Philippus Arabs: Ein Soldatenkaiser in der Tradition des antoninisch-severischen Prinzipats 3110172054, 9783110172058

Philippus Arabs war Kaiser des Römischen Reiches von 244 bis 249 n.Chr. Nun liegt, auf der Grundlage der erhaltenen Quel

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Philippus Arabs: Ein Soldatenkaiser in der Tradition des antoninisch-severischen Prinzipats
 3110172054, 9783110172058

Table of contents :
Vorwort
Einleitung
1. Die Quellen zu Philippus Arabs
1.1. Literarische Quellen
1.2. Inschriften, Papyri, Münzen, Reskripte
2. Die Herkunft und Familie Philipps
2.1. Philipps Herkunft
2.2. Die Familie Philipps
3. Chronologie der Regierungszeit Philipps
3.1. Der Beginn der Regierung des Philippus Arabs
3.2. Konsulate und tribunizische Gewalt
3.3. Die Regierungsbeteiligung von Philipps Sohn
3.4. Ende der Regierung und Regierungsdauer
4. Philipps Aufstieg und Machtübernahme
4.1. Die Karriere Philipps vor 244 n.Chr.
4.2. Die Machtübernahme Philipps
4.3. Philipps Legitimierung als Kaiser
4.4. Fazit
5. Philipps Münzprägung
5.1. Methodische Vorbemerkungen
5.2. Die Themen von Philipps Münzprägung
5.3. Philipps Münzen in chronologischer Ordnung
5.4. Die Münzprägung der Soldatenkaiser von 235 bis 251 n.Chr.
5.5. Fazit zur Münzprägung
5.5. Philipp auf den Kontorniaten
6. Grenzpolitik
6.1. Der Perserfriede
6.2. Die Einfälle in den Donauraum
7. Philipps Rechtsprechung
7.1. Konstitutionen im Codex Iustinianus und Gregorianus
7.2. Gesetze in literarischer Überlieferung
7.3. Reskripte in epigraphischer Überlieferung
8. Senatoren und Procuratoren unter Philipp
8.1. Die Senatoren unter Philipp
8.2. Die Procuratoren unter Philipp
8.3. Zusammenfassung
9. Philippopolis und Philipps Politik im Osten
9.1. Philippopolis
9.2. Weitere Massnahmen im Osten des Reiches
10. Philipp und das Reich
10.1. Rom und der Westen
10.2. Donau- und Balkanprovinzen
10.3. Kleinasien
10.4. Ägypten und die Steuerreform
10.5. Nordafrika
11. Die Tausendjahrfeier
11.1. Die literarischen Quellen zur Tausendjahrfeier Philipps
11.2. Die religiöse Seite der Tausendjahrfeier
11.3. Die politische Propaganda der Tausendjahrfeier
12. Philipp und das Christentum und die Unruhen in Alexandria
12.1. Die Quellen zu Philipps Christentum
12.2. Forschungsüberblick
12.3. Fazit zu Philipps Christentum
12.4. Die Unruhen in Alexandria am Ende von Philipps Regierung
13. Die Usurpationen unter Philipp
13.1. Iotapianus
13.2. Pacatianus
13.3. Decius
13.4. Beurteilung und Einordnung der Usurpationen unter Philipp
14. Philipps Ende
14.1. Die literarische Überlieferung zu Philipps Tod
14.2. Die Forschungsdiskussion zu Philipps Tod
14.3. Zusammenfassung
Schlussbetrachtung
Appendix I: Senatoren und Procuratoren unter Philipp
1. Senatoren unter Philipp (S1–S39)
2. Procuratoren unter Philipp (P1–P43)
Appendix II: Unbekannte und fiktive Usurpatoren
1. Mar. Silbannacus
2. Sponsianus
3. Marcus (Philosophus) und Severus Hostilianus
Appendix III: Pläne
Bibliographie
1. Literarische, epigraphische, numismatische, juristische Quellen
2. Sekundärliteratur
Index der antiken Personennamen

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Christian Körner Philippus Arabs

w DE

G

Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte Herausgegeben von Gustav-Adolf Lehmann, Heinz-Günther Nesselrath und Otto Zwierlein

Band 61

Walter de Gruyter · Berlin · New York 2002

Philippus Arabs Ein Soldatenkaiser in der Tradition des antoninisch-severischen Prinzipats von

Christian Körner

Walter de Gruyter · Berlin · New York 2002

Gedruckt mit grosszügiger Unterstützung des Fonds für Altertumswissenschaft, Zürich

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt

Die Deutsche Bibliothek — Cataloging in Publication Data Körner, Christian: Philippus Arabs : ein Soldatenkaiser in der Tradition des antoninischseverischen Prinzipats / von Christian Körner. - Berlin ; New York : de Gruyter, 2002 (Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte ; Bd. 61) I S B N 3-11-017205-4

© Copyright 2001 by Walter de Gruyter G m b H & Co. K G , D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen Printed in Germany Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co., Göttingen

Philippus Arabs, Büste aus den Thermen von Philippopolis, aus: Syrie. Mémoire et civilisation (Exposition présentée à l'Institut du Monde Arabe du 14 septembre 1993 au 28 février 1994), Nantes 1993, p. 319, Abb. 269. Photo: Philippe Maillard, courtesy Institut du monde arabe, Paris.

Meiner Mutter, der ich die Liebe zur Antike und ihrer Kultur und Geschichte verdanke

Vorwort Philippus Arabs regierte von 244 bis 249 n.Chr., also nur fünfeinhalb Jahre. Fast ebenso lange habe ich mich nun mit ihm und seiner Regierungszeit beschäftigt: Aus der Lizentiatsarbeit von 1996 entstand die Dissertation, die 2000 an der Universität Bern bei Prof. Heinz E. Herzig eingereicht wurde und hier im Druck vorliegt. Die grundlegenden Ergebnisse dieser Forschungstätigkeit werden zudem einem breiteren Publikum in einer populärwissenschaftlichen Biographie des Kaisers vorgelegt, die voraussichtlich 2003 bei de Gruyter erscheinen soll. All dies wäre nicht möglich gewesen ohne die Hilfe eines Freundesund Kollegenkreises. Besonders danken möchte ich hier meinem Doktorvater Heinz Herzig, der am Beginn massgeblich die Themenwahl beeinflusst hat und während der Arbeit immer für Fragen meinerseits offen war. Schliesslich hat er auch durch meine Anstellung als wissenschaftlicher Assistent am Historischen Institut die finanzielle Grundlage für die ganze Arbeit gelegt. Besonderer Dank gilt auch dem Koreferenten der Arbeit, Herrn Prof. Heinz-Günther Nesselrath (Göttingen), der die ganze Arbeit äusserst genau gelesen und durch zahlreiche Vorschläge wesentlich zu ihrer Verbesserung beigetragen hat. Herzlich danken für die Lektüre der Arbeit möchte ich weiterhin Herrn Prof. Lukas de Blois (Nijmegen); aufgrund seiner intensiven Beschäftigung mit dem 3. Jahrhundert hat er mir wertvolle Hinweise geben können. Zudem war er so freundlich, mir Einsicht in einen noch nicht publizierten Aufsatz über die römischen Juristen und die Krise des 3. Jahrhunderts zu gewähren. Auch Herr Prof. Werner Schubert (Heidelberg / Bern) hat die Arbeit gelesen und manchen Hinweis gegeben. Weiterhin gebührt Dank den Kollegen, die zahlreiche Kapitel der Arbeit gelesen und kritisch besprochen haben: Herrn PD Dr. Eckhard Wirbelauer (Freiburg i. Br.), Herrn Dr. Thomas Hidber (Göttingen), Herrn lie. phil. Thomas Schär (Bern). Hilfe geleistet beim Korrekturlesen haben Frau Birgit Beck, M.A. (Bern) und Herr lie. phil. Alfred Hirt (Oxford). Ganz besonders möchte ich schliesslich Dorothee Schumacher für ihre Unterstützung und Ermutigung in den letzten Jahren danken. Bern, September 2001

Christian Körner

Inhalt Vorwort

IX

Einleitung

1

1. Die Quellen zu Philippus Arabs 1.1. Literarische Quellen 1.1.1. Quellen aus dem 3. Jh.n.Chr. 1.1.2. Quellen aus dem 4. und frühen 5. Jh.n.Chr. 1.1.3. Lateinische Quellen des 5. und 6. Jh.n.Chr. 1.1.4. Byzantinische Quellen vom 6. bis 13. Jh.n.Chr. 1.1.5. Fazit zu den literarischen Quellen 1.2. Inschriften, Papyri, Münzen, Reskripte 2. Die Herkunft und Familie Philipps 2.1. Philipps Herkunft 2.2. Die Familie Philipps 2.2.1. Marcia Otacilia Severa, die Ehefrau Philipps 2.2.1.1. Leben 2.2.1.2. Die Titulatur der Kaiserin 2.2.1.3. Die Münzprägung der Marcia Otacilia Severa 2.2.2. Philipp II., der Sohn Philipps 2.2.2.1. Leben 2.2.2.2. Die Münzprägung Philipps IL 2.2.2.2.1. Prägungen, die das Wohlergehen des Staates feiern 2.2.2.2.2. Prägungen militärischen Charakters 2.2.2.2.3. Münzen, die die Kaiserfamilie und Philipp II. feiern 2.2.2.2.4. Münzen der T a u s e n d j a h r f e i e r 2.2.3. (Iulius) Marinus, der Vater Philipps 2.2.4. C. Iulius Priscus, der Bruder Philipps 2.2.4.1. Die Laufbahn des Priscus 2.2.4.2. Vergleichbare Beispiele aus der Kaiserzeit 2.2.4.3. Die Sonderstellung des Priscus im Rahmen von Philipps Regierung 2.2.5. (Marcius Otacilius) Severianus, der κ η δ ε σ τ ή ς Philipps

5 5 5 10 20 21 27 28 30 30 32 33 33 34 38 42 42 43 44 46 47 49 49 54 55 60 62 63

Inhaltsverzeichnis

XII

2.2.6. Fazit: Die Familie Philipps

64

3. C h r o n o l o g i e der R e g i e r u n g s z e i t P h i l i p p s 3 . 1 . Der B e g i n n der R e g i e r u n g d e s P h i l i p p u s A r a b s 3 . 2 . K o n s u l a t e und t r i b u n i z i s c h e G e w a l t 3 . 3 . Die R e g i e r u n g s b e t e i l i g u n g von P h i l i p p s S o h n 3 . 4 . E n d e d e r R e g i e r u n g und R e g i e r u n g s d a u e r

67 67 68 68 69

4. P h i l i p p s A u f s t i e g und M a c h t ü b e r n a h m e 4.1. Die Karriere Philipps vor 244 n.Chr. 4.2. Die Machtübernahme Philipps 4 . 2 . 1 . D e r T o d G o r d i a n s III. in d e r a n t i k e n Ü b e r l i e f e r u n g 4 . 2 . 1 . 1 . L o k a l i s i e r u n g der E r m o r d u n g 4.2.1.2. Todesumstände 4 . 2 . 1 . 2 . 1 . Die z e i t g e n ö s s i s c h e n Q u e l l e n 4.2.1.2.2. Spätantike und frühbyzantinische Quellen des 4. bis 7. J a h r h u n d e r t s und d i e T r a d i t i o n der Enmannschen Kaisergeschichte ( E K G ) 4 . 2 . 1 . 2 . 3 . S p ä t a n t i k e und b y z a n t i n i s c h e Q u e l l e n d e s 5. b i s 13. J a h r h u n d e r t s 4 . 2 . 1 . 2 . 4 . Eine V a r i a n t e in d e n b y z a n t i n i s c h e n C h r o n i k e n 4 . 2 . 1 . 2 . 5 . Fazit zu den Q u e l l e n 4.2.1.3. Forschungsmeinungen 4.2.1.4. Schlussfolgerungen 4.2.2. Philipps Helfer 4.3. Philipps Legitimierung als Kaiser 4 . 3 . 1 . Die E r f ü l l u n g d e r pietas g e g e n ü b e r G o r d i a n III. 4 . 3 . 2 . P h i l i p p und d e r S e n a t 4 . 3 . 3 . P h i l i p p s M a r s c h n a c h Rom 4 . 4 . Fazit

71 71 75 75 75 77 77

82 84 86 86 88 90 92 92 93 94 97

5. P h i l i p p s M ü n z p r ä g u n g 5.1. Methodische Vorbemerkungen 5.2. D i e T h e m e n von P h i l i p p s M ü n z p r ä g u n g 5.2.1. Münzen, die das Wohlergehen des Reiches feiern 5 . 2 . 2 . M ü n z e n , d i e die K a i s e r f a m i l i e f e i e r n 5 . 2 . 3 . M ü n z e n mit m i l i t ä r i s c h e n Inhalten 5.3. P h i l i p p s M ü n z e n in c h r o n o l o g i s c h e r O r d n u n g 5 . 4 . D i e M ü n z p r ä g u n g d e r S o l d a t e n k a i s e r v o n 2 3 5 bis 2 5 1 n . C h r . 5 . 5 . Fazit z u r M ü n z p r ä g u n g 5.5. Philipp auf den Kontorniaten

99 99 100 101 106 111 112 115 117 119

6. G r e n z p o l i t i k

120

79

Inhaltsverzeichnis 6.1. Der P e r s e r f r i e d e 6.1.1. Vorgeschichte 6 . 1 . 2 . Der Friede mit den Persern 6.1.3. Persische Propaganda 6.1.4. Römische Propaganda 6 . 1 . 5 . Fazit: Der P e r s e r f r i e d e von 2 4 4 n.Chr. 6.2. Die E i n f a l l e in den D o n a u r a u m 6 . 2 . 1 . Die antiken Z e u g n i s s e zu den Einfallen 6.2.1.1. Literarische Zeugnisse 6.2.1.2. Inschriftliche Zeugnisse 6.2.1.3. Numismatische Zeugnisse 6 . 2 . 1 . 4 . S i e g e r b e i n a m e n und die M ö g l i c h k e i t des E i n f a l l s eines dritten S t a m m e s 6.2.1.5. Archäologische Zeugnisse 6 . 2 . 1 . 6 . R e k o n s t r u k t i o n der Ereignisse 6 . 2 . 2 . Die K o n f l i k t e im D o n a u r a u m in der P r o p a g a n d a P h i l i p p s

XIII 120 120 121 129 130 133 134 134 134 140 145 150 152 153 155

7. P h i l i p p s R e c h t s p r e c h u n g 7.1. K o n s t i t u t i o n e n im Codex lustinianus und Gregorianas 7.1.1. B e g r i f f l i c h k e i t und Q u e l l e n l a g e 7.1.2. P h i l i p p s K o n s t i t u t i o n e n im Codex lustinianus im Vergleich 7.1.3. R e g e l u n g e n der R e c h t s p r a x i s 7.1.4. E r b r e c h t s f r a g e n 7.1.5. V o r m u n d s c h a f t s f r a g e n 7.1.6. Sklaven und F r e i g e l a s s e n e 7.1.7. A n d e r e p r i v a t r e c h t l i c h e B e s t i m m u n g e n 7 . 1 . 8 . Politische B e s t i m m u n g e n 7 . 1 . 9 . Stil der K o n s t i t u t i o n e n 7 . 1 . 1 0 . Fazit zu den Reskripten 7.2. G e s e t z e in literarischer Ü b e r l i e f e r u n g 7.3. R e s k r i p t e in e p i g r a p h i s c h e r Ü b e r l i e f e r u n g 7 . 3 . 1 . Die Petition der Bauern von A r a g u e 7 . 3 . 2 . Das A n t w o r t s c h r e i b e n der k a i s e r l i c h e n Kanzlei 7 . 3 . 3 . D e u t u n g und E i n o r d n u n g der I n s c h r i f t

158 158 158 160 162 165 167 169 171 174 176 178 180 181 182 184 185

8. S e n a t o r e n und P r o c u r a t o r e n unter Philipp 8.1. Die S e n a t o r e n unter Philipp 8.1.1. H e r k u n f t 8.1.2. V e r w a n d t s c h a f t s b e z i e h u n g e n 8.1.3. K o n t i n u i t ä t der A m t s t r ä g e r 8.1.4. Die o r d e n t l i c h e n Konsuln unter Philipp 8.1.5. S e n a t o r e n mit h e r a u s r a g e n d e n K a r r i e r e n unter P h i l i p p

190 190 191 193 195 199 200

XIV

Inhaltsverzeichnis

8.2. Die Procuratore!! unter Philipp 201 8.2.1. Herkunft 201 8.2.2. Verwandtschaftsbeziehungen 202 8.2.3. Kontinuität der Amtsträger 203 8.2.4. Procuratoren mit herausragenden Karrieren unter P h i l i p p 2 0 7 8.3. Z u s a m m e n f a s s u n g 209 9. Philippopolis und Philipps Politik im Osten 9.1. Philippopolis 9.1.1. Die Lage von Philippopolis 9.1.2. Geschichte 9.1.3. Die Stadtanlage und die architektonischen Überreste 9.1.4. Inschriften aus Philippopolis 9.1.5. Münzen aus Philippopolis 9.1.6. Mosaiken aus Philippopolis 9.1.7. Fazit: Die Bedeutung von Philippopolis 9.2. Weitere Massnahmen im Osten des Reiches

211 211 211 212 214 218 219 220 222 226

10. Philipp und das Reich 10.1. Rom und der Westen 10.1.1. Rom und Italien 10.1.2. Sardinien 10.1.3. Gallien, Germanien, Britannien, Hispanien 10.2. Donau- und Balkanprovinzen 10.3. Kleinasien 10.4. Ägypten und die Steuerreform 10.5. N o r d a f r i k a

232 232 232 234 234 236 237 238 241

11. Die 11.1. 11.2. 11.3.

Tausendjahrfeier Die literarischen Quellen zur T a u s e n d j a h r f e i e r Philipps Die religiöse Seite der T a u s e n d j a h r f e i e r Die politische Propaganda der T a u s e n d j a h r f e i e r

248 249 250 256

12. Philipp und das Christentum und die Unruhen in Alexandria 12.1. Die Quellen zu Philipps Christentum 12.2. Forschungsüberblick 12.3. Fazit zu Philipps Christentum 12.4. Die Unruhen in Alexandria am Ende von Philipps Regierung

260 260 268 273

13. Die Usurpationen unter Philipp 13.1. Iotapianus 13.1.1. Die Revolte des Iotapianus

277 277 277

274

Inhaltsverzeichnis

XV

13.1.2. Die Münzprägung des Iotapianus 281 13.1.3. Fazit: Die Erhebung des Iotapianus 282 13.2. Pacatianus 282 13.2.1. Karriere und Herkunft des Pacatianus 283 13.2.2. Die Usurpation des Pacatianus 285 13.2.3. Die Münzprägung des Pacatianus 287 13.2.4. Fazit: Die Erhebung des Pacatianus 288 13.3. Decius 288 13.3.1. Herkunft und Karriere des Decius 288 13.3.2. Die Usurpation des Decius 289 13.3.3. Die Propaganda des Decius 294 13.3.4. Die hostes publici-Inschrift aus Aquincum 296 13.3.5. Fazit: Die Erhebung des Decius 299 13.4. Beurteilung und Einordnung der Usurpationen unter P h i l i p p 3 0 0 14. Philipps 14.1. Die 14.2. Die 14.2.1.

Ende literarische Überlieferung zu Philipps Tod Forschungsdiskussion zu Philipps Tod Alleinherrschaft Philipps II. und gemeinsame Herrschaft mit Decius? 14.2.2. Das Fragment des Johannes von Antiochia in der Forschung 14.3. Z u s a m m e n f a s s u n g

305 305 311 312 315 320

Schlussbetrachtung

323

Appendix I: Senatoren und Procuratoren unter Philipp 1. Senatoren unter Philipp (S1-S39) 2. Procuratoren unter Philipp (P1-P43)

329 329 357

Appendix II: Unbekannte und fiktive Usurpatoren 1. Mar. Silbannacus 2. Sponsianus 3. Marcus (Philosophus) und Severus Hostiiianus

386 386 389 391

Appendix III: Pläne

394

Bibliographie 1. Literarische, epigraphische, numismatische, juristische Quellen 2. Sekundärliteratur

396 396 399

Index der antiken Personennamen

429

Einleitung „In E u r e n g l ü c k s e l i g s t e n Z e i t e n , g l ü c k l i c h s t e und s o r g e n f r e i e s t e a l l e r K a i s e r , d i e j e herrschten, führen alle ein friedliches und ruhiges Leben, befreit von Übel und Erpress u n g e n , nur w i r a l l e i n e r l e i d e n W i d r i g e s im Widerspruch zu den glücklichsten Zeiten und b r i n g e n E u c h d a h e r d i e s e f l e h e n t l i c h e Bitte v o r . . . " Aus der Petition der Araguener an die ser Philipp I. und II. (OGIS II 519 = IV 598 = CIL III 14191, Ζ. 9-12).

KaiIGR

„Die Regierung des Philippus S t e m p e l d e s V e r f a l l e s an s i c h . " Ernst Stein, 1918a, col. 765.

den

trägt

244 n.Chr. fand der junge Kaiser Gordian III. auf dem Perserfeldzug den Tod. Nachfolger wurde Marcus Iulius Philippus, der erst kurz zuvor die Prätorianerpräfektur von Timesitheus, dem verstorbenen Schwiegervater Gordians übernommen hatte und damit in die Leitung des Feldzugs aufgestiegen war. Seine frühere Karriere, sein gesamter Werdegang bis in die vierziger Jahre liegen im Dunkeln. Mit Philipp gelangte zum zweiten Mal (nach Macrinus) ein Ritter, zum zweiten Mal (nach Maximinus Thrax) ein Vertreter der Peripherie des Römischen Reiches an die Macht: Der neue Kaiser stammte aus der Provinz Arabia und erscheint daher in den antiken Quellen als Philippus Arabs, „der Araber". Philipp gehört in die Reihe der sogenannten „Soldatenkaiser", die während der Krise des 3. Jahrhunderts sich an der Spitze des Reiches abwechselten. 1 Mit einer Regierungsdauer von beinahe sechs Jahren Ich v e r s t e h e „ S o l d a t e n k a i s e r z e i t " im S i n n e von H e r r m a n n , 1990, p. 4: „ D a m i t soll nicht nur der T a t b e s t a n d einer extremen Form der A b h ä n g i g k e i t des K a i s e r t u m s vom M i l i t a r v e r d e u t l i c h t werden, sondern e b e n s o das P h ä n o m e n , dass die Herrs c h e r s t e l l u n g j e t z t fast a u s s c h l i e s s l i c h von Militärs o k k u p i e r t w u r d e , dass in einer b e s t i m m t e n K o n s t e l l a t i o n Personen aus f ü h r e n d e n K o m m a n d o s t e l l e n , b e w ä h r t e O f f i z i e r e o f t e i n f a c h e r H e r k u n f t , nach oben getragen w u r d e n ...." Die Literatur zur Krise des 3. J a h r h u n d e r t s und zur Frage nach einem z e i t g e n ö s s i s c h e n K r i s e n b e -

2

Einleitung

(244-249 n.Chr.) ist Philipp neben Gordian III., Valerian, Gallienus und Aurelian einer der Kaiser dieser Zeit, die sich am längsten halten konnten. Die literarischen Quellen zu den „Soldatenkaisern" sind ausgesprochen spärlich, so dass die Geschichte des 3. Jahrhunderts im Vergleich zum 1. und 2. Jh.n.Chr. sehr viel weniger leicht zu rekonstruieren ist. Jedoch sind zahlreiche Inschriften, Münzen und Papyri aus der Zeit selbst erhalten. Dazu kommen im Falle Philipps insgesamt 80 Reskripte, die in den frühbyzantinischen Gesetzescodices überliefert sind und die bis jetzt nicht vollumfänglich ausgewertet wurden. Quellenmaterial ist also durchaus vorhanden, um sich mit den Kaisern des 3. Jahrhunderts genauer zu befassen. Doch welchen Sinn hat eine solche Beschäftigung? Und warum ist gerade Philippus Arabs von Interesse für eine genauere Untersuchung? Zum Teil wurde das 3. Jahrhundert mit einem Tunnel verglichen, an dessen Eingang die Hohe Kaiserzeit, am Ende die Spätantike steht. 2 Daher stellt sich die Frage, wie es zu dieser Transformation kommen konnte und welchen Beitrag die einzelnen Kaiser dazu leisteten. Philippus Arabs hat zudem schon aufgrund seiner Herkunft aus der Provinz Arabia Interesse geweckt: Bis heute erscheint er immer wieder als „Sohn eines arabischen Wüstenscheichs". 3 Daraus resultiert das beliebte Vorurteil vom „orientalischen Kaiser" in der Nachfolge Elagabals. 4 Auf der anderen Seite wurde seine politische Bedeutung oft eher gering veranschlagt, zumal im Vergleich zur angeblich erfolgreicheren Herrschaft Gordians III. 5 Dabei wird häufig unterstellt, dass Philipp sein Amt mit grossem Pflichtbewusstsein bekleidet habe, aber dennoch aus Mangel an Glück oder wirklicher Befähigung gescheitert sei. 6

2 3

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5 6

wusstsein ist ausgesprochen umfangreich. Es sei hier nur verwiesen auf Alföldy, 1974, pp. 89-111 = 1989, pp. 319-342; MacMullen, 1976, pp. 1-23; Strobel, 1993, vor allem pp. 299-348. MacMullen, 1976, p. VII. So Hartmann, 1982, p. 79; cf. auch Johne, 1993, p. 220; Molthagen, 1970, p. 59; Calderini, 1949, p. 146; Kolb, 1987, im Titel („Machtergreifung der Arabersheikhs"); Kloft, 1997, p. 210. Cf. zum Beispiel E. Stein, 1917, pp. 574f.: „letzter ... Vertreter" der „Idee des orientalisirenden Prinzipats"; ders., 1918a, col. 765: „die unsympathische Persönlichkeit des orientalischen Parvenu, die perfide Art seines Emporsteigens". Görg (1920, p. 94) spricht von "echt orientalische[r] Hinterlist" bei der Ermordung Gordians und von dem "für den Semiten typische[n] Misstrauen". Doch sind solche Äusserungen interessanter f ü r die europäische Geschichte des frühen 20. Jahrhunderts als für die römische Geschichte des 3. Jahrhunderts. Cf. E. Stein 1917, pp. 574f.; ders. 1918a, col. 765. So bescheinigt E. Stein (1918a, col. 765) Philipp durchaus „Würde und Eifer, wenn auch ... wenig Glück" bei seiner Regierungstätigkeit. Nach de Blois (1978/79, p. 42) bediente Philipps sich unzeitgemässer Methoden und war „more of a reliable technocrat than a visionary leader" (ebd., p. 43). Typisch ist das Urteil Christs (1988, p. 660): „Wie wohlmeinend und aufgeschlossen Philippus Arabs wirken

Einleitung

3

Die Regierungszeit Philipps liegt an einer Schnittstelle des 3. Jahrhunderts: Während es ihm in den ersten Jahren offensichtlich gelang, eine lokal begrenzte Karpeninvasion zurückzuschlagen und in einer Zeit der Ruhe und des Friedens das tausendjährige Bestehen der Stadt Rom zu feiern, waren die beiden letzten Regierungsjahre überschattet von Usurpationen und erneuten, nun sehr viel gefährlicheren Einfällen in den Donauraum. Damit kündigte sich bereits der Höhepunkt der Krise an, der in den f ü n f z i g e r Jahren erreicht wurde, als Decius in einer Schlacht gegen die Goten fiel und Valerian in persische G e f a n g e n s c h a f t geriet. Erst durch die Reformen des Gallienus und die Erfolge C l a u d i u s ' II. und Aurelians am Ende der sechziger und am Beginn der siebziger Jahre wendete sich die Lage wieder zugunsten des Römischen Reiches. Eine eigentliche Konsolidierung wurde erst mit den Reformkaisern Diocletian und Constantin I. erreicht. Philipp erscheint so als ein letzter A u s l ä u f e r der severischen Zeit, in der er noch fest verwurzelt ist. Gleichzeitig lassen sich in seiner Regierungszeit bereits Elemente feststellen, die in die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts, zum Teil sogar in die Spätantike vorausdeuten. Eine Untersuchung seiner Herrschaft trägt somit dazu bei, den Transformationsprozess von der Hohen Kaiserzeit zur Spätantike zu erhellen. Daneben ist in der Tat die Herkunft aus der östlichen Peripherie und die Bindung des Kaisers an seine Heimat eine interessante Erscheinung; man muss sich dabei allerdings davor hüten, den gesamten Nahen Osten des Römischen Reiches als Einheit zu betrachten und Philipp neben die syrische Linie der Severer zu stellen. 7 Monographien zu Philippus Arabs gibt es bislang nicht. Die wichtigsten und ergiebigsten Darstellungen sind der RE-Artikel von Ernst Stein, der von 1918 datiert, und ein Aufsatz von Lukas de Blois aus den siebziger Jahren. Daneben entstanden mehrere Lizentiats- und Doktorarbeiten zu dem Thema, so von Görg 1920, von Bianchi 1981/82, von Prickartz 1987. Diese Arbeiten blieben j e d o c h unpubliziert; nur Teile daraus erschienen in Aufsatzform. 8 Auch die Lizentiatsarbeit des Ver-

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wollte, er war zu fremdartig, um sich in j e n e m Augenblick auf dem Thron halten zu können, und anderseits doch nicht grausam und kalt g e n u g , um s e i n e Herrschaft auf reinen Terror zu stützen. Darum ist er unter anderem auch gescheitert." Cf. auch Christol, 1997, p. 110. Zurecht warnt Miliar, 1993, pp. 1 Of.: „any single term used in the modern world to denote them all [sc. the peoples o f the Near East], whether ' S e m i t e s ' or any other, would represent a purely arbitrary c h o i c e , with no basis in ancient terminology." R. Görg, Kaiser Marcus Julius Philippus 244-249 n.Chr., Diss. Marburg 1920. A. Bianchi, La politica di Filippo l'Arabo, Diss. Università Cattolica di Milano 1 9 8 1 / 8 2 : mir nicht z u g ä n g l i c h ; Bianchi hat 1983 einen A u f s a t z über Philipps Politik in Ägypten publiziert (cf. Bibliographie). C. Prickartz, Le règne de Philippe l'Arabe (996-1002 a.V.c./244-249 p.C.n.), mémoire de licence, L o u v a i n - l a - N e u v e 1987: mir nicht z u g a n g l i c h . Prickartz hat s e i n e Ergebnisse in drei Aufsätzen 1989, 1993 und 1995 z u s a m m e n g e f a s s t (cf. Bibliographie). V ö l l i g unbrauchbar ist Yorks

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Einleitung

fassers befasste sich mit Untersuchungen zur Innenpolitik des Kaisers Marcus Iulius Philippus (244-249 n.Chr.) (Bern 1995/96). Eine umfassende Untersuchung der epigraphischen und numismatischen Zeugnisse, vor allem aber auch der juristischen Texte wurde bis jetzt der Öffentlichkeit noch nicht zugänglich gemacht. Ein zentrales Problem ist jedoch vor allem, dass eine quellenkritische Analyse der spätantiken und byzantinischen Textzeugnisse bis jetzt kaum auf die Berichte zu Philippus Arabs angewandt wurde. Gerade in diesem Bereich lassen sich neue Erkenntnisse gewinnen. Zudem müssen wichtige Neufunde wie die Inschrift des persischen Grosskönigs Schapur I. in den dreissiger Jahren oder die Papyri vom Euphrat in den späten achtziger Jahren, die von den genannten Forschern nur zum Teil berücksichtigt werden konnten, mit eingearbeitet werden. In der folgenden Arbeit soll versucht werden, die Herrschaft des Philippus Arabs auf der Basis aller verfügbaren Quellen genauer zu untersuchen. Aus den verschiedenen, häufig widersprüchlichen Überlieferungen und Aussagen soll der Verlauf der Ereignisse zu rekonstruieren versucht werden. Im Zentrum stehen dabei die Fragen, welche Bedeutung der Herrschaft Philipps für die „Soldatenkaiserzeit" und die Krise des 3. Jahrhunderts zukommt, und welchen Beitrag der Kaiser zum Transformationsprozess von der Hohen Kaiserzeit zur Spätantike leistete.

D i s s e r t a t i o n von 1 9 6 4 , d e r e n G r u n d t h e s e n a u c h in e i n e n A u f s a t z 1972 E i n g a n g g e f u n d e n h a b e n (cf. B i b l i o g r a p h i e ) : Mit viel P h a n t a s i e z e i c h n e t Y o r k d a s Bild e i n e s christlichen Kaisers. Wichtige Quellen werden entweder nicht berücksichtigt oder falsch interpretiert.

1. Die Quellen zu Philippus Arabs Die literarischen Quellen zur Regierungszeit Philipps stammen in ihrer überwiegenden Mehrheit aus der Spätantike und aus byzantinischer Zeit. Die zeitliche Nähe ist dabei nicht immer ausschlaggebend für die Frage nach dem historischen Wert der Texte, da manche byzantinische Autoren in einer Quellentradition stehen, die bis ins 3. Jahrhundert zurückreicht. An zeitgenössischen Zeugnissen sind vor allem die zahlreichen Inschriften, Papyri und Münzen zu nennen.

1.1. Literarische

Quellen

1.1.1. Quellen aus dem 3. Jh.n.Chr. An zeitgenössischen literarischen Quellen ist nur das dreizehnte Buch der Oracula Sibyllina erhalten. 1 Bei den Sibyllinischen Orakeln handelt es sich um eine Reihe von meist jüdischen und christlichen, teils auch heidnischen Prophezeiungen, die in Büchern zusammengefasst wurden. 2 Das zwölfte und dreizehnte Buch greifen dabei auf historische Ereignisse des 1. bis 3. Jh.n.Chr. zurück, die in der Form von Prophezeiungen wiedergegeben werden. Das zwölfte Buch endet mit dem Tod Severus Alexanders (235 n.Chr.). Im dreizehnten Buch findet sich der Leser nach einer Lücke zwischen den Versen 6 und 7 bereits in der Schilderung der Herrschaft Gordians III. 3 Die Verse 21 bis 78 befassen sich dann mit der Herrschaft Philipps. Das ganze Buch umfasst die Jahre von 238 bis in die

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Die sogenannte „Kaiserrede" ( Ε ι ς β α σ ι λ έ α ) , die im Corpus der Reden des A e l i u s Aristides überliefert ist, wird allgemein ins 3. Jahrhundert unter Philipp datiert, allerdings ohne hinlänglichen Grund, wie ich an anderer Stelle z e i g e n werde (Körner, 2 0 0 2 ) . Sie scheidet daher als historische Quelle für die Regierung Philipps aus. Die für uns w i c h t i g e Sammlung Β der Oracula Sibyllina (Bücher 9 bis 15) wurde erst nach der Eroberung Ägyptens durch die Araber ( 6 4 6 n.Chr.) in ihrer j e t z i g e n Form zusammengestellt: cf. Potter, 1990, pp. lOOf. Cf. Rzach, 1923, col. 2 1 5 3 ; Potter, 1990, pp. 1 4 2 - 1 4 4 .

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1. Q u e l l e n

sechziger Jahre des 3. Jahrhunderts und endet vor dem Tod Odainaths von Palmyra. 4 Umstritten ist die Frage der Verfasserschaft des dreizehnten Buches. Nach Geffcken und de Blois stammt das ganze Buch von einem Autor, und zwar einem Christen aus dem Osten des Reiches. 5 Geffcken stützt sich dabei auf die Verse 85 bis 88, die eine Anspielung auf die Christenverfolgung des Decius beinhalten könnten. Rzach hingegen hält die Verse 87f. für eine spätere christliche Interpolation. 6 Rzach hält den Verfasser für einen Juden, der aus dem Osten des Reiches stammte, da die Verhältnisse in Ägypten und Alexandria (Verse 43-45; 74-78), vor allem aber in Syrien (Verse 59-68; 89-100; 119-136; 150-154) eine wichtige Rolle im Buch spielen. 7 Potter nimmt an, dass das Buch aus mehreren, zu verschiedenen Zeiten entstandenen Texten kompiliert wurde 8 : Verse 1 bis 84 (Gordian III. bis Philipp) seien „a rather difficult mixture of material from divers hands"; die Verse 89 bis 154 (die Jahre 249-253 n.Chr.), bildeten „a reasonably coherent whole" und seien wohl von einem Autor verfasst worden. In den siebzehn Versen 155 bis 171 schliesslich wird recht knapp auf die Herrschaft Valerians, seinen Untergang und den Sieg Odainaths angespielt, also auf einen Zeitraum von neun Jahren (253-261 n.Chr.), während davor in 154 Versen die Jahre von 238 bis 253 n.Chr. behandelt worden waren (wobei ursprünglich noch eine unbekannte Anzahl von Versen in der Lücke zwischen 6 und 7 stand). Potter zieht daraus den Schluss, dass die letzten Verse möglicherweise von einem späteren Kompilator hinzugefügt wurden, um das Buch „up to date" zu bringen. 9 Die Entstehungsgeschichte des dreizehnten Buches sieht nach Potter somit folgendermassen aus: Die Verse 89 bis 154 wurden von einem Verfasser geschrieben, der auch die Verse 1 bis 88 aus älteren Prophezeiungen kompilierte. Der Hauptteil des Buches, Verse 1 bis 154, wurde 4

5 6

7 8 9

Geffcken, 1902, p. 62; Potter, 1990, pp. 101; 151; implizit de Blois, 1998, p. 3402; cf. Rzach, 1923, col. 2160 (vor dem Tod des Gallienus 268 n.Chr.); Strobel, 1993, pp. 21 If. (265/266 n.Chr.). G e f f c k e n , 1902, p. 62; de Blois, 1998, p. 3402. G e f f c k e n , 1902, p. 59, bzw. Rzach, 1923, col. 2 I 6 0 f . Or. Sib. 13,87f.: Α ύ τ ί κ α δ ' α ύ π ι σ τ ώ ν τ ε λ ε η λ α σ ί α ι τ ε φόνοι τ ε / ε σ σ ο ν τ ' έ ξ α π ί ν η ς γ ε δια π ρ ό τ ε ρ ο ν βασ ι λ ή α („and immediately there will be spoliation and murder of the faithful because of the former king", Ubers, von Potter, 1990, p. 171). Die Passage ist im übrigen insofern äusserst problematisch, als π ι σ τ ώ ν (ν. 87), auf das sich die Interpretation, der Verfasser sei Christ gewesen, stützt, eine Konjektur von Wilamowitz ist. Im Text steht π ί π τ ω ν , was im Zusammenhang der Passage keinen Sinn macht. (Cf. Potter, 1990, p. 147, und unten Kap. 12.1.) Schlussfolgerungen können aus der Formulierung π ι σ τ ώ ν also nur unter grössten Vorbehalten gezogen werden. Rzach, 1923, col. 2161. Potter, 1990, pp. 14If. Potter, 1990, p. 142.

1.1. Literarische Q u e l l e n

7

möglicherweise 253 zusammengestellt, als Uranius Antoninus die Macht im Osten noch in den Händen hielt und bevor Valerian eintraf. 10 Ein zweiter Kompilator aktualisierte das Werk nach 261 und vor Odainaths Tod und fügte die Verse 155 bis 171 hinzu. Stilistische Unterschiede bestätigen, dass es sich um zwei verschiedene Bearbeiter handelt. 11 Beide stammten wohl aus Syrien und rückten entsprechend Uranius' bzw. Odainaths Rolle ins Zentrum. 12 Potter hält sie im Gegensatz zu Geffcken und Rzach für Heiden aus der lokalen Oberschicht, denen es nicht darum gegangen sei, „to make a cultural or religious point"; er nimmt an, dass die Verfasser sich einer traditionellen Form bedienten, eben der Orakel, um ihre Helden, Uranius Antoninus von Emesa und Odainath von Palmyra als die grossen Heilsbringer zu feiern. 13 Die Verse 87f. deutet er nicht als christliche Interpolation, sondern als deciusfeindliche Äusserung des ersten Kompilators und Verfassers der Verse 89-154. 14 Strobel hat sich in jüngster Zeit wieder gegen Potters Annahme mehrerer Kompilatoren gewendet. Er geht von einem jüdischen Alexandriner als Autor aus. Die gesamte Konzeption des Buches ziele auf die Erlösergestalt Odainath ab, dessen Vorläufer Uranius Antoninus gewesen sei. Dies deute darauf hin, dass der Text von einem einzigen Verfasser stamme. 15 Es stellt sich die Frage, inwieweit Prophezeiungen, deren Grundlage historische Ereignisse bilden, als Quelle für ebendiese Ereignisse nutzbar gemacht werden können. Potter vertritt die Ansicht, dass die sibyllinischen Prophezeiungen plausibel sein mussten, wenn sie für wahr gehalten werden sollten. 16 Bücher 12 und 13 „reflect how much the welleducated man knew about Roman history, the attitudes that he brought to that history, and the way in which he learnt it". 17 Die Verfasser betrieben keine grossen Studien von Geschichtswerken, sondern bedienten sich der Münzen, Inschriften, Statuen, vor allem aber auch des Geredes und Klatsches als Quellen. 18 Deutlich ist auch der provinziale Blickwin-

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" 12 13 14 15 16 17

18

Potter, 1990, pp. 142; 150. Potter, 1990, p. 152. Potter, 1990, pp. 152f. Potter, 1990, p. 153. Potter, 1990, p. 147. Strobel, 1993, pp. 21 If., Anm. 1 7 9 - 1 8 2 . Potter, 1 9 9 0 , pp. 124f. Potter, 1990, p. 133. N a c h Strobel ( 1 9 9 3 , p. 2 5 2 ) reflektieren die Orakel das Ges c h i c h t s w i s s e n breiterer grossstadtischer B e v ö l k e r u n g s s c h i c h t e n , nicht aber der Oberschicht. Es seien keine genauen c h r o n o l o g i s c h e n Kenntnisse, kein Einblick in tiefere Z u s a m m e n h ä n g e und auch keine historische R e f l e x i o n zu erkennen. A u c h liessen sich diese beiden Bücher nicht als c h r o n o l o g i s c h angelegte Geschichtsdarstellung interpretieren (Strobel, 1993, p. 139, Anm. 3; p. 2 1 2 ) . Potter, 1990, pp. 1 3 5 - 1 3 8 .

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1. Quellen

kel: Das Schwergewicht liegt, wie bereits erwähnt, auf den Ereignissen im Nahen Osten und in Ägypten. 19 Zudem wählten der / die Autoren absichtlich eine dunkle, orakelhafte Sprache voll von verworrenen Anspielungen. Dennoch handelt es sich um eine für die Untersuchung der Herrschaft Philipps sehr wertvolle Quelle, zum einen aufgrund ihrer zeitlichen Nähe, zum andern aufgrund der Tatsache, dass sich hier eine Sichtweise widerspiegelt, die nicht von den Topoi der späteren literarisch-historiographischen Tradition geprägt worden ist. 20 Die übrigen Quellen des 3. Jahrhunderts, die Aussagen über Philipps Regierung enthalten haben könnten, sind verloren. 21 Besonders bedauerlich ist dies im Fall von Asinius Quadratus, einem italischen Senator. Dieser hatte seine historischen Werke mehrheitlich unter Philipp verfasst. 22 Sein Hauptwerk, Χ ι λ ι ε τ η ρ ί ς , schrieb er wohl zum Anlass der Tausendjahrfeier von 248 n.Chr. Es scheint aber unvollendet geblieben zu sein und endete wohl mit der Regierungszeit des Severus Alexander. 23 Die zwei anderen Schriften des Asinius, Π α ρ θ ι κ ά und Γ ε ρ μ α ν ι κ ά , dürften unter anderem Philipps Perserfriede und Germanenkriege behandelt haben. 24 Als weiterer Historiker, der wohl in Philipps Zeit schrieb, ist Herodian zu nennen, dessen Geschichtswerk jedoch 238 n.Chr. endet. 25 Zimmermann zufolge wurde es im Hinblick auf die Tausendjahrfeier 248 n.Chr. verfasst und sollte ursprünglich die Zeit bis in dieses Jahr behandeln. 26 Schlüssige Hinweise können jedoch aus Herodians Werk nicht abgeleitet werden (wie Zimmermann selbst zeigt 27 ), während äussere Zeugnisse gänzlich fehlen.

19 20

21 22

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25

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R z a c h , 1 9 2 3 , c o l . 2 1 6 1 f . ; Potter, 1 9 9 0 , p. VII. Zu T e x t ü b e r l i e f e r u n g und Ausgaben: Rzach, 1923, col. 2 1 1 9 - 2 1 2 2 ; Potter, 1 9 9 0 , pp. 1 6 1 - 1 6 3 m i t V e r w e i s e n a u f w e i t e r e Literatur.

2165-2169;

C f . d a z u a u c h B l e c k m a n n , 1 9 9 2 , p. 16. Z u Q u a d r a t u s c f . A g a t h i a s , Hist. 1 , 6 , 3 . Z u r F o r s c h u n g s d i s k u s s i o n um d i e P e r s o n u n d d i e z e i t l i c h e E i n o r d n u n g d e s A s i n i u s c f . Z e c c h i n i , 1 9 9 8 , pp. 3 0 0 0 - 3 0 0 9 , v o r a l l e m 3 0 0 0 f . , der U b e r z e u g e n d d i e D a t i e r u n g in d i e Z e i t P h i l i p p s vertritt ( s o b e r e i t s S c h w a r t z , 1 8 9 6 , c o l . 1 6 0 3 ) . C f . a u c h B r a n d t , 1 9 9 4 a , pp. 7 8 - 8 0 . Zur F o r s c h u n g s d i s k u s s i o n cf. Z e c c h i n i , 1 9 9 8 , pp. 3 0 0 0 ; 3 0 1 4 - 3 0 1 8 ; B r a n d t , 1 9 9 9 , p. 1 7 9 . Z e c c h i n i g e h t s o w e i t , in A s i n i u s Q u a d r a t u s d e n „ H o f h i s t o r i k e r " P h i l i p p s z u s e h e n ( e b d . , pp. 3 0 0 6 - 8 ; 3 0 0 9 ) , a u f d e s s e n A u f f o r d e r u n g hin Q u a d r a t u s d i e X i λ ι ε τ η ρ ί ς v e r f a s s t h ä t t e ( e b d . , pp. 3 0 0 5 ; 3 0 0 8 ; 3 0 1 4 ) . Zur Χ ι λ ι ε τ η ρ ί ς c f . a u c h Schwartz, 1896, col. 1603. L e i d e r b e t r i f f t k e i n e s der e r h a l t e n e n F r a g m e n t e d i e R e g i e r u n g s z e i t P h i l i p p s . Z u d e n Π α ρ θ ι κ ά c f . Z e c c h i n i , 1 9 9 8 , pp. 3 0 0 9 - 3 0 1 4 . Z u d e n Γ ε ρ μ α ν ι κ ά c f . e b d . , p. 3 0 1 8 . C f . Z e c c h i n i , 1 9 9 8 , p p . 3 0 0 8 f . ; C h r i s t o l , 1 9 9 7 , p. 1 0 8 ; d e B l o i s , 1 9 9 8 , p p . 3 4 1 5 f . ; Z i m m e r m a n n , 1 9 9 9 , pp. 2 8 5 - 3 0 2 ; H i d b e r , 2 0 0 1 ( i m D r u c k ) . Z i m m e r m a n n , 1 9 9 9 , pp. 2 9 3 - 2 9 5 . Z i m m e r m a n n , 1 9 9 9 , pp. 2 8 5 - 2 9 3 .

1.1. L i t e r a r i s c h e Q u e l l e n

9

Eine Geschichte von Philipps Herrschaft bis zu Valerians Gefangennahme, eventuell sogar bis zu Odainaths Tod, hatte Nikostratos von Trapezunt verfasst, ein Werk von Augustus bis Carus ein Eusebios (nicht zu verwechseln mit dem Kirchenhistoriker). 28 Von beiden Werken sind nur Fragmente erhalten. Von den Historikern des 3. Jahrhunderts ist vor allem P. Herennius Dexippus von Bedeutung, da er eine wichtige Quelle für spätere Autoren bildete: Sein Werk fand direkt und indirekt Eingang in die Historia Augusta, in die Werke von Iordanes, Zosimos, Georgios Synkellos und Johannes Zonaras 29 , wohl auch in die Enmannsche Kaisergeschichte. 30 Dexipp entstammte einer angesehenen Familie Athens, war massgeblich am Sieg der Athener über die eingefallenen Heruler 267 n.Chr. beteiligt und starb wohl unter Probus (276282). 3 1 Er verfasste unter anderem die Χρονικά (oder Χρονική ιστορία oder Σύντομος ιστορικός) 3 2 , die in zwölf Büchern eine historische Darstellung der Ereignisse von mythischen Zeiten bis zum Tod Claudius' II. Gothicus (270 n.Chr.) umfasste. 33 Einige wenige Fragmente sind erhalten. 34 Grundsätzlich schreibt Dexipp aus der Perspektive des Provinzialen der östlichen Reichshälfte, ist insofern also mit dem / den anonymen Autoren der Sibyllinischen Orakel zu vergleichen (von dem /

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33

3,1

Nikostrat von Trapezunt: FGrHist 98 (zum Umfang des Werkes cf. Euagr., Hist. Eccl. 5,24). Eusebios: FGrHist 101 (zum Umfang cf. Euagr., Hist. Eccl. 5,25). Zu beiden cf. von Christ/Schmid/Stählin, 1924, p. 802; Miliar, 1969, p. 15; Potter, 1990, pp. 70f.; Brandt, 1999, pp. 179f. Cf. von Christ/Schmid/Stählin, 1924, p. 802; Birley, 1997c, col. 495. Potter, 1990, p. 72; cf. auch Schwartz, 1903, col. 290-293. Zur Familie und Karriere: Schwartz, 1903, col. 288; Millar, 1969, pp. 19-21; Potter, 1990, p. 73; Birley, 1997c, col. 495; Brandt, 1999, pp. 169-172. Zum Sieg über die Heruler: SHA, Gall. 13,8; cf. Paschoud, 1991, pp. 224-229; Birley, 1997c, col. 495. Zum Tod: Millar, 1969, p. 20; Potter, 1990, p. 74. In den 270er Jahren stellten seine Söhne ihm eine Statue auf, deren Inschrift seine Ämter und Leistungen aufzahlt: IG II/III 2 3669; cf. dazu auch Miliar, 1969, p. 21; Brandt, 1999, pp. 170f. Weitere Inschriften: cf. Miliar, 1969, p. 19. Schwartz, 1903, col. 288-290; Millar, 1969, pp. 21-26; Potter, 1990, pp. 75-77; Paschoud, 1991, pp. 219-224; Birley, 1997c, col. 495; Brandt, 1999, pp. 172-176. Auf die Χ ρ ο ν ι κ ά scheint auch in der genannten Inschrift IG II/III 2 3669 angespielt zu werden (Miliar, 1969, p. 24; Brandt, 1999, pp. 176; 178). Euagr., Hist. Eccl. 5,24; Miliar, 1969, p. 22; Potter, 1990, pp. 77f.; Brandt, 1999, p. 174; Paschoud (1991, p. 222) meint, dass die Chronik wohl die Zeit von 776 v.Chr. bis 270 n.Chr. behandelte. Das Werk wurde später von Eunapios fortgesetzt. Zum Charakter des Werkes: Schwartz, 1903, col. 289; Millar, 1969, p. 22; Brandt, 1999, p. 174. Zur Form der Χ ρ ο ν ι κ ά : Potter, 1990, p. 81; Bleckmann, 1992, p. 29, Anm. 114, gefolgt von Brandt, 1999, p. 174; Buck, 1983, pp. 596f.; Blockley, 1971, p. 710; Miliar, 1969, p. 22. Zu den Fragmenten (FGrHist 100) und der Problematik der Zuweisung: Brandt, 1999, p. 173.

10

1. Q u e l l e n

denen er sich aber natürlich hinsichtlich des geistigen Hintergrunds und der Erziehung unterschied). 35

1.1.2. Quellen aus dem 4. und frühen 5. Jh.n.Chr. Im 4. Jahrhundert fliessen die Quellen zur Herrschaft Philipps reichlicher. Zu nennen sind zum einen die Breviarien 36 des Eutrop, Festus und Aurelius Victor, sowie die Epitome de Caesaribus und die Historia Augusta, zum anderen die christlichen Autoren (Eusebios, Hieronymus, Paulus Orosius). 37 Von grundlegender Bedeutung für die meisten historischen Schriften des 4. Jahrhunderts ist die sogenannte Enmannsche Kaisergeschichte (EKG). Alexander Enmann hatte in seiner 1884 publizierten Untersuchung aufgrund der vielen Übereinstimmungen zwischen Eutrop und Aurelius Victor, die nicht direkt voneinander abhängen können, eine gemeinsame Quelle postuliert. 38 Enmanns Untersuchung entstand vor Dessaus fundamentaler Entdeckung von 1889, dass die Historia Augusta nicht unter den Kaisern Diocletian und Constantin abgefasst wurde (cf. unten). Enmann nahm daher noch an, dass die EKG vor 305/6 n.Chr. entstanden sein müsse, da die Scriptores Historiae Augustae sie ebenfalls verwendeten. Da sich aber Übereinstimmungen in den Schilderungen Eutrops und Victors auch für den Zeitraum nach 305/6 finden, schloss Enmann auf eine spätere Fortsetzung der EKG bis 357 n.Chr. (Schlacht bei Strassburg). 39 Diese Hilfskonstruktion ist nun nicht mehr nötig, seit Dessau gezeigt hat, dass die Historia Augusta nach Aurelius Victor entstanden ist. 40 Die EKG selbst muss also vor 360 n.Chr.

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Die provinziale Perspektive betonen Miliar, 1969, p. 25, und Brandt, 1999, pp. 176-178. Zum historischen Wert von Dexipps Werken und zur Frage, inwieweit der Historiker Zugang zu offiziellen Informationen hatte, cf. Potter, 1990, pp. 89f.; 94.; Brandt, 1999, pp. 171f. Zu den Begriffen Breviarium, Epìtome und Chronicon: Eadie, Textausgabe Festus, 1967, p. 11; cf. ferner H. A. Gärtner/U. Eigler, Art. Epitome, DNP 3, 1997, col. 1175; J. Rüpke, Art. Breviarium, DNP 2, 1997, col. 770; J.-J. Glassner/K. Meister/J. Rüpke, Art. Chronik, DNP 2, 1997, col. 1168. Die BUcher, in denen Ammian die Geschichte des 3. Jahrhunderts behandelte, sind verloren; dennoch gibt es eine kleine Notiz zur Ermordung Gordians III. Cf. dazu Kap. 4.2.1.2.2. Enmann, 1884, pp. 338-340; 347; 396. Heute ist Enmanns Hypothese allgemein akzeptiert (zu Ausnahmen cf. unten): cf. den Forschungsüberblick bei Barnes, 1970, pp. 14f.; 1978, p. 92 mit Anm. 16; ferner Bird, 1984, p. 18; Bleckmann, 1994, p. 12; Burgess, 1995a, pp. 349f.; Schmidt, 1997, col. 1040. Enmann, 1884, pp. 432f.; 444-460. Barnes, 1970, pp. 15f.; Bird, 1984, pp. 16f.; Burgess, 1995b, p. 113; cf. auch unten.

1.1. Literarische Quellen

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(Abfassung der Historiae Abbreviatae Aurelius Victors, der die EKG verwendete) verfasst worden sein, entweder nach 357 n.Chr. (Schlacht von Strassburg) 41 oder, wie zum Teil in jüngeren Forschungen angenommen, nach 337 n.Chr. (Tod Constantins). 42 Zweifel an der Existenz der EKG wurden von Dufraigne und den Boer angemeldet. Dufraigne muss jedoch selbst wieder eine unbekannte gemeinsame Vorlage postulieren, um die Übereinstimmungen zwischen den Historikern der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts zu erklären. 43 Den Boer wiederum geht davon aus, dass die gemeinsame mündliche Tradition und rhetorische und literarische Bildung der Geschichtsschreiber verantwortlich sei für die Gemeinsamkeiten in deren Werken. 44 Zu Recht hält Bird dem entgegen, dass sich durch eine gemeinsame Bildung nicht die zum Teil wörtlichen Übereinstimmungen erklären Hessen. 45 Bird versuchte, die Gestalt der EKG genauer zu bestimmen: Sie habe wohl in einem Umfang, der ungefähr 35 bis 40 Teubnerseiten entspricht, die Jahre 30 v.Chr. bis 357 n.Chr. behandelt. 46 Dabei habe es sich um „a rather simple account, quite meagre on most of the third century emperors ... and particularly concerned with usurpers" gehandelt. 47 Der Ver-

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Bird, 1973, p. 375; Burgess, 1995a, p. 350; 1995b, pp. 113; 122-127 (aufgrund von Parallelen zwischen Hieronymus, Eutrop und der Epitome). (1993 hatte sich Burgess noch für eine Datierung auf 337 ausgesprochen: Burgess, 1993, p. 491: cf. unten.) Barnes (der Seeck folgt), 1970, pp. 17-20; 1978, p. 91; 93f.: Die Übereinstimmungen endeten mit dem Tode Constantins 337 n.Chr. (ebenso Schmidt, 1997, col. 1040); die EKG sei daher kurz nach 340 n.Chr. verfasst worden. Bird (1973, pp. 375-377; 1984, p. 17) hält dem Parallelen in der Darstellung der Ereignisse zwischen 340 und 357 n.Chr. zwischen Eutrop und Victor und zwischen Eutrop und Hieronymus entgegen und schliesst daraus, dass die EKG die Zeit bis 357 n.Chr. umfasste oder dass zumindest beide Enddaten möglich seien. Burgess (1995b, p. 111), 1993 noch von Barnes' Datierung auf die Zeit zwischen 337 und 340 überzeugt (1993, p. 491), datierte jüngst die EKG ebenfalls auf 357 n.Chr.; Barnes habe im persönlichen Gesprach mit ihm geäussert, die Argumente, die für 357 n.Chr. sprechen, „have become very hard to evade - perhaps impossible". Burgess (1995b, p. 115) weist zudem darauf hin, dass die Unterschiede zwischen den Autoren für die Schilderungen der Ereignisse von 337 bis 357 sich dadurch erklären liessen, dass sie für die Zeitgeschichte, die sie nunmehr darstellten, eigene Erfahrungen zur Ergänzung ihrer Hauptquelle heranzögen, was aufgrund unterschiedlicher Erlebnisse und Beurteilungen zwangsläufig zu Differenzen führen müsse. Zu Dufraigne und der Widerlegung seiner Argumente cf. Bird, 1984, p. 18. Den Boer, 1972, pp. 55; 113; cf. auch p. 21. Bird, 1984, p. 18; ders., Textausgabe Eutrop, 1993, pp. XLVIIf.; ebenso: Burgess, 1995a, pp. 352-354. Bird, Textausgabe Aurelius Victor, 1994, pp. Xllf. Burgess (1995b, p. 113 mit Anm. 14) hält diesen Umfang für zu gering, spricht aber auch von einem „set of short imperial biographies". Bird, Textausgabe Aurelius Victor, 1994, pp. Xllf. Ebenso: Burgess, 1993, pp. 493f.; 1995b, p. 113.

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1. Q u e l l e n

fasser der EKG ist im übrigen unbekannt. 48 Die EKG wirkte auf Aurelius Victor und Eutrop, ferner (vielleicht auf indirektem Wege) auf Festus, Ausonius, Ammian, die Epitome de Caesaribus, die Historia Augusta und Polemius Silvius. 49 Eutropius war magister memoriae 367-369 n.Chr. unter Kaiser Valens 50 und verfasste in dessen Auftrag 51 ein Breviarium ab urbe condita in zehn Büchern von der Gründung Roms bis zum Tod Jovians (753 v.Chr. bis 364 n.Chr.). Eutrop hatte selbst an Iulians Perserfeldzug 363 n.Chr. teilgenommen. 52 Seine Kaiserbeurteilungen sind grundsätzlich recht ausgewogen. 53 Als Quelle für seine Darstellung der Kaiser des 3. Jahrhunderts wird die Enmannsche Kaisergeschichte angenommen, die durch eigenes Wissen ergänzt wurde. 54 Die Schrift Eutrops wurde häufig rezipiert und bereits um 380 n.Chr. ins Griechische übersetzt. 55 Sie

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Burgess (1993, pp. 495-499; 1995a, p. 351; 1995b, p. 128) vermutet, dass es sich um Eusebius von Nantes handeln könnte. Burgess, 1993, p. 491; 1995b, p. 112 (wo er auch Hieronymus als von der EKG abhängig ansieht); 1995a, pp. 349f. Burgess (1993, pp. 492-494) zeigt, dass Polemius Silvius' Laterculus (Ende Dez. 448 / Anf. 449 entstanden) nicht von der Historia Augusta abhängen kann, sondern direkt auf die EKG zurückgehen muss. Zur umstrittenen Frage, ob auch der Verfasser der Historia Augusta die EKG als Quelle verwendete, cf. Barnes, 1970, pp. 32-39, der zu einem positiven Ergebnis kommt (ebenso: Burgess, 1995b, p. 112). Gensei, 1907, col. 1522; Portmann, 1998, col. 322. Zur Datierung cf. Bird, Textausgabe Eutrop, 1993, p. XIII. Zur „outstanding career" Eutrops (Bird, ebd., p. XVII) unter den Kaisern Constantius II. bis Theodosius cf. Bird, ebd., pp. VIIXVIII; Portmann, 1998, col. 322. Den Boer (1972, p. 115) warnt allerdings vor allzu raschen Identifizierungsversuchen mit anderweitig bekannten Personen gleichen Namens. Eutr., Breviarii dedicatio; Fuhrmann, 1967a, col. 469; Bird, Textausgabe Eutrop, 1993, pp. VII; XIII; Portmann, 1998, col. 322. Eutr. 10,16,1. Gensei, 1907, col. 1523; Fuhrmann, 1967a, col. 469; McDonald/Matthews, Eutrop 3 1996, p. 577: „well-balanced, showing good judgement and impartiality"; Portmann, 1998, col. 322. Zum Stil: Bird, Textausgabe Eutrop, 1993, pp. LI-LIII: „simple, direct language" (p. LI). Gensei, 1907, col. 1523; Schanz, 1914, p. 78; Fuhrmann, 1967a, col. 469; McDonald/Matthews, Eutrop 3 1996, p. 577; Bird, Textausgabe Eutrop, 1993, pp. III; XLVIIf.; Portmann, 1998, col. 322. Eine intensivere Quellenbenutzung ist schon aufgrund des Charakters der Schrift, die eben eine Kurzzusammenfassung sein sollte, nicht zu erwarten (Bird, ebd., pp. XLIVf.). Gensei, 1907, col. 1524; Schlumberger, 1974, p. 1; Portmann, 1998, col. 322. Zu Textkritik, Überlieferungsgeschichte und Ausgaben: Gensei, 1907, col. 1526f.; Schanz, 1914, pp. 8 I f . Zu den griechischen Übersetzungen Eutrops durch Paianios (um 380) und Kapiton von Lykien (frühes 6. Jahrhundert) cf. Bird, Textausgabe Eutrop, 1993, p. LV.

1.1. Literarische Quellen

13

diente Hieronymus, Orosius und dem Verfasser der Epitome de Caesaribus als Quelle. 5 6 Vereinzelte Hinweise zu Philipps Regierung finden sich auch in Festus' Breviarium. Wie Eutrop, so war möglicherweise auch Festus magister memoriae unter Valens und Verfasser eines Breviarium in kaiserlichem Auftrag. 57 Das Werk, das vor allem die Kämpfe Roms im Osten zum Thema hat, entstand wohl 369/370 n.Chr. Als Quelle diente auch hier die Enmannsche Kaisergeschichte. 59 Sex. Aurelius Victor wurde um 320 n.Chr. geboren und machte Karriere im Staatsdienst. 60 Die Abfassungszeit seiner Historiae abbreviatae fällt in die Jahre 358 bis 361 n.Chr. 61 Seine Quelle für die Darstellung des 3. Jahrhunderts dürfte die Enmannsche Kaisergeschichte gewesen sein. 6 2 Aurelius' Werk diente seinerseits der Historia Augusta und der 56

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Gensei, 1907, col. 1525; McDonald/Matthews, Eutrop 3 1996, p. 425; Eadie (Textausgabe Festus, 1967, pp. 19f.) und Bird (Textausgabe Eutrop, 1993, pp. LVf.) zahlen noch Ammian, Augustin, Cassiodor, Isidor auf. Schanz (1914, p. 81) meint, dass Festus nicht Eutrop benutze, sondern beide auf dieselbe Quelle zurückgingen; anders: Eadie, a.a.O., p. 95. Seeck (1909, col. 2257f., ausgehend von Mommsen), A. H. McDonald/A. J. S. Spawforth (Art. Festus, OCD 3 1996, p. 594) und Eigler (1998a, col. 495) identifizieren Festus mit Rufius Festus; Schanz (1914, p. 84), Lippold (1967a, col. 540) und Eadie (Textausgabe Festus, 1967, pp. 7-9) weisen diese Identifizierung zurück. Zur Person des Historikers cf. auch Baldwin, 1978, pp. 197-205, mit weiterer Literatur, und Eadie, a.a.O., pp. 4-9, der eine Identifizierung mit dem aus Ammian bekannten Fest(in)us Tridentinus vorschlägt (ebenso jüngst: F. J. Wiebe, Kaiser Valens und die heidnische Opposition, Bonn 1995, p. 334, Anm. 296; Eigler, 1998a, col. 495; W. Portmann, Art. Festus Nr. 3, DNP 4, 1998, col. 495); gegen diese Identifizierung: den Boer, 1972, pp. 178-183. Zur Frage, welchem Kaiser das Breviarium gewidmet ist und ob es sich überhaupt um ein Auftragswerk handelt, cf. Baldwin, 1978, pp. 205-207; Eadie, a.a.O., pp. 3; 14-16; den Boer, 1972, p. 198, Anm. 73. Eadie, Textausgabe Festus, 1967, pp. 1-3: terminus ante quem: Sommer 370 n.Chr., terminus post quem sicher 363 n.Chr., wahrscheinlich sogar 369 n.Chr. Lippold, 1967a, col. 540f.: gegen 372 n.Chr. Schanz, 1914, pp. 84; 81; Lippold, 1967a, col. 541; Barnes, 1970, p. 21. Eadie (Textausgabe Festus, 1967, pp. 90f.; 95) formuliert etwas vorsichtiger, dass Festus für die Kap. 20-24 neben Eutrop eine verlorene Quelle verwendete, die eventuell die EKG gewesen sei. Nach Eadie (a.a.O., pp. 19f.) wurde Festus wiederum von Hieronymus, Ammian, Iordanes und Isidor verwendet. (Gegen eine Verwendung Festus' durch Ammian: den Boer, 1972, pp. 190-192.) Schanz, 1914, pp. 72f.; Schmidt, 1978, col. 1660f.; zum Leben, cf. auch Bird, 1984, pp. 5-15; ders., Textausgabe Aurelius Victor, 1994, pp. VII-XI; Strobel, Rez. Bird 1984, Gnomon 58, 1986, p. 163. Schmidt, 1978, col. 1662; Barnes, 1978, p. 90: zwischen Februar und 9.9.360; Bird, 1984, p. 10: zwischen 8.9.359 und 8.9.360; Bird, Textausgabe Aurelius Victor, 1994, p. XI: 359/360 begonnen, 361 vollendet. Schanz, 1914, p. 74; Schmidt, 1978, col. 1668f. Bird (1984, p. 23; Textausgabe Aurelius Victor, 1994, pp. XIVf.) sieht in der EKG Victors Hauptquelle, die der Historiker durch eigene Kenntnisse ergänzt habe. Nach Pékary (Rez. Bird 1984,

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1. Q u e l l e n

Epitome de Caesaribus als Vorlage. 63 Victors Schrift steht in der Tradition der „moralisierenden" römischen Geschichtsschreibung (Sallust, Tacitus). 64 Nach Auffassung vieler Forscher erreicht Aurelius Victor in seinem Text ein ziemlich unabhängiges Urteil. 65 Kritischer hingegen äussert sich Bird 66 : Zwar billigt auch er dem Historiker Originalität zu, meint aber, Aurelius Victor sei in zu starkem Masse von der EKG abhängig, deren Fehler er oft übernommen habe. Zudem fehle ihm jegliche „historical perception"; Victor biete „basically historical clichés and contemporary commonplaces" wie „decline of morality, education, and culture, the excessive greed and power of the army, and the waning influence of the senatorial class". 67 Die anonyme Epitome de Caesaribus, ebenfalls im Corpus Aurelianum überliefert, wird in den Handschriften fälschlicherweise als Libellas de vita et moribus imperatorum breviatus ex libris S. Aurelii Victoris bezeichnet; in Wirklichkeit verwendete der anonyme Autor nicht nur Aurelius Victor, sondern auch andere Quellen. 68 Die Schrift behandelt über Aurelius Victors Historiae abbreviatae hinaus auch die Zeit von Iulian bis Theodosius. Wahrscheinlich wurde sie kurz nach des letzteren Tod (395 n.Chr.) verfasst. 69 Die detaillierte Untersuchung Schlumbergers ergibt für die Quellenfrage folgendes Resultat 70 : Neben Aurelius Victor und Eutrop dürfte auch hier die Enmannsche Kaisergeschichte Pate gestanden haben. 71 Da sich in der Epitome allerdings zahlreiche Nachrichten finden, die bei den übrigen Breviatoren der EKG-Tradition fehlen, muss der anonyme

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Gymnasium 94, 1987, p. 2 7 9 ) kann Birds „Argumentation ... nicht ganz überzeugen". Den Boer ( 1 9 7 2 , p. 2 2 ) richtet sich gegen die Ansicht, Victor habe nur e i n e Hauptquelle oder gar Uberhaupt nur eine e i n z i g e Quelle für das 3. Jahrhundert benutzt. Schmidt, 1 9 7 8 , col. 1 6 7 0 f . A. H. M c D o n a l d / A . J. S. Spawforth, Art. Aurelius Victor, O C D 3 1 9 9 6 , p. 2 2 2 ; Fuhrmann, 1975, col. 1261; Schmidt, 1978, col. 1663 und 1667; Bird, 1984, p. 81; Strobel, Rez. Bird 1984, Gnomon 58, 1986, p. 165. Fuhrmann, 1975, col. 1261. Von einer stark subjektiven Prägung spricht Schanz, 1914, p. 73. Cf. auch Schlumberger, 1974, p. 1: „auffallend individuelle[r] Stil"; Pékary, Rez. Bird 1984, Gymnasium 94, 1987, p. 2 7 9 : Aurelius Victor sei der „wohl interessanteste aus dieser Gruppe spätantiker Schriftsteller [sc. der Breviatoren], eine[r], der durchaus e i g e n e Ansichten vertritt." Vor allem Bird, Textausgabe Aurelius Victor, 1994, pp. XX-XXII. Bird, Textausgabe Aurelius Victor, 1994, p. XXII, bzw. p. X X X , Anm. 94. Schlumberger, 1974, pp. 6 3 - 6 9 ; Fuhrmann, 1975, col. 1261; F o r s c h u n g s g e s c h i c h t e zur Quellenforschung: Schlumberger, 1974, pp. 6 - 1 5 . Schlumberger, 1974, p. 2: an der Wende zum 5. Jahrhundert; ebd., pp. 2 4 4 f . : nach 3 9 5 und wohl vor den Germanenstürmen von 4 0 0 n.Chr.; Barnes, 1978, p. 90: nach 3 9 5 n.Chr.; Schmidt, 1978, col. 1672: gegen 4 0 0 n.Chr. Schlumberger, 1974, pp. 2 3 4 - 2 4 0 . Ebenso Barnes, 1970, pp. 2 2 f .

1.1. Literarische Q u e l l e n

15

Verfasser noch eine weitere Quelle verwendet haben: Es handelt sich dabei wahrscheinlich um ein Geschichtswerk mit chronologischem Aufbau (also keine Sammlung von Kaiserbiographien), das wohl die Zeit von Augustus bis Gratian umfasste und selbst wiederum auf Sueton, Marius Maximus, Herodian, Dexipp, der Enmannschen Kaisergeschichte, Eutrop, Aurelius Victor, aber auch auf stadtrömischen Quellen (Chroniken, Kalendern) 7 2 und christlichen Autoren (Lactanz, möglicherweise Hieronymus' Chronik) basierte. 7 3 Entscheidend ist dabei, dass dieses Geschichtswerk, das wohl gegen Ende des 4. Jahrhunderts entstand 74 , neben lateinischen auch griechische Quellen (Herodian, Dexipp) verwendete. 7 5 Neben dem anonymen Verfasser der Epitome schöpften wohl auch Eunapios (der seinerseits von Zosimos verwendet wurde 7 6 ) und Ammian aus dieser Schrift. Der Verfasser, ein stadtrömischer, heidnischer, hochgebildeter Senator, ist nach Schlumberger mit Nicomachus Flavianus zu identifizieren; dieser schrieb Annales, die dem Kaiser Theodosius gewidmet waren. 7 7 Entsprechend hat die Epitome einen gewissen Wert infolge der Qualität ihrer Quelle, die von den anderen Epitomatoren des 4. Jahrhunderts nicht verwendet wurde. 7 8 Eine weitere Quelle wohl des späten 4. oder frühen 5. Jahrhundert ist die berüchtigte Historia Augusta, eine Sammlung von Kaiserbiographien von Hadrian bis Numerian (117-285 n.Chr.), die zahlreiche Erfindungen, Fälschungen und Verzerrungen enthält. 7 9 Angeblich unter Diocletian und Constantin verfasst, denen die Biographien gewidmet

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Fassbar zum Beispiel in der Darstellung der Tausendjahrfeier Roms: Schlumberger, 1974, p. 175. Schlumberger, 1974, pp. 1 7 2 - 1 8 2 , vor allem 174f.; ferner ebd., 2 3 6 f . Zur Datierung nach 3 7 5 n.Chr., cf. Schlumberger, 1974, p. 179. Schlumberger, 1974, pp. 2 3 7 f . Cf. Schlumberger, 1974, pp. 2 0 5 f . Schlumberger, 1974, pp. 1 7 8 - 1 8 1 ; 2 3 8 - 2 4 0 ; ebenso: Schmidt, 1978, col. 1673; Birley, 1996, pp. 6 7 ; 8 1 f . Barnes (Rez. Schlumberger 1974, CPh 71, 1976, pp. 2 6 7 f . ; e b e n s o Burgess, 1995b, p. 124, Anm. 4 8 ) folgt zwar grundsätzlich der Annahme einer lateinischen Z w i s c h e n q u e l l e , ist aber skeptisch b e z ü g l i c h der Identifizierung mit N i c o m a c h u s Flavianus, da nicht einmal bekannt ist, ob dessen Annales die G e s c h i c h t e der römischen Kaiserzeit oder der Republik behandelten; cf. dagegen Schlumberger, 1985, pp. 3 2 1 - 3 2 5 ; 3 2 5 - 3 2 9 . Jüngst hat sich auch B l e c k m a n n ( 1 9 9 5 , pp. 9 3 f . ) dafür ausgesprochen, N i c o m a c h u s Flavianus als g e m e i n s a m e Quelle A m m i a n s , der Epitome de Caesaribus, des Z o s i m o s und späterer Autoren w i e Petros Patrikios anzunehmen ( s i e h e auch unten). Schlumberger, 1974, p. 2 3 4 . Zum N a c h l e b e n der Epitome·. Schlumberger, 1974, pp. 246-248. Die Literatur zur Historia Augusta ist aussergewöhnlich umfangreich. Es konnte in d i e s e m Rahmen nur eine Auswahl davon verwendet werden, s o vor allem die j ü n g s t erschienenen Bände der Historiae Augustae Colloquia Nova Series. Im f o l g e n d e n soll kurz auf grundsätzliche Probleme des Textes verwiesen werden.

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1. Q u e l l e n

sind, entstand das Werk in Wirklichkeit nach 360 n.Chr., wie Hermann Dessau 1889 aufgrund der offensichtlichen Abhängigkeit des Textes von Aurelius Victors De Caesaribus (360 entstanden) erkannte. 80 Die Sammlung von dreissig Biographien von Kaisern und Usurpatoren, die angeblich von sechs Autoren verfasst wurden, dürfte aus der Hand eines einzigen Schriftstellers stammen, der gegen Ende des 4. Jh.n.Chr. schrieb. 81 Für die Annahme eines einzigen Verfassers sprechen vor allem die grossen Ähnlichkeiten, die sich unter den einzelnen Biographien finden. 8 2 Barnes grenzt die Datierung auf die Zeit zwischen 395 und 399 ein; die Historia Augusta müsse noch vor dem Einfall des Radagaisus in Italien (405/6) abgefasst worden sein. 83 Die Viten von Philippus Arabs bis Valerian (von dessen Biographie nur der Schluss erhalten ist) fehlen, wobei es unklar ist, ob sie je geschrieben wurden. 84 Philipp erscheint jedoch in der Vita der Gordiane im Zusammenhang mit der Ermordung Gordians III. Auch für die Historia Augusta stellt sich die Quellenfrage. Dexipp wird für die Geschichte des 3. Jahrhunderts mehrmals namentlich genannt. Paschouds Untersuchung sämtlicher Dexippzitate in der Historia Augusta ergab jedoch, dass keineswegs alle auf eine Benutzung Dexipps zurückgehen: Vielmehr sollte der klangvolle Name des athenischen Historikers manchen Erfindungen des Verfassers der Historia Glaubwürdigkeit verleihen. 85 Dennoch hat der Verfasser der Kaiserbiographi-

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Dessau 1889, pp. 337-348; 361-374. Cf. ferner Barnes, 1978, pp. 14-16. Dessau, 1889, pp. 374-378. Cf. die detaillierten Untersuchungen bei Dessau, 1889, pp. 379-392, und 1892, pp. 590-604. Zur Frage der Anzahl der Verfasser cf. auch Straub, 1963, p. XIII, Anm. 3; Barnes, 1978, pp. 17f.; den Hengst, 1995, pp. 151-167. Zu Identifizierungsversuchen: Johne, 1998, col. 638. Barnes, 1978, pp. 17f.; 1995, p. 4, wo er sich gegen andere Datierungsversuche richtet, so Kolbs (Mitte 5. Jahrhundert) und Lippolds (der die Vita Maximini wieder in konstantinische Zeit datieren will). Zum terminus ante quem 525 n.Chr. cf. Johne, 1998, col. 638. Hanslik (1967a, col. 1192) datiert das Werk zwischen 405 und 525 n.Chr., wobei er sich für den terminus post quem wohl auf Straub (1963, pp. XVf.; 39) stützt: Dieser nimmt an, dass die in der Biographie Severus Alexanders erwähnte Ersetzung des Zinsverbots durch ein Zinsmaximum von 6 % (Alex. Sev. 26,3) auf eine Massnahme des Honorius und Arcadius anspiele. Sehr kritisch steht Cameron (1965, pp. 242-248) Straubs Interpretation des Zinsgesetzes gegenüber. Cf. Birley (1976, pp. 55f.; 1991, pp. 46f.), der die Möglichkeit erwägt, der Verfasser habe vermeiden wollen, über die Christenverfolgungen unter Decius und Valerian schreiben zu müssen; ihm folgt Loriot, 1990/98, p. 43, Anm. 1. Mattingly (cf. Birley, 1991, pp. 46f., Anm. 35) hatte 1946 angenommen, die Biographien seien zwar geschrieben, später aber aufgrund ihrer Christenfeindlichkeit unterdrückt worden. Paschoud, 1991, pp. 232f.; 268. Zu den Dexippstellen, cf. auch Barnes, 1978, pp. 61-64.

1.1. L i t e r a r i s c h e Q u e l l e n

17

en teilweise auch Dexipp direkt benutzt. 86 Zumal die Häufung der Datierungen mittels Konsulnangaben für die Schilderungen der Zeit zwischen 2 4 0 und 270 spricht dafür, dass hier Dexipp die Hauptquelle für den Scriptor war, während für die Ereignisse vor Gordian III. Dexipp zur Ergänzung Herodians herangezogen wurde. 87 Weitere Quellen für die Darstellung der Zeit von 238 bis 270 waren Aurelius Victor, die EKG, wahrscheinlich Eutrop. 88 Unklar ist, ob die Epitome de Caesaribus benutzt wurde. 89 Es stellt sich natürlich die Frage, warum ein Autor eine so umfangreiche Sammlung von Biographien fälschte und nicht unter eigenem Namen herausgab. In der Forschung lassen sich zwei Hypothesen hinsichtlich der Intention der Historia Augusta unterscheiden: Entweder handle es sich um eine politische Tendenzschrift (Seeck, Baynes) oder um ein belletristisches Werk, das durch die zahlreichen Erfindungen und Fälschungen den Lesern ein intellektuelles Vergnügen bereiten sollte (Syme). 9 0 Straub vermutet in der Schrift einerseits Unterhaltung und intellektuelles Spiel 91 , anderseits aber auch heidnisch-senatorische Reaktion 92 . Cameron dagegen warnte davor, aus vereinzelten Angaben Rückschlüsse auf die gesamte Historia Augusta zu ziehen, wie dies

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Paschoud, 1991, pp. 229; 267f. Barnes (1995, pp. 13f.) nimmt (Paschoud folgend) ebenfalls eine direkte Benutzung Dexipps durch den Verfasser der Historia an (gegen Potter und Schlumberger, die eine lateinische Zwischenquelle vermuten). Barnes, 1978, pp. 109-111; Paschoud, 1991, pp. 230; 266-268; Johne, 1998, col. 639. Barnes, 1995, pp. 12f. Straub (1963, p. XIV), Hanslik (1967a, col. 1192) und Barnes (1978, p. 125) nehmen ferner Ammian als weitere Quelle an, Barnes (1978, pp. 95f.; 125) zudem Festus. Barnes, 1995, pp. 13f.; 1978, p. 91. Schlumberger (1976, p. 218) meint, dass die zum Teil wörtlichen Übereinstimmungen (cf. Schlumberger, 1976, p. 202) zwischen der Epitome und der Historia Augusta auf gemeinsame Vorlagen wie Eutrop, Ammian und wohl Nicomachus Flavianus zurückzuführen seien. Brandt, 1994b, p. 53. (Zu Baynes, Hohl und Straub, cf. auch Hanslik, 1967a, col. 1161). Zu Dessaus Überlegungen, die in jüngerer Zeit keine Nachfolger gefunden haben, cf. Dessau, 1889, pp. 375; 392; ders., 1892, pp. 576f. Straub (im Vorwort zur deutschen Ausgabe der Historia Augusta 1976, pp. IX-XII) nimmt ein „literarisches Verstecken" für Intellektuelle als Zweck der Schrift an. Auch Kolb (1972, p. 162, Syme folgend) sieht die scherzhafte Irreführung als Absicht hinter den starken Umformungen und Fälschungen des anonymen Verfassers. Straub, 1963, pp. XVIII; XX-XXIV; 183-193; cf. auch Johne, 1998, col. 638 (prosenatorische, stadtrömische Tendenz). Straub spricht sogar von einer Historia adversus Christianos, einem Pamphlet gegen das Christentum (1963, pp. XXVI; 183; 188). Der Ruf nach Toleranz gegenüber den Heiden konnte nach Straub (1963, pp. 184; 187f.; 193) zu dieser Zeit nicht mehr offen formuliert werden; daher habe der Autor die Anonymität gewählt. Cameron (1965, pp. 241 f.) hingegen ist skeptisch, ob am A n f a n g des 5. Jahrhunderts in der Tat nur noch unter dem Deckmantel eines Pseudonyms Kritik am Christentum möglich gewesen wäre.

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1. Quellen

Straub mache. 93 Zurecht meint daher auch Brandt, dass die Intentionsfrage für jede Passage neu zu stellen, dass also nicht jede Aussage der Historia Augusta auf ein und dieselbe Grundabsicht zurückzuführen sei. 94 Wichtig ist in jedem Fall die Beobachtung, dass die Historia Augusta nicht in die historiographische Tradition gehört, sondern in die Nähe der Romane, Wundererzählungen und Heiligenviten; es handelt sich eben durchaus auch um ein Werk der Unterhaltungsliteratur. 95 Die Verwendung der Historia Augusta als historische Quelle ist also äusserst problematisch. Von den christlichen Autoren des 4. und beginnenden 5. Jahrhunderts ist vor allem Eusebios, Bischof von Caesarea, zu nennen (ca. 260/5-339/40 n.Chr.). 96 Hinweise zu Philipps Regierung finden sich in zweien seiner Werke: Die Χρονικοί κανόνες καί ε π ι τ ο μ ή π α ν τ ο δ α π ή ς ι σ τ ο ρ ί α ς Ε λ λ ή ν ω ν τ ε καί βαρβάρων, eine Chronik von Abraham bis 303 n.Chr., entstanden zunächst am Beginn des 4. Jahrhunderts und wurden später bis 325 n.Chr. fortgesetzt, entweder von einem Unbekannten oder von Eusebios selbst. 97 Vom griechischen Original sind nur Fragmente erhalten, die durch eine armenische Übersetzung und Hieronymus' Überarbeitung ergänzt werden. 98 Als Quellen benutzte Eusebios ältere Chroniken, für das 3. Jh.n.Chr. auch Porphyrios' Chronik vom Fall Trojas bis zu Claudius II. Gothicus." Das zweite für die Geschichte von Philipps Herrschaft wichtige Werk des Eusebios ist seine Kirchengeschichte, deren Endfassung um 325 n.Chr. anzusetzen ist. 100 Sie enthält wertvolle Hinweise zur Geschichte des 3. Jahrhunderts, da Eusebios sich zum Teil auf zeitgenössische Briefe stützt und diese zitiert. 93 94 95 96

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Cameron, 1965, p. 240; cf. ferner p. 248. Brandt, 1994b, p. 54. Straub, 1963, pp. XXVIII; 186; cf. Bleckmann, 1992, p. 3; Johne, 1998, col. 639. Schwartz, 1907, col. 1370; 1434; Hiltbrunner, 1967a, col. 459; J. Rist, Art. Eusebios Nr. 7, DNP 4, 1998, col. 309; Curti, 1992, p. 299. Zur Datierung: Schwartz, 1907, col. 1376; Hiltbrunner, 1967a, col. 459f.; Barnes, 1980, pp. 192f.; Curti, 1992, p. 299: Erstfassung vor 303 n.Chr.; Mosshammer, 1979, p. 75; R. Drews, Rez. Mosshammer 1979, CPh 77, 1982, p. 178: Erstfassung vor 310/11 n.Chr.; Burgess, 1999, p. 21: Erstfassung um 308-311 n.Chr. Nach Mosshammer (1979, p. 75) und Barnes (1980, p. 192) setzte Eusebios selbst seine Chronik bis zu den Vicennalien Constantins (325/326) fort. Zu Titel und Charakter des Werks: Mosshammer, 1979, pp. 32-37. Zur Wiederherstellung des Textes cf. Mosshammer, 1979, pp. 65-83. Nach Mosshammer (1979, pp. 67f.) ist bei Hieronymus die originale Fassung Eusebios' relativ gut erhalten. Die armenische Übersetzung dagegen entstand 1000 Jahre nach Eusebios aus einer früheren armenischen Übersetzung und einer syrischen Version. Zur Text- und Forschungsgeschichte cf. Mosshammer, 1979, pp. 37-65. Mosshammer, 1979, pp. 140; 145f.; 166-168. Barnes (1980, pp. 200f.) und Curti (1992, p. 299) rekonstruieren vier Fassungen, die sie allerdings nicht genau gleich datieren.

1.1. L i t e r a r i s c h e Q u e l l e n

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Hieronymus (ca. 345 bis 419/420) überarbeitete die Chronik des Eusebios in den Jahren 380/81 n.Chr. und setzte sie bis ins Jahr 378 fort. 101 Er zog für die Umarbeitung und Erweiterung unter anderen Sueton und Eutrop als Quellen hinzu 102 , ferner auch die Enmannsche Kaisergeschichte. 103 Ein weiterer christlicher Autor, dessen Werk Nachrichten über Philipp enthält, ist Paulus Orosius. 1 0 4 Sein Hauptwerk ist die im Jahr 417 vollendete Historia adversus paganos in sieben Büchern, eine Universalgeschichte von der Schöpfung bis ins Jahr 417. 105 Wahrscheinlich diente die Chronik des Eusebios / Hieronymus als Gerüst für Orosius' Werk; als weitere Quellen verwendete er fürs 3. Jahrhundert Eutrop und die Kirchengeschichte des Eusebios in Rufinus' Übersetzung. 106 Orosius ist weniger Geschichtsschreiber als christlicher Apologet. 107 Schliesslich ist noch eine kleinere Quelle zu nennen: der Chronograph des Jahres 354 n.Chr. 108 Dabei handelt es sich um einen Kalender, verfasst für den Christen Valentinus. In diesem Almanach ist eine Chronik der Stadt Rom enthalten, die wohl bereits in den dreissiger Jahren des 4. Jahrhunderts entstand und die Stadtgeschichte von mythi-

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Zum Werk: Schanz, 1914, pp. 444f.; Gribomont, 1992, p. 431. Mosshammer (1979, pp. 29; 67) meint, dass Hieronymus seine Version möglicherweise f ü r die römische Synode von 382 n.Chr. verfasste. Nach Eigler (1998b, col. 550) entstand sie kurz nach 378 n.Chr. Schanz, 1914, p. 445; Schwartz, 1907, col. 1379f.; Mommsen, 1850b, pp. 672-680 bzw. 609-617; Ratti, 1999, pp. 861-871. Nach Lietzmann (1913, col. 1574) und Bird (Textausgabe Aurelius Victor, 1994, p. XIV) verwendete er auch Aurelius Victor. Burgess (1995a, pp. 354; 369) hingegen sieht die Ursache f ü r die Parallelen der Chronik des Hieronymus zu anderen Texten des 4. Jahrhunderts (Aurelius Victor, Historia Augusta, Epitome de Caesaribus, Ammian, Festus) in der Verwendung der EKG durch Hieronymus (cf. auch die folgende Anm.); die Benutzung nur einer Quelle sei aufgrund der raschen Niederschrift der Chronik wahrscheinlicher (Burgess, 1995a, p. 354). (Auch Bird [1984, p. 22] betont die oberflächliche Arbeitsweise des Hieronymus.) Dagegen Ratti, 1999, pp. 861-871, der zeigt, dass Hieronymus die EKG und Eutrop beide als Vorlagen verwendete. Burgess, 1995a, pp. 352; 354f.; 369, gefolgt von Ratti, 1999, pp. 864 und 871; ebenso bereits Barnes, 1970, p. 21; 1978, p. 94 mit Anm. 25; 1991, p. 20; Bird, 1973, p. 377. Zur Forschungsdiskussion: Burgess, 1995a, pp. 351, Anm. 14. Zum Leben des Orosius und seinen Kontakten mit Hieronymus und Augustinus cf. Schanz/Hosius/Krüger, 1920, pp. 483f.; Wotke, 1939, col. 1186f.; Paschoud, 1992, p. 624; Hunt, Orosius 3 1996, p. 1078; Voss, 1972, col. 350. Wotke, 1939, col. 1189; cf. Hunt, Orosius 3 1996, p. 1078. Zur Datierung cf. Schanz/Hosius/Krüger, 1920, p. 488; Wotke, 1939, col. 1193; Paschoud, 1992, p. 624. Wotke, 1939, col. 1191; McDonald, Orosius 2 1970, p. 758; Paschoud, 1992, p. 624. Schanz/Hosius/Krüger, 1920, p. 488; cf. auch Paschoud, 1992, p. 625. Zu Nachleben und Überlieferung cf. ebd., pp. 490f.; Wotke, 1939, col. 1195. Mommsen, Chron. min., Bd. 1, pp. 13-196.

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sehen Zeiten bis zum Tode des Licinius 324 n.Chr. umfasst. 109 Diese Chronica Urbis Romae gehört zum zuverlässigsten, was an Quellen aus dem 4. Jahrhundert erhalten ist, da sie relativ nüchtern und präzise berichtet und weniger Irrtümer zur Geschichte des 3. Jahrhunderts enthält als die übrige historiographische Literatur. 110 Zudem ist die Chronik zeitlich näher an den Ereignissen und steht ausserhalb der EKGTradition. An Quellen verwendete ihr Verfasser andere Chroniken, Kaiserbiographien und -listen. 111 Das Werk wurde später häufig benutzt, so zum Beispiel von Eutrop, Hieronymus und Polemius Silvius." 2

1.1.3. Lateinische Quellen des 5. und 6. Jh.n.Chr. Polemius Silvius verfasste einen laterculus im Jahr 448/449 n.Chr. 113 Diesem Kalender fügte er eine Liste der römischen Kaiser von Caesar bis Theodosius II. und Valentinian III. bei, die insofern bedeutend ist, als sie aus verlorenen Quellen schöpft und einige Usurpatoren nennt, die sonst nicht bekannt sind. 114 An bekannten Quellen verwendete Polemius mit Sicherheit Hieronymus (den er zum Teil wörtlich abschrieb), vielleicht auch Eutrop und die EKG. 115 Flavius Magnus Aurelius Cassiodorus Senator (ca. 485-580) aus dem senatorischen Hochadel machte erfolgreich Karriere unter dem Ostgotenkönig Theoderich. 116 Unter anderem verfasste er eine Chronik von Adam bis ins Jahr 519 n.Chr. 117 Als Quellen verwendete Cassiodor andere Chroniken, unter anderem die des Hieronymus, ferner Konsulli-

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Mommsen, 1850a, pp. 599; 609 (= 1909, pp. 558; 563f.); ders., Chron. min., Bd. 1, pp. 37; 141; Seeck, 1899, col. 2480; Siniscalco, 1992, p. 166. Mommsen, Chron. min., Bd. 1, p. 141. Der Verfasser durfte Christ gewesen sein: ders., 1850a, p. 599 (= 1909, p. 558). Mommsen, 1850a, pp. 599f. (= 1909, pp. 558f.); ders., Chron. min., Bd. 1, pp. 141 f. Cf. ders., 1850a, p. 599 (= 1909, p. 558). Mommsen, Chron. min., Bd. 1, p. 142; Seeck, 1899, col. 2480; Sontheimer, 1964, col. 1165, M. R. Salzman, Art. Chronograph von 354, übers, von M. Mohr, DNP 2, 1997, col. 1173; dort auch zum Nachleben. Zur Person: Mommsen, 1857, pp. 234f. (= 1909, pp. 634f.); Ziegler, 1951, col. 1261 f.; Loi, 1992, p. 700; zur Datierung und Überlieferung: Ziegler, 1951, col. 1260f.; Loi, 1992, p. 700. Text: Mommsen, Chron. min., Bd. 1, pp. 511-551. Mommsen, 1857, p. 239 (= 1909, p. 639); Ziegler, 1951, col. 1262; ders., Art. Polemius Silvius, KIP 4, 1972, col. 969. Benutzung von Hieronymus und eventuell Eutrop: Mommsen, 1857, pp. 238f. (= 1909, p. 639). Direkte Benutzung der EKG: Burgess, 1993, pp. 492-494. Zum Leben, zur Familie und zur Herkunft: Mommsen, 1861, pp. 549f. (= 1909, pp. 668f.); Hartmann, 1899, col. 1671f.; Hiltbrunner, 1964, col. 1067f.; Callies, 1981, pp. 347f.; Angrisani Sanfilippo, 1992a, pp. 149f.; Eder, 1997, col. 1004f. Mommsen, Chron. min., Bd. 2, pp. 109-161.

1.1. L i t e r a r i s c h e Q u e l l e n

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sten, daneben vielleicht auch Eutrop. 118 Vor allem die historischen Angaben werden zum Teil wörtlich aus Hieronymus übernommen. Cassiodors zweites wichtiges Werk, die Historia Gothorum, ist lediglich in einer Zusammenfassung des Iordanes erhalten. Cassiodors Hauptquelle war Ablabius' Gotengeschichte. 119 Iordanes lebte ebenfalls im 6. Jahrhundert und verfasste in der Regierungszeit Iustinians zwei Werke, die für eine Untersuchung von Philipps Herrschaft von unterschiedlichem Nutzen sind. 120 In den Romana (De summa temporum vel origine actibusque gentis Romanorum), einer Geschichte von Adam bis zu Iustinian I., schreibt Iordanes in erster Linie die Chronik des Hieronymus ab und bietet für das 3. Jahrhundert kaum neue Informationen. Als weitere Quellen sind Cassiodor, Festus, Eutrop, Orosius und andere eingeflossen. 121 Noch während der Arbeit an den Romana verfasste Iordanes die Getica (De origine actibusque Getarum) auf der Basis des heute verlorenen Werkes des Cassiodor über die Goten. Manche zusätzliche Information nahm Iordanes dabei auch aus Orosius' Geschichtswerk. 122

1.1.4. Byzantinische Quellen vom 6. bis 13. Jh.n.Chr. Zosimos stammte wohl aus dem syrisch-palästinischen Raum und schrieb um die Wende des 5. zum 6. Jahrhundert. 123 Er war comes und Advokat des ßscus.m Aus seinem Werk lässt sich erschliessen, dass er

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Mommsen, 1861, pp. 559; 568 (= 1909, pp. 679; 688); Mommsen, Chron. min., Bd. 2, pp. I l l ; 113; Hartmann, 1899, col. 1672f.; Hiltbrunner, 1964, col. 1068; Angrisani Sanfilippo, 1992a, p. 150; Eder, 1997, col. 1005. Angrisani Sanfilippo, 1992a, p. 150. Zum Namen: Kappelmacher, 1916, col. 1908. Zur Frage der Herkunft: ebd., col. 1908f.; Fuhrmann, 1967b, col. 1439; Eder, 1998, col. 1085. Zur Datierung und Karriere: Kappelmacher, 1916, col. 1909-1912; Angrisani Sanfilippo, 1992b, p. 451; Eder, 1998, col. 1085. Kappelmacher, 1916, col. 1914f.; Fuhrmann, 1967b, col. 1439. Zu den Quellen: Kappelmacher, 1916, col. 1917; Angrisani Sanfilippo, 1992b, p. 451; Eder, 1998, col. 1085f. Kappelmacher, 1916, col. 1915; 1919; Fuhrmann, 1967b, col. 1439; Callies, 1981, pp. 348f.; Eder, 1998, col. 1086; cf. auch Pohl, 1998, p. 427. Zur Abfassungszeit: Kappelmacher, 1916, col. 1915; Fuhrmann, 1967b, col. 1439. Zu den Quellen: Kappelmacher, 1916, col. 1919-1920. Zu Cassiodors Schrift und ihrer Bedeutung: Callies, 1981, pp. 348f. Veh, Textausgabe Zosimos, 1990, p. 1; Paschoud, 1972, col. 795-798; Stiernon, 1992b, p. 885; Matthews, OCD 3 1996, p. 1640: Abfassung des Werks zwischen 498 und 518; Hunger, 1978, p. 286: Anfang 6. Jahrhundert. Zur Herkunft: Veh, a.a.O. p. 1; Paschoud, 1972, col. 799f. mit Forschungsdiskussion. Photios, Bibl. Cod. 98; cf. Paschoud, 1972, col. 795, und Hunger, 1978, p. 285.

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1. Q u e l l e n

Heide gewesen sein muss. 125 Seine 'Ιστορία νέα 126 sollte den Niedergang der römischen Macht beschreiben und damit ein Gegenstück zu Polybios' Werk darstellen, das den Aufstieg Roms behandelt hatte.127 Das Werk beginnt mit Augustus und bricht kurz vor der Eroberung Roms durch Alarich (410 n.Chr.) im fünften Buch ab. Wahrscheinlich wurde die 'Ιστορία νέα nie vollendet. 128 Massgeblich für uns ist das erste Buch, das die Zeit von Augustus bis Diocletian zum Thema hat. Problematisch ist die Frage nach den Vorlagen für dieses Buch, vor allem für die ersten Kapitel. 129 Zum Teil wird angenommen, dass Dexipps Χρονικά indirekt in Zosimos eingeflossen seien. 130 Zosimos' Geschichte ist als Quelle für die von ihm dargestellten Ereignisse problematisch, da er oft ungenau ist, die grossen Zusammenhänge in seiner Darstellung fehlen, seine Sachkenntnisse in Chronologie, Topographie, Verwaltung und Militärwesen gering sind, und er sich häufig unpräzis ausdrückt.131 Dazu kommt, dass das Werk eine propagandistische Zielsetzung verfolgt 132 : Als Gegenstück zu Augustins Civitas Dei und Orosius' Historia adversus paganos sollte es der heidnischen Geschichtsapologie dienen. 133 Dennoch stellt Zosimos' Werk eine wichtige Quelle dar, da es die längste erhaltene Darstellung der Regierungszeit Philipps beinhaltet. Trotz seines heidnischen Standpunktes

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So bereits Photios, Bibl. Cod. 98; ef. Pasehoud, 1972, col. 795; Hunger, 1978, pp. 288f.; cf. Veh, Textausgabe Zosimos, 1990, p. 5. Pasehoud, 1972, col. 800f.; zur Frage, ob, wie Photios (Bibl. Cod. 98) berichtet, uns die Zweitfassung, die den Titel Ν έ α εκδοσις trug, überliefert ist, cf. Pasehoud, ebd.; Stiernon (1992b, p. 885) deutet den Titel „meaning not a modern history, but an unusual historical approach". Zos. 1,1,1; 1,57,1; cf. dazu Pasehoud, 1972, col. 801; Veh, Textausgabe Zosimos, 1990, p. 6; Leven, 1988, p. 177. Pasehoud, 1972, col. 802; cf. auch Stiernon, 1992b, p. 885. Allgemein wird von einem Quellenwechsel nach 1,46 ausgegangen: Ab 1,47 hätte Eunapios von Sardes (ca. 345-420 n.Chr.) Dexipp als Quelle abgelöst (so zum Beispiel Hunger, 1978, pp. 287f.). Ein solch klarer Wechsel ist jedoch, wie neuere Untersuchungen ergeben haben, nicht feststellbar: cf. die Forschungsdiskussion in Pasehoud, 1985, pp. 251-253. Pasehoud, 1972, col. 811-813, mit Forschungsdiskussion; ders., 1991, p. 218; 229; 267; 269; ebenso bereits Schlumberger, 1976, p. 217, und Blockley, 1980, pp. 393; 40If. Zur Problematik der Quellenlage auch Veh, Textausgabe Zosimos, 1990, p. 12. Zu weiteren Quellen, die Zosimos benutzt haben muss: Pasehoud, 1970, col. 811-813; Lippold, 1975, col. 1563; Leven, 1988, p. 177; Veh, a.a.O., p. 10; Blockley, 1980, pp. 399f. Pasehoud, 1972, col. 833f.; Lippold, 1975, col. 1563; Hunger, 1978, p. 290; Veh, Textausgabe Zosimos, 1990, pp. 8 und 20. Veh (Textausgabe Zosimos, 1990, pp. 6; 8; 22) spricht gar von einem „eschatologischen" Werk. Pasehoud, 1972, col. 825; Lippold, 1975, col. 1563; Leven, 1988, p. 185.

1.1. L i t e r a r i s c h e Q u e l l e n

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wurde Zosimos im übrigen von zahlreichen byzantinischen Chronisten verwendet, so zum Beispiel von Johannes von Antiochia und vom Verfasser der sog. „Synopsisquelle" (cf. unten). 134 Johannes Malalas aus Antiochia (ca. 490-578) lebte unter den Kaisern Anastasios I. bis Iustinus II. und war Verfasser einer Weltchronik bis zum Tode Iustinians, eventuell sogar bis ins Jahr 574. 135 Ihre Entstehungszeit wird ins zweite und dritte Viertel des 6. Jahrhunderts datiert. 136 Über Malalas selbst ist nichts bekannt; vielleicht lebte er in Antiochia, wie die Chronik nahelegt, die zahlreiche Nachrichten zu dieser Stadt enthält. Der Beiname Malalas kommt aus dem Syrischen malal (=Rhetor). 137 Als historische Quelle ist die Chronik äusserst problematisch, da sie viele Irrtümer enthält. Es handelt sich um ein Werk der Trivialliteratur, das in erster Linie unterhalten will und ein buntes Potpourri der unterschiedlichsten Informationen darstellt. 138 Das Werk erfreute sich ausgesprochener Beliebtheit und diente vielen späteren byzantinischen Chroniken als Vorlage, so vor allem dem Chronicon Paschale („Osterchronik"), die zum Teil wörtliche Übereinstimmungen mit Malalas' Werk aufweist, ferner auch dem Johannes von Antiochia, Georgios Monachos, Zonaras und der Synopsis Sathas,139 Die Frage nach Malalas' Quellen lässt sich nur schwer beantworten. Mit Sicherheit benutzte er ältere Chroniken, die zum Teil auch zitiert werden, heute jedoch nicht mehr fassbar sind. 140 Die Schilderung der Kaiser von Macrinus bis Aemilian (217 bis 252 n.Chr.) ist im zwölften Buch des Malalas ausgefallen. Ergänzungen des Inhalts sind aber anhand verschiedener späterer Quellen, die auf Malalas zurückgehen, möglich, so vor allem der Excerpta Constantini, des Laterculus imperatorum Malalianus und der Synopsis Sathas, zum Teil auch des Chronicon Ρ aschale.141

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Zur starken N a c h w i r k u n g des Z o s i m o s cf. B l e c k m a n n , 1992, pp. 3 7 f . Zur Überlief e r u n g s g e s c h i c h t e cf. Paschoud, 1972, col. 8 3 5 - 8 3 7 ; 8 4 0 . W o l f , 1 9 1 6 , col. 1795; Gärtner, 1969, col. 925; Sauget, 1992, p. 4 4 3 ; Berger, 1998b, col. 1063. Hunger, 1978, p. 3 2 0 ; Sauget, 1992, p. 4 4 3 . Hunger, 1 9 7 8 , p. 3 2 0 ; Berger, 1998b, col. 1 0 6 3 f . Gärtner, 1969, col. 9 2 5 ; Bleckmann, 1 9 9 2 , p. 3. Zum Charakter des Werkes, cf. Wolf, 1916, col. 1795; Hunger, 1978, pp. 3 2 1 - 3 2 4 ; Berger, 1 9 9 8 b , col. 1064. W o l f , 1916, col. 1 7 9 8 f . ; Schenk, Textausgabe Malalas, 1931, pp. XI-XIII; Gärtner, 1969, col. 9 2 5 ; Hunger, 1978, pp. 3 2 4 f . Das Werk wurde im übrigen auch ins Slav i s c h e und Georgische übersetzt: Berger, 1998b, col. 1064. Wolf, 1916, col. 1 7 9 5 f . ; Gärtner, 1969, col. 9 2 5 f . ; Hunger, 1978, pp. 3 2 2 f . Zur Textüberlieferung: S c h e n k , Textausgabe Malalas, 1931, pp. IXf. S c h e n k s Versuch, die Quellen für die Bücher 9 bis 12 f e s t z u m a c h e n , blieb umstritten: cf. Hunger, 1978, p. 3 2 3 . Cf. S c h e n k , Textausgabe Malalas, 1931, pp. X; 3 5 4 f .

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1. Quellen

Unter dem Namen des Johannes von Antiochia sind eine Reihe von Fragmenten überliefert, die von zumindest zwei Chronisten verfasst wurden, einem „echten" Johannes und einem Pseudo-Johannes, der im 9./10. Jahrhundert schrieb. 142 Der „echte" Johannes ist nach Bleckmann der „konstantinische" Johannes, dessen Fragmente in den konstantinischen Exzerpten und in der Suda erhalten sind. Die Fragmente, die Philipps Regierung betreffen, sind in den Excerpta Constantini überliefert und stammen somit vom „konstantinischen" Johannes. 143 Die Datierung dieses Johannes ist umstritten. Nach verbreiteter Auffassung lebte er in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts und verfasste eine Weltchronik von Adam bis 610 n.Chr. 144 An Quellen verwendete Johannes Eutrop (in der griechischen Übersetzung), daneben fanden Cassius Dio, Herodian, Eunapios und Zosimos Eingang in die Chronik. 145 Seinerseits wurde er unter anderem von Monachos, Kedrenos und Zonaras benutzt. 146 Das Chronicott Paschale, die Osterchronik, entstand in den dreissiger Jahren des 7. Jahrhunderts und umfasste die Zeit von Adam bis 628 n.Chr. 147 Dem Chronicon Paschale sind zahlreiche Exzerpte aus Malalas und eine Epitome der überarbeiteten Chronik des Eusebios eingefügt. 148 Insofern ist das Werk von Bedeutung für die Erschliessung der verlorenen Passagen bei Malalas. Der historische Wert der meisten Angaben ist allerdings äusserst beschränkt; die Kaiserabfolge des 3. Jahrhunderts ist (wie in zahlreichen byzantinischen Chroniken) verwirrt. 149 Auch die Konsulnliste ist äusserst fehlerhaft. 150 Georgios Synkellos war ein Mönch und bekleidete die kirchliche Würde eines σ ύ γ κ ε λ λ ο ς des Patriarchen Tarasius von Konstantinopel (784-806). 151 Seine Chronik ( ε κ λ ο γ ή χρονογραφίας) sollte die Ereig-

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Cf. vor allem B l e c k m a n n , 1992, pp. 4 5 - 5 0 ; ferner Hunger, 1978, p. 3 2 7 ; Berg e r , 1 9 9 8 b , col. 1065. Cf. B l e c k m a n n , 1992, pp. 4 8 f . Hunger, 1978, pp. 3 2 6 - 3 2 8 ; Bleckmann, 1992, p. 39. Daneben gibt es auch die A u f f a s s u n g , sein Werk sei bereits um 5 2 0 / 5 3 0 n.Chr. entstanden (Berger, 1 9 9 8 c , col. 1 0 6 5 ) . Cf. B l e c k m a n n , 1992, pp. 11; 2 4 ; 38. Hunger, 1978, pp. 3 2 7 f . ; Berger, 1 9 9 8 c , col. 1065. Datierung: Hunger, 1978, p. 3 2 8 ; S a v v i d i s , 1997, col. 1168. Schwartz, 1899, col. 2 4 7 4 f . bzw. col. 2 4 7 5 - 2 4 7 7 ; Hunger, 1978, p. 3 2 9 . Die Osterchronik ( 2 6 8 - 2 7 1 , PG 9 2 , col. 6 5 9 - 6 6 6 ) liefert f o l g e n d e K a i s e r a b f o l g e für die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts: Alexander - M a x i m i n u s - Balbinus mit Gordianus - Publius - Gordianus Senior - Philippus Iunior mit s e i n e m Sohn - D e c i u s . Schwartz, 1899, col. 2 4 6 4 f . Zum Amt cf. Laqueur, 1932, col. 1388f. Z e u g n i s s e zum Leben z u s a m m e n g e s t e l l t bei M o s s h a m m e r , Textausgabe Synkellos, 1984, pp. X X X I f .

1.1. L i t e r a r i s c h e Q u e l l e n

25

nisse bis ins Jahr 808 n.Chr. umfassen. 152 Georgios starb jedoch vorher, so dass er selbst nur die Zeit bis Diocletian behandeln konnte. Sein Freund Theophanes ergänzte das Fehlende. 153 Als Quelle verwendete Synkellos unter anderen Eusebios' Chronik und Kirchengeschichte und wohl Dexipp. 154 Die Bedeutung des Synkellos liegt nicht zuletzt darin, dass er seine Vorlagen sehr gründlich studierte und sie nicht einfach abschrieb, sondern selbständig verarbeitete. 155 Das Werk genoss grosse Popularität. 156 Er wurde unter anderem von Zonaras benutzt. Georgios Monachos verfasste im 9. Jahrhundert eine Chronik, die die Zeit bis 842 n.Chr. behandelt. 157 Für die Geschichte des 3. Jahrhunderts ist die Chronik allerdings eine nur bedingt brauchbare Quelle, da die Ereignisse stark verzerrt werden. 158 Im Gegensatz zu Zosimos und Zonaras konnte der Chronist nicht auf zuverlässige Quellen zurückgreifen, sondern steht in der Malalas-Tradition. Zusätzlich verwendete er die mittelbyzantinische Epitome (cf. dazu unten). Georgios Kedrenos verfasste im 11. Jahrhundert eine Chronik bis 1057 n.Chr. Dabei kompilierte er unter anderem das Chronicon paschale, Synkellos, Monachos, die mittelbyzantinische Epitome und Theophanes. 159 Die Chronik ist für das 3. Jahrhundert noch um einiges unzuverlässiger als der Text des Monachos. 160 Die neben Zosimos wichtigste byzantinische Quelle ist die 'Επιτομή Ιστοριών des Johannes Zonaras, eine Weltchronik von der Schöpfung bis zum Tod des byzantinischen Kaisers Alexios I. Komnenos (1118 n.Chr.). 161 Zonaras war wie Zosimos zunächst im Staatsdienst tätig ge-

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Zum Titel cf. Laqueur, 1932, col. 1391. Zur Textüberlieferung und zu den Ausgaben cf. Mosshammer, Textausgabe Synkellos, 1984, pp. V-XXX; Laqueur, 1932, col. 1390f. Laqueur, 1932, col. 1389f.; Gärtner, 1975, col. 456. Laqueur, 1932, col. 1390; 1409; cf. ferner col. 1402-1405. Laqueur, 1932, col. 1407; 1409f.; 1390; Gärtner, 1975, col. 456; Hunger, 1978, p. 332. Zum Aufbau des Werkes cf. Laqueur, 1932, col. 1407-1409. Laqueur, 1932, col. 1390. PG 110; Hunger, 1978, pp. 347f.: verfasst 866/67 n.Chr.; Berger, 1998a, col. 943: später verfasst, aber noch im 9. Jahrhundert. Cf. zum Beispiel die Kaiserabfolge bei Monachos (353-358, PG 110, col. 543-550): Alexander - Maximinus - Pupienus Publianus und Gordianus - Balbinus Iunior Gordianus - Iunior - lustillianus - Philippus mit seinem Sohn - Gallus und Volusian - Valerianus und Gallianus (sie). PG 121; Hunger, 1978, p. 393. Berger, 1999, col. 374. Cf. auch hier die Kaiserabfolge (Kedrenos, 450-452, PG 121, col. 491-494): Alexander - Maximinus - Maximus Balbinus und Gordianus - Pupienus - Iunior - Gordianus - Unior - Marcus - Hostiiianus - Philippus - Valerianus - Gallus und Volusianus. PG 134; Ziegler, 1972, col. 718. Den hohen Wert und die herausragende Stellung unter den byzantinischen Weltchroniken betonen Ziegler (1972, col. 729) und

26

1. Q u e l l e n

wesen, hatte sich dann aber als Mönch auf eine Insel zurückgezogen und seine Chronik verfasst. 162 Sein Werk sollte eine knappe Zusammenfassung und übersichtliche Darstellung der wichtigsten Ereignisse bieten. 163 Auf Abweichungen in der Überlieferung will Zonaras bewusst nicht eingehen, da deren Diskussion zu weit führen würde. 164 Dennoch ist das Werk für den Historiker äusserst wertvoll, zum einen aufgrund der Ausgewogenheit der Darstellung 165 , zum andern, weil es zahlreiche Exzerpte aus den verlorenen Büchern Cassius Dios enthält und auch andere verlorene Quellen verwendet. 166 Das zwölfte Buch behandelt die Zeit von Hadrians Tod bis zu Constantins Regierungsantritt. 167 Quellen für dieses Buch sind neben Cassius Dio Petros Patrikios (cf. unten) für die politische, Eusebios für die Kirchengeschichte. 168 Cassius Dios Werk endet in der Schilderung der Regierung Severus Alexanders. Als Quelle des Zonaras für die Darstellung der Ereignisse von 229 bis zur Alleinherrschaft Constantins wird daher ein anonymer Autor angenommen, von dessen Werk in der konstantinischen Exzerptensammlung Π ε ρ ί γνωμών mehrere Fragmente erhalten sind, die sich auch bei Zonaras finden: der sogenannte Continuator Dionis oder besser (da sich aus den Fragmenten nicht erschliessen lässt, ob der Anonymus die Absicht hatte, Cassius Dios Werk fortzusetzen) Anonymus post Dionem.m Bleckmann erschliesst als weitere Vorlagen für die Darstellung der nachseverischen Zeit die Chronik des Georgios Synkellos 170 , die Quelle der Synopsis Sathasm und die sogenannte „Leoquelle". Diese liegt auch der Chronik

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Bleckmann (1992, pp. 35f.)· Zur starken Rezeption der Chronik cf. Ziegler, 1972, col. 730. Zur Karriere: Ziegler, 1972, col. 718-721; Hunger, 1978, p. 416; Bleckmann, 1992, pp. 8f. Zonaras war Kommandeur der Leibwache und Vorsteher der kaiserlichen Kanzlei gewesen. Möglicherweise fiel er bei Ioannes II. Komnenos in Ungnade und schied aus diesem Grund aus dem Staatsdienst aus (Ziegler, a.a.O.). Zon., praef. 1,4 (PG 134, col. 41-44); cf. Bleckmann, 1992, pp. 9f. Zon., praef. 2,5f. (PG 134, col. 43f.); Ziegler, 1972, col. 723; Hunger, 1978, pp. 416f. ; Bleckmann, 1992, p. 12. Zudem standen Zonaras auf der Insel, auf der er als Mönch seine Chronik schrieb, nicht allzu viele Bücher zur Verfügung: Zon., a.a.O.; 9,31,471 (PG 134, col. 801f.); cf. Bleckmann, 1992, p. 12. Hunger, 1978, p. 417. Ziegler, 1972, col. 728f.; Hunger, 1978, p. 418. Die Bucheinteilung wurde erst von DuCange vorgenommen: cf. Hunger, 1978, p. 416. Ziegler, 1972, col. 729; Momigliano, Zonaras 3 1996, p. 1639; Bleckmann, 1991, p. 345 (für Eusebios); 1992, pp. 34f. Cf. Bleckmann, 1992, pp. 32f. Bleckmann, 1992, pp. 41-43. Bleckmann, 1992, pp. 35f. Die Quelle der Synopsis enthielt auch Teile aus Malalas und Zosimos; so erklären sich die Übereinstimmungen zwischen Zonaras und Zosimos (Bleckmann, 1991, pp. 343f.; 1992, pp. 35-37). Zur Synopsis Sathas cf. unten.

1.1. Literarische Q u e l l e n

27

des Leon Grammatikos zugrunde: Es handelt sich bei dieser Chronik um eine von mehreren Redaktionen einer anonymen Weltchronik aus mittelbyzantinischer Zeit, der sogenannten Epitome (nicht zu verwechseln mit der oben besprochenen Epitome de Caesaribus). Leons Redaktion wurde 1013 n.Chr. abgeschlossen. 172 Zonaras verwendete zum Teil die Epitome direkt, zum Teil die ausführlichere „Leoquelle". 173 Die „Leoquelle" identifiziert Bleckmann mit dem Anonymus post Dionem und setzt sie mit den Ί σ τ ο ρ ί α ι des Petros Patrikios gleich, der unter Iustinian lebte. 174 Petros wiederum dürfte als Quellen Cassius Dio, Herodian, Dexipp und Eunap verwendet haben. 175 Zonaras' Quellen für die Zeit nach 235 n.Chr. waren also: Eusebios, Petros Patrikios = Anonymus post Dionem = „Leoquelle", Epitome, Georgios Synkellos, „Synopsis-Quelle". Eine interessante Quelle bildet auch die Synopsis Sathas (so benannt nach ihrem Herausgeber Konstantin Sathas) von Theodoros von Skutari aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, die weitgehende Parallelen mit Zonaras aufweist, da sie auf dieselbe Quelle zurückgeht, die sogenannte „Synopsisquelle". 176 Die Synopsis Sathas besteht aus zwei Teilen, von denen nur der zweite, der die Jahre 1081 bis 1261 umfasst, von Theodoros selbst verfasst wurde; der erste dagegen (Adam bis 1081) wurde „en bloc" aus einem früheren, anonymen Werk übernommen. 177

1.1.5. Fazit zu den literarischen Quellen An zeitgenössischen literarischen Quellen sind lediglich die Oracula Sibyllina erhalten. Es handelt sich um die Sichtweise eines oder mehrerer östlicher Provinzialer. Die nächsten Nachrichten zu Philipp stammen erst aus dem 4. Jahrhundert, zeitlich am nächsten in der Kirchengeschichte und der Chronik des Eusebios. Nach der Mitte des Jahrhunderts 172

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Cf. Hunger, 1978, pp. 3 5 4 - 3 5 7 ; B l e c k m a n n , 1992, p. 4 4 , Anm. 176. Andere Redaktionen der Epitome wurden unter den N a m e n S y m e o n Logothetes, T h e o d o s i o s M e l i t e n o s , Iulios P o l y d e u k e s und anonym Uberliefert. D i e Epitome hat im übrigen auch auf Georgios M o n a c h o s und Kedrenos (cf. oben) gewirkt: cf. Hunger, 1978, pp. 3 5 6 f . ; B l e c k m a n n , 1992, p. 45. B l e c k m a n n , 1992, pp. 4 3 - 5 3 , vor allem pp. 51 f. ( B l e c k m a n n richtet s i c h damit gegen Patzigs Identifizierung der „Leoquelle" mit Johannes Antiochenus: cf. 1992, pp. 4 5 - 5 0 , vor allem p. 50. Bereits Niebuhr hatte den Anonymus post Dionem mit Petros Patrikios identifiziert: cf. B l e c k m a n n , 1992, p. 52). Ebenso N a g l , 1938, col. 1302; Hunger, 1978, p. 3 0 1 . Zur bemerkenswerten Karriere des Petros Patrikios cf. N a g l , 1938, col. 1 2 9 7 - 1 3 0 1 , und Hunger, 1978, p. 3 0 0 . Zu den Ί σ τ ο ρ ί α ι , von denen Fragmente und A u s z ü g e erhalten sind, cf. N a g l , 1938, col. 1 3 0 I f . , und Hunger, 1978, pp. 3 0 0 - 3 0 3 . Zu den Quellen: Hunger, 1978, p. 3 0 1 . B l e c k m a n n , 1992, pp. 3 5 - 3 7 ; Hunger, 1978, p. 4 7 7 . Cf. B l e c k m a n n , 1992, pp. 3 5 - 3 7 .

1. Quellen

28

wurden die Werke Victors, Eutrops und des Festus verfasst, die alle auf die verlorene Enmannsche Kaisergeschichte zurückgehen, welche ihrerseits frühestens nach Constantins Tod entstanden ist. Da die drei Autoren unterschiedliche Schwerpunkte setzen (Victor: stadtrömische Ereignisse; Eutrop: Aussenpolitik; Festus: Geschehnisse im Osten), ergänzen sie sich gegenseitig. Hieronymus verwendete bei seiner Überarbeitung von Eusebios' Chronik ebenfalls die Tradition der EKG. Ausserhalb der EKG-Tradition steht der Chronograph von 354, der wichtige Einzelheiten zu Philipps Regierung enthält. Die Epitome de Caesaribus und die Historia Augusta schöpfen zum Teil auch aus der EKG, ferner aus Eutrop und Aurelius Victor. Daneben hat sich auch eine griechische Tradition erhalten, die vielleicht auf Dexipp zurückgeht, der selbst im 3. Jahrhundert lebte und schrieb. Die Arbeitsweise des Verfassers der Historia Augusta und seine immer noch umstrittene Zielsetzung machen die Biographiensammlung jedoch zu einer hochproblematischen Quelle. Von den späteren Quellen sind Zosimos (6. Jahrhundert) und Zonaras (12. Jahrhundert) von Bedeutung für die Untersuchung von Philipps Herrschaft. Dexipp fand indirekt Eingang Zosimos' Werk. Zonaras wiederum basiert einerseits auf mittelbyzantinischen Weltchroniken, vor allem auf Synkellos und der Synopsisquelle, anderseits aber auch dem frühbyzantinischen Geschichtswerk des Petros Patrikios, das auf antike Quellen zurückging. Die jeweiligen Angaben über Philipp und seine Regierungszeit sind in den meisten der angeführten Quellen äusserst kurz. 178 Fast alle Quellen sind als kompendienartige Zusammenfassungen angelegt oder richten sich an ein Publikum, das Anekdoten zweifelhaften Wahrheitsgehaltes bevorzugte.

1.2. Inschriften,

Papyri, Münzen,

Reskripte

Aus dem Römischen Reich ist uns eine Vielzahl an griechischen und lateinischen Inschriften aus der Zeit Philipps überliefert, so vor allem Meilensteine und Weihinschriften für die Kaiserfamilie. Inschriften stellen auch die wichtigste Quelle für die Prosopographie der Senatoren und Procuratoren dar. Die längste Inschrift aus Philipps Regierungszeit ist die Petition der Bauern des Orts Arague in Phrygien. Von besonderer Bedeutung für die Untersuchung von Philipps Regierung ist der Taten-

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Die längsten Abschnitte sind: Aurelius Victor, De Caes., 27,8 und 28: eine Teubnerseite; Epit. de Caes. 27f.: eine halbe Teubnerseite; Zos. 1,18-23: etwa dreieinhalb Seiten; Zon. 12,18f.: etwa zwei Seiten; Syn. Sath., p. 36, Z. 25 - p. 37, Z. 19: eine halbe Seite.

1.2. Inschriften, Papyri, Münzen, Reskripte

29

bericht des persischen Grosskönigs Schapur I. (241-271), die sogenannten Res gestae divi Saporis (RGDS) 179 , eingeschrieben auf einem Heiligtum bei Persepolis im Südwestiran, der sogenannten Kaabah von Zoroaster. 180 Es handelt sich um eine dreisprachige (parthischmittelpersisch-griechisch) Inschrift. 181 Der Inhalt lässt sich in drei Abschnitte gliedern 182 : Auf eine Aufzählung der Gebiete und Provinzen des sassanidischen Reiches folgen die eigentlichen Res gestae Schapurs. Der dritte Teil beschäftigt sich mit Fragen der Religion. Die grosse Bedeutung der Inschrift für die Herrschaft Philipps liegt zum einen in ihrer zeitlichen Nähe zu den Ereignissen: Der Text wurde etwa 20 bis 25 Jahre nach Philipp verfasst. Zum anderen handelt es sich um eine Quelle, die die Geschehnisse aus der Perspektive der Perser darstellt und in keine römisch-griechische Tradition gehört. Jedoch ist bei der Verwendung der RGDS als historischer Quelle auch Vorsicht angezeigt: Es handelt sich um eine äusserst propagandistische Schrift, die die Funktion hatte, die Taten des Perserkönigs zu verherrlichen, also den wahren Sachverhalt zum Teil verzerrt. Auch bei den Papyri handelt es sich um zeitgenössische Quellen. Für Philipps Zeit sind Papyri aus Ägypten wichtig, die auf eine grundlegende Steuerreform hindeuten. Ein neu entdeckter Papyrus aus Mesopotamien wirft Licht auf die Aufgaben von Philipps Bruder C. Iulius Priscus und die Provinzialverwaltung im Osten des Reiches. Ferner liess Philipp als Kaiser Münzen prägen. 183 Im Codex Iustinianus und anderen juristischen Sammlungen sind schliesslich insgesamt 80 Reskripte der kaiserlichen Kanzlei erhalten, die eine wichtige Quelle zur Untersuchung der Verwaltung unter Philipps Regierung darstellen.

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Die heute a l l g e m e i n verwendete B e z e i c h n u n g wurde von R o s t o v t z e f f ( 1 9 4 3 / 4 4 , p. 19) in A n a l o g i e zu den Res gestae divi Augusti geprägt. Inschriftentext und photographische A u f n a h m e n bei Sprengling, 1953; detaillierte Beschreibung der Inschrift bei Maricq, 1958, pp. 2 9 9 - 3 0 2 . Abdruck des griechischen Texts auch bei Ensslin, 1949, pp. 9 2 - 9 4 ; Honigmann/Maricq, 1953, pp. 11-18; Abdruck des griec h i s c h e n Textes mit französischer Übersetzung bei Maricq, 1958, pp. 3 0 4 - 3 3 1 ; f r a n z ö s i s c h e Übersetzung bei Bertrandy, 1998, pp. 114f. Sprengling, 1953, p. 113. Karte der Fars bei Hinz, 1969, p. 2 7 5 . N a c h Maricq ( 1 9 5 8 , pp. 2 9 7 - 2 9 9 ) und M a c D o n a l d ( 1 9 7 9 , pp. 7 7 - 8 3 ) gehen alle drei Fassungen unabhängig voneinander auf eine mittelpersische Vorlage zurück. Cf. Sprengling, 1953, pp. 3-6. M e t h o d i s c h e Fragen der Arbeit mit den n u m i s m a t i s c h e n Quellen werden in Kap. 5.1. besprochen.

2. Die Herkunft und Familie Philipps 2.1. Philipps

Herkunft

Philipp stammte aus dem Haurangebiet in der Provinz Arabia, heute im südlichen Syrien. 1 Er kam somit aus der Peripherie des römischen Reiches, nicht aus Italien oder einer romanisierten und urbanisierten Region. Entsprechend wurde in antiken Quellen der Vorwurf geäussert, Philipp sei niederer Herkunft gewesen, wobei zwischen geographischer Herkunft und sozialem Status zumeist nicht geschieden wurde. Aurelius Victor gibt lediglich Philipps geographische Herkunft an, ohne auf seine soziale Stellung einzugehen: Marcus Julius Philippus Arabs Thraconites.2 Auch die späteste zuverlässige Quelle, Zonaras, beschränkt sich auf die neutrale Angabe der geographischen Herkunft Philipps. 3 Die Herkunft Philipps aus dem Gebiet der Provinz Arabia bestätigen die zahlreichen Inschriften, die in Shahba, dem antiken Philippopolis gefunden wurden und auf den Kaiser Bezug nehmen. 4 In den Quellen des 4. Jh.n.Chr. betonen vor allem zwei Quellen, dass Philipp von äusserst niederer Herkunft gewesen sei: So heisst es in der Epitome de Caesaribus: Is Philippus humillimo ortus loco fuit, pâtre nobilissimo latronum ductore.5 Der Verfasser der Historia Augusta

2 3

4

5

Zur Lokalisierung cf. auch Kap. 9.1.1. Aur. Vict., Caes. 28,1. Zur Trachonitis cf. Kap. 9.1.1. Zon. 12,19: " Ω ρ μ η τ ο ò' έκ Β ό σ τ ρ ω ν , ο π ο υ και π ό λ ι ν β α σ ι λ ε ύ σ α ς έ π ώ ν υ μ ο ν έ α υ τ φ έ δ ο μ ή σ α τ ο , Φ ι λ ι π π ο ΰ π ο λ ι ν ό ν ο μ ά σ α ς α ύ τ ή ν . Philipp stammte nicht aus der Stadt Bostra; möglicherweise handelt es sich hier um eine Verwechslung mit der Provinz Arabia, die manchmal nach ihrer Hauptstadt Bostra genannt wurde (cf. Waddington zu 2072, p. 471 mit Beleg). Auch einige byzantinische Autoren, die auf die mittelbyzantinische Epitome zurückgehen, nennen Bostra als Herkunftsort Philipps: Leon Gramm., p. 76, Z. 6. Davon abhängig: Georgios Monachos, 358 (PG 110, col. 549); Kedrenos, 451 (PG 121, col. 493), der allerdings Bostra in Europa lokalisiert; Ephraimios Chronologos, Caesares, 187f. (PG 143, col. 19). Cf. Kap. 9.1.4. Das Gentilnomen Iulius deutet daraufhin, dass die Familie ihr römisches Bürgerrecht unter den julischen Kaisern erhielt. Da aber zu diesem Zeitpunkt die Region um Philippopolis noch nicht Teil des Römischen Reiches war, erwägt Sartre (1996, pp. 243; 248), dass die Familie vielleicht ursprünglich aus dem nördlichen Syrien oder angrenzenden Regionen kam oder von Veteranen oder kaiserlichen Freigelassenen abstammte. Epit. de Caes. 28,3.

2.1. P h i l i p p s H e r k u n f t

31

schreibt: Philippus Arabs, humili genere natus, superbus, qui se in novitate atque enormitate fortunae [sc. die Prätorianerpräfektur] non tenuit [das heisst er erstrebte auch noch das Kaisertum]. 6 Auch Zosimos spricht von der niederen Herkunft des Kaisers: 'Ορμώμενος γάρ έξ 'Αραβίας, έθνους χειρίστου, και ούδέ έκ τ ο υ βελτίονος εις τ ύ χ η ς έπίδοσιν [sc. die Prätorianerpräfektur] π ρ ο ε λ θ ώ ν , αμα τ φ π α ρ α λ α β ε ΐ ν τ η ν ά ρ χ ή ν εις έπιθυμίαν βασιλείας έτράπη. 7 Auch hier wird kritisiert, dass Philipp durch Glück auf einen hohen Posten gelangte, der ihm von seiner Herkunft her eigentlich nicht zustand. Die Ähnlichkeit zur Passage der Historia Augusta ist auffällig: In beiden Berichten stammt Philipp aus Arabien (Arabs, ορμώμενος έξ Α ρ α β ί α ς ) , ist von niederer Herkunft (humili genere natus, ούδέ έκ τ ο υ βελτίονος) und verdankt seinen Aufstieg dem Schicksal (fortuna, τ ύ χ η ) . Die Ähnlichkeit der Formulierung und die Verwendung derselben Begriffe lassen auf eine gemeinsame Quelle schliessen, möglicherweise Dexipp. Dieselbe Quelle dürfte auch in die Epitome de Caesaribus Eingang gefunden haben. 8 Interessant ist, dass Zosimos den Vorwurf der niederen sozialen Stellung mit der geographischen Herkunft in Zusammenhang bringt, indem er die Araber als έ'Ονος χείριστον, als „äusserst minderwertiges Volk (oder Provinz)" charakterisiert. 9 Ob die Bemerkungen in den antiken Quellen über den sozialen Status Philipps zutreffen, lässt sich aus seiner Ämterkarriere und der seines Bruders erschliessen. Bekannt ist nur ein einziges Amt, das Philipp vor 244 bekleidete, das der Prätorianerpräfektur: Der literarischen Überlieferung zufolge wurde Philipp auf dem Perserfeldzug Gordians III. zum Nachfolger des verstorbenen Timesitheus zum Prätorianerpräfekten gewählt. 10 Dieses Amt des praefectus praetorio lässt zwei wichtige Schlussfolgerungen für die Herkunft zu: Philipp war im Ritterstand und muss über gute Beziehungen und Qualifikationen verfügt haben, da er das höchste Amt der ritterlichen Laufbahn erreichte." Nun war es aber 6 7 8

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SHA, Gord. 2 9 , 1 . Zos. 1 , 1 8 , 3 . Cf. Kap. 1.1.2. Eine g e m e i n s a m e Quelle für die Epitome und die Historia Augusta nimmt auch B o w e r s o c k ( 1 9 8 7 , pp. 7 9 f . ) an, der d i e s e allerdings mit der EKG identifiziert. D i e s ist insofern unwahrscheinlich, als damit nicht die Obereinstimmungen mit Z o s i m o s (der nicht in der EKG-Tradition steht) erklärt werden und man dann z u d e m auch Spuren bei anderen Autoren der EKG-Tradition (Aurelius Victor, Eutrop, Festus, Hieronymus) erwarten würde. Dass „racial prejudice" gerade im Falle der antiken Beurteilung Philipps eine R o l l e spielte, betont zurecht B o w e r s o c k ( 1 9 8 3 , pp. 123f.). Cf. Kap. 4.1. SHA, Gord. 2 9 , 1 ; Zos. 1,18,2. Cf. ferner Aur. Vict., Caes. 2 7 , 8 ; Fest. 2 2 ; Hier., Chron. z. J. 2 2 5 7 ; Amm. 2 3 , 5 , 1 7 ; Epit. de Caes. 2 7 , 2 ; Zon. 12,18. Dass es sich um das ranghöchste Amt der ritterlichen Karriere und die h ö c h s t e Stellung nach dem Kaiser handelte, betont Ensslin, 1954, col. 2 3 9 7 bzw. col. 2 4 1 7 . Zur M a c h t f ü l l e der Prätorianerpräfektur im 3. Jahrhundert cf. auch H o w e , 1 9 4 2 ,

32

2. Herkunft und Familie

durchaus auch möglich, dass ein Soldat bis zum Prätorianerpräfekten aufstieg: Eine Zugehörigkeit zum Ritterstand von Geburt an war keineswegs vorgeschrieben. 1 2 Philipps Bruder C. Iulius Priscus ist j e d o c h ebenfalls als Prätorianerpräfekt belegt, und zwar bereits 242/3 n.Chr. 1 3 Somit gelangten beide Brüder in der Regierungszeit Gordians III. zur Prätorianerpräfektur, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie einer nicht unbedeutenden Familie entstammten. Offensichtlich genügte im Falle Philipps die geographische Herkunft aus dem arabischen Raum, um in Rom den Eindruck zu erwecken, er sei humillimo ortus loco. Dabei spielte zweifellos auch eine Rolle, dass die Oberschicht der Provinz Arabia vor 244 kaum im Senat vertreten gewesen zu sein scheint. 1 4 Für die römisch-italischen Vornehmen musste ein Mann aus einer Region, deren Oberschicht noch kaum die römische Ämterlaufbahn einschlug, in der Tat als ein niedriger Emporkömmling erscheinen. Zwar war man bereits daran gewöhnt, Provinzialen auf dem Kaiserthron zu sehen, so Trajan, Hadrian oder Septimius Severus. Alle diese kamen jedoch aus reichen Provinzen, die schon lange romanisiert waren, während die Region um das spätere Philippopolis weder romanisiert noch sonderlich reich war. 15

2.2. Die Familie

Philipps

Mehrere Verwandte Philipps sind durch die Quellen bekannt: sein gleichnamiger Sohn, seine Ehefrau Marcia Otacilia Severa, sein Vater Marinus, sein Bruder C. Iulius Priscus und sein Schwager oder Schwiegervater Severianus. 1 6 Diese Verwandten spielten eine wichtige Rolle einerseits für die Herrscherpropaganda, anderseits in der Reichsverwaltung. Zu diesen Personen sind vereinzelte Nachrichten in literarischen Quellen überliefert, daneben haben sich epigraphische und teils numismatische Zeugnisse erhalten. Aus dieser Überlieferung ergeben sich zwar meist nurmehr fragmentarische Bilder der betreffenden Perso-

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pp. 15-20. Howe spricht von einem „imperial vicar throughout the empire" (ebd., p. 38), ja sogar von einem Vizekaiser (ebd., pp. 18-20). Ensslin, 1954, col. 2395f. mit Beispielen. Cf. Kap. 2.2.4. Bowersock (1989, pp. 77f.) betont, dass alle Senatoren, die wir aus dem Nahen Osten kennen, aus Syrien kamen. Senatoren aus dem arabischen oder jüdischen Raum sind demgegenüber nicht bekannt. Aus dem arabisch-südsyrischen Raum ist Philipp der einzige bekannte Senator. (Als Kaiser war er automatisch Senatsmitglied.) Cf. dazu auch Bowersock, 1982, p. 668. Cf. Kap. 9.1.1. Zu Severianus und Priscus cf. auch Appendix I, S37 bzw. P18.

2.2. Philipps Familie

33

nen. Dennoch vermögen die Quellen bestimmte Aspekte der Herrschaft des Kaisers zu erhellen. Folgende Fragen sollen daher in der Untersuchung der kaiserlichen Familie im Zentrum stehen: Inwieweit instrumentalisierte die kaiserliche Propaganda die einzelnen Familienmitglieder, vor allem Ehefrau, Sohn und verstorbenen Vater? Welche Bedeutung hatten die Sonderkommanden des Bruders und des Schwagers / Schwiegervaters in der kaiserlichen Politik? Durch welche konkreten Sachzwänge und Notwendigkeiten war Philipps „Familienpolitik" bestimmt?

2.2.1. Marcia Otacilia Severa, die Ehefrau Philipps 17 2.2.1.1. Leben Philipps Ehefrau erscheint in den literarischen Quellen nur bei Eusebios und bei Synkellos, die sie mit ihrem cognomen Severa nennen, ferner ohne namentliche Nennung in der Osterchronik. 18 Diesem äusserst schmalen Befund in der literarischen Überlieferung stehen zahlreiche Inschriften und Münzen gegenüber, die den vollen Namen der Kaiserin überliefern. 1 9 Aufgrund der desperaten literarischen Überlieferung ist über Otacilias Leben kaum etwas bekannt. Ihre Herkunft und ihre Familie liegen völlig im Dunkeln, abgesehen von einem Severianus, der ihr Vater oder Bruder gewesen sein dürfte (cf. unten Kap. 2.2.5.). Dem Familiennamen lässt sich entnehmen, dass Otacilia aus der Familie der Marcii Otacilii stammte. 20 Möglicherweise war das cognomen Severa erblich; darauf könnte jedenfalls der Beiname Severianus, den der Bruder oder Vater trug, hindeuten. Die geographische Herkunft der Familie lässt sich nicht mehr erschliessen. 21 17

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Literatur zu Otacilia Severa: Α. Stein, 1930, col. 1 6 0 7 f . ; L. Petersen, PIR V 2 , Fase. 2, 1983, pp. 194f., Nr. 2 6 6 ; Klein, 1998, pp. 6 9 - 1 4 1 ; Strothmann, 1999, col. 853. Euseb., Hist. eccl. 6 , 3 6 , 3 ; Synk. 6 8 2 ; Osterchronik 2 7 0 (PG 9 2 , col. 6 6 7 f . ) ( τ ο υ βασιλέως Φιλίππου γυνή). Inschriften: zum B e i s p i e l ILS 513; CIL III 3 7 1 8 ; Münzen: zum B e i s p i e l RIC 4 . 3 , p. 83, Nr. 1 1 9 - 1 2 4 . Zum Teil wird in Inschriften und in hybriden Münzprägungen Marcia mit M. abgekürzt (zum B e i s p i e l ILS 5 0 9 f . ; RIC 4 . 3 , p. 85, Nr. 1 3 8 - 1 4 1 ) ; es handelt s i c h j e d o c h um den ersten Gentilnamen der Kaiserin (A. Stein, 1930, col. 1607). D i e Otacilii waren in der Zeit der frühen Republik bis ins 3. Jh.v.Chr. ein A d e l s g e s c h l e c h t gew e s e n (cf. F. Münzer, Art. Otacilius, RE XVIII.2, 1942, col. 1 8 5 6 f . ) . N a c h dem Aussterben der Familie finden sich in der Kaiserzeit immer wieder vereinzelte Otacilii, die aber kaum noch von dem alten A d e l s g e s c h l e c h t abstammten. Anders B o w e r s o c k ( 1 9 8 3 , p. 123): „Otacilia Severa s h o w s by her name that she came from a family o f Arabs that had been favored by Septimius Severus." Die Be-

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2. Herkunft und Familie

Otacilia muss Philipp bereits vor 244 geheiratet haben, da beider Sohn, M. Iulius Philippus iunior, bei seiner Ermordung 249 n.Chr. zwölfjährig war. Ihr Ende ist unbekannt. Es ist wohl davon auszugehen, dass sie zusammen mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn getötet wurde. Ihr Name wurde wie derjenige der Kaiser auf zahlreichen Inschriften eradiert. 23 Aus dem Leben der Otacilia ist lediglich das bekannt, was Eusebios und Synkellos berichten. Beide überliefern, dass Orígenes Briefe an Otacilia und den Kaiser schrieb. 24 Hieronymus erwähnt die Briefe ebenfalls; bei ihm sind sie allerdings an Philipps Mutter gerichtet. 25 Dabei muss es sich um eine Verwechslung mit Iulia Mamaea handeln, der Mutter des Severus Alexander, die ebenfalls mit Orígenes in Kontakt stand 26 , und von der Hieronymus weiter oben im selben Kapitel berichtet hatte. Synkellos und Hieronymus gehen auf Eusebios zurück, dem offensichtlich die Briefe noch vorlagen. Der Briefwechsel zeigt, dass das Kaiserpaar, wie früher bereits die Severer, in Kontakt mit Intellektuellen stand. 27 Offensichtlich spielte die Kaiserin eine gewisse Rolle in der Öffentlichkeit.

2.2.1.2. Die Titulatur der Kaiserin Vor der Untersuchung von Otacilias Titulatur seien einige allgemeine methodische Bemerkungen zu den Kaiserinnentiteln vorausgeschickt. 28 Zunächst muss klar getrennt werden zwischen der kaiserlichen Selbstdarstellung auf der einen Seite und den inoffiziellen Bezeichnungen der Kaiser durch die Untertanen auf der anderen. So kann zum Beispiel eine Ehreninschrift, die ein Untertan in einer Provinz aufstellen Hess, Titel enthalten, die die Ergebenheit des Untertanen gegenüber der Obrigkeit zum Ausdruck bringen sollten, die aber keineswegs Teil der

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gründung leuchtet j e d o c h nicht ein: Weder Marcius noch Otacilius sind t y p i s c h e N a m e n für den arabisch-syrischen Raum; der B e i n a m e „Severus" geht auf Septimius Severus selbst zurück, also auf die nordafrikanische Linie der Severerdynastie und ist daher e b e n f a l l s kein B e l e g für eine Herkunft Otacilias aus dem Osten. Altersangabe des j ü n g e r e n Philipp: Epit. de Caes. 2 8 , 3 . Dass Philipp iunior der Sohn der Otacilia war, ist aus Münzen und Inschriften ersichtlich: zum B e i s p i e l RIC 4 . 3 , p. 72, Nr. 3 0 ; ILS 506; 513; 4 1 4 0 . Zum B e i s p i e l ILS 5 0 9 ; 5 7 8 5 . Cf. auch Klein, 1998, p. 141. Euseb., Hist. eccl. 6 , 3 6 , 3 ; Synk. 6 8 2 . Hier., vir. ill. 54. Cf. Eus., Hist. eccl. 6 , 2 1 , 3 - 4 . Aus d i e s e m B r i e f w e c h s e l wurde zum Teil g e s c h l o s s e n , dass Otacilia ( w i e auch ihr Ehemann) den christlichen Glauben angenommen habe: cf. Kap. 12. Cf. z u m f o l g e n d e n vor allem Kuhoff, 1993, pp. 2 4 4 f . ; 2 5 4 f .

2.2. Philipps Familie

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offiziellen kaiserlichen Titulatur waren. 29 Äussere Gründe wie der auf der Inschrift zur Verfügung stehende Platz oder die finanziellen Möglichkeiten des Stifters konnten Einfluss nehmen auf die kaiserliche Titulatur, wie sie auf der Inschrift erscheint. Für die Frage nach der herrscherlichen Selbstdarstellung sind somit nur offizielle Zeugnisse, das heisst offizielle Inschriften und vor allem die kaiserliche Münzprägung als Quellen heranzuziehen. Zum zweiten stellt sich die Frage, inwieweit die Titel einer Kaiserin auch Ausdruck einer realen politischen Bedeutung waren. Zu Recht betont Kuhoff, dass aus der Titulatur nur bedingte Rückschlüsse auf den Einfluss der Kaiserin auf die Politik möglich sind. 30 Für Otacilia lässt sich die Frage nach dem politischen Einfluss letztlich nicht beantworten, da keine literarischen Zeugnisse vorliegen, die es ermöglichen, den Standort der Kaiserin in der Politik der vierziger Jahre des 3. Jahrhunderts festzumachen. Zumindest lässt sich aus dem Zeugnis des Eusebios der Schluss ziehen, dass Otacilia aktiv am kulturellen Leben ihrer Zeit beteiligt war. Die Inschriften und Münzen erlauben also keine Rückschlüsse auf Otacilias Einfluss. Sie haben jedoch Aussagekraft für die Frage nach der politischen Bedeutung der Kaiserin für die Selbstdarstellung der Dynastie. Wie jede Kaiserin, so erhielt auch Otacilia den Titel Augusta31, häufig mit dem Zusatz sanctissima,32 Dazu wird Otacilia als coniux d(omini) n(ostri) bezeichnet. 33 Seit der Erhebung des jüngeren Philipp zum Caesar bzw. Augustus trug Otacilia auch den Titel mater Caesaris34 bzw. mater Augusti?5 Neben diesen Titeln, die die Funktion der Kaiserin in der Dynastie als Ehefrau des amtierenden Herrschers und als Mutter des Thronfolgers zum Ausdruck bringen, findet sich eine Reihe von Titeln, die vorher vor allem von den severischen Kaiserinnen getragen worden waren: mater castrorum36, mater castrorum et exercitus31, mater castrorum et sena29

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D a m i t ist n a t ü r l i c h n i c h t a u s g e s c h l o s s e n , d a s s die M e h r h e i t der Titel a u c h a u f i n o f f i z i e l l e n I n s c h r i f t e n der o f f i z i e l l e n T i t u l a t u r e n t n o m m e n w u r d e n . C f . K u h o f f , 1993, p. 2 4 4 , z u r w e c h s e l s e i t i g e n B e e i n f l u s s u n g der o f f i z i e l l e n u n d d e r i n o f f i z i e l len T i t e l . A u f die E h r u n g e n e i n z e l n e r S t i f t e r o d e r S t ä d t e f ü r O t a c i l i a , d i e s i c h in Inschriften und lokalen Münzprägungen erhalten haben, die aber nicht die offizielle Sicht widerspiegeln, kann hier nicht eingegangen werden. Cf. dazu die u m f a s s e n d e U n t e r s u c h u n g von K l e i n , 1 9 9 8 , p p . 7 2 - 1 3 8 . K u h o f f , 1993, p p . 2 4 4 ; 2 4 7 ; 2 5 5 . So b e l e g t b e r e i t s am 2 3 . 7 . 2 4 4 n . C h r . : ILS 5 0 5 = CIL XIV 2 2 5 8 . Z u m B e i s p i e l ILS 5 0 7 ; C I L III 3 7 1 7 f . ; 4 6 2 7 ; 8 0 3 1 ; 8 1 1 3 ; 8 2 6 9 . Z u m B e i s p i e l ILS 5 0 5 ; 5 0 7 ; CIL III 3 7 I 7 f . ; 4 6 2 7 . Z u m B e i s p i e l ILS 4 1 4 0 ( 3 0 . 9 . 2 4 5 ) ; ILS 5 0 6 ( e r g ä n z t ) . Z u m B e i s p i e l ILS 5 1 3 von 2 4 8 n . C h r . ; CIL III 4 6 3 1 . Z u m B e i s p i e l ILS 5 0 9 ; 4 1 4 0 ; CIL III 4 6 3 1 ; 8 1 1 3 ; 8 2 6 9 ; 1 2 2 7 0 . Z u m B e i s p i e l C I L III 1 0 6 1 9 ; 1 0 6 4 0 ; 1 4 3 5 4 6 ; CIL VIII 8 3 2 3 = 2 0 1 3 9 = ILS 5 0 7 .

2. Herkunft und Familie

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mater castrorum et senatus et patriae29. Die Bezeichnung mater castrorum ist zum ersten Mal für Faustina d.J., die Ehefrau Marc Aurels belegt. Die Kaiserin erhielt den Titel wahrscheinlich 174 n.Chr., als sie sich im Zusammenhang mit den Germanenkriegen im Heereslager aufhielt. 40 Ziel war die „Einbeziehung der 'Landesmutter' in das öffentliche gute Verhältnis zwischen Regierung und Soldaten" angesichts der kritischen Lage des Reiches. 4 1 Die nächste Kaiserin, für die der Titel belegt ist, war Iulia Domna. 4 2 Auch in diesem Fall war die Anwesenheit der Kaiserin im Heereslager der Anlass für die Verleihung des Titels. Für Iulia Domna wurde der Titel später ausgeweitet auf mater castrorum et senatus et patriae. Beide Titel wurden nebeneinander benutzt, ohne dass inhaltliche Gründe für die Benutzung des einen oder des anderen feststellbar wären. 43 Später finden sie sich auch in den Inschriften für Iulia Maesa und Iulia Mamaea, zum Teil in erweiterter Form. 44 /MS38,

Interessant ist, dass keine der späteren „Soldatenkaiserinnen" (das heisst der Ehefrauen der Kaiser zwischen 235 und 284 n.Chr.) die Titulaturen der severischen Kaiserinnen in solchem Umfang übernahm wie Otacilia Severa. 45 Der Titel sanctissima Augusta ist im 3. Jahrhundert allgemein verbreitet. 46 Auch der Titel mater castrorum wird von einigen Kaiserinnen wieder aufgegriffen. 4 7 Der Titel mater castrorum et senatus

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Zum Beispiel CIL VIII 21974. Zum Beispiel ILS 513; CIL VIII 10049; 10077 = 22057; 22089; 22107; 22127. K u h o f f , 1993, p. 251. Dio 72,10,5 (Xiph.); SHA, Marc. 26,8. Der Titel taucht auch auf Münzen der Faustina auf: Cohen III 2 , pp. 149f., Nr. 159-167. K u h o f f , 1993, p. 251. Unter Umständen trug auch die Ehefrau des Commodus, Bruttia Crispina, den Titel mater castrorum, wenn CIL VIII 22689 richtig ergänzt wurde: cf. dazu Kettenhofen, 1979, p. 231, Anm. 46. Kuhoff, 1993, p. 253. Cf. Kuhoff, 1993, pp. 253f. Zur Titulatur der Severerinnen cf. Kettenhofen: Iulia Domna: mater castrorum (Kettenhofen, 1979, pp. 79-83), mater castrorum, senatus et patriae (ebd., pp. 86-96); Iulia Maesa: mater castrorum (ebd., pp. 146-148) und mater senatus (ebd., pp. 145f.), wobei Kettenhofen aus der Seltenheit der Zeugnisse schliesst, dass diese Titel nicht Bestandteil der offiziellen Titulatur Maesas waren; Iulia Mamaea: mater castrorum (ebd., pp. 157-159), mater castrorum, senatus et patriae (ebd., pp. 159f.). Für Iulia Soaemias sind diese Titel nicht sicher belegt (ebd., pp. 152-155). Die Uberhöhenden Prädikate, die sich vor allem im Zusammenhang mit Iulia Mamaea finden (zum Beispiel mater universi generis humant, δ έ σ π ο ι ν α τ η ς ο ι κ ο υ μ έ ν η ς ) gehörten nicht zur offiziellen Titulatur (ebd., pp. 161163). Nach Klein (1998, pp. 52; 67; 75; 140) dürfte bei der Annahme des Titels mater castrorum eine Rolle gespielt haben, ob die betreffende Kaiserin selbst Kinder geboren hatte; die kinderlose Tranquillina zum Beispiel führte den Titel nicht (cf. Klein, 1998, pp. 66-68). Kuhoff, 1993, p. 254 mit Anm. 43. Herennia Cupressenia Etruscilla (ILS 521); Cornelia Salonina (Ann. ép. 1982, 272; IGR III 237); Galería Valeria, die Tochter Diocletians und Ehefrau des Galerius,

2.2. Philipps Familie

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et patriae findet sich jedoch nur noch bei Ulpia Severina, der Gattin Aurelians, und bei Magnia Urbica, der Ehefrau des Carinus, bei beiden in jeweils nur einem einzigen Zeugnis, während für Otacilia die Titel häufig belegt sind. 48 Otacilia Severa knüpfte also in stärkerem Masse an die Severerinnen an als andere Kaiserinnen nach 235. Auffällig ist der Unterschied gerade zu ihrer Vorgängerin Sabinia Tranquillina, der Ehefrau Gordians III., die kaum in den Vordergrund trat und für die nur der Titel sanctissima Augusta belegt ist. 49 Kettenhofen zufolge sollte der Ehrentitel mater castrorum im Falle der Iulia Domna diese als legitime Nachfolgerin der Faustina ausweisen, im Falle der Iulia Mamaea wiederum die Nachfolge der ersten severischen Kaiserin herausstreichen. 50 Die gleiche Absicht kann im Falle der Otacilia Severa angenommen werden: Hier ging es um die Legitimierung der neuen Herrscher durch Anknüpfung an eine frühere Dynastie. 51 Darüber hinaus hatten die Titel mater castrorum und mater senatus natürlich auch eine wichtige Funktion für die Herrschaftssicherung: Die beiden entscheidenden Kräfte im Staat, das Heer und der Senat, der im öffentlichen Bewusstsein nach wie vor eine zentrale Rolle bei der Anerkennung der Kaiser spielte, wurden unter den Schutz der Kaiserin gestellt: Dadurch wurde gleichzeitig an die Loyalität dieser Kräfte gegenüber der neuen Herrscherfamilie appelliert. 52 Möglicherweise nimmt der Titel mater castrorum bei Otacilia Bezug auf eine konkrete Anwesenheit der Kaiserin im Heereslager: Die meisten Belege

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die meines Wissens die letzte Kaiserin ist, die diesen Titel aufgreift (ILS 8932 = CIL III 13661; IGR IV 1562, wobei hier der Titel ergänzt ist). (Cf. auch Kienast, 2 1996, pp. 206; 222; 286) Im übrigen stellt sich die Frage, ob die Titel wirklich Teil der offiziellen Titulatur waren, oder ob sie nicht eher auf die Initiative der j e weiligen Stifter zurückzuführen sind. Ulpia Severina: Ann. ép. 1930, 150: mairi cast(rorum) et senatus et patriae. (Der Name der Ulpia Severina ist eradiert.) Magnia Urbica: ILS 610 = CIL VIII 2384: matri castrorum senatus ac patriae. Cf. Kienast, 2 1996, pp. 236; 262. Zu Ulpia Severina cf. j ü n g s t auch K. Strobel, Ulpia Severina Augusta: Eine Frau in der Reihe der iilyrischen Kaiser, in: Frézouls/Jouffroy, 1990/98, pp. 119-153. Für die zahlreichen Zeugnisse der Titel bei Otacilia, cf. oben Anm. 36-39. ILS 503; 504; 2159; cf. Kienast, 2 1996, p. 197, und Kuhoff, 1993, p. 256; zu Tranquillina cf. jetzt vor allem Klein, 1998, pp. 9-68. Auch sind von ihr nur wenige Münzen erhalten, wie Mattingly (RIC 4.3, p. 14; cf. pp. 41 f.; 53) betont; allerdings ist seine Annahme, „that Philip, who was a personal enemy of Timisitheus, took a mean revenge on him as Emperor by calling in the coinage of his daughter [sc. Tranquillina]", unwahrscheinlich; Philipp war vielmehr bemüht, das Andenken Gordians zu ehren (cf. Kap. 4.3.1.). Kettenhofen, 1979, pp. 157-159. Möglicherweise bestanden bereits früher Beziehungen zwischen den Severerinnen und der Familie der Marcii Otacilii, wie die Beinamen Otacilias und des Severianus zeigen. Cf. Klein, 1998, p. 140.

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2. Herkunft und Familie

stammen aus dem Donauraum, in dem sich Philipp während der Karpenkriege aufhielt. Seine Frau mag ihn begleitet und dabei den Ehrentitel angenommen haben.

2.2.1.3. Die Münzprägung der Marcia Otacilia Severa Die Bedeutung Otacilias für die kaiserliche Selbstdarstellung zeigt sich auch in der Menge ihrer Prägungen, die diejenige der Münzen anderer Kaiserinnen der Epoche übersteigt (was natürlich auch damit in Zusammenhang steht, dass die Regierungszeit ihres Mannes eine der längsten in diesem Zeitraum war). 53 Häufig erscheint sie auf den Münzen zusammen mit ihrem Mann und ihrem Sohn. 54 Wieder ist die Parallele zu Iulia Domna auffällig: Auch die erste Severerin wurde oft zusammen mit ihrem Mann und einem oder beiden ihrer Söhne gezeigt. 5 5 Otacilia war natürlich insofern von Bedeutung für die Propaganda, als sie einen Sohn hatte, der die Dynastie fortführen konnte. 56 Die zahlreichen Münzen, die die Kaiserfamilie zeigen, sollten die enge Verbundenheit der Dynastie zeigen, wie bereits bei Septimius Severus und seiner Familie. 5 7 Die Aversseiten von Otacilias Münzen zeigen die Kaiserin mit einem Diadem und einem Umhang, zum Teil auf einem Halbmond. Es gibt drei verschiedene Averslegenden: Marcia Otacil. Severa Aug., M. Otacil. Severa Aug., Otacil. Severa Aug.5* Die Reversseiten zeigen zumeist

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Cf. zum Beispiel oben Anm. 49 zu Sabinia Tranquillina. Die Münzprägung der Gattin des Decius, Herennia Etruscilla, rückt hingegen in die Nähe derjenigen von Otacilia, wenn sie sie nicht gar übertrifft (cf. RIC 4.3, pp. 127-130; 137f.; Klein, 1998, pp. 145-168). Eine umfangreichere Münzprägung ist im übrigen auch wieder bei Salonina, der Ehefrau des Gallienus, zu konstatieren (RIC 5.1, pp. 107-115; 191-200; Klein, 1998, pp. 185-232; zu Saloninas Münzprägung cf. auch de Blois, 1976, pp. 121-124; 143; 155; 163f.; 166; Kuhoff, 1979, pp. 36-59). Zum Beispiel RIC 4.3, p. 73, Nr. 39; p. 75, Nr. 64 (Philipp I. und Otacilia); p. 73, Nr. 43; p. 95, Nr. 212; p. 101, Nr. 260; p. 102, Nr. 261 (ganze Familie). Zum Beispiel RIC 4.1, p. I l l , Nr. 159 (ganze Familie); p. 209, Nr. 864 (Septimius Severus, Iulia Domna und Caracalla). Cf. RIC 4.3, p. 72, Nr. 30 (De Pia Maire Pius Filius)·, p. 97, Nr. 229 (Aug. Patri Aug. Matri). Zu den Severern meint Kettenhofen (1979, p. 142): „Zu betonen ist vor allem das starke dynastische Empfinden, das aus den Weihungen laut wird ..." (Hervorhebung von Kettenhofen). Er sieht die Bedeutung Iulia Domnas „vor allem als Mutter eines Kaisers". RIC 4.3, pp. 56; 82; 93. Das Diadem ist für die Kaiserinnen seit dem 2. Jh.n.Chr. üblich, während die Mondsichel (wie die Strahlenkrone des Kaisers) ein Symbol für die aeternitas imperii et domus divinae ist (Klein, 1998, p. 17). Mattingly (RIC 4.3, p. 56) versucht, die drei verschiedenen Titulaturen auf 244-245, bzw. 245-247,

2.2. Philipps Familie

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Personifikationen, mit denen die Kaiserin verbunden wurde: Pietas, Pudicitia, Concordia.59 Zentraler Inhalt ist das Wohlergehen und die Prosperität des Reiches. Pietas 60 : Die Pietas-Prägungen zeigen meist die personifizierte Pietas mit unterschiedlichen Attributen {patera, Szepter, Globus, Kästchen), zum Teil an einem Altar. Manchmal ist daneben ein Kind abgebildet. Die Reverslegenden sind Pietas Augustae, Pietas Augustae Nostrae, Pietas Augustorum. Letztere Legende wird zum Teil auch mit Darstellungen der Kaiserfamilie verbunden. Es handelt sich hierbei um eine äusserst verbreitete Prägung. Sie findet sich bei den meisten Severerinnen, nämlich bei Iulia Domna, Iulia Maesa, Iulia Soaemias, Iulia Mamaea, aber auch bei Plautilla, der Frau Caracallas, und bei Iulia Cornelia Paula, der ersten Ehefrau des Elagabalus. 61 Münzen mit der Legende Pietas Publica wurden sogar im Namen der Manlia Scintilla geprägt, der Ehefrau des Didius Iulianus. 62 Im 2. Jahrhundert taucht die Legende ferner bei Matidia, Sabina und den antoninischen Kaiserinnen und Prinzessinnen auf. 63 Pudicitia 6 4 : Die Münzen zeigen die verhüllte Pudicitia und tragen die Legende Pudicitia Aug. Auch hier wird zum Teil neben der Pudici-

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bzw. 247-249 zu datieren. Kaum eine der Prägungen Otacilias ist datiert (Ausnahmen: Münzen zur Jahrtausendfeier, und RIC 4.3, pp. 82 und 93). Es existiert auch eine Prägung Otacilias, die auf der Rückseite die Securitas Orbis zeigt (RIC 4.3, p. 83, Nr. 124a-b). Dabei dürfte es sich allerdings um eine hybride Prägung handeln, bei der eine Aversseite Otacilias mit einer Reversseite Philipps I. kombiniert wurde (cf. RIC 4.3, p. 83, Anm. zu Nr. 124). Jedenfalls wurden meines Wissens keine Seci/r/fai-Münzen im Namen von Kaiserinnen geprägt. (Die Securito-Prägungen für Iulia Domna [RIC 4.1, p. 177, Nr. 634] und f ü r Herennia Etruscilla [RIC 4.3, p. 129, Nr. 71] sind ebenfalls hybrid.) RIC 4.3, p. 82, Nr. 115; p. 83, Nr. 120a-b; 121; 122a-b; p. 84, Nr. 130. 133-134 (Ant.); p. 93, Nr. 198a-b; p. 94, Nr. 205a-c; 206-207; 208a-c; p. 95, Nr. 212a-b. (Im folgenden bezeichnet die Angabe Ant., dass die Münze in Antiochia geprägt wurde. Fehlt die Ortsangabe, so stammt die Münze aus der Stadt Rom.) Iulia Domna: zum Beispiel RIC 4.1, p. 174, Nr. 612 und 612A (Pietas bzw. Pietas Aug.); p. 170, Nr. 572 (Pietas Augg.); p. 170, Nr. 574 (Pietas Publica). Iulia Maesa: RIC 4.2, p. 50, Nr. 263; p. 61, Nr. 414-416 (Pietas Aug.). Iulia Soaemias: RIC 4.2, p. 48, Nr. 237A (Pietas Aug.). Iulia Mamaea: RIC 4.2, p. 98, Nr. 346 (Pietas Augustae). Plautilla: RIC 4.1, p. 270, Nr. 367, p. 309, Nr. 581 (Pietas Augg.). Iulia Paula: RIC 4.2, p. 46, Nr. 221 (Pietas und Pietas Aug.). RIC 4.1, p. 16, Nr. 8. Matidia: RIC 3, p. 300f., Nr. 758-760; posthum f ü r Matidia: RIC 3, p. 300, Nr. 757; p. 391, Nr. 427. Sabina: RIC 3, p. 388, Nr. 405; p. 477, Nr. 1029-1031; p. 479, Nr. 1048. Ausgesprochen häufig auf den Münzen für die verstorbene Faustina I.: zum Beispiel RIC 3, p. 74, Nr. 392-396; p. 165, Nr. 1146-1148; p. 169, Nr. 1191-1199; Faustina II.: RIC 3, p. 192, Nr. 1379; p. 194, Nr. 1402. Lucilla, die Tochter des M. Aurel: RIC 3, p. 275, Nr. 774-777; p. 353, Nr. 1755-1777. Für ältere Beispiele cf. die Register in der RIC. RIC 4.3, p. 83, Nr. 123a-c; 128A; p. 94, Nr. 209a-c; 210-211.

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2. Herkunft und Familie

tia ein Kind abgebildet, manchmal zusammen mit einer Frau, die ein Füllhorn hält. Auch dieser Münztyp war bereits bei früheren Kaiserinnen sehr verbreitet. Wieder sind die Severerinnen zu nennen, so Iulia Domna, Iulia Maesa, Iulia Soaemias, Iulia Mamaea, Iulia Cornelia Paula und Severus Alexanders Ehefrau Sallustia Barbia Orbiana. 65 Im 2. Jahrhundert erscheint Pudicitia auf Münzen der Sabina, der Faustina II., ihrer Tochter Lucilla und der Crispina (Commodus' Ehefrau). 66 Concordia 67 : Dieser Münztyp zeigt die Göttin Concordia mit einer patera und einem Füllhorn, zum Teil bei einem Altar. Die Legende lautet Concordia Augg. Concordia erscheint im Zusammenhang mit weiblichen Mitgliedern des Kaiserhauses seit Drusilla, der Schwester Caligulas. 68 Die Legende findet sich auf den Münzen der Domitia (Ehefrau Domitians), Iulia (Tochter des Titus), Sabina, Faustina I. und II.69, häufig auch bei den Severerinnen. 70 Der Kaiser, der zugleich pontifex maximus war, und seine Frau sind Garanten des korrekten religiösen Verhaltens. Die „Frömmigkeit" (eigentlich eine unzureichende Übersetzung für pietas11) und die Keuschheit der Ehefrau des Kaisers sind dabei wichtige Eigenschaften. Die religiöse Bedeutung der pietas wird durch die Darstellungen des Altars und der Opferschale betont. Das Kind und die Frau mit dem Füllhorn versinnbildlichen, dass dank dieser Tugend das Reich blüht. Wird die Legende Pietas Augustorum mit der Darstellung der Kaiserfamilie verbunden, dann soll damit die gegenseitige pietas innerhalb der Familie zum Ausdruck gebracht werden, ähnlich wie auf den ConcordiaPrägungen die Eintracht gezeigt wird. Die pietas und die concordia

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Iulia Domna: zum B e i s p i e l RIC 4 . 1 , p. 170, Nr. 5 7 5 f . Iulia Maesa: RIC 4 . 2 , p. 50, Nr. 2 6 7 - 2 6 9 ; p. 61, Nr. 4 1 7 - 4 2 0 . Iulia Soaemias: RIC 4 . 2 , p. 4 8 , Nr. 2 3 8 . Iulia Mamaea: RIC 4 . 2 , p. 98, Nr. 3 4 6 . Iulia Paula: RIC 4 . 2 , p. 4 6 , Nr. 2 2 1 A - B . Sallustia Barbia Orbiana: RIC 4 . 2 , p. 97, Nr. 3 2 4 . Sabina: zum B e i s p i e l RIC 2, p. 3 8 8 , Nr. 4 0 6 f . Faustina II.: zum B e i s p i e l RIC 3, p. 9 4 , Nr. 5 0 7 - 5 0 8 . Lucilla: zum Beispiel RIC 3, pp. 2 7 5 f . , Nr. 7 7 8 - 7 8 1 . Crispina: zum B e i s p i e l RIC 3, p. 3 9 9 , Nr. 2 8 5 . RIC 4 . 3 , p. 83, Nr. 119a-b; 125a-c; 126; p. 84, Nr. 129; p. 94, Nr. 2 0 3 a - g ; 2 0 4 . Béranger, 1968, p. 4 8 6 ; für Caligula und seine Schwester, cf. ebd. pp. 4 8 I f . Béranger, 1968, pp. 4 8 6 f . , mit den entsprechenden B e l e g e n . Zum B e i s p i e l Iulia Domna: RIC 4 . 1 , p. 166, Nr. 547. Plautilla: RIC 4 . 1 , p. 2 6 9 , Nr. 3 5 9 - 3 6 1 . Iulia Paula: RIC 4 . 2 , pp. 4 5 f „ Nr. 2 1 0 - 2 1 6 . Iulia A q u i l i a Severa, die z w e i t e Ehefrau Elagabals: RIC 4 . 2 , p. 4 7 , Nr. 2 2 5 - 2 2 8 . Annia Faustina, die dritte Ehefrau Elagabals: RIC 4 . 2 , pp. 4 7 f . , Nr. 2 3 2 f . Sallustia Barbia Orbiana: RIC 4 . 2 , pp. 9 6 f „ Nr. 3 1 9 - 3 2 1 . Iulia Mamaea: RIC 4 . 2 , p. 97, Nr. 3 2 8 - 3 3 0 . Zu pietas als dem „ p f l i c h t g e r e c h t e f n ] Verhalten g e g e n Gott und M e n s c h " (Spira), aber auch gegenüber dem Staat cf. A. Spira, Art. Pietas, KIP 4, 1972, col. 8 4 8 , und C. Koch, Art. Pietas, RE X X . 1 , 1941, col. 1 2 2 1 - 1 2 3 2 .

2.2. Philipps Familie

41

innerhalb der Herrscherfamilie sind wiederum Voraussetzung für die Eintracht und Prosperität des Reiches. 72 Die Verbindung von Mutter und Thronfolger wird durch zwei wahrscheinlich antiochenische Prägungen zum Ausdruck gebracht. Die Münze Otacilias zeigt eine verhüllte Iuno mit patera und Szepter. Die Legende ist Iuno Conservatrix73 Das Pendant, das im Namen des jüngeren Philipp geprägt wurde, zeigt Iuppiter Conservator,74 Kaiserin und Thronfolger werden dargestellt als unter dem Schutz von Iuppiter und Iuno stehend. 75 Die sonst eher seltene Iuno Conservatrix erscheint auch auf Münzen der Severerinnen. 76 Eine interessante Prägung aus Antiochia schliesslich zeigt die personifizierte Tellus, die Kornähren und ein Füllhorn hält, daneben zwei Kinder. Die Legende lautet Fecunditas Temporum.77 Auch diese Münze hat Vorläufer in der Münzprägung des 2. und 3. Jahrhunderts, so vor allem bei Iulia Domna: Eine Prägung mit der Legende Fecunditas zeigt Tellus, die unter einem Baum liegt, eine Hand auf einem Globus, die andere auf einem Früchtekorb. Vier Kinder symbolisieren die vier Jahreszeiten. 78 Häufig wurden im Namen von Kaiserinnen Münzen mit der Inschrift Fecunditas (Augustae) und der Darstellung der personifizierten Fecunditas geprägt. 79 Betont wird damit einerseits die Fruchtbarkeit der Kaiserinnen selbst, die sich in der Mutterschaft eines kaiserlichen Nachfolgers geäussert hatte, zum anderen die Prosperität des Reiches, die die Kaiserin neben dem Kaiser garantierte. Die Prägung sollte also den Wohlstand und das Blühen des Reiches unter der Dynastie der Philippi symbolisieren. Legende wie Darstellung rücken die Prägung in 72

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Entsprechend finden sich auch Prägungen, die die concordia z w i s c h e n Philipp I. und Philipp II., also z w i s c h e n Kaiser und N a c h f o l g e r zum Inhalt haben: zum B e i spiel RIC 4 . 3 , p. 78, Nr. 83 (Ant.); p. 96, Nr. 2 2 2 . RIC 4 . 3 , p. 83, Nr. 127f. (wohl Ant.). RIC 4 . 3 , p. 9 5 , Nr. 2 1 3 f . (wohl Ant.). Mattingly, RIC 4 . 3 , p. 64. Iulia Domna: RIC 4 . 1 , p. 2 7 2 , Nr. 3 7 7 . Iulia Maesa: RIC 4 . 3 , p. 4 9 , Nr. 2 5 7 f . Iulia Paula: RIC 4 . 2 , p. 4 6 , Nr. 2 1 9 . Iulia Mamaea: RIC 4 . 2 , p. 9 8 , Nr. 3 4 2 ; p. 125, Nr. 685-688. RIC 4 . 3 , p. 84, Nr. 132 (Ant.). RIC 4 . 1 , p. 167, Nr. 549; cf. ferner RIC 4 . 1 , p. 2 0 8 , Nr. 852; p. 2 1 0 , Nr. 8 7 2 . Ältere Tellus-Darstellungen (mit der Legende Tellus Stabiiis) finden sich vor allem auf Münzen Hadrians: RIC 2, p. 3 7 2 , Nr. 2 7 6 - 2 7 8 ; p. 4 4 1 , Nr. 7 9 1 ; p. 4 4 5 , Nr. 835. Zum B e i s p i e l Lucilla: RIC 3, p. 2 7 5 , Nr. 7 6 4 - 7 6 8 (Fecunditas und Fecunditas Augusta). Faustina II.: RIC 3, p. 3 4 5 , Nr. 1 6 3 4 - 1 6 4 1 ( F e c u n d i t a s Augustae und Fecunditas). Crispina: RIC 3, p. 4 4 2 , Nr. 6 6 7 ( F e c u n d i t a s ) . Iulia Domna: RIC 4 . 1 , p. 165, Nr. 534; p. 167, Nr. 550; p. 2 7 2 , Nr. 3 7 4 ( F e c u n d i t a s ) . Iulia Maesa: RIC 4 . 2 , p. 4 9 , Nr. 2 4 9 f . ; p. 101, Nr. 3 8 0 (posthum); p. 4 8 , Nr. 2 4 9 f . ; p. 61, Nr. 4 1 0 (Fecunditas Augustae und Fecunditas)', Iulia Mamaea: RIC 4 . 2 , p. 98, Nr. 3 3 1 f.; p. 124, Nr. 6 6 8 f . ( F e c u n d i t a s Augustae).

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2. H e r k u n f t u n d F a m i l i e

die Nähe von Vorstellungen des Goldenen Zeitalters (Fecunditas Temporum, Füllhorn, Tellus, die sponte sua die Kornähren gibt). 80

2.2.2. Philipp II., der Sohn Philipps 81 2.2.2.1. Leben M. Iulius Philippus war der Sohn des Philippus Arabs und der Otacilia Severa. 82 Bei seiner Ermordung im Oktober 249 n.Chr. war er zwölfjährig; er muss somit 236 oder 237 geboren worden sein. 83 Sein voller Name lautete M. Iulius Severus Philippus, wobei das cognomen Severus nach seiner Erhebung zum Augustus 247 nicht mehr erscheint. 84 Der Beiname kam von der Familie der Mutter her, die selbst das cognomen Severa trug, während ihr Vater oder Bruder unter dem Namen Severianus bekannt war. Bei der Regierungsübernahme seines Vaters 244 war Philipp iunior siebenjährig. Noch im selben Jahr wurde er zum Caesar und princeps iuventutis und damit zum designierten Nachfolger ernannt. 85 Wahr80

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Die übrigen Prägungen im Namen der Kaiserin (RIC 4.3, p. 82, Nr. 116-118; p. 93, Nr. 199-202) stammen aus der Tausendjahrfeierserie; ihre Reversdarstellungen unterscheiden sich nicht von denjenigen der beiden Philippi. Die Prägungen zur Jahrtausendfeier und ihre Inhalte werden an anderer Stelle besprochen: cf. Kap. 11. Literatur zu Philipp iunior: E. Stein, 1918b, col. 770-772; L. Petersen, PIR IV 2 , 1966, pp. 248f., Nr. 462; Franke, 1999b, col. 39. Im folgenden wird Philipps Sohn zur Unterscheidung von seinem Vater als Philipp iunior, Philipp der Jüngere oder Philipp II. bezeichnet. Cf. CIL III 8031 (= ILS 510); 12686; ILS 513; RIC 4.3, p. 72, Nr. 30 (De pia maire pius filius); p. 97, Nr. 229 (Aug. patri Aug. mairi)·, Aur. Vict., Caes. 28,1; Epit. de Caes. 28,3; Hier., Chron. z.J. 2261; Zon. 12,18. Ohne Nennung des Namens des Sohnes: Zos. 1,22,3; Hier., Chron. z.J. 2261. Epit. de Caes. 28,3. Wenn Philipps II. Geburtstag in die Zeit zwischen Januar und Oktober fiel, wäre sein Geburtsjahr 237; wenn er zwischen Oktober und Dezember 249 noch dreizehn Jahre alt geworden wäre, fiele seine Geburt ins Jahr 236. Die Angabe bei Kienast ( 2 1996, p. 200) und Franke (1999b, col. 39), Philipp iunior sei eventuell 238 geboren, ist also falsch. ILS 512. Nach der Epitome (28,3) war sein Name C. Iulius Saturninus. Sofern es sich nicht um einen späteren Irrtum handelt (so Petersen, PIR IV 2 , p. 248), trug Philipp II. diesen Namen möglicherweise vor seiner Erhebung zum Caesar (so E. Stein, 1918b, col. 771, gefolgt von Görg, 1920, p. 26). Da es unter Probus einen Usurpator mit dem Namen C. Iulius Saturninus gab (cf. Kienast, 2 1996, pp. 256f.), ist meines Erachtens jedoch die Möglichkeit einer Namensverwechslung in Erwägung zu ziehen. Zur Regierungsbeteiligung: Aur. Vict., Caes. 28,1; Epit. de Caes. 28,3; Hier., Chron. z.J. 2261; Zos. 1,22,3; Chron. Pasch. 269 (PG 92, col. 665) (In der Osterchronik wird die Bezeichnung Φ ί λ ι π π ο ς ό Ί ο υ ν ί ω ρ fälschlicherweise f ü r den älteren Philipp verwendet.); Georg. Mon. 358 (PG 110, col. 545); Zon. 12,19. Das erste überlieferte Dokument, das den jüngeren Philipp als Caesar nennt, ist ein Res-

2.2. Philipps Familie

43

scheinlich wurde Philipp II. nicht gleichzeitig mit der Machtübernahme seines Vaters zum Caesar ernannt, sondern einige Monate später, wie die epigraphischen Zeugnisse nahelegen. 8 6 Ende Juli / Anfang August 247 wurde Philipp II. zum Augustus und damit zum offiziellen Mitregenten erhoben. Damit wurde er auch, wie sein Vater bereits seit 244, pontifex maximus,87 Die tribunicia potestas Philipps II. wird teils ab 247, das heisst von seiner Erhebung zum Augustus an, teils gleich wie die seines Vaters, das heisst ab 244 gezählt. 88 In den Jahren 247 und 248 bekleidete Philipp II. zusammen mit Philipp I. den Konsulat. Als Philippus Arabs 249 bei Verona fiel, wurde sein Sohn in Rom im Prätorianerlager getötet. 89

2.2.2.2. Die Münzprägung Philipps II. Die Münzprägung Philipp iuniors, der selbst noch zu jung war, um grossen Einfluss darauf zu nehmen, ist in erster Linie ein Zeugnis für die dynastische Propaganda seines Vaters. Die Münztypen Philipps II. unterscheiden sich denn auch nur unwesentlich von denen Philipps I.

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kript vom 15.8.244: Cod. lust. 4,29,10; Cf. f ü r die Titulatur ferner ILS 506-509; 512. Loriot, 1975b, p. 791, gefolgt von Peachin, 1990, p. 31. Loriot verweist auf die Inschrift vom 23.7.244 (ILS 505 = CIL XIV 2258), die in Rom für die Victoria Redux Philipps I. und der Otacilia Severa aufgestellt wurde und auf der Philipp II. noch nicht erwähnt ist. Wäre er bereits als Caesar und princeps iuventutis zum Nachfolger designiert gewesen, dann hatte man ihn in den Wunsch nach einer glücklichen Rückkehr der Kaiserfamilie aus dem Osten eingeschlossen. Cf. Kap. 3.3. In CIL VI 32414 vom 11.7.247 erscheint er noch als Caesar, auf Münzen aus Alexandria hingegen bereits vor dem 29.8.247 als Augustus (cf. Loriot, 1975b, p. 792). Der Pontifikat ist belegt in CIL VIII 8323. Zum Teil erscheinen beide Kaiser bereits vor dem Juli 247 als Augg. (zum Beispiel IGR I 1093, vom 27.1.247); dies ist aber durchaus nicht ungewöhnlich, wenn bereits der eine von zwei Herrschern Augustus war (cf. Loriot, 1975b, p. 792, Anm. 14; Amer/Gawlikowski, 1985, pp. 12f.; cf. Kap. 3.3.). Cf. dazu Mommsen, Staatsrecht II.2, p. 1164 mit Anm. 5, und p. 1165 mit Anm. 2, der annimmt, dass Philipp iunior die erste tribunicia potestas gleichzeitig mit seiner Erhebung zum Caesar erhielt (cf. ders. zu CIL III Suppl. 3, p. 2003). Überzeugend widerlegt von E. Stein (1918b, col. 771), der zeigt, dass auf Münzen und Inschriften von 244 bis 247, also aus der Zeit, in der Philipp II. Caesar war, Angaben zur tribunicia potestas fehlen. So Chron. 354 (Mommsen, Chron. min., Bd. 1, p. 147, Z. 33); Aur. Vict., Caes. 28,11; Joh. Ant., Frg. 148 (FHO 4, pp. 597f.). Ohne Erwähnung des Prätorianerlagers: Eutr. 9,3; Epit. de Caes. 28,3; Hier., Chron. z.J. 2267; von Hieronymus abhängig: Cassiod., Chron. (Mommsen, Chron. min., Bd. 2, p. 147, Z. 953). Zur Diskussion der abweichenden Überlieferung bei Zos. 1,22,3, bzw. Zon. 12,19, und zur Forschungsthese, dass Philipp II. nach dem Tode seines Vaters kurze Zeit regierte, cf. Kap. 14.2.1.

44

2. H e r k u n f t und F a m i l i e

Die Vorderseiten zeigen die Büste des jungen Kaisers. Sie tragen die Legenden M. lui. Philippus Caes., Imp. M. lui. Philippus Aug. oder nur Imp. Philippus Aug.90 Die Reversseiten lassen sich einteilen in Prägungen, die das Wohlergehen des Staates feiern, Prägungen militärischen Charakters, Münzen, die die Kaiserfamilie und Philipp II. feiern, und Münzen, die anlässlich der Tausendjahrfeier geprägt wurden. Daneben gibt es eine grössere Anzahl gemeinsamer Prägungen der Kaiserfamilie, die die Eintracht der Dynastie feiern.

2.2.2.2.1. Prägungen, die das Wohlergehen des Staates feiern 91 Aequitas 92 : Die Legende Aequitas Augg. wird teils mit einer Darstellung der Aequitas (mit Waage und Füllhorn), teils mit den drei Monetae, jede eine Waage und ein Füllhorn haltend, Metallhaufen zu ihren Füssen, kombiniert. Die Darstellung unterscheidet sich nicht von denen Philipps I. Aeternitas 93 : Dargestellt ist Sol. Die Legende lautet Aeternit(as) Imperi. Dieselbe Darstellung, kombiniert mit der Legende Aeternitati Aug., zeigen auch Münzen Gordians III. 94 Ausgesprochen häufig ist das Sol-Bild unter dieser Dynastie. 95 Die Legende Aeternitas Imperii findet sich ebenfalls unter den Severern, wobei sie häufig mit Darstellungen der Kaiserfamilie kombiniert wird. 96 Die Herrscherfamilie erscheint so als Garantin des ewigen Bestandes des Reiches. Auch die Münze Philipp iuniors verbindet den Fortbestand des Reiches sinnfällig mit dem Thronfolger. Felicitas 97 : Gezeigt wird Felicitas mit caduceus und Füllhorn. Dieser Typus ist häufig für Philipp I. belegt.

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Mattingly (RIC 4 . 3 , p. 5 6 ) datiert die A v e r s l e g e n d e n folgendermassen: M. lui. Philippus Caes.\ 2 4 4 - 2 4 7 n.Chr.; Imp. M. lui. Philippus Aug.: nur kurze Zeit 2 4 7 ; Imp. Philippus Aug. : 2 4 7 - 2 4 9 . Für die j e w e i l i g e n ältere B e l e g e und für vergleichbare Prägungen Philipps I. cf. Kap. 5.2. RIC 4 . 3 , p. 9 7 , Nr. 2 2 8 ; p. 99, Nr. 2 4 0 a - b (Ant.). RIC 4 . 3 , p. 9 7 , Nr. 2 2 6 . RIC 4 . 3 , p. 2 6 , Nr. 98; cf. auch p. 24, Nr. 83 etc. S e p t i m i u s Severus: zum Beispiel RIC 4 . 1 , p. 103, Nr. 101; p. 119, Nr. 2 1 7 . Caracalla: RIC 4 . 1 , p. 2 5 6 , Nr. 2 9 3 . Geta: RIC 4 . 1 , p. 3 2 9 , Nr. 108. Elagabalus: zum B e i s p i e l RIC 4 . 2 , p. 2 9 , Nr. 17; p. 52, Nr. 2 8 9 . Severus Alexander: zum B e i s p i e l RIC 4 . 2 , p. 71; p. 78, Nr. lOOf. S e p t i m i u s Severus: zum Beispiel RIC 4 . 1 , p. I l l , Nr. 155. Iulia Domna: RIC 4 . 1 , p. 166, Nr. 5 3 9 - 5 4 1 . Caracalla: zum B e i s p i e l RIC 4 . 1 , p. 2 1 7 , Nr. 32. Geta: RIC 4 . 1 , p. 3 1 4 , Nr. 5. RIC 4 . 3 , p. 9 8 , Nr. 2 3 2 (Ant.); 2 3 3 (Ant.); 2 3 5 (Ant.).

2.2. Philipps Familie

45

Pax 98 : Dargestellt ist Pax mit Zweig und Szepter und der Inschrift Pax Aeterna. Auch in diesem Fall wird ein Typus Philipps I. aufgegriffen. Roma": Eine Abbildung der Göttin Roma, die eine Victoria und einen Speer hält, wird mit der Legende Romae Aeternae kombiniert. Auf den Münzen des älteren Philipps fehlt eine solche Prägung. Sie findet sich hingegen bei den Gordianen 238 n.Chr., ferner unter den Severern. 100 Bereits Pescennius Niger und Clodius Albinus hatten in den Bürgerkriegen gegen Septimius Severus eine ganze Reihe von Romae Aeternae-Münzen geprägt. 101 Für die Zeit vor 193 n.Chr. sind Hadrian, Antoninus Pius, Commodus und Pertinax zu nennen. 102 Spes 103 : Die personifizierte Spes erscheint sowohl auf Münzen Philipps II. (Legende Spes Publica), als auch in der Münzprägung Philipps I. (Legende Spes Félicitât is Or bis).104 Dieselbe Reversseite wie auf der Münze Philipps II. findet sich auf einer antiochenischen Prägung Gordians III. 105 Ältere Beispiele weisen wieder in die Severerzeit, wo die Reversseite fast immer bei designierten Nachfolgern auftaucht. 106 Die Verwendung dieses Münztyps für den Thronfolger ist im übrigen schon für Commodus feststellbar. 107 Die designierten Nachfolger werden so als die „hoffnungsvolle Zukunft" des Reiches präsentiert. In der Münzprägung des jüngeren Philipps werden wie auf den Münzen Philipps I. das Glück und der Friede des Reiches, die Hoffnung auf eine weiterhin glückliche Zukunft und die Gerechtigkeit der Kaiser gefeiert. Dazu tritt der Gedanke der Ewigkeit der Stadt Rom und des Rei-

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RIC 4 . 3 , p. 9 7 , Nr. 2 2 7 ; 2 3 1 a - c ; p. 103, Nr. 2 6 8 a - d . RIC 4 . 3 , p. 9 9 , Nr. 2 4 3 (Ant.). Gordian I.: RIC 4 . 2 , p. 160, Nr. 3f.; p. 161, Nr. 10. Gordian II.: RIC 4 . 2 , p. 164, Nr. 5. S e p t i m i u s Severus: RIC 4.1, p. 127, Nr. 2 9 1 f . Iulia Domna: RIC 4 . 1 , p. 174, Nr. 6 1 3 . Caracalla: RIC 4 . 1 , p. 2 3 3 , Nr. 143. Severus Alexander: RIC 4 . 2 , p. 84, Nr. 175; p. 118, Nr. 6 0 2 - 6 0 7 . P e s c e n n i u s Niger: RIC 4 . 1 , pp. 3 4 f „ Nr. 6 9 - 7 2 . C l o d i u s Albinus: RIC 4 . 1 , p. 4 5 , Nr. 11. Hadrian: zum B e i s p i e l RIC 2, p. 3 7 0 , Nr. 2 6 3 ; 2 6 3 A ; 2 6 5 . Antoninus Pius: zum B e i s p i e l RIC 3, p. 36, Nr. 80. C o m m o d u s : zum B e i s p i e l RIC 3, p. 3 8 5 , Nr. 177. Pertinax: RIC 4 . 1 , p. 10, Nr. 23. Die Darstellungen variieren. RIC 4 . 3 , p. 9 6 , Nr. 2 2 1 ; p. 101, Nr. 2 5 9 . RIC 4 . 3 , p. 76, Nr. 7 0 (Ant.); p. 77, Nr. 73 (Ant.). RIC 4 . 3 , p. 35, Nr. 201 (Ant.). Caracalla: zum B e i s p i e l RIC 4 . 1 , p. 2 1 5 , Nr. 2 2 A ; p. 2 1 6 , Nr. 26. Geta: zum B e i spiel RIC 4 . 1 , p. 3 1 4 , Nr. 4. Diadumenianus, der Sohn des Macrinus: RIC 4 . 2 , p. 14, Nr. 1 1 4 - 1 1 7 ; p. 2 2 , Nr. 2 1 9 f . Ferner bei Severus Alexander (hier allerdings, als er bereits Alleinherrscher ist): RIC 4 . 2 , p. 89, Nr. 2 5 3 - 2 5 5 . RIC 3, p. 2 6 4 , Nr. 6 2 0 - 6 2 2 ; p. 3 3 5 , Nr. 1530; p. 3 3 6 , Nr. 1 5 4 3 - 1 5 4 5 .

46

2. Herkunft und Familie

ches. 108 Die Hoffnung auf die glückliche Zukunft und die ewige Dauer des Reiches wird hier mit dem designierten Nachfolger verbunden.

2.2.2.2.2. Prägungen militärischen Charakters Manche Münzen zeigen den jungen Kaiser mit militärischen Attributen, so in Militärkleidung, zum Teil mit Soldaten oder Kriegsgefangenen. Der junge Kaiser hält dabei verschiedene Attribute für Herrschaft oder Militär, wie Globus, Szepter, Standarte, Speer. 109 Alle diese Prägungen tragen die Legende Principi Iuventutis110, seit Augustus Titel des Caesar und designierten Nachfolgers. 111 Münzen Philipps II. mit der Legende Virtus Augg. zeigen Mars mit Speer und Trophäe. 112 Ähnliche Prägungen, die die Legende Principi Iuventutis tragen und den Thronfolger mit militärischen Symbolen zeigen, sind unter anderem auch für die Söhne des Septimius Severus, für Diadumenianus, für Severus Alexander, und für Maximus, den Sohn des Maximinus Thrax belegt. 113 Auf Medaillons, die für beide Philippi zusammen geprägt wurden, erscheinen die Legenden Adventus Augustorum und Adlocutio Augustorum·, dargestellt sind die beiden Kaiser zu Pferde in Begleitung von Soldaten oder bei einer Anrede an die Truppen. 114 Diese Münzserien hatten die Aufgabe, den jungen Philipp bereits der Bevölkerung, vor allem den Soldaten, deren Treue gerade in den Wirren des 3. Jahrhunderts eine wichtige Grundlage der Monarchie war, als Krieger vorzustellen und somit als Nachfolger auf dem Kaiserthron und als dereinstigen Oberbefehlshaber des Heeres anzukündigen. Philippus 108

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Die a n t i o c h e n i s c h e Romae Aeternae-Prägung ist zwar undatiert, nimmt aber mit Sicherheit B e z u g auf die Tausendjahrfeier. RIC 4 . 3 , p. 9 5 , Nr. 2 1 6 a - c ; 2 1 7 ; p. 9 6 , Nr. 2 1 8 a - d ; 2 1 9 ; 2 2 0 a - b ; p. 9 8 , Nr. 2 3 7 (Ant.); p. 101, Nr. 2 5 5 a - 2 5 7 ; 2 5 8 a - d . Ausnahme: D i e a n t i o c h e n i s c h e Prägung RIC 4 . 3 , p. 9 8 , Nr. 2 3 7 , deren Legende die Herrschertitulatur Philipp iuniors für das Jahr 2 4 9 n.Chr. ist. Cf. dazu Beringer, 1954, col. 2 2 9 6 - 2 3 1 1 , mit einer kommentierten Liste sämtlicher principes iuventutis der Kaiserzeit (col. 2 2 9 9 - 2 3 0 7 ) ; H. Volkmann, Art. Princeps Nr. 2, KIP 4, 1972, col. 1140. RIC 4 . 3 , p. 9 6 , Nr. 2 2 3 ; p. 102, Nr. 2 6 3 . Caracalla: zum B e i s p i e l RIC 4.1, p. 2 3 3 , Nr. 140; p. 2 7 6 , Nr. 3 9 8 . Geta: zum B e i spiel RIC 4 . 1 , p. 3 1 6 , Nr. 15-18; p. 3 3 1 , Nr. 113A. Diadumenianus: RIC 4 . 2 , pp. 13f., Nr. 1 0 1 - 1 1 2 ; p. 22, Nr. 2 1 1 - 2 1 7 . Severus Alexander: RIC 4 . 2 , p. 102, Nr. 3 8 6 . M a x i m u s : RIC 4 . 2 , p. 155, Nr. 5; p. 156, Nr. 9 und 14. Zu allen cf. auch B e ringer, 1954, col. 2 3 0 5 f . Für B e i s p i e l e vor der Severerzeit cf. die Register in der RIC und die Z u s a m m e n s t e l l u n g bei Beringer, 1954, col. 2 2 9 9 - 2 3 0 5 . RIC 4 . 3 , pp. 9 2 f . Zur Unterscheidung von Münzen und M e d a i l l o n s (die nicht immer eindeutig ist) cf. Toynbee, 1943, pp. 15f.: „... for all its superficial resemblance to a c o i n , the primary purpose o f a medal is not circulation as currency but distribution as a gift."

2.2. Philipps Familie

47

Arabs Hess seinen Sohn sicher auch an zeremoniellen Anlässen teilnehmen, um ihn auf diese Weise den Truppen zu präsentieren und deren Loyalität auch für den Nachfolger zu gewinnen.

2.2.2.2.3. Münzen, die die Kaiserfamilie und Philipp II. feiern Zahlreiche Prägungen präsentieren den jungen Philipp bereits als Mitherrscher. So wird Philipp iunior mit den Herrschaftsinsignien Globus und Szepter gezeigt. 115 Auf anderen Münzen erscheint er zusammen mit seinem Vater, auf kurulischen Stühlen sitzend, mit der Legende Liber alitas ." 6 Die Beteiligung des Nachfolgers an der Liberalitas und damit an der herrscherlichen Grosszügigkeit hat einen Vorläufer bei Gordian III., als dieser noch Caesar war (238 n.Chr.)." 7 Auch beim Opfer wird Philipp II. gezeigt. 118 Religiöse Bedeutung hat ferner die Pietas Augustorum-Prägung.119 Auf dieser sind mehrere alte Kultsymbole dargestellt: Weihwedel, Opfermesser, Krug, simpuvium und lituus. Es wird also gerade die altrömische Religion auf dieser Münze betont, was auch zur Beschwörung der Traditionen der Stadt Rom anlässlich der Tausendjahrfeier passt. 120 Diese Darstellung findet sich in der Regel auf den Münzen von Thronfolgern, so bei Gordian III. in der Zeit, als dieser unter den Augusti Pupienus und Balbinus Caesar war (238 n.Chr.), beim Caesar Maximus, dem Sohn des Maximinus Thrax, und bei Severus Alexander, als dieser Caesar unter Elagabalus war, bei Caracalla und Geta, bei Marc Aurel als Caesar unter Antoninus Pius und bei Commodus. 121 Der junge Kaiser wird so bereits als Herrscher vorgestellt und in vergleichbaren Szenen wie sein Vater gezeigt. 122 Philipp II. wird als

115 116 117 118 119 120 121

122

RIC 4.3, p. 102, Nr. 262a-b. RIC 4.3, p. 97, Nr. 230; 99, Nr. 245 (Ant.); p. 103, Nr. 266; 267a-b. RIC 4.2, p. 177, Nr. 2. RIC 4.3, p. 98, Nr. 234 (Ant.); Nr. 236 (Ant.). RIC 4.3, p. 95, Nr. 215. Cf. Kap. 11. Gordian III.: RIC 4.2, p. 177, Nr. 1; Nr. 3. Maximus: RIC 4.2, p. 154, Nr. l f . ; p. 155, Nr. 6-8; p. 156, Nr. l l f . Severus Alexander: RIC 4.2, p. 70, Nr. 3; p. 102, Nr. 383. Caracalla: RIC 4.1, p. 212, Nr. 3; p. 213, Nr. 15; p. 276, Nr. 400; p. 277, Nr. 404. Geta: RIC 4.1, p. 314, Nr. 3; p. 329, Nr. 107; p. 330, Nr. 110 und 110A. M. Aurel: RIC 3, p. 79, Nr. 424; p. 174, Nr. 1234. Commodus: RIC 3, p. 263, Nr. 613f.; p. 335, Nr. 1527-1529; p. 336, Nr. 1538f. Eine ahnliche „Vorstellung" des Thronnachfolgers durch bildliche Darstellungen, die den Prinzen mit militärischen oder Herrschaftsinsignien zeigen, findet sich zum Beispiel auch bei Caracalla (cf. RIC 4.1, p. 228), bei Geta (cf. RIC 4.1, p. 322), bei Diadumenian (cf. RIC 4.2, pp. 13f.; p. 22), bei Severus Alexander (cf. RIC 4.2,

48

2. H e r k u n f t u n d F a m i l i e

mitverantwortlich für die kaiserliche Grosszügigkeit präsentiert und als Mitherrscher in die Vota Decennalia miteinbezogen. 1 2 3 In diesen Zusammenhang passen auch zwei antiochenische Münzen Philipps II., die einen strahlenbekränzten Löwen zeigen, nach Mattingly ein Symbol für den Sonnengott und den unbesiegbaren Herrscher. 124 Dieser Typus, der sich auch bei Philipp I. findet, ist typisch für die syrische Vorstellungswelt und wird Anfang der 50er Jahre des 3. Jahrhunderts von Uranius Antoninus aufgegriffen werden. 125 Das Wohlergehen der Kaiserfamilie wird in den Felicitas Imperatorum- Prägungen gefeiert. 126 Wie seine Mutter unter den Schutz der Iuno Conservatrix (cf. oben Kap. 2.2.1.3.), so wird Philipp II. unter den des Iuppiter Conservator gestellt. 1 2 7 Der Iuppiter Conservator taucht im übrigen bereits auf Prägungen Gordians III. auf. 128 Davor ist er für Balbinus und Pupienus und in der Severerzeit belegt, im 2. Jahrhundert für Commodus. 1 2 9 Prägungen der beiden Philippi tragen Legenden wie Pietas Augustorum und Concordia Augustorum.no Die Eintracht der Kaiserfamilie, die auf einer Prägung Philipp iuniors erscheint, wurde bereits auf Münzen Otacilias beschworen. 131 Die Präsentation der einträchtigen Kaiserfamilie ist auch Thema der zahlreichen Münzen und Medaillons, die Mitglieder der kaiserlichen Familie zeigen. Prägungen der ganzen Kaiserfamilie tragen die Legenden Concordia Augustorum,

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126 127 128

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131

pp. l O l f . ) und bei Maximus (cf. RIC 4.2, pp. 155f.). Cf. zu den Motiven auch Kap. 5.2.2. RIC 4.3, p. 103, Nr. 269. RIC 4.3, p. 98, Nr. 238f. (Ant.). Mattingly, ebd., p. 64. Philipp I.: RIC 4.3, p. 78, Nr. 80 (Ant.); Uranius Antoninus: RIC 4.3, p. 205, Nr. 6 (Emesa). Ein strahlenbekränzter Löwe mit einem Blitz zwischen den Zahnen taucht bereits auf stadtrömischen Münzen Caracallas auf: RIC 4.1, p. 252, Nr. 273; p. 254, Nr. 283; pp. 256f., Nr. 296; p. 303, Nr. 548; p. 304, Nr. 552; p. 305, Nr. 557; p. 306, Nr. 564 und 566A; p. 307, Nr. 571. Möglicherweise findet sich derselbe Typ auch unter Severus Alexander: cf. RIC 4.2, p. 72, Anm. RIC 4.3, p. 99, Nr. 242 (Ant.). RIC 4.3, p. 95, Nr. 213-214 (wohl Ant.). RIC 4.3, p. 15, Nr. 2 : Auf dieser Darstellung hält Iuppiter seine Hand über Gordian III. (cf. dazu RIC 4.3, p. 8). Balbinus: RIC 4.2, p. 169, Nr. 2; p. 170, Nr. 13. Pupienus: RIC 4.2, p. 173, Nr. 2; p. 174, Nr. 12. Septimius Severus: RIC 4.1, p. 104, Nr. 111A; p. 107, Nr. 130; p. 160, Nr. 504A. Caracalla: p. 258, Nr. 301. Macrinus: RIC 4.2, p. 10, Nr. 71-77; p. 20, Nr. 185-192. Elagabalus: RIC 4.2, p. 34, Nr. 89-91. Severus Alexander: RIC 4.2, p. 82, Nr. 140f.; p. 115, Nr. 558f. Pescennius Niger: RIC 4.1, p. 29, Nr. 41f. Commodus: als Caesar: RIC 3, p. 335, Nr. 1524f.; als Augustus: RIC 3, p. 403, Nr. 304; p. 404, Nr. 308c; p. 406, Nr. 328. Vor Commodus taucht die Legende vor allem auf Münzen Domitians auf: RIC 2, p. 158, Nr. 40; p. 185, Nr. 247; p. 188, Nr. 269; p. 192, Nr. 300 und 300A; p. 196, Nr. 334 und 334a. Concordia: RIC 4.3, pp. 92f. (Medaillons); Pietas: RIC 4.3, p. 101, Nr. 260 (eventuell Medaillon). Philipp iunior: RIC 4.3, p. 99, Nr. 241 (Ant.). Für Otacilia cf. oben Kap. 2.2.1.3.

2.2. Philipps Familie

49

Aug(usto) Patri Aug(ustae) Mairi, Pietas Augustorum.132 Sie betonen die Eintracht innerhalb der Kaiserfamilie und die pietas, die die einzelnen Mitglieder einander entgegenbringen und spiegeln damit das Bestreben der neuen Dynastie wider, sich als einträchtige und gottesfürchtige Herrscher zu präsentieren, die dadurch wiederum zu Garanten der Eintracht und pietas / religiositas des ganzen Reiches werden und sich so als Kaiser legitimieren.

2.2.2.2.4. Münzen der Tausendjahrfeier Es werden für die Tausendjahrfeier keine Typen speziell für den jüngeren Philipp geschaffen, sondern die auch im Namen Philipps I. und Otacilias geprägten Darstellungen und Legenden verwendet. 133 Philipp II. wird in die Prägung der Tausendjahrfeier miteinbezogen und erscheint so als Mitgarant des neuen Zeitalters: Die Zukunft des Reiches liegt auch in den Händen des Mitregenten, der dereinst allein als Kaiser herrschen wird.

2.2.3. (Iulius) Marinus, der Vater Philipps 134 Philipps Vater ist in den Quellen nur noch schwer fassbar. Eine Reihe von epigraphischen und numismatischen Zeugnissen aus Philippopolis in Arabia wird auf ihn bezogen: (1) [Μ(δρκον) Ίούλι]ον Μαρϊ[νον] θεόν, πατέρα [του Σεβαστού], [...] Αύρήλ(ιος) Άντω[νεΐνος] δουκηνάριο[ς]. 135

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Concordia·. RIC 4.3, p. 96, Nr. 222; p. 102, Nr. 261 (eventuell handelt es sich um ein Medaillon). Aug. Patri Aug. Matri: RIC 4.3, p. 97, Nr. 229. Pietas: RIC 4.3, p. 95, Nr. 212a-b. Das einträchtige Ehepaar erscheint auf RIC 4.3, p. 92, Nr. 196, Mutter und Sohn auf RIC 4.3, p. 92, Nr. 197. Klein (1998, p. 88; cf. auch p. 91) erwähnt schliesslich einen Medaillontyp, der auf der Vorderseite alle drei Mitglieder der Kaiserfamilie zeigt (sonst sind die drei Büsten jeweils auf die Vorder- und Rückseite verteilt). Nach Klein handelt es sich um die erste Darstellung von drei Familienmitgliedern auf der Vorderseite eines Medaillons in der ganzen römischen Kaiserzeit. Die Rückseiten des Typs zeigen teils Philipp iunior, teils einen Rundtempel mit einer Apollostatue; die Reverslegende lautet Ex Oráculo Apollinis. Nach Klein lässt sich die Bedeutung dieser Reversseiten nicht mehr rekonstruieren. RIC 4.3, p. 97, Nr. 224f.; p. 99, Nr. 244 (Ant.); p. 102, Nr. 264f. Für die Prägungen der vierten Gruppe wird hier nur auf die Frage eingegangen, inwieweit die Münzen Philipps II. Typen seines Vaters wiederaufgreifen. Zum Inhalt der Prägungen cf. Kap. 11. Literatur zu Marinus: A. Stein, 1918a, col. 669f.; L. Petersen, PIR IV 2 , Berlin 1966, pp. 234f., Nr. 407; Hanslik, 1967b, col. 1533; Franke, 1999a, col. 37.

2. Herkunft und Familie

50

(2) Θ ε φ Μ α ρ ε ι ν ω [...]τος ύπα[τικός]. 1 3 6 (3) [Θ]εφ [Μαρε]ίνω [... ύχ]α[τικός ?].'" (4) Divo Marino eq(uites) alae Celerum Philippianae.n% D e n vier Inschriften lässt s i c h e n t n e h m e n , dass ein G o t t n a m e n s M a r ( e ) i n o s in P h i l i p p o p o l i s verehrt w u r d e . D e r N a m e M a r ( e ) i n o s ist h ä u f i g im s y r i s c h e n Sprachraum, z u m B e i s p i e l a l s N a m e der P r i e s t e r des kommagenischen Gottes Dolichenus. Möglicherweise handelt e s s i c h um d i e latinisierte Form d e s s e m i t i s c h e n W o r t e s marina = „ u n s e r Herr (?)". 1 3 9 D i e z w e i t e und die dritte Inschrift w a r e n an d e m G e b ä u d e a n g e b r a c h t , d a s s in der F o r s c h u n g z u m T e i l als „ P h i l i p p e i o n " b e z e i c h net wird, w ä h r e n d die erste Inschrift in der N ä h e d a v o n g e f u n d e n w u r de. D i e Fundorte der I n s c h r i f t e n l e g e n nahe, d a s s das „ P h i l i p p e i o n " d a s Zentrum e i n e s M a r e i n o s - K u l t e s war. 1 4 0 D e r G o t t M a r i n o s e r s c h e i n t a u c h a u f M ü n z e n , d i e in P h i l i p p o p o l i s g e p r ä g t w u r d e n . D i e V o r d e r s e i t e n tragen d i e Inschrift Θ ε φ Μ α ρ ί ν φ und z e i g e n die B ü s t e e i n e s M a n n e s über e i n e m A d l e r , die t y p i s c h e D a r s t e l l u n g einer V e r g ö t t l i c h u n g . 1 4 1 A u f der R e v e r s s e i t e ist d i e Göttin R o m a a b g e b i l d e t mit der L e g e n d e Φ ι λ ι π ποπολιτών Κολωνίας, zum Teil mit dem Zusatz S(enatus) C(onsulto).142

135

136 137 138

Wadd. 2075 = IGR III 1199 = Prentice 400a. (Die Ergänzung des Vornamens Marcus, erstmals von Waddington ohne Begründung eingeführt, ist wohl ein Analogieschluss, abgeleitet aus dem Vornamen des Kaisers selbst, und lässt sich nicht begründen.) Wadd. 2076a = IGR III 1200a = Prentice 396. Wadd. 2076b = IGR III 1200b = Prentice 397. Ann. ép. 1928, p. 43 = Ann. ép. 1992, 1694; cf. auch Amer/Gawlikowski, 1985, p. 12.

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Ed. Meyer, Art. Dolichenus, in: W. H. Roscher (Hrsg.), Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie, Bd. 1.1, Leipzig 1884-1886 (Nachdr. Hildesheim/New York 2 1978), col. 1192; F. Cumont, Art. Dolichenus, RE V.l, 1903, col. 1281 mit Belegen. Meyer (ebd.) erwägt, dass es sich bei der Bezeichnung Marinus möglicherweise um den Titel des Dolichenus-Priesters gehandelt haben könnte. Waddington, p. 492, zu Nr. 2075 und 2076; Cagnat in: IGR III p. 439, zu Nr. 1200; Petersen, PIR IV2, Fase. 3, p. 234, und A. Stein, 1918a, col. 669. Annie Sartre (1989, p. 439) reiht das „Philippeion" unter die in Syrien auch sonst belegten „temples funéraires" ein. Cf. dazu auch Kap. 9.1.3. Zum Adler als Symbol der Apotheose, cf. Κ. Latte, Römische Religionsgeschichte, München 2 1967 ('i960) (Handbuch der Altertumswissenschaft V.4), p. 309, Anm. 1; E. Oder, Art. Adler, RE 1.1, 1893, col. 375; C. Hünemörder, Art. Adler, DNP 1, 1996, col. 115f. Cohen V 2 , p. 180, Nr. 1-2; Hill, BMC, p. 42, Nr. 1-3. (Die Beschreibungen der Reversdarstellungen stimmen zwischen Cohen und Hill nicht überein.) Die Abbildung der Göttin Roma erscheint auch auf Münzen der beiden Philippi und der Otacilia Severa aus Philippopolis (Hill, BMC, pp. 42f., Nr. 4-10). Dabei hält Roma in ihrer Rechten einen Adler, der zwei Figuren trägt. Cohen (a.a.O.) sieht in den zwei Figuren die Dioskuren. Hill (BMC, p. XLI) hingegen nimmt an, es handle sich

2.2. Philipps Familie

51

Seit Waddingtons Publikation der Inschriften wird der numismatisch und epigraphisch belegte Gott mit Philipps Vater identifiziert. 143 Mag auch der Name des Sohnes in der ersten oben genannten Inschrift ausgefallen sein, so liegt diese Identifizierung doch nahe. Dafür spricht einmal, dass der Marinus-Tempel neben einem grossen Monument liegt, das die kaiserliche Familie ehren sollte. 144 Aurelius Antoninus, der Stifter einer Marinus-Inschrift, liess auch Inschriften für die Philippi und wohl für Priscus aufstellen, die alle im oder neben dem „Philippeion" gefunden wurden. 145 Marinus stand also mit der Familie in engem Zusammenhang. Die Vergöttlichung seines Vaters diente Philipp dazu, sich als divi filius auszuweisen und so seine nach römisch-italischen Massstäben obskure Herkunft aufzuwerten. 146 Die Divinisierung eines Vaters, der selbst seinerseits nicht Kaiser gewesen war, war in der römischen Tradition nicht neu: So liess bereits Trajan seinen leiblichen Vater vergöttlichen. Dieser hatte aber immerhin unter Nero und den Flaviern Karriere im Reichsdienst gemacht und war von Vespasian in den Patriziat erhoben worden. 147 Für Marinus hingegen ist kein Amt der ritterlichen oder gar senatorischen Laufbahn belegt. Mit einem Tempel für den Vater des Kaisers wollten möglicherweise auch die Bewohner von Philippopolis ihre Verbundenheit zur Herrscherfamilie zum Ausdruck bringen. 148 Der Kult dürfte in erster Linie für die Bewohner von Philippopolis von Bedeutung gewesen sein, wie an anderer Stelle gezeigt werden soll. 149 Eine weitere Inschrift aus Philippopolis ist unter Umständen auch auf Philipps Vater zu beziehen: Υ π έ ρ σωτηρίας τών κυρίων Μ(άρκων) 'Ιουλίων Φιλίππων Σεβ(αστών), έπ(ι)μελο[υ]μένων 'Ιουλίου Σεντίου Μ ά λ χ ο υ καί Ά μ ω ν ί [ ο υ ] κέ

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bei den zwei Gestalten um Marinus und seine Ehefrau, die Mutter Philipps I. Der Adler deute auf die Vergöttlichung der beiden Eltern des Kaisers hin. D i e Mutter Philipps ist sonst allerdings in keiner antiken Quelle belegt. Cf. dazu genauer Kap. 9 . 1 . 5 . , Anm. 51. Früher hatte man die Münzen auf den Usurpator Marinus Pacatianus (cf. Kap. 13.2.) b e z o g e n , cf. zum Beispiel Aubé, 1880, pp. 147f., und die B e m e r k u n g bei Cohen V 2 , p. 180. Cf. Kap. 9 . 1 . 3 . W e i h u n g des Aurelius Antoninus für die beiden Philippi: Wadd. 2 0 7 4 = IGR III 1197 = Prentice 3 9 8 a ; Weihung für Priscus: Prentice 3 9 9 ; cf. A p p e n d i x I, P31, und Kap. 9 . 1 . 4 . Zu den Fundorten und zur Ä h n l i c h k e i t der Inschriften cf. Waddington, p. 491 zu Nr. 2 0 7 2 , p. 4 9 2 zu Nr. 2 0 7 4 und 2 0 7 5 ; ferner Prentice pp. 31 If. zu Nr. 3 9 8 und 3 9 9 . D i e s e s B e m ü h e n wird auch deutlich an den von Philipp geprägten M ü n z e n mit der Legende Nobilitai Aug. (RIC 4 . 3 , p. 69, Nr. 8; p. 88, Nr. 155a-b); cf. Kap. 5 . 2 . 2 . Cf. Kienast, 2 1 9 9 6 , pp. 124f.; R. Hanslik, Art. M. U l p i u s Traianus (pater) Nr. 1, RE Suppl. X, 1965, col. 1 0 3 4 f . Cf. auch Clauss, 1999, p. 4 7 3 . Cf. Kap. 9 . 1 . 3 .

52

2. Herkunft und Familie 'Αλεξάνδρου βουλ(ευτών), προεδρία Μαρρίνου, έτους πρώτου της πόλεως. 150

Neben den drei Ratsherren des Stadtrats wird der Ratsvorsitzende Marrinos genannt. Möglicherweise ist dieser Marrinos identisch mit dem (später) vergöttlichten Mar(e)inos. 1 5 1 Wenn diese Identifizierung zuträfe, hätte Marinus noch gelebt, nachdem sein Sohn bereits Kaiser geworden war und seine Heimatstadt in den Rang einer colonia erhoben hatte. Es ist jedenfalls äusserst wahrscheinlich, dass der Vorsitz des Stadtrats der gerade neugegründeten Kolonie (die Inschrift datiert aus ihrem ersten Jahr) dem Vater des Kaisers übertragen worden wäre, sofern er noch lebte. Doch welche Stellung nahm der Vater des Kaisers vor dessen Machtübernahme ein? In den literarischen Quellen findet sich nur eine einzige Erwähnung von Philipps Vater: In der Epitome de Caesaribus heisst es, dieser sei ein (im Text namentlich nicht genannter) nobilissimus latronum ductor gewesen. 1 5 2 Es war ein beliebter antiker Topos, die Araber als Räuber zu bezeichnen. Nach antiken Zeugnissen lebten die Bewohner des Hauran-Gebietes (der Trachonitis, der Auranitis und der Batanea) zur Zeit des Augustus noch in Höhlen und waren berüchtigte Räuber. 1 5 3 Strabon berichtet jedoch auch, dass die Römer der Gegend die ε υ ν ο μ ί α gebracht und durch die Stationierung von Soldaten in Syrien das Gebiet der Trachone befriedet hätten. 154 Zudem stand diese Region schon seit dem 1. Jh.v.Chr. unter römischer Kontrolle. 1 5 5 Räuberische Aktivitäten waren im 3. Jh.n.Chr. allenfalls noch von den unabhängigen Araberstämmen aus dem Inneren der arabischen Halbinsel zu erwarten, sicherlich aber nicht mehr von der romanisierten Bevölkerung 150 151 152 153

154

155

Wadd. 2 0 7 2 = IGR III 1196 = Prentice 3 9 5 . Cf. Α. Stein ( 1 9 1 8 a , col. 6 6 9 f . ) und Petersen (PIR IV 2 , p. 2 3 5 ) . Epit. de Caes. 2 8 , 3 . Cf. Kap. 2.1. Flav. l o s . , Ant. lud. 1 4 , 1 5 , 5 ; 1 5 , 1 0 , 1 ; 16,9,1 (zur Problematik des λ η σ τ ή ς - B e g r i f f s bei Iosephus cf. jetzt auch Grünewald, 1999, pp. 1 3 0 - 1 5 6 ) ; Strab. 1 6 , 2 , 2 0 (C 7 5 6 ) . Cf. auch die in Kanatha im Hauran g e f u n d e n e Inschrift eines der beiden Agrippa aus dem 1. Jh.n.Chr. (Wadd. 2 3 2 9 = OGIS I 4 2 4 = Prentice 4 0 4 ) , w o es heisst, die B e v ö l k e r u n g habe bis jetzt in Höhlen gelebt. Zu römischen Vorurteilen b e z ü g l i c h der Araber, gerade am Beispiel von Philipp, cf. vor allem B o w e r s o c k , 1983, p. 123. Strab. 1 6 , 2 , 2 0 (C 7 5 6 ) . Auch Iosephus erwähnt die Befriedung der Araber (Ant. lud. 1 5 , 1 0 , 1 ) , die sich aber 1 0 / 9 v.Chr. noch einmal g e g e n Herodes erhoben ( 1 6 , 9 , 1 - 4 ) . Selbst Benjamin Isaac (p. 184 mit Anm. 7 3 ) , der von räuberischen Aktivitäten in der Trachonitis auch in der späteren Kaiserzeit ausgeht, ist s i c h b e z ü g lich Marinus unsicher. M ö g l i c h e r w e i s e handelt es sich bei der A n g a b e in der Epitome um einen Irrtum: B o w e r s o c k , 1983, p. 124; cf. p. 20. Das Haurangebiet war durch Pompeius zu Rom g e k o m m e n , hatte dann z e i t w e i s e unter der Verwaltung der Dynastie des Herodes gestanden, z e i t w e i s e war es Teil der Provinz Syria g e w e s e n (cf. I. Benzinger, Art. Batanaia Nr. 1, RE III. 1, 1897, col. 116; ders., Art. Gaulanitis, RE VII. 1, 1910, col. 874; G. Hölscher, Art. Trachonitis, Trachon, RE VI.A.2, 1937, col. 1 8 6 5 f . )

2.2. Philipps Familie

53

der Provinz Arabia. In der römischen Kaiserzeit dürfte es daher in der Region kaum noch Banditen gegeben haben. Der Hinweis in der Epitome ist in engem Zusammenhang mit der unmittelbar vorangehenden Aussage zu sehen: Is Philippus humillimo ortus loco fuit. Die Kritik an der arabischen Herkunft Philipps findet sich auch bei anderen antiken Autoren. 156 Da lag es nahe, diese Kritik mit dem topischen Bild vom arabischen Banditen zu verbinden. Es besteht die Möglichkeit, dass sich hinter dem „Räuberhauptmann" ein σ τ ρ α τ η γ ό ς νομάδων verbirgt, ein Amt, das in der Gegend epigraphisch belegt ist.157 So ist aus dem 2. Jahrhundert ein Soaidas bekannt, der als ε θ ν ά ρ χ η ς und σ τ ρ α τ η γ ό ς νομάδων bezeichnet wird. 158 In einer undatierten Inschrift begegnet ein Odainathos, σ τ ρ α τ η γ ή σ α ς Άουιιδηνών 1 5 9 ; die Awidener waren ein arabischer Stamm. 160 Eine dritte, stark ergänzte Inschrift aus dem 1. Jh.n.Chr. erwähnt ebenfalls einen [στρατηγ]ός Νομάδων. 1 6 1 Aus diesen Zeugnissen geht hervor, dass es in der Region Nomaden gab, wohl arabische Stämme, die noch nicht sesshaft waren. Deren Führer wurden als Ethnarchen, Strategen oder wohl auch Phylarchen bezeichnet. Dass sie bis zu einem gewissen Grad bereits Einflüsse der griechisch-römischen Kultur aufgenommen hatten, zeigt neben den erwähnten Inschriften auch eine Ehreninschrift, die Nomaden für einen römischen Statthalter aufstellen Hessen. 162 Ein Nomadenführer konnte in der Perspektive der seit langem sesshaften Griechen und Römer durchaus zum „Räuberhauptmann" werden, zumal das Vorurteil von den „räuberischen Arabern" existierte. Zudem differenziert der Verfasser der Epitome, insofern er Marinus als nobilissimus latronum ductor bezeichnet. Möglicherweise war Marinus Führer eines grösseren nomadischen Stammes. Die ritterliche Karriere seiner Söhne muss dem nicht unbedingt widersprechen: Dass die Nomaden bereits vor dem 3. Jahrhundert Anteil an der römischen Kultur hat156

157 158

159

160

161 162

SHA, Gord. 29,1: humili genere nalus; 31,7: peregrina calliditate. Zos. 1,18,3: ο ρ μ ώ μ ε ν ο ς γ α ρ έξ ' Α ρ α β ί α ς , έ θ ν ο υ ς χ ε ι ρ ί σ τ ο υ . Cf. Kap. 2.1. Amer/Gawlikowski, 1985, p. 1; Bowersock, 1983, p. 131. Wadd. 2 1 9 6 = OGIS II 616 aus El-Mâlikîje. Interessant ist zudem, dass dieser Soaidas offensichtlich den Beinamen ' Α δ ρ ι α ν ό ς angenommen hatte. Wadd. 2236 = OGIS II 617 aus Râma. Wenn Dittenbergers Ergänzung φ ( υ ) λ ( α ρ χ ή σ ) α ( ν ) τ ι stimmt, dann wurde Odainath zudem als Phylarch, als Stammesführer bezeichnet. Cf. Dittenberger zu OGIS II 617, p. 313, und I. Benzinger, Art. Audenoi, RE Suppl. I, 1903, col. 226; ders., Art. Avida, ebd., col. 228. Weitere Hinweise auf den Stamm finden sich in Wadd. 2272 (Némara), Wadd. 2393 = OGIS II 619 (Deir-elLében), und Wadd. 2396 (Deir-el-Leben). Wadd. 2112 = OGIS II 421 aus El-Hit. Wadd. 2203 = Prentice 378 aus Tarbâ. Auch die Tatsache, dass ein N o m a d e n f ü h r e r den Namen Hadrians annahm (cf. Anm. 158) zeigt, dass die Nomaden bereits in engeren Kontakt mit der römischen Kultur gekommen waren.

54

2. H e r k u n f t u n d F a m i l i e

ten, zeigen die oben genannten epigraphischen Zeugnisse. Marinus dürfte bereits das römische Bürgerrecht besessen haben, da seine Söhne ritterliche Karrieren machten. Eine definitive Entscheidung der Frage, welche Position Marinus vor 244 eingenommen hat, muss aufgrund der schmalen Quellenlage letztlich offen bleiben. Seine Familie jedenfalls muss in der Region eine herausragende Bedeutung gehabt haben.

2.2.4. C. Iulius Priscus, der Bruder Philipps 1 6 3 C. Iulius Priscus ist als Bruder des Kaisers Philippus Arabs aus literarischen wie aus epigraphischen Quellen seit langem bekannt. Die Quellenlage hat in jüngster Zeit zwei entscheidende Änderungen erfahren: Die Erstpublikation eines Papyrus 1989 ermöglichte eine genauere Bestimmung der Befugnisse, die Priscus unter seinem Bruder hatte. Zum zweiten ist eine akephale Inschrift, die bisher immer wieder zur Untersuchung der Karriere des Priscus herangezogen wurde, nach einer erneuten Lesung des Steines eindeutig aus der Argumentation auszuscheiden. 164 Für Priscus sind drei Ämter gesichert: Er war Prätorianerpräfekt, Präfekt von Mesopotamien und rector Orientis, wobei es sich bei letzterem um einen Titel, nicht um ein Amt handelt, wie unten gezeigt werden soll. Entscheidend ist einmal die Frage der Datierung dieser Ämter und Titel und damit die Frage, inwieweit Priscus schon vor der Machtübernahme seines Bruders Karriere machte oder ob er seine Karriere erst Philipp verdankte. Zum zweiten stellt sich für den Titel rector Orientis

163

164

Literatur zu Priscus: D o m a s z e w s k i , 1899, pp. 159f.; A. Stein, 1918b, col. 7 8 1 f . ; Howe, 1942, pp. 1 0 6 - 1 1 1 ; Hanslik, 1957, col. 3; Pflaum, Bd. 2, 1960, pp. 8 3 3 - 8 3 9 , Nr. 3 2 4 und 3 2 4 a ; L. Petersen, PIR IV 2 , 1966, p. 2 5 4 , Nr. 4 8 8 ; Hanslik, 1 9 6 7 c , col. 1534; F e i s s e l / G a s c o u , 1989, pp. 5 3 5 - 5 6 1 ; F e i s s e l / G a s c o u , 1995, pp. 6 5 - 1 1 9 ; Franke, 1 9 9 9 c , col. 39; Körner, 1999, pp. 2 8 9 - 2 9 3 . Ferner: Kolb, 1987, pp. 9 9 - 1 3 2 ; Will, 1992, pp. 169f.; Nasti, 1993, pp. 3 6 5 - 3 8 0 ; Potter, 1996b, pp. 2 7 1 - 2 8 5 ; Peachin, 1996, pp. 174; 176f.; Christol, 1997, pp. 9 9 f . ; N a s t i , 1 9 9 7 , pp. 2 8 1 - 2 9 0 ; B a d e l / B é r e n g e r , 1998, pp. 1 8 8 - 1 9 1 . CIL VI 1638 = ILS 1331, a u s g e s c h i e d e n von Nasti, 1997, pp. 2 8 1 - 2 9 0 , vor allem p. 2 8 2 . D i e Inschrift wurde als Quelle für Priscus' Karriere verwendet von A. Stein ( 1 9 1 8 b , col. 7 8 I f . ) , Passerini ( 1 9 3 9 , pp. 3 3 8 f . ) H o w e ( 1 9 4 2 , pp. 1 0 8 f . ) und Hanslik ( 1 9 5 7 , col. 3; ders., 1967c, col. 1534). Auch Franke ( 1 9 9 9 c , col. 3 9 ) , der N a s t i s Beitrag o f f e n s i c h t l i c h nicht kennt, zieht die Inschrift noch für die Rekonstruktion der Karriere heran. Kritik an Verwendung der Inschrift für Priscus' Karriere war bereits vor Nasti geäussert worden, so vor allem von Pflaum ( 1 9 5 1 , p. 4 7 7 ; ders., Bd. 2, I 9 6 0 , pp. 8 3 3 ; 8 3 6 ) und Petersen (PIR IV 2 , p. 2 5 4 ) . Cf. auch A p p e n d i x I, P43.

2 . 2 . Philipps Familie

55

die Frage nach seiner genauen Bedeutung und den damit

verknüpften

Kompetenzen. entnehmen,

dass

Priscus eine σ ύ ν β ι ο ς namens Tryphonian[a] hatte und dass sein

Dem

epigraphischen

Befund

lässt

sich

ferner

Sohn

früh verstarb, w i e z w e i W e i h i n s c h r i f t e n aus P h i l i p p o p o l i s z e i g e n . 1 6 5

2.2.4.1. Die Laufbahn des Priscus Dass Priscus P r ä t o r i a n e r p r ä f e k t

w a r , ist a u s v i e r I n s c h r i f t e n

be-

kannt.166 Drei der Inschriften stammen aus seiner Heimatstadt P h i l i p p o polis, eine griechisch-palmyrenische

Bilingue aus Palmyra.

Zwei

I n s c h r i f t e n l a s s e n s i c h a n h a n d d e r K a i s e r t i t u l a t u r e n in d i e J a h r e

der zwi-

s c h e n 2 4 7 und 2 4 9 n.Chr. datieren. Priscus b e k l e i d e t e also mit Sicherheit die Prätorianerpräfektur unter der R e g i e r u n g s e i n e s Bruders. D i e b i l i n g u e I n s c h r i f t a u s P a l m y r a ehrt e i n e n I u l i u s A u r e l i u s

Zeno-

b i u s ( m ö g l i c h e r w e i s e V a t e r d e r Z e n o b i a 1 6 7 ) d a f ü r , d a s s er b e i m P e r s e r feldzug des Severus Alexander die Unterbringung von

Truppenverbän-

d e n in P a l m y r a o r g a n i s i e r t h a t t e . D i e s b e z e u g t e n , s o d e r T e x t d e r I n schrift, der Gott Iarhibol, ein Prätorianerpräfekt Iulius, d e s s e n men

165

166

167

168

eradiert wurde, und die Heimatstadt, also Palmyra.168 D i e

cognoHeraus-

Tryphoniana: Prentice 399. Der Name des Priscus ist ergänzt; die Ergänzung ist jedoch naheliegend, da der einzige Prätorianerpräfekt, der auf Inschriften in Philippopolis erscheint, Philipps Bruder Priscus ist. Frühverstorbener Sohn: Wadd. 2077f. = IGR III 1201 f. = Prentice 401a-b. Aus Philippopolis: CIL III 14149 5 = ILS 9005 = Prentice 393 (zwischen 247 und 249 n.Chr.); Prentice 399 (undatiert). Prentice 400 = Ann. ép. 1908, 274 (zwischen 247 und 249 n.Chr., der Name ist ergänzt, aber gesichert). Aus Palmyra: CIG III 4483 = Wadd. 2598 = IGR III 1033 = OGIS II 640; palmyrenische Version: CIS 3932 = Cantineau III, Nr. 22, pp. 28-32 (242/3 n.Chr.). Cf. dazu die Kommentare zur Inschrift bei Waddington, Dittenberger in der OGIS und Cagnat in der IGR, ebenso A. Stein, Art. Iulius Nr. 110, RE X . l , 1918, col. 174f. Die Formulierung lautet μ α ρ τ υ ρ η θ ή ν α ι ύ π ό θ ε ο ϋ Ί α ρ ι β ώ λ ο υ και ύ π ό ' Ι ο υ λ ί ο υ [...] τ ο ΰ έ ξ ο χ ω τ ά τ ο υ έ π α ρ χ ο υ τ ο υ ί ε ρ ο ϋ π ρ α ι τ ω ρ ί ο υ και τ η ς π α τ ρ ί δ ο ς (Ζ. Μ Ι 8). Ich verstehe τ η ς π α τ ρ ί δ ο ς mit Dittenberger (OGIS II 640, p. 348, Anm. 11) als Genitiv abhängig von μ α ρ τ υ ρ η θ ή ν α ι . (Auch Will, 1992, p. 169, übersetzt: excellent citoyen au point de recevoir le témoignage du dieu Iarhibôl et celui de Junius [sic!] Priscus, le très éminent préfet du prétoire sacré, et aussi celui de sa patrie...") Eine andere Möglichkeit wäre, dass der Genitiv τ η ς π α τ ρ ί δ ο ς von έ π ά ρ χ ο υ abhängt, was den Sinn ergäbe: „von Iulius [...] dem Präfekten des Prätorium und der Heimat". Für diese Übersetzung könnte sprechen, dass das ύ π ό , das vor θ ε ο ϋ und vor ' Ι ο υ λ ί ο υ erscheint, vor τ η ς π α τ ρ ί δ ο ς nicht wiederholt wird. Mit dem έ π α ρ χ ο ς τ η ς π α τ ρ ί δ ο ς müsste dann wohl der Präfekt der Heimatprovinz gemeint sein, das heisst im Falle Palmyras der Provinz Syria Phoenice (zur Provinzzugehörigkeit Palmyras cf. Will, 1992, p. 168, und Potter, 1996b, p. 281, Anm. 40). Gegen diese Deutung der Stelle spricht allerdings, dass π ά τ ρ ι ς in der Bedeu-

56

2. Herkunft und Familie

geber der Inschrift (Waddington, Dittenberger, Cagnat) ergänzten Φίλιππος als cognomen des Prätorianerpräfekten. Zum einen war aus der literarischen Überlieferung bekannt, dass Philipp nach dem Tode des Timesitheus Prätorianerpräfekt wurde. 169 Zum anderen verfiel der Kaiser nach seinem Ende der damnatio memoriae, so dass auf vielen Inschriften sein Name eradiert wurde. 1922 bemerkte jedoch Chabot bei genauem Studium des Steines, dass Π ρ ε ί σ κ ο υ und nicht Φ ι λ ί π π ο υ zu ergänzen ist. 170 Die folgenden Versuche, einen zweiten Iulius Priscus zu postulieren, der ebenfalls Prätorianerpräfekt gewesen sei 171 , oder die Inschrift in Philipps Zeit umzudatieren 172 , fanden keine Nachfolger, so dass nach der communis opinio Priscus bereits 242/3 Prätorianerpräfekt war. 173 Als mögliche Erklärung für die Erasur des Namens bietet sich die Rebellion des Iotapianus an, die sich gegen den von Priscus ausgeübten Steuerdruck richtete. 174 Priscus bekleidete also schon vor der Machtübernahme seines Bruders die Prätorianerpräfektur. Unklar ist, ob Priscus das Amt bereits als Kollege des Timesitheus ausübte, das heisst also noch vor seinem Bruder Philipp Prätorianerpräfekt war. Wahrscheinlich hatte er als solcher die Aufgabe, die Versorgung und Ordnung im Hinterland im Zusammenhang mit Gordians Perserfeldzug zu organisieren, und hielt sich in dieser Funktion in Palmyra auf. 175 In dieser Position konnte er den Putsch seines Bruders gegen Gordian III. tatkräftig unterstützen: Philipp

169

170

171 172 173

174 175

tung „Heimatprovinz" sonst nicht belegt ist (cf. Liddell/Scott, s.v. π ά τ ρ ι ς ) ; wenn der Statthalter der Provinz gemeint wäre, dann würde man eine präzisere Formulierung erwarten. Ferner bedeutet die gleichzeitige Bekleidung der Prätorianerpräfektur und der Präfektur einer Provinz eine ungeheure Machtfülle, über die Priscus, dessen Name mit Sicherheit in der Lücke zu ergänzen ist (cf. dazu unten), unter Gordian III. wohl kaum verfügte, da dies sich sonst in der literarischen Überlieferung, die j a eingehend von Timesitheus' Machtstellung und von Philipps Vertrauensbruch spricht (cf. folgende Anm.), niedergeschlagen haben dürfte. Schliesslich bliebe die Möglichkeit, die Inschrift später zu datieren; dazu müsste man allerdings einen Fehler auf der Vorlage des Steinmetzen annehmen, da die Inschrift sehr gut erhalten und die Datierung eindeutig ist. Die palmyrenische Version der Inschrift drückt sich im übrigen auch nicht klarer aus: cf. Cantineau III Nr. 22, pp. 28-32 = CIS 3932. SHA, Gord. 29,1; Zos. 1,18,2; Zon. 12,18. Cf. Amm. 23,5,17; Aur. Vict., Caes. 27,8; Fest. 22; Hier., Chron. z. J. 2257; Epit. de Caes. 27,2. Cf. Kap. 4.1. CRAI 1922, p. 172; cf. Howe, 1942, p. 107, Anm. 50, der Chabots Ergebnis bestätigt: Nach Howe sieht man noch „part of the pi, traces of the iota, all of the sigma, part of the kappa, and all of the omicron and upsilon". So Cuq, 1922, pp. 184-189. So Roos, 1923, p. 295; cf. auch Passerini, 1939, p. 339, Anm. 1. Allgemein akzeptiert seit Howe, 1942, pp. 106f. Cf. Pflaum, Bd. 2, 1960, p. 836; Petersen, PIR IV 2 , 1966, p. 254; Kolb, 1987, pp. 104f.; Franke, 1999c, col. 39; Körner, 1999, pp. 2 9 I f . Zos. 1,20,2. Cf. Bersanetti, 1941, pp. 266f., ferner Kap. 13.1.1. So auch Howe, 1942, p. 109.

2 . 2 . Philipps Familie

57

Hess den Nachschub unterbinden und lenkte die Unzufriedenheit der hungernden Soldaten geschickt auf Gordian. 176 Nach 244 stieg Priscus nicht in den Senat auf, wie es eigentlich bei einem Ritter, der das höchste Amt seiner Laufbahn erreicht hatte (und dessen Bruder zudem Kaiser geworden war), zu erwarten gewesen wäre. In der zweiten Hälfte der Regierungszeit Philipps ist Priscus wieder als Prätorianerpräfekt belegt. In der Zwischenzeit bekleidete er die Präfektur von Mesopotamien, die sich durch den Papyrusneufund auf das Jahr 245 datieren lässt 177 ; wahrscheinlich legte er also die Prätorianerpräfektur nieder, sofern er nicht beide Ämter gleichzeitig verwaltete. Natürlich bildete die Präfektur von Mesopotamien in einem regulären Kursus im Vergleich zur Prätorianerpräfektur einen Abstieg. Dahinter stand jedoch die Notwendigkeit, die Herrschaft der neuen Dynastie durch loyale Mitarbeiter zu sichern. Zudem nahm Priscus eine provinzenübergreifende Funktion im Osten ein und dürfte daher faktisch an Macht gewonnen haben. 178 Der Titel des rector Orlentis ist nur aus einer Inschrift aus Philippopolis bekannt, die zwischen 247 und 249 datiert. 179 Zweifellos muss es sich dabei um eine wichtige Position im Osten des Reiches gehandelt haben. 180 Der neue Papyrus erlaubt nun eine Interpretation der Struktur

176 177

178

179

180

SHA, Gord. 29,2-3; Zos. 1,18,3; Zon. 12,18. Cf. Kap. 4.2. Pap. Euphr. 1 (= Ann. ép. 1990, 1014), Ζ. 3 und 19 (erstmals publiziert von Feissei/Gascou, 1989, pp. 545-557, dann erneut von dens., 1995, pp. 67-84), datiert am 28.8.245 n.Chr. Inschriften (Philippopolis; undatiert, jedenfalls nach der π ό λ ι ς Gründung): Wadd. 2077f. = 1GR III 1201f. = Prentice 401a-b. Auffällig ist, dass Priscus auf den Inschriften IGR III 1201f., vor dem Titel έ π α ρ χ ο ς τ η ς Μ ε σ ο π ο τ α μ ί α ς die Rangtitulatur έ ξ ο χ ώ τ α τ ο ς (= eminentissimus) trägt, die eigentlich den Prätorianerpräfekten vorbehalten war. Howe (1942, p. 109) schliesst daraus, dass Priscus Prätorianerpräfekt blieb, als Philipp ihn zum Präfekten von Mesopotamien machte; Kolb (1987, pp. 115-117) hingegen möchte die Rangtitulatur auf eine Ungenauigkeit der Inschrift zurückführen oder in Erwägung ziehen, dass der Präfekt von Mesopotamien ebenfalls als eminentissimus bezeichnet werden konnte. Meines Erachtens ist zweierlei zu bedenken: Zum einen stellt sich die Frage, ob Priscus mit der „Zurückstufung" auf die Präfektur von Mesopotamien vielleicht den Rangtitel des Prätorianerpräfekten behalten konnte. Zum zweiten handelt es sich bei den beiden Inschriften um die Weihungen von Privatleuten zum Gedenken an Priscus' früh verstorbenen Sohn. Die Weihenden wollten zweifellos dem Bruder des Kaisers schmeicheln und behielten entsprechend den Rangtitel der Prätorianerpräfektur bei. Dabei müssen sie sich nicht streng an die üblichen Formulare gehalten haben. CIL III 14149 s = ILS 9005 = Prentice 393. Eine jüngst in Nordsyrien gefundene Statuenbasis trägt die Inschrift Iov[—] rec[—] iuslf—]orumf—] (Ann. ép. 1993, 1570). Im Kommentar in der Année épigraphique wird erwogen, rec[—] zu recftor Orientis] zu ergänzen. Die Ergänzung ist aber zu hypothetisch. So spricht Domaszewski (1899, pp. 159f.) von einer „Generalstatthalterschaft des Ostens", die titulär als praefectura praetorio bezeichnet worden sei. Cf. auch Howe, 1942, pp. 53f.: „viceroy in the eastern part of the empire".

58

2. H e r k u n f t und Familie

der Befugnisse, die sich hinter dem Titel verbergen. 181 Es handelt sich dabei um eine Petition von vier Einwohnern der kleinen Stadt Beth Phouraia am Euphrat im Bezirk von Appadana (Z. 4f.). 182 Anlass ist der Streit um ein Stück Land, den die vier Männer mit einer Gegenpartei haben (Z. 6 und II). 1 8 3 Die vier Männer wenden sich an Priscus, der in Antiochia residierte und offensichtlich zur Rechtsprechung angerufen werden konnte. 184 Es stellt sich nun die Frage, in welcher Funktion er diese Befugnisse ausübte. Im Papyrus sind zwei Ämter überliefert: δ ι α σ η μ ό τ α τ ο ς έ π α ρ χ ο ς Μ ε σ ο π ο τ α μ ί α ς und διέπων τ η ν ύ π α τ ε ί α ν (Zeilen 3 und 19f.). Das erste Amt ist auch sonst bekannt: Es handelt sich um die ritterliche Statthalterschaft der Provinz Mesopotamia. Der Ort Beth Phouraia lag aber nicht in der Provinz Mesopotamia, sondern in Syria Coele, so dass Priscus seine richterliche Funktion in der Angelegenheit der Petition nicht als Statthalter von Mesopotamien ausgeübt haben kann. Zudem residierte er zum Zeitpunkt der Petition in Antiochia in der Provinz Syria Coele. Der Begriff ύπατεία wiederum ist die griechische Bezeichnung für den Konsulat oder eine konsulare Statthalterschaft. Der Terminus διέπων τ η ν ύπατείαν ist somit zu übersetzen mit „den Konsulat oder eine konsulare Statthalterschaft ausübend". Nachdem Feissel und Gascou zunächst versucht hatten, dieses Amt mit dem des rector Orientis zu identifizieren 185 , haben sie sich in einer neueren Publikation zu einer Interpretation entschieden, die der Bedeutung des Begriffes näher kommen dürfte. 186 In der Petition dürfte der 181

182 183

184

185

186

Zu den folgenden Ausführungen cf. Feissel/Gascou, 1989 und 1995 passim; Körner, 1999, pp. 290f. Zur Lokalisierung cf. jetzt auch Gascou, 1999, pp. 62-65. Zum juristischen Vorgehen des Priscus cf. Nasti, 1993, pp. 367; 371-373, ferner bei Gascou, 1999, pp. 66-68. Dass Priscus in Antiochia residierte, wird möglicherweise durch eine Stelle im dreizehnten Buch der Oracula Sibyllina bestätigt (13,59-63): Es heisst von einem 'Ρωμαίων γεγαώς βασιληΐδος α ρ χ ή ς (Potter, 1990, p. 171: „he himself coming from the royal house of the Romans"), er halte sich in Antiochia auf und führe Krieg gegen die Perser. Geffcken (1902, p. 62, Anm. 2) hatte angenommen, es handle sich dabei um Iotapianus, der nach Aurelius Victor von Alexander abstammte (cf. Kap. 13.1.1.). Potter (1990, pp. 244-246) hingegen sieht in dieser Person Philipps Bruder Priscus, da Iotapianus nicht gegen die Perser Krieg führte, sondern gegen Philipp. Priscus war zwar auch nicht in Kampfhandlungen gegen die Sasaniden verwickelt, hatte aber sicherlich die Aufgabe, die östlichen Provinzen gegen einen möglichen Friedensbruch seitens der Perser zu sichern. Feissel/Gascou, 1989, pp. 552-554. Ebenso Miliar, 1993, pp. 155f.: „'holding the hypateia', an expression which seems to indicate his (sc. Priscus') overall command of the region." Feissel/Gascou, 1995, pp. 80-83, gefolgt von Christol, 1997, pp. 99f., Badel/Bérenger, 1998, p. 190; Körner, 1999, p. 291; ebenso bereits: Eck, 1992, p. 201. Potter (1996b, p. 274, Anm. 10) hingegen, der die neue Publikation von Feissel und Gascou noch nicht zu kennen scheint, nimmt nach wie vor an, dass Priscus im Rechtsfall des Papyrus als corrector (sic!) Orientis Recht sprach. Letztlich

2.2. Philipps Familie

59

Titel einen Ritter bezeichnen, der interimistisch eine konsulare Statthalterschaft bekleidet: Die Statthalterschaft von Syria Coele war Senatoren und Konsularen vorbehalten. Dem Ritter Priscus wurde also von seinem Bruder gegen die üblichen Gepflogenheiten eine senatorischkonsularische Statthalterschaft übertragen, obwohl er eigentlich kein Senator war. Er bekleidete somit gleichzeitig zwei Statthalterschaften, eine ritterliche, wie es seinem Stand entsprach, und eine senatorische. Dazu könnte das Zeugnis des Zosimos passen. Der Historiker berichtet, dass Priscus mehrere Provinzen gleichzeitig verwaltete: τ ο ν Π ρ ί σ κ ο ν α ρ χ ε ι ν τ ω ν έ κ ε ϊ σ ε [sc. κ α τ ά τ η ν έφαν] κ α θ ε σ τ α μ έ ν ο ν εθνών, „Priscus, als Statthalter über die dortigen Völker / Provinzen eingesetzt". 187 Es lassen sich folgende Ergebnisse festhalten: C. Iulius Priscus war bereits vor 244, das heisst vor der Machtübernahme seines Bruders Prätorianerpräfekt unter Gordian III. Als Philipp Kaiser wurde, erlangte Priscus massgebliche Bedeutung. Zwar stieg er nicht in den Senat auf (was nach der Prätorianerpräfektur möglich gewesen wäre). Er erhielt jedoch weitgehende Befugnisse im Osten des Reiches: Er bekleidete zumindest 245 gleichzeitig zwei Statthalterschaften, nämlich die von Mesopotamia und von Syria Coele. Da die Statthalterlisten der östlichen Provinzen für das 3. Jahrhundert grosse Lücken aufweisen 188 , besteht durchaus die Möglichkeit, dass Priscus die Verwaltung weiterer Provinzen übernommen hatte, auch wenn dies bis jetzt noch nicht belegt ist. Der Titel rector Orientis sollte zum Ausdruck bringen, dass Priscus mehrere Statthalterschaften gleichzeitig ausübte. 189 Im Gegensatz zum corrector (cf. dazu unten) handelte es sich um einen Titel, nicht um ein Amt. 190

187

188 189

190

kann Potter aber nicht belegen, dass „formulations based upon ύ π α τ ε ί α appear to have b e c o m e standard to represent the c o n c e p t of authority" (so p. 2 7 4 ) . V i e l m e h r b e z e i c h n e t ύ π α τ ε ί α eindeutig die konsulare Gewalt. Auch eine G l e i c h s e t z u n g des Titels δ ι έ π ω ν τ η ν ΰ π α τ ε ί α ν mit dem des corrector Orientis wäre erst noch zu beweisen. Zos. 1 , 2 0 , 2 . Zur V e r w e n d u n g von έ θ ν ο ς in der B e d e u t u n g „Provinz" cf. Liddell/Scott, s.v. έ θ ν ο ς . Über Priscus heisst es bei Z o s i m o s ( 1 , 1 9 , 2 ) auch: Π ρ ί σ κ ο ν μ ε ν ά δ ε λ φ ό ν ό ν τ α τ ω ν κ α τ ά Σ υ ρ ί α ν π ρ ο ε σ τ ή σ α τ ο [sc. Φ ί λ ι π π ο ς ] σ τ ρ α τ ο π έ δ ω ν . D i e s e Passage scheint zwar auf die syrische Statthalterschaft anzuspielen. Es ist j e d o c h wahrscheinlicher, dass Z o s i m o s den B e g r i f f Σ υ ρ ί α allgemein für den gesamten N a h e n Osten, nicht nur für die Provinz Syria Coele verwendet. D i e Stelle umschreibt somit ebenfalls eine provinzenübergreifende Funktion. Cf. T h o m a s s o n , Bd. 2, Fase. 2, 1978, pp. 5 4 - 5 6 , und Bd. 2, Fase. 3, 1980, pp. 4 0 f . Christol ( 1 9 9 7 , pp. 9 9 f . ) hingegen nimmt an, dass der Titel rector Orientis eine spätere, von Christol nicht genauer definierte Erweiterung von Priscus' Autorität b e z e i c h n e n sollte, „dépassant l'addition des responsabilités gouvernementales". N a c h Peachin ( 1 9 9 6 , p. 177) ersetzte der rector Orientis die Statthalter nicht, s o n dern wurde Uber sie gestellt. M e i n e s W i s s e n s ist der Titel rector Orientis sonst nirgends belegt.

60

2. Herkunft und Familie 2.2.4.2. Vergleichbare Beispiele aus der Kaiserzeit

Die Einrichtung von provinzenilbergreifenden Sonderkommanden war im 1. bis 3. Jahrhundert keineswegs ungewöhnlich. Gerade im Osten des Reiches gibt es zahlreiche Vorläufer für Priscus' ausserordentliche Stellung. 191 Bekannte Beispiele sind Avidius Cassius, von Marc Aurel beauftragt, τ η ς 'Ασίας άπάσης έ π ι τ ρ ο π ε ύ ε ι ν . 1 9 2 Zusätzlich zu seiner syrischen Statthalterschaft 193 erhielt er ein ausserordentliches Kommando im Osten. 194 Unter Nero wurde Cn. Domitius Corbulo 195 63 n.Chr. das alleinige Oberkommando im Partherkrieg mit einem Imperium maius über den ganzen Nahen Osten verliehen; alle römischen Klientelfürsten und Provinzstatthalter der Region hatten sich Corbulos Anordnungen zu fügen. 1 9 6 Germanicus, der Grossneffe des Augustus und Adoptivsohn des Tiberius erhielt für das Jahr 18 n.Chr. den Konsulat und das imperium proconsulare maius über die Provinzen des Ostens, wo es zu verschiedenen Unruhen gekommen war. 197 M. Vipsanius

191

192

193

194

195

196 197

Eine Liste mit allen Beispielen findet sich bei Potter, 1996b, pp. 275-278; cf. auch ders., 1996a, pp. 64f. Er unterscheidet dabei zwischen einerseits Statthaltern, die mehrere Provinzen gleichzeitig verwalteten, und anderseits Statthaltern, die zusätzlich zu ihrer Statthalterschaft ein supraprovinziales imperium oder ein anderes Sonderimperium erhielten (1996b, p. 275). Dio 71,3,1. Vgl. auch Philostr., vit. sophist. 2,1,13 (563): ό τ η ν έ φ α ν έ π ι τ ρ ο π ε ΰ ω ν Κ ά σ σ ι ο ς . Potter (1996b, p. 280) meint, dass gerade Marc Aurels Politik f ü r Philipp ein Vorbild gewesen sein könnte: Unter Marc Aurel hatten Avidius Cassius im Osten (ebd., p. 278, Nr. 9), M. Cornelius Fronto im Donauraum (ebd., p. 276, Nr. 16) Sonderkommanden, unter Philipp waren es Priscus im Osten, Severianus im Donauraum (cf. unten Kap. 2.2.5.). Zur syrischen Statthalterschaft: Wadd. 2212 = IGR III 1261; Wadd. 2237 = IGR III 1270; Wadd. 2438; 2525. Zur Datierung cf. P. von Rohden, Art. Avidius Nr. 1, RE II.2, 1896, col. 2381. Cf. Marquardt, Staatsverwaltung, Bd. 1, pp. 421 f.; Rohden, RE II.2, col. 2381; E. Klebs, PIR I, 1897, Nr. 1165, p. 186; A. Stein, PIR I 2 , 1933, Nr. 1402, pp. 282284; Birley, 1968, pp. 313f. (dt. Fassung); ders., 1993, pp. 174f. mit Anm. 32, p. 284; W. Eck, Art. Avidius Nr. 1, DNP 2, 1997, col. 369. Tac., ann. 13,8. Zu Corbulo: H. Dessau, PIR II, 1897, Nr. 123, pp. 20f.; E. Stein, Art. Domitius Nr. 50, RE Suppl. III, 1918, col. 394-410; E. Groag, PIR III 2 , 1943, Nr. 142, pp. 45-47; R. Hanslik, Art. Domitius Nr. 9, K1P 2, 1967, col. 131 f.; W. Eck, Art. Domitius Nr. II 11, DNP 3, col. 756f. Tac., ann. 15,25,3; Dio 62,19,3; cf. 62,22,4. Tac., ann. 2,43,1; cf. los., ant. lud. 18,54; Veil. 2,129,3; Suet., Cal. 1,2. Die literarischen Zeugnisse werden nun bestätigt durch das inschriftlich überlieferte senatus consultum de Cn. Pisone patre (Eck/Caballos/Fernández, 1996, p. 40, mit Kommentar, pp. 157-162). Zu Germanicus: H. Dessau, PIR II, 1897, Nr. 146, pp. 178-180; M. Gelzer/W. Kroll, Art. Iulius Nr. 138, RE X . l , 1918, col. 435-464; L. Petersen, PIR IV 2 , Nr. 221, pp. 178-185; Koestermann, 1958, pp. 332-335; R. Hanslik, Art. Germanicus Nr. 2, K1P 2, 1967, col. 767-770; Eck/Caballos/Fernández, 1996; W. Eck, Art. Germanicus Nr. 2, DNP 4, 1998, col. 963-966.

2.2. Philipps Familie

61

Agrippa wurde von Augustus als Stellvertreter des Augustus 23 v.Chr. in den Osten geschickt. 1 9 8 Auch nach 249 n.Chr. wurden Sonderkommanden im Osten des Reiches vergeben, wie das Beispiel von Marcellinus zeigt: Diesen betraute Aurelian mit der Statthalterschaft von Mesopotamien und einer erweiterten Befugnis im Osten. 199 Um einen grundlegend anderen Fall handelt es sich jedoch bei Odainath von Palmyra. 200 Septimius Odainathus wurde von Gallienus zum dux Romanorum und Oberbefehlshaber im Osten ernannt 201 ; nach seinen Erfolgen gegen die Usurpatoren Quietus und Ballista und gegen die Perser scheint er die Titel corrector totius orientis und Imperator erhalten zu haben. 202 Im Gegensatz zu den obengenannten Beispielen verfügte Odainath jedoch über eine sehr unabhängige Stellung, die von Gallienus nach den Erfolgen des Palmyreners nachträglich sanktioniert wurde. Odainath war zunächst den persischen Grosskönig Schapur um ein Bündnis angegangen und hatte erst nach dessen abschlägiger Antwort die römische Seite unterstützt. Nach seinem Tod sollte seine Witwe Zenobia sich schliesslich selbständig machen.

198

199

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201

202

los., ant. lud. 15, 350. Zu Agrippa cf. H. Dessau, PIR III, 1898, Nr. 457, pp. 4 3 9 442; Koestermann, 1958, p. 333; R. Hanslik, Art. Vipsanius Nr. 2, RE I X . A . l , 1961, col. 1226-1275; ders., Art. Agrippa, KIP 1, 1965, col. 145f.; J.-M. Roddaz, Marcus Agrippa, Rom 1984 (B.E.F.A.R., Fase. 253), vor allem pp. 319-328; D. Kienast, Art. Agrippa Nr. 1, DNP 1, 1996, col. 294-296. Zos. 1,60,1. Zu den Ereignissen im Zusammenhang mit Palmyra cf. Zos. 1,60-61,1. Cf. ferner zu Marcellinus: E. Groag, Art. Marcellinus Nr. 2, RE XIV.2, 1930, col. 1440f.; Jones/Martindale/Morris, PLRE I, 1971, Marcellinus Nr. 1, p. 544 („His title would appear to have been praefectus Mesopotamiae rectorque Orientis"); Marcellinus Nr. 2, p. 545; Marcellinus Nr. 17, p. 549; L. Petersen, PIR V 2 , 1983, p. 167, Nr. 178; Körner, Aurelianus and rebellions during his reign (A.D. 270275), DIR. Zu Odainath cf. vor allem jüngst Potter, 1996b, pp. 271-285; ferner: H. Dessau, PIR III, 1898, Nr. 339, pp. 210-212; H. Volkmann, Art. Septimius Odaenathus Nr. 2, RE Suppl. XI, 1968, col. 1243-1246; A. Lippold, Art. Odaenathus Nr. 2, K1P 4, 1972, col. 235f.; T. Franke, Art. Odaenathus Nr. 2, DNP 8, 2000, col. 1103f. Synk. 716; Zon. 12,23: σ τ ρ α τ η γ ό ς τ η ς έ φ α ς ; Zon. 12,24: σ τ ρ α τ η γ ό ς π ά σ η ς άνατολής. Es ist umstritten, ob Odainath diese Titel bereits zu Lebzeiten erhielt: cf. Volkmann, RE Suppl. XI, col. 1244f. Eine palmyrenische Inschrift (Cantineau III Nr. 19, pp. 25f. = CIS II 3946; cf. Potter, 1996b, p. 272) nennt Odainath „mlk mlk ' wmtqnn ' dy mdnh ' klh", was sich nach Potter auf zwei Arten Ubersetzen lässt: „king of kings and corrector of the whole region" oder „king of kings who sets the whole region in order" (ungenau: Bowersock, 1983, p. 130, Anm. 32: „ruler of all the East"). Zur Frage, ob der Titel mtqnn mit corrector oder restitutor zu Ubersetzen ist, also ein offizielles Amt oder einen Ehrentitel bezeichnet, cf. Potter, 1996b, pp. 272-274, der zu Recht davor warnt, bei einem ausserordentlichen Kommando eine konsequente Verwendung der termini zu erwarten; ähnlich Swain, 1996, pp. 162f. Die Inschrift ist zudem postum aufgestellt worden.

62

2. Herkunft und F a m i l i e

2.2.4.3. Die Sonderstellung des Priscus im Rahmen von Philipps Regierung Die in der Kaiserzeit verliehenen Sonderkommanden konzentrierten sich in zwei Gebieten, nämlich im Osten des Reiches und im Donauraum. 203 Auch unter Philipp wurden genau in diesen beiden Regionen die Provinzen unter je einem Oberbefehlshaber zusammengefasst, der Osten unter Priscus, die Provinzen Moesien und Macédonien unter Severianus (cf. unten Kap. 2.2.5.). Der Osten und der Donauraum waren in der Mitte des 3. Jahrhunderts besonders gefährdet durch äussere Bedrohung (Perser bzw. Germanen) und entsprechend krisenanfällig für Usurpationen und Erhebungen. So kam es auch unter Philipps Regierung gerade im Osten (Iotapianus) und im Donauraum (Pacatianus und Decius) zu Unruhen. 204 Philipp versuchte also, die besonders gefährdeten Gebiete durch Konzentrierung der Machtmittel zu sichern. Er griff damit auf ein Mittel zurück, das bereits seit Augustus vielfach erprobt war. Dass er dabei gerade Verwandte einsetzte, entsprach ebenfalls den Gepflogenheiten des Prinzipats; um so weniger muss diese Tatsache erstaunen, als Philipp unter obskuren Umständen an die Macht gekommen war und daher noch nicht auf die Loyalität seiner Beamten vertrauen konnte. Am Beispiel des Priscus zeigt sich, wie Philipp sich der Methoden und Gepflogenheiten des römischen Prinzipats der ersten beiden Jahrhunderte bediente: Um einer Bedrohung zu begegnen, wird ein Beamter mit einem Sonderimperium ausgestattet; um absolute Loyalität zu gewährleisten, werden dabei Verwandte eingesetzt. Priscus dürfte Philipp bei der Machtübernahme entscheidend unterstützt haben. 205 Möglicherweise diente also das Sonderkommando, das Priscus im Osten erhielt, nicht nur der Herrschaftssicherung, sondern hatte auch die Funktion, Priscus für seine Hilfe zu belohnen und mit einer Art „Vizekönigtum" im Osten zufriedenzustellen. Priscus konnte sich kaum Hoffnungen auf den Kaiserthron machen, da Philipp seinen Sohn gezielt und ostentativ als Nachfolger aufbaute, möglicherweise gerade zum Zweck, allfälligen Diskussionen über die Nachfolge nach seinem Tod von vornherein den Boden zu entziehen. Im Vergleich mit anderen Kaisern des 1. bis 3. Jh.n.Chr. scheint das Verhältnis zwischen Philipp und Priscus aussergewöhnlich gut gewesen zu sein. Die Spannungen der Brüderpaare Titus-Domitian und Caracalla-Geta sind hinlänglich bekannt. Manche Brüder bekleideten dank dem Kaiser den Konsulat, so P. Septimius Geta, der Bruder des Septimius Severus, oder Gallienus' Bruder P. Li203 204 205

Cf. die Liste bei Potter, 1996b, pp. 275-278. Cf. Kap. 13. Cf. Kap. 4.2.2.

2.2. Philipps Familie

63

cinius Valerianus. 206 Dass Brüder auch nach dem Tod der Herrscher Kaiser werden konnten, zeigen die Beispiele des Marcus Aurelius Claudius Quintillus, Bruder Claudius' II., und des M. Annius Florianus, der vielleicht Bruder des Tacitus war. 207 Eine so grosse Machtfülle, wie Priscus sie erhielt, ist jedoch für kein Familienmitglied der kaiserlichen Familie belegt, das nicht auch für die kaiserliche Nachfolge vorgesehen war. Entweder war Philipp sich der Loyalität seines Bruders absolut sicher, oder ihm blieb in Anbetracht der schwierigen Situation nach der Machtübernahme nichts anderes übrig, als seinen Bruder mit weitreichenden Befugnissen auszustatten. Die Quellen schweigen über Priscus' Ende. Er dürfte aber 249 mit der Dynastie den Tod gefunden haben, da er eine wichtige Rolle unter seinem Bruder gespielt hatte und der Widerstand gegen Philipp zum Teil der Unzufriedenheit mit Priscus' Steuerpolitik entsprang. 208

2.2.5. (Marcius Otacilius) Severianus, der κ η δ ε σ τ ή ς Philipps 209 Die antike Überlieferung zu Severianus beschränkt sich auf eine einzige Angabe bei Zosimos, der berichtet, dass Philipp seinen κ η δ ε σ τ ή ς Severianus zum Oberbefehlshaber der Truppen in Moesien und Makedonien gemacht habe. 210 Der Begriff κ η δ ε σ τ ή ς bezeichnet eine verschwägerte Person, in der Regel den Schwiegervater oder Schwager. 211 Severianus muss demnach der Bruder oder der Vater von Otacilia Severa gewesen sein. Dazu passt auch sein cognomen Severianus. Der Beiname Severus könnte in der Familie der Marcii Otacilii erblich gewesen sein, denn sowohl die Kaiserin selbst wie ihr Sohn trugen ihn. 212 Die Umstände der Namenserweiterung liegen im Dunkeln; möglicherweise hatte sich ein Mitglied der Familie um die severische Dynastie verdient gemacht. Der volle Name des Severianus lautete also wahrscheinlich Marcius Otacilius Severianus.

206 207

208

209

210

211 212

Kienast, 2 1996, pp. 158 bzw. 219. Cf. Kienast, 2 1996, pp. 233 bzw. 252; zu Florian cf. Sauer, 1998, pp. 174-176, der die Verwandtschaft mit Tacitus anzweifelt. Hanslik (1957, col. 3) gibt an, Priscus sei 248 verstorben. Dafür finden sich jedoch keinerlei Hinweise in den Quellen. Zu Priscus' Steuerpolitik cf. Kap. 10.4. und 13.1. Literatur zu Severianus: H. Dessau, PIR III, 1898, p. 231, Nr. 440; Peachin, 1996, pp. 119f. Zos. 1,19,2: Σ ε β η ρ ι α ν φ δε τ φ κ η δ ε σ τ η τάς èv Μυσίςι και Μακεδονίςι δυνάμεις έ π ί σ τ ε υ σ ε ν (sc. Φίλιππος). Cf. Liddell/Scott, s.v. κηδεστής. Cf. oben Kap. 2.2.1. und 2.2.2.

64

2. H e r k u n f t und Familie

Am Beginn der Herrschaft Philipps wurde er in eine provinzenübergeordnete militärische Funktion im Donauraum eingesetzt. Zosimos selbst stellt diese Ernennung in Zusammenhang mit den provinzenübergreifenden Befugnissen des Bruders des Kaisers im Osten. Wann Severianus' Kommando endete, ist unbekannt. In Moesien kam es 248 n.Chr. zur Erhebung des Pacatianus. 213 Es ist nicht anzunehmen, dass diese Rebellion mit der Politik des Severianus in Zusammenhang stand: Zosimos kritisiert die Einsetzung von Severianus und Priscus und versäumt es entsprechend auch nicht, auf die Unzufriedenheit mit Priscus' Politik im Osten hinzuweisen, die zur Erhebung des Iotapianus führte. Wenn die Unruhen im Donauraum in irgendeiner Form auf Severianus zurückzuführen gewesen wären, hätte Zosimos dies zweifelsohne erwähnt.

2.2.6. Fazit: Die Familie Philipps Der Aufstieg der arabischen Familie der Iulii scheint erst mit der Generation Philipps und seines Bruders begonnen zu haben, die es immerhin beide bereits bis zum höchsten Amt der ritterlichen Karriere brachten. Beider Laufbahnen müssen in severischer Zeit begonnen haben, da sie bis 243 die Prätorianerpräfektur erreicht hatten. Auch der Zweig der Marcii Otacilii, dem die Frau des Kaisers entstammte, könnte den Severern einiges verdankt haben, wie die Annahme des cognomen Severus nahelegt. Über die geographische Herkunft der Familie von Philipps Frau lässt sich nichts sagen. Philipp setzte nach seiner Machtübernahme seine Familie in zweifacher Weise ein: Zum einen kam seinem Sohn und seiner Ehefrau im Hinblick auf die Gründung einer neuen Dynastie massgebliche Bedeutung zu. Zum anderen benötigte er die erwachsenen männlichen Verwandten zur Sicherung seiner Herrschaft und des Reiches. Otacilia und Philipp iunior sind in den Quellen fast nur noch in ihrer Bedeutung für die Dynastiegründung fassbar. Allerdings kann aus diesem Schweigen nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass Otacilia keine politische Bedeutung besass. Zum einen fehlen für Otacilia die für die Geschichte der Severerinnen so wichtigen Quellen Cassius Dio, Herodian und Historia Augusta. Die spätantiken und byzantinischen Quellen wiederum, die die Geschichte des 3. Jahrhunderts behandeln, sind auch in ihren Aussagen zu den Severerinnen äusserst knapp. 214 Zu213 214

Cf. Kap. 13.2.2. Eutrop nennt jeweils nur einmal Iulia Domna (als die noverca Caracallas: 8,20), Symiasera (eine Verballhornung von Iulia Soaemias, der Mutter Elagabals 8,22), und Mamaea (8,23). Bei Aurelius Victor erscheinen Iulia Domna (wieder als noverca Caracallas: 21,3) und Mamaea (24,5) je einmal, in der Epitome fehlt Domna

2.2. Philipps Familie

65

dem lässt sich den literarischen Quellen zumindest entnehmen, dass Otacilia in Briefkontakt mit Orígenes stand. Diese öffentliche Bedeutung zeigt sich auch in der Tatsache, dass sie in starkem Masse in die kaiserliche Münzpropaganda miteinbezogen wurde. Die Titulatur der Kaiserin weist zahlreiche Parallelen zu den Severerinnen auf und zwar in stärkerem Masse als bei anderen Kaiserinnen des 3. Jahrhunderts. Darin zeigt sich der Versuch, durch ein bewusstes Anknüpfen an die Severer die Herrschaft der Familie der Philippi zu legitimieren, die keine Verbindungen zu den etablierten italischen Patriziergeschlechtern hatte. Die M ü n z p r ä g u n g Philipps II. unterscheidet sich nicht wesentlich von d e r j e n i g e n seines Vaters, der zweifellos das im Namen seines Sohnes geprägte Münzprogramm festlegte. Die meisten Münzen Philipps II., die von denen seines Vaters abweichen, sind Typen, die traditionell f ü r T h r o n n a c h f o l g e r geprägt wurden. Gut ersichtlich wird, wie Philippus Arabs seinen Sohn von Anfang an systematisch als N a c h f o l g e r aufbaute und der Reichsbevölkerung durch die Münzen bekannt machte. Der j u n g e Mitregent wird in militärischen Zusammenhängen, beim Opfer und mit den Herrschaftssymbolen gezeigt. Philipp I. stellt seinen Sohn als Mitgaranten von Frieden, Glück und Gerechtigkeit im Reich dar, gleichzeitig auch als hoffnungsvollen N a c h f o l g e r und Mitbegründer eines neuen Zeitalters. Welche Rolle Marinus in der kaiserlichen Propaganda einnahm, ist weniger leicht zu beantworten. Offensichtlich genoss er nur in Philippopolis göttliche Ehren. Der Versuch, eine Vergöttlichung auf Reichsebene durchzusetzen, wäre wohl von den massgeblichen Kreisen in Rom als A f f r o n t e m p f u n d e n worden: Marinus scheint nie ein offizielles Amt der senatorischen oder ritterlichen Laufbahn bekleidet zu haben. Seine Vergöttlichung dürfte vor allem den Bedürfnissen der provinzialen Bevölkerung des Hauran entgegengekommen sein, die stolz auf ihren Mitbürger Philipp waren. Die Verleihung von ausserordentlichen Kommanden an den Bruder Priscus und den Schwager oder Schwiegervater Severianus steht in direktem Z u s a m m e n h a n g mit der innen- und aussenpolitischen Situation der vierziger Jahre. Es handelt sich bei den Gebieten, für die nun provinzenübergreifende Befehlsgewalten geschaffen wurden, um äusserst

gänzlich, während Soemea (= Soaemias: 2 3 , 1 ) und Mamaea ( 2 4 , 5 ) je einmal genannt werden. Zosimos schliesslich erwähnt in seiner Darstellung Domna einmal, ohne ihren Namen zu nennen (1,9,2); Mamaea erscheint etwas häufiger ( 1 , 1 1 , 2 - 3 ; 1,12,2; 1,13,2). Auch bei Zonaras kommen die Severerinnen öfter vor: Iulia Domna wird zweimal genannt ( 1 2 , 1 2 und 12,13), Iulia Maesa und Iulia Soaemias j e einmal ( 1 2 , 1 3 ) ; Iulia Mamaea erscheint mehrmals (12,13 und 12,15).

66

2. Herkunft und F a m i l i e

gefährdete Regionen. Schon früher waren daher diese Gebiete Männern mit erweiterter Befehlsgewalt anvertraut worden. Die beiden zentralen Elemente von Philipps „Familienpolitik" - Dynastiegründung und Herrschaftssicherung - lassen sich aus der Tradition der römischen Kaiserzeit erklären. Wenn man von den „Senatskaisern" Pupienus und Balbinus absieht, ist bei allen Herrschern des 3. Jahrhunderts das Bemühen deutlich, eine Dynastie zu gründen, um so wieder innenpolitische Stabilität zu erreichen. Auch Diocletians tetrarchische Ordnung sollte bald wieder von der konstantinischen Dynastie abgelöst werden. 215 Unmittelbares Vorbild war die severische Dynastie, an die anzuknüpfen Philipp auch sonst bemüht war: Die Zeit der Severer erschien rückblickend als Zeit der Stabilität und Prosperität. Die Etablierung einer Dynastie galt als Garant dieser Sicherheit.

215

Dass letztlich auch Diocletian vom dynastischen Denken geprägt war, zeigt die Tatsache, dass in der Tetrarchie die Augusti offiziell "Brüder", die Caesares ihre "Söhne" waren, die sie adoptiert hatten. Zudem muss berücksichtigt werden, dass Diocletian keinen leiblichen Sohn hatte, sich für ihn also von Anfang an eine Familiendynastie als Möglichkeit ausschloss.

3. Chronologie der Regierungszeit Philipps Genaue zeitliche Einordnungen sind im 3. Jahrhundert aufgrund der mangelnden Quellen oft schwierig. Dennoch erlauben es die in den Gesetzescodices erhaltenen Reskripte, Inschriften, Papyri und Münzen, einige Ereignisse zumindest zeitlich einzugrenzen. 1

3.1. Der Beginn der Regierung

des Philippus

Arabs

Den Konstitutionen des Codex Iustinianus lässt sich entnehmen, dass Gordian III. am 13.1.244 noch am Leben gewesen sein muss. 2 Philipps erstes Reskript datiert vom 14.3.244, das zweite vom 31. März. 3 Ein ägyptischer Papyrus bestätigt, dass Philipp bereits im Monat pharmouthi (27.3.-25.4.) in Ägypten als Kaiser anerkannt war. 4 Die letzten Inschriften Gordians III., zwei Graffiti aus Oberägypten und eine nubische Inschrift, datieren vom 3.2., 25.2. und 26.2.244. 5 Demnach war man im Februar in Ägypten der Meinung, dass Gordian III. noch regierte. 6 Bis Nachrichten von Rom Ägypten erreichten, dauerte es minde-

2 3

4

5

6

Die zentrale Grundlage j e d e r Beschäftigung mit chronologischen Fragen der Regierungszeit Philipps stellt Loriot (1975b) dar. Auf die Datierungen der wichtigsten Ereignisse wie Usurpationen, Tausendjahrfeier, Kriege wird in den entsprechenden Kapiteln eingegangen. Cod. Iust. 6,10,1. Cod. lust. 3,42,6 und 2,4,10. Nach G. Costa (Art. Gordianus nepos, in: Diz. ep. 3, 1922, pp. 540-559, vor allem 550f.) ist das Datum von 3,42,6 möglicherweise falsch: Vielleicht sei idus Maias statt idus Martias zu lesen. PSI (Pap. Soc. It.) XII 1238, Z. 20f.; cf. dazu Loriot, 1975b, p. 789; Rathbone, 1986, p. 111; Peachin, 1990, p. 29. Sammelbuch V 3493 (3.2.) und 8487 (26.2 ); cf. dazu Loriot, a.a.O., Anm. 3; Rathbone, a.a.O.; Peachin, a.a.O. Nubische Inschrift: IGR I 1330 (= CIG III 5006), die vom 1. Phamenoth des siebten (ägyptischen) Regierungsjahres Gordians III. (= 25.2.244, und nicht 1.3. 238, wie bei Costa, a.a.O., angegeben) datiert. Das Reskript Cod. lust. 6,20,6 vom 25.4.244 trägt fälschlicherweise noch den Namen Gordians III., muss vom Datum her jedoch eindeutig aus Philipps Regierungszeit stammen, da zwei Reskripte vom März bereits nach Philipp datieren (Cod. lust. 3,42,6; 2,4,10). Peachin (1990, p. 29, Anm. 14) verweist darauf, dass ein Papyrus vom 25.4.244 (Ρ. Leid. F 1948/3.4) möglicherweise „attests Gordian at Oxyrhynchus on 25 April 244". Sofern die Hypothese z u t r i f f t , dürfte dies durch ei-

68

3. Chronologie

stens 20 bis 25 Tage, nach Oberägypten sogar bis zu 50 Tagen. 7 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Nachricht von Gordians Tod wohl direkt von Mesopotamien, wo der junge Kaiser den Tod fand, nach Ägypten kam: Philipp wird zweifellos Boten in die wichtigsten Städte geschickt haben, ohne einen Umweg Uber Rom zu nehmen. Die Nachricht von Gordians Tod erreichte Rom wohl Ende Februar 244. Der junge Kaiser dürfte daher Ende Januar / Anfang Februar gestorben sein. 8

3.2. Konsulate

und tribunizische

Gewalt

Philipp bekleidete während seiner Regierungszeit dreimal den Konsulat: 245 zusammen mit Maesius Titianus, 247 und 248 zusammen mit Philipp iunior. Daneben erscheint ein vierter Konsulat auf einigen Münzen aus Antiochia. Möglicherweise war Philipp für den Konsulat von 250 designiert. 9 Der Kaiser erhielt in seiner Regierungszeit sechsmal die tribunicia potestas. Loriot und Peachin zufolge wurde sie ihm jeweils am 1. Januar verliehen (natürlich mit Ausnahme der ersten, da er am 1.1.244 noch nicht Kaiser war) und nicht wie sonst üblich am 10.12. 10

3.3. Die Regierungsbeteiligung

von Philipps

Sohn

Philipps Sohn erscheint zum ersten Mal in einem Reskript vom 15.8.244 als Caesar. Sein Fehlen auf einer Reihe von wichtigen Dokumenten der ersten Jahreshälfte von 244 n.Chr. ist ein Indiz dafür, dass er offensichtlich noch nicht zum Caesar ernannt worden war. 11 In Ägypten wird er zum ersten Mal am 13.10.244 auf einem Papyrus ge-

7 8 9

10

11

nen Irrtum des Schreibers zu erklären sein, da Philipps Herrschaft im April in Ägypten bereits anerkannt war, wie der obengenannte Papyrus belegt. Rathbone, 1986, p. 102. Peachin, 1990, pp. 29f. Loriot, 1975b, p. 790. Münzen: Wroth, BMC, p. 214, Nr. 517-522, und p. 218, Nr. 557-563. Loriot, 1975b, p. 790; Peachin, 1990, pp. 63-65. Eine Verleihung am 1. Januar erwagt auch (allerdings mit Vorbehalt): Mattingly, 1930, p. 86, Anm. 3. Von einer Erneuerung der tribunicia potestas am 10.12. geht hingegen Stein (1918a, col. 757) aus. Loriot, 1975b, p. 791, mit den entsprechenden Dokumenten, deren wichtigstes die Inschrift für die Victoria Redux Philipps I. und Otacilias vom 23.7.244 ist, auf der Philipp II. nicht erwähnt wird (CIL XIV 2258 = ILS 505; cf. dazu auch Kap. 4.3.3 ). Reskript vom 15.8.244: Cod. lust. 4,29,10.

3.4. Ende der Regierung und Regierungsdauer

69

nannt, während ein mittelägyptischer Text vom 2.9. das letzte Zeugnis ist, das nach Philipp I. allein datiert. 12 Offensichtlich war Philipps II. Erhebung zum Caesar in Ägypten Anfang September noch nicht bekannt. Durch epigraphische Zeugnisse und alexandrinische Münzen lässt sich die Erhebung von Philipp iunior zum Augustus zeitlich eingrenzen: Eine Inschrift vom 11.7.247 nennt ihn noch als Caesar. Auf Münzen aus Alexandria, die nach dem vierten ägyptischen Jahr (29.8.246 bis 29.8.247) datieren, erscheint er bereits als Augustus. Daher lässt sich seine Ernennung zwischen den 11.7. und 29.8.247 eingrenzen. 13

3.4. Ende der Regierung und

Regierungsdauer

Wie bereits erwähnt, sind durch Münzen, Papyri und Inschriften sechs tribunizische Gewalten für Philipp belegt. Der Kaiser regierte also während sechs Kalenderjahren. Münzen und Papyri aus Alexandria bestätigen dies: Sie zeigen, dass Philipps Regierung sich über sieben ägyptische Jahre (die am 1. thoth, das heisst 29./30.8. begannen) erstreckte. Daneben finden sich in einigen späteren literarischen Quellen Angaben über die Regierungsdauer, die sich allerdings widersprechen. Die präziseste Angabe liefert der Chronograph von 354, der berichtet, dass Philipp fünf Jahre, fünf Monate und 29 Tage regiert habe. Aurelius Victor, Eutrop und die Epitome de Caesaribus geben als Regierungsdauer fünf Jahre. Zonaras meint, dass manche Autoren fünf, manche sechs Jahre und ebensoviele Monate überlieferten. In der Chronik des Eusebios-Hieronymus, bei Orosius und Synkellos sind es sieben Jahre. 14 Philipps Regierungszeit endet mit seiner Niederlage gegen Decius. Münzen aus Alexandria belegen, dass Philipp noch nach dem 29.8.249 als Kaiser in Ägypten anerkannt war. Die letzte ägyptische Urkunde, die

12

13

14

Rathbone, 1986, p. 112; Peachin, 1990, p. 31. Papyrus v o m 1 3 . 1 0 . 2 4 4 : P. Stras. III 144, Z. 21 f.; Papyrus v o m 2 . 9 . 2 4 4 : PSI XII 1238, Z. 3 7 f . Peachin, 1990, p. 31. Inschrift vom 11.7.: CIL VI 3 2 4 1 4 (bei Peachin, 1 9 9 0 , p. 3 1 , f ä l s c h l i c h e r w e i s e auf den 11.6. datiert). Philipp iunior erscheint auch auf manchen Inschriften und Papyri, die vor dem Juli / Aug. 2 4 7 abgefasst wurden, bereits als Augustus, dies j e d o c h j e w e i l s in Formulierungen, die s o w o h l ihn w i e s e i n e n Vater g e m e i n s a m als Augg. nennen, was k e i n e s w e g s u n g e w ö h n l i c h ist: Cf. dazu Loriot, 1975b, p. 7 9 2 , Anm. 14; A m e r / G a w l i k o w s k i , 1985, pp. 12f. Chron. 3 5 4 , in: M o m m s e n , Chron. min., Bd. 1, p. 6 4 7 , Z. 38; Aur. Vict., Caes. 2 8 , 1 1 ; Eutr. 9 , 3 ; Epit. de Caes. 2 8 , 1 ; Zon. 12,19; Hier., Chron. z. J. 2 2 6 1 ; Oros., Hist. adv. pag. 7 , 2 0 , 1 ; lord., Rom. 2 8 3 ( M o m m s e n , p. 37, Ζ. 1); Synk. 6 8 1 . D i e K a i s e r a b f o l g e und die Angaben der Regierungsjahre bei M o n a c h o s , Kedrenos und in der Osterchronik sind h o f f n u n g s l o s verwirrt.

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3. Chronologie

nach Philipp datiert, ist ein Papyrus aus Oxyrhynchus vom 22.9.249. Decius' erstes überliefertes Reskript datiert vom 16.10.249. Am 28.11.249 erscheint er zum ersten Mal auf einem ägyptischen Papyrus. Der Regierungswechsel muss demnach zwischen dem 30.8. und dem 16.10. stattgefunden haben. Der ägyptische Papyrus vom 22.9. stellt keinen sicheren terminus post quem dar, da Philipp vielleicht bereits tot war, die Nachricht hingegen noch nicht Ägypten erreicht hatte. 1 5 Loriot versucht, den Beginn und das Ende von Philipps Regierung noch etwas genauer einzukreisen. Gemäss dem Chronographen von 354 regierte Philipp fünf Jahre, fünf Monate und 29 Tage. Zwischen dem 14.3.244 (erster Beleg Philipps als Kaiser) und dem 29.8.249 (letzter Beleg) liegen fünf Jahre, fünf Monate und sechzehn Tage, also dreizehn Tage weniger. Demnach kann nach Loriot der Regierungsbeginn maximal zwischen dem 1. und 14.3.244, die Schlacht bei Verona zwischen dem 30.8. und 11.9. stattgefunden haben. 1 6 Peachin hat allerdings Bedenken an der Zuverlässigkeit der Angabe beim Chronographen von 354 angemeldet. 1 7 Zumindest spricht für die hier überlieferte Regierungsdauer gegenüber den Angaben in anderen Quellen, dass sie sehr viel präziser ist.

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16 17

Loriot, 1975b, p. 7 9 5 . Papyrus vom 2 2 . 9 . : P. Rend. Harris 80, Z. 3 9 - 4 1 (cf. dazu Loriot, a.a.O.; Rathbone, 1986, p. 112; Peachin, 1990, p. 3 0 ) ; Reskript v o m 16.10.: Cod. Iust. 1 0 , 1 6 , 3 ; Papyrus vom 2 8 . 1 1 . : P. Oxy. XIV 1636, Z. 3 9 - 4 1 (cf. dazu Loriot, a.a.O.; Rathbone, 1986, p. 112; Peachin, 1990, p. 3 0 , der ihn auf den 2 7 . 1 1 . datiert). Loriot, 1975b, p. 7 9 6 . Peachin, 1990, p. 30.

4. Philipps Aufstieg und Machtübernahme Philippus Arabs kam im Februar oder März 244 an die Macht. 1 Im folgenden stehen die Fragen um seinen Aufstieg vor 244 und den Vorgang seiner Machtübernahme im Zentrum der Untersuchung. Eng verbunden mit diesen Fragen ist das Problem der Legitimierung des neuen Kaisers, der sich auf keine adlige oder italische Herkunft berufen konnte.

4.1. Die Karriere Philipps vor 244 n.Chr. Vom Leben Philipps vor den vierziger Jahren des 3. Jahrhunderts ist nichts überliefert. 2 Auch das genaue Geburtsjahr ist unbekannt. Nach dem Chronicon paschale war Philipp bei seinem Tode 45 Jahre alt; er wäre demzufolge um 204 geboren worden. Aurelius Victor wiederum schreibt, dass der Kaiser, als er Decius 249 entgegenzog, bereits debili per aetatem corpore gewesen sei, was auf ein höheres Alter schliessen lassen würde. Bei Malalas und, davon abhängend, in der Synopsis Sathas findet sich die Angabe, dass Philipp im Alter von 63 Jahren gestorben sei; seine Geburt fiele damit ins Jahr 186 n.Chr. 3 Zwar ist Aurelius Victor zweifellos die zuverlässigste Quelle. Für die Angabe im Chronicon Paschale spricht jedoch das Alter von Philipps Sohn, der 249 zwölfjährig starb 4 ; Vater und Sohn wären dann 33 Jahre auseinander gewesen, ein normaler Altersunterschied. Die Überlieferungen des Aurelius Victor und der Osterchronik müssen sich zudem nicht ausschliessen: Es ist durchaus möglich, dass Philipps Gesundheit durch die Karpenkriege gelitten hatte. Der Malalas-Tradition wiederum ist mit

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2 3

4

Zur Datierung der Ereignisse cf. Kap. 3.1. N i c h t z u g ä n g l i c h war mir L. Stefanini, L'ascesa al trono di Filippo l'Arabo, Diss. Università Cattolica di M i l a n o 1979/80. Cf. Kap. 2 . 1 . Chron. pasch. 2 7 0 (PG 9 2 , col. 6 6 5 ) ; Aur. Vict., Caes. 2 8 , 1 0 ; Malalas: Exc. Const. p. 159, Nr. 19, Ζ. 28 [de B o o r ] (cf. Schenk von Stauffenberg, 1931, p. 63); Syn. Sath., p. 37, Z. 17. Die Synopsis hat ihre Altersangabe wohl aus der MalalasTradition übernommen: cf. Kap. 1.1.4. Epit. de Caes. 2 8 , 3 .

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4. Aufstieg und Machtübernahme

grosser Vorsicht zu begegnen, da sie zahlreiche Erfindungen und Verwechslungen enthält. Das einzige Amt, das für Philipp vor 244 belegt ist, ist die Prätorianerpräfektur. 5 Auf dem Perserfeldzug Gordians starb dessen Schwiegervater und Prätorianerpräfekt Timesitheus. Gordian ernannte Philipp zu dessen Nachfolger. 6 Nur die Historia Augusta nennt eine Ursache für den Tod des Timesitheus: Dieser sei auf dem Perserfeldzug an Durchfall erkrankt; die Ärzte hätten ihm jedoch statt eines Heilmittels einen Trank gegeben, der die Krankheit verschlimmert habe. Drahtzieher des Anschlags sei Philipp gewesen. Diese Geschichte ist zweifellos der Phantasie des anonymen Verfassers der Historia Augusta entsprungen, zumal in den letzten Kapiteln der Vita der Gordiane ein äusserst negatives Bild Philipps entworfen wird, in das sich die Ermordung des Timesitheus gut einfügt. Über die Karriere Philipps vor seiner Prätorianerpräfektur schweigen die Quellen. Lediglich in der Historia Augusta findet sich der Hinweis, die Beförderung ins höchste ritterliche Amt habe für Philipp eine novitas und enormitas dargestellt und nicht seiner Herkunft entsprochen. 7 In der Forschung liegen zwei Vorschläge vor: Zum einen wurde erwogen, dass Philipp Vizeprätorianerpräfekt gewesen sei. 8 Als möglicher Hinweis wurde eine Inschrift aus Kleinasien herangezogen, die Petition der Araguener, die bereits aus der Zeit stammt, als Philipp Kaiser war 9 : Die Einwohner von Arague in Phrygien beklagen sich über die Übergriffe kaiserlicher Beamter. Dabei verweisen sie auf eine frühere Klage: Sie hätten dasselbe Problem schon einmal vorgetragen, ό π ό τ ε τ η ν ε π α ρ χ ο ν δ ι ε ΐ π ε [ . . . ] (Ζ. 24). Aufgrund der Ergänzung δ ι ε ΐ π ε [ ς α ρ χ ή ν ] wird angenommen, dass die frühere Klage sich an Philipp gerichtet habe, als dieser δ ι έ π ω ν τ η ν ε π α ρ χ ο ν α ρ χ ή ν gewesen sei, also „administering the office of prefect"; nach Howe meint der Begriff δ ι έ π ω ν τ η ν ε π α ρ χ ο ν ά ρ χ ή ν einen stellvertretenden Prätorianerpräfekten. 1 0 Aus der Tatsache,

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9 10

Amm. 23,5,18; Aur. Vict., Caes. 27,8; Fest. 22; Epit. de Caes. 27,2; Hier., Chron. z.J. 2257; SHA, Gord. 29,1; Chron. Pasch. 270 (PG 92, col. 668); Zos. 1,18,2; Georg. Mon. 354 (PG 110, col. 545); Kedr. 450 (PG 121, col. 493); Zon. 12,18. Der bis 1923 angeführte inschriftliche Beleg für Philipps Prätorianerpräfektur (CIG III 4483 = Wadd. 2598 = IGR III 1033 = OGIS II 640) wurde falsch ergänzt und ist daher auszuscheiden: cf. Kap. 2.2.4. SHA, a.a.O.; Zos., a.a.O.; Zon., a.a.O. SHA, Gord. 29,1; cf. Kap. 2.1. A. Stein, Art. Furius Nr. 89, RE VII.I, 1910, col. 367; ebenso: E. Stein, 1918a, col. 757; Görg, 1920, p. 42; Howe, 1942, pp. 80; 47, Anm. 26; pp. 53; 11 Of.; Ensslin, 1939, p. 87; ders., 1954, col. 2419. E. Stein und Görg nehmen zudem an, dass Philipp als Prätorianerpräfekt in den Senat inter consulares adlegiert worden sei. OGIS II 519 = CIL III 14191 = IGR IV 598. Cf. Kap. 7.3. Howe, 1942, p. 111.

4.1. Karriere vor 2 4 4 n.Chr.

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dass die Araguener sich an Philipp wandten, schliesst Howe, Philipp habe über juristische Fachkenntnisse verfügt, vergleichbar mit Ulpian und Papinian, den grossen Juristen und Prätorianerpräfekten in severischer Z e i t . " Pflaum betont demgegenüber, dass δ ι έ π ω ν τ η ν ε π α ρ χ ο ν ά ρ χ ή ν auch den Prätorianerpräfekten selbst bezeichnen kann. 1 2 Passerini weist zudem darauf hin, dass Philipp als Vizepräfekt sich in Rom hätte aufhalten müssen und nicht am Perserfeldzug hätte teilnehmen können. 1 3 Zentrales Problem der ganzen Argumentation ist j e d o c h , dass die Identifizierung des δ ι έ π ω ν mit Philipp lediglich auf einer Ergänzung in der Inschrift basiert: Statt der zweiten Person Singular δ ι ε ΐ π ε [ ς ] lässt sich ebenso die Ergänzung in der dritten Person διεϊπε[ν] vertreten. 1 4 In diesem Fall hätten die Araguener sich an einen anderen Prätorianerpräfekten (oder Stellvertreter) gewandt, dessen Namen in der folgenden Lücke ausgefallen ist. Der zweite Ansatz hinsichtlich der Karriere vor 244 stammt von Pflaum: Er schlug vor, dass Philipp bereits vor seiner Prätorianerpräfektur einen wichtigen ritterlichen Posten bekleidet habe: Er sei wohl praefectus Mesopotamiae und damit Kommandant der ersten und dritten legiones Parthicae und ihrer Hilfstruppen gewesen 1 5 ; er habe somit eine wichtige Funktion in der Offensive gegen die Perser gehabt. Sein Bruder Priscus sei zu diesem Zeitpunkt bereits als Amtskollege des Timesitheus Prätorianerpräfekt gewesen. Nach Timesitheus' Tod wäre der bisherige praefectus Mesopotamiae der nächstliegende Kandidat für den Posten des Prätorianerpräfekten gewesen; entsprechend sei Philipp nachgerückt. Diese Hypothese mag zwar in den Quellen nicht belegbar sein. Sie geht jedoch von der plausiblen Überlegung aus, dass Philipp bereits vor dem Tod des Timesitheus im Führungsstab des Feldzugs gewesen sein muss, da sonst seine Beförderung recht ungewöhnlich gewesen wäre. Im übrigen deutet auch eine Passage der Historia Augusta darauf hin, dass Philipp einer der militärischen Führer war: Von Timesitheus heisst es, dass die tribuni et duces ihn so sehr fürchteten und verehrten, dass sie ihn weder schädigen wollten noch konnten. Philipp jedoch habe ihn so sehr gefürchtet, dass er einen Anschlag auf

" 12

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Howe, 1942, p. 47, Anm. 26; cf. ebd., p. 53 („trained as a lawyer") und p. 79. Pflaum, Bd. 2, 1960, pp. 836f. Entsprechend wurde die Inschrift von Passerini ( 1 9 3 9 , p. 3 3 8 ) als Zeugnis für die Prätorianerpräfektur Philipps genommen. Passerini, 1939, p. 338. Im CIL und in den IGR wird δ ι ε ΐ π ε [ ς ά ρ χ ή ν ] ergänzt; Dittenberger in der OGIS dagegen ergänzt δ ι ε ΐ π ε [ ν ...]. Pflaum, Bd. 2, 1960, p. 837; ebenso: Petersen, 1966, p. 247.

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4. Aufstieg und Machtübernahme 16

ihn vorbereitete. Da davor die Rede von den tribuni et duces war, Philipp aber ohne Präzisierung seiner Funktion eingeführt wird, dürfte er auch dieser Gruppe angehört haben, wobei er den Sonderfall darstellt, insofern als er im Unterschied zu seinen Kollegen doch einen Anschlag auf Timesitheus unternimmt. 17 Die konkreten Umstände des Aufstiegs der Brüder aus Arabien bleiben letztlich im Dunkeln. Fest steht, dass sie keine Vorfahren hatten, die bereits in der Administration des Reiches tätig gewesen waren. 18 Insofern trifft das Urteil der Historia Augusta zu, das von der novitas und enormitas der Prätorianerpräfektur für Philipp spricht. Zweifellos spielte der Perserfeldzug eine entscheidende Rolle bei dem Aufstieg der beiden Brüder: Sie müssen in der Heeresleitung gewesen sein. Unter Umständen wurden sie von Timesitheus gefördert, der möglicherweise aus derselben Region stammte. 19 Jedenfalls müssen sie die wichtigsten Männer nach dem Prätorianerpräfekten gewesen sein, da nach dessen Tod die Leitung des Kriegszuges an sie überging. Mit der Prätorianerpräfektur verfügte Philipp über eine ausgesprochen grosse Machtstellung, die durch die Umstände noch vergrössert wurde: Der Kaiser war

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SHA, Gord. 28,4f.: Tribuni eum et duces usque adeo timuerunt et amarunt, ut ñeque vellent pecare neque ulla ex parte peccarent. Philippus eum propter pleraque vehementer timuisse fertur .... Cf. auch Passerini, 1939, p. 338: „Dalla menzione di lui subito i tribuni et duces ..., si può ricavare che avesse comandato delle milizie ausiliarie." Am Rande erwähnt sei hier noch die Annahme von A. Stein (RE VII. 1, col. 367), ein unter Gordian III. inschriftlich belegter [...Jltius Philippus, pr(aefectus) vigilum (CIL VI 1092) sei mit Philippus Arabs zu identifizieren. Dem widerspricht, dass im Gentilnomen nach dem I ein t erhalten ist. (Die Inschrift ist allerdings nur noch in zwei Abschriften erhalten.) Die Ergänzung zu [Iujlius ist somit nicht möglich. Entsprechend haben E. Stein (1918, col. 757), Passerini (1939, p. 338), Howe (1942, p. 79, der allerdings die Möglichkeit nicht ganz ausschliessen will) und Ensslin (1954, col. 2396) Α. Steins Interpretation zurückgewiesen. Cf. auch Kap. 2.1. und 2.2.3. Nach Pflaum (Bd. 2, I960, pp. 837; 872; cf. auch Sprengling, 1953, p. 83) gab es auf dem Perserfeldzug eine ganze Gruppe von Syrern und Arabern um Timesitheus, zu der Philipp, Priscus und Claudius Aurelius Tiberius (dessen arabische Herkunft allerdings nicht gesichert ist: cf. Appendix I, P9) gehörten. Einen möglichen Hinweis auf eine arabische Herkunft des Timesitheus könnte eine Inschrift aus Bostra liefern: Ann. ép. 1936, 151: ...Janiis numinibus patriis Furius Timesitheus proc(urator) Augg(ustorum). (Die Datierung in der Année épigraphique ist falsch: Der Herausgeber möchte die Augusti mit Philipp Vater und Sohn identifizieren; zu diesem Zeitpunkt war Timesitheus aber bereits tot. Die Inschrift muss aus severischer Zeit stammen: cf. auch Pflaum, Bd. 2, 1960, p. 813). Wenn Timesitheus in Bostra eine Weihung f ü r seine numina patria aufstellt, könnte er aus dieser Region gekommen sein.

4.2. Philipps Machtübernahme

75

ein neunzehnjähriger, unerfahrener Jüngling, dessen Mentor verstorben war. 2 0 Der Krieg spielte also eine zentrale Rolle für den Aufstieg und die anschliessende Machtergreifung Philipps. Offen bleiben muss, inwieweit er vor seiner Prätorianerpräfektur auch ritterliche Statthalterschaften bekleidet hatte. Da der Aufstieg zum Prätorianerpräfekten in der Regel aus militärischen Stellen erfolgte, ist wohl auch für Philipp davon auszugehen, dass er sich im Heer hochgedient hatte. 2 1

4.2. Die Machtübernahme

Philipps

Die Überlieferung der Ereignisse um Philipps Machtübernahme ist in vielerlei Hinsicht widersprüchlich: Wurde Gordian III. von seinen eigenen Soldaten ermordet? Oder kam es zu einer Schlacht, in der er fiel? Wo fand der Kaiser den Tod? Im folgenden sollen die verschiedenen antiken Zeugnisse diskutiert werden. Dabei soll mit Hilfe einer quellenkritischen Analyse versucht werden, die Traditionen, die hinter den verschiedenen Quellen stehen, herauszuarbeiten. Dies ermöglicht es, relativ zuverlässige Schlussfolgerungen über den tatsächlichen Hergang der Ereignisse von 244 zu machen.

4.2.1. Der Tod Gordians III. in der antiken Überlieferung 4.2.1.1. Lokalisierung der Ermordung Zur Bestimmung des Ortes der Ermordung lassen die antiken und byzantinischen Quellen folgende Möglichkeiten zu: 1. Gordian III. wurde auf römischem Boden von den Soldaten getötet, noch bevor er ins Perserreich eingefallen war (Historia Augusta,

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Altersangabe: Epit. de Caes. 27,2. Sprengling (1953, pp. 4. 6) behauptet, Gordian III. habe nach Timesitheus' Tod die Leitung des Feldzuges in die Hand genommen und den Plan seines verstorbenen Schwiegervaters fortsetzen wollen, wahrend Philipp eher zur Vorsicht gemahnt habe. Für diese Hypothese fehlen aber jegliche Quellenbelege. Der Aufstieg aus zivilen Ämtern war eher die Ausnahme, ist aber zum Beispiel bei Macrinus festzustellen (Ensslin, 1954, col. 2397f.). Für den Aufstieg zum Prätorianerpräfekten war keineswegs eine geburtsmässige Zugehörigkeit zum Ritterstand erforderlich; vielmehr war es auch möglich, von den einfachen Anfängen der militärischen Karriere erst in den Ritterstand aufzusteigen und es schliesslich bis zur Prätorianerpräfektur zu bringen (Ensslin, 1954, col. 2395-97 mit zahlreichen Beispielen).

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4. Aufstieg und Machtübernahme

Zosimos, Synopsis Sathas).22 Zosimos schreibt, die Ermordung habe π ε ρ ί Κ ά ρ ρ α ς και Νίσιβιν stattgefunden. In der Synopsis Sathas stirbt der Kaiser in Nisibis. Hier dürfte auch der Bericht der Historia Augusta einzuordnen sein: Als letzte Ortsangabe vor der Schilderung von Gordians Ermordung werden im Text Nisibis und Carrhae genannt. Allerdings widersprechen sich sowohl Zosimos wie die Historia Augusta jeweils selbst, da sie das Grabmal Gordians bei Zautha bzw. Circesium auf dem Weg nach Dura lokalisieren. 23 Diese Lokalisierung stimmt mit Ammians Schilderung überein, der als Augenzeuge das Grabmal auf dem Weg von Cercusium (Circesium) nach Dura gesehen hat. 24 2. Das römische Heer war ins Perserreich eingedrungen und bis vor Ktesiphon vorgestossen, wo es zu einer Meuterei kam, die zu Gordians Ermordung führte (Epitome de Caesaribus, Synkellos, Zonaras). 25 Dazu passt die Angabe der RGDS, die römisch-persische Entscheidungsschlacht habe bei Mesiche (in der Nähe des heutigen Baghdad) stattgefunden. 2 6 3. Die römischen Truppen befanden sich nach einem Sieg über die Perser bereits wieder auf dem Rückmarsch, als Unruhen im Heer ausbrachen. Gordian wurde noch vor Erreichen der römischen Grenze ermordet (Eutrop, Festus, Hieronymus, Johannes von Antiochia) 27 oder bei Circesium, das heisst kurz nach dem Grenzübertritt (Ammian) 28 , wo dem toten Kaiser ein Kenotaph errichtet wurde. 29

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SHA, Gord. 2 7 , 6 ; cf. 2 6 , 6 ; Ermordung: SHA, Gord. 2 9 f . (cf. auch Loriot, 1975a, p. 7 7 0 ) ; Zos. 1 , 1 8 , 3 - 1 , 1 9 , 1 ; Syn. Sath., p. 36, Z. 28. Zos. 3 , 1 4 , 2 ; SHA, Gord. 3 4 , 2 . Zum Widerspruch cf. unten Anm. 60. Amm. 2 3 , 5 , 1 . 7-8; zum Grab cf. auch unten Kap. 4 . 3 . 1 . Epit. de Caes. 2 7 , 2 ; Synk. 6 8 1 ; Zon. 12,18. R G D S , Z. 8. Zur Lokalisierung von M e s i c h e cf. unten Kap. 4 . 2 . 1 . 2 . 1 . Die beiden anderen z e i t g e n ö s s i s c h e n Quellen, die Oracula Sibyllina ( 1 3 , 1 6 ) und Porphyrios (vita Plot. 3), lokalisieren das Ende Gordians am Euphrat bzw. in M e s o p o t a m i e n , was sowohl zur z w e i t e n w i e zur dritten ( f o l g e n d e n ) M ö g l i c h k e i t passt. Eutr. 9 , 2 , 3 ; Fest. 2 2 ; Hier., Chron. z.J. 2 2 5 7 ; Joh. Ant., Frg. 147, FHG IV, p. 597. Amm. 2 3 , 5 , 1 7 . N a c h Bleckmann ( 1 9 9 2 , p. 73, Anm. 6 8 ) berichtet A m m i a n „explizit vom Tod Gordians III. während des Hinmarschs". D i e s e Interpretation ist j e d o c h k e i n e s w e g s z w i n g e n d . Bei Ammian heisst es: Traianus et Verus, Severus hinc sunt digressi Víctores et tropaeati redissetque pari splendore iunior Gordianus, cuius monumentum nunc vidimus honorate, apud Resainan superato fugatoque rege Persarum, ni Jactione Philippi praefecti praetorio sceleste iuvantibus paucis in hoc, ubi sepultus est, loco vulnere impio cecidisset. Daraus lässt sich nicht ableiten, dass Gordian sich auf dem H i n w e g befand. D i e Formulierung kann e b e n s o gut dahingehend verstanden werden, dass Gordian nach e i n e m S i e g Uber die Perser bereits auf der Heimkehr war, aber ermordet wurde, bevor er auf römischen Boden gelangte oder in Rom eintraf, um einen Triumph zu feiern, wie dies Trajan, L. Verus und Septimius Severus getan hatten. Auch Orosius (Hist. adv. pag. 7 , 9 , 1 5 ) scheint zu berichten, dass Gordian bei Circesium ermordet wurde: suorum fraude haud longe a Circesso super Euphraten interfectus est. D i e s ist j e d o c h eine

4.2. Philipps Machtübernahme

77

Eine Antwort auf die Frage, welche Lokalisierung die grösste Wahrscheinlichkeit hat, soll im Zusammenhang mit der Untersuchung der Todesumstände gesucht werden. 30

4.2.1.2. Todesumstände 4.2.1.2.1. Die zeitgenössischen Quellen Die zeitgenössischen Quellen sind nicht nur aufgrund ihrer zeitlichen Nähe von Bedeutung, sondern auch insofern, als sie ausserhalb der späteren Traditionsbildung stehen, wie sie ab dem 4. Jahrhundert feststellbar ist. 31 Die Schapur-Inschrift berichtet von einer in den römischen und griechischen Quellen nicht erwähnten Schlacht bei Mesiche (Msyk) zwischen Römern und Persern: π ό λ ε μ ο ς μέγας γ έ γ ο ν ε ν και Γορδιαν[ός] Κ[αΐσαρ] έπανήρη. 3 2 Die Römer erhoben daraufhin Philipp auf den Thron. Mesiche wurde in Peros-Sabour ("Siegreicher Schapur")

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gekürzte Übernahme aus Eutrop (9,2,3): haud longe a Romanis finibus interfectos est fraude Philippi... Miles ei tumulum vicésimo miliario a Circesio, quod Castrum nunc Romanorum est Euphratae inminens, aedificavit.... (Dass Orosius Eutrop verwendete, sagt er selbst: Hist. adv. pag. 7,19,4). Damit ist das angebliche Zeugnis des Orosius für eine Ermordung bei Circesium lediglich das Ergebnis einer Zusammenziehung der zwei Aussagen bei Eutrop. Eutr. 9,2,3; Fest. 22; Hier., Chron. z.J. 2257. Cf. auch unten Kap. 4.3.1. Der Vollständigkeit halber seien hier die kurzen Angaben in zwei Chroniken des 4. Jahrhunderts erwähnt: In der armenischen Übersetzung von Eusebios' Weltchronik (zum Jahr 2261) heisst es, Gordian sei in Parthia getötet worden. Der Chronograph von 354 (Mommsen, Chron. min., Bd. 1, p. 147, Z. 31) lokalisiert den Tod Gordians in den fines Partiae. Loriot (1975a, p. 771) möchte Eusebios' Bericht auf dieselbe Tradition zurückführen, derzufolge Gordian vor Ktesiphon stirbt, während er die Angabe des Chronographen in Zusammenhang mit der Tradition stellt, die sich auch bei Eutrop, Festus und Johannes von Antiochia findet. Die Angaben sind j e doch zu knapp, um hier bestimmte Traditionen festzumachen: Die Ortsangaben in beiden Chroniken widersprechen weder der Tradition, derzufolge Gordian auf seiner Rückkehr vor Erreichen der Grenze auf persischem Boden starb, noch der Variante in der Epitome de Caesaribus, die den Kaiser bis Ktesiphon gelangen lässt. Zu den späteren lateinischen Chroniken, die von Hieronymus abhängen und daher keine selbständige Überlieferung darstellen, cf. Potter, 1990, p. 206. Die Kaiserrede Ε'ις β α σ ι λ έ α , die zum Teil auch als zeitgenössisches Zeugnis f ü r Philippus Arabs angeführt wird, haben wir an anderer Stelle ausgeschlossen (Körner, 2002, im Druck). RGDS, Z. 8. Zur Form έ π α ν ή ρ η cf. Guey, 1955, p. 117, und Bleckmann, 1992, p. 76. Die reguläre Form wäre ά ν η ρ έ θ η . Die parthische Version sagt noch deutlicher, dass Gordian in der Schlacht fiel: cf. Back, 1978, p. 501, Anm. 161, gefolgt von Bleckmann, 1992, p. 76, Anm. 77.

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4. Aufstieg und Machtübernahme 33

umbenannt. Mesiche lässt sich vierzig Kilometer westlich von Baghdad lokalisieren 34 , was darauf hinweisen würde, dass Gordian in der Tat bis vor Ktesiphon kam, wie die Epitome de Caesaribus, Synkellos und Zonaras überliefern. 35 Die Sibyllinischen Orakel berichten, Gordian sei έν τάξει, „in der Schlachtreihe" gefallen. Allerdings wird im nächsten Vers darauf hingewiesen, dass er von einem Gefährten verraten wurde: προδοθείς ύφ' έταίρου. 3 6 Damit kann nur Philipp gemeint sein, wie der Vergleich mit der übrigen antiken und byzantinischen Überlieferung zeigt. Da beide Angaben, έν τάξει und προδοθείς ύφ' έταίρου, ohne erklärende Überleitung in unmittelbarer Nachbarschaft (in zwei aufeinanderfolgenden Versen) stehen, stellt sich angesichts der Entstehungsgeschichte des dreizehnten Buchs der Oracula die Frage, ob der Vers mit προδοθείς ύφ' έταίρου von einem späteren Bearbeiter eingefügt wurde. Andererseits müssen sich der Tod in der Schlacht und der Verrat durch einen Gefährten auch nicht ausschliessen: Die eigenen Soldaten könnten den Kaiser im Getümmel der Kämpfenden ermordet haben.37 Eine gewisse Bedeutung als Quelle für die Ereignisse von 244 wird zum Teil auch der Plotinvita des Porphyrios beigemessen. 38 233 geboren, war Porphyrios beim Tode Gordians elfjährig; an der Plotinvita

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RGDS, Z. 8-10. Der Sieg bei Mesiche wird auch in einer anderen sassanidischen Inschrift des 3. Jahrhunderts erwähnt, nämlich der des Funktionärs Abnun: cf. Wiesehöfer, 1999, p. 103. Loriot, 1975a, p. 773. Cf. auch Guey, 1955, pp. 117f.; Dodgeon/Lieu, 1991, p. 358, Anm. 26. Das bei Ammian (24,2,9) erwähnte Pirisabora (heute al-Anbâr) ist identisch mit Peros-Sabour (Loriot a.a.O.). So auch Bleckmann, 1992, p. 75. Or. Sib. 13,20-19: κ α π π έ σ ε τ ' έν τ ά ξ ε ι τ υ φ θ ε ί ς α ϊ θ ω ν ι σ ι δ ή ρ φ < ζ η λ ο σ ύ ν η ς > ε ν ε κ α , και < γ ε > π ρ ο δ ο θ ε ί ς ύφ' έταίρου. „he will fall in the ranks, smitten by gleaming iron because of jealousy and moreover betrayed by a companion." (tlbers. von Potter, 1990, p. 167) Zur Textkritik der Stelle und zur Umstellung der beiden Verse cf. Potter, 1990, pp. 199f.; Dodgeon/Lieu, 1991, p. 356, Anm. 10; Eadie, 1996, pp. 144f. Erinnert sei an das Gerücht, dass Iulian in der Schlacht von einem Speer eines römischen Soldaten durchbohrt wurde: Liban., or. 18,274f.; Amm. 25,3,6; 25,6,6. Im übrigen kann nach Dodgeon/Lieu (1991, p. 356, Anm. 10) έν τ ά ξ ε ι sowohl „in battle" wie „in the camp", also „im römischen Lager" bedeuten. Damit wurde auch der Widerspruch zwischen den zwei Zeilen wegfallen. Andererseits weist Eadie (1996, p. 145) darauf hin, dass Vers 20 ( κ α π π έ σ ε τ ' έν τ ά ξ ε ι τ υ φ θ ε ί ς α ϊ θ ω ν ι σ ι δ ή ρ φ ) in Or. Sib. 13,101 wörtlich wiederholt wird, wo von Decius die Rede ist. Dieser starb mit Sicherheit in der Schlacht gegen die Goten, so dass offensichtlich die Formulierung έν τ ά ξ ε ι eher auf das Schlachtfeld, als auf das Lager hindeutet. So vor allem von Oost, 1958, pp. 106f.

4.2. Philipps Machtübernahme

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arbeitete er allerdings erst 301. Plotin hatte mit 39 Jahren an Gordians Feldzug teilgenommen, flieht aber nach der Ermordung des Kaisers nach Antiochia. 4 0 Oost möchte aus der Passage schliessen, dass Philipp für Gordians Tod verantwortlich gewesen sei: Plotin hätte kaum fliehen müssen, wenn Gordian in einer Schlacht gefallen wäre. Ein Putsch in der römischen Armee habe j e d o c h den Philosophen, der im engeren Kreise um den jungen Kaiser gewesen sei, um sein Leben furchten lassen, so dass er die Flucht ergriffen habe. 41 Allerdings ist einzuwenden, dass sich der Stelle nicht entnehmen lässt, ob Gordian in einer Schlacht getötet oder von den eigenen Truppen ermordet wurde. 4 2

4 . 2 . 1 . 2 . 2 . Spätantike und frühbyzantinische Quellen des 4. bis 7. Jahrhunderts und die Tradition der Enmannschen Kaisergeschichte In den spätantiken und frühbyzantinischen Quellen findet Gordian III. den Tod infolge der Intrigen Philipps: Aurelius Victor (Caes. 27,8): Ibi gesto insigniter bello Marci Philippi praefecti praetorio insidiis periit (se. Gordianus) sexennio imperii. Eutrop (9,2,2f.): Rediens haud longe a Romanis fìnibus interfectus est (se. Gordianus) fraude Philippi, qui post eum imperavit. Miles ei tumulum vicésimo miliario a Circesio, quod Castrum nunc Romanorum est Euphratae inminens, aedifieavit, exequias Romam revexit, ipsum Divum appellavit. Festus (22): Isque (sc. Gordianus) rediens victor de Perside fraude Philippi, qui praefectus praetorio eius erat, occisus est. Milites ei tumulum in vicensimo miliario a Circensio quod nunc extat aedifieaverunt atque exequias eius Romam cum maxima venerationis reverentia deduxerunt. Hieronymus (Chron. z. J. 2257 und 2260): Gordianus admodum adolescens, Parthorum natione superata, cum victor reverteretur ad patriam, fraude Filippi praefecti praetorio haut longe a Romano solo interfectus est. Gordiano milites tumulum aedificant qui Eufratae imminet, ossibus eius Romam revectis. Ammian (23,5,17) (in einer Rede Iulians an seine Truppen): Traianus et Verus, Severus hinc sunt digressi victores et tropaeati redissetque pari splendore iunior Gordianus, cuius monumentum nunc vidimus honorate, .... ni factione Philippi praefecti praetorio sceleste iuvantibus paucis in hoc, ubi sepultus est, loco vulnere impio cecidisset.

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Das Geburtsjahr des Porphyrios ergibt sich aus vita Plot. 4. Mit 68 Jahren, das heisst 301 war er an der Arbeit der Vita (vita Plot. 23). Zur Datierung cf. auch R.

Goulet, in: Porphyre, Bd. 1, 1982, pp. 210; 213. Porphyr., vita Plot. 3. Oost, 1958, pp. 106f. Ebenso: Dodgeon/Lieu, 1991, p. 358, Anm. 24; L. Brisson, in: Porphyre, Bd. 2, 1992, p. 6. So zurecht MacDonald, 1980, p. 504.

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4. Aufstieg und Machtübernahme Epitome de Caesaribus ( 2 7 , 2 f . ) : Apud Ctesiphontem a Philippe praefecto praetorio accensis in seditionem militibus occiditur (sc. Gordianus) anno vitae undevicesimo. Corpus eius prope fines Romani Persicique imperii positum nomen loco dedit Sepulcrum Gordiani. O r o s i u s (Hist. adv. pag. 7 , 1 9 , 5 ) : Igitur Gordianus ingentibus proeliis adversum Porthos prospere gestis suorum fraude hand longe a Circesso super Euphraten interfectus est. Johannes von A n t i o c h i a (Frg. 147, FHG IV, p. 5 9 7 ) : καί ώς ε ι ς τ ό ν Ε υ φ ρ ά τ η ν ά φ ί κ ε τ ο (sc. Γ ο ρ δ ι α ν ό ς ) ε ι ς τ ε τ α τ ο υ Τ ί γ ρ η τ ο ς σ τ ό μ ι α , ... ' Ε κ ε ί θ ε ν δ έ μ ε τ ά τ ο π έ ρ α ς έ π α ν ι ώ ν , εκτς> τ η ς η γ ε μ ο ν ί α ς έ ν ι α υ τ φ , π ρ ο ς αύτοΐς ήδη τοις οροις της οικείας αρχής, ύπό Φιλίππου, τήν βασιλείαν δ ι α δ ε ξ α μ ε ν ο υ , τ ο υ κ α τ ' ε κ ε ί ν ο κ α ι ρ ο ύ τ ή ν τ