentität und Clanpolitik, seine Institutionalisierung im Rat der Clane sowie die Einbindung der Clane in das Königtum über die Vergabe von Aufgaben und Ämtern.

F RAGMENTIERUNG

DER

C LANE

Zum historischen Apriori der Clane in Bunyoro-Kitara gehört, dass sie in Krisensituationen und Machtkonflikten zu einer verstreuten Siedlungsweise und zu Fragmentierungen tendierten. Die Regierungskunst eines Königs zeichnete sich dadurch aus, dass er die Clane einte und politisch zusammenführte. Mit der kolonialen Eroberung Bunyoro-Kitaras durch die Briten und Baganda und der Exilierung des Souveräns brach dieses fragile System zusammen. Die Fragmentierung der Clane und ihre Migrationsbewegungen verstärkten sich in der Weise, dass Clanmitglieder ihre angestammten Siedlungsgebiete aufgaben und individuelle Lösungen suchten. Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang, dass der Krieg mit seinen Begleiterscheinungen in Form von Hunger und Krankheit zu großen Verlusten in der Bevölkerung geführt hatte. Erst ein halbes Jahrhundert später, in den 1950er Jahren, konnte der demografische Rückgang aufgehalten und umgekehrt werden. Die Clane hatten sich jedoch als korporative soziale Einheiten aufgelöst. Dieses historische Apriori bildet die Ausgangslage für die Reorganisation der Clane und ihre Diskurse am Ende des 20. Jahrhunderts. Nach Informationen des königlichen Ministers für Clane gab es 1999 etwa 58 Clane (Pl. enganda, Sg. oruganda) in Bunyoro-Kitara. Allerdings hielt der Minister diese Zahl für nicht zuverlässig, da „jeder mit anderen Zahlen kommt“.2 Er hatte eigene Recherchen unternommen. Die meisten Clane hatten die Kontrolle über ihr angestammtes Clanland verloren. Das Konzept des Clans war aber trotz aller Veränderungen in Hinsicht auf die Organisationsprinzipien der Patri-

gezogen werden und auf welchen Epistemen sie gründen. Vgl. Foucault, Michel: Die Ordnung der Dinge, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1974, S. 78 ff. Zur Konstituierung der Subjekte und der Herausbildung eines Dispositivs der Macht beziehe ich mich vor allem auf Foucault, M.: Der Wille zum Wissen. 2

Interview mit Christopher Sabiiti in Hoima, 7. April 2000.

8. E RNEUERUNG

DER

C LANGESELLSCHAFT – O RDNUNG

UND

SUBJEKTE

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linearität und der Exogamie relevant geblieben. Die Prinzipien regelten insbesondere die Erbfolge und die Heirat. Die Claneinheiten wurden nun auf lokaler Ebene von männlichen Mitgliedern, meist Ältesten (bakuru bw’enganda) geführt. Sie wurden in der Regel von den Clanmitgliedern gewählt, manche erbten ihre Führungsposition. Zu den Aufgaben der Clanführer zählten vor allem die Schlichtung von Streitfällen, die Lösung von Landkonflikten, Ehekonflikten, Heiratsverhandlungen, der Besuch von Begräbnissen und andere Clanangelegenheiten. Sie waren für den Schrein der Ahnengeister und die rituellen Objekte des Clans verantwortlich. Es wurde von ihnen erwartet, dass sie Clantreffen organisierten und gemeinsame Gebete und Festmähler zu Ehren der Ahnen gaben (kubembeka). Auch die Kubandwa-Zeremonien mit dem Geistmedium (kibandwa w’oruganda) des Clans gehörten bis zur Christianisierung zu ihren Aufgaben.3 Unter dem Einfluss des Christentums, des Kolonialkrieges und der Arbeitsmigration wurden diese Praktiken in vielen Fällen aufgegeben. Die Mitglieder der Clane zerstreuten sich über die Grenzen des Königtums hinweg. Ihre Treffen fanden seltener statt und wurden kostspieliger. Viele Mitglieder zogen in andere Gebiete oder in die Städte und verloren den Kontakt zu ihren ländlichen Verwandten. Mit den Transformationen der kolonialen und postkolonialen Herrschaft ging das Interesse an den Ritualen und den rituellen Objekten des Clans verloren. Konvertierte ein Clanführer zum Christentum, so bestand die Gefahr, dass er die rituellen Objekte des Clans an die Kirche oder in fremde Hände gab. Von solchen Situationen wurde mir mehrfach berichtet. Sie waren mit tragischen Familiengeschichten verbunden und zeigten die Ambivalenz zwischen der Verantwortung für die Identität und die Besitztümer des Clans auf der einen Seite und den Herausforderungen der Moderne und des Christentums auf der anderen Seite. Mit dem Verlust identitätsstiftender Merkmale wurde es schwieriger, die soziale Kohäsion in den Clanen aufrechtzuerhalten. Während meiner Recherchen stellte ich fest, dass nur noch wenige Clane von einem Clanführer geleitet wurden, der tatsächlich das Clanland verwaltete, die Regalia des Clans aufbewahrte und die Grabstätte der Ahnen pflegte. Die meisten Clane waren weit verstreut und wenig organisiert. In den nicht seltenen Fällen, in denen die Clanführer und Regaliahüter zu den wiedergeborenen Christen übergetreten waren, hatten sie sich vom Embandwa-Kult losgesagt und die rituellen Objekte ihres Clans versteckt oder an die Kirchen ausgeliefert. Eine Ausnahme, die aber die Regel bestätigte, war der Bayaga-Clanführer mit dem Titel kyanku kya mihingo. Der 99-jährige Clanführer hielt erfolgreich das Land des Clans mit dem Hügel der Ahnen zusammen. Bis zum kolonialen Krieg 1891 ge-

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Vgl. Byaruhanga, A. A. B. T.: Religion in Bunyoro, S. 44-50.

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gen die Briten und Baganda hatten die Bayaga die politische Autonomie über einen großen Teil des sub-counties Buyaga ausgeübt. Nach der Besatzung kollaborierte Kyanku mit den Baganda, da er den König von Buganda (kabaka) als neuen Souverän anerkannte. Er wurde saza chief in Buddu, einem sub-county von Buganda, und übernahm damit als einer der wenigen Banyoro unter der Herrschaft der Baganda eine hohe administrative Funktion. Trotz seiner Konversion zu den ‚wiedergeborenen‘ Christen (balokole) in den 1990er Jahren hatte er die Regalia seines Clans in seinem Palast aufbewahrt.4 Ich erlebte ihn als einen charismatischen Führer, der das Land seines Clans trotz seines hohen Alters gegen ‚squatter‘ verteidigte, indem er vor Gericht zog. Er ließ mir ein ausgiebiges Mahl zubereiten und erzählte mir, vermittelt durch einen Übersetzer, die Geschichte des Bayaga-Clans.5 Dabei beschrieb er genau die Grenzen des BayagaTerritoriums. Für die Identität des Clans und seine Machtansprüche waren die Regalia des Clans unentbehrlich. Sie repräsentierten die soziale und politische Stellung, die die Bayaga im Königtum der Babito eingenommen hatten und weiterhin beanspruchten. In vorkolonialer Zeit war der Bayaga-Führer laut Kyanku ein autonomer lokaler König, der den Hof des Babito-Königs mied und seine Repräsentanten schickte. Auch seit der Retablierung des Königtums ließ er sich am Hof Omukama Igurus vertreten. Während meines ersten Besuches bei Kyanku war es mir nur begrenzt gestattet, Fragen zu stellen. Als Gegengabe für den Empfang in seinem etwas verfallenen Palast musste ich ihm eine Summe zahlen, die seine Unkosten für das Festmahl reichlich deckte. Ferner erwartete er, im Vorwort meiner Arbeit erwähnt zu werden. Er bat mich um Fotografien von sich und seiner Familie. Im Vergleich zum eher modernen Empfang bei Omukama Solomon Iguru in Hoima präsentierte sich Kyanku kya Mihingo als ein ‚traditioneller Herrscher‘ und ehemaliger kolonialer Beamter, der eine seinem Status angemessene Gegenleistung erwartete. Das Beispiel der Bayaga zeigt, wie eng die Präsenz der Regalia mit den Machtdiskursen im Clan und im Königtum verknüpft ist. Mit der Rückkehr des Königtums bekamen die Regalia wieder einen eigenen Wert und eigene Macht. Clane konnten durch die Übernahme und Verwahrung der Regalia des Königs an Prestige, Macht und Identität gewinnen oder verlieren. Lehnte der Hüter der königlichen Regalia die Aufgabe ab, weil er sie mit seinem christlichen Glauben nicht vereinbaren konnte, so führte dies zu Konflikten in der Familie,

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2001 starb Kyanku kya Mihingo kurz vor seinem hundertsten Geburtstag. Sein Nachfolger trug den Titel mihingo. Der Name für dieses hohe Amt alternierte wie bei vielen Ämtern.

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Interview mit dem 44. Kyanku kya Mihingo in Rutoma, 23. August 1999.

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oft auch im Clan. Als ein Beispiel möchte ich Kasohera, einen der Regaliahüter von Omukama Iguru anführen, der die Obhut über neunzehn Speere und zwei Opfermesser der Bacwezi von seinem Vater übernommen hatte. Kasoheras Geschichte begann damit, dass sein Vater zur Zeit Omukama Tito Winyis zum Katholizismus konvertierte.6 Kurz vor seiner Konversion gab der Vater die Regalia in die Obhut seiner Schwester, woraufhin er nacheinander drei Autounfälle erlebte und Invalide wurde. Bald darauf verlor die Schwester nacheinander sieben Kinder durch Schlangenbisse, Ertrinken und andere Unglücke. Sie drohte, die Speere fortzuwerfen. Weil die Dinge gefährlich wurden und zu Hexereibeschuldigungen in der Familie zwischen dem Vater und seiner Schwester geführt hatten, nahm Kasohera mit zwölf Jahren die Objekte in Obhut. Dabei wurde er von seiner Mutter angeleitet. „I think I was about 12 years. It came by mistake because the owner refused, and that man actually had kept the things. When they started to kill, I mean, to cause problems, she was forced to give it up. And actually there came a gap between my aunt and us. She thought my father wanted to cause problems and my father says, may be it is the woman who turned charms on him to get problems. So we were disorganised.“7

Als Erklärung für die Ereignisse gab Kasohera zwei Gründe an: Erstens hatte sein Vater den Respekt für die Objekte verloren, als er sich der Bibel zuwandte, und zweitens hatte er sie, was die Sache schlimmer machte, einer Frau gegeben. Diese beiden Regelüberschreitungen führten dazu, dass die Objekte den Vater straften und von Kasohera und seiner Familie als Bedrohung empfunden wurden: „You know, the bad thing: my father refused to respect these things. Let me tell you this. You are going to see the man, he is now already dead, but he is still there. Because he was knocked by a vehicle three times. Because of refusing to respect these things. So it is not a joke. It is not simple. He is alive! But he has no legs! He can’t help himself, because of these. This is why I respect these things.“8

Die Objekte straften auch die Tante, da Frauen nicht in den Besitz königlicher Regalia kommen durften. Frauen konnten, so Kasohera, in Bunyoro-Kitara nicht König werden. Der Herrschaftsmythos der Babito legt nahe, warum ihn seine

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Interview 19. Mai 2000.

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Ebenda.

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Ebenda.

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Mutter dennoch im Wissen um die Objekte anleiten konnte. In diesem wird erzählt, dass auch der erste Babito-König von den Frauen der Bacwezi erfuhr, welche Aufgaben die Objekte erfüllten und wie sie zur Herrschaft genutzt werden konnten. Kasohera hielt sich in seinen Erklärungen mir gegenüber streng an lokale Erklärungsmuster, die in der Mythologie verankert waren. Hexerei war eine naheliegende Erklärung für Unglücke, mit denen die Bacwezi die Missachtung ihrer Objekte straften. Dennoch flocht der Regaliahüter Bemerkungen in seine Erzählung ein wie „I think it is a good story“, die mich an seiner Geschichte zweifeln ließen. Der Anthropologe Michael Taussig hat diesbezüglich von einer „anderen Theorie der Magie“ gesprochen.9 Er geht davon aus, dass der Zweifel und die Skepsis zum Glauben gehören. Die Überzeugungskraft der Magie beruhe nicht darauf, wie gut ihre Geheimnisse verborgen werden, sondern wie das Wissen um ihre Geheimnisse enthüllt wird. „Hence power flows not from masking but from unmasking which masks more than masking.“10 In der Dialektik der Aufklärung haben Horkheimer und Adorno auf ein ähnliches Phänomen hingewiesen und festgestellt, dass die europäische Aufklärung nicht ohne Mythen und Magie auskam.11 In diesem Sinn begreife ich Kasoheras Geschichte als eine Aufklärung über die Macht seines Amtes, die er mir mit den Mitteln des Mythos und im Idiom der Hexerei erzählte. 1994, als Prinz Solomon Iguru gekrönt wurde, trug Kasohera die BacweziSpeere zum König. Zuvor schlachtete er zusammen mit Karongo, dem anderen Wahrsager des Königs, einen weißen Bullen und einen weißen Hahn. Für diesen Zweck besaß er zwei Messer (kitara kya manenge). Speere und Messer befanden sich in seinem Haus und waren in Rindenstoffe gehüllt. Zu Neumond brachte er sie an das Licht des Mondes und opferte ein Huhn. Von Beruf war Kasohera Heiler und führte im Taxipark von Masindi einen Stand mit der Bezeichnung ‚Centre for Scientific Medical Plants Network‘, auf dem sich Reagenzgläser und Fläschen mit selbsterzeugter Medizin befanden. Die Zutaten baute er im eigenen Garten an. Als Arbeitskleidung trug er einen grünen Kittel und einen Plastikhelm. In Deutschland (Bonn), so erzählte er mir, hatte er eine Fortbildung besucht, die ihn in Pflanzenmedizin ausbildete. Auf seinem Verkaufsstand im Taxipark lagen neben seinen Heilprodukten daher eine Reihe von Büchern zur

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Taussig, Michael: „Viscerality, Faith and Skepticism. Another Theory of Magic“, in: Dirks, Nicholas (Hg.): Near Ruins. Cultural Theory at the End of the Century, Minneapolis: University of Minnesota Press 1998, S. 221-256, hier: S. 242.

10 Ebenda. 11 Horkheimer, Max/Adorno, Theodor W.: Dialektik der Aufklärung, Frankfurt am Main: Fischer 1969, S. 14.

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Pflanzenbestimmung und Pflanzenheilkunde. Seine Arbeitsmittel verdeutlichten jedem Kunden, dass die angebotene Medizin durch die Methoden der aufgeklärten und modernen Medizin gewonnen wurden. Dieses Beispiel zeigt, wie eng die verschiedenen Diskurse und Rationalitäten der Medizin, der Hexerei, der Aufklärung und der Magie beieinanderliegen und ineinandergreifen. Jeder Diskurs hat seine eigene Logik und Gültigkeit, und einer allein reicht zur Erklärung der Phänomene nicht aus. Kasohera erklärte, dass er seit der Übernahme der Regalia der Führer seines Clans geworden sei. Diese Behauptung konnte ich nicht überprüfen, sie zeigt aber, für wie bedeutsam er seine Aufgabe selbst hielt. Tatsächlich traf ich ihn später in seiner Funktion als einer der Regaliamänner des Königs und der rituellen Repräsentanten des Königtums wieder. Es waren jedoch nicht nur die Christianisierung und die kolonialen Transformationen, der Verlust von Land, die Einrichtung von Naturreservaten und die Arbeitsmigration, die den Clanzusammenhalt gefährdeten und verringerten. Unter der postkolonialen Regierung von Milton Obote waren die Clantreffen zu politisch unerwünschten Veranstaltungen geworden. Seit der Abschaffung der Königtümer 1967 brachte die Uganda-Peoples-Congress-(UPC-)Regierung solche Treffen mit tribalistischen und monarchistischen Tendenzen in Verbindung. Der politische Diskurs der UPC favorisierte die Einheit der Nation. Das Konzept des Clans (oruganda) und mit ihm das Totem (omuziro) blieben für die Identität der Subjekte dennoch bedeutsam. Es diente vor allem der Suche nach Heiratspartnern. Der Zusammenhalt auf der Basis der verwandtschaftlichen Solidarität war hingegen äußerst schwierig geworden. Zwei Beispiele mögen dies illustrieren: Zum einen kritisierte ein Führer des Babwijwa-Clans auf der Dorfebene, dass die Städter ihre Toten auf das Land brachten, ihren ländlichen Verwandten sonst aber keine Besuche abstatteten. Aus seiner Sicht entsorgten die Städter ihre Toten, ohne ihren Pflichten angemessen nachzukommen und sich um die Angelegenheiten des Clans zu kümmern. Der Führer klagte: „[T]here is a lack of knowing each other“.12 Er betrachtete die Clanorgansation as wichtig, „especially to see the other elders of his clan“. Daher begrüßte er die Idee der königlichen Regierung, „to bring the clans together“13. Zugleich war er der Ansicht, dass das Königtum untätig und auf sich selbst bezogen war: „Formerly the rulers were fighting and planning for the people, the King would be concerned. Nowadays they just sit in their palace, even fight like rebels, just eating money.

12 Interview, 16. September 1999. 13 Ebenda.

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The government and the people do not see them as important because they are not doing anything.“14

Im Diskurs über die Reorganisation der Clane kritisierte er ein Phänomen, das von vielen Führern als ein Mangel an ‚Einheit‘ beschrieben wurde. Dieser kritische Diskurs verband persönliche mit kollektiven Interessen. In diesem Fall hatte der Clanführer während des Zweiten Weltkriegs als Soldat und Fahrer der King African Rifles für die Briten gearbeitet, wofür ihm eine Pension zustand. Seit der Unabhängigkeit waren die Zahlungen nur noch unregelmäßig erfolgt, meist gingen sie auf dem Weg von der Stadt zu den Empfängern auf dem Land ‚verloren‘. Von einer Reorganisation der Clane erhoffte er sich daher, dass sie zu einer Korrektur der administrativen Missstände führte. Mitglieder in den Städten sollten sich für die Belange ihrer ländlichen Verwandten einsetzten und bei den Verantwortlichen intervenieren. Umgekehrt kümmerten sich die ländlichen Verwandten um die Ahnen, die als ‚lebende Tote‘ begriffen werden. Neben dem Diskurs über die Einheit des Clans und seine Verantwortung, kritisierten Clanführer vor allem die Kosten, die mit der Reorganisation der Clane verbunden waren. So erklärte mir ein Führer des Babyasi-Clans, dass die Treffen nur selten stattfinden konnten, weil die finanziellen Mittel fehlten. In diesem Zusammenhang verwies er auf die Besitztümer des Königtums (ebyaitu), die eine ökonomische Voraussetzung für die soziale Reorganisation der Clane wurden: „Now for us at lower levels, for example for me, I am a retired man. I cannot even afford sugar, so I can’t call a meeting. People would ask for money. The Kingdom doesn’t give me money. Other Bybyasi look at you and think you have money. For example, when I call people for meetings here I spend a lot because those people must be fed. Someone from Masindi of Bugungu will ask for transport. So there is a lot of sacrifice involved. We would now like to pray so that our things go well.“15

Als Clanführer erhoffte er sich eine Unterstützung durch das Königtum, sobald die Besitztümer (ebyaitu) zurückgegeben wurden. Auch mich erinnerte er an meine Pflicht zu geben: „For example, as you have come here, there are some people who would not be willing to give you time unless you have paid him.“16 Ein offizielles Amt hatte immer auch einen materiellen Aspekt, denn der Amts-

14 Ebenda. 15 Interview, 13. Mai 2000. 16 Ebenda.

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inhaber war zu Großzügigkeit verpflichtet. Die Idee von leadership baute auf der Vorstellung vom Reichtum des Amtsinhabers und seiner Fähigkeit zur Redistribution von Reichtümern auf. Der König, die Clanführer und die Politiker standen diesbezüglich unter dem Druck, ihre Macht zu legitimieren. Viele Repräsentanten der Clane und des Königtums betrachteten ihr Amt als eine Chance, aber auch als eine Bürde. Die Babyasi gehörten 1999 zu den Clanen, die bereits erste Schritte zu ihrer Reorganisation unternommen hatten. Bis 1900 hatten sie die Region Bugoma besiedelt. Dieses Gebiet wurde von der Kolonialregierung zur Hälfte zum Forstund Wildreservat deklariert. Babyasi beanspruchten dort Landrechte, für die sie jedoch keine eingetragenen Landtitel besaßen. Seit der Retablierung des Königtums 1994 waren die Clanmitglieder auf der Suche nach der Krone (ekondo) des Clans, die den Führer der Babyasi als Würdenträger im Königtum auszeichnete. Die Krone war jedoch ‚verloren gegangen‘, als der ehemalige Clanführer zu den wiedergeborenen Christen konvertierte. Um sie zu finden, mussten Treffen veranstaltet werden, die die Mitglieder zusammenbrachten. Finanzielle Mittel waren notwendig, um handlungsfähig zu sein und anerkannt zu werden. Mit der Reorganisation des Königtums und der Clane wurde der materielle Diskurs immer dominanter. Die Clanführer beklagten sich wie Omukama Iguru und seine Regierung über die Ressourcenknappheit und den Streit um ebyaitu. Im Gegensatz zum Machtdiskurs der königlichen Regierung unter Omukama Iguru machte dieser Clanführer jedoch nicht die ehemalige Kolonialmacht, sondern Banyoro selbst für die Zustände in Bunyoro-Kitara verantwortlich. „‚When the standard of living and education rose, people went to Kampala, Bukidi and other places – disunity came about. For example, when one gets a qualification and he can’t find his job here, he goes to another place. You may think there are no people here.‘ ‚Do you think colonisation is responsible for this disunity?‘ ‚No. The British are our parents. To me, I am happy with the British policy here because Uganda was made a Protectorate.‘“17

Der Clanführer der Babyasi war ein Canon der protestantischen Kirche, der von seiner Pension lebte und den Diskurs des Klerus übernommen hatte. Er erlebte das Protektorat als eine Schutzmacht, die mit einem religiösen Auftrag gekommen war. Im Gegensatz dazu vertraten Historiografen des Königs einen kriti-

17 Interview, 13. Mai 2000.

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schen Diskurs.18 Der Privatsekretär des Königs schrieb zur Geschichte der Clane, speziell der Babyasi: „Governor Bell disorganized, controlled and effectively repressed the Banyoro. Passive resistance ended once clans were scattered. […] It is not true that sleeping sickness killed 6000 people at Pajao. This is another lie told to give a human face to injustice. Large parts of this country were made conservation areas. […] The Ababyasi clan thickly populated Kyankwali and attracted the Church Missionary Society (CMS) to build the first church in Bunyoro-Kitara on a five square mile estate that has remained undeveloped to this day. Families and clans scattered and were forced to leave their ancestral homes.“19

Hier wurde die Verantwortung für die Krise und die Auflösung der Clane den Machtinteressen der Mission und der Kolonialmacht zugeschrieben. Der Babyasi-Clan führte jedoch einen alternativen Diskurs und hatte seinen eigenen Geschichtsschreiber. Dieser führte eine Autowerkstatt in Hoima. In seiner Freizeit schrieb er die Geschichte des Clans, die ein anderes Bild entwarf: „Baker came to Kyangwali. People were ignorant. When Baker came, he came by boat and found Ababyasi. He was called Muleeju, ‚Beard‘. He used Ababyasi for work and found them bright in civic leadership, health and education. Babyasi learned English easily and became interpreters. Baker came to Hoima with Ababyasi, who were the only civilized people here. They were the brightest people and had close relations to the kingdom. It was the beginning of ‚Babyasism‘. They became doctors, engineers, and advisors of the King up to today.“20

Beide Diskurse zur Geschichte der Babyasi haben ihre Berechtigung, denn beide sind wahr, soweit sich dies historisch verfolgen lässt. Zugleich zeigen sie, wie die Beziehung zur Macht, zu den Herrschenden und zum Königtum unterschiedlich konstruiert wurde. Während der Historiograf des Königtums die passive Rolle des Babyasi-Clans und dessen Opferstatus betonte, strich der BabyasiHistoriograf die aktive Rolle der Babyasi und ihren Gewinn bei der Transformation der Macht von den Babito zu den Briten heraus. Die Babyasi waren demnach nicht auf die Führung des Babito-Clans angewiesen, um sich in der Mo-

18 Nsamba, Y.: Breaking Chains of Poverty, S. 25. 19 Ebenda, S. 18. 20 Interview mit Neko Mpanimanya Rukanyanga in Hoima, 9. Juni 2000.

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derne zu behaupten. Im Gegenteil, sie waren es, die zwischen dem Königtum und der Kolonialmacht vermittelten. ‚Disunity‘ in und unter den Clanen war und blieb eines der größten Probleme in der Retablierung des Königtums. In den Clanmythen wurden Teilungen häufig als Streit zwischen ‚Brüdern‘ tradiert und so die verwandtschaftliche Beziehung zwischen den Clangruppen betont. Manchmal war es durch Rivalitäten und Konflikte im Clan zu Abspaltungen gekommen, manchmal durch berufliche Spezialisierung. Bis zum 19. Jahrhundert hatte der König die Aufgabe, als ‚Head of all clans‘ die verschiedenen, untereinander rivalisierenden Clane zusammenzuführen und ihre Konflikte zu schlichten. Einen Großteil seines ritualisierten Tages verbrachte er daher in den verschiedenen Gerichtshöfen seines Palastes. Die koloniale Moderne mit ihren Institutionen und Transformationen schwächte die Kohäsion der Clane noch einmal mehr. Ihre historische Fragmentierung in eigenständige Einheiten potenzierte sich nun durch die individuelle Migration der Clanmitglieder. Das Konzept des Clans wurde auf diese Weise politisch und wirtschaftlich entkräftet. Als Omukama Solomon Iguru 1994 gekrönt wurde, fiel die Rechtsprechung nicht mehr unter die Kompetenz und Macht des Königs. Im Palast waren die Gerichtshöfe verschwunden. Die königliche Regierung widmete sich daher der Aufgabe, die Organisation zu erneuern, die Clane zusammenzuführen und die vorhandenen Rivalitäten auszugleichen. Das Programm konzentrierte sich auf die Konstituierung der Clansubjekte und auf die Erneuerung des politischen Systems der Clane und des Königtums. Über den König sollte eine Einheit geschaffen werden, um so Identitäten auf der Ebene der Clane, der Ethnie (Banyoro) und der Nation (Banyakitara) zu erzeugen.

R EVITALISIERUNG DER C LANE UND DIE K ONSTRUKTION VON E THNIZITÄT Zum Empango-Fest 2000 hatte das Königtum einen Teil seiner Besitztümer (ebyaitu) zurückerhalten und konnte nun den neuen Reichtum nutzen, um verschiedene Aktivitäten und Programme durchzuführen. Der Minister für Clane verkündete zum 7. Krönungsjubiläum von Omukama Solomon Iguru „A programm to revitalise the clan system“21 als Teil der „Wiedergeburt BunyoroKitaras“. Das Revitalisierungsprogramm sollte kulturelles Bewusstsein, Banyakitara-Identität und Selbstbehauptung, Interesse an Familiengeschichten

21 Empango 2000, Souvenir Magazine, 7. Coronation Anniversary, Hoima 2000.

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und an gemeinsamen wirtschaftlichen Aktivitäten aufbauen. Es sollte politische Führer und soziale Interaktionen in den Clanen hervorbringen. Es zielte auf eine Erneuerung der Clane als fiktive verwandtschaftliche Einheiten und auf deren Erziehung zu einer „society of correct values, focused and motivated and committed to their socio-economic and political advancement“22. Der Minister für Clane, der das Programm initiiert hatte, skizzierte ein Clanssystem, das als eine ‚invented tradition‘ bezeichnet werden kann.23 Es repräsentierte ein Modell und ein Ideal für eine zukünftige Praxis. Der Text, der im Souvenirheft zum Jubiläumsfest erschien, definierte die Ordnung der Clane und des Königtums, wie sie von den Ältesten tradiert wurde und in Geschichtsbüchern zu finden war. Darin war der König „head of all clans“, und die Clane bildeten kollektive Gemeinschaften „from time immemorial“.24 Sie standen in einer Klientelbeziehung zum König und zum herrschenden Clan, der den König hervorbrachte. Der Minister präsentierte ein Bild, in dem die 52 Clane Bunyoro-Kitaras durch den König regiert wurden. Sie alle dienten ihm und hatten eine Aufgabe oder eine Funktion im Palast: „There are 52 clans in the kingdom. The Babito clan is the ruling clan in Bunyoro-Kitara. It provides the Omukama by succession. All clans pay allegiance to and obey the Omukama as the head of all clans. There is a special relationship between the Omukama and each clan. This relationship is recognised through specific traditional functions the clans perform in the royal court. Thus, the Omukama rules his kingdom through the clans [sic] system.“25

Der König war in diesem Beziehungsgeflecht das Zentrum und Symbol einer korporativen Einheit. So schrieb der Vorsitzende des Rates der Clane in einer anderen Publikation: „The institution of clans in Bunyoro-Kitara and the institution of the head of clans in Bunyoro-Kitara are one and the same thing. That is the cultural nature of our society. One is not only a reflection of the other, but it is the other, truly.“26 Ähnlich wie in der Theorie von den zwei Körpern des Kö-

22 Ebenda. 23 Vgl. Hobsbawm, E./Ranger, T.: The Invention of Tradition. 24 Empango 2000, Souvenir Magazine, 7. Coronation Anniversary, Hoima 2000. 25 Ebenda, S. 21. 26 Sabiiti, Christopher: „The Federal Case for Bunyoro-Kitara. The need to preserve cultural institutions: the case for Bunyoro-Kitara“, Paper presented to a Federal Constitutional Seminar at Pope Paul Memorial Community Centre, Kampala, 1991, http://www.federo.com.

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nigs, die Ernst Kantorowicz für die europäischen Königtümer analysiert hat, bildeten auch hier der König und das Kollektiv eine Einheit. Der König gehörte allen, er war ‚sie‘, und sie waren ‚er‘. Er verkörperte jedes seiner Subjekte in seiner Person und stellte die Beziehung unter den Clanen her. „Some specific clans perform various specific hereditary rituals on the person of the Omukama and in the palace. Others procure, keep, maintain and produce various cermonial articles (chartels) at coronations and other ritual cermonies. They are tied to the monarchy by these hereditary norms and regalities. All the clans assemble and make the king and kingship institution. They believe in and revere their king and the institution. The king is their image, their power and glory, their leader, referral point, adviser and natural and ever right arbiter. They listen and obey him.“27

Deswegen mussten sich alle Untertanen durch entsprechende Verpflichtungen an seiner Kräftigung beteiligen und Rituale mit ihm ausführen. In diesem Sinne ist der König vergleichbar mit Machtobjekten, wie sie der Anthropologe Wyatt MacGaffey für die politische Kultur des Kongo beschrieben hat.28 Solche NkisiFiguren wurden in der Vergangenheit mit kraftvoller ‚Medizin‘ aus Kräutern, Pflanzen, Rindenstoffen, Stoffstreifen, Haaren, Blut und anderen Substanzen gefüllt, die sie zu ‚machtvollen‘ Quasipersonen transformierte. Auch in BunyoroKitara gab es keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen den Besitztümern des Königtums, die letztlich den Clanen gehörten, und dem König als einem Besitz der Clane. In diesem Diskurs dreht sich das Herrschaftsverhältnis um, denn die Clane regierten den König, damit er sie regierte. Ein Problem in der Reorganisation und Regierbarkeit der Clane lag darin, ihre Führungsstruktur zu erneuern. So erklärte mir der Minister für Clane: „We have got 58 clans in my record, but it is not exhaustive. So everybody comes with different figures and I think we have to respect these figures because […] of this fragmentation and the non-monolithic nature of the clans. […] There is a problem with headship. It was not easy to make the people understand the concept of having organised clans.“29

Das Vorbild für die neue Clanstruktur lieferte hier das Königtum Buganda. Dort war die Clanführung auf fünf Ebenen verteilt und mündete im König (kabaka)

27 Ebenda. 28 MacGaffey, W.: Kongo Political Culture, S. 78 ff. 29 Interview mit Christopher Sabiiti, Hoima, 7. April 2000.

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als ‚Kopf aller Clane‘ (ssabataka).30 Baganda-Clane spalteten sich aber nicht wie in Bunyoro-Kitara in neue eigenständige Einheiten auf, sondern wurden durch den ‚Kopf des Clans‘ (omutaka) zusammengehalten. Dies ist darauf zurückzuführen, dass in Buganda jeder Clan zum königlichen Clan aufsteigen kann, weil der kabaka die Identität und das Totem des mütterlichen und nicht des väterlichen Clans annimmt. In Bunyoro-Kitara hingegen kommt der König aus einer herrschenden Familie (Babito b’engoma), die von einer Patrilineage des herrschenden Clans (Babito-Bajaawe) stammt. Es handelte sich also um zwei verschiedene Ordnungssysteme, in denen die Macht unterschiedlich verteilt ist und die Clane in einer anderen Beziehung zum Königtum stehen. In der longue durée hatten sich in Bunyoro-Kitara Machtstrukturen herausgebildet, in denen gut organisierte Clane die politischen, ökonomischen und kulturellen Funktionen in den königlichen Ritualen und im Palast des Omukama übernahmen. Diese Hierarchie wurde 1994 nicht hinterfragt. Sie war in der höfischen Mythologie wie in der Gesetzgebung verankert. Uneinigkeit herrschte lediglich innerhalb der Clane (enganda) und innerhalb der Familien (eka), wer die Aufgabe übernehmen sollte. Zur Revitalisierung der Clane führte die königliche Regierung mit ihrem Minister für Clane einen Identitätsdiskurs, der die Nation der ‚Banyakitara‘ adressierte. Diese Referenz wurde nicht von den Bewohnern selbst gebraucht. Obwohl schon das Ethnonym ‚Banyoro‘ verschiedene ethnische Minderheiten einschloss, ging die Bezeichnung ‚Banyakitara‘ darüber hinaus. Sie symbolisierte eine nationale Identität mit dem Königtum und umschloss die gesamte heterogene Bevölkerung, die sich durch Assimilation in die herrschende Kultur integrieren sollte. Da Banyoro in vielen Regionen des Königtums nur eine schwache Mehrheit bildeten, übte die Identitätspolitik des Königtums eine Anziehungskraft vor allem auf diejenigen aus, die ihre Identität und Existenz durch Migranten und Flüchtlinge aus Nachbarregionen und Nachbarländern bedroht

30 M. Nsimbi beschrieb 1964 das Clansystem in Buganda, so wie es mir 2000 in etwa auch von Christopher Sabiiti vorgestellt wurde. Demnach werden die Clane in Buganda auf mehreren Ebenen geführt: den enyiriri, den emituba, und den amasiga. Über allen steht der omutaka (Kopf des gesamten Clans) und darüber der ssabataka (König oder Kopf aller Clanführer). Der omutaka hat sein Amt geerbt und bis 1900 das Land des Clans kommunal verwaltet. Nur Clanmitglieder konnten darauf beerdigt werden. Seit 1900 wurde dieses Land individueller Besitz (mailoland) des Clanführers. Die Führer der unteren Claneinheiten werden ernannt, ihre Positionen sind nicht erblich. Vgl. Nsimbi, M.: „The Clan System in Buganda“, in: Uganda Journal 28 (1964) 1, S. 25-30.

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sahen. Im Vergleich zum Ethnonym ‚Banyoro‘ symbolisierte der Begriff ‚Banyakitara‘ die Offenheit des Königtums für diejenigen, die sich seiner Ordnung anpassten und den König als Souverän anerkannten. ‚Banyakitara‘ bezeichnete eine Nation, in der die Clane aller Ethnien vertreten waren. Allerdings schränkte der Minister für Clane ein, dass der postkoloniale Staat die Souveränität des Königs beschnitten hatte: „In the past, the king was autocratic with absolute sway. His word was final. Today he is stripped of partisan political power.“31 Die Revitalisierung der Clane ging aber auch mit einer Ethnisierung der lokalen Bevölkerung als ‚Banyoro‘ einher. Im Ethnisierungsdiskurs äußerte sich die Sorge, dass die lokale Kultur durch Migration und Assimilation verschwinden würde. Das Ethnonym ‚Banyoro‘ symbolisierte die Geschlossenheit der Clane und den Erhalt der Kinyoro-Kultur. Vor der Retablierung des Königtums hatte der Vorsitzende des Obersten Rates der Clane von Bunyoro-Kitara (der spätere Minister für Clane) die primordialen Bindungen der Banyoro zum Clan, zum König und zum Königtum hervorgehoben: „The Banyoro are bound together by blood and cultural bonds and form an entity with irresistable psycho-biological linkages. Our cultural heritage, values and institutions, our customs and traditions, are enshrined in the unique institution of clans, which in turn have their focal point in the institution of the Head of Clans, that is to say the institution of Rukirabasaija Agutamba the Omukama of Bunyoro-Kitara.“32

Dieses essenzialistische Konzept definierte die kulturelle und ethnische Identität der Banyoro als eine Frage des Blutes und der psychogenetischen Zugehörigkeit, die eingeschrieben ist in die Institutionen der Verwandtschaft, der Familie, des Clans und des Königtums. Der Anthropologe Manning Nash hat als Kernelemente von Ethnizität die Trinität der Verwandtschaft, der Gemeinsamkeit (beim Essen/Schlafen) und des religiösen Kultes benannt, die in den Metaphern Blut, Substanz (Flüssigkeit und Nahrung) und Gottheit ausgedrückt werden. Diese „boundary markers“33 symbolisieren als primäre Merkmale die Existenz der Gruppe und ihre Abgrenzung von anderen Gruppen. In der Konstruktion einer ethnischen Identität der Banyoro bildete diese Trinität von Blut, Substanz (Milch, Bier, Hirsebrot, oburo) und Kult um das Clantotem und um den König in der Tat ‚boundary markers‘. In der Interaktion mit anderen Gruppen konnten

31 Empango 2000, Souvenir Magazine, 7. Coronation Anniversary, Hoima 2000, S. 21. 32 Ebenda. 33 Nash, Manning: „The Core Elements of Ethnicity“, in: Hutchinson, John/Smith, Anthony (Hg.): Ethnicity, Oxford: Oxford University Press 1996, S. 24-28, hier: S. 25.

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diese Merkmale die anderen ausgrenzen oder auf kulturelle Merkmale einer nationalen Identität als Banyakitara erweitert werden.

N EUGRÜNDUNG : D ER R AT

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C LANE

Bereits in den 1960er Jahren hatte der damalige katikiro Erinesto Kwebiha, versucht, die Clane zentral zu organisieren, möglicherweise als ein Instrument, um der Emigration entgegenzusteuern. Dieser Ansatz wurde von Christopher Sabiiti, dem späteren königlichen Minister für Clane, 1989 wieder aufgegriffen. Zusammen mit einigen Clanführern gründete er das Supreme Council of Clans in Bunyoro-Kitara (Orukurato Orukuru Oruteraniza Enganda za Bunyoro-Kitara). Es war als „cultural revival forum“34 geplant und sollte ein Organ im Königtum werden, das es in der Form bisher nicht gegeben hatte, „a forum of heads of clans, elders and their descendants“35. Nach der Machtergreifung der NRM versuchte Sabiiti ein Kommunikationsforum für eine kulturelle Erneuerung in Bunyoro-Kitara, für die Restauration des Königtums und für die Debatten zu einer neuen Verfassung in Uganda zu schaffen: „This is a forum of clans in Bunyoro-Kitara that I set up on the 19th March 1989. When we set it up, we set it up as a general cultural forum for Kitara. We felt that something had grossly gone wrong with culture in Bunyoro-Kitara. Especially the vitality of the Banyoro seemed to have been destroyed since the colonial intervention of the 19 century. We thought that it was time for Bunyoro to be revived again. But the immediate task for this forum was the restoration of our kingdom. […] The other task was the constitution making exercise for Uganda. […] We felt that Bunyoro-Kitara must have a forum which must sensitise the people for the purpose of getting an input into the ongoing constitution making exercise. […] But the overall purpose was to have a cultural revival forum.“36

Christopher Sabiiti hatte in Großbritannien Literatur studiert und war bis zum Zusammenbruch der East African Community der Leiter des East African Literature Bureau in Uganda gewesen. Er gehörte zur Elite der Banyoro, die in Buganda lebten. Zunächst unterstützte er die Rückkehr des Königtums in Buganda, dann gründete er das Supreme Council of Clans in Bunyoro-Kitara und übernahm dessen Vorsitz. 1994 wurde er königlicher Minister für Clane in

34 Interview mit Christopher Sabiiti in Hoima, 7. April 2000. 35 Sabiiti, C.: „The Federal Case of Bunyoro-Kitara“. 36 Interview mit Christopher Sabiiti in Hoima, 7. April 2000.

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Bunyoro-Kitara, ein Amt, das er wie alle königlichen Minister dieses Königtums ausübte, ohne ein Gehalt dafür zu bekommen. Er kritisierte die NRM-Regierung, weil sie den Königtümern keinen föderalen Status, keine administrative und keine politische Macht gewährte. Die NRM-Regierung war mit dem Versprechen an die Macht getreten, die Bevölkerung an einer neuen Verfassung zu beteiligen und über die Local Councils ihre Meinung einzuholen. In diesen Gremien, die sie während des Buschkriegs ins Leben gerufen hatte und später in Lokalregierungen umwandelte, saßen vor allem ihre eigenen Unterstützer. Für die Opposition gab es in den Machtstrukturen der NRM keine geeigneten Foren, sieht man einmal vom NRC ab, in dem die Abgeordneten aus allen früheren Parteien saßen. In Buganda formierte sich Widerstand in den alten Eliten des Königtums, die in den Clanen organisiert waren. Sie forderten die Rückkehr des kabaka, als die NRM die Macht ergriff. Christopher Sabiiti erklärte mir, dass er auch für Bunyoro-Kitara die Notwendigkeit sah, die Clane zu reorganisieren und als Basis für eine selbstbestimmte (föderale) politische Ordnung zu nutzen. Ein kulturelles Forum bot daher eine Plattform, den Clan als eine kollektive Form der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Organisation zu stärken. Die Ältesten betrachteten den Clan als eine Organisation, die ihnen Identität gab und Schutz bot. Banyoro, die im reproduktiven Alter waren und individualistischer handelten, hatten weniger Bindungen zu ihrem Clan. Sie standen dem Königtum und seinen Aktivitäten skeptisch gegenüber. In Bunyoro-Kitara war die Einbindung der Clane in das Königtum durch den Interessenkonflikt zwischen den Clanen erschwert. Im Obersten Rat der Clane sollten ihre kollektiven Interessen artikuliert und verhandelt werden. In einer Verlautbarung des Rates verflocht sich der Leadership-Diskurs mit dem Programm zur Revitalisierung der Clane: „We, the clans, when we sat, we suggested that the Kingdom should be run by clans. It is anticipated that Bunyoro Kitara is made up by clans since every Munyoro belongs to a clan by blood and is bound by its customs, traditons, norms and values. The clans constitute the natural will of the monarch and the significant development in the above – in the Kingdom. The clans: It should be noted that each clan is an independent cultural entity in its own right, the clan shall be associated with the Supreme Council of Clans, the clan should also be associated with the monarchy through its traditional functions and allegiances. The clan should be organised right from the grassroot to top throughout the Kingdom. […] The Supreme Council should relate directly to the Omukama, the Head of Clans, but should be independent under the law and the custom of Bunyoro-Kitara for the common

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good of all clans. Each clan is associated with the Supreme Council through its head of clan at the Bunyoro Kitara level and its representatives. This council is cultural and not political. It should continue to do the work to revive, organise, mobilise clans.“37

In der Verlautbarung hieß es: „[T]he kingdom should be run by clans“. Die Ratsmitglieder betonten damit den freien Willen, mit dem sich die Clane am Königtum beteiligten und der Führung des Königs unterordneten. Sie unterstrichen einerseits die latente Dichotomie zwischen den gewöhnlichen Clanen und dem königlichen Clan, die der König transzendierte. Andererseits wiederholten sie das politische Gebot der Freiwilligkeit, mit dem die NRM das Traditional Rulers Statute von 1993 versehen hatte. Viele Clanführer fürchteten die Willkürherrschaft der postkolonialen Regierungen. „We fear politicians“38, erklärte mir der Führer der Bahamba. Aus dieser Perspektive war die Retablierung des Königtums eine politische Aktion, die zu bedrohlichen Folgen für die Bevölkerung führen konnte, wenn das Projekt misslang. Unter diesen Bedingungen beteiligten sich nur wenige Clanführer am Rat der Clane, viele blieben ihm fern. Dennoch war er das Gremium, welches eine politische Beteiligung der Clane BunyoroKitaras an der Macht im Staat Uganda legitimierte, noch bevor das Königtum wiedereingerichtet war. Da die Volksvertreter in den Local Councils eine Rückkehr des Königtums zunächst ablehnten, wandte sich der Vorsitzende des Rates der Clane an den Abgeordneten für das sub-county Bugahya und Staatsminister der NRM-Regierung, Henry Kajura. Nach der Intervention des Staatsministers änderte sich die Haltung der Local-Council-Mitglieder, und der Prozess der Retablierung des Königtums setzte ein. So entstanden neue politische Gruppierungen, die eine gemeinsame Ethnizität teilten. In diesem Zusammenhang haben Abner Cohen und Jean-François Bayart den informellen Charakter der politischen Ethnizität hervorgehoben, den ich hier noch anhand der Beziehungen zwischen den Clanen verdeutlichen möchte.39

37 Der Führer der Bahamba erklärte mir: „We are trying to make a project proposal to build up the kingdom. We are not doing it for Bahamba alone but for the whole kingdom and all clans. I am doing this jointly with the Minister of Clans, Mr. Sabiiti. He is a Musita. We prepared this proposal with him.“ (Interview mit Joseph Kalibagwa, Bahamba-Clanführer, in Buhamba, 27. März 2000.) 38 Ebenda. 39 Cohen, Abner: „Ethnicity and Politics“, in: Hutchinson, John/Smith, Anthony (Hg.): Ethnicity, Oxford: Oxford University Press 1996, S. 83-85, hier: S. 83; Bayart, J.-F.: The State in Africa, S. 41 ff.

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Eine Agglomeration von Macht hatte im Bafumambogo-Clan stattgefunden. Zu diesem Clan gehörten der Staatsminister, die Bischöfe der katholischen und der evangelischen Kirche in Bunyoro-Kitara sowie etliche andere prominente Persönlichkeiten aus dem Königtum. In den Krönungsritualen hatte der Bafumambogo-Clan die Aufgabe, den Thronfolger in den Palast zu tragen. Die Bischöfe führten zudem den christlichen Teil der Krönung durch. Im Bafumambogo-Clan liefen politische und kirchliche Machtbeziehungen auf lokaler und nationaler Ebene zusammen. Auch im Basita-Clan konzentrierten sich wichtige Ämter und Aufgaben im Palast des Königs. Ein Musita hatte die Aufgabe und das Privileg, in den Krönungsritualen als Erster die Trommel des Königs zu schlagen und so die königliche Inthronisation einzuleiten. Diese Aufgabe hatte 1994 der Oberste der Regaliahüter zusammen mit dem Amt des Ministers für Kultur übernommen. Auch Christopher Sabiiti, der die Ämter des Vorsitzenden des Rates der Clane und das des Ministers für Clane vereinte, war ein Mitglied des Basita-Clans. Eine Reihe weiterer Mitglieder dieses Clans waren im Königtum und in den Ritualen des Königs engagiert. In kulturellen und rituellen Angelegenheiten waren die Basita dominant. Diese Beispiele zeigen erstens, dass die Beziehungen der Clane zwischen dem lokalen und dem nationalen Kräftefeld verliefen, und zweitens, dass die Fusion von rituellen und politischen Ämtern zu einer Konzentration von Macht in den einzelnen Clanen führen konnte. Diese Folgerung werde ich im weiteren Verlauf des Kapitels vertiefen, wenn ich auf die Verteilung der rituellen Ämter zu sprechen komme. Zuvor möchte ich noch auf die Interessen der Staatsregierung und der königlichen Regierung in Bunyoro-Kitara eingehen, da auch sie zur Vernetzung tendierten. Für die NRM ermöglichte die Rückkehr der Königtümer, die Bevölkerung nach einer bestimmten Strategie zu regieren40: Eine Methode bestand darin, den politischen Diskurs in einen kulturellen zu verkehren und die Macht des Staates durch kulturelle Umerziehung wirken zu lassen. Zugleich wurde den Königtümern die administrative und politische Exekutive verweigert. Dies geschah mit der Begründung, dass ‚sectarianism‘ eine Hauptursache der Probleme in Uganda sei. Der Staat wandte hier seine repressive Macht an. Über die Institution des Königtums konnte die staatliche Regierung dann ihre Vorstellungen von Fortschritt verbreiten. Sie konnte durch die kulturellen Institutionen hindurch auf die Bevölkerung einwirken. Im Prinzip ließ sich so jedes Subjekt erfassen und nach den Vorstellungen der NRM in eine Kultur der Moderne einbinden. Der Premierminister der NRM erklärte anlässlich des Jahresfestes in Bunyoro-Kitara, dass in einer Kultur der Moderne die Zeit zu organisieren sei:

40 Foucault, M.: Der Wille zum Wissen, S. 113 ff.

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„Traditional leaders are asked to ensure that every son and daughter of their kingdom gives its menure and appetite for work. We must create a culture which changes time management, practice time management, and market time management. […] There may be some cultures where they think that in order for someone to be dignified, the big one will come late [in time; R. v. W.]. But that is a culture which is contrary to modernisation.“41

Diese Vorstellungen hatten für Feste und rituelle Praktiken konkrete Folgen, weil sie im modernen Kontext zu unproduktiver Zeit führten. Im Nachbarkönigreich Tooro wurde bereits darüber diskutiert, ob die Begrüßungsformel in Rutooro gekürzt werden könne, da sie Zeitverschwendung bedeute.42 Andererseits sahen sich die Monarchisten durch die Staatspolitik verraten, weil sie die Souveränität des Königs untergrub. Das Misstrauen gegenüber dem Staat, der sich der Königtümer als Machtmittel bediente, saß tief, auch wenn die NRM die Rückkehr der ‚traditionellen Herrscher‘ ermöglicht hatte. Andere Monarchisten – und auch König Solomon Iguru selbst – unterstützten hingegen das Modernisierungsprogramm der NRM. So änderte der König sein Zeitmanagement, indem er die Rituale auf einige wenige Tage begrenzte und sich auf das ökonomische Management seines Königtums konzentrierte. Unmoderne Traditionen fielen unter die Zensur des Staates, der Kirche und der modernen Manager des Königtums. Die modernen Regierungen des Staates, des Königtums und der Clane hatten die Organisation der Bevölkerung zum Ziel. Die Staatsregierung hoffte dabei auf eine Modernisierung der Gesellschaft, die wirtschaftlich effektiv war, aber politisch neutral blieb. Ihr Weg führte über die Transformation der Kultur. So setzte sie die Königtümer und ihre Organe ein, um die Bevölkerung zu disziplinieren, zu mobilisieren und zu einer modernen Lebensweise und Lebensführung anzuhalten. Dieser produktive und strategische Machttyp orientierte sich an einer protestantischen Ethik, die auch von den ‚wiedergeborenen Christen‘ vertreten und praktiziert wurde. Sie ökonomisierte die Zeit und die Praktiken der Individuen. Die Einheits-, Modernisierungs- und Machtdiskurse der Regierung manifestierten sich in verschiedenen Bevölkerungsprogrammen und Bevölkerungsprojekten. Die NRM-Regierung setzte ‚poverty eradication‘ auf ihr Programm und gab dieses Programm als Auftrag weiter an das Königtum. Im politischen Sprachgebrauch der königlichen Regierung wurden die Begriffe ‚Clan‘ und

41 Rede des Premierministers von Uganda, Apollo Nsibambi, anlässlich des Krönungsjubiläums 2000 in Hoima. 42 Ich danke Heike Behrend für diesen Hinweis während unseres zeitgleichen Forschungsaufenthaltes in Tooro und Bunyoro, 1999.

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‚grassroots‘ synonym gebraucht. Identität, Nation und Fortschritt waren im Staat nicht zu erreichen, sodass diese Ziele auf die lokale Ebene, auf das Königtum und auf die Clanebene verlagert werden mussten. Clane sollten „agents of development“43 werden, die ihre eigenen Projekte entwickelten, um so den Mitgliedern soziale Sicherheit, Selbstbewusstsein, Identität und Reichtum zu verschaffen. „We would like to make clans agents of development, so that clans can have their own projects and if possible generate income for the members of the clan. And then we would like to incalcate, to reincalcate good values in the clans. […] Like for instance care of orphans, care for the aged, care for the sick, care for those in special distress, and so on. Traditionally, this is what clans have done.“44

Auch für das Königtum bestand die Notwendigkeit, die Bevölkerung zu organisieren, um so Reichtum und Fortschritt zu schaffen und die Institution durch produktive Praktiken und Programme zu legitimieren. Die königliche Regierung versuchte daher, die Bevölkerung an das Königtum zu binden und Interesse an der Institution zu wecken. Gleichzeitig erhofften sich die Ältesten eine Erneuerung ihrer Autorität, die sie durch Krieg, Modernisierung, Kommerzialisierung, Individualisierung und andere Transformationen der Moderne verloren hatten. Auch Frauen beklagten sich über den Verlust an Moral und Respekt in der Gesellschaft. Das Königtum und die damit assoziierten Moralvorstellungen boten eine Möglichkeit, Respekt (okitinisa) zurückzugewinnen. Ohne entsprechende Mittel und Kenntnisse, ohne Zugang zu Land und ohne wirtschaftliche Initiativen blieb die Jugend allerdings desinteressiert, und auch Frauen misstrauten der neuen Ordnung. Ihre Zurückhaltung in der Retablierung des Königtums stach besonders hervor. Im Rat der Clane hatten Frauen keinen Sitz, wohl aber im Parlament und zeitweise im Kabinett des Königs. Dieser orientierte sich an einem Emanzipationsdiskurs, den die NRM in einigen Bereichen über die und mit den Frauen führte. Im Gegensatz dazu erklärte mir ein Mitglied des Rates der Clane: „Especially we, the old men, are interested in the Kingdom. It is reviving our own culture“.45 Der Rat der Clane war ein männlich konstituiertes Forum, welches die Frauen und die Jugend zum Gegenstand ihrer Strategien und ihrer Disziplinarmacht erklärte. Er war nicht aus der Initiative der breiten Bevölkerung entstanden, sondern eine Erfindung der politischen und gerontokratischen

43 Interview mit Christopher Sabiiti in Hoima, 7. April 2000. 44 Ebenda. 45 Ebenda.

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Elite des Königtums. Zwar gab es eine Liste von vierundzwanzig Clanführern, aber bei näherer Betrachtung zeigte sich, dass einige dieser Clanführer prominente Person aus Politik und Kirche waren. Sie wurden vom Rat der Clane aufgrund ihrer Prominenz in Politik, Kirche und Gesellschaft als Clanführer behandelt. In der Bevölkerung stieß der Rat der Clane auf wenig Interesse. Seine Arbeit war von 1989 bis 1999 kaum vorangekommen. Hinzu kam der Konflikt um die Besitztümer des Königtums, der sich mit den Rivalitäten der Clane um die Finanzierung ihrer Projekte verschränkte. Die Erneuerung der Clane und die Konstituierung einer Clangesellschaft als ein Projekt der Moderne war vorerst gescheitert.

D IE D YNAMIK

VON

K ULTUR

Kurz vor der Krönung Omukama Solomon Igurus im Juni 1994 verteidigte ein Monarchist in der Tageszeitung New Vision die Einrichtung des Supreme Council of Clans als eine Institution, die ‚Lücken‘ im Königtum schließen könne: „Ndagaano should understand that culture is dynamic and not static as he wished it to be. There is therefore no problem if the clans of our beloved motherland decide to evolve a leadership centred around our coveted clans structures for purposes of reactivating them through an acceptable hierarchy that would enable them play their vital role in strengthening our kingdom. […] We should by now have already enthroned our new king but for the likes of Ndagaano who have failed to appreciate the effects of a dynamic culture and refused to accept the wishes of the majority of Banyoro. The Supreme Council of Clans therefore, is a useful organ in the Bunyoro-Kitara monarchy which will go a long way in bridging the gaps created by the emergence of a new cultural order where kings no longer command armies.“46

In der ‚neuen kulturellen Ordnung‘, in der Könige keine Armeen mehr befehligten, hielt der Autor es für notwendig, die Clane zu mobilisieren. Mit der Rückkehr des Königtums waren identitätsstiftende Zeichen wieder erlaubt. Einst verbannte Kollektivsymbole kehrten zurück und erhielten neue Bedeutung wie die Zugehörigkeit zu einem Totem und zu einem Clan. Zu den Kollektivsymbolen gehörten auch die Regalia des Königs, die im Museum aufbewahrt worden waren, und die Objekte der Clane, die von einzelnen Familien verwahrt wurden.

46 „They are Banyoro involved in their own affairs“, in: The New Vision, Letters, 8. Juli 1994.

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Von 1967 bis 1994 waren diese Dinge, wie ich im Kapitel „‚Unsere Dinge‘“ erwähnt habe, als Kommunikations- und Identitätssymbole unerwünscht, sogar gefährlich, da eine staatliche Strafe drohte, wenn sie entdeckt wurden. Seither begann Kultur, um mit dem Anthropologen Thomas Eriksen zu sprechen, eine Sache an sich zu werden, nicht mehr selbstverständlich, sondern außergewöhnlich und schützenswert, ein ethnopolitisches Symbol.47 Mit der Rückkehr des Königtums und der Idee von Kultur als Schubkraft für Entwicklung wurde die Verwendung identitätsstiftender Symbole wieder legitim. Korporative Handlungen auf lokaler Ebene waren erlaubt, sie blieben aber politisch verdächtig. Im Gegensatz zu den regressiven Konnotationen, die der ‚Rückkehr des Königtums‘ anhafteten, vertrat der Vorsitzende des Rates der Clane ein dynamisches Konzept von Kultur, in dem nichts bleiben musste, wie es war: „So this is what culture is. It is dynamic and there is no hard first rule. Because now, since the restoration of the Kingdom here, we have had to forgo a lot of things. Even the process of coronation itself. I don’t think that we performed everything that way it is supposed to be performed. I think we are far from it.“48

Für die Modernisierer des Königtums legitimierte die Dynamik von Kultur eine Reform der Machtverhältnisse. Sie wechselten beständig zwischen dem Diskurs der Bewahrer und dem der Modernisierer. Sie führten neue Praktiken ein und erklärten alte für überholt. Sie positionierten sich selbstbewusst in einem Zeitalter der Moderne, das auch für Bunyoro-Kitara gelten sollte. Mit Dynamik assoziierten sie Modernität, Entwicklung und Fortschritt, Statik beschrieb einen Zustand der Rückständigkeit. Für die Modernisierer gab es keine strengen Regeln und keine Gesetze für die Art ihres Vorgehens. Sie waren mit der Sortierung, Erfindung und Veränderung von Traditionen beschäftigt, mit der ‚Reinigungsarbeit der Moderne‘, wie dies der französische Soziologe Bruno Latour nennt.49 Er schreibt:

47 Vgl. Eriksen, Th.: Ethnicity and Nationalism, S. 128. Eriksen analysiert die Reflexion von Kultur als einen Prozess der Ethnogenese. Sein Beispiel bilden Inuit, die nach dem Zweiten Weltkrieg eine ‚Inuit-Kultur‘ konstruierten und eine ethnische ‚Revitalisierung‘ in Gang setzten. Kultur als eine ‚Sache‘ wird zum ethnopolitischen Symbol, durch Massenmedien wie Bücher, Texte und technische Medien kommunizierbar. 48 Interview mit Christopher Sabiiti in Hoima, 7. April 2000. 49 Vgl. Latour, Bruno: Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie, Frankfurt am Main: Fischer 2002, S. 19-20.

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„Mit dem Adjektiv ‚modern‘ bezeichnet man ein neues Regime, eine Beschleunigung, einen Bruch, eine Revolution der Zeit. Sobald die Worte ‚modern‘, ‚Modernisierung‘, ‚Moderne‘ auftauchen, definieren wir im Kontrast dazu eine archaische und stabile Vergangenheit. Mehr noch, das Wort wird immer im Verlauf einer Polemik eingeführt, in einer Auseinandersetzung, in der es Gewinner und Verlierer, Alte und Moderne gibt. ‚Modern‘ ist daher doppelt asymmetrisch: Es bezeichnet einen Bruch im regelmäßigen Lauf der Zeit, und es bezeichnet einen Kampf, in dem es Sieger und Besiegte gibt.“50

Zwischen den Lagern der Bewahrer von Kultur und den Reformern gab es ein Kräftemessen, gab es Gewinner und Verlierer, aber auch Übergänge und Mischformen. Das Königtum war eine hybride Institution, die es zu bewahren und zu modernisieren galt. Clane, die nicht mehr als Kollektiv existierten, wurden neu erfunden. Rituelle Ämter, die nicht mehr einer christlichen Moderne entsprachen, wurden zensiert, angepasst und neu konstituiert. Auf der bewahrenden Seite befanden sich vor allem die Ältesten, die das Königtum vor seiner Abschaffung 1967 erlebt hatten und sich als Hüter der Tradition verstanden. Der Begriff ‚Tradition‘ ist hier im Sinne überlieferten Wissens und überlieferter Praktiken zu verstehen. Auf der modernisierenden Seite versuchten Angehörige der mittleren Generation, Traditionen durch Neuerungen zu verändern. Der Begriff ‚Entwicklung‘ beinhaltete für die Älteren eine moderne Form der Reproduktion, Fruchtbarkeit und moralischen Ordnung, für die Jüngeren bedeutete er vor allem Aufklärung und technischen Fortschritt. Das neue Königtum selbst war ein Entwicklungsprojekt, das die Versprechen der Moderne, die weder der Kolonialstaat noch der Nationalstaat erfüllt hatten, endlich einlösen sollte. In diesem Diskurs verortete sich der moderne König als ein ‚Advokat des Volkes‘, der die Armut, Rückständigkeit und die moralische Unordnung bekämpfte, statt Armeen, Krieg und Raubzüge zu führen. Positiv gewendet richtete sich die Energie des Omukama auf den Aufbau einer neuen Wirtschaftskraft mit Betrieben und Organisationen sowie einer Infrastruktur (Straßen, Schulen, Hospitäler, Elektrizität, Wasserversorgung, Märkte etc.) im Königtum. Die Clane stellten in diesem Projekt Königtümer en miniature dar, hierarchisch organisiert, durch ihre Führer assoziiert mit dem Zentrum, dem Palast und dem König. Der Rat der Clane hatte sich daher für eine betriebsähnliche Führung des Königtums durch die Clane ausgesprochen: „[T]he Kingdom should be run by clans“.51

50 Ebenda, S. 18-19. 51 Verlautbarung der Clane, Interview mit Joseph Kalibagwa in Buhamba, 27. März 2000.

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Ich habe dieses Kapitel mit den Diskursen über die Fragmentierung der Clane, ihre Führung und die Kosten ihrer Reorganisation begonnen und bin dann auf das Programm zur Revitalisierung der Clane und auf die Gründung eines Clanrates zu sprechen gekommen. Dabei habe ich gezeigt, wie sich verschiedene Diskurse über die Fragmentierung der Clane, über den Mangel an Einheit, über Armut, Entwicklung, Regierung (leadership), Nationalität, Ethnizität und Demokratisierung miteinander verflochten haben. Sie wurden im Programm zur Revitalisierung der Clane aufgegriffen und verstärkt, aber sie führten weder zu neuen Organisationspraktiken in den Clanen noch zur aktiven Beteiligung am Rat der Clane. Die meisten Mitglieder der Clane blieben skeptisch und nicht interessiert. Warum dies so war, lässt sich aus den Stimmen der Clanmitglieder schließen. Einer der Clanführer war der Ansicht, dass die Clane untereinander zu stark zerstritten seien, wenn es um die Verteilung von Ressourcen gehe. Jeder Clan suche seinen eigenen Vorteil: „The heads of clans all go to the Omukama’s council and have a voice there, but often they hamper each other by their jealousy, for instance when a project is launched, each clan wants to get the benefits. When clans are weak, there is no kingdom. When clans have no leader, the clan will be weak, everyone will do what he wants.“52

Die Diskurse in den Clanen waren ambivalent, da die Mitglieder einerseits ‚leadership‘ für wichtig hielten, um eine neuen Ordnung zu schaffen, andererseits die Führer an ihrer Fähigkeit zur Produktion und Umverteilung von Reichtum maßen. Diese Prämisse galt auf der Ebene des Clans ebenso wie auf der des Königtums. Viele Banyoro organisierten sich nicht im Clan und beteiligten sich nicht an den Aufgaben und Funktionen im Königtum, weil sie darin eine Zeitund Geldverschwendung sahen. Die Institution des Königtums besaß in ihren Augen keine Ressourcen und nicht den gleichen Respekt (okitinisa) wie vor ihrer Abschaffung 1967. Sie konnte nicht viel bewirken, sie hatte keine Macht (ow’busobozi). So sagte mir ein Führer des Babito-Clans im Distrikt Mubende: „Today people are more interested in the Local Council than in the Kingship. Most people need to earn a living. Attending Kingdom ceremonies is a waste, but the Local Council is important. You would not spend the school fees to go to [the palace in] Hoima. It is a bit dangerous to be a clan leader. If you don’t have money, you have a problem in leadership. Members don’t respect you as a leader. In a way, it is embarassing.“53

52 Interview, 11. März 2000. 53 Interview, 19. Juni 1999.

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Eine Beteiligung am Retablierungsprogramm des Königtums und der Clane konnte daher auch zu unerwünschten Effekten führen, weil das Versprechen einer guten Regierung in die Leere ging. Auch unter denjenigen, die sich engagierten und ein Amt übernommen hatten, gab es kritische Stimmen. Einer der Köche des Königs, der während der königlichen Rituale die rituellen Speisen zubereitete, sagte: „Some functions have been neglected today. There are many functions, but there is no money. When someone goes to the palace, he does not do anything there but just visits the King and wastes his time without any return.“54 Dieser Informant betrachtete es als wichtige ‚Aufgabe‘, gemeinsam bei Zeremonien zu essen und zu trinken. Substanzen (Essen/Trinken) und Kommensualität sind nach Nash Kernelemente und ‚boundary markers‘ von Ethnizität.55 Die Aussage des Kochs spielte auf den Wert von Konsum, Nahrung und Gemeinschaft als wichtige konstituierende Merkmale der Subjekte des Königs an. Auch der Rat der Clane wurde von vielen ignoriert oder boykottiert, die darin eher eine Belastung als einen Gewinn sahen. Daraus ergibt sich die Frage, wer sich an den Ämtern und Aufgaben im Königtum beteiligte und welche Diskurse und Praktiken damit verbunden waren. Ich komme damit zur Konstituierung der Subjekte durch die königlichen Ämter.

D IE D ISTRIBUTION

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Ä MTERN

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Mit der Krönung Omukama Iguru Gafabusas begann die Vergabe von Ämtern und Aufgaben im Palast des Königs. Im Kapitel „‚Unsere Dinge‘“ habe ich bereits die Institutionalisierung der königlichen Regierung und die Finanzierung der Ämter untersucht. Dabei habe ich nach Max Weber zwischen dem modernen und dem patrimonialen Amtstypus unterschieden. Wichtig ist hier noch einmal festzuhalten, dass die Minister des Königs einen patrimonialen Amtstypus verkörperten, sich der Tradition und dem König verpflichteten und ehrenamtlich arbeiteten. Zugleich betrachteten sie sich aber auf dem Weg zu einem modernen, einer Verfassung verpflichteten, durch Gehälter bezahlten Beamtentum. Dabei handelte es sich um Mitglieder der Elite des ugandischen Staates, die sich auf ihre Banyoro-Identität beriefen. Es waren Akademiker aus den Geistes-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, aktive und pensionierte Staatsbeamte, ein ehemaliger Militäroffizier, diplomierte Geschäftsleute, Mediziner, Journalisten

54 Interview, 10. April 2000. 55 Nash, M.: „The Core Elements of Ethnicity“, S. 25.

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und Kirchenvertreter. Das Spektrum der Minister mit und ohne Portfolio bildete ein Reservoir an Wissen und Macht. Einige dieser Minister übernahmen zugleich rituelle Aufgaben und doppelten dadurch ihre Funktionen mit der Begründung, dass sie diese Aufgaben in ihrem Clan geerbt hatten. Ich möchte den Fokus nun auf die rituellen Ämter legen und untersuchen, wie sich die Beziehung zwischen den rituellen und den ministerialen Ämtern hergestellt hat und wie Wissen und Macht miteinander korrespondierten.56 In diesem Zusammenhang gibt es zwei Arten von Wissen, die hier mobilisiert werden. Einmal das Bildungswissen der Minister, zum anderen das rituelle Wissen der Regaliahüter und rituellen Funktionäre. Wenn beide Arten von Wissen zusammenkommen, haben sie ein besonderes Potenzial, hegemoniale Diskurse und Praktiken zu erzeugen und Subjekte zu konstituieren. 1994 erhielten die Regaliahüter, die noch 1967 ein Amt ausgeübt hatten, eine Einladung des Krönungskomitees, sich im Palast zu melden. Ein eigens gegründetes ‚Komitee für Rituale und Regalia‘ wählte die wichtigsten Funktionen aus, die besetzt werden sollten, und bestimmte ihre Amtsinhaber. Ein Mitglied des Komitees erklärte mir: „Many roles in the palace are hereditary and must be done in the same line of descent since the beginning of that office.“57 In diesem Legitimationsdiskurs führte eine Fehlbesetzung des Amtes zu einer falschen Performanz58, wie der Informant weiter erklärte: „When the mpango is drummed by

56 Siegfried Jäger hat in seiner Theorie der Diskursanalyse die Überlegung angestellt, wie die Trennung, die Foucault zwischen den diskursiven und den nichtdiskursiven Praktiken zieht, zu überbrücken sei. Er fragt, wie Wissen in Macht umgesetzt wird und wie die Subjekte ihre Beziehung zur Wirklichkeit konstituieren. Nach Jäger ist es das tätige Umsetzen von Wissen, die Tätigkeit oder Arbeit in den nichtdiskursiven Praktiken, die diese Beziehung herstellt. Sie konstituiert die Subjekte als Bindeglieder der Diskurse und als diejenigen, die die Diskurse mit der Wirklichkeit in Verbindung bringen. Vgl. Jäger, Siegfried: „Diskurs und Wissen. Theoretische und methodische Aspekte einer Kritischen Diskurs- und Dispositivanalyse“, in: Keller, Reiner u. a. (Hg.): Handbuch sozialwissenschaftliche Diskursanalyse, Bd. 1, Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften 2006, S. 83-113. 57 Interview mit Tito Masengere, 9. April 2000. 58 Ich verwende hier einen Performanzbegriff, der sich nach der sogenannten ‚performativen Wende‘ in den Kultur- und Sozialwissenschaften herausgebildet hat. Er betont die Prozesshaftigkeit und die transformative Wirkung des Rituals im Gegensatz zu früheren Theorien, die Rituale als statisch und strukturverhärtend betrachteten. Zur neueren Theorie des Rituals und zum Performanzbegriff vgl. Rao, Ursula: „Ritual als

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someone who is not supposed to do it, the sound does not come out properly.“59 In dieser Weise konnte jeder Amtsinhaber auf die Probe gestellt beziehungsweise ihm seine Legitimation für das Amt abgesprochen werden. Die Mehrzahl der Ämter, die ich untersuche, war mit Ältesten besetzt worden, die auch in der Vergangenheit dieses Amt ausgeübt hatten, einige wurden dabei übergangen. Die Ältesten brachten entsprechendes Wissen über die Mythologie und Geschichte des Amtes und über die damit verbundenen Rituale mit. Auf der anderen Seite stellten sie auch die Entscheidungen des Komitees infrage, wenn es von den bekannten Regeln abwich und Ämter und Aufgaben nach neuen Kriterien vergab. Ein Führer des Bakwonga-Clans kritisierte: „The king has not given us tasks, we have nothing to do yet. The king has distributed jobs to different people, not according to clan. Otherwise, jobs and ministries should have been given to clans as in the past. I talked to the king as the leader of the clan who produced the king’s wives, but the king never listened.“60

Bis zum 19. Jahrhundert hatten die Babito-Könige neben Frauen aus anderen Clanen immer auch solche aus dem Bakwonga-Clan genommen.61 Omukama Kabalega hatte diesen Clan als Frauengeber sogar bevorzugt. Der BakwongaFührer griff den Diskurs über die Machtpositionen der Clane und ihre repräsentativen Aufgaben im Königtum wieder auf. Seine Kritik war charakteristisch für die Erwartungen, die von den Clanführern an das neue Königtum gestellt wurden, um ihre Positionen zu wahren. Manche Modernisierungen trafen daher auf ihr Unverständnis. So war die Ämterbesetzung nun nicht mehr in den Clanen erblich. Zudem konzentrierte sie sich auf das männliche Geschlecht. Viele Aufgaben, die im 19. Jahrhundert noch von den Frauen des Königs in den täglichen Ritualen durchgeführt worden waren, wurden nun von der königlichen Regierung nicht mehr besetzt oder geheim gehalten. Ein Beispiel ist das Amt der omunywisa (von kunywa, „trinken), die in den königlichen Milchritualen die Aufgabe hatte, dem Omukama (wörtlich ‚der Melker‘) die gemolkene Milch zum Trinken zu bringen. Eine Prinzessin (Mubitokati) erklärte mir, eine omunywisa sei das ‚Kindermädchen‘ der königlichen Familie.62 Zugleich ließ sie

Performanz. Zur Charakterisierung eines Paradigmenwechsels“, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 59 (2007) 4, S. 351-370. 59 Interview mit Tito Masengere, 9. April 2000. 60 Interview, 15. Mai 2000. 61 Vgl. Kapitel 2 „Geschichte, Mythen und Traditionen“. 62 Interview, 18. März 2000.

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mir mitteilen, sie wolle den Namen der amtierenden omunywisa nicht preisgeben. Bald darauf erhielt ich eine Warnung von der Prinzessin, keine weiteren Fragen zu stellen. Der Chef der Palastwache, der mein vom König ernannter Informant über kulturelle Fragen und den Palast war, erklärte mir, dass es seit 1994 eine omunywisa gebe. Diese sei aber gerade verstorben, sodass eine neue gesucht werde.63 Möglicherweise war dieses Amt so ambivalent, dass sich nicht leicht eine Besetzung finden ließ. So erfuhr ich nichts über die Milchrituale, die im 19. Jahrhundert ein wichtiger Teil der königlichen Rituale gewesen waren. Sichtbar waren lediglich die friesischen Kühe, Symbole der Modernität, die auf einer Weide neben dem Palast des Königs grasten. Andere weibliche Ämter des 19. Jahrhunderts hatten mit der Körperpflege des Omukama und mit dem Schutz seines Körpers durch Amulette zu tun. Der christliche Diskurs tabuisierte diese weiblichen Ämter, indem er sie mit dem Bösen in Verbindung brachte und dadurch ein Gefühl der Bedrohung für diejenigen schuf, die gegen das Tabu verstießen. Auf der anderen Seite erzeugten Traditionalisten eine Situation der Ambivalenz, indem sie die königlichen Rituale mit Geheimnissen umwoben und so Spekulationen über das Geschehen im Palast hervorriefen. Die öffentliche Rede über die geheimen Rituale gab ihnen umso mehr Bedeutung. Der Chef der Palastwache bezeichnete die königlichen Rituale als Kernelemente des Königtums. Ich schließe aus diesen Überlegungen, dass die Auswahl der zu erneuernden rituellen Ämter eine politische Entscheidung war, die auch die Konstellation der Clane untereinander neu ordnete. Omukama Sir Tito Winyi erwähnte 1937 im Uganda Journal eine Vielzahl von weiblichen Akteurinnen im Palast, darunter Frauen des Königs (bago), Schwestern des Königs (Babitokati) und im Palast arbeitende Hofdamen (baranga).64 Von diesen drei weiblichen Kategorien hatten 1994 lediglich die Mutter (nyinamukama) und die Königinschwester (batebe) sowie die baranga ihre rituellen Ämter offiziell wiederaufgenommen. Für die männlichen rituellen Aufgaben und Ämter wurden banyamirwa (‚Personen mit einer Aufgabe‘) und bakuru b’ebikwato (‚Älteste, die Dinge zum Tragen haben‘) ernannt. Erstere waren all diejenigen, die sich mit dem Körper des Königs und seiner Pflege befassten. Letztere hatten höheren Rang, weil sie ein Regal in den königlichen Ritualen präsentierten und mit diesem Objekt am König ein Ritual ausführten. Mit Alfred Gell gesprochen, machten sie den König mit ihrer agency zum Objekt ihrer Handlung und ließen ihn ihre Macht ‚erlei-

63 Interview mit Kassim Rubenda in Hoima, 13. April 2000. 64 K. W.: „The Procedure in Accession to the Throne of a Nominated King in the Kingdom of Bunyoro-Kitara“.

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den‘ (patienthood).65 Diejenigen, die sich um den natürlichen Körper des Königs kümmerten, waren für sein Bad und seine Kleidung, sein Essen und für seinen Palast zuständig. Der Raumkörper musste wie der menschliche Körper gepflegt, wiederhergerichtet, repariert und repräsentativ gemacht werden. Der Erneuerungsprozess des Königtums fing mit dem Palast an, zu dem aus allen drei Distrikten Clanvertreter, Arbeiter und Arbeitsmaterial kamen. Er setzte sich in den Krönungsritualen fort, in denen sich bakuru b’ebikwato um die beiden Throne – einen traditionellen neunbeinigen (nyamyarro) und einen modernen vierbeinigen – kümmerten. Er betraf die Kronen (makondo) und die königlichen Sandalen aus Rhinozeroshaut, mit denen der König über einen Grasteppich lief, der vor ihm ausgerollt und hinter ihm sofort wieder eingerollt wurde. Die Regaliahüter überreichten ihm zum Ende der Krönungsrituale seine Machtinstrumente – Speere, Pfeil und Bogen, seine Richtstäbe und sein Schwert, einen Rechen und eine Hacke –, indem sie ihn kurz damit in Berührung brachten und die Dinge dann wieder an sich nahmen. Banyamirwa und bakuru b’ebikwato gewannen langsam wieder an sozialem Ansehen, welches sie mit der Abschaffung des Königtums und der Verfolgung seiner Repräsentanten verloren hatten. Ihre Performanz wurde nun von den etablierten Kirchen geduldet.66 Sie trugen wieder zur Medialisierung des Königtums und der lokalen Kultur in den Massenmedien bei. Viele der früheren Regaliahüter (bakuru b’ebikwato) waren verarmt. Die meisten Ältesten hatten eine geringe Schulbildung genossen. Sie leiteten ihre Autorität aus ihrer Seniorität, aus dem Erbe des Amtes und aus dem rituellen und okkulten Wissen ab, das sie besaßen. Gegenüber Nicht-Initiierten hielten sie ihr

65 Das Konzept von agency/patienthood, das ich hier verwende, geht auf Alfred Gell zurück, der sich mit dem Verhältnis von ‚art and agency‘ auseinandergesetzt hat. Gell, A.: Art and Agency. 66 Der Bischof der katholischen Kirche führte das Prinzip der ‚Enkulturation‘ an, das die katholische Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil verabschiedet hatte, um zu begründen, warum die katholische Kirche nicht grundsätzlich die Rituale des Königtums ablehnte, sondern nur ihre ‚schlechten‘ Praktiken, zu denen die Opferungen gehörten. Der Bischof der protestantischen Kirche schloss sich der Meinung seines Kirchen- und Clanbruders an und fügte hinzu, dass die Kirchen einen ‚christlichen König‘ unterstützten, der sich von ‚anderen Kulten‘ distanziere, und einen ‚modernen König‘, der Entwicklung bringe. Als kulturelle Werte des traditionellen Königtums, die bewahrt werden sollten, nannte der Bischof Einigkeit, Gehorsam und Disziplin, die auch der moderne König in der jüngeren Generation hervorbringen sollte. Vgl. Interview mit dem katholischen Bischof Byabazaire, Hoima, 10. Mai 2000, und mit dem protestantischen Bischof Turumanya, Hoima, 12. Mai 2000.

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Wissen jedoch streng geheim. Diese Regel galt auch mir gegenüber als Forscherin, die keine Geheimnisse des Palastes erfahren sollte. Für manche Älteste war der Aufwand so mühsam und kostspielig, das sie lieber auf ein Amt verzichteten und es an Jüngere abtraten, auch wenn ihre öffentliche Performanz nur einmal im Jahr zum Empango-Fest stattfand. Seit der Krönung Omukama Igurus hatte es in den Jahren 1994, 1995, 1997 und 2000 ein Jahresfest zum Krönungsjubiläum gegeben. Die Lücken entstanden durch die finanzielle ‚Hungersnot‘, unter der das Königtum litt. Angeblich war auch vorgesehen, die Neumondfeste wieder auszurichten, mit denen der Beginn eines neuen Fruchtbarkeitszyklus gefeiert wurde. Aus Kostengründen, so die offizielle Begründung der königlichen Regierung, blieben jedoch auch sie aus. Wie immer wieder von Regaliahütern und Ältesten betont wurde, war das Königtum noch nicht voll wiederhergestellt, da viele Regalia und folglich Rituale fehlten. Die Hüter zogen jedoch nicht die Möglichkeit in Betracht, dass die Dinge deshalb nicht zurückkamen, weil die Rituale nicht vollzogen werden sollten. Die Modernisierer des Königtums und die Hüter der Tradition, die Ältesten, führten Debatten darüber, wie die Erneuerung des Königtums vonstatten gehen sollte. Dabei lagen das Wissen und die Macht, Dinge, die sie für unangemessen hielten, auszugrenzen und zu tabuisieren, in der Hand der Modernisierer. Die Ältesten ihrerseits besaßen das Wissen und die Macht, Dinge und Rituale zu boykottieren, um so die Erneuerung des Königtums nach ihren Vorstellungen zu lenken. Entsprechende Dispute musste der König zu einem Konsens führen, damit der Prozess der Erneuerung fortgesetzt werden konnte. Die Ältesten führten einen spirituellen und moralischen Diskurs, in dem das Königtum und seine Clangesellschaft durch die Ausführung der Rituale prosperierten. Er konkurrierte mit dem Modernisierungsdiskurs der königlichen Minister, die Zeit, Geld und Personal nicht vorrangig für Rituale und Regaliahüter einsetzen wollten, sondern für die Umsetzung ihrer Modernisierungsprogramme.

O KKULTES W ISSEN

UND VERBORGENE

M ACHT

Die beiden Anthropologen Jean und John Comaroff haben einen ‚dramatischen Anstieg‘ okkulter Ökonomien im postkolonialen Südafrika beobachtet und diesen als Effekt des zunehmenden Kapitalismus in Afrika erklärt.67 Auch in ande-

67 Comaroff, Jean/Comaroff, John: „Occult Economies and the Violence of Abstraction. Notes from the South African Postcolony“, in: American Ethnologist 26 (1999) 2, S. 279-203, hier: S. 279.

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ren Teilen der globalisierten Welt würden zunehmend okkulte Mittel eingesetzt, um materielle Ziele zu erreichen. Für Jean und John Comaroff bringen okkulte Praktiken, seien sie real oder imaginiert, das Lokale und das Globale in eine dialektische Beziehung. Sie stellten zudem fest, dass sich Ethnologen zunehmend in einem für sie ‚unangenehmen‘ Forschungs- und Diskursfeld bewegen.68 Demgegenüber hat der Soziologe Olivier de Sardan kritisiert, dass das Okkulte und ‚Magisch-Religiöse‘ von westlichen Ethnologen häufig exotisiert und dramatisiert werde, weil sie ihre eigenen Projektionen auf die für sie fremden kulturellen Phänomene übertrügen. Er fordert, die Funktion dieser Praktiken nicht aus ihrem Common-Sense-Kontext herauszureißen und die emische Perspektive zu untersuchen.69 Der Vorwurf der Exotisierung ist zumindest den Comaroffs nicht zu machen, weil sie die emische Perspektive als Ausgangspunkt ihrer Analyse zur Erklärung eines sozialen Phänomens nehmen. Sie richten ihre Aufmerksamkeit auf die Frage, was zur Zunahme okkulter Praktiken wie Hexerei und Magie im postkolonialen Südafrika geführt haben könnte. Ihre Antwort liegt im globalen Kapitalismus, der mit seiner ungleichen Verteilung von Ressourcen und Macht in vielen afrikanischen Gesellschaften Krisen erzeugt oder verstärkt hat.70 Mit dieser Krise ist auch das Königtum Bunyoro-Kitara konfrontiert. Sie hat, wenn man so will, erst zu seiner Wiedereinrichtung beigetragen. Sowohl Modernisierungsdiskurse als auch okkulte und rituelle Diskurse gehören zum Spektrum der Krisenbewältigung. Wie die Comaroffs sehe ich dabei das Ritual als ein Medium, das Veränderungen bewirken soll.71 In den Fällen, in denen es gegen den hegemonialen Diskurs verstößt, muss es geheim gehalten werden. Oft ist es für westliche Ethnologen gar nicht erfahrbar, wie das geheim gehaltene Wissen lokal zur Konstituierung von Wirklichkeit eingesetzt wird. Dennoch wird es als strategischer Diskurs immer wieder in das Spiel der Machtbeziehungen eingebracht. Es ist präsent, aber selten sichtbar, und darin liegt seine Macht.

68 Ebenda. 69 Olivier de Sardan, Jean-Pierre: „Occultism and the Ethnographic ‚I‘. The Exoticizing of Magic from Durkheim to ‚Postmodern‘ Anthropology“, in: Critique of Anthropology 12 (1992) 1, S. 5-25, hier: S. 5-6. 70 Comaroff, J./Comaroff, J.: „Occult Economies and the Violence of Abstraction“, S. 279. 71 Comaroff, J./Comaroff, J. (Hg.): Modernity and its Malcontents.

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Die Wahrsager des Königs Das Okkulte hatte auch in den königlichen Ritualen Bunyoro-Kitaras wieder seinen festen Platz eingenommen. Einer der wichtigsten Experten auf diesem Gebiet war der Wahrsager des Königs mit dem Titel omukonda Karongo. Er kam aus dem Basuli-Clan und war 89 Jahre alt. Der Name Karongo alternierte mit Nyakoka.72 In der königlichen Mythologie waren Karongo und Nyakoka die Wahrsager der Babito, die den Bacwezi rieten, das Reich Kitara zu verlassen. Sie erklärten die Rebellionen des Volkes gegen die Bacwezi mit dem Bruch eines Blutspaktes, den die Frauen des Bacwezi-Königs Wamara verursacht hatten. Sie rieten dann den Babito, die Macht in Kitara zu übernehmen. Wamara wurde der wichtigste Cwezi-Geist für die Babito-Dynastie. Die Bezeichnung omukonda bedeutet, dass der Wahrsager den Weg kannte und die neuen Machthaber in ihr Reich führte.73 Karongo trug im Jahr 2000 stellvertretend für den Basuli-Clan eine EkondoKrone als Auszeichnung für seine mythischen Verdienste. In der täglichen Praxis war er ein Heiler (omufumu), der sich auf das Wahrsagen spezialisiert hatte. Diese Kunst übte er auch 2000 aus, als ich ihn zusammen mit meinem Assistenten aufsuchte. Er hütete zwei Stäbe, die der König in den königlichen Ritualen zum Richten benötigte. Zudem präsentierte er mir einen Korb, der mit geheimnisvollen Dingen gefüllt und mit einem Stück Papier bedeckt war. Dieser Korb stand gut sichtbar in der Mitte des Raums. Sein Geheimnis wollte der Wahrsager aber nicht enthüllen. Auf meine Frage, ob er weiterhin Rituale für den König durchführe, mischte sich seine Frau mit den Worten ein: „He is doing it. He is the one.“ Omukonda Karongo fügte stolz hinzu: „Those practices cannot be abondoned. I am the one divinating to the King.“74 Er zog dann für eine Fotografie seine Amtsrobe75 an, zu der er eine blaue Perlenkette trug, setzte sich auf sei-

72 Karongo, sein erster Name, deutete darauf hin, dass er ein Zwilling (murongo) war. Nyakoka, sein zweiter Name verwies auf die Krähe (koka), die mit einer ausgezeichneten Sehkraft assoziiert wurde und eine Metapher für die Wahrsagekunst darstellte. 73 Interview mit dem amtierenden omukonda Karongo in Hoima, 29. März 2000. 74 Ebenda. 75 Die Rindenstoffe sorgten für den Schutz der Regaliamänner und ihrer Objekte, die auch in Rinde gehüllt waren. Andere Stoffe wie Plastik oder Baumwolle wurden nicht verwendet, weil sie nicht denselben Zweck erfüllten. Später zeigte mir omuhaguzi, der Oberste der Regaliamänner, einige Perlenketten des Königs, die die Mitarbeiter des Nationalmuseums in Plastiktaschen gepackt hatten und die noch nicht wieder verwendet worden waren.

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nen Amtsstuhl mit der Ekondo-Krone auf dem Haupt und erklärte mir, dass er zwei Trommeln besitze, die im Nationalmuseum in Kampala geblieben seien. Beim jährlichen Krönungsjubiläum des Königs (empango) führte er zusammen mit Kasohera ein Orakel aus. Dabei opferten sie, wie ich bereits erwähnt habe, zusammen einen Hahn und einen Bullen, über deren Blut der Thronfolger springen musste. Kasohera begründete seine Tätigkeit mit „we get blessings“76, der oberste Regaliahüter bezeichnete die Handlung als „cleansing and praying for the King“77. Rituelles ‚cleansing‘ bedeutete im lokalen Diskurs die Beseitigung von Geistern und Hexen. In der Vergangenheit, so erklärte mir einer der rituellen Funktionäre vertraulich, seien bei diesem Ritual und Orakel statt der Tiere Menschen geopfert worden. Heute, im Zeitalter des Christentums, werde den Babito gesagt: „Do not kill your people, but animals for sacrifice.“78 Außerdem gehörte dem omukonda der dritte Tag des Jahres- und Krönungsfestes. Dann wurde die Empango-Trommel in einer langen Prozession zu seinem Haus getragen. Dort wurde getanzt, gefeiert, gemeinsam gegessen und getrunken. Unter omukondas Führung ging das Krönungsfest des Königs in eine ‚communitas‘79 der Armen über. Im mythischen Diskurs war der Wahrsager vom König für seine Dienste damit belohnt worden, dass der König ‚alles‘ mit dem Wahrsager teilte, also auch die Armut. Bildlich gesprochen war der omukonda ein ‚König der Armen‘, wenn die königliche Trommel zu seinem ‚Palast‘ getragen wurde. Der amtierende omukonda verkörperte Karongo nicht nur in den königlichen Ritualen, er konstituierte sich als Wahrsager auch in seinen alltäglichen Praktiken. Er wohnte mit seiner Familie in einem Stadtteil von Hoima, der einmal zum Palast gehört hatte, und praktizierte in seinem hohen Alter weiter das Heilen und Wahrsagen. Sein eigentlicher Amtssitz im Palast war bei der Abschaffung des Königtums 1967 zerstört worden. Das Land, das er von Omukama Tito Winyi als Verdienst für sein Amt bekommen hatte, war verkauft und sein Haus inzwischen baufällig geworden. Mit der Rückkehr des Königtums 1994 war für ihn eine Wende eingetreten. Er übte wieder seine Pflichten als Wahrsager, Berater und Regaliahüter des Königs aus. Omukonda Karongos Amt war nur

76 Interview mit Kasohera, Masindi, 15. Februar 2000. 77 Interview mit George Muhuruzi, 8. Juni 2000. 78 Interview mit J. M. Hoima, 11. Mai 2000. 79 Ich lehne mich hier an das Communitas-Konzept von Victor Turner an, wonach im Prozess des Rituals eine communitas als eine temporäre Gemeinschaft entstehen kann, in der die Statusunterschiede aufgelöst sind. Vgl. Turner, Victor: Das Ritual. Struktur und Anti-Struktur, Frankfurt am Main: Campus 1989, S. 126.

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ein Beispiel unter den vielen rituellen Ämtern, die eine okkulte Ökonomie80 im Königtum schufen. Wie gefährlich dieses Amt für ihn war, zeigt vielleicht die Tatsache, dass unser Gespräch im Freien plötzlich durch eine Attacke gestört wurde. Eine unbekannte Person warf Radiobatterien und Steine nach uns, sodass wir im Haus des omukonda Schutz suchten. Von dieser Attacke ließ sich der alte Mann nicht beeindrucken. Der Hüter der königlichen Trommel Im Vergleich zum omukonda war der omuhaguzi ein reicher Mann. Er hatte die Aufgabe, die Trommel des Königs (empango) zum Sprechen zu bringen und damit das ganze Königtum in Freude zu versetzen. Mit seiner Performanz begann das Jahresfest (empango), auf das ich im nächsten Kapitel genauer zu sprechen komme. Das Amt des omujaguzo befand sich in der Hand des Basita-Clans. Zu diesem Amt gehören die zwei wichtigsten Trommeln des Königs, Nyalebe und Tibamulinde.81 Sie sind Symbole der Herrschaft und Metonyme, die als Teil (Trommel) für das Ganze (Dynastie) stehen. Erst der Besitz dieser sakralen Objekte macht das Amt vollkommen, denn die Trommeln gelten als Machtinstrumente der Bacwezi- und der Babito-Dynastie. Zwischen dem objektbesitzenden Clan und dem objektabhängigen König besteht eine Beziehung, die durch die jeweilige Aufgabe geregelt wird. Es ist daher wenig verwunderlich, dass sich um beinahe alle Ämter und Objekte Mythen ranken, die erzählen, wie die Amtsträger in den Besitz oder Verlust von Machtobjekten gekommen sind und wie sie die Macht erhalten oder verloren haben. Der Herrschaftsmythos der Babito-Dynastie erzählt, wie die Basita ihre Macht an die Babito verloren.82 Demnach kamen die Babito unter der Führung von omukonda Karongo nach Kitara, nachdem die Bacwezi geflohen waren. Eine Hungersnot kam über das Land. Die Babito waren Jäger und besaßen kein Wissen über Kühe und Rinder, die den Reichtum Kitaras und der Bacwezi ausmachten. Daher waren die Babito auf den Rat Kasoheras, des Wahrsagers der Bacwezi, angewiesen und auf das Wissen der pastoralen Clane (Bahuma). Von den Frauen der Bacwezi, die aus pastoralen Clanen kamen, erfuhren die Babito,

80 Vgl. Comaroff, J./Comaroff, J.: „Occult Economies and the Violence of Abstraction“: „Postcolonial South Africa, like other postrevolutionary societies, appears to have witnessed a dramatic rise in occult economies: in the deployment, real or imagined, of magical means for material ends.“ (S. 279.) 81 Nyakatura, J. W.: Anatomy of an African Kingdom, S. 189. 82 Ebenda, S. 55-56.

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dass die Herrschaftstrommeln der Bacwezi sich in den Händen des Basita-Clans befanden. Der Clanführer der Basita weigerte sich anfangs, die Trommeln der Bacwezi herauszugeben. Erst als die Hungersnot ihn dazu zwang, verlangte er Hirse im Tausch gegen die Trommeln und gab sein Königtum und seine Macht an den Babito-Clan ab. In diesem Herrschaftsdiskurs war die Hungersnot eine Metapher für den Machtverlust und die politische Niederlage der Basita. Der Mythos legitimierte so die Herrschaft der Babito. Die gleiche Geschichte wurde mir im Jahr 2000 von der Tochter des amtierenden omuhaguzi mit einer etwas anderen Interpretation erzählt.83 Danach befand sich der Musita-König in einer Notlage, die er nur durch die Abgabe der Trommeln beenden konnte. Die Übergabe der Objekte war jedoch nur ein ‚Trick‘, denn das geheime Wissen um die Trommeln behielt der Musita. Der Mubito war zwar im Besitz des Objekts, aber hilflos, denn ohne die Kenntnisse ihrer Geheimnisse konnte er die Trommel nicht zum Sprechen bringen. Sie blieb ‚stumm‘. Deswegen war es das Privileg des Basita-Clans, die Trommeln des Königtums zu verwahren und noch vor dem Mubito-König am Empango-Fest zu schlagen. Erst danach wurde der Mubito-König in die Praxis des Trommelns eingeweiht, damit sie ‚gut und mächtig‘ klinge. Die Tochter des omuhaguzi betonte in ihrer Geschichte die Macht der Clane, die den Babito-König beherrschten. Besonders hob sie dabei die Macht des ‚Head of Regalia‘ hervor, der in diesem Fall ihr Vater war: „The Mubito King is not the real ruler. The real rulers are the Basita, especially the one who holds the regalia as their head. He is an important person and he has his own throne at Empango in his house. He puts on barkclothes and the musicians come to play for him which is normally only meant for the King. He keeps Nyalebe and Tibamulinde in his house. […] The Head of Regalia is the big man behind the throne of the King. He is the real ruler and is commanding the King. He gives him directives and councils him. The King himself has nothing to say, but is only doing what the Head of Regalia tells him to do.“84

In diesem Gespräch befanden wir uns in der Verflechtung zwei Diskurse, in denen es um die Macht der Basita und um die Legitimation ihres Vaters als omuhaguzi ging. Wie erwähnt, musste die Trommel ‚gut und mächtig klingen‘, wenn sie geschlagen wurde, und so die Herrschaft des Königs artikulieren. Die-

83 Interview, 17. April 2000. 84 Ebenda.

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ses Amt konnte im rituellen Diskurs nicht irgendjemand besetzen, sondern nur derjenige, der die Legitimation und die Macht dazu besaß. Das Amt des omuhaguzi war innerhalb des Basita-Clans heftig umstritten. Zwei Mitglieder dieses Clans erhoben 1994 Anspruch darauf. Einer von ihnen besaß das notwendige Wissen, war aber mit einem Stigma konfrontiert. Sein Großvater hatte eine Frau aus dem Basingo-Clan geheiratet und damit ein Tabu gebrochen. In der Herrschaftsmythologie der Babito galten die Basingo als verflucht, weil sie die Bacwezi bedroht hatten. Ihre Anwesenheit galt als ein schlechtes Omen. Im Palast des 19. Jahrhunderts schlief ein Musingo am Bett des Königs, sodass dieser über ihn steigen und alle Gefahren auf ihn übertragen konnte. Es hieß außerdem, dass Basingo im Palast geopfert worden seien. Sie durften nicht mit der Trommel des Königs in Berührung kommen. Der 1999 amtierende omuhaguzi begründete die Übernahme des Amtes damit, dass seine Mutter einem anderen Clan angehörte und er darum kein Blut der Basingo in sich habe.85 Er blieb damit im Diskurs der Generations- und Verwandtschaftsbeziehungen sowie der Stigmatisierung und der okkulten Kräfte, die Schaden über das Königtum bringen konnten. Der omuhaguzi stand während der königlichen Rituale im Fokus des medialen Interesses, wenn er die Trommel schlug und so das Jahres- und Jubiläumsfest eröffnete. Er erklärte mir, es gebe ein Video, das ihn 1994 beim Trommeln der empango zeige. Auch sein Rivale präsentierte mir zur Legitimation seiner Ansprüche eine Fotografie, auf der sein Großvater die Trommel schlug. Beide nutzten Bildmedien, um ihre Ansprüche zu legitimieren. Die Tochter des omuhaguzi verteidigte die Position ihres Vaters mit einem modernen Argument: „Today of course, all clans are equal and Basingo are equal to others. So it does not matter whether one has a Musingo in his genealogy or not.“86 Damit schloss sie an den Demokratisierungsdiskurs der Staatsregierung an, der die Gleichheit aller Bürger betonte. Basingo konnten politisch nicht mehr aufgrund ihrer kulturellen Stereotypisierung von Ämtern ausgeschlossen werden. Unter seinen Kritikern galt der omuhaguzi als ‚Diktator‘, weil er seine Macht mit der Besetzung von rituellen und politischen Ämtern verfestigt hatte und weil er bestimmte, was öffentlich gesagt und gezeigt werden durfte und was nicht. Ich vermutete, dass er als head of regalia und Minister für Kultur ein Redeverbot über bestimmte Praktiken erteilt hatte. Des Öfteren stieß ich an die Grenzen des rituellen Diskurses, an denen meine Gesprächspartner deutlich schwiegen. Gelegentlich stieß ich

85 Interview, 8. Juni 2000. 86 Interview, 17. April 2000.

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auf Anspielungen und vertrauliche Mitteilungen, in denen die rituellen Akteure kleine ‚Geheimnisse‘ der Rituale preisgaben. Der omuhaguzi bekleidete zwei Ämter des Königtums: Er war der ‚Kopf aller Regaliahüter‘ und der Minister für Kultur. In der Hauptstadt des Königtums war er ein bedeutender Mann. Er kam aus einem mächtigen Clan, führte die größte Getreidemühle in Hoima und hatte Großbritannien und die USA bereist. In seinem Wissen und in seiner Macht war er den meisten anderen Regaliahütern überlegen. Zudem kontrollierte er das wichtigste Medium und die wichtigste rituelle Stimme des Königtums: die Trommel des Königs. Über sie konstituierte sich seine Identität als ritueller Führer. Über sie hatte er leichten Zugang zu anderen Medien und zu deren Diskursen. In seiner Ämterhäufung konstituierte er einen potenten Führer, der jedoch kaum mehr von seiner Gefolgschaft oder vom König zu kontrollieren war. Insofern war die Geschichte der Tochter des omuhaguzi und head of regalia eine wahre Geschichte. Der Hexenjäger des Königs Eines der wichtigsten Ämter im Palast des Königs war bis zum Beginn der christlichen Mission um 1900 das Amt des bamuroga. Er war der ‚Herr des Palasttores‘ (omukama wa irembo), eine Art ‚Empfangschef‘, und hatte damit eine Aufgabe, die sowohl okkultes wie politisches Wissen verlangte. Das Verb ‚kuroga‘ (‚hexen, zaubern‘) bezeichnet die Macht, Vorgänge durch okkulte Mittel zu beeinflussen. Mitte des 19. Jahrhunderts war bamuroga nach dem Omukama der wichtigste Mann im Königtum und der Oberste der königlichen Wahrsager und Hexenjäger.87 Zusammen mit dem mugema, dem chief der Provinz Nyakabimba, kontrollierte er die königlichen Gräber und übernahm nach dem Tod des Königs die Regentschaft im Königtum. Der bamuroga kontrollierte den vorderen Teil des Palastes, in dem die Öffentlichkeit und auch Hexen eintraten. Zusammen mit den Wahrsagern Nyakoka und Kasohera, deren Residenzen ebenfalls im vorderen Teil des Palastes lagen, bildete der bamuroga eine spirituelle Ordnungsmacht. Der christianisierte König Duhaga (1903-1923) führte stattdessen nach gandischem Vorbild das Amt des Premierministers (katikiro) ein. Der Vorsitzende des 1989 neugegründeten Rates der Clane schrieb dazu:

87 Roscoe, J.: The Bakitara or Banyoro, S. 107. Roscoe bezeichnet den bamuroga als „the principal chief and head of the Sacred Guild“. Vgl. Behrend, H.: Resurrecting Cannibals, S. 139.

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„The devout Omukama Andrea Bisereko Duhaga II was treated by the British like a common labourer, and when he complained he was at last allowed to appoint a Katiikiro [sic] to assist him in 1917 but on condition that he would pay the Katiikiro [sic] from his own pocket.“88

Zu einem Helfer der Protektoratsverwaltung degradiert, so die Kritik des Ratsvorsitzenden, sollte das Amt des katikiros den Omukama entlasten, dafür musste er es „aus eigener Tasche“89 bezahlen. Seine Interpretation der Ereignisse halte ich für legitim, sie lassen sich aber auch anders lesen. Möglicherweise war Duhaga nicht ‚untertänig‘, sondern hielt die Benennung eines katikiros für geraten, um Bunyoro leichter in das neue koloniale Verwaltungssystem einzugliedern. Tatsächlich ließ sich Omukama Duhaga auf eine Assimilationspolitik ein, die sein Vater Kabalega noch abgelehnt hatte. Aufgrund seines Widerstandes wurde Omukama Kabalega dafür von der NRM-Regierung als antikolonialer Held geehrt. Kabalegas Sohn Duhaga dagegen galt als ein Kollaborateur der Kolonialverwaltung und ihrer imperialen Interessen. Wie dem auch sei, ein wichtiges Amt wie das des bamuroga schuf Omukama Duhaga entweder ab oder nahm ihm seine Macht. Während meiner Forschungszeit fiel mir auf, dass dieses Amt ebenso wie alle Themen, die okkulte Praktiken betrafen, mir gegenüber verschwiegen wurden. Nachdem ich lange Zeit gerätselt hatte, was es mit dem Amt des bamuroga auf sich hatte, erfuhr ich von dem Chef der Palastwache, dass es dieses Amt seit 1994 wieder gab, weil es für die Krönungsrituale unverzichtbar war.90 Im Auftrag des Königs erläuterte mir der Chef der Palastwache die Krönungsrituale und erklärte, dass es die Aufgabe des bamuroga sei, den Prinzen durch das Haupttor (mugabante) in den Palast zu führen. Bei weiterer Überlegung fiel mir auf, dass die beiden Wahrsager Nyakoka und Kasohera am Haupttor das zuvor beschriebene Orakel und Opfer durchführten, das den Weg für den zukünftigen König reinigte und seine Legitimation zur Herrschaft prüfte. Dieses Ritual stützt meine These, dass die beiden Wahrsager zusammen mit dem bamuroga die Funktion von ‚Hexenjägern‘ einnahmen. Zu meiner Überraschung war es der Vorsitzende des Rates der Clane und gleichzeitig Minister für Clane, der 1994 das Amt des bamuroga übernommen hatte.91 So viele Informationen durfte mir der Chef der Palastwache geben. In einem langen Interview hatte mir der Minister für Clane

88 Sabiiti, C.: „The Federal Case of Bunyoro-Kitara“, S. 3-4. 89 Ebenda. 90 Interview mit Kassim Rubenda, Hoima, 14. Mai 2000. 91 Ebenda.

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die Motive seines Engagements für das Königtum erläutert. Dennoch hatte ich einige Hinweise überhört, die auf sein Amt hinwiesen: „There is no ordering of clans one after the other. That thing is not there. The only clan which has been distinct is that of the Babito, because it provides the Omukama and I think, by proximity, they happened to enjoy high posts, privileges, they had lands, they became chiefs, but the other people also shared. For example, you cannot give the post of premierminister to a Mubito. […] there would be a riot. That belongs to us, the ordinary people, the Non-Babito.“92

An dieser Stelle deutete sich an, dass der Minister für Clane wie der Minister für Kultur neben seinen politischen Ämtern auch ein rituelles Amt führte. Vor der Kolonialherrschaft war die politische Funktion nicht von der rituellen Funktion eines Amtes zu trennen gewesen. In der kolonialen Moderne hatte ein Säkularisierungsdiskurs eingesetzt, der dazu führte, dass nichtchristliche Praktiken ins Okkulte verdrängt wurden. In Bunyoro-Kitara begann sich dieser Prozess nun unter dem Einfluss der rituellen Erneuerung wieder umzukehren. Rituelle Praktiken, die vom Komitee für Rituale zur Tradition erklärt wurden, waren nicht mehr unvereinbar mit der Ausübung politischer Ämter. Der Minister für Clane gehörte dem einflussreichen Basita-Clan an: „I am a Musita by clan and it is one of the most important clans in the palace. Unlike the Babito, there can be no traditional ceremony in which the Musita is not playing the leading role.“93 Er übernahm wie sein Clanbruder, der Minister für Kultur, eine führende Rolle in den königlichen Ritualen. Ohne die Basita konnte es keine traditionelle Zeremonie geben, kein empango und kein Königtum. Trotz einer angeblichen Clan-Egalität – mit Ausnahme des königlichen Babito-Clans – gab es eine Hierarchie der Clane. Im Umgang mit der Öffentlichkeit, im öffentlichen Diskurs des Königtums, unterschlug der Minister für Clane den okkulten und rituellen Aspekt seiner Aufgaben. Rituelle Ämter vergrößerten aber den Handlungsspielraum von politischen Ämtern und gaben ihren Amtsinhabern rituelle Macht und Legitimität.

92 Interview mit Christopher Sabiiti, Hoima, 7. April 2000. 93 Ebenda.

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Ich möchte nun zur Musik als Wissensformation kommen und dabei die musikalische Stimme und den Tanz als ‚Medien der Selbstpräsenz‘94 verstehen. Im vorkolonialen Königtum Bunyoro-Kitara hatte es eine Vielzahl von Toninstrumenten gegeben, zu denen Trommeln, Hörner, Flöten, Zithern und Harfen gehörten. Xylophone wurden nur in Häusern reicher Banyoro gespielt, nicht aber am Hof des Königs.95 Rasseln waren ebenfalls keine königlichen Instrumente, weil sie schnelle Bewegungen des Körpers erforderten und den schnellen, ausdrucksstarken Tanz (kinege) unterstrichen. Flöten hingegen waren Instrumente, deren Spieler im Palast als ‚Yellow Press‘ galten.96 Sie durften die Geschichten und Skandale am Hof mit ihrem Flötenspiel verbreiten. Oft waren es wohl obszöne Lieder, die dabei gespielt wurden. Für die Flötenspieler hatten sich 1994 keine Interessenten gefunden, denn diese Instrumente hatten im modernen Palast ihre Kommunikationsfunktion verloren. Der höfischer Tanz (empango) ist langsam mit kontrollierten Bewegungen. Frauen und Männer tanzen dabei verschiedene Schritte und machen unterschiedliche Bewegungen mit Armen und Oberkörper. Höfische Musik hat einen rituellen und einen unterhaltsamen Charakter, je nachdem, in welchem Kontext sie aufgeführt wird und welche Rituale sie unterstützt. Ist die Musik zu schnell, so kann sie leicht ihren rituellen Charakter verlieren und unterhaltsam werden. Im Allgemeinen werden Bewegungen im Palast in Ruhe ausgeführt, um so dem Raum und den Personen Würde zu verleihen. Eile wird als Verlust von Würde betrachtet. Diese Wertung kommt in dem Sprichwort ‚Du läufst wie ein Sklave‘ zum Ausdruck. So liegt auch der Wert spiritueller und ritueller Musik in einem ruhigen Rhythmus und nicht in dynamischen Bewegungen, wie sie die Volkstänze kennen. Möglicherweise war dies ein Grund, warum kubandwa, die Geistbesessenheitsrituale, nicht von dem herrschenden Clan oder dem König praktiziert werden durften. Denn darin kam es zum Verlust der körperlichen und geistigen Kontrolle. Rituelle höfische Musik wurde seit der Retablierung des Königtums 1994 auch wieder im Orchester, vor allem von Trommeln und Hörnern, gespielt. Es war wichtig, dass die Instrumente zusammen einen Klangraum schufen, der in sich harmonisch wirkte.97 Die Empango-Trommel war dabei das führende Instru-

94 Vgl. Behrend, H.: „Geisterstimmen in Afrika“, S. 88. 95 Vgl. Trowell, Margaret/Wachsmann, Klaus: Tribal Crafts in Uganda, London/New York: Oxford University Press 1953, S. 33. 96 Interview mit Yolamu Nsamba in Hoima, 13. März 2000. 97 Vgl. Behrend, H.: „Geisterstimmen in Afrika“, S. 89.

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ment, ihr Spieler musste den richtigen Rhythmus angeben. Es gab fünf verschiedenen Trommeltypen: empango, entimbo, entejemerwa, engaija und amahuru. Die letzten Trommeln waren die kleinsten und galten als die ‚Kinder der Empango-Trommel‘. Jeder Trommeltyp hatte eine eigene Tonlage und separate Aufgaben. Es war schwierig gewesen, die Trommelgruppen wieder mit Spielern zu besetzen. Viele der alten Trommler waren gestorben, und die Clane zeigten kein Interesse an diesen Aufgaben im Palast. Der Führer des Entimbo-Sets resümierte: „In the past, people joined for tax payment. If payment would be involved, people would be interested!“98 Sein Enkel und Nachfolger betonte: „We would like it to be a source of income. In the past, tax payment by the kingdom was significant, but today it is not a big contribution. Rather we want payment today.“99 Trotz der Probleme, Spieler zu finden, galt es als absolut undenkbar, Frauen zu engagieren, denn das Spiel der königlichen Trommeln verlieh den Akteuren Macht. Nur die Mutter des Königs (nyinamukama, wörtlich übersetzt: ‚die Mutter des Melkers‘) besaß ihre eigene Empango-Trommel, die den Namen ‚Mweru‘ (‚die Weiße‘) trug und mit Reinheit, Fülle, Milch und Macht assoziiert wurde. Im Vergleich zu den Trommeln waren die Hörner (makondere) gut mit Spielern besetzt. Makondere sind langgezogene Kalebassen mit einem Mundstück aus Holz. Es gibt fünf Tonlagen, und jedes Horn hat einen individuellen Namen (Entabya, Teru, Langi, Rukara, und Rudyangi). Die Hörner werden der Reihe nach angestimmt, erst dann fallen die Trommeln in den Rhythmus ein. Von den drei Makondere-Gruppen100 waren nur zwei beim Fest aktiv, die Bafuhya-Gruppe mit sechs Spielern und die Banyakyara-Gruppe mit sieben Spielern. Letztere wurde von einem königlichen Minister ohne Geschäftsbereich, einem ehemaligen Offizier der ugandischen Armee, geleitet. Er erklärte: „The sound of the two groups is different, but the tunes are the same and the tempo is the same. The banyakyara-group is starting the empango-ceremony. They have five drums: one empango, two engaija and two amahuru. The group is led by the Bafunjo Clan which is heading the makondere function.“101

98

Interview mit PeteroTibigyayo, Buhanika, 7. April 2000.

99

Interview mit Tadeo Kaiita, Buhanika, 7. April 2000.

100 Die drei Gruppen waren die bafuhya aus Kibiro, Kigorobya sub-county, bahambya aus Bugangaizi county und banyakyara aus Kyabigambire sub-county. 101 Interview mit Major Nyangabyaki in Hoima, 6. April 2000.

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Der ehemalige Major behauptete eine Führungsposition seines Clans in der rituellen Musik und in den königlichen Ritualen, die er dadurch unterstrich, dass die Bafunjo noch einige andere Aufgaben im Palast ausführten, wie zum Beispiel Papyrus in den rituellen Häusern zu ‚pflanzen‘. Seine Erklärung beschränkte sich auf die Aussage: „It is a cultural activity.“102 Dann fügte er hinzu, dass er (eigentlich) auf den Posten als königlicher Verteidigungsminister warte. Sein Musikinstrument hatte der Major, wie er mir sagte, geerbt. Er betonte, dass er seinen Dienst im Königtum zwar ehrenamtlich ausübe, seine Bezahlung aber mit der Rückgabe von ebyaitu, den königlichen Besitztümern, erfolgen werde. Bereits 1999 hatte der Major eine Demonstration gegen die Lokalregierung geführt, um sie zur Herausgabe der umstrittenen Besitztümer zu zwingen. 2003 ernannte Omukama Iguru ihn dann tatsächlich zum Verteidigungsminister und übertrug ihm die Verantwortung für die Sicherheit im Königtum. Der Major, der nach eigenen Angaben unter Milton Obote gedient hatte, nach Aussage der Zeitung Monitor unter Idi Amin, wurde nun Chef der königlichen Soldaten (barusura).103 Er wollte das Makondere-Amt als ‚Beruf‘ einrichten und forderte Gehälter für sich und die anderen Spieler.104 Wie der omuhaguzi strebte der Major die Ausübung eines rituellen und eines politischen Amtes an. Als königlicher Verteidigungsminister konnte er sein ganzes militärisches Wissen und seine Sicherheitsnetzwerke einbringen, als bandleader der Makondere-Gruppe hatte er zusätzlich eine führende rituelle Aufgabe. Die konkurrierende Gruppe trat beim Empango-Fest 2000 als erste auf. Sie kam aus Kibiro am Albertsee und blickte auf eine lange Tradition zurück. Ihr bandleader kehrte die Darstellung des Majors um und erklärte, seine Gruppe sei die wichtigere, da die Musik ‚koordiniert, ruhig und verständlich‘ sei. Die Gruppe der Abanyakyara spiele zu schnell, ihre Musik sei daher reine Unterhaltungsmusik: „The Kibiro group (bafuhya) is more important than the other makondere groups, the makondere are longer than those of the other groups and the music is coordinated, slow and understandable. The others play fast. They play for entertainment and have no ritual function. They only play when the bafuhya are resting.“105

102 Ebenda. 103 „Amin soldier becomes defence minister“, in: The Monitor, 21. Oktober 2003. 104 Interview mit Major Nyangabyaki in Hoima, 6. April 2000. 105 Interview mit Francis Isingoma Kiparu, Kigorobya, 15. Juni 2000.

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Im Diskurs dieses Experten bildeten Musik, Tanz und Ritual einen aufeinander abgestimmten Komplex. Der Einsatz der Hörner hatte einer genauen Ordnung zu folgen, beginnend mit der Kleinsten, endend mit der Größten, der Bassstimme. Auch die Reihenfolge der Lieder war genau vorgegeben und thematisch geordnet, so, wie die Rituale des Empango-Festes einer vorgegebenen Ordnung und Thematik folgten. Der Experte betrachtete die Makondere-Hörner als rituelle Instrumente, die eine eigene musikalische Sprache besaßen. Diese Sprache und die dazugehörigen Lieder mussten die Spieler allmählich erlernen. Obwohl auch seine Gruppe auf Bezahlung drang, stand für den bandleader die richtige Performanz und das Amt als Erbe seines Clans (Bakurungu) im Vordergrund. Hier drehte sich der hegemoniale Diskurs des Majors in sein Gegenteil: Nicht die Bafunjo, sondern die Bakurungu waren im Gegendiskurs der Rivalen die wichtigsten Hornspieler der königlichen Rituale. Bakurungu war der Oberbegriff für einen Clan, der sich in einige Untergruppe aufgeteilt hatte. In Kibiro (‚Wald‘) nannten die Bakurungu sich Basimba (kusimba: ‚den Speer in den Boden pflanzen‘), nachdem sie dort Salzfelder entdeckt und das Land in Besitz genommen hatten. In der Geschichte des Königtums wurde das Salz Kibiros eines der wichtigsten Handelsprodukte. Es wurde ausschließlich von den Frauen der Basimba produziert. Ein anderer Clan, die Balengere (kulengere: ‚wiegen, messen‘) spezialisierten sich auf die Vermarktung des Salzes, die Bazaazi monopolisierten den Transport, unter anderem an den Hof des Königs, und erhielten dafür eine Ekondo-Krone mit allen politischen und rituellen Rechten, die damit verbunden waren. Aus der Perspektive der Basimba, die der Führer der Makondere-Band einnahm, handelten Balengere und Bazaazi im Auftrag der Minenbesitzer, der Basimba. Die Macht der Basimba am See drückte sich nicht nur in ihrem Land- und damit Salzbesitz aus, sondern auch im Besitz der rituellen Musikinstrumente, der makondere. Dem bandleader zufolge fand einer der früheren Könige von Bunyoro-Kitara Gefallen an der Musik der Basimba und führte sie in seinem Palast ein. Er erwähnte dabei nicht, ob die Musik mit dem Embandwa-Geisterkult in Beziehung stand. Dies ist jedoch sehr wahrscheinlich, denn auf den Inseln des Albertsees und an seinen Ufern befanden sich etliche Schreine von Embandwa-Geistern. Noch 2006, als Erdöl im Gebiet des Albertsees gefunden wurde, argumentierte der Informationsminister des Königs, dass hier religiöse Interessen des Königtums verletzt würden, weil sich der Schrein eines Batembuzi-Königs auf dem Bohrgelände befinde.106 So, wie die Babito die Salzminen in die Ökonomie ihres Königtums ein-

106 „Bunyoro wants share of oil on Lake Albert“, in: Monitor Online, 10. Juli 2006, http://www.monitor.co.ug.

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verleibt hatten, so bemüht sich die königliche Regierung momentan darum, einen Anteil an der Ölförderung zu bekommen. Auf diese Weise versucht sie Zugriff auf die neuen Märkte zu bekommen und zugleich für den Eingriff in ihr Territorium entschädigt zu werden. Zu den Rivalitäten der Clane um Führungsämter und finanzielle Ressourcen im Königtum kam ein ganz neuer Faktor der Selbstpräsenz hinzu. Das viertägige Fest war seit 1994 das eigentliche Ereignis, an dem die Gruppen öffentlich auftraten. Da nur der erste Tag landesweit von Radio- und Fernsehsendern dokumentiert wurde, stand die Makondere-Gruppe, die als erste auftrat, im Mittelpunkt des Ereignisses und der Medien. Sie begleitete den omuhaguzi, wenn er die Empango-Trommel als Erster schlug. Unabhängig von den Massenmedien standen die Makondere-Gruppen aber auch darüber im Wettstreit, welche den besten Rhythmus, den besten Ton und die beste Atmosphäre beim Fest erzeugen konnte. Hier war die Musik ein Medium der Selbstpräsenz und der Macht, die über die Performanz in den königlichen Ritualen geschaffen wurde. Ich möchte an dieser Stelle auf die Frauen zurückkommen, die 1994 erneut Aufgaben im Palast übernahmen. Wie bei den rituellen Ämtern wurden mir die Aufgaben der baranga als rein säkulare Tätigkeiten erklärt. Ihr ritueller Auftrag beschränkte sich auf die Teilnahme an den Ritualen des Empango-Festes, wo die baranga zur Musik der Hörner und Trommeln tanzten. Sie tanzten durch Vorwippen und Wiegen, in kleinen Schritten vor- und zurückschreitend und mit den Armen kreisende Bewegungen ausführend. Eine hochbetagte muranga, die mit sechs Jahren in den Palast gekommen war, erzählte mir, dass es zu ihren Aufgaben gehört hatte, nicht nur für den König zu tanzen, sondern ihn auch zu preisen und eiweißreiche Delikatessen für ihn zu sammeln: weiße Ameisen und Grashüpfer.107 Baranga waren im Allgemeinen für die schönen Dinge im Palast zuständig und in dieser Hinsicht die Gehilfinnen und die ‚Kinder‘ der Babitokati. Baranga sammelten Papyrus und wohlriechende Gräser (enteete), die sie im Palast und in den rituellen Häusern verteilten, sie stellten aus den Gräsern und aus Rinde ein Parfüm her (engaju), mit dem sie die Rindenstoffe des Omukama bestäubten, und sie spielten Harfe im Palast. Seit 1994 hatten sich vier Frauen als baranga engagieren lassen. Keine von ihnen hatte im alten Königtum gearbeitet, aber alle vier waren die Nachkommen von baranga aus der Kolonialzeit. Die damaligen baranga waren zu alt, um die Aufgaben noch erfüllen zu können, sie unterrichteten die Neuen aber in diesen Aufgaben.108 Inzwischen wurden die

107 Interview mit Omuranga Salai Kitaimuka, Kipooga, 14. April 2000. 108 Interview mit Omuranga Florence Nsungwa, Kyesiga c/o Hoima, 25. März 2000. Omuranga Nsungwa war 1914 geboren, katholisch und blieb unverheiratet. Auch sie

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baranga von einem Regaliahüter rekrutiert, der sich selbst als Führer der Gruppe bezeichnete, was von den Frauen dementiert wurde. Der ‚Kopf‘ der baranga musste eine von ihnen sein, und alle baranga unterstanden wie ihre ‚Mütter‘, die Babitokati, der Autorität der batebe. Deswegen sammelten sie sich zum Empango-Fest im rituellen Haus der batebe (mucwa). Nachdem ich erfahren hatte, dass die Samen einer giftigen Pflanze ‚baranga‘ hießen, kam mir der Gedanke, dass auch die baranga im Palast der vorkolonialen Zeit rituelle Aufgaben erfüllt haben mochten. Ihr Verhalten während des Rituals entsprach den Bewegungen von Pflanzen in der Natur, die sich im Wind wiegen und tanzen. Obwohl dies eine hypothetische Erklärung ist, fällt auf, dass in den königlichen Ritualen fortlaufend Analogien zur Natur hergestellt werden. Einer der Berater und Zeremonienmeister des Königs erklärte mir: „All things of nature belong to the Kingdom and should be presented in the palace.“109 Diese Erklärung allein genügt noch nicht, um die Funktion der baranga zu verstehen. Sie sammelten nicht nur Gräser, Rinde, weiße Ameisen und Grasshüpfer und brachten sie in den Palast, sondern sie imitierten die Natur auch in ihrer Schönheit und Begehrlichkeit. Auf der anderen Seite besaßen sie das Gift der Natur, das in jeder Schönheit steckt wie in den Kernen der weißen Lilie. Sieht man das Königtum selbst als einen Kosmos von wohlwollenden und von gefährlichen Kräften, so verkörpert baranga wohl auch diese Idee.

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Mit der Rückkehr des Königs 1994 entstanden neue Kontakte zwischen den Geistmedien der embandwa und dem Palast. Einerseits suchte der Omukama selbst rituell wichtige Orte und Personen in Bunyoro-Kitara auf, andererseits begannen Geistmedien ihre Aufgaben im Königtum zu reaktivieren. In BunyoroKitara lernte ich zwei von drei offiziellen Geistmedien kennen, die mir vom Privatsekretär des Königs als Gesprächspartner empfohlen worden waren: kibandwa Musaija Mukuru und kibandwa Wairanga. Beide arbeiteten für das Königtum und wachten jeweils über einen Hügel: Musaija Mukuru, (‚Großer Mann‘) und Wairanga (-iranga: ‚Lilie‘). Die Hügel gehörten zusammen mit dem

gab an ‚Kopf‘ der baranga unter Omukama Tito Winyi gewesen zu sein, was andere dementierten. Nsungwa erbte ein Stück Land von ihrem Vater, einem MakondereSpieler. 2000, als ich sie kennenlernte, saß sie den ganzen Tag an einer Verkehrsstraße in der Nähe eines Trading Centers und schien nicht mehr viel zu besitzen. 109 Interview mit Kassim Rubenda in Hoima, 15. April 2000.

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Hügel Ngobya zur rituellen Topografie des Königtums.110 Alle drei waren in der Vergangenheit militärische Stützpunkte der barusura gewesen. Kibandwa Wairanga erklärte mir: „The hill was used in times of war to hide. From far, it looks like a hill, but it is just a big forest in which abarusura would hide under the protection of the embandwa spirits there.“111 Im Westen markiert der Mwitanzigesee die Grenze des Königtums.112 Entlang des Sees übernahmen baramansi (von kurama: ‚beten‘) ähnliche Aufgaben wie die Embandwa-Medien auf den Hügeln des Hochlandes. Zwei baramansi lernte ich in den Dörfern Kijangi und Kibiro kennen. Bei ihren Seancen wurde ein muramansi wie ein kibandwa von anderen initiierten Medien unterstützt. Auch die Geschichte ihrer Berufung, die in allen Fällen mit Krankheit begann und mit Heilung endete, war ähnlich. Die Medien betonten, dass sie keine Beziehung zu Ahnengeistern (emizimu) hatten, sondern zu Geistern der Natur (embandwa), die aus der Wildnis oder aus dem Wasser kommen konnten. Naturgeister machten sich durch Naturphänomene oder auch durch Naturkatastrophen bemerkbar. Obwohl sie viele Gemeinsamkeiten besaßen, gab es einen Unterschied zwischen den Medien am See und denen im Inland: Die baramansi des Sees hatten keinen Kontakt zum neuen Königtum, und auch in der Vergangenheit waren sie weniger in die Praktiken des Königtums involviert als ihre Kollegen im Inland. Noch im 19. Jahrhundert besaßen Geistmedien große rituelle Macht, die sie auch politisch zu nutzen wussten. Unter anderem waren sie gefürchtet, weil sie Menschenopfer für die embandwa fordern konnten. Laut einer Publikation zum Empango-Fest 1997 schuf Omukama Kabalega die Opferung von Menschen ab, um seine Untertanen zu schonen: „He needed all able bodied people for productive human work. He replaced the rituals [human sacrifices; R. v. W.] with mock sacrifices.“113 Seither wurden Tiere geopfert und damit auch das Evangelium des Christentums geachtet. Zwar verkündete Omukama Iguru ein Treffen mit den Geistmedien am See, aber wegen anhaltender ‚Hungersnot‘ des Königtums verschob er diesen Plan. Ohne die Rückgabe der königlichen Besitztümer und ein Ende der Notlage des Königtums konnte der König weder Opfer noch Zeremonien finanzieren. Die

110 Wairanga liegt im Osten, im ehemaligen Distrikt Ssingo, der 1964 an Buganda verloren ging. Musaija Mukuru befindet sich südlich von Hoima, und ein dritter Hügel, Ngobya, liegt im Norden an der Straße nach Masindi. 111 Interview mit kibandwa Wairanga in Hoima, 9. April 2000. 112 Im 19. Jahrhundert ging sie über den See hinaus bis in den Kongo und wurde militärisch durch Kanuflotten des Omukama kontrolliert. 113 Empango Souvenirheft vom 11. Juli 1997, S. 3.

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Geistmedien der Hügel standen seit der Retablierung wieder in engerem Kontakt mit dem Palast und erschienen dort mit der Mahnung, die Rituale für die Embandwa-Geister zu unterstützen. Kibandwa Wairanga plante für 2000 eine Neumondzeremonie, um der anhaltenden Dürre ein Ende zu setzen und die Fruchtbarkeit von Natur und Mensch zu stärken, „to sacrifice for fertility, good harvest, rain, abondoning of disease and for general wellbeing. […] When they sacrifice, it rains, people are able to marry and to produce children. Fertility is there at present but it is not as good as it will be with the help of sacrifices.“114

Anders als die baramansi des Sees führte kibandwa Wairanga einen politischen Diskurs über die Regierung des Königtums und des Staates. Er stellte sich mir als ‚Diener des Omukama‘ vor und bezeichnete den Omukama als ‚Kopf der Familie‘ (nyineka). Daraus folgerte er, der König habe wie ein Clanführer die Mittel für die Rituale zu geben: „The king needs to provide the facilities, because he is the nyineka, the head of the family.“115 Kibandwa Wairangas Vorstellungen von rituellen Zuständigkeiten waren hierarchisch geordnet und auf ein Zentrum gerichtet. Die Metapher des Familienvaters machte klar, dass der König als ‚Kopf‘ die Verantwortung für den ganzen ‚Körper‘ des Königtums trug. Inhaltlich beschrieb kibandwa Wairanga die Ordnung des Königtums als eine Ordnung der Natur und ihrer Geister, in der alles seinen Platz hatte. Diese Ordnung war außer Kontrolle geraten und hatte in der Folge Krieg, Krankheiten und Armut hervorgerufen. Wairanga begründete diesen Niedergang damit, dass die embandwa vernachlässigt worden waren und das Königtum folglich abgeschafft werden konnte. Er ordnete die Politik der rituellen Ordnung und Praxis unter, indem er den Geisterkulten Vorrang gab. Technisch nutzte kibandwa Wairanga das Idiom eines Arztes und seine Heilkenntnisse des Körpers, um die Rituale zu begründen. Ein Körper war nicht ohne Grund krank, sondern weil er von Geistern ergriffen wurde, die Krankheiten verursachten. Genauso verhielt es sich mit anderen Körperschaften wie dem Königtum oder dem Staat, der zu dieser Zeit (1999-2000) noch Krieg im Norden Ugandas führte.116 Der Staat tat daher gut daran, das Königtum zu rehabilitieren. Aus Wairangas Sicht profitierte der Staat von der Rückkehr des Königtums, weil die rituellen Opfer die Macht des Präsidenten stärkten. „With the help of the sacrifices, President Museveni is able to defeat the opposition successfully. That is why, Museveni recommended that

114 Interview mit kibandwa Wairanga in Hoima, 9. April 2000. 115 Ebenda. 116 Vgl. Behrend, H.: Alice und die Geister. Krieg im Norden Ugandas.

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traditional rituals should not be abandoned.“117 Seit der Rückkehr des Königs hatte das Geistmedium Fortschritt und Entwicklung in Bunyoro festgestellt: „Indeed, it has been good to restore kingship, because when I compare the past and the present, there is a big change towards improvement. People are no longer killed as during Obote’s and Amin’s regime. There is development, people ride motorbics as if they were bicycles. […] Today, most can afford iron sheets.“118

Als Arzt wendete kibandwa Wairanga religiöse Praktiken an, die den Körper von den Irritationen auslösenden Geistern befreien sollten. Kopf und Körper konnten danach nur als Ganzes geheilt werden und prosperieren. Es nützte nichts, wenn er die Rituale ‚isoliert‘ auf seinem Hügel vollzog, ohne Beteiligung des Königs: „For a function, we all have to work hand in hand with the king. We cannot do it in isolation, because the sacrifices are done for his well-being, for his advantage and to the advantage and well-being of the people.“119

Auf diese Weise forderte er für sich und seine Gruppe eine Beteiligung an den Ressourcen des Königtums. Zunächst sollten es nur ein Bulle, vier Ziegen und vier Hühner sein. Als vollständig anerkannter kibandwa des Königs stand ihm jedoch mehr zu. Die baramansi am See hatten mit anderen Krisen zu tun als die bibandwa der Hügel. Sie bekämpften regelmäßig den Ausbruch von Cholera, für die sie Embandwa-Geister verantwortlich machten. Sie unterschieden stärker als die bibandwa der Hügel zwischen alten und neuen Naturgeistern. Wie mir ein muramansi erklärte, waren die ersten neuen embandwa mit „den Weißen“120 gegen Ende des 19. Jahrhunderts gekommen. Der zweite Angriff neuer Embandwa-Geister begann um 1979, dem Beginn des zweiten Obote-Regimes. In den genannten Fällen gab es eine Koinzidenz zwischen Attacken von Geistern, die lokal unbekannt waren, und lokalen Krisen, die durch Störungen von außen verursacht wurden. Am See waren die Dorfbewohner und ihre politischen Spitzen, die Local Councils, daher äußerst misstrauisch gegenüber Fremden.121

117 Interview mit kibandwa Wairanga in Hoima, 9. April 2000. 118 Ebenda. 119 Ebenda. 120 Interview mit dem muramansi in Kijangi am Albertsee, 18. April 2000. 121 In Kibiro führten meine Bemühungen, an einer Geistbesessenheitsseance teilzunehmen, zu Widerstand von Vertretern des Dorfes. Sie befürchteten, dass ich ihre Ge-

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Aber auch auf dem Plateau waren die Geistmedien vorsichtig. Sie hielten ihre Zeremonien und ihre Identität weiter geheim.122 Zwar war eine Veränderung durch das NRM-Regime eingetreten, weil es traditionelle Heiler durch Zertifikate rehabilitierte, wenn sie sich registrieren ließen, aber das Misstrauen gegenüber okkulten Praktiken der Embandwa-Medien war besonders unter den unabhängigen christlichen Bewegungen stark verbreitet. Beide Religionen standen in starker Konkurrenz zueinander. Besonders am See, wo die Embandwa-Geister und ihre Medien sich aufgrund der Abgelegenheit der Region stärker halten konnten als auf dem Hochland, rivalisierten sie mit wiedergeborenen Christen (balokole), mit den Anhängern Bisakas (baheresa) und mit charismatischen Gruppen von Katholiken (katwesengeresa) und Protestanten. Spirituelle Diskurse wurden auch aktualisiert, als 2006 am Albertsee das Ölfeld Waraga-1 entdeckt und das ugandische Ufer des Sees zur Explorationszone internationaler Ölfirmen wurde. Die königliche Regierung forderte einundfünfzig Prozent Anteil an den Profiten der Ölvermarktung. Um ihre Rechte zu legitimieren, argumentierten Repräsentanten des Königtums unter anderem, dass das Ölfeld ein ‚spirituelles Zentrum‘ zerstöre, an dem der Geist des BatembuziKönigs Waraga aus der ersten Dynastie Bunyoro-Kitaras (12. Jahrhundert) verehrt werde. Das Königtum forderte daher eine Kompensation.123

O RDNUNGSMACHT : P ALASTWACHE

UND

M ILIZ

Zur Reorganisation des Königtums gehörten Organisationen wie die Palastwache (babogora) und die Miliz (barusura). Sechs Soldaten der Presidential Protection Unit (PPU) des Staatspräsidenten bewachten den Omukama Tag und Nacht.

heimnisse preisgeben könnte, und verbaten dem muramansi, eine Seance durchzuführen, auch wenn sie, wie er sagte, keine ‚echte‘ Besessenheit werden würde, sondern mir nur zeigen sollte, wie er mit seiner Gruppe arbeitete. Obwohl die Mediengruppe komplett angereist war, lösten wir unsere Versammlung auf (Kibiro, 2. August 2000). 122 So war es mir nicht möglich, an einer Neumondzeremonie auf dem Hügel Wairanga teilzunehmen, weil der Hügel von Bahuma-Nomaden besetzt wurde. Ob dies der eigentliche Grund war, ist schwer zu sagen, vermutlich war entscheidender, dass ich als Außenstehende nicht an den Ritualen teilnehmen sollte. 123 „Huge new oil well in Albert“, in: New Vision, 23. Juli 2006; „Pay for oil site – Bunyoro“, in: New Vision, 4. August 2006; „Omukama appoints mineral minister“, in: Monitor Online, 31. Juli 2006, http://www.monitor.co.ug.

8. E RNEUERUNG

DER

C LANGESELLSCHAFT – O RDNUNG

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SUBJEKTE

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Beim Empango-Fest sorgten junge Männer, die die Funktion der babogora übernommen hatten, für Ordnung. Sie wurden unterstützt von Kindern und Jugendlichen, die Wache standen und Essen und Getränke verteilten, was den eigentlichen Sinn der Palastwache verharmloste. Die Jugendlichen trugen Keulen und dazu phantasievolle Uniformen. Über rote Baumwollstoffe hingen die Älteren eine Schärpe aus Rindenstoff, die Jüngeren suchten sich allerlei Kopfbedeckungen, die vom arabischen Fez bis zu den Second-Hand-Mützen, -Kappen und -Hüten vom globalen Markt reichten. Durch spielerisches Heranführen an die Aufgaben im Palast wurde den Kindern und Jugendlichen eine Möglichkeit der Teilnahme an den Performanzen des Jahresfestes geboten. Sie konnten sich über das Ereignis mit dem Königtum identifizieren und wuchsen als eine neue Generation von Akteuren heran. An ihrer Spitze stand ein Ältester des Bacwa-Clans, der Chef der Palastwache. 1994 war er mit Prinz Iguru von Masindi nach Hoima gezogen und seit der Inthronisation des neuen Omukama einer seiner engsten Berater. Finanziell musste der Chef der Palastwache sich, seinen polygynen Haushalt und seine einundvierzig Kinder vorerst selbst unterstützen. Er war Mechaniker und reparierte Kopier-, Schreib- und Nähmaschinen. Im Vergleich zu den jugendlichen babogora bestand die Miliz (barusura) aus einer Gruppe von erwachsenen Männern, die sich für die Verteidigung des Königtums organisiert hatten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren die barusura wie erwähnt eine gefürchtete Armee, an ihren Ruf knüpften die Männer an, die sich 1999/2000 zur Verteidigung des Omukama mit Lanzen, Buschmessern und Stöcken bewaffneten und vor dem Palast in Hoima kampierten. Den Ausschlag zur Sammlung von kampfbereiten Männern hatte der Streit mit der Lokalregierung um ebyaitu, die Besitztümer des Königtums gegeben. Nach der Demonstration für ‚unsere Dinge‘ verhängte der stellvertretende Resident District Commissioner einen Bann über alle Versammlungen. Sofort trafen sich ein Teil der Demonstranten und beschlossen, eine Armee zur Verteidigung des Omukama und des Königtums zu bilden. Der Führer der babogora erklärte mir: „The supporters of the kingship were upset by the D-RDC’s ban. They consider the restoration of kingship as part of the constitution and a popular vote of the people to whom the monarchy now belongs. The people gave their support for the kingship and therefore a representative of the Central Government can not come and declare a ban on all our activities and demands. After all the Deputy poses a threat to the restored kingship and there

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might be a plan to abolish the King once again. The people decided to form an army, without the king’s consent or initiative.“124

Im Kampf um die Besitztümer des Königtums griffen die Unterstützer des Königtums nach sechs Jahren (2000) zu radikaleren Mitteln als zu Beginn der Retablierung (1994). Der Omukama durfte sich nach den Regeln der neuen Konstitution nicht militärisch oder politisch engagieren, also überließ er es seiner Gefolgschaft, eine Miliz zu gründen. Der Chef der Palastwache erklärte mir: „The kingship is ours. We know how to protect the king. Kingship is for the people. […] The people are organising themselves to see whether the [new] constitution is working or not.“125 Wenn der Omukama den Palast verließ, übernahm ein staatlicher Leibwächter zusammen mit einem murusura seinen Schutz. Allerdings setzte sich Omukama Iguru zum Ärger seiner Untertanen auch über diese Maßnahmen hinweg, wenn er keine offiziellen Aufgaben erfüllte. Einer der wenigen Angestellten des Königtums, der Programme-Manager eines ‚Population-and-Advocacy‘-Programms erklärte: „We have a problem with our king. He is a hardworking man, we like him very much, but he likes to do everything by himself. The people don’t like him to do everything by himself. He likes to go out to his farm and see his cattle.“126

Auch der König musste von seinen Ministern und Angestellten sowie von den Regaliahütern diszipliniert werden und sich erst einmal als König konstituieren. Die Herrschaft des Königs war nicht bedingungslos, sondern wurde über die Clane vermittelt, die seine Regalia hüteten und seine Rituale ausführten. Ohne Objekte, Objekthüter und Rituale war der König machtlos. Diese Sicht der Dinge stand in starkem Gegensatz zu einer modernen Lebensweise, die der neue König und manche seiner Regierungsbeamten pflegten. Sie waren in vielen Dingen nicht kontrollierbar oder machten sich frei von Kontrollen und Ritualen.

Z USAMMENFASSUNG Ich habe in diesem Kapitel gezeigt, wie mit der Retablierung des Königtums der Versuch unternommen wurde, ein Ordnungs- und Repräsentationssystem herzu-

124 Interview mit Kassim Rubenda, Hoima, 10. Mai 2000. 125 Ebenda. 126 Interview mit Mwirumubi Mutagaywa, Hoima, 10. März 2000.

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stellen, das es in der Form noch nicht gegeben hatte und zugleich in Ansätzen und in der longue durée schon gab. Es handelte sich um eine Reorganisation der Clangesellschaft und der Clanordnung, die nie fest und unveränderlich, sondern immer fragil und in Bewegung gewesen war. Historisch bildeten Clane Einheiten und lösten sich von Einheiten in Untereinheiten. Sie bildeten kein homogenes Ganzes, sondern immer Fragmente, die die Ordnung im Königtum BunyoroKitara mitbestimmten. Der König hatte die Aufgabe, die Fragmente zu einigen und als Symbol der Einheit diese Ordnung zusammen mit den Vertretern der Clane zu garantieren und zu repräsentieren. Ein Ort der Repräsentation war der Palast, und ein Ereignis waren die königlichen Rituale. Um diese Ordnungsstruktur am Ende des 20. Jahrhunderts wieder herzustellen und das Königtum als sozialen Körper zu stützen, erließ die königliche Regierung ein Programm zur Revitalisierung der Clane. Parallel dazu unterstützte sie die Institutionalisierung eines Obersten Rates der Clane. Das Programm zur Organisation der Clane und die Institution zur Organisation der Clanführer wurden Teil des neuen Machtapparates, der sich mit der Rückkehr des Königtums zögerlich formierte. In der Bevölkerung stieß die Reorganisation der Clane einerseits auf Ablehnung, weil sie von vielen Clanmitgliedern als eine Belastung ihrer Ressourcen betrachtet wurde. Andererseits wurde sie begrüßt, weil sie eine moralische, soziale und ökonomische Erneuerung versprach. In der neuen Ordnung dominierten Mitglieder der Elite, die ihre formale Bildung noch durch das koloniale System erhalten hatten, und Älteste, die das Königtum während der Kolonialzeit erfahren hatten. In einem dialektischen Prozess handelten sie die Bewahrung und die Modernisierung der Traditionen aus. Dabei kam es innerhalb der Clane zu Dissensen über die Verteilung der Ämter und Aufgaben, zwischen den Clanen über die Verteilung der Ressourcen für Aufgaben und Ämter sowie zwischen den Clanmitgliedern und den Mitgliedern der königlichen Regierung über die Notwendigkeit der Rituale und über die Vergabe der Ämter. Diese Dissense schlossen aber eine Beteiligung an der Macht im Königtum nicht aus. Im retablierten Königtum konstituierten sich die Subjekte wieder als Clanmitglieder, als rituelle Experten und als Regaliahüter. Sie taten dies über ihre Performanz in den königlichen Ritualen und in den neuen Medien, das heißt durch das Umsetzen des Wissens, das sie besaßen. Alte Medien (Geistmedien) forderten trotz eines allgegenwärtigen christlichen Diskurses eine Rückkehr zur rituellen Praxis der Geisterkulte, um auch die kosmische Ordnung zu erneuern und um Probleme zu beseitigen.

9. Das Empango-Fest Rituelle Erneuerung und Medialisierung

In den vorangegangenen Kapiteln habe ich die Nachfolge und Legitimation des Königs, die Rückgabe der königlichen Besitztümer und die Konstituierung der königlichen Subjekte als Mitglieder einer Clangesellschaft untersucht. Ich möchte nun zeigen, wie im Kontext der Rivalität von christlichen und nichtchristlichen Diskursen die Rückkehr des Königs und die Erneuerung des Königtums zwischen 1994 und 2000 performativ und medial umgesetzt wurden.1 In Anlehnung an die neuere Performanzforschung habe ich ein Fest als Untersuchungsgegenstand gewählt.2 In Bunyoro-Kitara ist das Empango-Fest das zentrale rituelle Ereignis, an dem die Erneuerung des Königtums und das Krönungsjubiläum gefeiert werden. Als Krönungsfest von Omukama Solomon Iguru

1

Mit Performanz meine ich sowohl die Ausführung von Sprechakten im Sinne John Austins als auch die inszenierte und gerahmte Aufführung von rituellen Handlungen im Sinne Victor Turners. Der Begriff ‚Medialität‘ bezieht sich auf die Verkörperungsbedingungen von Aussagen in den ihnen verfügbaren Medien, während ‚Medialisierung‘ die Verfahren der Sichtbarmachung von Diskursen und Praktiken meint. Vgl. den Band Wirth, Uwe (Hg.): Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaft, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2002; Hartmann, Frank: Medien und Kommunikation, Wien: Facultas 2008, S. 96.

2

Guss, David: The Festive State. Race, Ethnicity, and Nationalism as Cultural Performance, Berkeley: University of California Press 2000; Werbner, Richard: Ritual Passage, Sacred Journey. The Process and Organization of Religious Movement, Washington DC: Smithsonian Institution Press 1989, S. 149 ff.; Salzbrunn, Monika: „The Feast as Marginal Politics. Carnival as a Mode of Expression in Migration“, in: Henn, Alexander/Köpping, Klaus P. (Hg.): Rituals in an Unstable World, Frankfurt am Main: Lang 2008, S. 151-170.

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Gafabusa hatte es 1994 eine machtkonstituierende Wirkung. Seither ist es zu einem Medienereignis geworden, bei dem das Königtum unter Beteiligung von Kirche, Staat, Medien und Gesellschaft zyklisch erneuert und rituell transformiert wird. Im kosmologischen Kontext ist das Empango-Fest ein Fest der Fruchtbarkeit. Es gleicht darin den Neumondfesten, die aufgrund des hegemonialen christlichen Diskurses seit der Rückkehr des Königtums nur im Geheimen stattfinden, weil sie an die lokalen Geisterkulte anknüpfen. In diesem Kapitel möchte ich daher untersuchen, ob sich christliche und kosmologische Diskurse und Praktiken ausschließen oder verbinden und wie diese Prozesse medialisiert, also sichtbar gemacht werden. Als ein diskursives Ereignis konstituiert das Fest Aussagen über das Königtum. Mit Foucault gesprochen ist eine Aussage zwar einzigartig wie jedes Ereignis, aber im Gegensatz zu einer Äußerung steht sie der Wiederholung, der Transformation und der Reaktivierung offen.3 Keine Aussage ist somit gleich. Aufgrund der veränderten Materialität der Aussage – worunter ihre Substanz, ihr Medium, ihr Datum und ihr Ort zu verstehen sind – erhält sie eine jeweils andere, zumindest veränderte Identität.4 Wenn sich die Materialität der Aussagen ständig ändert, worin besteht dann ihre Machtwirkung? Um diese Frage zu beantworten, wende ich mich den Ritualen und Sprechakten zu, die während des Festes vollzogen werden. Bei der Untersuchung der während des Festes vollzogenen performativen Akte lassen sich drei charakteristische Verläufe beobachten: der Wechsel zwischen geheimen und öffentlichen Praktiken, der zwischen christlichen und nichtchristlichen Diskursen und der zwischen den verwendeten Medien. Sie alle können hybride Formen annehmen. Diskursanalytisch frage ich also, welche Aussagen das Fest hervorbringt und welche Machtwirkungen ihr Wechsel und ihre Transformationen erzeugen. Medienanalytisch interessiert mich, in welchen Medien sich diese Aussagen verkörpern und unter welchen Bedingungen sie medialisiert werden. Meine Definition von ‚Medium‘ schließt sich an neuere Überlegungen in den Medienwissenschaften und in der Ethnologie an, wonach ‚alles‘, auch der Mensch, zu einem Träger von Zeichen werden kann.5 Entscheidend ist, dass ein Medium Übertragungs-, Speicher- und Transformationsfunktionen besitzt. Ich schränke den Medienbegriff also nicht auf ‚technische Medien‘ ein, sondern erweitere ihn auf Dinge und Personen, die im Sinne Alfred Gells Handlungsmacht (agency) ausüben und Handlungsmacht

3

Foucault, M.: Archäologie des Wissens, S. 44.

4

Ebenda, S. 147.

5

Hartmann, F.: Medien und Kommunikation, S. 96-97.

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(patienthood) erfahren können.6 Für die Analyse der Medialisierung und Medialität von politischen und rituellen Performanzen, darauf hat der Medienwissenschaftler Friedrich Balke hingewiesen, ist es wichtig, ihre Funktion wie auch ihre Störungen, blinden Flecken und Widerstände zu zeigen.7 Ein weiteres Merkmal des Festes ist seine unregelmäßige Performanz. Seit der Krönung des Königs 1994 konnte es nur zweimal öffentlich wiederholt werden. Seit 2000 fanden die Feste regelmäßig statt, weil, wie ich erklären werde, einige wichtige Bedingungen für seine Performanz erfüllt wurden.8 Foucault zufolge ist Geschichte nicht als kontinuierlicher Prozess, sondern als das diskontinuierliche Auftauchen von Ereignissen und Serien von Ereignissen zu verstehen.9 Welche Aussage lässt sich vor diesem Hintergrund über die unregelmäßige Performanz des Empango-Festes treffen? Bisher gibt es keine aktuellen Veröffentlichungen zum Empango-Fest. Historische Texte aus den Jahren 1923, 1937 und 1947 beschreiben die Rituale der Krönung und die täglichen Rituale, die der König von Bunyoro-Kitara in der Vergangenheit durchzuführen hatte. Um die Veränderungen zu zeigen, komme ich auf die historischen Texte in meiner Analyse der Feste 1994 und 2000 zurück. Methodisch wende ich mich zunächst dem Krönungsfest von 1994 zu und verwende dabei unveröffentlichtes Material über den ökumenischen Krönungsgottesdienst, das ich durch die Analyse von Interviews und Gesprächen ergänze. Ich verlasse dann die zeitliche Ebene des Krönungsfestes und gehe zum Empango-Fest 2000 über, um auf eigene Beobachtungen zurückgreifen zu können.

R ITUAL

UND

P ERFORMANZ

Rituale sind zentrale diskursive Gegenstände in der Anthropologie der Königtümer, denn durch ihre Performanz wird symbolisches Handeln erfahrbar. Insbe-

6

Gell, A.: Art and Agency, S. 12-27. Vgl. die Positionen des Kulturwissenschaftlichen Forschungskollegs ‚Medien und kulturelle Kommunikation‘ der Universität zu Köln, dem ich 2007 angehörte: Balke, Friedrich: „Medien und Verfahren der Sichtbarmachung. Positionen eines Forschungsprojektes“, in: Transkriptionen. Newsletter des Kulturwissenschaftlichen Forschungskollegs „Medien und kulturelle Kommunikation“, Schwerpunkt Evidenz 5, 2005, S. 2-4.

7

Balke, F.: „Medien und Verfahren der Sichtbarmachung“.

8

Als im Jahr 2000, kurz vor dem Ende meiner Forschungszeit, ein Empango-Fest statt-

9

Ebenda, S. 14-18.

fand, hatte ich die Gelegenheit, daran teilzunehmen.

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sondere königliche Rituale zeigen, wie säkulare in sakrale Macht transformiert wird.10 Solche Rituale bringen Vorstellungen von der Idee des Königtums zum Ausdruck, legitimieren den Nachfolger des Königs und vermitteln dem Publikum und den Akteuren eine gemeinsame Identität.11 In der Anthropologie gibt es eine Tradition, rituelle Praktiken als Handlungen zu interpretieren, die die soziale Struktur und den sozialen Zusammenhalt festigen. Diese Durkheim’sche Sicht des Rituals schließt jedoch die liminale Funktion des Rituals aus, auf die Victor Turner seine Theorie des sozialen Dramas gründete.12 Rituale können die soziale Kohäsion einer Gesellschaft infrage stellen, zumindest können sie diese Ordnung verändern. Im Strukturfunktionalismus blieben Rituale tendenziell die systemstabilisierenden Ereignisse, die sie auch für Durkheim waren. Für den britischen Sozialanthropologen John Beattie waren die königlichen Rituale in Bunyoro-Kitara konventionelle Handlungen zur Rechtfertigung, Übertragung und Formalisierung der politischen Macht des Königs.13 Zwar sind Rituale in der Regel formalisierte und ideologische Konstrukte, die Macht legitimieren, sie lassen sich aber nicht auf einen einzigartigen Ablauf festlegen, sondern werden immer wieder in Teilen neu erfunden und verändert.14 Stanley Tambiah hat Ri-

10 Gluckman, Max: „Rituals of Rebellion in South-East Africa“, in: ders. (Hg.): Order and Rebellion in Tribal Africa, London: Cohen & West 1963, S. 110-136; Beidelman, Thomas O.: „Swazi Royal Ritual“, in: Africa 36 (1966), S. 373-405; Geertz, Clifford: Negara. The Theatre State in Nineteenth-Century Bali, Princeton, NJ: Princeton University Press 1980; Gilbert, Michelle: „The Person of the King. Ritual and Power in a Ghanaian state“, in: Cannadine, David/Price, Simon (Hg.): Rituals of Royalty. Power and Ceremonial in Traditional Societies, Cambridge: Cambridge University Press 1992 [1987], S. 298-330; Bloch, Maurice: „The Ritual of the Royal Bath in Madagascar. The Dissolution of Death, Birth and Fertility into authority“, in: Cannadine, D./Price, S. (Hg.): Rituals of Royalty, S. 271-297; Beattie, J.: „Rituals of Nyoro Kingship“; Cannadine, David: „The Context, Performance and Meaning of Ritual. The British Monarchy and the ‚Invention of Tradition‘, c. 1820-1977“, in: Hobsbawm, E./Ranger, T.: The Invention of Tradition, S. 101-164. 11 Vgl. Gore, Charles: „Ritual, performance and media in urban contemporary shrine configurations in Benin City, Nigeria“, in: Hughes-Freeland, Felicia (Hg.): Ritual, Performance, Media, London: Routledge 1998, S. 66-84, hier: S. 66. 12 Turner, Victor: Vom Ritual zum Theater. Der Ernst des menschlichen Spiels, Frankfurt am Main: Campus 1982. 13 Beattie, J.: „Rituals of Nyoro Kingship“. 14 So hat Maurice Bloch die interessante Frage debattiert, in welchem Verhältnis ritualisierte Sprache und Macht stehen. Bloch geht davon aus, dass die Formalisierung der

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tuale als „kulturell konstruierte Systeme symbolischer Kommunikation“ verstanden, die durch Formalität (Konventionalität), Stereotypie (Rigidität), Verdichtung (Verschmelzung) und Redundanz (Wiederholung) charakterisiert sind. Er erkannte wohl, dass „Kreativität und Variabilität in der ‚Produktion‘ von Ritualen als Performanz“ möglich sind, ordnete diese Möglichkeiten aber einem Kern konventionalisierter Formeln unter.15 Mit der performativen Wende in den Kulturwissenschaften trat der dynamische und performative Charakter von Ritualen in den Vordergrund, den ich auch in diesem Kapitel verfolgen werde. In der neueren Ritualforschung steht weniger die Sprachtheorie, an die Tambiah anknüpft, als das kreative und transformative Potenzial von Ritualen und kulturellen Performanzen im Mittelpunkt des Interesses. So machen William Arens und Ivan Karp darauf aufmerksam, dass königliche Installationsrituale und Erneuerungsfeste einen Versuch darstellen, die Mächte des Universums zu binden und in Fähigkeiten zu transformieren, die einen Amtsinhaber charakterisieren.16 Rituelle Handlungen bringen Bereiche zusammen, die für gewöhnlich auseinandergehalten werden. In diesen Handlungen liegt immer die Gefahr des Scheiterns. Deswegen werden rituelle Experten gebraucht, die das notwendige Wissen besitzen, um solche Handlungen erfolgreich durchzuführen. Obwohl Rituale also teilweise einen redundanten und formalisierten Charakter haben, betrachte ich sie mit Ursula Rao auch als Sichtbarkeitsfelder von Innovationen und als Erfahrungsfelder von Transformationen. Sie erzeugen Fiktionen und machen Utopien und Machtansprüche sichtbar. Sie können als „Aushandlungsort[e] für umstrittene und ambivalente gesellschaftliche Veränderungen“17 betrachtet werden. Der transformative Aspekt des Rituals tritt während des Empango-Festes deutlich zum Vorschein und soll genauer bestimmt werden. In der Analyse des Empango-Festes wende ich mich folglich wieder den nichtdiskursiven Praktiken zu und unterscheide zwischen solchen, die sichtbar, also öffentlich werden, und solchen, die geheim, also unsichtbar

rituellen Sprache erst die Macht der rituellen Autoritäten begründet. Sein Argument ist freilich zu formalistisch, um den innovativen Teil von Ritualen erklären zu können. Vgl. Bloch, Maurice: „Symbols, song, dance and features of articulation. Is religion an extreme form of traditional authority?“, in: Archives Europeenes Sociologiques 15 (1974), S. 55-81. 15 Tambiah, Stanley J.: „Eine performative Theorie des Rituals“, in: Wirth, U.: Performanz, S. 210-242, hier: S. 233. 16 Arens, William/Karp, Ivan (Hg.): Creativity of Power. Cosmology and Action in African Societies, Washington/London: Smithonian Institution Press 1989, S. xviii. 17 Rao, U.: „Ritual als Performanz“, S. 351.

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bleiben.18 In Anlehnung an Michel Foucault möchte ich diesbezüglich von Einund Ausschlussverfahren des christlichen Diskurses sprechen; die sichtbaren Praktiken sind durch den christlichen Diskurs legitimiert, die geheimen Praktiken werden paganisiert und so wiederum in die Geheimhaltung verdrängt. Es findet eine Zensur statt, die vor allem die traditionellen Medien trifft, da sie von den Kirchen und von fundamentalistischen Christen nicht in der rituellen Praxis toleriert werden. Was geschieht aber, wenn alte und neue Medien aufeinandertreffen, wie es beim Empango-Fest der Fall ist? Doch zunächst möchte ich den Begriff und das Konzept von empango erklären.

S EMANTIK

UND

F UNKTION

VON

E MPANGO

Wenn von empango die Rede ist, so als eine Referenz auf das Fest der königlichen Inthronisation, auf die Trommel des Königs und auf den königlichen Tanz. Das semantische Feld des Begriffs fasst die multimediale und polymorphe Struktur der königlichen Rituale zusammen. Rituale, Trommel und Tanz werden in diesem Fest als alte Medien eingesetzt, die die Erneuerung des Königtums kommunizieren, inszenieren und performieren. Empango leitet sich möglicherweise von dem Verb kuhanga (‚erschaffen, gestalten‘) ab. In königlichen Grußformeln und zur Bezeichnung königlicher Regalia wird häufig das Attribut -hango verwendet. Es lässt sich am besten mit ‚hoch, groß, unglaublich‘ übersetzen wie in ‚Kahangirize Agutamba‘ (‚Hoch lebe der König/Heiler‘). Speere,

18 In jüngster Zeit hat Clara Himmelheber das Krönungs- und das Hochzeitsfest des kabaka von Buganda als Medien- und Marketingereignis untersucht. In ihrer Studie kommt sie zu dem Schluss, dass über die soziale, kommerzielle und mediale Einbindung der königlichen Regalia in eine global agierende Baganda-Gesellschaft eine vielschichtige, zwischen Tradition und Moderne oszillierende Identität und Ethnizität konstruiert wird. Von der Beschreibung der Feste her lässt sich eine große Übereinstimmung der Ereignisstruktur, der Diskursformationen und der medialen Strukturen mit dem Krönungs- und Jubiläumsfest in Bunyoro-Kitara erkennen. Allerdings sind die Dimensionen des Ereignisses, der eingesetzten Mittel und Medien ungleich größer als in Bunyoro-Kitara, das im Vergleich zu Buganda nur schwach in der globalen Diaspora vernetzt ist. In Abgrenzung zu Himmelhebers objektzentrierter Studie möchte ich das Fest als kosmologisch und rituell strukturiertes Ereignis untersuchen und erklären, wie die gesellschaftliche und kosmische Ordnung des Königtums rituell erneuert wird und wie sich dabei alte und neue Medien in ihrer Wirkung verschränken.Vgl. Mayer-Himmelheber, C.: Die Regalia des Kabaka von Buganda.

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Schüsseln, Mahlzeiten und andere königliche Dinge sind ruhango (Sg.) beziehungsweise mahango (Pl.). Die Empango-Trommel gilt als Sitz und Stimme königlicher Macht. Ihrer Akustik und ihrer Perkussion, ihrem Geschlagen-Werden, kommt dabei eine Medialität zu, die in westlichen Gesellschaften vorwiegend das Visuelle und Schriftliche haben. Die menschliche Sprache wird akustisch in die Trommelsprache transkribiert. So schrieb bereits der Ethnograf John Roscoe: „The drum was thus equivalent to wireless telegraphy, carrying messages far and wide and as quickly as sound travels.“19 Roscoe beschreibt den zeremoniellen Gebrauch der königlichen Trommeln in Bunyoro-Kitara in den 1920er Jahren und in der vorkolonialen Zeit als Behälter von Fetischen, einige in phallischer Form, die durch Menschenblut sakralisiert wurden. Auch in Tempeln von Geisterkulten seien solche Trommeln zu finden gewesen.20 Mit den Rhythmen, den Fetischen und der Stimme der Trommel wurde Roscoe zufolge der legitime Besitz von Macht assoziiert. Er schreibt: „[I]t was said when a chief was given a new office, that he had ‚eaten the drum‘, meaning he had been promoted.“21 Die Trommel wurde metaphorisch ausgedrückt ‚gegessen‘ und vom Herrscher als Machtobjekt einverleibt. Sie gab dann kund, was er wollte oder tat. Da sich der Rhythmus der Trommelschläge der Struktur der Sprache anpasst und so Informationen übertragen kann, ist die Trommel wie die menschliche Stimme ein performatives Medium.22 Die Akteure und das Publikum des Empango-Festes legten Wert darauf, dass die ‚Stimme‘ der Empango-Trommel ‚gut und mächtig‘ klang, als sie ihren Auftritt hatte. Auf diese Weise legitimierte sich die Macht des Königs, der das Objekt in Besitz nahm. Dies galt auch, wenn die Trommel von einem Regaliahüter wie dem omuhaguzi geschlagen wurde. Die Empango-Trommel besaß in den königlichen Ritualen eine Führungsfunktion. Sie ging in allen Prozessionen voran und war das führende Instrument in den bereits erwähnten königlichen Orchestern aus Trommeln, Hörnern und Trompeten. Der Empango-Tanz begleitete die musikalische Performanz und involvierte das Publikum in das Geschehen, sobald die Empango-Trommel zum Tanz aufrief. Er wurde von den Männern eher gehüpft als getanzt. Frauen bewegten sich schwankend dazu. Beide richteten sich nach dem Rhythmus der Trommeln und Hörner, die ein bestimmtes Tempo nicht überschreiten durften. Je getragener die Musik spielte, desto würdevoller konnten die Tänzer sich bewe-

19 Roscoe, John: Twenty Five Years in East Africa, Cambridge: Cambridge University Press 1921, S. 156-57. 20 Ebenda, S. 157. 21 Ebenda. 22 Epping-Jäger, C./Linz, E. (Hg.): Medien/Stimmen, S. 11.

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gen. Die Freude über die Erneuerung des Königtums wurde mit einer disziplinierten Körpertechnik ausgedrückt. Der ruhige Empango-Tanz steht dabei im Kontrast zu den schnellen Körperbewegungen der populären Kinyoro-Tänze. Er schafft einen Klang- und Bewegungsraum, der mit den Vorstellungen von einer kosmischen Ordnung und von den transzendenten Kräften, die an der Performanz teilnehmen, in Einklang steht. Der Anthropologe John Janzen hat die Trommel als ein therapeutisches Medium betrachtet, das in Heilungsritualen eingesetzt wird. In diesem Zusammenhang spricht er von ‚Ngoma‘ als einem Konzept von ritueller Heilung, das in ganz Afrika südlich der Sahara verbreitet ist.23 Auch wenn Janzen sich ausschließlich auf die heilende Kraft der Performanz durch Trommeln und Gesänge konzentriert und die zerstörerische Kraft dieser Performanz vernachlässigt, halte ich seinen Ansatz für sehr fruchtbar. In Bunyoro-Kitara alarmiert die Trommel nach emischen Vorstellungen Geister, cwezi und embandwa, die für eine Krankheit verantwortlich gemacht und gerufen werden, um sie zu besänftigen.24 In den königlichen Ritualen wird die Empango-Trommel wie in den lokalen Geistbesessenheitsseancen von anderen Trommeln und Makondere-Hörnern begleitet. Zugleich bekommt der König, wenn er die Trommel schlägt, im lokalen Verständnis okkulte Kräfte übertragen und wird so zum Heilen wie zum Hexen befähigt. Das Gleiche gilt, wie ich später anhand eines Beispiels zeigen werde, für seine Stellvertreter, die während des Empango-Festes die Trommel schlagen. Die Empango-Musik und der Empango-Tanz können folglich als Medien betrachtet werden, die die Fähigkeit des Königs zur Transformation von Macht reaktivieren. Durch den Einsatz verschiedener alter und neuer Medien in den königlichen Ritualen wird so der Übergang von einer verarmten zu einer prosperierenden Gesellschaft initiiert. Der König trägt den Titel Agutamba, was so viel bedeutet wie ‚dasjenige, was heilt‘. In den königlichen Ritualen ist er keine Person, sondern eine überpersönliche Macht, die zur Heilung beiträgt. Sein zweiter Titel Rukirabasaija (‚dasjenige, was über allen Männern steht‘) kennzeichnet ihn als politische Autorität, die über seinen Beamten und chiefs steht. Der dritte Titel Omukama bezeichnet sein Amt als ‚Melker‘, der für die Reproduktion in der Ge-

23 Janzen, John M.: Ngoma. Discourses of Healing in Central and Southern Africa, Berkeley: University of California Press 1992. 24 Die Trommel kann auch umgekehrt eingesetzt werden und die Menschen wegen der Tätigkeit der Geister alarmieren. So traf ich am Mwitanzigesee einen Heiler, der ein führendes Geistmedium im alten Handelszentrum Kibiro war. Er ließ die Trommel schlagen, sobald sich Krankheiten wie die Cholera am See ausbreiteten.

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sellschaft zu sorgen hat. Produktiv heilsame und repressiv zerstörerische Macht sowie Fruchtbarkeit bilden daher die legitimen Herrschaftsbedingungen des Königs. Diesen Bedingungen wird auch der ‚moderne König‘, wie ihn Omukama Solomon Iguru verkörpert, nur gerecht, wenn er die königlichen Rituale praktiziert. Empango ist ein rituell verdichteter, medialer Begriff, eine Kurzformel für die Transformation von Macht, die Inthronisation des Königs und die damit verbundene zyklische Erneuerung der gesellschaftlichen und moralischen Ordnung des Königtums.

D IE K RÖNUNG 1994 Als Omukama Solomon Iguru 1994 zum König von Bunyoro-Kitara gekrönt wurde, war dies zugleich eine Performanz der rites de passage für den Übergang des Prinzen in einen neuen Status und der Initiation in das Amt des Königs. Es war das konstituierende Ereignis der Rückkehr des Königtums. Ich beziehe mich in meiner Darstellung auf die Aussagen und Dokumente, die ich von einigen Akteuren der Krönungsrituale erhielt. Dazu gehört auch eine Kopie des ökumenischen Gottesdienstes „Joint Service on the Occasion of the Coronation of Omubiito Solomon Gafabusa Iguru on 11th June, 1994“, der in der protestantischen Kathedrale St. Peter von Hoima stattfand. Einer meiner Informanten, Lenard Kitalibara, besaß ein gut besuchtes Fotostudio in der Stadt Hoima. Er gehörte dem Basita-Clan an, der seit der Krönung einige der wichtigsten Ämter im Königtum übernommen hatte. Lenard Kitalibara zählte zu den Akteuren, die die Empango-Trommel im Laufe des Festes schlagen durften. Er war auch 2000 einer der Hauptverantwortlichen für die Durchführung der Rituale. Vor dem Krönungsfest hatte er einen Text geschrieben, der über Radio Uganda in Kampala veröffentlicht und gesendet wurde. In diesem Text listete er die wichtigsten Rituale chronologisch auf. Für detailliertere Informationen riet er mir, John Nyakaturas Beschreibungen in der Historiografie Abakama ba Bunyoro-Kitara (‚Könige von Bunyoro-Kitara‘) zur Hilfe zu nehmen. Die Intertextualität zwischen dem historischen und dem neu verfassten Text war beabsichtigt, weil Nyakaturas Geschichtsschreibung über BunyoroKitara als authentische Quelle galt. Das gesamte Krönungsfest 1994 erstreckte sich über vier Tage. An den beiden ersten Tagen fanden die Zeremonien in der Kirche und im Palast des Königs statt. Der dritte Tag gehörte dem Wahrsager omukonda karongo und der vierte Tag der Königinmutter. Insgesamt hätte das Fest neun Tage umfassen sollen, da die Zahl Neun den Segen der Cwezi-Geister brachte. Diese Dauer war aber, wie

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bereits erwähnt, nicht mehr in Einklang zu bringen mit einer modernen Zeitplanung und mit den Kosten, die durch das Fest entstanden. Die Initiationsrituale des neuen Königs begannen mit seiner Seklusion und mit Reinigungsriten, dann folgten Rituale der Transformationen, die sich vor allem auf den königlichen Körper bezogen, und schließlich Rituale der Reintegration, die sein neues Amt und seine sakrale Macht bestätigten. Die Inthronisation des neuen Königs lässt das Dreierschema der rites de passage von Separation, Übergang und Reintegration erkennen.25 Allerdings ist das von Arnold van Genneps entwickelte Modell zu schematisch, weil immer wieder Reinigungsriten und Installationsrituale zwischengeschaltet werden. Seklusion und Liminalität Die Seklusion des zukünftigen Königs sollte im Haus eines Mutterbruders (nyinarumi) stattfinden. Für diese Funktion stand jedoch 1994 noch keine geeignete Person zur Verfügung, sodass der Prinz von seiner Mutter betreut wurde. In dieser Phase galt er als ‚mutongole‘ (‚jemand, der zu etwas Besonderem gemacht wird‘), wie eine Braut, die durch Körperreinigungen und Seklusion auf ihre Hochzeit vorbereitet wird. Um drei Uhr in der Früh holte der Palastchef (bamuroga) den Prinzen ab. Auf den Schultern eines Mitglieds des BafumabogoClans wurde er zu einem Hügel (kaswa) vor dem Palast getragen, wo weitere rituelle Experten auf ihn warteten. Am Haupttor opferten die beiden Wahrsager Kasohera und Nyakoka einen weißen Bullen und einen weißen Hahn. Bamuroga, der Palastchef, rief: „I have brought your king.“ Dann betete der Zeremonienmeister omupanyarwa: „Oh God of Gods, who produced kings, oh God of the sky and the earth, I have brought this king to be enthroned. Let the royal drum refuse to speak if he is not fit to be king or if he is not the rightful heir to his father’s and grandfather’s throne.“26

25 Turners Analyse der Struktur und Antistruktur von Ritualen geht unter anderem auf Arnold van Genneps Arbeiten über die ‚rites de passage‘ zurück, zu denen van Gennep auch die Initiationsrituale von Königen zählte. Vgl. Gennep, Arnold van: Übergangsriten [Les rites de passage], Frankfurt/New York: Campus 1999, S. 70 f. 26 Vgl. Nyakatura, J.: Abakama (Kings) of Bunyoro-Kitara, Neuauflage, S. 194. 1994 lautete dieses Gebet in den traditionellen Ritualen „Ayi, ayi Nkya ya Nkya ruzaara bagabe ayi Nyamuhanga wa haiguru na haisi ndeesere omukama onu kujumura empango ya ise. Baitu obu araaba atasemeriire kandi engoma enu etali ya ise na

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Die englische Übersetzung ist sinngemäß und nicht wörtlich zu verstehen. ‚To be enthroned‘ ist eine Bedeutung von ‚kujumura empango‘. Wörtlich bedeutet dies ‚to turn the drum right up‘. Beim Tod eines Omukama wurde die königliche Trommel auf den Kopf gestellt, damit sie verstummte. Erst sein Nachfolger durfte sie wieder umkehren und musste sie dann zum Sprechen bringen. Die genealogische Verkettung und Metaphorik deutet an, dass die ‚Stimme‘ der Trommel der Übertragung und Medialisierung spiritueller Macht diente und die ‚Stimmen‘ der königlichen Ahnen in der Performanz ausdrückte.27 Doch bevor er die Trommel schlug, musste der Thronfolger über das Blut der Opfertiere (ebihongwa) springen. In dieser Phase, die mit Victor Turner als ‚liminal‘ bezeichnet werden kann, wurde seine Legitimation als König geprüft.28 Nach Austin können Performanzen misslingen und gelten dann als ungültig.29 So konnte auch den Initiationsprozess ein zufälliges Ereignis zum Scheitern bringen. Die rituelle Situation war daher gefährlich. Prinz Iguru betrat nach gelungener Prüfung das Haupthaus des Palastes und überschritt dort einen Elefantenzahn. 1994 handelte es sich dabei um eine Attrappe aus Papyrus. Auch in dieser Form war sie ein wichtiges Element im rituellen Prozess, weil sie den sakralen Raum des Königs vom öffentlichen Raum abgrenzte. Die rituelle Performanz war entscheidend, wobei das rituelle Objekt eine symbolische Funktion besaß und imaginiert oder kopiert werden konnte. Dann wurde ihm nyalebe, eine der Trommeln der Bacwezi, gereicht, die er nun zum Sprechen bringen musste. Nachdem ihn der Hüter der Trommel in den richtigen Rhythmus eingeführt und er diesen neun Mal ausgeführt hatte, setzte ihn der Zeremonienmeister auf den neunbeinigen Thron (nyamyarro). Mit diesem Akt wurde der Prinz als König anerkannt. Er war jedoch noch nicht vollständig initiiert, da ihm noch einige rituelle Objekte, Schwüre und Vorkehrungen fehlten. In der darauffolgenden Nacht durfte sich der neue König nicht umdrehen. Auch durfte er nicht sprechen. Um drei Uhr in der Früh begann seine Vorbereitung auf die Installationsrituale. Die rituellen Räume für diese Vorgänge waren 1967 zerstört und nicht wieder renoviert worden. Die Rituale wurden daher in Provisorien durchgeführt. Sie begannen mit einem Bad und Reinigung sowie der Einkleidung in Rindenstoffe, Sandalen und Perlen um Füße, Handgelenke und

isenkuru obu arataaha omu kikaali emururumire noobu araagitoma ayezinde etatoma.“ (Information Lenard Kitalibara, Hoima, 16. März 2000.) 27 Vgl. Behrend, H.: „Geisterstimmen in Afrika“, S. 88-89. 28 Turner, V.: Das Ritual, S. 95. 29 Austin, John: „Zur Theorie der Sprechakte. Zweite Vorlesung“, in: Wirth, U.: Performanz, S. 63-71, hier: S. 64.

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Nacken, sodass sein Körper durch Rindenstoffe, Sandalen und Perlenketten völlig vor äußeren Einflüssen geschützt war. Lediglich der Kopf war noch nicht von einer Krone bedeckt. Der Zeremonienmeister betete erneut: „Oh Nyamuhanga, oh Kazooba, Kahangi, protect this Omukama so that he can be exalted, so that he can become wealthy, have children and become old.“30 Die Namen der indigenen Götter Nyamuhanga, Nkya, Kazooba und Kahangi gehen, wie die Historikerin Renee Tantala zeigen konnte, auf eine kosmische Raumaufteilung und auf göttliche Aspekte des Lebens von Mensch und Natur zurück.31 John Nyakatura nahm diese Götter in die Liste der Batembuzi-Könige von Kitara auf. In der Babito-Mythologie bilden sie die erste Dynastie von Bunyoro-Kitara und wurden so zu den Ahnen von Omukama Iguru Solomon Gafabusa, dem neuen König von Bunyoro-Kitara.32 Im weiteren Verlauf des ersten Krönungstages wurden verschiedene andere Körperrituale und Sprechakte mit dem neuen König durchgeführt, die seine Transformation zu einer sakralen Person vollenden sollten. Er schwor einen Eid auf eine gerechte und gute Regierung, und eine seiner Schwestern (kabatongole) bemalte sein Gesicht und seinen Hinterkopf mit einem Gemisch aus Wasser, Kräutern und Samen. Dann salbte ihn der omupanyarwa mit einem Baumöl und krönte ihn nacheinander mit zwei Ekondo-Kronen. Diese Handlungen und Substanzen machten seine körperliche Ausstattung vollständig und verwandelten ihn weiter in ein menschliches Objekt, das durch äußere Manipulation zur Ausübung von Macht präpariert wurde. Der omupanyarwa verlieh ihm einen königlichen Namen und einen Kosenamen (empaako), der ihn mit einem Cwezi-Geist assoziierte. Ein weiterer Mann aus dem Basita-Clan krönte den neuen König mit neun Ekondo-Kronen, indem er jede neun Mal auf sein Haupt setzte. Eine rituelle Handlung erforderte für ihr volles Gelingen, dass sie neun Mal vollzogen wurde. Weniger bedeutsame Riten wurden lediglich vier Mal wiederholt. Wie Tambiah feststellte, wird durch Wiederholungen eines performativen Aktes eine Redundanz erzeugt, die zu einer Verdichtung der Information im Ritual führt.33 Beim neunmaligen Wiederholen einer Handlung ist mit Redundanz gemeint, dass die Metapher (neun) und die Metonymie (Kronen von vorangegangenen Babito-Königen) ein Bedeutungsmuster im Ritual erzeugen, das sich zunehmend

30 „Ayi Nyamuhanga, ayi Kazooba, Kahangi, linda Omukama ahangirize, atunge azaale, ahwite.“ (Information Lenard Kitalibara, Hoima, 16. März 2000.) 31 Vgl. Kapitel 3 „Kosmologie und Geisterkulte“ sowie Tantala, R. L.: The Early History of Kitara in Western Uganda, S. 263-645, 536. 32 Nyakatura, J.: Abakama (Kings) of Bunyoro-Kitara, Neuauflage, S. 5. 33 Tambiah, S.: „Eine performative Theorie des Rituals“, S. 226.

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verdichtet. Die Transformation des Prinzen in einen sakralen König gelang erst durch die Wiederholung und Redundanz dieser Riten. Nicht alle Rituale wurden tatsächlich durchgeführt. Auf meine Nachfrage wurde eingeräumt, dass einige Provisorien, Ersatzhandlungen und Lücken im rituellen Prozess entstanden waren. So erklärte mir Lenard Kitalibara, dass in der Vergangenheit das weibliche Medium kabatongole den König mit Opferblut gesegnet hatte, um ihn zu reinigen und fruchtbar zu machen. Alle Ritualteilnehmer wurden mit sakralem Wasser vom Mubende-Hügel von ihr besprenkelt. Danach wurde sie mit Land belohnt und verbannt. Dieses Ritual war in der Gegenwart nicht mehr tragbar. Die Segnungen wurden nun von den Bischöfen während des Gottesdienstes vollzogen. Wichtig für die Gültigkeit der Krönung war aber offensichtlich, dass bestimmte kosmische Rituale wiederholt werden konnten und sich damit der Gründungsmythos des Königtums aktualisierte. Auf diese Weise eigneten sich die rituellen Akteure die okkulte Macht an, die sie zur Ausübung ihrer Ämter brauchten. Gottesdienst Wie zur Neutralisierung der geheimen und frühmorgendlichen Initiationsrituale wurde am Vormittag ein ökumenischer Gottesdienst unter Beteiligung von Christen und Muslimen gefeiert, der die paganen Rituale in den christlichen und islamischen Diskurs aufnahm und sie somit vereinnahmte. Eine strikte Trennung zwischen lokalen und christlichen okkulten Praktiken konnte insbesondere die katholische Kirche nicht glaubhaft machen. Auch in den lokalen Kulten kommunizierten Gläubige mit den Geistern durch Trommeln, Hymnen und Lieder. Diese Praktiken erleichterten nun die Integration der wichtigsten königlichen Rituale und rituellen Objekte in den Krönungsgottesdienst und seine drei rituellen Sequenzen. Im ersten Teil fand die Liturgie statt, mit Eingangshymnen, Gebeten, Lesungen, Evangelium und Predigt. Im zweiten Teil legte der König Eide auf eine gute Regierung ab, und im dritten Teil erhielt er seine Regalia. Damit war eine rituelle Hierarchie festgelegt, die eine Rangordnung von Kirche, Staat und zuletzt Königtum festlegte. Bemerkenswerterweise predigte die erste Lesung (Römer 13,1-7) den Gehorsam der Gläubigen gegenüber dem Staat, nicht gegenüber dem Souverän: „You must all obey the governing authorities. Since all government comes from God, the civil authorities were appointed by God, and so anyone who resists authority is rebelling against God’s decision, and such an act is bound to be punished. […] The state is there to serve God for your benefit. […] The authorities are there to serve God: they carry out

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God’s revenge by punishing wrong doers. You must obey, therefore, not only because you are afraid of being punished, but also for conscience sake. This is also the reason why you must pay taxes, since all government officials are God’s officers. They serve God by collecting taxes. Pay every government official what he has a right to ask whether it be direct tax, indirect, fear or honour.“34

Der Staat sollte also trotz der Rückkehr des Königs der Souverän bleiben. Der König war nicht berechtigt, Steuern zu erheben, auch wenn die Bevölkerung entsprechende Befürchtungen hegte. Kirche und Staat besaßen die Autorität und die Souveränität sowie die Methoden und Institutionen, um das neue Königtum zu überwachen. Mit Michel Foucault möchte ich hier von einer Pastoralmacht sprechen, die die Kirche ausübte.35 Foucault stellt die Pastoralmacht in einen Gegensatz zur Staatsräson und staatlicher Regierungskunst (Gouvernementalität)36, weil bei ihr eine individuelle Menschenführung durch ihre Hirten vorherrscht, während die Staatsräson Methoden entwickelt, um die gesamte Bevölkerung oder Teile von ihr zu verwalten. Beide Formen der Macht ergänzen sich aber, wie mein Beispiel zeigt, dadurch, dass die Kirche mit ihrer Pastoralmacht die Autorität des Staates unterstützt. Vor diesem Hintergrund wurden die Krönungsrituale nach der Predigt durchgeführt. Sie begannen mit einem Eid, den der Prinz zunächst als Staatsmann und dann als König sprach. Als Staatsmann erklärte er, die Bürgerrechte seiner Untertanen zu respektieren, als Souverän versprach er eine gerechte Regierung. Beide Eide griffen den lokalen wie den nationalen Diskurs der Legitimation königlicher Herrschaft auf. Dazwischen lag ein Gebet des Zeremonienmeisters, der gewissermaßen auf der kosmischen Ebene den Schöpfergott bat, sich über die Trommel zu artikulieren und den neuen König zu bestätigen. Im Morgengrauen war das gleiche Gebet in seiner paganen Version zur Initiation des Prinzen gesprochen worden: „Oh creator (Nyamuhanga), who eats from above, as you drop the bones, God (Kazooba Nyamuhanga) the creator of heaven and earth, of the mountains and nations, oh God (Nkya) of Gods, father of kings, oh creator, who eats from above, as you drop the bones, I

34 Manuskript des Krönungsgottesdienstes 1994. 35 Foucault, Michel: „Subjekt und Macht“, in: Defert, Daniel u. a. (Hg.): Michel Foucault. Analytik der Macht, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2005, S. 240-263, hier: S. 247. 36 Foucault, Michel: „Die Gouvernementalität (Vortrag)“, in: Defert, D. u. a. (Hg.): Michel Foucault, S. 148 ff.

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present to you this king to become the heir to his father; if he is not the appropriate one, if this drum is not his father’s and grandfathers, let it harm him on becoming king.“37

Folgt man der linguistischen Theorie John Austins38, so wird mit diesem illokutionären Sprechakt eine performative Kraft ausgelöst, die von der Trommel als Medium dieser Kraft weitergeleitet wird. Die Kraft kommt im indigenen Diskurs von den Götterbrüdern Nyamuhanga (Ruhanga) und Nkya. Sie bewohnen nach den lokalen kosmischen Vorstellungen den Himmel, befruchten die Erde und geben ihre schöpferische Kraft an die Menschen weiter. Die Trommel artikuliert ihre Stimme. Durch die Perkussion wird das Instrument zum Sprachrohr der Götter, die bereits die königlichen Ahnen hervorgebracht haben. Ihre Stimme und ihre Kraft legitimieren auch den neuen König. Der omuhaguzi brachte daraufhin die Trommel Nyalebe zum König, der sie neun Mal schlug. Nach diesem geglückten Akt verkündete der Zeremonienmeister den Namen des neuen Königs. Die rituelle Transformation endete, indem der Omukama die Bibel in die rechte Hand nahm und schwor: „I, Solomon Gafabusa Iguru I Amooti, swear before my country and you my people all, both within and outside that I will rule properly without discriminating against the rich and the poor. I will look after the orphans, I will judge people fairly, I will uphold the culture and customs of our nation, I will respect my people, I will give attention and bring near foreigners who come to us for assistance with the help of God.“39

Mit der Doppelung der Eide entstanden eine Redundanz in der Performanz und eine Verdichtung der Aussage. Die Eide orientierten sich an Formen und Konventionen, mit denen politische Macht in Uganda konstituiert und legitimiert wird. Dazu gehört beispielsweise die rituelle Verwendung heiliger Schriften. Für Tambiah sind Formalismus und Konventionalität konstitutive Merkmal des Ri-

37 Im Gottesdienst wurde dieses Gebet folgendermaßen gesprochen: „Ayi Nyamuhanga, ruliira ha iguru mu magufa nigakunkumuka, Kazooba Nyamuhanga, ayahangire iguru n’ensi, n’ensozi, n’emigongo. Ayi Nkya ya Nkya, izaara bagabe, ayi Nyamuhanga, ruliira haiguru amagufa nigakunkumuka, ndesire Omukama onu niwe arukwija kujumura empango ya ise; kandi obu araaba atarukuhika rundi atasemeriire, engoma etali ya ise n’abaisenkuru, obu arataahamu, engoma emururumire. Obu aragitoma, eyezinde, etagamba.“ (Kopie der Liturgie des Gottesdienstes.) 38 Austin, John: „Zur Theorie der Sprechakte. Elfte Vorlesung“, in: Wirth, U.: Performanz, S. 72-83. 39 Manuskript des Krönungsgottesdienstes 1994.

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tuals. Zugleich gibt es die Technik des Parallelismus, bei der „bestimmte Ähnlichkeiten zwischen sukzessiven verbalen Sequenzen zwingend sind oder vorgezogen werden“40. Tambiah sieht darin eine kreative Rolle der „Formel“41, weil die Komposition der Worte, ihre Syntax, der Austausch von Schlüsselbegriffen usw. veränderbar ist. Die Kunst und Überzeugungskraft der Performanz liegt also nicht in der rigiden Anwendung bestimmter Formeln, sondern darin, sie je nach den Forderungen und dem Charakter des Publikums und nach anderen kontextuellen Umständen zu variieren, fortzulassen oder auszuschmücken. Im Gottesdienst wurde die Variation der Gebete besonders deutlich, weil sie öffentlich vollzogen und sogar schriftlich fixiert wurden. Nach Tambiah sind einige rituelle Sequenzen empfänglicher und offener für neue Inhalte als andere. Auch für Foucault ändern sich Aussagen, weil sie anders als die verstreuten Äußerungen nicht einmalig getroffen, sondern wiederholt werden. Sie verändern sich aber nicht aufgrund von kreativen Einfällen, sondern gehorchen strengen Regeln und sind abhängig von der Art ihrer Substanz, ihres Trägers, ihres Zeitpunktes und ihres Ortes, kurz gesagt, von ihrer Materialität.42 Im Gottesdienst richteten sich die Krönungsrituale nach den Regeln des christlichen Diskurses und seiner Materialität. Im Gottesdienst begann die Investitur des Königs mit seiner Ölung. Als Index der fremden Herkunft der Babito-Dynastie verwendete der Zeremonienmeister dazu das Öl eines besonderen Baumes aus dem nördlichen Nachbargebiet Bunyoro-Kitaras (Lango). Er sprach leise ein Gebet zu Nyarwa, der als der älteste der vier mythischen Babito-Brüder gilt. Im Mythos verzichtet Nyarwa auf die Königswürde und wird zum Berater seines jüngeren Bruders Mpuga Rukidi. Wie ich im Kapitel „Thronfolge und Legitimation des Königs“ gezeigt habe, wurde Prinz Iguru seinem ältesten Bruder John Rukidi als Kronprinz vorgezogen. Neben anderen Argumenten wurden im Thronfolgediskurs auch die Gefahren der Primogenitur und die Rebellion gegen den Vater thematisiert. Diese Sequenz des Gottesdienstes wiederholte die Anrufung des Geistes Nyarwa in den paganen Krönungsritualen am frühen Morgen nun in einer christlichen Variante. Die Ölung wurde nicht wie bei europäischen Krönungen von einem Geistlichen der Kirche, sondern möglicherweise von einem Geistmedium Nyarwas vollzogen. Der amtierende omupanyarwa war vermutlich kein Geistmedium, er erfüllte aber die Rolle, die ihm der Mythos vorgab. Beim nächsten rituellen Akt steckte

40 Tambiah, S.: „Eine performative Theorie des Rituals“, S. 231. 41 Ebenda, S. 232-233. 42 Foucault, M.: Archäologie des Wissens, S. 147.

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der katholische Bischof dem König einen Ring an den Finger, während ein Priester betete: „The Lord God has poured oil onto your head, therefore given you leadership. Put on this ring as a symbol of unity and love between you and your nation Bunyoro-Kitara: Love which will last forever. Let the Lord God be your guide so that you rule in peace and love for all your life. Amen.“43

Die gleiche Zeremonie beschrieb Omukama Tito Winyi 1937 als Teil der traditionellen Installationsrituale.44 Auch hier schwor der König zunächst einen Eid, dann wurde der geölt und erhielt einen Reif um sein Handgelenk und einen um seinen Hals. 1994 war diese Sequenz in das kirchliche Ritual aufgenommen worden. In der hybriden Performanz der christlichen und der traditionellen, an die Geisterkulte angelehnten Rituale blieb 1994 der christliche Kult hegemonial. Er vertrat ein monotheistisches Gottesbild. Während ein weiterer Priester den König in eine Samtrobe kleidete, sprach der Führer der Muslime ein Gebet. Der Einfluss der Muslime auf den König war jedoch so gering, dass der Wortlaut des Gebets nicht schriftlich festgehalten wurde. Die Dominanz der Kirchen drückte sich dadurch aus, dass sie es waren, die die spirituellen Praktiken des Königs überwachten. Im weiteren Verlauf des Gottesdienstes folgte die Übergabe einiger Regalia an den König, wobei darauf geachtet wurde, dass lediglich ein Objekt der gleichen Kategorie in die Performanz einbezogen wurde. Mit jedem Objekt – Speer, Schild, Schwert, Richtstab, Richtstock, Hacke, Pfeil und Bogen, Geldbeutel, einem Horn und Schuhen – waren illokutionäre Akte verbunden: „You should walk with strength in your kingdom, fight for your country, defend your country, judge cases fairly, don’t kill whoever commits a crime, cane people with a small stick, don’t sit down and do nothing but work hard, your people should also work hard, fight with various tools and tactics; trade, so that you can provide for your people all the time, alert your people in case of any attack.“45

Der katholische Bischof beendete die Investitur und den Gottesdienst mit dem Vaterunser und stimmte eine Hymne an. Das Krönungsfest 1994 wurde danach

43 Manuskript des Krönungsgottesdienstes 1994. 44 K. W.: „The Procedure in Accession to the Throne of a Nominated King in the Kingdom of Bunyoro-Kitara“. 45 Manuskript des Krönungsgottesdienstes 1994.

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auf dem Palastgelände mit politischen Reden, einem Festmahl und der Investitur des Königs mit seinen Regalia fortgesetzt. Ich möchte nun anhand des EmpangoFestes 2000 zeigen, wie die Performanz sechs Jahre nach der Krönung wiederholt, durchgeführt und medialisiert wurde. Der Vorteil dieser Methode der Darstellung und Analyse liegt darin, dass ich dieses Fest teilnehmend beobachten konnte, selbst wenn ich bei der Performanz als Ethnologin mal ein- und mal ausgeschlossen wurde.

D AS E MPANGO -F EST 2000 „R EBIRTH OF B UNYORO -K ITARA “ Das Empango-Fest 2000 war das dritte Jubiläumsfest der Krönung Omukama Igurus und stand unter dem Motto „Rebirth of Bunyoro-Kitara“46. Das Fest sollte den Höhe- und Endpunkt meiner Forschung im Königtum Bunyoro-Kitara bilden, da hier die vielen verschiedenen Wissensstränge und Bekanntschaften, die ich gemacht hatte, zusammenkamen. Der Pressesekretär des Königs verknüpfte das Motto mit einem Diskursfeld, das sich aus dem Gründungsmythos des Königtums, dem Erinnerungsdiskurs an den kolonialen Krieg, dem Verlust der Souveränität, dem Migrationsdiskurs und einem populären Diskurs über Verlierer und Gewinner im globalen Fußball zusammensetzte.47 Das Fest sollte die Botschaft vermitteln, durch harte Arbeit und das Wissen von hochgebildeten Experten (Professoren) mit lokaler ethnischer Identität könnten Auswege aus der Krise gefunden werden. Seit der Inthronisation Omukama Solomon Igurus 1994 hatte es lediglich zwei weitere Empango-Feste 1995 und 1997 gegeben. Die

46 Empango 2000 Souvenir Magazine, July 29, Seventh Coronantion Anniversary. 47 „Bunyoro-Kitara went into a comma April 9, 1899, when Omukama Kabaleega was captured. Banyakitara could not believe that their hero, Kabaleega, was finally stopped. It was like Brazil losing the 1998 World Cup in France. The Banyoro, like the Brazilians, were used to wining [sic] always. Losing was not in their vocabulary. When Kabaleega was captured the blow that struck Banyakitara sent them into a 100-year comma. Those who did not go into that comma followed their great grandfather Kato Kimera into Buganda. […] This years empango message is a call to every Munyakitara to revive Bunyoro-Kitaras tradition of had work. […] If Kabaleega, uneducated though he was, was able to turn this kingdom into a wealthy nation, owner of an invincible army, why cannot our today’s professors [sic], abundant in BunyoroKitara, turn this kingdom into what it was during the days of the Abacwezi and Kabaleega’s days. It can be done. So, Banyakitara, heed the message.“ (Ebenda.)

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Hauptgründe waren der Mangel an Finanzen, mit denen die Kosten für das Fest gedeckt werden konnten, und die verzögerte Rückgabe der königlichen Besitztümer (ebyaitu). Nachdem das Fest auch 1998 im Streit um die Besitztümer abgesagt werden musste, drängten die Ältesten und Clanführer auf eine Wiederholung 1999. Zu diesem Zeitpunkt verfolgte die königliche Regierung jedoch eine neue Strategie in ihrer Erinnerungskultur. Sie erfand den bereits erwähnten Gedenktag zur Ehrung von Omukama Kabalega. Es handelte sich im Sinn Foucaults um ein diskursives Ereignis48, das medienwirksam und politisch inszeniert wurde, um gegen die Zurückhaltung der königlichen Besitztümer durch die Lokalregierung Hoimas zu protestieren. Als diskursives kulturelles Ereignis war seine Aussage, gegen die Politik des Staates zu protestieren, wiederholbar, reaktivierbar und transformierbar.49 Omukama Iguru, der Enkel von Omukama Kabalega, erinnerte den Präsidenten an die Unterstützung, die die NRM-Regierung im Buschkrieg und in den darauffolgenden Wahlen aus Bunyoro-Kitara erhalten hatte. Er forderte eine Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur in seinem Königtum. Mit der Wahl des politischen Diskurses signalisierte der König Widerstand gegen die Staatsmacht. Da Präsident Museveni in der EbyaituFrage auch an diesem Gedenktag kein Machtwort gegenüber der Lokalregierung gesprochen hatte, rief die königliche Regierung im Anschluss an den Kabalega Day zum öffentlichen Trauern auf und sagte das Empango-Fest ab. Die Tageszeitung New Vision meldete: „This year’s Bunyoro Empango celebrations scheduled for June 11 will be marked by mourning in rememberance of ebyaitu (kingdom property) grabbed by the Hoima LC 5 council.“50 Im kleinen Kreis sollten jedoch Empango-Rituale durchgeführt werden, womit der rituellen Pflicht genüge getan wurde. Im politischen Diskurs drohten die Monarchisten mit einem Boykott des Referendums zum politischen System in Uganda, das für Juni 2000 angekündigt worden war. Darin bestand die mögliche Wiederholung ihres Protestes. Mit der Absage des Empango-Festes 1999 hatte sich die Krise um ebyaitu zugespitzt. Unter Druck gesetzt, reagierte der Präsident und ernannte nun seinen Premierminister als Unterhändler zur Lösung der Krise. Bereits im August 1999 hatte die Tageszeitung Monitor gemeldet, Präsident Museveni wünsche eine Lösung des Konflikts vor dem Zeitpunkt des Referendums: „Prime Minister Nsibambi has called a meeting to resolve the contentious issue of the restoration of the Bunyoro Kingdom property (Ebyaitu). […] President Yoweri Museveni

48 Foucault, M.: Archäologie des Wissens, S. 41. 49 Ebenda, S. 44. 50 „Bunyoro declares day for mourning ‚ebyaitu‘“, in: New Vision, 31. Mai 1999.

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reportedly master-minded the meeting on the grounds that he wants the Ebyaitu issue resolved before the 2000 referendum on political systems.“51

Jetzt hatte das Fest eine politische Funktion angenommen und diente der Vermittlung politischer Interessen. Die Verhandlungen zwischen dem Königtum, der Lokalregierung und der Staatsregierung darüber, wie das Problem bis zum nächsten Krönungsjubiläum im Jahr 2000 gelöst werden könnte, konkretisierten und materialisierten sich schließlich in der Rückgabe der Besitztümer.52 Die Regierung des Königtums hatte einen ersten politischen Sieg davongetragen. Sie besaß tatsächlich einen Grund zum Feiern. Am 29. Juli begann das EmpangoFest 2000. Es war ein Schritt in Richtung einer politischen und kulturellen Erneuerung. Weitere sollten folgen.53 Ein Fest ist nach Milton Singer ein Ereignis, das durch einen Anlass, eine Anzahl von Beteiligten, ein Publikum, einen Ort und eine zeitliche Begrenzung gerahmt ist.54 Bereits unter dem Einfluss der Kolonialregierung war das Empango-Fest von neun auf vier Tage reduziert und so einer modernen Zeitstruktur und Ökonomie angepasst worden.55 2000 kam eine weitere, diesmal räumliche, Veränderung hinzu. Anders als 1994 wurde der Gottesdienst nicht in einer Kirche, sondern vor dem Palast des Königs gefeiert. Das ganze Fest fand nun an drei verschiedenen Orten statt, beim König, bei seinem Wahrsager Nyakoka Karongo und bei der Königinmutter. Einige Rituale galten als geheim, andere als öffentlich, und einige Akteure der königlichen Rituale unterschieden zwischen ‚high functions‘ und ‚low functions‘. Wichtige Rituale fanden aus ihrer Sicht nur am ersten Tag statt, wenn die Massenmedien und die Ehrengäste, die Repräsentanten des Staates, der Wirtschaft und der Wissenschaft, lokale Politiker und befreundete traditionelle Führer aus den benachbarten Königtümern und Regionen anreisten. Dieser Tag war ein mediales Fest, an dem das staatliche

51 „Nsibambi calls big Banyoro meet“, in: Monitor, 11. August 1999. 52 Vgl. Kapitel 7 „‚Unsere Dinge‘ – Besitztümer und die Materialisierung der Diskurse“. 53 Mit der Entdeckung von Ölvorkommen im Albertsee zwischen 2004 und 2008 begann der wirtschaftliche Faktor die Beziehung zwischen Königtum und Staat noch einmal stärker zu prägen. Seither intensivierte Präsident Museveni seine Präsenz und Unterstützung in Bunyoro-Kitara. 54 Milton Singer verstand „cultural performances“ als gerahmte Ereignisse. Für Singer hatten sie eine paradigmatische Form, „in denen die Struktur und Organisation kultureller Beziehungen in verdichteter Form zur Anschauung gebracht [wird]“ (zitiert nach Rao, U.: „Ritual als Performanz“, S. 368). 55 Interview mit Kassim Rubenda, 13. April 2000.

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Fernsehen und der staatliche Rundfunk die Reden und die verschiedenen Performanzen aufnahmen und national übertrugen. So konnte ich mir die Tonbandaufnahmen vom Krönungsfest 1994 im staatlichen Radio anhören und kopieren. Anders als Buganda, das Nachbarkönigreich, war Bunyoro-Kitara nicht in der Lage, Monarchen aus anderen afrikanischen Staaten einzuladen. Dazu fehlten dem Königtum die Finanzen. ‚High functions‘ wurden von modernen Medien übertragen, ‚low functions‘ beschränkten sich auf das lokale Publikum und waren weniger aufwendig als die Performanzen und das Festmahl am ersten Tag, an dem die translokalen und nationalen kulturellen und politischen Beziehungen gepflegt wurden. Es gab also eine zeitliche Hierarchie des Festes, bei der der mediale Höhepunkt mit den nationalen Medien am Anfang stand und die lokalen Medien (Fotoapparate, Videokameras und Kassettenrekorder) die ‚low functions‘ an den übrigen drei Tagen aufnahmen. Die Performanzen konnten dann wiederum über Speichermedien (Video- und Audiokassetten, Fotografien) lokal und transnational verbreitet werden. Postkarten mit Fotocollagen, wie sie Clara Himmelheber in Buganda untersucht hat, waren in Bunyoro-Kitara nicht zu finden.56 Auch die Kommerzialisierung und Folklorisierung von Rindenstoff als Souvenirartikel hatte sich beim Empango-Fest nicht verbreitet. Rindenstoff galt als ein Material, das im rituellen Kontext medizinische und schützende Wirkung entfaltete. Von fundamentalistischen Christen wurde der Stoff als Medium paganer Einflüsse gemieden. Anlässlich der Aufrufe zum ‚fundraising‘ des Festes hatte ich mich mit einem finanziellen Beitrag daran beteiligt. Über meine Kontakte zum Chef der Palastwache erhielt ich eine Einladung als Ehrengast für meinen Assistenten und mich. Dafür saßen wir beim Fest zusammen mit den anderen Ehrengästen in privilegierter Position unter schattenspendenden Sonnenschirmen. Außerdem hatte ich einen lokalen Videografen um die Aufzeichnung des Festes und der Rituale gebeten. Durch diese Medien hoffte ich aus verschiedenen Perspektiven am Fest teilnehmen zu können. Ich brachte außerdem meine Kamera, meinen Rekorder und klassischerweise meinen Notizblock mit. Meine Erwartungen traten ein, als ich zu einigen Ritualen spontan hinzugerufen wurde. Sie wurden enttäuscht, als ich von anderen ausgeschlossen wurde. Ähnlichen Ein- und Ausschlussregeln unterlag der lokale Videograf, der auch unabhängig von meinem Auftrag das Fest, seine Akteure und Besucher filmte. Wie Charles Gore in Bezug auf Geisterschreine im Königtum von Benin argumentiert hat, macht die Veröffentlichung und Kommerzialisierung von Ritualen den Einsatz technischer und elektronischer Medien immer unverzichtbarer. Häufig, so Gore, werden die Rituale

56 Mayer-Himmelheber, C.: Die Regalia des Kabaka von Buganda, S. 61, 190.

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in Echtzeit dokumentiert. Damit werden neue Medien immer stärker in die Performanz eingebunden und verstärken die Wirksamkeit der Aufführung.57 Tatsächlich nehmen neue Medien lokale Diskurse auf, bringen sie auf eine nationale oder globale Ebene und sind als Archive (Musik- und Videokassetten, Fotografien) lokaler Praktiken und Diskurse verfügbar. Anders jedoch, als Gore meint, waren die lokalen technischen Medien in Bunyoro-Kitara noch nicht in jede rituelle Praktik integriert, um diese in Echtzeit zu dokumentieren.58 Geheime Praktiken Wie bei der Krönung 1994 gehörte die Geheimhaltung einiger Rituale zur Performativität des Festes. Der Chef der Palastwache erklärte mir, dass die Regaliahüter und Würdenträger (von denen nur noch einer aktiv war) im Morgengrauen um den Palast herum gingen und ihn förmlich einkreisten. Am Hügel (kaswa) vor dem Haupttor (mugabante), der ein Metonym für die Landnahme der Babito-Dynastie an diesem Ort ist, trafen sie sich mit den Musikern, ihren Hörnern und den begleitenden Trommeln. Bei Sonnenaufgang trugen sie die Empango-Trommeln der Bacwezi- und der Babito-Könige (Nyalebe und Tibamulinde) in das Haupthaus, wo Omukama Iguru auf die Prozession wartete. Dann schlug der König die Trommeln neun Mal und setzte sich auf seinen Thron, der von Regalia umgeben war. Ein Regaliahüter krönte ihn neun Mal mit neun verschiedenen Kronen und legte abschließend die Krone des Königs in den Schoß seiner Mutter.59 Damit erschöpfte sich der Bericht des Palastbeamten und ließ mir Raum zur Spekulation. Kasohera, einer der Wahrsager des Königs, hatte mir stolz erklärt, dass er zusammen mit dem Wahrsager Nyakoka einen weißen Bullen und einen weißen Hahn opferte, um den Ort des Geschehens zu reinigen und zu segnen. Informationen über diese Opferung wurden 2000 von den öffentlichen Vertretern des Königtums geheimgehalten, weil Ritualopfer die Kritik der Kirche hervorgerufen hatten. Wie Michel Foucault am Beispiel des Dispositivs der Sexualität für das ‚Abendland‘ zeigte, ist es gerade das Reden über das Schweigen, mit dem Wahrheitsdiskurse (über den Sex wie über andere diskursive Gegenstände) produziert werden.60 Der Erfolg der Macht hängt davon ab, wie gut ihre heimlichen Machtmechanismen mit der Anerkennung ihrer Wahr-

57 Vgl. Gore, C.: „Ritual, Performance and Media in Urban Contemporary Shrine Configurations in Benin City, Nigeria“, S. 79. 58 Vgl. ebenda. 59 Interview mit Kassim Rubenda, 13. April 2000. 60 Foucault, M.: Der Wille zum Wissen.

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heiten übereinstimmen. Im Dispositiv des Festes wurde das okkulte Wissen verschwiegen und gleichzeitig als Wahrheit reproduziert, indem es ständig als diskursiver Gegenstand hervortrat. Der Erfolg der okkulten Machthaber lag darin, dass das Publikum, die Akteure und die Kritiker an die Wahrhaftigkeit der okkulten Macht glaubten. Nach Ansicht des Privatsekretärs des Königs, der diesen Wahrheitsdiskurs nicht teilte, waren bereits in der Nacht die wichtigsten Rituale (und ihre Wiederholung beim Jubiläumsfest) vollzogen worden. Die Performanzen, die im Tageslicht stattfanden, dienten der Befriedigung der Aufführenden, ihres Publikums und der Unterhaltungsmedien: „The King has to put on barkclothes early in the morning and he is crowned at the same time, although few people take notice of that. Then again he is crowned at daytime around 2 p.m and 2.30 pm. before they go to the mould (Kaswa), to please the traditionalists and the modernists. The present kingdom has to serve the ritualists, the media and the people who expect such rituals. That does not mean that the King himself considers the rituals as important or necessary.“61

Der Privatsekretär hatte mir die Struktur des Festes offengelegt. Bei Tageslicht fand eine Wiederholung der Installationsrituale in der Nacht statt, allerdings unter Ausschluss solcher Sequenzen, die von den Kirchen missbilligt wurden. Auch die Kirchen befanden sich im Ungewissen über das rituelle Geschehen im Morgengrauen. Der protestantische Bischof der Church of Uganda erklärte mir seine Enttäuschung über die Ambivalenz der geheimen Rituale. Er betrachtete sie als Zeichen von Doppelmoral und als christlich getarnte heidnische Praktiken. Er erklärte mir: „The King, comes from a certain pagan tradition, I mean, the Bacwezi, who were looked at as gods. And then from there you get the Babito who came before Christianity. Really we used to worship false gods before Christianity came. And even when Christianity came, these Kings would play double standards, you understand? They would continue practicing some heathen kind of things and at the same time also appear Christians. And I think the same is true today.“62

Seine Enttäuschung und sein Misstrauen beruhten auf Erfahrungen, die die Kirchen vor der Krönung des Königs 1994 im Palast gemacht hatten. Dort fanden die Kirchenführer Spuren von Blut, die sie mit Ritualopfern in Verbindung

61 Interview mit dem Principal Private Secretary Yolamu Nsamba, 17. April 2000. 62 Interview mit dem protestantischen Bischof Wilson Turumanya, 12. Mai 2000.

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brachten. Sie aktualisierten so den Diskurs über die Primitivität der königlichen Rituale und reproduzieren Vorstellungen von deren Gefährlichkeit. Die königlichen Ritualteilnehmer machten sich offensichtlich solche Vorstellungen zunutze, indem sie mit der Bedeutung der Blutspuren spielten. Der Bischof fuhr in seinen Erläuterungen fort: „So, I tell you frankly, I was disappointed when we went to find some blood poored on the entrance as we were entering into the palace on that day of the restoration of the King. We found certain things like blood poored there, like they used to sacrifice long time ago. And we asked, what has happened? They frightened some of us. Has somebody been killed or not? And they said, no no, it has just been a chicken. Now the blood which came on the way to remind them of what used to happen. But I mean, as a Christian, I wouldn’t encourage things like that. That is why, I am saying, there are some double standards played. The first rituals which preceed the proper Christian rituals in the day light, are mixed up. They are mixed up.“63

Obwohl die Kirchen die rituellen Praktiken überprüften, waren ihre Hegemonie und ihre Wahrheiten im religiösen und rituellen Diskurs angreifbar. Hegemonie ist nie absolut, sondern immer ambivalent und von Subversion bedroht. Dies ist in der postkolonialen Theorie eine Kritik Homi Bhabhas an der Position Edward Saids zur Hegemonie des Okzidents über den Orient.64 Bhabhas Kritik lässt sich auch auf die ambivalente Position der afrikanischen Kirchen gegenüber den afrikanischen Geisterkulten und den Praktiken des afrikanischen Königtums anwenden. Aufgrund der Ambivalenz der Rituale war es für die Kirchen umso wichtiger, dass der Gottesdienst am Vormittag und die öffentlichen Rituale am Nachmittag performiert wurden. Dann inszenierten die Akteure noch einmal im Licht der Massenmedien die Übergabe der Regalia an den König. Einige rituelle Praktiken betrachtete der protestantische Bischof als wertvoll, weil sie mit dem Fortschrittsdiskurs übereinstimmten. Andere waren aus kirchlicher Sicht eindeutig rückwärtsgewandt und fortschrittsfeindlich: „There may be good things which are done, which I like, I mean like giving the King a hoe, just to symbolise to dig, that the King is supposed to work hard for his people, giving him a spear, not to kill people, although in the before-Christian time the King would kill somebody. He would just spear somebody. He had the right to do that, without being

63 Ebenda. 64 Vgl. Castro Varela, Maria do Mar/Dhawan, Nikita: Postkoloniale Theorie. Eine Einführung, Bielefeld: Transcript 2005, S. 85.

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questioned. But now the King symbolises that he can fight for his nation. Because these [regalia] were kind of tools they used before guns were introduced and so there are certain good cultural elements which are done during that ceremony. But at the same time, I think, it is mixed up. Some people behind him, sometimes what they do, are not really good things.“65

In den kirchlichen und öffentlichen Performanzen bemühten sich die Kirchen und das Königtum, Einigkeit zu demonstrieren, um die Skepsis und Kritik gegenüber der Rückkehr des Königs zu entkräften und in Unterstützung umzukehren. Die Bischöfe protegierten den König als einen Repräsentanten der Moderne und des Christentums. Sie unterstützten den staatlichen Diskurs der Modernisierung und knüpften so an eine historische Allianz zwischen Kirche und Staatsmacht in Uganda an. Um Fortschritt zu ermöglichen, mobilisierten sie die Gemeinden für Arbeiten im und am Palast und beteiligten sich finanziell an der Renovierung und Einrichtung des Gebäudes. Gleichzeitig fürchtete der protestantische Bischof, dass sich die paganen Praktiken unter dem kirchlichen Schutz heimlich verstärkten. Sein katholischer Kollege hingegen betrachtete die Praktiken der lokalen Kultur unter dem Aspekt der Enkulturation der katholischen Kirche. Er war offensichtlich stärker bereit, christliche und nichtchristliche Rituale zu verbinden und so hybride Praktiken zu gestatten. Seit der Missionierung rivalisierten beide Kirchen mit den lokalen Kulten. Das religiöse und rituelle Feld wurde nun mit der Rückkehr des Königtums und seiner Deckung durch die Staatsregierung auf subtile Weise wieder stärker umkämpft. In diesem religiösen Diskurs- und Spannungsfeld bemühten sich die katholische und die protestantische Kirche, ihren alten Einfluss zurückzugewinnen, indem sie Toleranz gegenüber dem Königtum und seinen Praktiken zeigten. Religion, Politik und Kultur Das Empango-Fest 2000 begann am Samstag, den 29. Juli offiziell um zehn Uhr mit einem Gottesdienst, den Katholiken, Protestanten, Muslime und SiebenTage-Adventisten zusammen feierten. Wegen ihrer ökumenischen Ausrichtung wurde die Feier vor dem Palast des Omukama und nicht wie zur Krönung in der protestantischen Kirche zelebriert. Als Begründung erklärte mir der Sprecher der Regaliahüter, der Omukama ‚gehöre allen‘66, nicht nur den Protestanten. Mit die-

65 Interview mit dem protestantischen Bischof Wilson Turumanya, 12. Mai 2000. 66 Information von Kassim Rubenda, Sprecher der Regaliahüter, Hoima, 10. Mai 2000. Seit der Regierung Omukama Andreya Duhagas (1903-1924) war das Königshaus von

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ser Änderung wurde die religiöse Hegemonie der Kirchen, vor allem der protestantischen Kirche, gebrochen. Der Gottesdienst begann mit einer Reihe von Hymnen. Er ähnelte darin dem Beginn einer Seance des Geisterkultes (kubandwa), bei der die Geister mit Liedern gerufen wurden. Im Gottesdienst dienten die Nationalhymne von Uganda, die Hymne von Bunyoro-Kitara sowie christliche Hymnen und Choräle zur inneren Einkehr und zur Imagination einer nationalen wie christlichen Gemeinschaft.67 Es folgten Gebete und Predigten der religiösen Führer, sodann Fürbitten für den König und seine Nation. Auf die Wiederholung der königlichen Rituale während des Gottesdienstes wurde verzichtet. Dies mag so aus Zeitgründen geregelt worden sein. Ich schließe daraus, dass die rituellen Experten des Königtums seit der Krönung 1994 an Selbstbewusstsein gegenüber der Kirche gewonnen hatten. Ohne große Unterbrechung begann im Anschluss an den Gottesdienst eine Reihe von Reden, die zum Ausdruck brachten, dass das Fest ein politisches Ereignis war, an dem noch einmal die nationale Einheit imaginiert und die Machtbeziehungen des Königtums erneuert wurden.68 Den Auftakt machten die Vorsitzenden der drei Distrikte von Bunyoro-Kitara. Diesen Lokalpolitikern folgten die politischen Vertreter der nationalen Ebene, die Abgeordneten im Nationalparlament und die beiden Staatsminister, die aus diesen Distrikten kamen. Nach diesen Repräsentanten der staatlichen politischen Führung und Administration wechselte das Wort an einen Vertreter der Wirtschaft. Wie Omukama Kabalega

der anglikanische Kirche missioniert worden und gehörte später zur protestantischen Church of Uganda. 67 Vgl. Anderson, Benjamin: Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts, Frankfurt am Main/New York: Campus 1996 [Original: Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism, London: Verso 1983]. Anderson betrachtet die religiöse Gemeinschaft und das dynastische Reich als herausragende kulturelle Bezugssysteme, die von der Idee der Nation abgelöst werden. Wie sich in Bunyoro-Kitara zeigt, können die verschiedenen Bezugssysteme aber Verbindungen eingehen, sodass auch das dynastische System und die religiöse Gemeinschaft ethnische und christliche ‚Einheiten‘ formieren können (S. 20, 21). 68 Das Fest als gemeinschaftsbildendes politisches Ereignis vor dem Hintergrund marginalisierender politischer Strategien des Staates ist gerade im Hinblick auf die Maskerade und den Karneval in Europa von Anthropologen untersucht worden. Maskerade und Politik sind auch im afrikanischen Königtum wichtige Aspekte der Performanz von Gemeinschaft und Macht. Vgl. Cohen, Abner: Masquerade Politics. Explorations in the Structure of Urban Cultural Movements, Berkeley: University of California Press 1993; Salzbrunn, M.: „The Feast as Marginal Politics“.

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bemühte sich auch sein Enkel Iguru um den Aufbau eigener Handelsbeziehungen und Netzwerke.69 Die südafrikanische Telekommunikationsgesellschaf MTN war vom Premierminister Bunyoro-Kitaras als Sponsor angeworben worden. In einen Kanzu, Jackett und roten Fez gekleidet, trat der Repräsentant der Gesellschaft vor das Mikrofon und erklärte die Eröffnung eines telefonischen Mobilnetzes in der Stadt Hoima. Es ermöglichte neue Kommunikationskanäle bis nach Kampala, eine neue kommunikative Infrastruktur und neue Handelsbeziehungen. Kommerzielle Waren konnten nun schnell und unkompliziert geordert werden, Nachrichten konnten sich rascher verbreiten. Bereits während des Festes hatte MTN die ersten Mobiltelefone verkauft und viele der Gäste mit Mobiltelefonen ausgestattet, die sie nun in der Hand trugen. Die staatliche Presse, The New Vision, kommentierte dieses Phänomen unter dem Titel „Kabaleega’s sons stand tall“. Weiter hieß es: „MTN was in full force during King Iguru’s seventh anniversary, with everyone holding a phone.“70 Lokale Größe wurde in diesem medialen Diskurs an der erfolgreichen Verknüpfung von Medien und Macht gemessen. Das neue Kommunikationsnetz band nicht nur das Königtum, sondern auch die Stadt Hoima in das Netz der wirtschaftlichen Beziehungen ein. Auf diese Weise erhielt das Königtum Zugang zu neuen Medien und machte sich wirtschaftlich unabhängiger vom Staat. Es organisierte seine eigenen nationalen und internationalen Handelsbeziehungen. Medial wurde dieser Erfolg vor den Kameras und Mikrofonen der nationalen Fernseh- und Radiostationen inszeniert, indem sich der Omukama mit seinem Hofstaat unter grellgelbe MTN-Schutzschirme setzte und vom Repräsentanten der Handelsgesellschaft zwei Mobiltelefone überreicht bekam. Bereits zur Kolonialzeit war es üblich geworden, dass der König durch neue Medien sichtbar und hörbar wurde. In den vorkolonialen Praktiken sprach der Omukama niemals direkt zur Öffentlichkeit, sondern immer durch seine chiefs, Gesandten und Repräsentanten und auch durch seine Trommeln. Von dieser Regel wurde ich informiert, als ich dem König zu Beginn meines Forschungsaufenthaltes einen Besuch abstattete. Dabei erklärten mir einige seiner Beamten, dass der König nicht selbst mit mir sprechen könne. Über diese Regel setzte sich Omukama Iguru jedoch geflissentlich hinweg, als er mir über eine Stunde lang ein Interview gab.71 Der ‚moderne König‘ brach mit dem traditionellen Konzept

69 Vgl. Kapitel 4, in dem ich die Transformation Bunyoro-Kitaras vom cattle kingdom zum kolonialen Königtum als historischen Diskurs untersuche und die Innovationskraft Omukama Kabalegas diskutiere. 70 „Kabaleega’s sons stand tall“, in: New Vision, 1. August 2000. 71 Interview mit Omukama Iguru Gafabusa, Hoima, 17. Juni 1999.

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Abb. 4: Werbung der Telefongesellschaft MTN vor dem Palast des Königs

der Medialisierung von Macht, indem er selbst sprach und dadurch weniger als Objekt und mehr als Person wahrgenommen wurde. Omukama Iguru artikulierte sich gezielt über die neuen Medien. Beim Empango-Fest 2000 las er vorsichtig eine vorformulierte Rede von einem Manuskript ab und sprach dabei wie alle anderen Redner über ein Mikrofon. Als moderner König verfügte er über das Dispositiv des Lautsprechers im Sinne einer Diskursapparatur, die seine Stimme und seine Macht medial verbreitete.72 Am Ende seiner Rede klingelte das zuvor geschenkte Mobiltelefon. Mit Witz und Geschick setzten die Marketingstrategen und königlichen Beamten ein akustisches Zeichen für die Modernität und Innovationsfähigkeit des Königs. Die oberste staatliche Ebene, der Staatspräsident, war durch seinen Premierminister vertreten. Er konterte die königlichen Forderungen nach mehr staatlicher Innovation und Engagement mit einer langen Rede an die versammelten traditionellen Führer. Darin mahnte er erneut, die neu gewonnen Freiheiten nicht durch Rebellionen und Sezessionen zu gefährden, sondern sich für friedliche und entwicklungsfördernde Zwecke einzusetzen. Mit einem Geschenk des Staatspräsidenten von zehn Millionen Uganda-Schilling an den König von BunyoroKitara erinnerte der Premierminister die traditionellen Führer an ihre Abhängig-

72 Epping-Jäger, Cornelia: „‚Eine einzige jubelnde Stimme‘. Zur Etablierung des Dispositivs Lautsprecher in der politischen Kommunikation des Nationalsozialismus“, in: Epping-Jäger, C./Linz, E. (Hg.): Medien/Stimmen, S. 100-123, hier: S. 100.

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keit vom Staat. Geld war zu einem zentralen Medium der politischen Beziehungen zwischen dem Staat und seinen Verbündeten geworden. Die Reihenfolge der politischen Reden besaß eine klare Hierarchie. Sie begann mit den lokalen und endete mit den staatlichen Vertretern. Das Fest wurde so in einen nationalen Rahmen gefasst, der dem Prozedere zur Kolonialzeit glich. Im kolonialen Kontext hatte der Gouverneur seinen Repräsentanten, den District Commissioner (DC) geschickt, um die Macht des Staates beim Empango-Fest repräsentieren zu lassen. Wie der Gouverneur behielt auch der Staatspräsident in der postkolonialen Ordnung das letzte Wort in politischen Angelegenheiten. Das Empango-Fest bildete eine Plattform für die aktuellen Diskurse zwischen Kirche, Staat und Königtum, die hier erneut ausdifferenziert werden konnten. Zu den Themen gehörten die Armut im Königtum, der nun beigelegte Konflikt um die geforderten Besitztümer (ebyaitu), aber auch die Uneinigkeit der Nation von Bunyoro-Kitara. In diesem Punkt konfrontierten die königlichen Sprecher die eigene Bevölkerung mit einer Erklärung für die mangelnde Prosperität im Königtum. Sie legitimierten so die Rückkehr des Königs als ein Symbol der Einheit und forderten Unterstützung für seine Regierung ein. Auf der Distriktebene dankten die Vorsitzenden der Distrikte Masindi und Kibaale dem ugandischen Premierminister für die Beilegung des Konflikts zwischen der Lokalregierung im Distrikt Hoima und dem Königtum. Sie aktualisierten damit das Problem der ‚disunity‘ im Königtum, das unter der Führung des Königs behoben werden sollte, und drückten ihre Loyalität aus. Omukama Iguru trat daraufhin als Advokat der Distriktinteressen auf und forderte vom Staat die Rückgabe von Nationalparks und Wäldern in den einzelnen Distrikten. Für die Stadt Hoima forderte er das Stadtrecht und damit eine Aufwertung der königlichen Residenz. Aber auch von der Bevölkerung erwartete der Omukama einen Beitrag zur Stabilisierung seiner Regierung. Er bat sie um ihre Beteiligung an der Wiederaufforstung der Wälder und forderte die Kontrolle der Sexualität zur Vermeidung von sexuell übertragbaren Krankheiten und von Schwangerschaften. Auf diese Weise delegierte er seine Aufgaben als sakraler König, für die Regeneration der Natur und der Bevölkerung zu sorgen, an das gemeine Volk. Geschickt manövrierte er im Sexualitätsdiskurs und im politischen Diskurs zwischen den Instanzen von Kirche und Staat. Die politischen Reden machten deutlich, wie ambivalent das Verhältnis zwischen den verschiedenen Institutionen war und wie sich ein Netz von Beziehungen zwischen ihnen gebildet hatte. Dieses Netz war jedoch anfällig für Risse und Brüche, wenn die gegenseitigen Erwartungen nicht erfüllt wurden. Die Erneuerung der politischen Beziehungen auf translokaler Ebene wurde als kulturelles entertainment fortgesetzt. ‚Cultural Groups‘ aus Bunyoro-Kitara und seinen be-

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nachbarten Regionen traten auf und knüpften mit ihren Performanzen an vorkoloniale Macht-, Kultur- und Handelsbeziehungen zum Königtum Bunyoro-Kitara an. Alur, Acholi, Langi und Madi aus den nördlichen segmentären Gesellschaften Ugandas spielten Musik und führten Tänze auf, die mit der kulturellen Identität der jeweiligen Regionen assoziiert wurden. Zwischen den einzelnen Vorführungen demonstrierten die Repräsentanten dieser Ethnien und der benachbarten Königtümer ihre Loyalität zum König von Bunyoro-Kitara. Musik, Tanz und Preisungen gehörten zu den kommunikativen Formen, mit denen ethnische Beziehungen ausgedrückt werden konnten. Dass kulturelle Performanzen und politische Macht in einem dialektischen Verhältnis stehen, haben instrumentalistische Ansätze in der Ethnologie gezeigt.73 So können kulturelle Performanzen in politische transformiert werden und umgekehrt. Ethnizität ist eine analytische Kategorie, die dabei erneuert, gefestigt oder verändert werden kann. Aber auch soziale und wirtschaftliche Interessen können durch kulturelle Performanzen artikuliert werden. Beim Empango-Fest führten Waisenkinder aus Bunyoro-Kitara ihre Lieder und Tänze vor dem König auf und erinnerten die Festteilnehmer an die sozialen Verpflichtungen des Königs. Anstelle von Kühen, die der König in der Vergangenheit gegeben hatte, erhielten die Kinder Geld für ihre Schulgebühren. Dafür war am Kabalega Day eigens ein ‚Kabalega Education Fund‘ gegründet worden. König Kabalega war selbst zum Markenzeichen des sozialen Engagements des Königtums geworden. Um zwei Uhr am Nachmittag waren die Vorführungen beendet. Der Omukama zog sich mit seinen Ehrengästen zurück in den Palast. Das übrige Publikum erhielt ein Festessen aus Rindfleisch, Kochbanane, Reis, Süßkartoffeln und Erdnusssauce zusammen mit alkoholfreien Getränken serviert. Es feierte so seine temporäre communitas und das Gefühl einer Einheit, die am Nachmittag durch den Empango-Tanz noch einmal gefestigt werden sollte. Medien, Marketing und Rituale Der erste Tag des Festes unterschied sich von den folgenden drei Tagen durch die Präsenz der Massenmedien und der Wirtschaft, die den organisatorischen Rahmen für die rituellen Performanzen setzten. Der Hauptsponsor, die Telefongesellschaft MTN, beflaggte eine Art Werbestraße mit ihren gelben Bannern rund um den Hügel (kaswa). Dort wurde die königliche Trommel vom ihrem Hüter, dem omuhaguzi und Chef der Regaliahüter geschlagen. Hier hatte er sei-

73 Parkin, David/Caplan, Lionel/Fisher, Humphrey (Hg.): The Politics of Cultural Performance, Providence: Berghahn Books 1996; Cohen, A.: Masquerade Politics.

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nen großen medialen Auftritt und wurde von den übrigen Akteuren unterstützt. Vor dem Haupteingang des Palasthauses (karuzika) saßen der Omukama, seine inoffizielle Frau, die Königinmutter (nyinamukama), der Königsbruder (okwiri) und die Königinschwester (batebe) unter dem gelben MTN-Pavillon. Andere wichtige Sponsoren waren die British-American Tobacco Company, die Rwenzori Highland Tea Company, Kinyara Sugar Works und die beiden ugandischen Brauereien Nile Breweries und Bell Breweries. Tabak, Tee und Zucker gehörten noch immer zu den Exportgütern Ugandas und ‚bottled beer‘ zu den Luxusgütern der heimischen Elite. Von den Massenmedien hatten der staatliche Rundfunk, Radio Uganda, das staatliche Fernsehen, Uganda Television, und die staatliche Tageszeitung New Vision ihre Reporter und Teams geschickt, um den spektakulären ersten Tag des Fests aufzuzeichnen, zu übertragen und zu kommentieren. Auch nichtstaatliche Medien wie die private Tageszeitung Monitor, das Lokalblatt Mwombeki und das private Radio Hoima sowie der Privatsender Light Televison waren vor Ort. Zwar übertrugen sie zunächst die Reden der Politiker und des Omukama, dann aber konzentrierten sie ihre Aufmerksamkeit auf die Eröffnung des Empango-Festes durch die Empango-Trommel. Am Nachmittag dieses ersten Festtages begann der spektakuläre Teil der königlichen Rituale, der eigens für das Publikum und die Medien inszeniert worden war. Um die zwanzig in Rindenstoffe gehüllte Regaliahüter erklommen den kleinen Hügel vor dem Haupttor des Palastes. Der oberste der Regaliahüter, der das Amt des omujaguzo übernommen hatte und die Empango-Trommel trug, rief: „Soll ich kommen?“ Die Frage implizierte, dass er nun mit der Trommel eine Person war. Die anderen antworteten: „Komm!“ Dies wiederholte sich vier Mal, dann stieß ein Mann aus dem Babijwa-Clan einen Alarm aus, der dem Omukama das Zeichen gab, die Trommel zu empfangen. Der omujaguzo hob daraufhin die Schlagstöcke und begann, die Empango-Trommel zu schlagen.74 Sofort setzten die Makondere-Hörner und kleineren Trommeln in den Rhythmus ein und spielten das erste Stück. Fünf Frauen, die als baranga engagiert waren, tanzten nun in wippenden Bewegungen zum Takt der Musik. Dann stieg die ganze Gruppe der Regaliahüter herab vom Hügel und zog in einer langsamen Prozession zum Haupthaus des Palastes, karuzika. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich vor dem Palast befunden, die Aufführung und das Publikum beobachtet und mit meiner Kamera festgehalten. Vor dem Eingang des Palastes, in welchem die Prozession verschwunden war, bildete sich eine große Traube Menschen. Plötzlich sah ich, dass mich der Privat-

74 Im Gegensatz zur Empango-Trommel wurden die übrigen Trommeln mit den bloßen Händen geschlagen.

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sekretär des Königs zu sich winkte und mir zurief: „Come, you are missing the most important function.“ Er wies mich an, über den Hintereingang in den Palast zu kommen. Von einem Palastwächter begleitet, eilte ich dorthin und betrat nun den Palast durch einen langen Flur. Beim Thronraum angekommen, empfing mich der Chef der Palastwache und sagte mir, ich solle die Schuhe ausziehen. Dann fragte er mich: „Are you in your period?“ Nachdem ich verneint hatte, durfte ich eintreten. Im Thronraum saß der Omukama auf seinem neunbeinigen Stuhl, umgeben von einigen Regalia, die nicht Teil der Prozession waren. Er wartete auf die Ankunft der Trommel. Der König war nun in Tücher aus Rindenstoff gehüllt, gegen Abb.5: Szene der Empango-Rituale 2000: Krone des Königs von BunyoroKitara im Schoß der Königinmutter

die er seine Samtrobe ausgetauscht hatte. An den Füßen trug er Sandalen aus Rhinozerosleder, auf dem Kopf eine Ekondo-Krone, die mit Perlen und einem langen Bart aus dem Fell des Colobusaffen versehen war. Der omujaguzo brachte die Empango-Trommel nah an den Omukama heran und überreichte ihm die Stöcke. Er hielt das schwere Instrument mit einer Schlinge um seinen Körper, während der Omukama neun verschiedene Takte darauf schlug. Im Hintergrund, am Eingang karuzikas, bliesen die Spieler der Makondere-Hörner die Begleitrhythmen. Neben dem Omukama, dessen Stuhl auf einem Podest stand, saß etwas tiefer seine Mutter. Links von ihr hockten Babitokati mit batebe, ihrer Vorsitzenden, baranga und einer inoffiziellen Frau des Omukama auf dem Bo-

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den. Rechts und vorn standen nun die verschiedenen Regaliahüter und warteten darauf, dem Omukama die Regalia zu präsentieren, die sie gebracht hatten. Nachdem er die Trommel neun Mal geschlagen hatte, traten die Regaliahüter einzeln vor, berührten den König mit ihrem Objekt und präsentierten das Regal anschließend so, dass der König es selbst berühren konnte. Die jeweiligen Berührungen wechselten zwischen vier und neun Mal, je nach Objekt und je nachdem, ob der Omukama die Handlung ausführte oder der Hüter des Objekts. Eines der Objekte war ein Körbchen mit Kaffeebohnen, in das der Omukama seine Hände hineinsteckte. Nachdem alle Regalia mit dem König in Berührung gebracht worden waren, schlug der omujaguzo erneut die Empango-Trommel und begab sich rücklings nach draußen. Daraufhin legte ein Regaliahüter die EkondoKrone des Königs in den Schoß der Königinmutter. Der König erhob sich und verließ ebenfalls den Thronraum. Inzwischen hatte das Publikum vom Vorplatz des Palastes Besitz ergriffen. Es mischte sich mit den Ehrengästen und tanzte zum Rhythmus von Makondere-Hörnern, Empango- und den anderen Trommeln, sodass der ganze Platz in Bewegung geriet. Auch hatte der Spieler der königlichen Trommel gewechselt. Der omujaguzo, oberster Regaliahüter und zugleich königlicher Minister für Kultur, hatte die Trommel an einen Stellvertreter, den Chef der Palastwache, übergeben. Dieser wechselte sich mit zwei weiteren prominenten Spielern, dem zukünftigen Verteidigungsminister und einem Mubito-Prinzen ab. Das Fest setzte sich bis in die Nacht fort, unterbrochen von musikalischen Pausen des Horn- und Trommelensembles. Mit dieser Aufführung wurden eine mythologische Zeit und eine kosmologische Ordnung inszeniert, die es bei jedem Jubiläumsfest zu erneuern galt. Richard Werbner hat in Bezug auf solche transitionalen Feste von rites de passage der Festgemeinschaft gesprochen.75 Dabei vollzieht die Gemeinschaft Separationsriten, liminale und reinkorporierende Riten. Beim Empango-Fest war die Gemeinschaft auf die rituellen Akteure begrenzt, die in bestimmten Sequenzen das übrige Publikum mit einbezogen. Auch wenn der rituelle Prozess bereits im Morgengrauen vollzogen worden war, wiederholten die Akteure für die Medien und das Publikum noch einmal den Mythos der Babito-Dynastie, ihr Kommen in das Reich Kitara. Ihre Prozession begann auf dem Hügel vor dem Palast, einem Symbol für die Inbesitznahme des Landes durch die Ahnen. Sie wanderten dann langsam, entsprechend der langen Dauer der Migration, mit den Herrschaftsinstrumenten der Babito zum Palast, wo sich der König befand. Dort überreichte ein Mann aus dem Basita-Clan, der omuhaguzi, dem König die

75 Vgl. Werbner, Richard: „Umeda Masquerade. Renewing Identity and Power in the Cosmos“, in: ders.: Ritual Passage, Sacred Journey, S. 149-150.

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Trommel der Bacwezi. Im nächsten Akt brachte der König die Stimme seiner königlichen Ahnen zum Sprechen und erneuerte so die Legitimation seiner Herrschaft. Andere Bacwezi-Regalia standen bereits wie in einer Ausstellung um den Thron herum. Anschließend reichten ihm die Regaliahüter einer nach dem anderen die Objekte, mit denen ihre mythischen Vorfahren die Wanderung der Babito-Dynastie nach Kitara begleitet hatten. Die Objekte wurden von den Regaliahütern so von der mythischen Vorzeit in die Gegenwart getragen. Auf dem Weg durch die Zeit gewannen die Akteure mit ihrer Mimesis neue Kraft und Macht von den Ahnen. Dieser ganze rituelle Prozess wurde von den nationalen Medien, vom Fernsehen und vom Rundfunk aufgenommen, gespeichert und übertragen. Deswegen handelte es sich um ‚high functions‘ für die rituellen Akteure. Während der Aufzeichnungen durch die Massenmedien standen die königliche Trommel, ihre Spieler und der König selbst im Mittelpunkt des Geschehens. Die wichtigsten rituellen Machtpositionen wurden so noch einmal hervorgehoben und die alten Medien von neuen technischen Medien aufgenommen. Die Erneuerung des Königtums konnte so vollzogen und über die lokalen Grenzen hinweg übertragen werden. Wichtiger aber war zu diesem Zeitpunkt meiner Ansicht nach die Speichermöglichkeit der Aufführung, weil sie neue Möglichkeiten der Selbstpräsentation und des Beweises von Machtpositionen erlaubte. Solche Zeugnisse wurden immer wichtiger, weil die mündliche Weitergabe der Regeln, die die lokale rituelle Macht ordneten, nicht mehr gewährleistet war. Die technischen Medien halfen, einen neuen Rahmen für die kulturelle Performanz des Festes zu entwerfen. Für Charles Gore ist, wie bereits erwähnt, der Einsatz von technischen Medien inzwischen zu einer notwendigen Bedingung für das Gelingen einer rituellen Performanz geworden.76 Ihm zufolge erhöhten die Präsenz von technischen Medien, die Speicher- und Übertragungsfähigkeit sowie der technische Aufwand die Bedeutung des Rituals. Ungewöhnlich für westliche Sehgewohnheiten werde die Aufführung in der Regel in Echtzeit übertragen. Die Beobachtungen von Gore treffen zum Teil auch auf die Präsenz der technischen Medien beim Empango-Fest zu. So können Speichermedien auch Beweisbilder für die Legitimation von Positionen im rituellen Prozess werden, wie ich im Kapitel „Erneuerung der Clangesellschaft“ argumentiert habe. Allerdings gibt es auch Rituale, die im Geheimen beziehungsweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden und nicht technisch medialisiert werden. Doch selbst hier ist es möglich, dass bestimmte Medien zugelassen sind, die das

76 Gore, C.: „Ritual, Performance and Media in Urban Contemporary Shrine Configurations in Benin City, Nigeria“, S. 79-82.

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Geschehen festhalten. Für meine Zwecke hatte der lokale Videograf den größten Teil des ersten Festtages in Echtzeit gefilmt. Die drei folgenden Tage und ihre Rituale, an denen das zahlungskräftige Publikum weniger interessiert war, hielt er lediglich in kurzen Auszügen fest. Die Vermarktungsmöglichkeiten waren folglich auch bei lokalen Medien entscheidend für ihr Interesse an der Performanz. Parallel zu den ‚cultural performances‘, wie die Aufführungen im und um den Palast herum genannt wurden, fand eine Kommerzialisierung des Festes durch moderne Konsumgüter und Musikveranstaltungen statt. Sie orientierte sich an der Vermarktung der festlichen Aktivitäten im Königtum Buganda77, nahm aber einen viel bescheideneren Raum ein. Dennoch wurden auch hier Erwartungen geschürt, wie das Königtum zur Modernisierung der Region in Zukunft beitragen könnte. Gegen Nachmittag begann eine Party, die die Modernität des Königtums zum Ausdruck bringen sollte. Da sich das Festgelände in drei Bereiche teilte, gab es einen äußeren, einen mittleren und einen inneren Teil. Sie waren durch Zäune voneinander getrennt. Im äußeren Teil lag der Hügel kaswa, im inneren das Haupthaus karuzika. Beide waren von der Werbung der Telefongesellschaft MTN besetzt. Den mittleren Teil betraten Besucher durch das Haupttor (mugabante). Am Nachmittag dieses ersten Festtages hatten die Brauereien Nile Pilsner und Bell Larger im mittleren Palastgelände die Regie übernommen. Nile Pilsner baute dort eine hoch aufragende Bühne mit einem Sound-System auf, Bell Larger ließ Popmusik laufen und verteilte Flaschenbier an die Besucher. Plakate, Bier- und andere Werbestände sowie Kühlschränke mit Bier- und Sodaflaschen beherrschten die Szene. An einer Stelle hatten die Werbefachleute eine riesige Bierflasche aus Plastik aufgeblasen. Gegen Abend begann die Popmusik aus dem Sound-System zu strömen und die Promotion-Party in Gang zu setzen. Das zumeist jugendliche Publikum wurde dabei von einer Gruppe junger Tänzer- und Tänzerinnen auf der Bühne zum Mittanzen animiert. Teile des Publikums flanierten zwischen den beiden Tanzflächen, dem inneren Hof mit der Empango-Trommel und dem königlichen Musikensemble, das allerdings eine längere Pause einlegte, und dem mittleren Gelände mit dem Sound-System und seiner Popmusik. Als mein Assistent und ich von einer Rast zurückkehrten, lag der Palast im Dunkeln. „Power has gone off“, sagte uns der Chef der Palastwache. Auf der anderen Seite des Zauns hatten die Brauereien für eigene Energiezufuhr gesorgt. Die Party lief weiter. Gegen Mitternacht erschien der Omukama ein letztes Mal an diesem Tag im Haupteingang von karuzika, schlug die Empango-Trommel und kehrte in den Palast zurück. Der wichtigste Tag des

77 Vgl. Mayer-Himmelheber, C.: Die Regalia des Kabaka von Buganda, S. 175 ff.

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Festes ging zu Ende. Flaschenbier, Popmusik und Telekommunikation waren die neuen Markenzeichen und Medien eines erfolgreichen, vitalen und jungen Königtums. Sie materialisierten den erhofften Überfluss und Konsum, den die Rückkehr des Königtums versprach. Diese Hoffnungen machten sich sowohl die Sponsoren als auch das Königtum zunutze, um ihre Popularität zu steigern. Der Gang zum ‚Kral des Königs‘ Am Sonntag, dem zweiten Festtag, sollte der Gang zu omurugo, einem rituellen Kral stattfinden. Omurugo lag am Ende einer Reihe von sieben rituellen Rundhütten, die durch kleinere Zwischenräume (Höfe) voneinander getrennt waren. Nach Ost und West besaß jede Hütte eine Öffnung, und zusammen ergaben sie einen langen Gang, der in dem Kral omurugo endete. Die einzelnen Hütten waren aus Ried konstruiert. John Nyakatura hatte sie wie die Gräber der toten Könige (gasani) als „Wälder“ bezeichnet.78 In vorkolonialer Zeit waren sie sakrale Orte, in denen sich spirituelle Kräfte befanden, meist in Form von sakralen Objekten, die rituelle Funktionen besaßen. Allerdings hatten sich diese Funktionen im Vergleich zur vorkolonialen Praxis inzwischen stark verändert. Die erste dieser Hütten hieß mucwa, die zweite kyakato, dann kamen kyamunuma, komurweyo, kitogo und rwemigo. Die sechste Hütte, kacwamagosi, war für die Rituale von 2000 nicht mehr gebaut worden. Jede Hütte wurde durch einen Hof mit der nächsten verbunden. Kyawairindi, der erste Zwischenhof, war der Versammlungsort von Musikern, Würdenträgern und Tänzerinnen (baranga), wenn sie sich nicht in mucwa aufhielten. Der Kral omurugo bildete den Schlusspunkt.79 Jede dieser Hütten hatte in vorkolonialer Zeit eine Funktion besessen und trug, wie John Roscoe schreibt, den Namen des jeweiligen königlichen chiefs oder Würdenträgers (mujwara kondo), unter dessen Aufsicht sie stand.80 Jeden Tag und zu besonderen zeremoniellen Gelegenheiten wie den Krönungsritualen und dem Neumondfest, beschritt der König die Hütten und durchquerte sie wie eine rituelle Landschaft. Die königliche Trommel (empango) ging ihm dabei ei-

78 Nyakatura, J. W.: Anatomy of an African Kingdom, S. 196-197. Bischof Alfred Tucker zeichnete 1911 das Innere einer ugandischen ‚Kathedrale‘ und nannte es „A Forest of Poles“. Obwohl es sich um bugandische Architektur handelt, nehme ich an, dass auch in Bunyoro ähnliche Konstruktionstechniken bekannt waren. Vgl. Tucker, Alfred: Eighteen Years in Uganda and East Africa, London: Arnold 1911, S. 113. 79 Informationen von Kassim Rubenda, Hoima, 13. April 2000, und George Muhuruzi, Hoima, 8. Juni 2000. 80 Roscoe, J.: The Bakitara or Banyoro, S. 80.

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nen Schritt voraus und kündete seine Ankunft an. Von seiner Residenz karuzika schritt er zunächst zu mucwa, wo ihn seine Schwestern (Βabitkokati) unter Führung der batebe erwarteten. Von dort zog er durch kyakato, den Wald der Nachbarn in Buganda, und weiter zu kyamunuma, dem Wald der Bayaga, wo ihn ein Regaliahüter mit dem königlichen Speer erwartete. Dann passierte er komurweyo, in der er einen Regaliahüter mit dem königlichen Pfeil und Bogen traf.81 In kitogo erwarteten ihn seine Brüder, die Babito-Prinzen, unter Führung des okwiri. Und schließlich schritt er durch kacwamagosi, deren Name allerdings nicht der eines chiefs war, sondern ‚die Hoden quetschen‘ bedeutete (von kucwa: ‚brechen‘ und magosi: ‚Hoden‘). Dort wurden die Strafen für hohe Würdenträger und chiefs, für die Regierungsbeamten und Armeeführer des Königs vollzogen. In mucwa (ebenfalls von kucwa: ‚brechen‘) hatte sich in vorkolonialer Zeit ein Galgen befunden, an dem Babito und Babitokati gehängt wurden, die zum Tode verurteilt worden waren.82 Rwemigo, die siebte Hütte, diente den chiefs dazu, ihre Waffen abzulegen. Auf seinem Weg zum Kral passierte der König die verschiedenen ‚Wälder‘ und nahm in ihnen Kontakt mit Personen und Objekten auf, die seine Herrschaft stützten. Er traf auf die Führer seines eigenen Clans, auf die anderer Clane und seiner Herrschaftsgebiete. Den ganzen Weg wanderte der Omukama auf einem Grasteppich, der vor ihm auf- und hinter ihm wieder eingerollt wurde. Mit kitogo, was so viel wie ‚Papyrus‘ bedeutet, betrat er einen Sumpf und trat über das dort ausgestreute Gras. Schließlich erreichte er den Kral omurugo, in dem drei seiner sakralen Kühe sowie seine höchsten chiefs und Berater warteten. Auf seinem Weg durch die rituelle Landschaft seines Reiches traf er auf Regenmacher, die für ihn Regen produzierten, auf Schmiede, die für ihn Waffen und Werkzeuge herstellten, und auf Kühe, die sein Reich mit Milch versorgten. Auch sein Reichtum durch Handel, Tribute und Geschenke, die er symbolisch in den ‚Wäldern‘ erhielt, floss beim Gang zum Kral. Im Kral hütete er seine Kühe, richtete seine chiefs und ließ sich von ihnen ihre Loyalität beweisen. Dazu beschenkten sie ihn. Als Gegengabe durften sie die Hand des Omukamas küssen und Milch von seinen sakralen Kühen trinken. Die Zeremonie nannte

81 John Roscoe berichtete, dass der König zu Beginn eines neuen Jahres mit Pfeil und Bogen das Ritual ‚Shooting the Nations‘ vollzog, indem er die Pfeile in alle Himmelsrichtungen schoss und dazu schwor: „I shoot the nations to overcome them“. Danach wurden die Pfeile wieder in den Köcher gelegt (Roscoe, J.: The Bakitara or Banyoro, S. 112). Mir ist nicht bekannt, ob dieses Ritual auch 2000 praktiziert wurde. 82 Information von Kassim Rubenda, Hoima, 2000. Vgl. auch Roscoe, J.: The Bakitara or Banyoro, S. 79.

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sich kunywa amata. Der, dem diese Gunst verwehrt wurde, konnte die Todesstrafe erleiden. Der Gang zum Kral war ein im van Gennep’schen Sinn integrativer ritueller Prozess. In den vorkolonialen Zeremonien wurde damit die Macht des Königs, ihre Erneuerung bei jedem Neumond und sogar täglich beim rituellen Hüten der Kühe als soziale Wirklichkeit etabliert.83 Inzwischen hatten sich die Rituale verändert, und eine „Wandlungsdynamik“84 hatte stattgefunden. Am deutlichsten kam diese durch Reduktionen und Auslassungen zum Ausdruck. Schon während der Kolonialzeit konnte die Todesstrafe nicht mehr vom König verhängt werden. Er hatte die Macht über Leben und Tod verloren. Die Milch, Symbol der Macht und des Überflusses an Lebenskraft, wurde im Ritual durch Kaffeebohnen, Symbole der Freundschaft, ersetzt.85 Im Jahr 2000 waren die Rituale noch einmal reduziert worden. Die Empango-Trommel begleitete den Omukama von seinem Haupthaus zum Kral und wieder zurück, aber die Regenmacher, Händler, Handwerker und Schmiede waren verschwunden. Allerdings vollzog Omukama Iguru während des Festes noch einige Milchrituale. Wie er mir sagte, konnte er nicht ganz auf diese Performanz verzichten: „The ceremony that I do is only at empango ceremonies. That is when the cattle is brought to one of the royal enclosures and then something takes place there. Still we see the cattle as an important symbol of fertility and purity, and for economic reasons. Yes, we still follow it, but not so much.“86

Es waren Innovationen in den königlichen Ritualen notwendig geworden, um ihre Performanz an die Modernität des Königtums anzupassen. In der neueren Forschung spricht Rao von Ritualen als Orten für Neugestaltungen, Subversion und Gegenaneignung.87 Die These, dass sie eine stabilisierende Wirkung für ein Machtsystem haben, stellt sie infrage. Statt Formalität und Wiederholbarkeit, so Rao, kann Macht durch bewusst inszenierte Innovationen autorisiert und demonstriert werden. Schon die Fähigkeit zur Innovation kann zu einem Wert werden, der Prestige verleiht und Machtpositionen schafft. Wie bei der Erfindung von Traditionen kann es auch im rituellen Bereich prestigeverleihende Neugestaltungen geben. Ich war daher gespannt zu sehen, wie das retablierte Königtum

83 Rocoe, J.: The Bakitara or Banyoro, S. 81. 84 Rao, U.: „Ritual als Performanz“, S. 359. 85 Vgl. Beattie, J.: The Nyoro State, S. 119. 86 Interview mit Omukama Iguru Gafabusa, Hoima Palast, 17. Juni 1999. 87 Rao, U.: „Ritual als Performanz“, S. 358-359.

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den Gang zum Kral inszenieren würde, und hoffte an einer solchen Performanz teilzunehmen. Sonntag, 1. August 2000. Erster Versuch. Obwohl ich mich früh am Morgen mit meinem Assistenten für eine Teilnahme am Gang zum königlichen Kral auf den Weg gemacht hatte, wurde ich enttäuscht. Der ganze Palast lag in der Morgendämmerung. Die Werbung, Fahnen, Biertische, Sonnenschirme und der Rest der Promotion war verschwunden. Es war kein Zeichen einer Aktivität in Sicht. Nur ein Mann in kanzu und Rindenstoff saß vor mucwa, hinter ihm sein Speer, neben ihm seine Trommel, darauf seine mit blauen und weißen Perlen bestickte Ekondo-Krone. Es war Joseph Kazairwe, der Sekretär des Mubende Banyoro Committee, ein Würdenträger, der seine ekondo noch als Auszeichnung für den Kampf um die ‚verlorenen Gebiete‘ erhalten hatte. Er war zum ‚opinionleader‘ ernannt worden und mischte trotz seines hohen Alters aktiv in der Politik des retablierten Königtums mit. Den Gang zu omurugo betrachtete Kazairwe als ein Ritual, das nicht aufgegeben werden sollte. Außer ihm gab es jedoch nur noch einen weiteren Würdenträger, Metusera Katuramu, der letzte katikiro von Omukama Tito Winyi. Dieser lehnte das retablierte Königtum als ‚Scheininstitution‘ ab und nahm nicht an den kulturellen Performanzen teil.88 Alle übrigen Würdenträger waren gestorben. Kazairwe sagte uns, wir sollten später wiederkommen. Um neun Uhr kehrten wir zurück und beobachteten, wie die alten Männer ihre langen weißen Festtagsgewänder (kanzu) und Rindenstoffe anlegten. Enkaitu, der ‚Teppich‘89 aus Schilf und Gräsern, wurde für den Omukama ausgerollt. Einige Männer warteten am Eingang von karuzika, dem Haupthaus. Etwa gegen zehn Uhr kam der Omukama aus karuzika und ging rasch, begleitet von Hörnern, kleineren Trommeln und der Empango-Trommel, in Richtung mucwa. So schnell war die Prozession in den Hütten verschwunden, dass ich kaum Zeit fand, ein Foto zu machen. Als ich ihr entgegengehen wollte, riefen einige Älteste ärgerlich: „You must sit down, don’t go there. Women are not supposed to meet empango!“ Ich fotografierte daher aus der Entfernung und wartete darauf, dass die Prozession zurückkehrte. Zu sehen waren lediglich Regaliahüter, die eilig an den Außenwänden der Hütten und am Omukama vorbeiliefen, weil sie nicht selbst durch das Innere gehen durften. Hinter dem Omukama folgte allerdings ein Mann, der den ‚Teppich‘ aufrollte, und die Musiker, die die Prozession begleiteten. Bald darauf begann es zu regnen und zu hageln, sodass die Ver-

88 Interview mit Metusera Tibigambwa Katuramu in Hoima, 15. März 2000. 89 Die Grasmattenrolle wurde von den Beamten des Königs mit einem ‚Teppich‘ verglichen.

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anstaltung für die Öffentlichkeit beendet wurde. Ziemlich enttäuscht schrieb ich in mein Tagebuch: „Montag, 1. 8. 2000. Niemand erzählte mir, dass es ein zweites Mal einen Gang zu omurugo geben werde – außer Josefu Kazairwe. Er sagte, er werde den Minister für Kultur und obersten der Regaliahüter fragen: ‚Can this European see the function?‘ Als ich ihn am nächsten Tag traf und mich erkundigte, wie die Antwort gewesen sei, murmelte er etwas davon, dass er den Minister nicht getroffen habe – obwohl er den ganzen Abend mit ihm in karuzika verbracht hatte! Auch der Chef der Palastwache erzählte mir, dass die Empango-Trommel am Montag um drei Uhr nachmittags zu omukonda (dem Wahrsager) gebracht werde, von omurugo war nicht mehr die Rede. Als ich ihn heute früh traf, schüttelte er bedauernd den Kopf und sagte: ‚You are too late! We have already gone to omurugo. I wanted to help you, because I was annoyed that yesterday you were not allowed to participate.‘“90

Meine Präsenz in den Ritualen wurde zum Gegenstand eines Machtdiskurses. Offensichtlich schieden sich die Meinungen an der Frage, welche Rituale ich zu sehen bekommen sollte und welche nicht. Zu den kritischen Punkten gehörten mein weibliches Geschlecht und meine europäische Identität. Zwar stand ich außerhalb des rituellen Diskurses, aber ich sollte nicht völlig unwissend bleiben, da ich über das Königtum eine wissenschaftliche Arbeit schreiben würde. Daher erhielt ich eine Einführung in die königlichen Rituale und eine Inszenierung ihrer Harmlosigkeit. Montag, 2. August 2000. Zweiter Versuch. Am frühen Nachmittag begannen erneut die Vorbereitungen für einen Gang zum Kral omurugo. Wieder wurde der ‚Teppich‘ des Omukama ausgerollt, und die Baranga-Frauen setzten sich in ihren langen Busuti-Gewändern aus indischer Kunstseide an seinen Rand. Um die Stirn trugen sie Bänder aus Rindenstoff. Ich wartete zusammen mit meinem Assistenten im Schatten eines Baumes. Heute trug ich Hosen und nicht wie an den anderen Tagen einen westafrikanischen Kaftan. Die lokalen weiblichen Festtagsgewänder hatte ich ablehnt, weil sie aus einer Fülle von Stoffen bestanden, die den Frauen mehr Volumen verliehen und an einer Stelle als Sitzpolster dienten. Plötzlich rief jemand ‚Come, come‘ und zog mich durch einen Seiteneingang in den Kral. Mein Assistent musste zurückbleiben. In omurugo stand bereits der Videograf von Hoima, ein junger Mann, der sein eigenes Studio betrieb, gesellschaftliche Ereignisse in Hoima fotografierte und filmte und die Aufnah-

90 Eigene Notizen, Hoima, 1. August 2000.

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men auf Bestellung verkaufte. An diesem Tag arbeitete er, wie schon öfters, für den Omukama und für die Teilnehmer der Empango-Rituale, die Bilder und Videofilme von ihrer Performanz haben wollten. Ich gehörte ebenfalls zu seinen Kunden, denn ich hatte ein Video über das Empango-Fest bestellt, dessen Auszüge ich selbst bestimmen konnte. Um drei Uhr trat der Omukama aus dem Palast, gefolgt von einer Gruppe Regaliamännern, Entimbo-Trommlern und Makondere-Spielern. Dahinter wurde die Empango-Trommel vom Chef der Palastwache getragen. Der oberste der Regaliahüter fehlte bei dieser Veranstaltung. Ich erhielt die Information, dass er als Minister für Kultur an einem Treffen des königlichen Kabinetts mit den ‚Opinionleaders‘, unter ihnen der Würdenträger Joseph Kazairwe, teilnehme. Zunächst betrat der Omukama die erste Hütte, mucwa, zusammen mit den Regaliahütern und dem Spieler der Empango-Trommel. Sobald er zur nächsten Hütte schritt, kam sein Gefolge aus den Hütten heraus und lief zum nächsten Zwischenraum, bis schließlich alle Teilnehmer den letzten Kral erreicht hatten. Dorthin folgten ihnen die Baranga-Frauen, die Babitokati-Prinzessinnen und die inoffizielle Frau des Omukama, die keine rituelle Aufgabe zu haben schien. Am Ausgang der Hütte kitogo setzte sich der Omukama auf einen Stuhl, während der Chef der Palastwache die Empango-Trommel schlug. An diesem Tag hatte der Omukama die Sandalen aus Rhinozerosleder gegen moderne Sandalen im ‚Outdoor‘-Stil getauscht und ein weißes T-Shirt unter sein Rindenstoffgewand gezogen. Zudem verzichtete er auf seine Krone. Zu seinen Füßen saß ein Ältester, der darauf achtete, dass der Körper des Königs von Rindenstoff bedeckt blieb. Die ganze Versammlung, Männer und Frauen, begann wie am ersten Festtag in wiegenden und hüpfenden Schritten und Bewegungen zu tanzen. Nach einigen Rhythmen überreichte der Chef der Palastwache die Trommel dem Omukama, der neun Rhythmen schlug, zu denen die Anwesenden tanzten und den König priesen. Während Omukama Iguru die Trommel schlug, kommunizierte er mit dem Chef der Palastwache, ob der Rhythmus stimmte, ähnlich wie er am ersten Tag vom obersten der Regaliahüter in dieser Handlung angeleitet und kontrolliert worden war. Danach reichte der Omukama die Trommel zurück an den Chef der Palastwache, setzte sich auf seinen Stuhl und ließ sein Gewand richten. Einen Moment lang trat die batebe vor, kniete vor ihrem Bruder, dem Omukama, pries ihn mit einigen Worten und trat wieder zurück in die Gruppe. Nach dieser Geste der Unterordnung erhob sich der Omukama und ging zügig durch den Tunnel der Hütten zum Haupthaus zurück. Dort setzte er sich auf seinen neunbeinigen Stuhl, nyamyarro, auf dem er 1994 als Omukama gekrönt worden war. Unvermittelt brach ein Streit unter den Regaliamännern aus. Sie beschwerten sich, wie mir gesagt wurde, darüber, dass einige unter ihnen Positionen einnah-

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men, die ihren Clanen nicht zustanden. Der Omukama stoppte den Streit, indem er in ruhigem Ton erklärte, die Angelegenheit werde in einer Versammlung besprochen. Damit erhob er sich und verließ den Raum. Die Veranstaltung war beendet. Diese Performanz war für mich sowohl Ritual als auch Theater. Der Gang zum Kral und die dort stattfindende Performanz hatte den ambivalenten Charakter von Ernst und Spiel.91 Wie jedoch Edward Schieffelin betont hat, hängt die Wahrnehmung sozialer Realität immer vom eigenen kulturellen Vorverständnis ab und birgt somit die Gefahr, falsche Schlüsse zu ziehen. Dies betrifft im westlichen Verständnis von Theater insbesondere die Beziehung zwischen den Aufführenden und dem Publikum.92 Erstens ist die Frage, wer Publikum und wer Aufführender ist, und zweitens, für wen die Performanz Schein und für wen Wirklichkeit ist. Obwohl ich keine ethnografische Performanz beabsichtigt hatte, war ich mit meiner Kamera längst in das Geschehen involviert. Ich war Teil der Aufführung und des teilnehmenden Publikums geworden.93 Der Ernst des rituellen Geschehens bestand in der ‚richtigen‘ Aufführung des königlichen Trommelns und im Tanz der Anwesenden. Da jedes Ritual risikobehaftet ist und scheitern kann, waren weder das Trommeln des Königs noch meine Anwesenheit ohne Konsequenzen. Zur Vermeidung von Fehlern wurde der König von einem Wissendem, in diesem Fall dem Chef der Palastwache, unterstützt. Da ich diesen Ernst nur intuitiv wahrnahm, fragte ich mich, inwiefern das Geschehen für meine und die Kamera des Videografen inszeniert wurde? War es eine Show, oder fand tatsächlich ein Ritual statt? Ich wusste, dass meine Enttäuschung über den Ausschluss tags zuvor meine Unterstützer, allen voran den Chef der Palastwache, mobilisiert und mir nun eine Teilnahme ermöglicht hatte. Nun waren die Linsen und Mikrofone der Kameras wie die Augen und Ohren eines imaginären öffentlichen Publikums auf den Omukama gerichtet. Sie schwenkten ab und an zu den übrigen Akteuren. Da auch Frauen an der Performanz im Kral teilnahmen, mussten sich die geschlechterdifferenzierenden Regeln grundlegend geändert haben, oder die Regeln waren außer Kraft gesetzt, weil die Akteure kein Ritual vollzogen. Babitokati und baranga tanzten mit den Männern zum Rhythmus der königlichen Trommel, obwohl sie nach den vorkolonialen Regeln bei

91 Turner, V.: Vom Ritual zum Theater. 92 Schieffelin, Edward: „Problematizing Performance“, in: Hughes-Freeland, F. (Hg.): Ritual, Performance, Media, S. 194-207, hier: S. 200-201. 93 Vgl. Fabian, Johannes: Power and Performance. Ethnographic Explorations Through Proverbial Wisdom and Theater in Shaba, Zaire, Madison: University of Wisconsin Press 1990, S. 11.

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Todesstrafe nicht weiter als bis zur ersten Hütte (mucwa) gehen durften.94 Der König trug an diesem Tag ein Kostüm, das seine Modernität unter dem Rindenstoff hervorblicken und die Traditionalität als etwas Theatrales und Vorübergehendes erscheinen ließ. Seine moderne Kleidung brach mit der rituellen Maskerade, die ihm die Hüter der Tradition auferlegt hatten, so schien es mir. Omukama Iguru verstand sich, wie er mir sagte, als moderner König, als ein Erneuerer, der sich in einem Pajero fortbewegte und seine Rinder nicht mehr in einem Kral neben seinem Palast, sondern auf einer Ranch züchtete. Zu seiner Regierungskunst gehörten technische, ökonomische und soziale Innovationen, ebenso wie Abschaffung und Erneuerung von Traditionen. Die Hauptlast der königlichen Rituale hatte der König am ersten Empango-Tag sowohl ‚geheim‘ für die Regaliamänner als auch ‚öffentlich‘ für die Kirchen, die Medien und das nichtinitiierte Publikum erfüllt. Das Erscheinen und Trommeln des Königs war jedoch an sich bereits rituelles Handeln. Zusammen mit den übrigen Akteuren konstruierte er eine soziale Wirklichkeit, in der das Königtum durch die Kraft und Stimme der Trommel erneuert wurde. Der König konnte durch sein Trommeln einen Klangraum schaffen, in dem die spirituellen Kräfte und Geister der königlichen Ahnen für die Anwesenden wie in einer Geistbesessenheitsseance Realität werden konnten. Es gab kein distanziertes Publikum, da alle Anwesenden an der Performanz beteiligt waren und alle in der einen oder anderen Weise emotional daran teilnahmen. Warum kam es am Ende zum Streit? Diese Frage kann ich nicht abschließend klären. Ich vermute aber, dass die Performanz nicht zur Zufriedenheit aller Teilnehmenden gelungen war. Wie bei jeder rituellen Performanz wurden die Machtbeziehungen und das kreative Potenzial des Rituals zwischen den Akteuren ausgehandelt. Beim ersten Gang zum Kral, der ‚high function‘, nahmen noch opinionleader wie der Würdenträger Joseph Kazairwe und Machtpolitiker wie der oberste der Regaliamänner teil. Am folgenden Tag begannen bereits die ‚low functions‘, wie der Würdenträger diesen Teil des Empango-Festes genannt hatte. Die Akteure in den Hauptpositionen und die Empango-Trommel, die nun zum Volk gebracht wurde, wurden ausgetauscht. Anschließend wanderte die königliche Trommel in einer langsamen Prozession zum Haus des Wahrsagers omukonda Karongo, der sie auf seinem Thron sitzend erwartete.

94 John Roscoe schrieb: „[…] and no woman might enter any of them [the huts] beyond the queen’s [Batebe’s] reception-room, into which princesses of the king’s generation might go. A woman venturing to enter any of the others would be killed at once.“ (Roscoe, J.: The Bakitara or Banyoro, S. 80.)

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Beim Wahrsager des Königs Am späteren Nachmittag des dritten Festtags wurde die Empango-Trommel zum Wahrsager des Königs getragen. Da es sich um die mimetische Wiederholung einer mythischen Erzählung handelte, gehörte die Wanderung zu den notwendigen Performanzen des rituellen Prozesses. Wieder war es der Chef der Palastwache, der die anstrengende Aufgabe übernahm, die Trommel zum Haus des Wahrsagers zu tragen und seiner Perkussion dabei Ausdruckskraft zu geben. Die Empango-Trommel wurde von zwei Entimbo-Trommeln und einigen Makondere-Hörnern begleitet. Frauen, die die Prozession von fern beobachteten, lachten und rannten schreiend davon. Sie durften der Empango-Trommel nicht begegnen und machten sich einen Spaß daraus. An diesem Tag und unter der Führung des Chefs der Palastwache konnte ich mich trotz meiner weiblichen Identität frei bewegen. Unserer kleine Prozession schlossen sich immer mehr Menschen an, je näher wir dem Haus des omukonda kamen. Dort angelangt, brach der Chef der Palastwache dehydriert und völlig erschöpft zusammen. Ein Mubito-Prinz, ein Halbbruder Omukama Igurus, übernahm sofort die königliche Trommel und setzte die Perkussion fort. Omukonda Karongo saß in Rindenstoffe gehüllt und mit einer blauen Halsperlenkette auf seinem Stuhl, der ihn als Würdenträger auszeichnete. Neben ihm standen seine Stäbe und der Korb des Wahrsagers. Nun schlug er wie der Omukama am Tag zuvor selbst die Trommel. Nachdem der omukonda seine Performanz beendet hatte, sollte das Fest mit Tanz und einem Festmahl fortgesetzt werden. In diesem Augenblick begannen die Musikanten zu streiken, weil sie weder Essen noch Trinken bekommen hatten. Nach einiger Zeit erschien der Oberste der Regaliahüter, der die Kabinettssitzung im Palast des Königs unterbrochen hatte, um den Streit zu schlichten. Es stellte sich heraus, dass der omukonda seinen Pflichten nicht nachgekommen war und kein Festmahl vorbereitet hatte. Hinter der Hand wurde ihm vorgeworfen, dass er das Land, das mit seinem Amt verbunden war, verkauft hatte. Er verteidigte sich mit dem Vorwurf an die königliche Regierung, er habe nicht genügend finanzielle Mittel zur Verfügung bekommen. Es dauerte eine Weile, bis schließlich einige Kanister mit Bier gebracht wurden und das Fest mit Tanz und Musik fortgesetzt werden konnte. An diesem Abend hatte das Fest einen kritischen Punkt erreicht. Wie Edward Schieffelin feststellt, ist jede rituelle Performanz potenziell durch ihr Misslingen gefährdet.95 Hier schien sie zu scheitern, weil die Autorität des omukonda als temporärer König ernsthaft infrage gestellt wurde. Die Position seines Ehren-

95 Vgl. Schieffelin, E.: „Problematizing Performance“, S. 198.

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amtes drohte einzubrechen, weil er nicht die Mittel für ein Festmahl aufbrachte und sein soziales Prestige gefährdet war. Nahrung und Flüssigkeit sind in vielen afrikanischen Gemeinschaften die Parameter für eine effektive Ausübung von Macht.96 Beim Wahrsager fand im kleinen Maßstab eine Krise statt, die dem Omukama im großen Maßstab drohte, wenn er die Besitztümer seines Königtums nicht unter Kontrolle brachte und vermehrte. Er konnte seine Glaubwürdigkeit, sein Amt und die Unterstützung durch seine soziale Gemeinschaft verlieren. Es ist naheliegend zu schließen, dass omukonda Karongo eine Doppelung des Omukama und somit selbst einen König verkörperte. Er schlug die Trommel wie zuvor der König. In Nyakaturas Version von der Mythologie BunyoroKitaras wird der Part des omukonda damit begründet, dass er den ersten MubitoKönig nach Kitara führte und ihm riet, die Macht zu ergreifen.97 Für diesen Dienst belohnte ihn der König mit der Erfüllung eines Wunsches. Daraufhin bat der Wahrsager, der zuvor den Bacwezi-Königen gedient hatte, den MubitoKönig, alles mit ihm zu teilen. Er vertrat damit die Idee, dass die Herrschaft nicht absolut war, sondern dem König die Macht nur verliehen wurde, um das Volk zu führen. Diese Führung war an Bedingungen der Herrschaft geknüpft, die umgekehrt auch für den Wahrsager galten. Durch die Rückkehr des Königtums hatte der omukonda seine rituelle Macht wiedergewonnen, auch wenn er inzwischen völlig verarmt war. Dennoch musste er wie der Omukama die rituellen Performanzen unter den neuen Bedingungen gestalten und ausführen. Dazu war er kaum mehr in der Lage. Die Situation musste vom Minister für Kultur und obersten der Regaliahüter gerettet werden. Als politische und rituelle Autorität besaß der Minister zugleich die Macht, den omukonda mit geeigneten Mitteln auszustatten. Er hatte eine Scharnierfunktion, in der er rituelle und politische Konkurrenz regulieren konnte. Seine Machtpositionen hatte der königliche Minister schon aus dem Grunde, weil er als Vorsitzender des Komitees für Rituale an den rituellen und kulturellen Innovationen des Königtums arbeitete. Er schuf so die Bedingungen für eine transformative Wirkung der Rituale. Sein Fokus lag deutlich auf den ‚high functions‘ und der Medialität des Königtums, die den lokalen Rahmen sprengten.

96 Vgl. Fabian, J.: Power and Performance, S. 283. 97 Nyakatura, J. W.: Anatomy of an African Kingdom, S. 38-41.

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Bei der Königinmutter Am vierten und letzten Tag des Festes wurde eine königliche Trommel mit dem Namen ‚Mweru‘ zur nyinamukama, der Mutter des Königs, gebracht. Der Name der Trommel bedeutet ‚weiß, im Überfluss, ausgelassen‘ und verweist auf die Polysemie der Rituale, die königliche Macht, Reinheit, Fruchtbarkeit und Sexualität implizierten. Es handelte sich nicht um die Empango-Trommel des Königs oder des Wahrsagers, sondern um ein Machtobjekt, das der Königinmutter gehörte. Am frühen Nachmittag erschienen die Musikanten mit ihren Trommeln und Hörnern im Dorf der nyinamukama, einige Kilometer von der Residenz des Omukama entfernt. An diesem Tag hatte der Hüter der königlichen Trommel erneut gewechselt. Nicht der Chef der Palastwache oder der oberste der Regaliahüter, sondern dessen Clanbruder brachte die Trommel zur Königinmutter. Es war der Fotostudiobesitzer, der den Ablauf der königlichen Rituale im staatlichen Rundfunk und Fernsehen bekannt gegeben hatte und ebenfalls zum Clan der Basita gehörte. Wie ich in inoffiziellen Gesprächen erfuhr, hatte er anfangs mit seinem Clanbruder um das Amt des Hüters der Trommel konkurriert. Inzwischen waren die Machtpositionen verteilt, und der Fotostudiobesitzer verzichtete auf einen Auftritt beim großen öffentlichen Spektakel des ersten Festtages. Der rituelle Teil dieses vierten Festtages war rasch vollzogen. Das Publikum bestand aus einigen wenigen Dorfbewohnern sowie meinem Assistenten und mir, die die Performanz der Musiker begleiteten. Der Musita trug das Instrument Abb. 6: Szene der Empango-Rituale 2000: im Haus der Nyinamukama

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in das Haus der nyinamukama, die auf ihrem Stuhl oder Thron saß und ganz in Rindenstoff gehüllt war. Dazu trug sie eine weiße Perlenkette um den Hals. Abweichend von diesem traditionalistischen Erscheinungsbild war eine Armbanduhr. Wie bei fast allen rituellen Amtsinhabern, die in Rindenstoffen auftraten, gehörten Uhren und Schuhe zu den Zeichen ihres Prestiges. Der Musita beugte sich mit der Trommel zur nyinamukama hinunter, genauso, wie es sein Clanbruder, der oberste Regaliahüter, beim Omukama getan hatte, und reichte ihr die beiden Schlagstöcke. Mit diesen berührte sie die Trommel vier Mal und reichte sie ihm dann zurück. Alsbald zog sich der Musita trommelnd zurück in den Garten, der in Ermangelung eines traditionellen Palastes zum Hof der nyinamukama geworden war. Dort bildete er zusammen mit den Entimbo- und Entejemerwa-Trommlern ein Ensemble. Einige Baranga-Tänzerinnen, BabitokatiPrinzessinnen, die beiden Töchter der nyinamukama, einige Babito-Prinzen, der okwiri und die batebe tanzten nun zur Musik. Nach einiger Zeit ebbte die Musik ab, und der Tanz wurde beendet. Die Königinmutter war ebenfalls vor das Haus getreten und hatte ihr Rindenstoffgewand gegen einen weißen, dezent geblümten busuuti aus Seide oder Baumwolle getauscht. Der kleine Rahmen der Veranstaltung ließ darauf schließen, dass das Empango-Fest seinen Abschluss in einer Familienfeier fand. Die wichtigsten Repräsentanten der königlichen Familie und die Führer des königlichen Clans waren im Haus der Königinmutter versammelt. Am Abend wurde der Omukama selbst als inoffizieller Gast des Festtages und als Privatmann erwartet. Die Privatheit des Festes bei der Königinmutter stand in starkem Gegensatz zur Öffentlichkeit der vorherigen Festtage. Sie zeigte die Zurückgezogenheit der Königinmutter, deren Position vor der kolonialen Unterwerfung durch Briten und Baganda zur königlichen Triade von Omukama, batebe (kalyota) und nyinamukama gehört hatte.98 Der Missionar und Ethnograf John Roscoe schrieb, dass sie einen eigenen Hof ein bis zwei Meilen entfernt vom Hof des Königs führte, dass sie ein Haupthaus (karuzika) und einen ‚reception-room‘ (mucwa) besaß99 und täglich sowie zu Neumond zu ihrem königlichen Kral ging, um dort rituell die Kühe zu hüten und Gericht zu sprechen. Sie besaß Ländereien und hatte Macht über Leben und Tod ihrer Untertanen.100 In Roscoes Beschreibung wird deutlich, dass die Mutter des Königs rituelle Verpflichtungen hatte, die mit Vorstellungen von Fruchtbarkeit und mit Macht über die soziale und politische

98

Vgl. „Die königliche Triade“ in Kapitel 3.

99

Die anderen sechs rituellen Hütten gab es bei ihr nicht.

100 Roscoe, J.: The Bakitara or Banyoro, S. 146.

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Ordnung einhergingen. Offiziell durfte sie den König, ihren Sohn, nach ihrer eigenen Inthronisation durch den Palastchef (bamuroga) nicht wiedersehen. Es war mir nicht gelungen, einen Termin für ein Interview mit der Mutter von Omukama Solomon Iguru zu erhalten und so etwas über ihre Vorstellung vom Amt der Königinmutter zu erfahren. Beim Empango-Fest 2000 war die nyinamukama bei allen Ritualen und Performanzen präsent und saß an der Seite ihres Sohnes. Abgesehen von ihrer Präsenz blieb sie mehr oder weniger passiv. In ihrer Funktion als Mutter konnte auf ihre Anwesenheit und Teilnahme nicht verzichtet werden, von der Macht im Königtum war sie aber in der Öffentlichkeit ausgeschlossen. Frauen übten sich im öffentlichen Diskurs allgemein in Zurückhaltung, es sei denn, sie wurden in den politischen Strukturen der Local Councils oder in christlichen Bewegungen aktiv. Die NRM-Regierung propagierte einen emanzipatorischen Diskurs, der aber die Geschlechterverhältnisse im Königtum nur wenig beeinflusst hatte. Königliche und nichtkönigliche Frauen unterschieden sich in der Erfahrung ihrer Lebenswelten nicht mehr grundsätzlich wie noch im 19. Jahrhundert. Zu der Zeit waren die Frauen des Babito-Clans einem männlichen sozialen Geschlecht zugeordnet worden und hatten dadurch eine privilegierte Position in der sozialen Hierarchie. Sie nahmen nun gleichermaßen ihre Wirklichkeit als eine patriarchale Ordnung wahr, in der sich Frauen Machtpositionen durch formale Bildung, kirchliches Engagement oder politische Ämter erschließen mussten. Babitokati hatten zu den ersten Schülerinnen in den Missionsschulen gehört. Nach der Abschaffung des Königtums 1967 hatten sie ihre Unterhaltszahlungen vom Königtum verloren und geheiratet, waren Bäuerinnen geworden oder hatten Berufe ergriffen.101 „It was a shame for Babitokati to produce“, erklärte mir eine Mubitokati und fuhr fort: „It was out of ignorance. It was believed that when a Mubitokati produced, and when the King looked at these children, he would die. But later on, people learned that it was not so. The change was brought about by education. With the coming of the whites and education, bad attitudes began to change. In general, women and Babitokati were given little attention. Men don’t want to educate women. There is a view that when you educate a woman, you are doing it for the benefit of other people. Otherwise, Babitokati are not dull but clever. […] With the coming of Museveni, things have changed, so that women also become educated. But in Bunyoro, educated who are accountable, are rare.“102

101 Interview mit einer Tochter von Omukama Duhaga, Prinzessin Nora Neva Kacwere, in Kyesiga, 25. März 2000. 102 Interview mit Prinzessin Desiderata Kabasuuga, Schwester von Prinz Herbert Kimera, in Parajwoki, 30. April 2000.

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Wie bereits beschrieben, verboten die vorkolonialen sexuellen Regeln den Babitokati die Reproduktion, folglich durften sie keine Kinder gebären und mussten diese Funktion den Frauen der anderen Clane überlassen. Postkolonial ließ sich solch ein Ausschlussmechanismus nicht erneuern, obwohl die Heirat, so die Regel, noch immer von den Führern des Babito-Clans bewilligt werden musste. Während die Frauen des Königs in der Kolonialzeit nach „brain, blood and beauty“103 ausgesucht worden waren, wie mir ein Mubito erklärte, war Bildung gegen Ende des 20. Jahrhunderts ein wichtiges Kriterium für die Wahl einer omugo. Auch die omugo, die Omukama Iguru 2003 in der Kirche heiratete, gehörte zu den gebildeten Frauen. Sie wurde weit mehr als die Königinmutter oder Königinschwester zur weiblichen Repräsentantin der königlichen Macht in Bunyoro-Kitara. Öffentlich beschränkte sie sich aber auf soziale Diskurse wie beispielsweise den Alkoholismus in Bunyoro-Kitara. In erster Linie präsentierte sie sich als Mutter und Ehefrau an der Seite des Königs. Mit der kirchlichen Ehe von Omukama Iguru wurden die christlichen Regeln der Legitimation königlicher Macht wieder in Kraft gesetzt, die noch im Prozess um die Nachfolge 1994 von den Königsmachern als ungültig betrachtet worden waren. Sie besagten, dass die Frau des Königs und zukünftige Königinmutter durch das Sakrament der Ehe legitimiert werden musste und nur die Kinder aus dieser Ehe das Recht auf den Thron erhielten. Alle Babitokati, mit denen ich sprach, hielten die frühere Geschlechterordnung im Königtum für überkommen. Obwohl die Frauen des Babito-Clans darin eine privilegierte Position und Macht innegehabt hatten und einige auch seit der Rückkehr des Königs auf neue Privilegien hofften, waren Fruchtbarkeit, Mutterschaft und Bildung unverzichtbare Rechte geworden. Gender, Tabu und Sanktion In der Geschlechterforschung hat Judith Butler in Anlehnung an Michel Foucault und John Austin die These aufgestellt, dass die Geschlechtsidentität (gender) diskursiv und performativ konstituiert wird.104 Die Kategorien des weiblichen

103 Interview mit Prinz Herbert Kimera in Hoima, 7. Mai 2000. Omubito Kimera war von 1986-1993 Okwiri und somit Führer des Babito-Clans in der Zeit, in der es kein Königtum gab. 1994 war er von Omukama Iguru als Okwiri abgesetzt worden, was innerhalb des Babito-Clans zu einem Streit über die Führung führte. 104 Butler, Judith: Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1991, S. 200 ff.

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oder männlichen Geschlechts schreiben sich durch ständige Re-Inszenierungen als kulturelle Normen in die Körper der Subjekte ein. Sie sind Effekte von Machtdiskursen. In der diskursiven und sozialen Praxis werden sie naturalisiert und als biologische Körperlichkeit konstruiert. Trotz dieser Zuschreibungen bleibt die Kategorie des Geschlechts ambivalent, insbesondere dann, wenn die gender performance nicht der kulturellen Norm entspricht. Ihre Ambivalenz kann subversiv wirken und den hegemonialen Diskurs stören.105 Wie wichtig und real manchen der Anwesenden des Empango-Festes das gendering106 im Kontext der königlichen Rituale war, wurde mir bewusst, als ich am ersten Tag der Empango-Trommel auf ihrem Weg vom Hügel zum Haupthaus des Palastes entgegenlaufen wollte, um sie zu fotografieren. Sofort riefen einige Männer: „Women must sit and not cross the way of empango!“ Ihre Forderung wurde von einer der Palastwachen unterstützt, der mir dasselbe mit anderen Worten sagte: „Women are not allowed to meet the drum!“ Zwar hatte mir der Chef der Palastwache diese Regel genannt, ich hatte mich jedoch für eine Person außerhalb des lokalen Macht- und Genderdiskurses gehalten. Dies war ein Irrtum. Unter den Frauen bildeten nur Babitokati und baranga eine Ausnahme. Sie tanzten bereits am Hügel, wobei die Tänzerinnen nicht der Trommel entgegenliefen, sondern hinter ihr her tanzten. Babitokati waren ‚Kinder der Trommel‘ (Babito b’engoma) und durften ihr näher kommen als andere, gewöhnliche Frauen. Baranga galten metaphorisch als ‚die Kinder der Babitokati‘. Im rituellen Kontext standen diese Frauen außerhalb der gewöhnlichen Geschlechterordnung, weil sie mit ihrem Tanz königliche Macht performierten. Als ‚Muzungu‘ oder Europäerin gehörte ich zum performativen Publikum des Empango-Festes. Mein Interesse am rituellen Wissen wurde kritisch gesehen und in Bezug auf meine weibliche, ethnische und wissenschaftliche Identität überprüft. Am Gang zu omurugo nahmen keine beliebigen Personen teil, sondern nur Älteste, die über das rituelle Wissen verfügten, und Personen, die durch Machtpolitik an ihr rituelles Amt gelangt waren. Teils betrachtete ich die Geheimhaltung als eine Machtdemonstration des obersten Regaliahüters, der ein strenges Regime über die anderen Regaliahüter führte. Teils hatte ich den Eindruck, dass die Zurückhaltung von Wissen die Bedeutung des Objekts und der Aufgabe erhöhte. Eine dritte Möglichkeit bestand darin, dass die geheimen Rituale vor oppositionellen Diskursen geschützt werden sollten. In jedem Fall wa-

105 Ebenda, S. 61, 202. 106 Vgl. Behrend, Heike: „‚Mothers do not make Babies‘. Zur Frauen- und Geschlechterforschung in der Ethnologie“, in: Zeitschrift für Ethnologie 119 (1994), S. 175-183, hier: S. 180.

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ren die Ansichten geteilt, wie weit mein ‚Wissensdurst‘ über die Art und die Inhalte der Rituale gestillt werden sollte. Damit wurde auch mein Machtzuwachs kritisch hinterfragt. Ich bekam Sanktionen zu spüren, wenn ich die Grenzen meines sozialen Geschlechts überschritt und der königlichen Trommel entgegenlief. Nach der Logik des hegemonialen männlichen Diskurses gefährdete ein Tabubruch die Wirkung und den Ausgang der Veranstaltung, die von heftigem Regen und Hagel begleitet wurde. Eine solche Grenzüberschreitung hätte die herrschende Ordnung außer Kraft gesetzt. Nicht zu überhören waren aber auch Stimmen, die die Dominanz des obersten Regaliahüters kritisch sahen. Eine dieser Stimmen kam von einem der Wahrsager des Omukama. In einer Bar neben dem Festtagsgelände erzählte er mir, dass es zu einem Streit zwischen ihm und dem obersten Regaliahüter gekommen war. Der Auslöser des Streits war gewesen, dass der Wahrsager mir einen geheimen Ort gezeigt hatte. Es war ein leerer Platz, auf dem lediglich ein paar in die Erde gesteckte Stöcke und ein Feuer zu sehen waren. Sie bezeichneten kyarubanga, die Hütte der Geistmedien und das Opferhaus. „They had no time and no material for kyarubanga“, sagte mir der Wahrsager und erklärte, dass die Geistmedien (bakibandwa) der Hügel Musaija Mukuru und Ngobya am ersten Tag ebenfalls am Empango-Fest teilnahmen. In meinem Tagebuch hielt ich fest: „The Chief of Regalia holders blamed X (the diviner) for expecting money from the Muzungu and giving explanations which could be ‚distorted‘ from the ‚truth‘.“107 Der Wahrsager hatte die Grenze der Wissensvermittlung überschritten, als er mich zur Hütte kyarubanga führte. Für Außenseiter existierte sie nicht, für Eingeweihte war sie real. Wie der Name sagte, gehörte die Hütte Rubanga, einem cwezi spirit, der als extrem mächtig und ambivalent gilt. Dem NyoroKünstler Peter Kasaija zufolge soll er aus dem Norden Bunyoro-Kitaras kommen und für alle Arten von Körperdeformationen und ungewöhnlichen Geburten verantwortlich sein. Umgekehrt soll er materielle Belohnungen, Überfluss, (häuslichen und gesellschaftlichen) Frieden, Gesundheit und andere gute Dinge bewirken können.108 Laut John Beattie wurde Rubanga auch mit Donner (vermutlich

107 Eigene Notizen, Hoima, 2. August 2000. 108 Kasaija, Peter: Abacwezi and Embandwa. A Traditional African Religion, unveröffentlichtes Manuskript, o. O, o. D. Peter Kasaija ist der Bruder von Dosteo Bisaka, einem ehemaligen Katechisten, der in Bunyoro-Kitara eine eigene Kirche gründete. Als Künstler setzte Peter Kasaija verschiedene Themen des Embandwa-Kultes in seiner Malerei um. Ich bin ihm sehr dankbar für ein langes Gespräch über Abacwezi und Embandwa sowie für das Manuskript, das er mir freundlicherweise zur Verfügung stellte.

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auch mit Regen) assoziiert und mit der Fähigkeit blitzschnell zu töten.109 Rubanga gilt noch immer als extrem mächtig, sodass nur starke Medien mit ihm kommunizieren können. Die Rückkehr der Geistmedien wurde im Palast unterschiedlich kommuniziert. Während der Privatsekretär des Königs einen wissenschaftlichen Diskurs mit mir führte und keine Bedenken hatte, die spirituellen Praktiken zu erwähnen, machte der oberste Regaliahüter aus ihnen ein großes Geheimnis. Damit gab er ihnen enormes Gewicht. Er beanspruchte die Deutungshoheit über das rituelle Geschehen und über die Wahrheit des rituellen Diskurses. Die Weitergabe von Wissen über die okkulten Praktiken sanktionierte er dadurch, dass er es für unwahr erklärte. Im Streit mit dem obersten Regaliahüter entschuldigte sich der Wahrsager, weil er dessen Fähigkeit der Hexerei fürchtete. Als Erklärung formulierte er eine Theorie der Macht, die über die sichtbare Performanz hinausgeht, aber ihren Kern berührt. Okkulte Macht ist danach weitaus gefährlicher als politische Macht, weil sie indirekt und unsichtbar wirkt.

Z USAMMENFASSUNG Das Empango-Fest ist ein diskursives und mediales Ereignis, bei dem Macht performiert und medialisiert wird. In diesem Fall wird die Rückkehr des Königtums in Bunyoro-Kitara zelebriert, erinnert und aktualisiert. Um zu zeigen, dass sich der Rahmen des Festes seit der Krönung des Königs mit jeder Wiederholung des Festes verändert und eine Transformation der rituellen Performanzen mit sich bringt, habe ich die Liturgie des Krönungsgottesdienstes und die darin eingebetteten königlichen Rituale untersucht, insbesondere die Sprechakte und ihre illokutionäre Kraft. Das Besondere an diesen Sprechakten ist, dass sie nicht allein von menschlichen Akteuren wie dem Bischof, dem König und den rituellen Experten des Königs vollzogen werden, sondern auch von nichtmenschlichen Akteuren, in diesem Fall der königlichen Trommel empango. In Anlehnung an Alfred Gells Handlungstheorie von Mensch und Objekt, denen im afrikanischen Kontext beiden agency zugeschrieben wird, habe ich die Empango-Trommel als ein handelndes Objekt beschrieben. Auch wenn diese Sichtweise aus westlicher Perspektive befremdlich wirkt, so geht sie doch auf ein Handlungskonzept zurück, in dem die Trommel in Heilungs- und Herrschaftsritualen als Medium von Geistern und Ahnen eingesetzt wird. Ähnlich verhält es sich mit dem Krönungsgottesdienst, denn hier wird angenommen, dass die königlichen Ahnen über die Stimme der Trommel in das Geschehen und die Legitimationsrituale des neuen

109 Beattie, J.: „Group Aspects of the Nyoro Spirit Mediumship Cult“, S. 14 und 32.

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Königs eingreifen. Christliche und pagane Rituale schließen sich nicht grundsätzlich aus, sondern nehmen, wenn die Kirchen es tolerieren, hybride Formen an. Hymnen, Gebete, Rituale und Regalia gehören zum medialen Repertoire des Christentums ebenso wie der Geisterkulte des ostafrikanischen Zwischenseengebietes. Zwar gibt es nach wie vor eine Dominanz der protestantischen und katholischen Kirchen gegenüber dem Königtum, zugleich wird ihre Autorität mit jeder Wiederholung und Erneuerung des Empango-Festes infrage gestellt, sodass sie bestrebt sind, ihre Kontrolle über die rituellen Praktiken des Königtums zu festigen. Anders gesagt, die königlichen Akteure gewinnen an Macht und Selbstbewusstsein, je weiter die Retablierung des Königtums voranschreitet. Den etablierten Kirchen droht zugleich ein Machtverlust in einem zunehmend umkämpften religiösen Feld. Die rites des passage des Königs gehen im Verlauf des Empango-Festes in rites de passage der Festgemeinschaft über und erzeugen eine temporäre communitas unter den Teilnehmern. Unter dem Motto ‚Rebirth of Bunyoro-Kitara‘ wird die Rückkehr des Königtums gefeiert und medial inszeniert. Das Königtum geht dafür Beziehungen mit lokalen wie nationalen, mit alten wie neuen Medien ein. Durch translokale Allianzen und Verträge mit nationalen wie internationalen Handelsgesellschaften baut es neue Wege der Kommunikation und Vermarktung auf und verspricht so eine Rückkehr zu Reichtum und Prosperität. Es schließt an historische Praktiken an, die zur Größe des vorkolonialen Reiches BunyoroKitara und mit der kolonialen Eroberung zu seinem Niedergang geführt hatten. Es nutzt alte Medien in neuen Formen, um die Modernität des Königtums an die Öffentlichkeit zu bringen. So übernehmen Radio, Fernsehen und Presse die Nachrichtenfunktion, die Flötisten und Trommeln im vorkolonialen Palast ausgeübt hatten; ‚bottled beer‘ ersetzt den ‚local brew‘ aus Hirse, Mais und Bananen; Milch besitzt noch nicht wieder die Funktion eines königlichen Mediums, weil zur vollen Retablierung des Königtums zunächst die Rückgabe der Besitztümer und der Wiederaufbau der Herden gehören. Das Fest wird im Machtkampf mit dem Staat zu einem politischen Ereignis, da der Einparteienstaat im Demokratisierungsdiskurs vom Rückhalt im Königtum abhängig wird. Parallel zur öffentlichen Medialisierung des Königtums praktizieren die rituellen Akteure eine Geheimhaltungspolitik, indem sie die königlichen Rituale unter Ausschluss der Öffentlichkeit vollziehen. Ihre Wiederholung im Licht der Öffentlichkeit wird eine Performanz für die Unterhaltungsmedien, das Publikum und die Machtinteressen dieser Akteure. Die eigentliche Transformation des Königs und die Wiederherstellung der kosmischen Ordnung finden aber im Geheimen und im Kontext der von Christen verteufelten Geisterkulte statt. Nach den ‚high functions‘ der rituellen Akteure, die ausschließlich männlichen Ge-

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schlechts sind, folgen die ‚low functions‘ beim Wahrsager des Königs und beim weiblichen Geschlecht, der Königinmutter. Die Performanzen sind daher hierarchisch nach Alter, Geschlecht und Prestige der Akteure geordnet. Der sozialen und politischen Marginalisierung des weiblichen Geschlechts im neuen Königtum entsprechen das Fehlen weiblicher Rituale und die Marginalisierung der Königinmutter. Die Performanzen sind eingebettet in das Feld der konkurrierenden und hybriden Machtdiskurse von Staat und Kirche sowie Königtum und Gesellschaft. Sie sind Teil des Dispositivs der Macht, das mit der Rückkehr des Königtums entstanden ist. Das Empango-Fest bringt die politische Kultur des Königtums zum Ausdruck und schafft die Zeit und den Raum für eine kosmische Erneuerung. Es bewirkt eine Transformation der politischen Kultur und trägt zu ihrer medialen Vermittlung an ein lokales, nationales und globales Publikum bei.

Schluss

Die Rückkehr des Königs von Bunyoro-Kitara steht im Kontext einer Stärkung traditioneller Autorität, die sich seit den 1990er Jahren im südlichen Afrika zunehmend beobachten lässt.1 Diese Beobachtung hat eine Reihe von Fragen zur Beziehung zwischen Tradition und Moderne, zur Konstruktion von Modernität und zum politischen System in Afrika aufgeworfen. Im Zusammenhang mit der Krise vieler afrikanischer Staaten rücken Prozesse der Identitätsbildung, der Ethnisierung und der Globalisierung in den Mittelpunkt wissenschaftlicher Forschung. Dabei wird eine Tendenz zur ‚Retraditionalisierung‘ festgestellt, die unterschiedlich eingeschätzt wird: einesteils als rückwärtsgewandte Alternative zum Versagen der Staatsregierungen in Afrika und zu den nicht erfüllten Versprechungen westlicher Modernisierungsmodelle2; anderenteils als Versuch einer Integration traditioneller Strukturen in den afrikanischen Staat, der hybride und ambivalente Formen von Macht hervorbringt.3 Mein Ansatz greift die letztere Position auf und entwickelt sie weiter, indem er die Hybridisierung von Diskursen und Praktiken der politischen Kultur in Afrika untersucht, um die Entstehung neuer Formen von Macht und kulturellen Praktiken zu erkennen. Dazu habe ich

1

Darunter fallen Mayer-Himmelheber, C.: Die Regalia des Kabaka von Buganda; Kiguli, J.: Gender, „Ebyaffe“ and Power Relations in the Buganda Kingdom; Hansen, H. B./Twaddle, M. (Hg.): From Chaos to Order; Karlström, M.: The Cultural Kingdom in Uganda; Perrot, C.-H./Fauvelle-Aymar, F.-X. (Hg.): Le retour des rois; Twaddle, Michael: „Uganda. Prospects for Democracy and the Revival of the Kingdoms“, in: The Round Table 339 (1996), S. 323-332; van Rouveroy van Nieuwaal, E./ van Dijk, R. (Hg.).: African Chieftaincy in a New Socio-political Landscape; Warnier, J.-P.: The Pot-King; Werbner, R./Ranger, T. (Hg.): Postcolonial Identities in Africa, 1996.

2

Bayart, J.-F.: The State in Africa.

3

Chabal, P./Daloz, J.-P.: Africa Works; Arens, W./Karp, I. (Hg.): Creativity of Power.

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Theorien und Methoden der ethnologischen Forschung, aber auch verwandter Fächer wie Soziologie, Politologie und Geschichte verwendet. Als Instrumentarium diente mir die Diskursanalyse in Anlehnung an die Arbeiten Michel Foucaults. Im Mittelpunkt meiner Arbeit stehen die Retablierung des Königtums von Bunyoro-Kitara und die damit verbundenen Diskurse und Praktiken der politischen Kultur Westugandas. Ich habe meine Untersuchung an aktuelle wissenschaftliche Diskurse über Prozesse der Transformation und der Moderne in Afrika angeschlossen und gezeigt, wie sich die Rückkehr des Königs mit der Konstruktion von Modernität in Bunyoro-Kitara verbindet.4 Anstelle einer Dichotomisierung von Tradition und Moderne war es mir wichtig, die Trennung dieser beiden analytischen Kategorien aufzuheben und ihre Verbindung zu zeigen. Statt von einer ‚Retraditionalisierung‘ spreche ich von einer ‚Erneuerung‘ und ‚Revitalisierung‘, um das innovative und kreative Potenzial der Transformationsprozesse zu unterstreichen, ohne dabei die repressiven Machtwirkungen zu ignorieren. Ich habe die Aufmerksamkeit auf lokale Formen der politischen Kultur gelenkt, wie sie die Institution des Königtums im Zwischenseengebiet darstellt. Gerade die Ambivalenz zwischen dem Wiederaufleben des Königtums und der Konstruktion von Modernität hat mich zu dieser Untersuchung veranlasst. Ich spreche von der Formation eines Dispositivs der Macht, das sich mit der Rückkehr des Königtums herausgebildet hat, um die Materialisierung der Diskurse und das Spiel der Machtbeziehungen zu zeigen. Zum Dispositiv gehören hegemoniale und oppositionelle Diskurse, rivalisierende religiöse Kulte, rituelle Praktiken, politische Institutionen, konkurrierende Rechtsvorstellungen, Besitztümer und Machtobjekte (Regalia), soziale Organisationsformen, gemeinschaftsstiftende Symbole, Feste sowie mediale Objekte und Apparate. Der Foucault’sche Begriff des Dispositivs hat es ermöglicht, die Heterogenität der Ereignisse und die Komplexität der Diskurse zur Rückkehr des Königs von Bunyoro-Kitara zu zeigen. Er erlaubt, ein Licht auf die historischen und aktuellen Transformationen zu werfen, ihren Ereignischarakter zu beschreiben und ihre Machtwirkungen zu untersuchen. Zur Analyse des Dispositivs habe ich historische Diskurse herangezogen, die die Transformationen der Gesellschaft deutlich machen. Insgesamt hat sich der Foucault’sche Werkzeugkasten mit seinem Begriffsvokabular ebenso wie das diskursanalytische Vorgehen der Archäologie und Genealogie bewährt. In der Untersuchung historischer und ak-

4

Z. B. Behrend, Heike/Luig, Ute (Hg.): Spirit Possession. Modernity and Power in Africa, Oxford: James Currey 1999; Comaroff, J./Comaroff, J. (Hg.): Modernity and its Malcontents.

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tueller Diskurse und Praktiken wurde außerdem das komplizierte Zusammenwirken von repressiver und produktiver Macht erkennbar. In fünf historischen und vier gegenwartsbezogenen Kapiteln habe ich gezeigt, dass politische Kultur in Afrika dynamisch ist und beständig erneuert und verändert wird. Herrschaftsdiskurse, Legitimationsdiskurse und kosmologische Diskurse werden mit der Rückkehr des Königtums wieder aktualisiert und reformuliert. Ein Effekt dieser Erneuerungsprozesse ist die Rehabilitierung traditioneller Autoritäten und ihre Ausstattung mit neuer Macht. Wie eingangs erwähnt, haben sich die sogenannten ‚Retraditionalisierungsprozesse‘ in Afrika seit den 1990er Jahren verstärkt. Im Allgemeinen werden sie als eine Reaktion auf die Krise des Staates erklärt und in einen Zusammenhang mit den Forderungen nach Demokratisierung gestellt, die von westlichen Kapitalgebern, aber auch von afrikanischen Oppositionellen kommen.5 Mehr aber als der Ruf nach westlichen Demokratiemodellen hat die Suche nach kulturellen Alternativen eine Rückkehr traditioneller Autoritäten ermöglicht. Kulturelles Revival ist so gesehen eine Form des Widerstandes gegen den Druck der Globalisierung, gegen Individualisierung, Identitätskrisen und Verarmung. Für die Politologen Patrick Chabal und Jean-Pascal Daloz ist die Unordnung und Funktionsschwäche der politischen Institutionen in Afrika zum System geworden.6 Jean-François Bayart spitzt diese These noch zu, indem er von einer „Politik des Bauches“ und einer „Kriminalisierung des afrikanischen Staates“ durch seine Eliten und ihre Netzwerke spricht.7 Diese Position lässt allerdings kaum Raum für die Anerkennung oppositioneller Diskurse in Afrika, die die Unordnung in Ordnung kehren wollen. Die Rückkehr traditioneller Autoritäten und der Könige in Uganda ist meiner Ansicht nach der Versuch, eine alternative Ordnung in der bestehenden dysfunktionalen zu schaffen. Interessant daran ist, dass das herrschende Regime nicht gestürzt werden soll, wie es verschiedene Rebellenbewegungen in Uganda immer wieder versuchen. Vielmehr stützen die retablierten Königtümer das herrschende politische System und passen sich so in dessen ‚Un-Ordnung‘ ein. Es besteht also kein Widerspruch zwischen Tradition und Moderne, sondern eine Komplementarität, die, wenn nötig, durch die Erfindung neuer Traditionen und das Vergessen alter Regeln hergestellt wird. Mit dem Titel „Die Rückkehr der Könige“ spiele ich die These an, dass die Königtümer bis heute sakrale Institutionen sind und als solche in der politischen

5

Bayart, J.-F.: The State in Africa.

6

Chabal, P./Daloz, J.-P.: Africa Works.

7

Bayart, J.-F.: The State in Africa; Bayart, Jean-François/Ellis, Stephen/Hibou, Beatrice: The Criminalization of the State in Africa, Oxford: James Currey 1999.

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Kultur des ostafrikanischen Zwischenseengebietes Strukturen der longue durée herausgebildet haben. Die ‚zurückgekehrten‘ Könige sind Nachkommen der Herrscher, die von den kolonialen und postkolonialen Regimen entmachtet und vertrieben wurden. Der immerwährende und übernatürliche Charakter des Königtums wird in Afrika auch in der Moderne über den des individuellen und sterblichen Körpers des Königs gestellt. Epistemologisch habe ich mich von der Theorie des sakralen Königtums leiten lassen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Sir James Frazer vertreten wurde, aber keine breite Anerkennung in der kolonialen Ethnologie fand. Spätere Ethnologen, vor allem Strukturalisten, reformulierten Frazers’ Theorie des sakralen Königtums, seine Ideen und Thesen über den König als Garant von Fruchtbarkeit und, wenn dieser Reichtum ausblieb, als Sündenbock für das Unglück in der Gesellschaft.8 Diese Ideen lassen sich in unterschiedlichen Diskursen in Bunyoro-Kitara wiederfinden, denn der Erfolg des Königs hängt in erster Linie von seiner Fähigkeit ab, Reichtum an Menschen, gute Lebensbedingungen und Macht zu generieren. Auch Ernst Kantorowiczs Werk über die „Zwei Körper des Königs“ fand immer wieder Eingang in die wissenschaftlichen Diskurse über das Königtum in Afrika. Das sakrale Königtum, so ein Fazit meiner Arbeit, ist in Afrika auch in der Moderne ein Ausdruck politischer Kultur. Es stellt weiterhin ein Modell politischer, sozialer und kosmologischer Ordnung dar. Meine Untersuchung hat gezeigt, dass es Strukturen der longue durée gibt, die sich in der Kontinuität geschichtlicher Diskurse und Praktiken feststellen lassen. So bildete sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, dem Beginn des kolonialen Krieges, bis zu den Bürgerkriegen des 20. Jahrhunderts ein Dispositiv der Armut in Bunyoro-Kitara heraus, das sich durch hohe Sterblichkeitsraten, Arbeitslosigkeit, niedrige Bildungschancen und eine schlechte Infrastruktur bemerkbar macht. Dazu gehörte auch im 19. Jahrhundert die Transformation von einem cattle kingdom zu einer Sklavenhaltergesellschaft. Noch bevor BunyoroKitara von Buganda und den Briten erobert wurde, begann es, seine Wirtschaft und Gesellschaft auf die Einführung von Sklaven zu stützen. Es fügte sich so in die Globalisierung des Welthandels ein. Die Suche nach neuen Marktchancen und Verbündeten ist eine der ältesten Strategien auf dem afrikanischen Kontinent, um auf globale Veränderungen, Marktlagen und geopolitische Interessen zu reagieren. Omukama Kabalega, Bunyoro-Kitaras letzter autonomer Herrscher, gilt bis heute als potenter Machthaber, der zur Durchsetzung von Reformen und zu neuen politischen und ökonomischen Strategien bei der Konsolidie-

8

Heusch, Luc de: Le Roi Ivre, ou l’Origine de l’État, Paris: Gallimard 1972; Wrigley, C.: Kingship and State; Quigley, D. (Hg.): The Character of Kingship.

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rung seines Reiches in der Lage war. Es ist genau diese Figur der Stärke und Souveränität, die als Vorbild für das neue Bunyoro-Kitara und den neuen König, den Enkel Omukama Kabalegas, steht. Verschwiegen wird dabei, wie neuere Arbeiten britischer Historiker zeigen, dass Omukama Kabalega die Institution der Sklaverei ausweitete, um eigene demografische Probleme zu lösen.9 Der Sklavereidiskurs hat einen erheblichen Anteil an heutigen Identitätsfragen in Bunyoro-Kitara. Er variiert von der Unterdrückung durch Fremdherrschaft bis zum kolonialen Genozid. Die Verantwortung des Staates ist Thema kritischer Diskurse von Gegnern wie von Anhängern der staatlichen Regierung (NRM). Ein Teil der Kritiker des Staates hat sich 1993 mit der Retablierung des Königtums im alternativen Diskurs engagiert. Obwohl seither die Souveränität des Königs Ziel ihrer Operationen ist, stellen sie die Führung des Staates nicht grundsätzlich infrage. Es wird aber eine Teilung der Machtressourcen gefordert. Im Gegenzug zur Unterstützung des politischen Regimes in Uganda, dem National Resistance Movement, fordern die neuen monarchistischen Eliten in Bunyoro-Kitara eine Teilsouveränität und vor allem eine ökonomische Unterstützung ihrer politischen Kultur, des Königs und des Königtums. Daneben führen die Ältesten einen moralischen Diskurs, der den Verfall der alten Gesellschaft beklagt und nach einer einheits- und identitätsstiftenden Kraft ruft. Die Kritik am Staat macht deutlich, dass lokale Interessen vor nationalen Interessen stehen. Sie zeigt außerdem, dass der Druck durch die Globalisierung zunehmend als eine lokal zu bewältigende Aufgabe gesehen wird, weil der Staat als Protagonist der Modernisierung in weiten, vor allem ländlichen Teilen Afrikas versagt. Für die Monarchisten richtet sich die Hoffnung auf die Institution des Königtums und auf den König als Krisenmanager. Dieser wird zum Advokaten der lokalen Interessen und damit zum Konkurrenten der Lokalregierungen, die hier einen Alleinvertretungsanspruch erheben. In den Distrikten des Königtums Bunyoro-Kitara formierten sich abhängig von der jeweiligen Geschichte das Königtum unterstützende und gegnerische Diskurse. Erst die Formation eines einheitlichen Territoriums und die Zusammenführung der teils rivalisierenden Distrikte machte die Retablierung des Königtums vollständig. Im Fall einer nationalen politischen Reform und der Einführung eines föderalen Systems kann Bunyoro-Kitara nun auf seine verfassungsmäßig eingetragenen Gebiete Anspruch erheben. Mein Argument geht jedoch weiter, weil neben der rechtlich-territorialen Erneuerung auch ein kosmologischer Diskurs über die Erneuerung des Königtums stattfand. Er macht sich an der Rückkehr von Geistmedien, an der

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Médard, H./Shane D. (Hg.): Slavery in the Great Lakes Region of East Africa.

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Rückgabe der königlichen Gräber und an der Performanz der königlichen Rituale fest. Ohne diese „anthropologischen Orte“10 und rituellen Handlungen bleibt die Wiederherstellung des Königtums aus der Perspektive seiner Unterstützer unvollständig. Die Erwartungen und Forderungen der Befürworter des Königtums brechen nicht ab, sondern richten sich auf den König und seine Handlungsmacht in der Moderne. Anders als in Buganda gab es in Bunyoro-Kitara eine schwache Clanorganisation und kaum materiellen Besitz, auf dem der neue König 1994 aufbauen konnte. Der Großteil der Besitztümer war in der Kolonialzeit vom Staat enteignet worden. Wie ich gezeigt habe, ist die Retablierung des Königtums in erster Linie das Werk einer Gruppe von Banyoro, die zur lokalen und nationalen Elite gehörten. Manche sind Angestellte des Staates, andere Beamte der Regierung der NRM, wieder andere eigenständige Unternehmer. Die Mehrheit ist in einer Stiftung (Bunyoro-Kitara Development Foundation) organisiert, die sich den Wiederaufbau des Königtums zum Ziel gesetzt hat. Hier findet die „reziproke Assimilation der lokalen und nationalen Eliten“ statt, von der Jean-François Bayart im Kontext Kameruns spricht.11 Einige dieser Eliten betätigen sich seither als politische broker zwischen Staat und Königtum. Ich habe argumentiert, dass der Thronfolger von dieser Elite zum König gemacht werden konnte, indem der Staat die Rehabilitation der traditionellen Autoritäten rechtlich legitimierte und dafür politische Unterstützung erwartete. Als Reaktion bekämpften sich die gegnerischen Parteien der Thronfolge mit Argumenten aus den vorkolonialen und kolonialen Rechtspraktiken. Von den beiden rivalisierenden Prinzen konnte sich schließlich derjenige durchsetzen, der von einem Krönungskomitee vertreten wurde und sich konform zur Politik des herrschenden Regimes verhielt. Ein Testament legitimierte den neuen Thronfolger, wobei Schriftlichkeit und Mündlichkeit einen unterschiedlichen Stellenwert einnahmen. In nationalen Diskursen entschied das Schriftstück über den Ausgang des Prozesses, in lokalen Diskursen begründete das Paradigma des Königsmords die Ablehnung eines der beiden Kandidaten. Der Prozess und die lokalen Debatten über seinen Ausgang zeigen, dass sich vorkoloniale und koloniale Legitimationsdiskurse und Rechtsvorstellungen nicht grundsätzlich ausschließen, sondern hybride Formen annehmen können. Paradoxerweise kam die Rückkehr der Könige unter dem Druck zur Demokratisierung des Einparteiensystems in Uganda zustande. Sie lenkte bis zur Einführung des Mehrparteiensystems 2005 vom Bann der politischen Parteien ab. Die Unterdrückung einer parlamentarischen Opposition außerhalb der Ein-

10 Augé, M.: Orte und Nicht-Orte. 11 Bayart, J.-F.: The State in Africa.

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heitspartei in Uganda wirkte bis in die Wahl des Thronfolgers von BunyoroKitara hinein. Ich habe weiter gezeigt, wie nach der Krönung des neuen Königs ein Disput über die Besitztümer des Königtums (ebyaitu) entbrannte. Sie befanden sich noch in den Händen der Lokalregierung, die von der Abschaffung des Königtums profitiert hatte. Zwar waren nicht mehr die gleichen Politiker an der Macht, aber es handelte sich um Anhänger der Partei (UPC), die den Sturz der Königtümer verursacht hatte. Der Disput wuchs sich zu einem Konflikt zwischen dem Königtum, der Lokalregierung und der Nationalregierung aus. Er schloss damit alle Ebenen der politischen und administrativen Entscheidungsfindung ein. Auch in diesem Fall konnte sich die – teils aus dem Krönungskomitee hervorgegangene – Regierung des Königtums durchsetzen. In Anlehnung an Michel Foucaults Arbeiten über den Machttyp des Souveräns12 habe ich argumentiert, dass es sich in diesem Konflikt um die Herausbildung eines Dispositivs der Macht handelt, in dem die Fähigkeit des Königs, Reichtum zu generieren, kollektive Feste zu feiern und das Königtum souverän zu repräsentieren, zur Disposition steht. Nicht veräußerbare Besitztümer wie die Regalia des Königs werden nicht zum Gegenstand des Konflikts, sondern Teil des Diskurses über das Weltkulturerbe. Die Lokalregierung untergräbt die Souveränität des Königs, weil sich auch ihre Handlungsmacht an materiellem Besitz festmacht. Der Konflikt entscheidet sich am Referendum über das politische System in Uganda, als das Königtum für die Unterstützung des herrschenden Einparteienregimes den geforderten Teil seiner Besitztümer zurückerhält. Das Beispiel zeigt, wie oppositionelle Diskurse sich materialisieren und Machtwirkungen entfalten und wie kulturelle Besitztümer in ökonomische und politische Diskurse eingehen. Die Rückgabe ‚unserer Dinge‘ war ein weiterer Schritt in der Retablierung des Königtums. Zugleich war sie die Voraussetzung für eine Erneuerung der Clangesellschaft in Bunyoro-Kitara. Auch hier zeigt sich die Komplexität des Dispositivs, das durch die Rückkehr des Königs hervorgebracht wird, denn von der Einbindung der Clane hängt die gemeinschaftsstiftende Wirkung des Königtums ab. Aus der Sicht des Staates sollen die Königtümer für die Ablenkung von politischem Widerstand und für die Modernisierung der Gesellschaft sorgen. Die Könige wurden als kulturelle Führer eingesetzt und sollten Identität stiften. Das Dispositiv entfaltete sich mit der Gründung eines neuen Clanrates. Es scheiterte aber an der Schwierigkeit, die Clane neu zu organisieren. Solange die Besitztümer in Staatshand waren, konnten nur wenige Clantreffen finanziert und

12 Foucault, M.: Überwachen und Strafen, S. 9 ff.; „Gouvernementalität (Vortrag)“, S. 148 ff.

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keine neuen Strukturen aufgebaut werden. Die Clanführer und -mitglieder erwarteten jedoch materielle Unterstützung vom König, um sich dann im Gegenzug an der Institution zu beteiligen. Oder sie beteiligten sich ehrenamtlich, um dann irgendwann finanziell entschädigt zu werden. Solange der erwartete Reichtum ausblieb, war auch die Bereitschaft, sich im Königtum zu engagieren, gering. Die Konstituierung der Subjekte des Königtums als Clanmitglieder scheiterte so vorerst an den materiellen Bedingungen, die eine gesellschaftliche Relevanz des Königtums und des Königs infrage stellten. In dieser Arbeit habe ich mit Patrick Chabal die These von der ‚Retraditionalisierung‘ der Gesellschaft, die durch die Rückkehr der traditionellen Autoritäten ausgelöst wird, infrage gestellt, weil sie mir zu rückwärtsgewandt vorkommt.13 Stattdessen spreche ich von einem Revival und einer Erneuerung der politischen Kultur des Königtums, in der Tradition und Moderne keine Gegenpole, sondern hybride Formen bilden. Traditionen werden, das haben Eric Hobsbawm und Terence Ranger, aber auch andere gezeigt, teils neu erfunden, teils verändert, adaptiert oder fallengelassen.14 Kultur wird auch in Afrika nicht als statische Größe betrachtet, sondern als dynamisch und veränderbar. Die produktive Seite der Macht, Kultur politisch zu gestalten, ist nicht das alleinige Merkmal der Retablierung des Königtums, denn dabei kommt auch repressive Macht zur Geltung. Jean-François Bayarts These von der reziproken Assimilation alter und neuer Eliten ließ sich an der Rückkehr des Königs von Bunyoro-Kitara demonstrieren, sie gilt aber auch für die anderen ugandischen Königtümer, die sich als ‚kulturelle‘ Institutionen neu erfinden und gestalten. Ich verwende den Begriff ‚erfinden‘ dabei nicht im Gegensatz zu einer ‚authentischen‘ Tradition, sondern als eine Handlungsmacht (agency) der Subjekte, die Innovationen hervorbringen und sich in der Moderne ‚einbetten‘. Mir ist bewusst, dass ich damit Anthony Giddens’ ‚Entbettungsparadigma‘ gewissermaßen auf den Kopf stelle, halte es aber für gerechtfertigt, weil Giddens politische und kulturelle Transformationen in der Moderne zu wenig berücksichtigt.15 Ich habe hingegen gezeigt, dass die Rückkehr der Könige in Uganda neue Institutionen und Handlungskonzepte in der Gesellschaft schafft, die neben ihrer Traditionsverbundenheit eine politische und kulturelle Innovation darstellen. Die kreative und produktive Seite der Rückkehr des Königs von BunyoroKitara schuf ein mediales und performatives Dispositiv. Es setzt sich aus alten und neuen Elementen zusammen und entfaltet seine volle Wirkung bei den Jah-

13 Chabal, P.: „The African Crisis“. 14 Hobsbawm, E./Ranger, T.: The Invention of Tradition. 15 Giddens, A.: Konsequenzen der Moderne.

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resfesten des Königtums (empango). Es schuf eine rituelle Zeit und einen rituellen Raum für die kosmologische Erneuerung des Königtums. Das Gelingen der Rituale und des Festes hing jedoch von den Darstellern und dem performativen Publikum ab. Erst die Beteiligung aller Anwesenden schuf eine temporäre Gemeinschaft und stiftete Identität unter den Mitwirkenden. Das Fest brachte moderne und traditionelle Elemente, Musik-, Kleidungs- und Tanzstile, Medien und Rituale zusammen, die zuvor nur getrennt zu finden waren. Zwar wurde zwischen ‚traditionell‘ und ‚modern‘ unterschieden, aber kaum ein Element konnte sich in ‚Reinform‘ präsentieren. Selbst das Flaschenbier wurde wie ‚local brew‘ mit einem Strohhalm getrunken. Das Fest behielt eine Choreografie, die traditionelle (pagane) und christliche, geheime und öffentliche Sequenzen zu trennen suchte. Diese wurden aber durch die Verbindung der Formen immer wieder unterlaufen, sei es durch die Armbanduhr der Königinmutter, die im Rindenstoff zu sehen war, oder durch die Outdoor-Sandalen16, die der König beim rituellen Gang durch sein Reich trug. Je eindrucksvoller die königlichen Rituale inszeniert werden, desto technischer warten die (Massen-)Medien mit ihrer Präsenz auf. Modernität und Traditionalität ergänzten sich, indem Medien, Sponsoren und Akteure mit diesen Zuordnungen spielten, anstatt eine feste Trennung vorzunehmen. So war das Fest ein Ereignis, an dem auch die Lage des Königtums mit Vertretern der Politik, der Religionen, der Clane und der Wirtschaft verhandelt wurde. Ein Beispiel für die repressive Seite der Macht ist die Ausgrenzung von Frauen von den aktiven öffentlichen Ämtern und Funktionen im Königtum, seien sie ritueller oder politischer Art. Beim Jahresfest 2000 wurde diese neue Ordnung sichtbar, weil sie zeigte, dass die Königinmutter und Königinschwester zwar präsent, aber nicht aktiv einbezogen wurden. Ihr Diskurs blieb mehr oder weniger stumm. Das Fest war zu diesem Zeitpunkt wie die Rückkehr des Königtums überwiegend eine Performanz und Machtdemonstration des männlichen Geschlechts. Seit der Christianisierung und der kolonialen Administration waren die Frauen des Königs und die des königlichen Clans aus dem Palast und aus ihren Ämtern verdrängt worden. Auf der anderen Seite gehörten Frauen des königlichen Clans (Babitokati) zu den ersten Missionsschülerinnen. Sie konnten durch die Konversion zum Christentum heiraten und ihre Fruchtbarkeit erfahren, indem sie Kinder gebaren. Eine Rückkehr zu den repressiven Regeln der vorko-

16 Outdoor-Sandalen sind neumodische offene Schuhe, die sich zum langen Wandern besonders eignen. Im Ritual sind sie Zeichen der Modernität des Königs, auch wenn dieser sie anstelle seiner traditionellen rituellen Schuhe nur aus Bequemlichkeitsgründen trägt.

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lonialen Praktiken ist für die modernen Frauen des Königtums, auch des königlichen Clans, nicht mehr denkbar. Es scheint fast, als wären das weibliche Geschlecht und die Jugend durch die Entbettungen der Moderne, um mit Anthony Giddens zu sprechen, der Kontrolle des männlichen Geschlechts und der Ältesten entglitten. Das Königtum, so meine These, will nun eine Einbettung in eine neue Ordnung vollziehen, die diese Kontrolle wenigstens teilweise zurückbringt. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben in Bunyoro-Kitara zu einem Vertrauensverlust in das Königtum und in den Staat geführt. Frauen und Jugendliche richten ihre Fruchtbarkeit und Produktivität nicht allein auf die Bedürfnisse der Gemeinschaft, sondern vermehrt auf das eigene Interesse, um ihr individuelles Überleben zu sichern. Im modernen Königtum wird Fruchtbarkeit zwar wieder zu einer Metapher für die Reproduktion von Natur und Gesellschaft, sie wird aber weniger rituell und gemeinschaftlich kommuniziert, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Dies liegt nicht daran, dass nur ein Bruchteil der Bevölkerung in die rituelle Organisation des neuen Königtums integriert ist. Die Mehrheit ließ sich auch schon früher durch eine kleine Anzahl an Gerontokraten aus den jeweiligen Clanen repräsentieren. Vielmehr hat mit der Christianisierung eine Säkularisierung des Königs und damit eine Ausdünnung der königlichen Rituale nach den Kriterien der Kirche und des kolonialen Staates stattgefunden. Diese Veränderungen erschweren heute eine Sakralisierung des Königs und dadurch auch die Anerkennung seiner Macht und okkulten Kräfte. Jean und John Comaroff sehen eine Zunahme okkulter Praktiken und Diskurse in der Moderne in Afrika, die sie als Reaktionen auf die westlichen hegemonialen Diskurse der Rationalisierung und Technokratisierung begreifen.17 Dabei liegt das Argument nicht in der Irrationalität des Okkulten, sondern in der ihm eigenen Vernunft, das Scheitern westlicher Konzepte in Afrika aus emischer Sicht zu erklären und die unsichtbaren Kräfte zu beeinflussen. Die Rückkehr der Könige ist meines Erachtens in diesem Diskursfeld und seinen verschiedenen ökonomischen Praktiken zu verstehen. Sie ist mit einer Stärkung der okkulten und der wirtschaftlichen Ökonomie verbunden. In der Kombination dieser beiden Ökonomien liegt die Wirksamkeit und Legitimation der Rückkehr des Königs von Bunyoro-Kitara. Mit der Rückkehr der traditionellen Führer wurden auch die traditionellen Heiler und Geistmedien politisch und kulturell rehabilitiert. Zwar stehen sie religiös weiter unter Verdacht und werden von den etablierten wie den unabhängigen Kirchen eifersüchtig überwacht, aber ihr Comeback ist nicht zu überhören.

17 Comaroff, J./Comaroff, J. (Hg.): Modernity and its Malcontents; Comaroff, J./ Comaroff, J.: „Occult Economies and the Violence of Abstraction“, S. 279.

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Ihr Handeln im Verborgenen provoziert jedoch die Angst konvertierter, vor allem evangelikaler Christen und ihre Furcht vor dem Königtum mit seinen paganen Geistern, Medien und Ritualen. Obwohl es auch in den religiösen und kultischen Vorstellungen und Praktiken viele Verbindungen gegeben hat, so haben sich doch extreme Positionen auf Seiten der Christen gebildet. Diese müssen im Kontext einer weltweiten Fundamentalisierung des Christentums und des Islams gesehen werden. Lokale (Geister-)Kulte setzen diesen Strömungen ihr eigenes Gewicht entgegen und sorgen für eine Renaissance ihrer Praktiken. Seit meinem Forschungsaufenthalt 2000 hat sich das Königtum BunyoroKitara weiter retablieren können. In der Zwischenzeit sind einige seiner Protagonisten gestorben. Prinz John Rukidi, der den Thron beanspruchte, starb bereits 2002, ebenso Okwiri Prinz Rwakabale, der Führer des Babito-Clans. Auch Kasimu Rubenda, der Chef der Palastwache starb 2005, des Weiteren Joseph Kazairwe, der Führer des Mubende-Banyoro-Komitees. Lange Zeit hatten die Unterstützer des Königtums eine kirchliche Ehe des Königs erhofft. 2003, zehn Jahre nach seiner Krönung, heiratete Omukama Iguru schließlich eine junge Frau aus dem Königtum Tooro, die einen Sohn gebar. Damit war die Nachfolge der Dynastie gesichert. Der König wurde als Symbol der Vitalität und Fruchtbarkeit wieder glaubwürdig, nachdem bereits Gerüchte über seine Unfruchtbarkeit kursiert hatten. Mit der Hochzeit zeigte sich, dass sowohl vormoderne wie moderne, koloniale wie postkoloniale Rechtsvorstellungen zum Kanon der Nachfolgeregeln gehörten. Sie wurden flexibel gehandhabt. Die Königtümer des Westens, Bunyoro-Kitara und Tooro, aber auch Busoga im Osten rückten kulturell und politisch wieder näher zusammen. Der König von Ankole konnte jedoch bislang nicht retabliert werden. Der König von Buganda, der zu Beginn des Revitalisierungsprozesses eine politische Allianz mit der ugandischen Regierung einging und für deren Wählerstimmen sorgte, konnte seine Macht zunächst ausbauen. Seit dem Konflikt um das föderale System und um Landbesitz hat die ugandische Regierung ihre Unterstützung auf BunyoroKitara verlegt. 2006 wurden im Albertsee größere Mengen an Erdöl entdeckt, die von internationalen Firmen gefördert werden. Königtum und Staat streiten sich seither um die Anteile am Erdölgeschäft. Im Kampf um die natürlichen Ressourcen der Region, um Land und Bodenschätze, haben sich die Konflikte teils zu ethnischen Auseinandersetzungen verschärft. Kulturelle Führer sind in diesen Auseinandersetzungen vor allem als rechtliche Schlichter, rituelle Autorität und als kulturelle Mediatoren gefordert. Für den König von Bunyoro-Kitara sind die Anforderungen hoch, weil die Heterogenität der Clane und Ethnien in diesem Königtum besonders groß ist. Eine Anerkennung seiner Autorität im Königtum hängt nicht zuletzt von der Performanz seiner Regierung und der Glaubwürdig-

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keit seiner Sakralität und Macht ab. Es bleibt daher der zukünftigen Forschung überlassen, wie sich die Transformation des Königtums in der Moderne in Afrika weiter gestaltet und Einfluss auf die politische Kultur und Praxis ausübt.

Anhang

G LOSSAR (a)baana b’engoma (a)bago agutamba Babito

Babitokati babogora Bacwezi Baganda Bahuma bajwara kondo bakungu bakuru bakuru b’ebikwato balokole bamuroga Bantu Banyakitara banyamirwa (ba)nyinarumi Banyoro baranga barusura basekura

Kinder der Trommel (Prinzen und Prinzessinnen) Frauen des Königs, Sg. O(mugo) Titel des Königs dritte Dynastie in Mythos und Geschichte des Reiches Bunyoro-Kitara; Clan, der sich in eine herrschende Lineage und mehrere gewöhnliche Lineages aufteilt; Prinzen weibliche Mitglieder des Babito-Clans, Prinzessinnen Palastwache zweite Dynastie im Mythos des Reiches Kitara dominante Ethnie im Reich Buganda Rinderhirten Würdenträger vorkoloniale Provinzfürsten, Sg. Mukungu Älteste Regaliahüter ‚wiedergeborene‘ Christen Chef des Palastes (nach 1900: Katikiro) ethnolinguistische Kategorie Bevölkerung des Reiches Kitara Bedienstete des Königs Brüder der Mutter (Mutterbrüder) dominante Ethnie in Bunyoro-Kitara Hofdamen Soldaten des Königs Berater des Königs

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batebe (Sg.) Batembuzi batongole bazaana bodaboda bukama bulemi Bunyoro busuuti cwezi ebijaijani ebyaffe ebyaitu eka ekondo embandwa emboneka y’okwezi embuzi emizimu emiziro empaako empango endora engaju enkaito enkorogi ensi enteete gasani gehena gombolola iguru iranga itambiro iziba jogi kabaka

Königinschwester und Führerin der Prinzessinnen erste Dynastie im Mythos des Reiches Kitara untere Verwaltungsbeamte unfreie Frauen, auch Sklavinnen Motorroller Königtum Regierung, Gewicht Bezeichnung des Reiches der Babito unter britischer Herrschaft Frauengewand Ahngeister einer früheren Dynastie des Reiches Kitara Wandergeister in der Wildnis unsere Dinge, Besitztümer (Luganda) unsere Dinge, Besitztümer (Runyoro) Familie Kopfbedeckung von Würdenträgern; Krone; Pl. Makondo lokale Geister und Fremdgeister Neumond, wörtlich: das Erscheinen des Mondes Ziegen Ahn- oder Totengeister Meidungsobjekt, Totem Kosename eines Cwezi-Geistes, Rufname Königliche Paukentrommel, Tanz und Fest kurzhornige Rinder königliches Parfüm königlicher Teppich königliche Herde Erde wohlriechende Gräser, Zitronengras königliche Gräber Hölle Luganda: Distrikt Himmel Lilie Schrein, Gebetshaus Brunnen Luo: Geister König von Buganda

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kabatongole kacwamagozi kalyota kanzu karuzika Kasohera kasumba kaswa katewesengereza katikiro kibandwa w’oruganda kihande kikaali kinege Kitara Kitara kya Manenge kitebe kitogo koka kubandwa kubembeka kuhanga kulengere kuroga kusimba kutamba kyakato kyamunuma kyanku kya mihingo kyaro kyawairindi Luganda Luo mahano mailo makondere minkisi mucwa

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ritueller Titel einer Schwester des Königs rituelles Haus alternierender Titel für Batebe männliches (weißes Festtags-)Gewand Haupthaus von kikaali Name eines königlichen Wahrsagers Titel eines Babito-Fürsten ritueller Hügel vor kikaali charismatische Christen Luganda: königlicher Premierminister Geistmedium eines Clans königlicher Palast in Masindi königlicher Palast in Hoima Volkstanz frühes Reich im Zwischenseengebiet Namen zweier ritueller Schlachtmesser Stuhl einer Autoritätsperson rituelles Haus Krähe vom Geist ergriffen werden, in den Kopf steigen Ahnen verehren erschaffen, gestalten wiegen, messen zaubern, hexen den Speer in den Boden stecken heilen rituelles Haus rituelles Haus Titel des Führers des Bayaga Clans Dorf, Hügel ritueller Hof Lokalsprache ethnolinguistische Kategorie lokales Kraft- und Machtkonzept; Schrecken; Erstaunen Runyoro für englische Meilen Hörner Machtobjekte (Kikongo) rituelles Haus der Batebe

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mugabante mugema mukaaga mukaago muketo muko mukuru mukuru w’oruganda munyoro muramansi muramura muramuzi murugo murongo mutongole muzimu mweru mwiru mwitanzige mwiwha ngoma niloten Nyakoka Nyalebe nyamyarro nyinamukama nyinarumi nyineka oburo obutungi obwesengeze okitinisa okuzimu okwiri omubiri omufumu omugo omuhaguzi

Tor des königlichen Palastes oberster Hüter der königlichen Gräber; Titel eines vorkolonialen Provinzfürsten Brautpreis; sechs Blutpakt königlicher Schatzmeister Mann der Schwester Ältester, Respektsperson Clanführer (freier) Herr traditioneller Heiler und Geistmedium Pflanze oberster Richter Kral und ritueller Ort im Palast des Königs Zwilling Braut Ahngeist Farbe Weiß, Name einer Empango-Trommel (freier) Bauer; Abhängiger; auch Sklave Heuschreckentöter; Runyoro-Name für den Albertsee Sohn der Schwester gewöhnliche Trommel ethnolinguistische Kategorie Name eines königlichen Wahrsagers Name einer Empango-Trommel neunbeiniger Stuhl/Thron des Königs Königinmutter Mutterbruder Kopf des Haushalts, Vorstand Hirse Reichtum irreguläre Provinzregimenter Würde, Respekt Unterwelt; Welt der Ahnen Königsbruder, Führer der Prinzen (der zweite) Leib (von ibiri: zwei) traditioneller Heiler Frau des Königs, Pl. Abago Titel: oberster Regaliahüter

A NHANG

omuhandikwa w’ensita omukama omukonda omunywisa omurugo omutumbi omwoyo (o)ruganda ow’obusobozi rukurato runyakitara Runyoro rwemigo sanga saza Tibamulinde waragi

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königlicher Privatsekretär, Geheimrat König, Herr (im Christentum: Herrgott), wörtlich: Melker, Pl. Abakama Titel eines königlichen Wahrsagers Frau des Königs, für seine Milch verantwortlich königlicher Kral (für Kühe) Leichnam Lebenskraft, Atem, Seele Clan; Pl. enganda der Allmächtige, hier: Dosteo Bisaka Ratsversammlung; Parlament Sammelbezeichnung für die Sprachen der Bevölkerung Kitaras Lokalsprache rituelles Haus langhornige Rinder Provinz Name einer Empango Trommel Bananenschnaps

A RCHIVE Cambridge University Library, Africana Section Darin: Royal Commonwealth Society Library Photographic Collection 1860-1990 Public Record Office, Kew Garden, London Series Foreign Office 2 (Africa General) Series Foreign Office 371 (Bunyoro 1920-1965) Series Foreign Office 403 (Africa) (Uganda: Correspondence 1894-1905) Series Colonial Office 457 (Uganda Protectorate 1899-1907) Series Colonial Office 536 und 682 (Original Correspondence 1905-1951) Series Colonial Office 612 (Government Gazettes 1908-1973) Uganda National Archives, Entebbe 1890-1894; Imperial East African Company (IBEAC) 1905-1909; 1st Series, Foreign Office (Unyoro and Western Province) 1910-1929, 2nd Series, Colonial Office (Unyoro and Western Province)

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1929-1945, 3rd Series, alphabetisch nach Kategorien (Public, Confidential) 1945-1961, 4th Series Makerere University Archives, Kampala Africana Section Local District Archive, Hoima, Uganda Omukama of Bunyoro-Kitara Affairs, Box No. 666, File No. 6.32 Staff Union General, Box No. 633, Ref. 201, 1956-1969 Uganda Gazette, Box No. 622, 1970 und 1975 Land lease and Dispute, Box No. 620, Ref. M11, 1993-1994 Hoima Kwebiiha Hostel, Box No. 610, Ref. C.PUW7, 1972-1985 Elections, Box No. 649, Ref. SCW, 1985-1996 The New Vision Archive, Uganda, http: //www.newvision.co.ug The Monitor Archive, Uganda, http: //www.monitor.co.ug

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A NHANG

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A BBILDUNGSVERZEICHNIS Abb. 1: Karte der Distrikte von Bunyoro-Kitara 1995-2006 (Monika Feinen) Abb. 2: Briefmarke „The Monarchs of the Millenium‚ King Cwa II Kabalega, 1869-1899“ Abb. 3: Omukama Solomon Iguru Gafabusa, König von Bunyoro-Kitara, aus: Empango Third Coronation Anniversary, June 11, 1997, Kampala: Ernest Publishers 1997 Abb. 4: Werbung der Telefongesellschaft MTN vor dem Palast des Königs, Empangofest 2000 Abb. 5: Szene der Empango-Rituale 2000: Krone des Königs von BunyoroKitara im Schoß der Königinmutter Abb. 6: Szene der Empango-Rituale 2000: im Haus der Nyinamukama (Alle Fotos: Raphaela von Weichs)

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