Haftung von Organen in Krise und Insolvenz 9783814558127

Eine Unternehmensinsolvenz ist meist eng mit Haftungsfragen verknüpft. Insbesondere die Organe einer Gesellschaft tragen

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Haftung von Organen in Krise und Insolvenz
 9783814558127

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Jens M. Schmittmann Haftung von Organen in Krise und Insolvenz

RWS-Skript 380

Haftung von Organen in Krise und Insolvenz 2., neu bearbeitete Auflage

von Prof. Dr. Jens M. Schmittmann

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH ˜ Köln

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Vorwort zur 2. Auflage „Quidquid agis prudenter agas et respice finem!“, heißt es beim griechischen Dichter Aesopus, der 600 Jahre ante Christum natum lebte, in Fabel 45. Diese Erkenntnis sollte der beurkundende Notar schon bei der Gründung einer Gesellschaft den Gesellschaftern und Geschäftsführern mit auf den Weg geben. Bei der Gründung einer Gesellschaft werden die Gesellschafter und Geschäftsleiter in aller Regel noch nicht an das Ende der Gesellschaft denken, insbesondere nicht, dass das Ende der Gesellschaft durch einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingeläutet werden könnte. Gründer sind optimistisch, sie glauben an ihre Geschäftsidee und vertrauen darauf, dass bei einer Kapitalgesellschaft oder haftungsbeschränkten Personengesellschaft eine persönliche Haftung der Akteure, seien es Gesellschafter, Geschäftsleiter oder Aufsichtsräte ausscheidet. Das Gegenteil ist der Fall: Das deutsche Gesellschaftsrecht sowie zahlreiche weitere Rechtsvorschriften schaffen ein komplexes System von Haftungsnormen, die sich für Gesellschafter, Geschäftsleiter und Aufsichtsräte in Krise und Insolvenz von einer abstrakten Rechtslage zu einer konkreten und oft existenzbedrohenden Gefahr entwickeln. Das vorliegende Skript zeigt die Haftungsgefahren bei Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften und weiteren Rechtsformen auf, beschreibt die sich stellenden Problemfelder und gibt Hinweise zur Haftungsvermeidung. Die Darstellung folgt im Wesentlichen der Rechtsprechung des BGH und dokumentiert die in der Literatur vertretenen Positionen. Das Buch soll dem Praktiker helfen, seine Position darzustellen und seine Ziele zu erreichen. Es richtet sich sowohl an Insolvenzverwalter und ihre Anwälte als auch an Organe und ihre rechtlichen Vertreter. Die vor rund drei Jahren erschienene erste Auflage wurde vom Markt gut angenommen, so dass eine Neuauflage geboten ist. Zudem hat der BGH in den letzten zwei Jahren insbesondere im Bereich der Massesicherungspflicht seine Judikatur fortentwickelt und ein weit verzweigtes System von Haftung und Enthaftung mit Ausnahmen und Rückausnahmen geschaffen. Längst noch nicht sind alle Fragen geklärt; vielmehr harren zahlreiche Einzelkonstellationen noch ihrer Auflösung. Rechtsprechung und Literatur wurden bis Anfang April 2018 ausgewertet und im Text berücksichtigt. Das Skript lebt von einer über 20-jährigen Tätigkeit als Rechtsanwalt und Steuerberater, der über 15 Jahre praktizierten Tätigkeit des Verfassers im Bereich Insolvenzverwaltung und seiner inzwischen mehr als zehn Jahre ausgeübten Lehrtätigkeit an der FOM Hochschule für Oekonomie und Management in den Bereichen Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Wirtschafts- und Steuerrecht. Essen, im April 2018

Jens M. Schnittmann V

Inhaltsverzeichnis Rn.

Seite

Vorwort zur 2. Auflage .................................................................................. V Literaturverzeichnis ................................................................................... XIII A. Einführung ................................................................................... 1 ........ 1 I.

Insolvenzen in Deutschland ......................................................... 1 1. Historische Entwicklung ...................................................... 3 2. Einordnung von Krise bis zur Insolvenz ........................... 15 a) Stakeholderkrise .......................................................... 18 b) Strategiekrise ................................................................ 20 c) Produkt- und Absatzkrise ........................................... 23 d) Erfolgskrise .................................................................. 25 e) Liquiditätskrise ............................................................ 27 3. Statistiken ............................................................................ 32 4. Volkswirtschaftliche Bedeutung ........................................ 36

II. Strukturen des deutschen Gesellschafts- und Insolvenzrechts ........................................................................... 1. Organe im Gesellschaftsrecht ............................................ a) Juristische Personen .................................................... aa) Verein .................................................................. bb) Gesellschaft mit beschränkter Haftung ............. cc) Aktiengesellschaft ............................................... dd) Genossenschaft ................................................... b) Personengesellschaften ................................................ 2. Organe im Insolvenzrecht .................................................. a) Verlustanzeigepflicht ................................................... b) Insolvenzantragspflicht ............................................... c) Massesicherungspflicht ............................................... d) Rechtsfolgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder einer Abweisung mangels Masse ........................ e) Inhabilität .....................................................................

40 43 43 44 49 52 57 60 67 68 69 72

........ 1 ........ 1 ........ 3 ........ 4 ........ 4 ........ 5 ........ 5 ........ 5 ........ 6 ...... 15 ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

15 16 16 16 17 17 18 18 19 19 20 20

80 ...... 23 90 ...... 24

III. Pflichten des Insolvenzverwalters ............................................. 98 ...... 25 IV. Rolle der Berater in Krise und Insolvenz ................................ 107 ...... 27 B. Innenhaftung ........................................................................... 112 ...... 29 I.

Einführung ................................................................................ 113 ...... 29

II. Haftung in der Gründungsphase ............................................. 116 ...... 29 1. Vorgründungsgesellschaft ................................................ 117 ...... 29 VII

Inhaltsverzeichnis Rn.

2. 3. 4.

III. Haftung während der laufenden Unternehmenstätigkeit ...... 1. Überblick ........................................................................... a) Aktiengesellschaft ...................................................... b) Gesellschaft mit beschränkter Haftung ................... c) GmbH & Co. KG ...................................................... d) Business Judgement Rule .......................................... 2. Aktivlegitimation .............................................................. a) Aktiengesellschaft ...................................................... b) Gesellschaft mit beschränkter Haftung ................... 3. Passivlegitimation ............................................................. a) Aktiengesellschaft ...................................................... aa) Vorstand ............................................................ bb) Faktischer Vorstand .......................................... cc) Aufsichtsrat ....................................................... b) GmbH ........................................................................ aa) Geschäftsführer ................................................. bb) Aufsichtsrat ....................................................... 4. Pflichtverletzung ............................................................... a) Pflichtverletzung im laufenden Geschäftsbetrieb .... aa) Aktiengesellschaft ............................................. bb) Gesellschaft mit beschränkter Haftung ........... b) Pflichtverletzung in der Krise ................................... aa) Aktiengesellschaft ............................................. bb) Gesellschaft mit beschränkter Haftung ...........

150 151 152 156 157 160 162 163 167 181 182 183 189 195 198 198 204 208 209 210 221 280 281 292

IV. Haftung bei Insolvenzreife ...................................................... 299 1. Haftung für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife .................................................................... 300 a) Zahlungsunfähigkeit .................................................. 305 b) Überschuldung .......................................................... 314 c) Rechtsnatur des Anspruchs ...................................... 324 d) Begriff der Zahlung ................................................... 326 e) Privilegierte Zahlungen ............................................. 341 aa) Vermeidung einer straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfolgung ........................... 343 bb) Vermeidung einer persönlichen Haftung ........ 352 cc) Ausgleich durch eine in einem unmittelbaren Zusammenhang erfolgte Gegenleistung ................................................... 355 dd) Zahlungen zur Nachteilsabwendung ............... 358

VIII

Seite

Vorgesellschaft .................................................................. 118 ...... 30 Besonderheiten bei der Verwendung von Vorratsund Mantelgesellschaften ................................................. 132 ...... 32 Handelndenhaftung bei der wirtschaftlichen Neugründung .................................................................... 148 ...... 36 ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

36 36 37 37 37 38 38 39 39 42 42 42 43 45 45 45 46 47 47 47 50 60 60 62

...... 63 ...... ...... ...... ...... ...... ......

63 63 66 68 68 71

...... 71 ...... 73

...... 74 ...... 74

Inhaltsverzeichnis Rn.

2.

Seite

Haftung für Zahlungen an Gesellschafter nach Eintritt der Insolvenzreife (§ 92 Abs. 2 Satz 3 AktG, § 64 Satz 3 GmbHG) ........................................................ Anrechnung von Gläubigerforderungen ......................... Berücksichtigung von Anfechtungssachverhalten .......... Verschulden ....................................................................... Verjährung ......................................................................... Besonderheiten bei der prozessualen Durchsetzung ...... a) Gerichtsstand ............................................................. b) Vergleich über Haftungsansprüche .......................... Sanieren oder Ausscheiden ...............................................

362 378 382 390 395 400 400 413 418

...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

75 77 78 80 81 81 81 85 86

V. Haftung des Aufsichtsrates ...................................................... 1. Aktiengesellschaft ............................................................. 2. Gesellschaft mit beschränkter Haftung ........................... 3. Aufsichtsrat bei einer GmbH & Co. KG ........................

421 421 433 447

...... ...... ...... ......

87 87 89 92

3. 4. 5. 6. 7.

8.

C. Außenhaftung .......................................................................... 449 ...... 93 I.

Einführung ................................................................................ 451 ...... 93

II. Vertragshaftung ........................................................................ 1. Bürgschaft .......................................................................... 2. Schuldbeitritt ..................................................................... 3. Garantie .............................................................................

452 453 456 459

...... ...... ...... ......

93 93 94 94

III. Vertrauenshaftung .................................................................... 462 ...... 95 1. Rechtsscheinhaftung wegen fehlenden Rechtsformzusatzes .............................................................................. 463 ...... 95 2. Haftung wegen Pflichtverletzung vor oder bei Vertragsschluss („c. i. c.“) ................................................ 478 ...... 98 IV. Deliktische Haftung ................................................................. 1. Deliktische Zuweisung des § 31 BGB .............................. 2. Haftung wegen Insolvenzverschleppung (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a InsO) .......................... a) Grundlagen ................................................................ b) Schaden ....................................................................... 3. Haftung wegen Betruges (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB) ....................................................................... 4. Haftung wegen Untreue (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB) ....................................................................... 5. Haftung wegen Bankrotts (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 283 StGB) ....................................................................... 6. Haftung wegen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a StGB) ........ 7. Haftung nach dem BauFordSiG .......................................

489 .... 100 490 .... 100 499 .... 101 500 .... 102 507 .... 103 522 .... 106 527 .... 107 534 .... 108 538 .... 109 584 .... 117

IX

Inhaltsverzeichnis Rn.

Seite

8.

Unterlassene Insolvenzsicherung von Wertguthaben (§ 8a AltTZG/§ 7d Abs. 1 SGB IV a. F.) ......................... 590 .... 118 9. Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) .................................................. 596 .... 120 10. Haftung wegen Aufsichtspflichtverletzung (§ 130 OWiG) ................................................................... 606 .... 122 V. Durchgriffshaftung wegen Rechtsformmissbrauchs .............. 1. Vermögensvermischung ................................................... 2. Unterkapitalisierung ......................................................... 3. Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs ............

608 609 617 622

VI. Haftung gegenüber der Finanzverwaltung ............................. 1. Haftung von Personen ...................................................... a) Haftungstatbestände innerhalb der Abgabenordnung ...................................................................... aa) Haftung der gesetzlichen Vertreter, Vermögensverwalter und Verfügungsberechtigten .... (1) Grundlagen ................................................ (2) Haftung in der (vorläufigen) Eigenverwaltung und im Schutzschirmverfahren .... (3) Haftung nach Anordnung von Sicherungsmaßnahmen ............................. (4) Pflichten und deren Verletzung ............... (5) Grundsatz der anteiligen Tilgung ............. (6) Besonderheiten bei der Lohnsteuerhaftung ....................................................... (7) Schaden und Haftungsquote .................... (8) Kausalität ................................................... (9) Verschulden ............................................... bb) Haftung des Vertretenen, des Steuerhinterziehers, des Steuerhehlers und des Teilnehmers ................................................ cc) Haftung des Eigentümers ................................. dd) Haftung des Übernehmers eines Unternehmens .................................................. b) Haftungstatbestände außerhalb der Abgabenordnung ....................................................... aa) Haftung nach Einkommensteuergesetz .......... bb) Haftung nach Umsatzsteuergesetz .................. cc) Haftung nach Versicherungsteuergesetz ......... dd) Haftung nach Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz ....................................................... 2. Haftung von Sachen .......................................................... 3. Akzessorietät der Haftung ............................................... 4. Subsidiarität der Haftung ................................................. 5. Verhältnis der Steuerhaftung zu § 93 InsO .....................

627 .... 127 629 .... 127

X

.... .... .... ....

123 123 124 126

630 .... 127 631 .... 128 634 .... 128 642 .... 129 644 .... 130 647 .... 130 659 .... 132 662 664 669 672

.... .... .... ....

133 134 135 135

681 .... 137 694 .... 139 706 .... 141 716 717 724 725

.... .... .... ....

143 143 144 144

727 732 741 745 749

.... .... .... .... ....

145 146 147 148 148

Inhaltsverzeichnis Rn.

VII. Firmenbestattung ..................................................................... 1. Übertragung sämtlicher Geschäftsanteile ........................ 2. Wechsel des Geschäftsführers .......................................... 3. Sitzverlegung .....................................................................

756 761 766 769

Seite

.... .... .... ....

150 151 152 152

VIII. Gerichtsstand .......................................................................... 777 .... 154 D. Enthaftung des Organs ........................................................... 783 .... 157 I.

Einführung ................................................................................ 784 .... 157

II. Exkulpation durch sachverständige Beratung ......................... 1. Ermittlung des Beratungsbedarfs ..................................... 2. Auswahl eines geeigneten Beraters .................................. 3. Information des Beraters durch das Organ ..................... 4. Auftragserteilung (Art und Umfang) .............................. 5. Überprüfung des erteilten Rats auf Plausibilität ............. 6. Handeln gemäß Beratungsempfehlung ............................ 7. Mitverschulden ..................................................................

786 792 796 810 815 826 832 835

.... .... .... .... .... .... .... ....

157 158 159 161 162 163 164 165

III. Abdingbarkeit von Haftungsansprüchen ................................ 837 .... 165 1. Abdingbarkeit durch Vertrag ........................................... 838 .... 165 2. Abdingbarkeit durch Insolvenzplan ................................ 849 .... 167 IV. Erlass von Haftungsansprüchen .............................................. 1. Erlass durch Vertrag .......................................................... a) Grundlagen ................................................................ b) Aktiengesellschaft ...................................................... c) Gesellschaft mit beschränkter Haftung ................... d) Genossenschaft .......................................................... 2. Erlass durch Insolvenzplan ...............................................

851 857 857 858 863 865 867

.... .... .... .... .... .... ....

167 168 168 169 169 170 170

V. Insolvenzanfechtung und Haftungsansprüche ....................... 880 .... 172 E.

D&O-Versicherung ................................................................ 887 .... 175

I.

Grundlagen ............................................................................... 889 .... 175

II. Deckungskonzept ..................................................................... 900 .... 177 1. Versicherungsnehmer ....................................................... 901 .... 177 2. Abschluss ........................................................................... 909 .... 178 III. Gegenstand der Versicherung .................................................. 919 .... 179 IV. Leistungsausschlüsse ................................................................ 930 .... 181 F.

Haftung von Beratern in Krise und Insolvenz .................... 936 .... 183

I.

Haftung von Beratern in der Krise .......................................... 938 .... 183 1. Grundlagen ........................................................................ 939 .... 183

XI

Inhaltsverzeichnis Rn.

a)

2. 3. 4. 5.

Vertragliche Haftung ................................................. 940 aa) Beratungspflichten im Allgemeinen ................ 948 bb) Beratungspflichten bei Insolvenzreife ............. 957 cc) Mitverschulden des Organs .............................. 959 b) Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ........ 970 aa) Reichweite des Schutzbereichs ......................... 977 bb) Geschützter Personenkreis .............................. 990 cc) Durchsetzung in der Praxis .............................. 997 c) Deliktische Haftung ................................................ 1003 aa) Haftung wegen Beteiligung an einer Insolvenzverschleppung ................................. 1004 bb) Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Schutzgesetz ....................................... 1011 Rechtsanwälte .................................................................. 1026 Steuerberater .................................................................... 1034 Wirtschaftsprüfer ............................................................ 1050 Unternehmensberater ..................................................... 1071

II. Haftung von Beratern nach Verfahrenseröffnung ................ 1. Grundlagen ...................................................................... 2. Auftrag nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ........ a) Umstellung des Geschäftsjahres ............................. b) Zuordnung von Umsatzsteuerverbindlichkeiten zu Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten .................................................................. c) Unterbrechung von Rechtsstreitigkeiten ...............

1092 1092 1100 1102

Seite

.... .... .... .... .... .... .... .... ....

183 185 187 187 189 191 193 195 196

.... 196 .... .... .... .... ....

197 199 201 204 207

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212 212 214 214

1107 .... 215 1111 .... 216

III. Verjährung der Beraterhaftung .............................................. 1115 .... 217 G. Strafrechtliche Haftungsrisiken .......................................... 1124 .... 219 I.

Insolvenzverschleppung ......................................................... 1126 .... 220

II. Betrug ...................................................................................... 1138 .... 222 1. Strafbarkeit der Organe des Schuldners ........................ 1140 .... 222 2. Strafbarkeit des Insolvenzverwalters ............................. 1143 .... 223 III. Untreue ................................................................................... 1147 .... 223 1. Strafbarkeit der Organe .................................................. 1149 .... 224 2. Strafbarkeit des (vorläufigen) Insolvenzverwalters ...... 1152 .... 224 IV. Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen .............. 1160 .... 226 V. Bankrott .................................................................................. 1166 .... 226 VI. Sonstige Tatbestände .............................................................. 1179 .... 228 Stichwortverzeichnis ................................................................................... 229

XII

Literaturverzeichnis Kommentare, Handbücher, Monographien Achenbach/Ransiek/Rönnau Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl., Heidelberg, 2015 Beck’sches Handbuch der AG hrsg. von Müller/Rödder Gesellschaftsrecht, Steuerrecht, Börsengang, München, 2009 Bittmann Insolvenzstrafrecht, Handbuch für die Praxis, 2. Aufl., Berlin, 2016 (zit.: Bittmann/Bearbeiter, Insolvenzstrafrecht) Brettner Die Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung gemäß § 15a InsO, Berlin, 2013 Dannecker/Knierim/Hagemeier Insolvenzstrafrecht, 2. Aufl., Heidelberg, 2011 Drescher Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, 7. Aufl., Köln, 2013 Fischer Strafgesetzbuch – Kommentar, 65. Aufl., München, 2018 Fitting Das Reichs-Concursrecht und Concursverfahren, 2. Aufl., Berlin/Leipzig, 1883 Frings Die zivil- und strafrechtliche Haftung des GmbH-Geschäftsführers in der Insolvenz, Frankfurt, 2008 Gehrlein Anwalts- und Steuerberaterhaftung, 4. Aufl., Frankfurt am Main, 2016 Gehrlein Das neue GmbH-Recht, Köln, 2008 Goette/Habersack Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Köln, 2009 Goez Zivilrechtliche Haftung und strafrechtliche Risiken des Steuerberaters: Grundlagen, Gefahrenschwerpunkte, Vermeidungsstrategien, Berlin, 2010 Gräfe/Lenzen/Schmeer Steuerberaterhaftung: Zivilrecht – Steuerrecht – Strafrecht, 5. Aufl., Herne, 2014

XIII

Literaturverzeichnis

Graf-Schlicker Insolvenzordnung, Kommentar, 4. Aufl., Köln, 2014 Gratopp Bilanzdelikte nach § 331 Nr. 1, Nr. 1a HGB, Münster, 2009 (zugleich Dissertation Hagen, 2008) Grundei/Zaumseil Der Aufsichtsrat im System der Corporate Governance – Betriebswirtschaftliche und juristische Perspektiven, Wiesbaden, 2012 (zit.: Bearbeiter, in: Grundei/Zaumseil, Der Aufsichtsrat im System der Corporate Governance) Habetha Bankrott und strafrechtliche Organhaftung, Heidelberg, 2014 (zugleich Dissertation Saarbrücken, 2013) IDW, Wirtschaftsprüferhandbuch 15. Aufl., Düsseldorf, 2017 Ihlas D&O: Directors & Officers Liability, 2. Aufl., Berlin, 2009 Jaeger/Weber Konkursordnung, Kommentar, 9. Aufl., München, 1977 Jesgarzewski/Schmittmann Steuerrecht – Grundlagen und Anwendungsfälle aus der Wirtschaft, 2. Aufl., Wiesbaden, 2016 (zit.: Bearbeiter, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht) Hölters AktG – Kommentar, 2. Aufl., München, 2014 (zit.: Bearbeiter, in: Hölters, AktG) Hüffer/Koch Aktiengesetz, Kommentar, 12. Aufl., München, 2016 (zit.: Hüffer/Koch, AktG) Kilger/Schmidt Insolvenzgesetze, KO/VglO/GesO, 17. Aufl., München, 1997 Kolmann Schutzschirmverfahren, Köln, 2014 Kraatz Wirtschaftsstrafrecht, München, 2013 Kübler/Prütting/Bork Kommentar zur Insolvenzordnung, Loseblatt, 73. EL, Stand: September 2017 (zit.: K/P/B-Bearbeiter, InsO) Kudlich/Oglakcioglu Wirtschaftsstrafrecht, Heidelberg, 2011

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Literaturverzeichnis

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XVII

Literaturverzeichnis

Bales Zivil- und strafrechtliche Haftungsgefahren für Berater und Insolvenzverwalter in der Krise und der Insolvenz, ZInsO 2010, 2073 Bangha-Szabo Keine Berücksichtigung von Insolvenzanfechtungsansprüchen im Rahmen der Masseschmälerungshaftung des Geschäftsleiters, KTS 2015, 166 Baumert Going-Concern-Prüfung als Einfallstor für Hinweispflichten des Steuerberaters, ZInsO 2017, 486 Bayer Vorstandshaftung in der AG de lege lata und de lege ferenda, NJW 2014, 2546 Bayer/Scholz Die Pflichten von Aufsichtsrat und Hauptversammlung beim Vergleich über Haftungsansprüche gegen Vorstandsmitglieder – Überlegungen anlässlich des Siemens/Neubürger-Vergleichs, ZIP 2015, 149 Bassermann Suhrkamp hat neues Kapitel aufgeschlagen, INDat Report 2/2015, 42 Beckmann Innenhaftungsfragen der „D&O-Versicherung“ auf dem Prüfstand, JM 2016, 403 Bicker Corporate Compliance – Pflicht und Ermessen, ZWH 2013, 473 Bitter Haftung von Gesellschaftern und Geschäftsführern in der Insolvenz ihrer GmbH – Teil 2, ZInsO 2018, 625 Bitter § 64 GmbHG – Neustart durch den Gesetzgeber erforderlich!, Festheft Knauth, Beilage zu ZIP 22/2016, 6 Bitter/Baschnagel Haftung von Gesellschaftern und Geschäftsführern in der Insolvenz ihrer GmbH – Teil 1, ZInsO 2018, 557 Bittmann Strafrecht und Gesellschaftsrecht, ZGR 2009, 931 Bittmann Zur Strafbarkeit unrichtiger oder überhöhter Vergütungsanträge im Insolvenzverfahren, ZInsO 2009, 1437 Böcker Das ESUG in der praktischen Anwendung im Fall Suhrkamp, ZInsO 2015, 773

XVIII

Literaturverzeichnis

Bohlken/Sprenger Minderheitenschutz bei Personengesellschaften –Ein Beitrag zum Verhältnis von Bestimmtheitsgrundsatz, Kernbereichslehre und Treuepflicht im Lichte der BGH Urteile vom 15.1.2007 („Otto“), vom 24.11.2008 („Schutzgemeinschaftsvertrag II“) und vom 19.10.2009 („Sanieren oder Ausscheiden“), DB 2010, 263 Böing/Schmittmann Prüfung der ordnungsgemäßen Stammkapitalaufbringung einer GmbH bei Vorrats- und Mantelgesellschaften, InsbürO 2005, 333 Böing/Schmittmann Workshop Insolvenzrecht, in: Heinrich, Krise als Chance ?! Restrukturierung, Sanierung und Insolvenz von Unternehmen, Symposion Insolvenzund Arbeitsrecht 2016, Baden-Baden 2017 Bork Verfolgungspflichten – muss der Insolvenzverwalter alle Forderungen einziehen?, ZIP 2005, 1120 Bramkamp Neues zu insolvenzbezogenen Annexverfahren im Sinne der EuInsVO, KTS 2015, 421 Bräuer Das anwaltliche Mandat in D&O-Angelegenheiten – selten unkompliziert, AnwBl. 2016, 259 Bräuer Die Verjährung rückständiger Stammeinlageforderungen und Ansprüche aus § 9 Abs. 2 GmbHG (analog) sowie das Folgeproblem zeitbedingter Darlegungsschwierigkeiten, ZInsO 2007, 966 Brinkmann Die prozessualen Konsequenzen der Abtretung des Freistellungsanspruchs aus einer D&O-Versicherung, ZIP 2017, 301 Buchalik/Hiebert Die Anfechtung der Zahlung von Beraterhonoraren und der Anspruch nach § 64 Satz 1 GmbHG in der vorläufigen Eigenverwaltung, ZInsO 2014, 1423 Buchta/Ott Business Judgement Rule in der Eigenverwaltung – eine Betrachtung 3 Jahre nach Inkrafttreten des ESUG, ZInsO 2015, 288 Büttner Der neue Überschuldungsbegriff und die Änderung des Insolvenzstrafrechts, ZInsO 2009, 841

XIX

Literaturverzeichnis

Cadmus Zur anspruchsmindernden Berücksichtigung von Massezuflüssen bei der Haftung für Zahlungen auf das debitorische Gesellschaftskonto nach § 64 Satz 1 GmbHG, KTS 2015, 143 Casper Die Haftung für masseschmälernde Zahlungen nach § 64 Satz 1 GmbHG: Hat der BGH den Stein der Weisen gefunden?, ZIP 2016, 793 Dannemann/Traphan Aktuelle Entwicklungen bei der Ermittlung und Durchsetzung von Haftungsansprüchen gegen den Geschäftsführer aus § 64 GmbHG, InsbürO 2017, 187 Dannemann/Traphan Update zu § 64 Satz 1 GmbHG – Anm. zu BGH, Urt. v. 4.7.2017 – II ZR 319/15, InsbürO 2017, 497 Dauner-Lieb/Tettinger Vorstandshaftung, D&O-Versicherung, Selbstbehalt – Offene Fragen zum neuen § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG, ZIP 2009, 1555 Decker Organhaftung und Expertenrat – Umfang und Grenzen einer Haftungsvermeidung durch fachkundige Expertise, GmbHR 2014, 72 Dehne-Niemann Ein Abgesang auf die Interessentheorie bei der Abgrenzung von Untreue und Bankrott, wistra 2009, 417 Dobler Was nun? Handlungsmöglichkeiten beim Umgang mit dem Urteil des BFH vom 9.12.2010 – V R 22/10, ZIP 2011, 782 Dobler Masseverbindlichkeiten aus Forderungseinzug – Sorgt das BMFSchreiben vom 9.12.2011 für Klarheit?, ZInsO 2012, 208 Ehlers Das Haftungspotential gegenüber Beratern in der Unternehmenskrise, NZI 2008, 211 Ehlers Ein Plädoyer für eine begrenzte Haftung der Steuerberater, DStR 2010, 2154 Ehlers Krisenberater unter Druck, BB 2014, 131 Ehlers Masseressource Regress gegen Rechtsanwälte, ZInsO 2015, 2002 Eidenmüller/Engert Rechtsökonomik des Mindestkapitals im GmbH-Recht, GmbHR 2005, 433 XX

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Empt/Orlikowski-Wolf Die Haftung von Vorstand und Verwaltungsrat von Anstalten öffentlichen Rechts am Beispiel Nordrhein-Westfalens, ZIP 2016, 1053 Fischer Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Haftung des steuerlichen Beraters in den Jahren 2011 – 2013 (Teil 1), DB 2013, 2010 (Teil 2), DB 2013, 2070 Fischer Die Verjährung beim Gesamtschuldnerregress unter Organmitgliedern, ZIP 2014, 406 Fleischer Zur GmbH-rechtlichen Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers, GmbHR 2011, 337 Fleischer/Schmolke Faktische Geschäftsführung in der Sanierungssituation, WM 2011, 1009 Fölsing Die Zähmung des Widerspenstigen im Suhrkamp-Fall: Schutzschirmverfahren bei Gesellschafterstreit, ZInsO 2013, 1325 Freitag Internationale Zuständigkeit für Schadensersatzklagen aus Insolvenzverschleppungshaftung, ZIP 2014, 302 Frind Umgang mit sanktionsbewehrten öffentlich-rechtlichen Forderungen in der vorläufigen Eigenverwaltung, ZInsO 2015, 22 Frystatzki Die Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen, NZI 2014, 840 Gädtke/Wax Konzepte zur Versicherung des D&O-Selbstbehalts – Eine kritische Bestandsaufnahme, AG 2010, 851 Gehrlein Außerordentliche Kündigung eines GmbH-Geschäftsführeranstellungsvertrages aufgrund schuldhafter Insolvenzverschleppung, BB 2005, 1700 Gehrlein Die Auslegung des § 64 GmbHG im Spannungsfeld zwischen Gesellschaftsrecht und Insolvenzanfechtungsrecht, ZInsO 2015, 477 Gehrlein Die Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des BGH zur Steuerberaterhaftung in den Jahren 2010 – 2011 (Teil I), DStR 2012, 377 (Teil II), DStR 2012, 432 XXI

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Gehrlein Die Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des BGH zur Steuerberaterhaftung in den Jahren 2012 – 2013 (Teil I), DStR 2014, 226 (Teil II), DStR 2014, 281 Gehrlein Die Gesellschafterklage nach § 46 Nr. 8 GmbHG – Ein ungelöstes Problem?, ZIP 1993, 1525 Gehrlein Haftung von Geschäftsführern und Gesellschaftern im Rahmen der Eigenverwaltung, ZInsO 2017, 849 Gehrlein Reichweite und Grenzen der Befugnisse von Gesellschaftern und Anteilseignern in der Regelinsolvenz, ZInsO 2017, 1977 Glaser Ersatzpflicht des Geschäftsführers für Einzug globalzedierter Forderungen nach Insolvenzreife, ZInsO 2015, 2416 Goette Der Geschäftsführerdienstvertrag zwischen Gesellschafts- und Arbeitsrecht in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, in: Festschrift für Herbert Wiedemann zum 70. Geburtstag, 2002, S. 873 Gräfe Haftungsgefahren des Steuerberaters/Wirtschaftsprüfers in der Unternehmenskrise des Mandanten (Teil I), DStR 2010, 618 (Teil II), DStR 2010, 669 Gronstedt Vorratsgesellschaften: Praktische Konsequenzen nach der neuen BGHRechtsprechung, BB 2003, 860 Grunewald Der Einfluss des Aufsichtsrats auf die Geschäftsführung – was ist erwünscht, was ist erlaubt?, ZIP 2016, 2009 Gummert Die Kapitalerhaltung bei der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG – Zum Urteil des BGH v. 9.12.2014 – II ZR 360/13, DStR 2015, 761 Haack Der Beirat der GmbH & Co. KG, BB 1993, 1607 Habersack Wieder das Dogma von der unbeschränkten Gesellschafterhaftung bei wirtschaftlicher Neugründung einer AG oder GmbH, AG 2010, 845

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Habersack Die Freistellung des Organwalters von seiner Haftung gegenüber der Gesellschaft, in: Festschrift für Peter Ulmer zum 70. Geburtstag, 2003, hrsg. v. Habersack/Hommelhoff/Hüffer/Schmidt, S. 150 Habetha Bankrott und Untreue in der Unternehmenskrise, NZG 2012, 1134 Haneke Ausgleichende Gegenleistungen im Rahmen von Organhaftungsansprüchen, NZI 2015, 499 Harder Haftungsrisiko bei steuerlicher Beratung insolventer Mandanten, NJW-Spezial 2013, 469 Heerma/Bergmann Sicherheitenbestellung an Dritte für Verbindlichkeiten des Gesellschafters als verbotene Auszahlung i. S. d. § 30 Abs. 1 GmbHG, ZIP 2017, 1261 Heinze Umsatzsteuern aus dem Forderungseinzug des Insolvenzverwalters, DZWIR 2011, 276 Herchen Vorratsgründung, Mantelverwendung und geräuschlose Beseitigung der GmbH, DB 2003, 2211 Hermreck Bugwelle ade – Passiva II ahoi!, NJW-Spezial 2018, 149 Herresthal Die Wirksamkeit von Schiedsabreden mit Vorständen und Geschäftsführern bei Organhaftungsstreitigkeiten, ZIP 2014, 345 Heße D & O-Versicherungsverträgen und das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, NZI 2009, 790 Hey/Regel Firmenbestatter – Strafrechtliche Würdigung eines neuen Phänomens, GmbHR 2000, 115 Himmelskamp/Schmittmann Der faktische Geschäftsführer – Steuer- und insolvenzrechtliche Verantwortlichkeit, StuB 2006, 326 Himmelskamp/Schmittmann Der faktische Geschäftsführer – Strafrechtliche Verantwortlichkeit, StuB 2006, 406 Hirte Die organisierte „Bestattung“ von Kapitalgesellschaften, ZInsO 2003, 833

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Hirte Anmerkungen zum vom § 270b RefE-InsO ESUG vorgeschlagenen Schutzschirm, ZInsO 2011, 401 Hölters Sonderprobleme des Beirates des GmbH & Co. KG, DB 1980, 2225 Jäger Anwendbarkeit von § 64 Satz 1 GmbHG auf eine Limited, JM 2016, 319 Johlke/Bormann Kapitalaufbringung und verdeckte Sacheinlage in der Vorrats-GmbH, ZInsO 2000, 486 Kahlert Steuerzahlungspflicht im Eröffnungsverfahren der Eigenverwaltung?, ZIP 2012, 2089 Kahlert Der V. Senat des BFH als Schöpfer von Fiskusvorrechten im Umsatzsteuerrecht, DStR 2011, 921 Kahlert Ein neuer Schöpfungsakt des V. BFH-Senats zur Umsatzsteuer im Insolvenzverfahren und seine Entschlüsselung, ZIP 2015, 11 Kallmeyer Ist die Wiederbelebung einer Mantel-GmbH wirklich strenger zu behandeln als der Formwechsel einer AG in eine GmbH?, DB 2003, 2583 Kayser Beraterhaftung für falsche oder unterlassene Auskünfte zur Insolvenzreife, ZIP 2014, 597 Kiethe Persönliche Haftung von Organen der AG und der GmbH – Risikovermeidung durch D & O-Versicherung?, BB 2003, 537 Klein Pflichten und Haftungsrisiken der Geschäftsleitung beim Cash Pooling, ZIP 2017, 258 Klusmeier Die insolvenzrechtliche Belehrungspflicht des Steuerberaters – ein Grundsatzurteil des BGH, ZInsO 2013, 1347 Koch Aktuelle und zukünftige Entwicklungen in der D&O-Versicherung, WM 2007, 2173 – 2184 Koch Die Rechtsstellung der Gesellschaft und des Organmitglieds in der D&OVersicherung (II), GmbHR 2004, 160 – 170

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Köhler-Ma/de Bruyn Führungslos ins Insolvenzverfahren – Zugleich Besprechung LG Kleve v. 21.3.2017 – 4 T 577/16, ZIP 2017, 1955, ZIP 2018, 261 Köllner/Cyrus Aktuelle strafrechtliche Fragen in Krise und Insolvenz, NZI 2015, 16 Kretschmer Nichtstrafrechtliche Sanktionen bei wirtschaftskriminellem Handeln, ZWH 2013, 481 Kuss Rechtliche Aspekte der Sanierung für die Unternehmensleitung und den Sanierungsberater, WPg 2009, 326 Lange Praxisfragen der D&O-Versicherung (Teil III), DStR 2002, 1674 – 1678 Lange Die Schadensersatzpflicht des Steuerberaters wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung eines GmbH-Geschäftsführers, DStR 2007, 954 Laroche Auskunftspflichten des Organvertreters in der Insolvenz der Gesellschaft, ZInsO 2015, 1469 Lemken/Schmittmann Haftung der Organe des Schuldners in der (vorläufigen) Eigenverwaltung und im Schutzschirmverfahren, InsbürO 2015, 424 Lenger/Finsterer Die Insolvenzantragspflicht von Stiftungen und Vereinen – Schlechterstellung durch Privilegierung ?!, NZI 2016, 571 Leuering Organhaftung und Schiedsverfahren, NJW 2014, 657 Leuering/Rubner Das claims-made-Prinzip in der D&O-Versicherung, NJW-Spezial 2016, 143 Looschelders/Derkum Befugnis zur Geltendmachung des Versicherungsschutzes und Rechtsmissbrauchsverbot bei der D&O-Versicherung, ZIP 2017, 1249 Loritz/Wagner Haftung von Vorständen und Aufsichtsräten: D&O-Versicherungen und steuerliche Fragen, DStR 2012, 2205 Lutter Haftung und Haftungsfreiräume des GmbH-Geschäftsführers, GmbHR 2000, 301

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Luttmann Regressansprüche des in der Insolvenz haftenden Geschäftsführers gegen den GmbH-Steuerberater und Abschlussprüfer als Haftungspotenzial für die Insolvenzmasse?, ZInsO 2013, 1777 Luttmann/Raiß D&O-Versicherungen als Haftungspotenzial für den Insolvenzverwalter der Versicherungsnehmerin bei Organhaftungsansprüchen aufgrund von Einzahlungen in debitorisch geführte Gesellschaftskonten – Teil 1, ZInsO 2016, 1229; Teil 2 ZInsO 2016, 1285 Mai „Firmenbestattung“ nach Stichworten – Glossar tatsächlicher und rechtlicher Begriffe rund um ein sozialschädliches Marktverhalten, InsbürO 2008, 449 Meilicke Droht Überregulierung für Vorratsgesellschaften?, BB 2003, 857 Meyer Der Plan ist umgesetzt, doch manche Frage offen – Zwischenfazit zum Suhrkamp-Insolvenzverfahren, DB 2015, 538 Meyer Sanierung der Personengesellschaft durch Nachschüsse der Gesellschafter oder: Ist § 707 BGB dispositiv?, ZIP 2015, 256 Miras Nachträgliche Zahlungspflichten eines Gesellschafters eines in der Rechtsform der GbR betriebenen geschlossenen Immobilienfonds, DStR 2011, 318 Möhlenkamp Flucht nach vorn in die Insolvenz – funktioniert Suhrkamp?, BB 2013, 2828 Mönning Beteiligung der Gläubiger bei der Auswahl des Insolvenzverwalters, in: Sanierung und Insolvenz, Festschrift für Klaus Hubert Görg zum 70. Geburtstag, hrsg. von Dahl, München, 2010, S. 291 Müller Entrechtung der Gesellschafter im Insolvenzverfahren? – Anmerkungen zum Fall Suhrkamp, DB 2014, 41 Müller Beraterhaftung für Insolvenzverschleppungsschäden, ZInsO 2013, 2181 Müller Geschäftsleiterhaftung wegen Insolvenzverschleppung und fachkundige Beratung, NZG 2012, 981 Mylich Zur Abgrenzung von Zahlungsstockung und Zahlungsunfähigkeit, ZIP 2018, 514 XXVI

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Nerlich Haftungsgefahren für Geschäftsführer, Gesellschafter, Banken und Krisenmanager in der Sanierungsphase, in: Sanierung und Insolvenz, Festschrift für Klaus Hubert Görg zum 70. Geburtstag, hrsg. von Dahl, München, 2010, S. 317 Nissen Der Direktprozess des Insolvenzverwalters gegen den D&O-Versicherer, KTS 2018, 29 Nolting Registerrechtliche Gründungsprüfung beim Erwerb von Mantel- und Vorratsgesellschaften, ZIP 2003, 651 Onusseit Das Urteil des BFH v. 9.12.2010 – Kritik und Folgen, DZWIR 2011, 353 Pananis/Börner Strafbarkeit des Vermittlers der ordentlichen Abwicklung einer GmbH?, GmbHR 2006, 513 Paulus Ist das Insolvenzrecht wirklich eine Schlüsselmaterie für die Wirtschaftsund Finanzstabilität eines Landes?, in: Sanierung und Insolvenz, Festschrift für Klaus Hubert Görg zum 70. Geburtstag, hrsg. von Dahl, München, 2010, S. 361 Pape Haftungsrechtliche Folgen der Nichtinanspruchnahme von Gesellschaftsorganen und Geschäftsführern, ZInsO 2007, 1080 Pape Gesetzwidrigkeit der Verweisung des Insolvenzverfahrens bei gewerbsmäßiger Firmenbestattung, ZIP 2006, 877 Pape Zum Verhältnis von Insolvenzanfechtung und Insolvenzplanverfahren, in: Festschrift für Bruno M. Kübler, hrsg. v. Bork/Kayser/Kebekus, München, 2015, S. 487 Peus Mantelverwendung – Bundesrichterrecht und Landesfiskushaftung, NZG 2003, 610 Plathner Risiken des steuerlichen Beraters bei insolvenzgefährdeten Mandanten, DStR 2013, 1349 Pleister/Tholen Zum Siegeszug des insolvenzrechtlichen Freigabeverfahrens, ZIP 2015, 414

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Poertzgen Organschaftliche Krisenpflichten – In der (Wirtschafts-)Krise?, ZInsO 2010, 785 Poertzgen Quo vadis § 64 GmbHG?, ZInsO 2016, 1182 Poertzgen Notwendige Korrektur der Beweislastverteilung bei § 64 GmbHG, ZInsO 2016, 459 Poetzgen Bargeschäft und Gegenleistung: BGH locuta, causa finita?, ZInsO 2017, 2057 Prade Der redliche Schuldner, ZInsO 2012, 436 Priebe Die Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat in der insolvenzrechtlichen Krise der Aktiengesellschaft: Voraussetzungen und Folgen des Zahlungsverbots gem. §§ 92 Abs. 2 Satz 1, 2, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG und §§ 116, 92 Abs. 2 Satz 1, 2, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG, ZInsO 2014, 2013 Priebe GmbH-Geschäftsführer – Grundlagen der organschaftlichen Vertretung vor und in der insolvenzrechtlichen Krise Teil 1, InsbürO 2014, 313 Teil 2, InsbürO 2014, 386 Priebe Obergerichtliche Rechtsprechung des Jahres 2013 zur Haftung von Organen der Geschäftsführung, ZInsO 2014, 1190 Priester Verlustanzeige und Eigenkapitalersatz. Zur Funktion der §§ 92 Abs. 1 AktG, 49 Abs. 3 GmbHG, ZGR 1999, 533 Prütting Rechtsmissbrauch und Insolvenzantrag – Erwägungen zur Insolvenz des Suhrkamp-Verlags, in: Festschrift für Bruno M. Kübler, hrsg. v. Bork/ Kayser/Kebekus, München, 2015, S. 567 Radtke Organ- und Vertreterhaftung aus strafrechtlicher Sicht, ZIP 2016, 1993 Reichert „ARAG/Garmenbeck“ im Praxistest, ZIP 2016, 1189 Remuta/von Lübken Zahlen oder nicht? Entscheidungsfindung des GmbH-Geschäftsführers nach dem BGH-Urteil vom 4.7.2017 – II ZR 319/15, NZI 2018, 250

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Schwarz/Schwarz Steuerberaterhaftung wegen unterlassener Aufklärung über Antragspflicht gem. § 15a InsO bei einem allgemeinen steuerrechtlichen Mandat, ZInsO 2013 Segna Organhaftung und (gestörte) Gesamtschuld, ZIP 2015, 1561 Seibt/Cziupka 20 Thesen zur Compliance-Verantwortung im System der Organhaftung aus Anlass des Siemens/Neubürger-Urteils, DB 2014, 1598 Selter Übernahme von Geldauflagen durch die Aktiengesellschaft zugunsten ihrer Vorstandsmitglieder – Zugleich Besprechung BGH v. 8.7.2014 – II ZR 174/13, ZIP 2014, 1728, ZIP 2015, 714 Singer/Greck „Firmenbestatter“ erkennen und Mandanten schützen, StuB 2006, 82 Sonius/Bergstermann/Liewald/Kehrel Zur Entstehung von Unternehmenskrisen – Eine empirische Bewertung potentieller Krisenursachen, KSI 2015, 197 Stadie Umsatzsteuer und Insolvenz: Kritische Anmerkungen zu neueren BGHund BFH-Entscheidungen, UR 2013, 158 Steinkühler/Kassing Das Claims-Made-Prinzip in der D&O-Versicherung und die Auslegung der Begriffe Anspruchs- sowie Klageerhebung, VersR 2009, 607 Strohn Geschäftsführerhaftung als Innen- und Außenhaftung, ZInsO 2009, 1417 Strohn Pflichtenmaßstab und Verschulden bei der Haftung von Organen einer Kapitalgesellschaft, CCZ 2013, 177 Strohn Beratung der Geschäftsleitung durch Spezialisten als Ausweg aus der Haftung?, ZHR 176 (2012), 137 Strohn Faktische Organe – Rechte, Pflichten, Haftung, DB 2011, 158 Thaeter Von Mänteln und Vorräten – Zur Figur der wirtschaftlichen Neugründung, DB 2003, 2112 Thaeter/Meyer Vorratsgesellschaften – Folgerungen für die Praxis aus der Entscheidung des BGH vom 9. Dezember 2002, DB 2003, 539

XXXII

Literaturverzeichnis

Theiselmann/Verhoeven, Anmerkung zur Geschäftsführerhaftung für Zahlungen nach Insolvenzreife: Neue BGH-Rechtsprechung zur Berücksichtigung eines Vermögenszuflusses, DB 2015, 671 Thiele Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung der GmbH-Geschäftsführung und die Pflicht zur Einführung von Krisenüberwachungssystemen, ZInsO 2014, 1882 Uhlenbruck Strafbefreiende Wirkung des Insolvenzplans, ZInsO 1998, 250 Wagner Anmerkung zum Urteil des BGH vom 19.10.2009, Az.: II ZR 240/08 (Notleidende geschlossene Fonds: Sanieren oder Ausscheiden), NZG 2009, 1378 Wagner Die Rolle der Rechtsabteilung bei fehlenden Rechtskenntnissen der Mitglieder von Vorstand und Geschäftsführung, BB 2012, 651 Wäger Soll- und Istbesteuerung vor sowie in der Unternehmensinsolvenz, UR 2013, 673 Wälzholz Vorbelastungshaftung und Vertrauensschutz bei gebrauchten GmbHMänteln oder: Der Nebel lichtet sich langsam, NZG 2005, 203 Wastl/Pusch Steuerberater-/Wirtschaftsprüferhaftung im Zusammenhang mit Finanzierungsverhandlungen des Mandanten, NWB 2014, 2352 Weber/Kiesel Aktuelle BGH-Rechtsprechung: Neue Haftungsrisiken wegen fehlender oder fehlerhafter Hinweise zur BGH-Rechtsprechung, Steuer-Consultant 2.5.2014, 24 Weber/Buchert Fragliche Haftung(en) des Steuerberaters im Insolvenzfall der (Mandats) GmbH, ZInsO 2009, 1731 Wedemann Die D&O-Versicherung im Spiegel des Internationalen Zivilverfahrensund Kollisionsrechts, ZIP 2014, 2469 Weller/Hübner Kornhaas und seine Auswirkungen auf insolvenznahe Haftungsinstrumente, in: Nichts ist beständiger als der Wandel, Festschrift für Klaus Pannen zum 65. Geburtstag, hrsg. v. Kayser/Smid/Riedemann, München, 2017, S. 259

XXXIII

Literaturverzeichnis

Welte/Friedrich-Vache Masseverbindlichkeit bei Entgeltvereinnahmung für vorinsolvenzlich ausgeführte Leistungen: Chancen und Risiken der geänderten Rechtsprechung des BFH, ZIP 2011, 1595 Werner Die Auswirkungen der Insolvenz der Versicherungsnehmerin auf die D&O-Versicherung, ZInsO 2014, 1940 Wessing Insolvenz und Strafrecht – Risiken und Rechte des Beraters und Insolvenzverwalters, NZI 2003, 1 Weyand Aufträge an Sachverständige und Strafrecht, ZInsO 2014, 1934 Weyand Ausgewählte höchstrichterliche Entscheidungen zum Insolvenz- und Wirtschaftsstrafrecht aus den Jahren 2010/2011, ZInsO 2011, 745 Weyand Faktische Geschäftsführung – eine aktuelle Bestandsaufnahme, ZInsO 2015, 1773 Wolf Der „amtsunfähige“ straffällige GmbH-Geschäftsführer, StuB 2014, 734 Zaumseil Steuerberaterhaftung wegen Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Insolvenz, DB 2017, 891 Zugehör Haftung des Steuerberaters für Insolvenzverschleppungsschäden, in: Haftung und Insolvenz, Festschrift für Gero Fischer, hrsg. v. Ganter/ Gottwald/Lwowski, München, 2008, S. 617

XXXIV

A. Einführung I. Insolvenzen in Deutschland Insolvenzen spielen sowohl wirtschaftlich als auch rechtlich eine bedeutende 1 Rolle. Insolvenzen als Folge wirtschaftlichen Scheiterns existieren seit Jahrtausenden und stellen sich regelmäßig als Folge einer fortgesetzten Krise dar. In neuerer Zeit werden sie auch als „zweite Chance“ verstanden und der Sanierungs- und Restrukturierungsgedanke in den Vordergrund gestellt. Dies kann zu Kollisionen mit dem Verfahrensziel des Insolvenzverfahrens, der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung, führen. Im Folgenden wird die historische Entwicklung von Insolvenzen in Deutsch- 2 land beschrieben sowie die Einordnung von Krisen dargestellt. Darüber hinaus informieren aktuelle Statistiken über die Anzahl von Insolvenzen. Die Erörterung der volkswirtschaftlichen Bedeutung von Insolvenzen schließt den Abschnitt ab. 1. Historische Entwicklung In der Zeit vor Inkrafttreten der Konkursordnung (KO) war das „Insolvenz- 3 recht“ in Deutschland ebenso zersplittert wie das Recht im Übrigen. In Preußen galt die Konkursordnung vom 8. Mai 1855. Die Entstehung der 4 preußischen Konkursordnung war wesentlich vom französischen Handelsgesetzbuch, dem Code de Commerce vom 12. September 1807, beeinflusst. Siehe Vollmershausen, Vom Konkursprozess zum Marktbereinigungsverfahren, S. 98.

In Bayern war der „Gant“ in der Bayerischen Zivilprozessordnung vom 1. Feb- 5 ruar 1869 geregelt. Die Wurzeln des bayerischen Gantprozesses liegen sowohl im römischen als auch im gemeinen Recht. Siehe Vollmershausen, Vom Konkursprozess zum Marktbereinigungsverfahren, S. 158, 189.

Während z. B. in Preußen und Bayern das „Insolvenzrecht“ dem Verfahrens- 6 recht zugerechnet wird, ist im französischen Recht das Insolvenzrecht Teil des Handelsrechts. Damit versteht das französische Recht das wirtschaftliche Scheitern noch als Bestandteil des kaufmännischen Handelns. Eine einheitliche Kodifikation trat am 1. Oktober 1879 in Form der Kon- 7 kursordnung, die zu den sog. „Reichsjustizgesetzen“ gehört und zum Teil als deren „Perle“ bezeichnet wird, in Kraft. Im Jahre 1872 war durch von Hagens ein „Entwurf der Deutschen Gemeinschuldordnung“ entworfen worden. Dieser wurde nach diversen Änderungen durch eine vom Bundesrat eingesetzte Kommission und dem Bundesrat selbst schließlich am 21. Dezember

1

A. Einführung

1876 in dritter Lesung angenommen und mit dem Einführungsgesetz am 10. Februar 1877 veröffentlicht. Siehe Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, Einleitung KO, S. 6.

8 In der zeitgenössischen Literatur wird ausgeführt, dass das Konkursverfahren zum Zweck hat, „den zur Zeit vorhandenen Gläubigern des Schuldners, die jetzt Concursgläubiger heißen, während er selbst Gemeinschuldner heißt, aus seinem zur Zeit vorhandenen Activvermögen, soweit es der Zwangsvollstreckung und somit überhaupt dem Angriffe der Gläubiger unterliegt, der sog. Concursmasse, eine gemeinsame und gerechte Befriedigung zu verschaffen. Demnach wird durch die Eröffnung des Concursverfahrens die bisherige Entwicklung der Vermögensverhältnisse des Gemeinschuldners gehemmt und gleichsam in ihrem derzeitigen Stande festgehalten. Die im Zeitpunkte der Concurseröffnung vorhandenen Schulden sollen nach Maßgabe ihres Standes in diesem Zeitpunkte aus dem in dem gleichen Zeitpunkte vorhandenen Activvermögen nach Maßgabe seines Standes in demselben soweit als möglich getilgt werden.“ Siehe Fitting, Das Reichs-Concursrecht und Concursverfahren, S. 19 f.

9 Im Laufe der Jahre wurden an der Konkursordnung erhebliche Mängel festgestellt, insbesondere „die schlechte Verzahnung von Konkurs- und Vergleichsverfahren, die inneren Schwächen der VerglO (Vergleichswürdigkeitsprüfung, Fristen, Verwalterkompetenzen, Fehlen einer Vergleichsanfechtung), die geringe Vorbeugung gegenüber dem Phänomen der Masselosigkeit (im Jahre 1991 wurden 74,6 % der Insolvenzverfahren mangels Masse nicht durchgeführt, ZIP 92, 523), Schwächen des Konkursanfechtungsrechts, die mangelnde Gleichbehandlung der Gläubiger, z. B. aufgrund des Fiskalprivilegs nach § 61 Nr. 2, die unzureichende Ausrichtung der KO und VerglO auf Fragen der Unternehmensinsolvenz, Fortsetzung der deutschen Teilung usw.“ So Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, Einleitung KO, S. 7.

10 Daraufhin wurde die Konkursordnung durch die Vergleichsordnung von 1935 (RGBl. 1935 I, S. 321), die ein separates Zwangsvergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses regelte, ergänzt, allerdings wurden die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Siehe Karsten Schmidt, InsO, Einleitung Rn. 2.

11 Im Jahre 1978 wurde zur Vorbereitung der Insolvenzrechtsreform eine vom Bundesminister der Justiz tatsächlich initiierte Rechtsstudie vorgelegt. Die Frage nach „Möglichkeiten der Sanierung von Unternehmen im Unternehmens-, Arbeits-, Sozial- und Insolvenzrecht“ wurde vom 54. Deutschen Juristentag im Jahre 1982 behandelt. Die vom Bundesminister der Justiz eingesetzte Kommission für Insolvenzrecht legte 1985 den „ersten Bericht“ und 1986 den „zweiten Bericht“ vor. Der Regierungsentwurf einer Insolvenzordnung wurde bereits mit BT-Drucksache 12/2443 vom 15. April 1992 vorgelegt. Siehe Karsten Schmidt, InsO, Einleitung Rn. 5.

2

I. Insolvenzen in Deutschland

Die Insolvenzordnung (InsO) vom 5. Oktober 1994 (BGBl. 1994 I S. 2866) 12 ist gemäß Art. 110 Abs. 1 EGInsO am 1. Januar 1999 in Kraft getreten. Sie ist seither mehrfach geändert worden, insbesondere durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl. 2008 I. S. 2026), das Haushaltsbegleitgesetz 2011 (HBeglG 2011) vom 9. Dezember 2010 (BGBl. 2010 I S. 1885), das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) vom 7. Dezember 2011 (BGBl. 2011 I S. 2582) und das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15. Juli 2013 (BGBl. 2013 I S. 2379). Weiterhin erfolgten Änderungen u. a. durch das Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und zur Änderung des Gesetzes, betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung vom 20. Dezember 2016 (BGBl. I 2016 S. 3147), das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz vom 29. März 2017 (BGBl. I 2017 S. 654), das Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen vom 13. April 2017 (BGBl. I 2017 S. 866) und das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren vom 5. Juni 2017 (BGBl. I 2017 S. 1476). Das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13 13. April 2017 (BGBl. I 2017 S. 872), das am 1. Juli 2017 in Kraft getreten ist, hat zwar die Insolvenzordnung nicht geändert, allerdings ein Insolvenzantragsrecht der Staatsanwaltschaft in bestimmten Fällen sowie Anfechtungsausschlüsse im Rahmen von Arresten eingeführt. Vgl. zu den Neuerungen Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 4 ff.

Insbesondere das MoMiG hat erhebliche Auswirkungen auf die Haftung von 14 Organen in Krise und Insolvenz, da nicht nur die Insolvenzantragspflicht (einschließlich der Strafbarkeit einer verspäteten oder unterlassenen Insolvenzantragstellung), vom Gesellschaftsrecht (GmbHG, AktG, GenG etc.) in die Insolvenzordnung (§ 15a InsO) überführt worden ist, sondern auch umfassende Neuregelungen über den Nachrang von Gesellschafterleistungen (§§ 39, 44a, 135 und 143 InsO) erfolgt sind. 2. Einordnung von Krise bis zur Insolvenz Insolvenzen kündigen sich an. Nach der subjektiv geprägten Einschätzung 15 von Geschäftsführern und Vorständen tritt die Insolvenz zwar regelmäßig „schlagartig“ ein; tatsächlich lässt sich aber regelmäßig die Abfolge bestimmter Phasen unterschiedlicher Krisenformen beobachten, bevor die Illiquidität eintritt. Der nachfolgende Abschnitt zeichnet diese Entwicklung kurz nach. Vgl. zur Entstehung von Unternehmenskrisen Sonius/ Bergstermann/Liewald/Kehrel, KSI 2015, 197 ff.

3

A. Einführung

16 Aktuell wird eine Aktualisierungsfassung mit Stand vom 8. September 2017 diskutiert. Die nacholgenden Ausführungen beziehen sich auf die Entwurfsfassung. Abrufbar unter: https://www.idw.de/idw/verlautbarungen/ idw-es-6-n-f-/103770 [Stand: 9.4.2018].

17 Der IDW Standard: Anforderung an die Erstellung von Sanierungskonzepten (IDW ES 6 n. F.) in der Entwurfsfassung vom 8. September 2017, der aus der Praxis entstanden ist und dem die Literatur weitgehend folgt, unterscheidet sechs Krisenstadien: a) Stakeholderkrise 18 Unter dem Begriff der „Stakeholderkrise“ wird eine Krise auf der Ebene der Stakeholder verstanden, die oft durch Konflikte zwischen diesen Gruppen und ihren Mitgliedern entstehen. Als Stakeholder werden insbesondere Mitglieder der Unternehmensleitung und der Überwachungsorgane, Gesellschafter, Arbeitnehmer und ihre Vertretungen, Banken und andere Gläubiger verstanden. Vgl. IDW ES 6 n. F. Rn. 22.

19 Kennzeichnend für die Stakeholderkrise ist der schleichende Eintritt der Konsequenzen. Vgl. IDW ES 6 n. F. Rn. 22.

b) Strategiekrise 20 Infolge der Stakeholderkrise tritt häufig eine Strategiekrise ein. Die Folge sind unangemessene oder ineffektive Innovationen und Investitionen. Vgl. IDW ES 6 n. F. Rn. 22.

21 Der Verlust von Marktanteilen, der wiederum einen Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit indiziert, ist häufig infolge der Strategiekrise zu erkennen. Mögliche Ursachen liegen in einer unklaren oder fehlenden strategischen Ausrichtung oder in nachhaltigen Fehleinschätzungen der Wettbewerbssituation oder Marktentwicklung. Vgl. IDW ES 6 n. F. Rn. 22.

22 Die Strategiekrise ist aufgrund ihres Charakters langfristig angelegt. Sie betrifft regelmäßig die Grundlagen des Unternehmens und ist nur schwer zu korrigieren. Vgl. Trutnau, in: Kraemer/Vallender/Vogelsang, Kap. 1 Rn. 22; Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 6 Rn. 33.

4

I. Insolvenzen in Deutschland

c) Produkt- und Absatzkrise Eine Produkt- und Absatzkrise kann sich infolge einer Strategiekrise entwi- 23 ckeln. Wenn die Nachfrage nach den Hauptumsatz- und Erfolgsträgern nicht nur vorrübergehend zurückgeht, liegt eine Produkt- und Absatzkrise vor, in deren Folge die Vorratsbestände ansteigen und die Kapitalbindung zunimmt. Vgl. IDW ES 6 n. F. Rn. 22.

Die Gründe einer Produkt- und Absatzkrise liegen qualitativ in nicht ausrei- 24 chenden Marketing- oder Vertriebskonzepten, Sortimentsschwächen, Schwächen in der Produkt- und Servicequalität, mangelnder Liefertreue, Fehlern in der Preispolitik sowie einer mangelhaften oder fehlenden Vertriebssteuerung. Vgl. Weniger, in: Mönning, Betriebsfortführung, § 7 Rn. 16.

d) Erfolgskrise Eine Erfolgskrise resultiert aus einer Stakeholder- oder Strategiekrise bzw. 25 einer Produkt- und Absatzkrise, sofern kein wirksames Gegensteuern erfolgt. Zunächst werden die Eigenkapitalkosten nicht mehr verdient, sodann kommt es zu starken Gewinnrückgängen und schließlich zum Verlust bis zum vollständigen Verzehr des Eigenkapitals. Vgl. IDW ES 6 n. F. Rn. 22.

Infolge der sinkenden Eigenkapitalquote tritt eine Kreditunwürdigkeit des Un- 26 ternehmens ein, die dazu führt, dass die zur nachhaltigen Sanierung erforderlichen Mittel sich unter den gegebenen Umständen nicht mehr beschaffen lassen und eine Sanierung ohne Kapitalzuführung, gegebenenfalls auch unter Änderung der bisherigen Gesellschafterstruktur, nicht mehr erreicht werden kann. Vgl. IDW ES 6 n. F. Rn. 22 und 53.

e) Liquiditätskrise Eine Liquiditätskrise liegt vor, wenn der finanzielle Handlungsspielraum des 27 Unternehmens zunehmend verengt wird und keine hinreichende Liquidität zur Verfügung steht. Die Liquiditätskrise ist im Regelfall der Übergang der Krise zur Insolvenz in Form der Zahlungsunfähigkeit. Vgl. Trutnau, in: Kraemer/Vallender/Vogelsang, Kap. 1 Rn. 29; Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 6 Rn. 32.

Ein Insolvenzrisiko wird durch die eingetretenen Liquiditätsschwierigkeiten 28 indiziert, sofern keine oder nur unzureichende Maßnahmen ergriffen werden. Vgl. IDW ES 6 n. F. Rn. 22 und 53.

5

A. Einführung

29 Komplexe Finanzierungsstrukturen aufgrund einer Vielzahl bilateraler Beziehungen zu Finanzgebern mit heterogener Interessenlage oder unausgewogene Zusammensetzung der Finanzierung mit Eigenkapital, Fremdkapital und hybriden Finanzierungsformen verschärfen häufig die Liquiditätskrise. Vgl. IDW ES 6 n. F. Rn. 22 und 53.

30 Die Liquiditätskrise wird selten durch externe Begebenheiten ausgelöst, z. B. einen größeren Zahlungsausfall durch die Insolvenz eines Kunden, sondern aufgrund der Erwirtschaftung einer liquiden Unterdeckung. Vgl. Weniger, in: Mönning, Betriebsfortführung, § 7 Rn. 18.

31 Die Liquiditätskrise führt zur Insolvenzreife, wenn einer der nach der Rechtsform des Schuldners maßgeblichen Insolvenzeröffnungsgründe vorliegt. Vgl. IDW Standard: Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen (IDW S 11) vom 27.3.2015, IDW-FN 2015, 202 ff. = Wpg Suppl. 1/2015, Rn. 18.

3. Statistiken 32 In den letzten Jahren ist die Zahl der Insolvenzverfahren deutlich zurückgegangen. Während im Jahre 2010 noch 153.549 Insolvenzverfahren eröffnet wurden, worunter sich 31.009 Unternehmensinsolvenzverfahren befanden, kam es in den Jahren 2016 und 2017 lediglich noch zu 111.197 bzw. 104.287 Insolvenzverfahren, worunter lediglich 21.518 bzw. 20.093 Unternehmensinsolvenzverfahren waren. 33 Die Gesamtentwicklung lässt sich wie folgt darstellen:

6

140 979

149 489

2008

2007

Bis einschließlich 1990 früheres Bundesgebiet.

Bis 1998: Konkurse und Vergleichsverfahren ohne Anschlusskonkurse, denen ein eröffnetes Vergleichsverfahren vorausgegangen ist.

3)

118 274

136 554

161 430

164 597

155 202

162 907

168 458

159 418

150 298

141 332

134 871

Seit 1999: angenommene Schuldenbereinigungspläne.

1 789

1 805

2 042

1 902

2 116

1 998

2 139

1 918

1 819

1 799

1 716

127 438

122 514

115 632

insgesamt3)

1)

21 450

19 279

12 770

11 798

10 826

10 264

9 924

1 880

1 970

1 889

eröffnete Vergleichsverfahren/ Schuldenbereinigungsplan angenommen2)

2)

95 035

147 974

2009

2004

15 607

153 549

2010

143 781

145 702

2011

115 470

137 653

2012

2006

12 107

13 206

129 269

2013

2005

12 935

123 231

2014

9 347

9 711

111 197

115 847

2016

9 456

104 287

2017

2015

eröffnete Insolvenz- mangels Masse abgelehnte verfahren Insolvenzverfahren

Jahr

Insolvenzen Deutschland1) Anzahl Insolvenzen

39 213

36 843

34 137

29 160

29 291

32 687

31 998

30 099

28 297

25 995

24 085

23 101

21 518

20 093

darunter: Unternehmensinsolvenzen

I. Insolvenzen in Deutschland

7

8

4 098

4 292

3 872

3 747

1985

1984

1983

3 214

1990

3 800

3 564

1987

4 360

1992

1991

1986

5 842

1993

3 403

6 832

1994

3 649

8 024

1995

1988

8 610

1996

1989

8 963

12 255

1999

8 834

19 698

2000

1998

25 230

2001

1997

77 237

61 691

2003

12 252

12 826

14 512

14 695

13 743

12 238

11 204

10 029

9 740

10 919

14 401

18 054

20 735

22 846

24 529

24 984

21 542

21 357

22 360

21 551

22 134

145

91

105

82

84

57

57

42

39

37

73

67

56

53

35

30

241

1 204

1 736

1 186

1 352

eröffnete Vergleichsverfahren/ eröffnete Insolvenz- mangels Masse abgelehnte verfahren Insolvenzverfahren Schuldenbereinigungsplan angenommen2)

2002

Jahr

16 114

16 760

18 876

18 842

17 589

15 936

14 643

13 271

13 323

15 302

20 298

24 928

28 785

31 471

33 398

33 977

34 038

42 259

49 326

84 428

100 723

insgesamt3)

Insolvenzen

11 845

12 018

13 625

13 500

12 098

10 562

9 590

8 730

8 837

10 920

15 148

18 837

22 344

25 530

27 474

27 828

26 476

28 235

32 278

37 579

39 320

darunter: Unternehmensinsolvenzen

A. Einführung

2 040

1 659

1 810

1 853

1 573

1966

1965

1964

1963

1962

1 906

2 399

1967

1 851

1969

1968

2 087

2 081

1971

1972

1970

2 596

2 013

1973

3 056

3 482

1975

1974

2 607

2 702

1977

1976

2 206

2 228

2 420

1980

1978

3 162

1979

4 043

1982

958

1 009

1 219

1 269

1 261

1 531

1 676

1 727

1 862

2 168

2 397

2 681

3 870

5 886

6 519

6 837

6 411

6 047

6 639

8 418

11 764

296

333

309

267

382

530

331

304

324

252

209

301

462

355

181

147

104

81

94

107

152

eröffnete Vergleichsverfahren/ eröffnete Insolvenz- mangels Masse abgelehnte verfahren Schuldenbereinigungsplan angenommen2) Insolvenzverfahren

1981

Jahr

2 786

3 132

3 281

3 157

3 615

4 337

3 827

3 809

4 201

4 437

4 575

5 515

7 722

9 195

9 362

9 562

8 722

8 319

9 140

11 653

15 876

insgesamt3)

Insolvenzen

2 005

2 120

2 203

2 070

2 530

3 159

2 602

2 494

2 716

2 971

3 097

4 000

5 976

6 953

6 808

6 929

5 949

5 483

6 315

8 494

11 915

darunter: Unternehmensinsolvenzen

I. Insolvenzen in Deutschland

9

10

2 497

2 974

2 864

1954

1953

1 211

1 447

1 628

1 509

1 528

1 569

1 329

1 208

1 034

921

947

859

1 721

1 620

1 236

1 331

1 257

885

732

770

569

430

343

348

5 735

5 802

5 274

5 387

5 489

4 708

4 327

4 027

3 535

3 025

2 958

2 823

insgesamt3)

Insolvenzen

5 168

4 932

4 782

4 882

4 936

4 095

3 697

3 423

2 943

2 414

2 358

2 247

darunter: Unternehmensinsolvenzen

Quelle: Statistisches Bundesamt, abrufbar unter https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/LangeReihen/Insolvenzen/lrins01.html [Stand: 9.4.2018].

3 286

2 442

1956

1955

1950

2 198

1957

2 714

2 044

1958

3 167

1 770

1959

1951

1 742

1952

1 690

1961

eröffnete Vergleichsverfahren/ eröffnete Insolvenz- mangels Masse abgelehnte verfahren Insolvenzverfahren Schuldenbereinigungsplan angenommen2)

1960

Jahr

A. Einführung

I. Insolvenzen in Deutschland

Innerhalb der Unternehmensinsolvenzen fallen starke Unterschiede in der 34 Insolvenzhäufigkeit nach den einzelnen Bundesländern auf. Die Insolvenzhäufigkeit wird vom Statistischen Bundesamt jeweils auf 10.000 Unternehmen berechnet. Vorne liegen Bremen, Nordrhein-Westfalen und Hamburg. Die geringste Insolvenzhäufigkeit weisen Baden-Württemberg und Bayern auf. Bundesländer

Insolvenzhäufigkeiten1)

Insolvenzen 2015

2016

2017

2015

2016

2017

Anzahl Baden-Württemberg

1 869

1 672

1 902

42

37

42

Bayern

3 195

2 738

2 559

53

45

42

Berlin

1 407

1 369

1 349

95

90

89

Brandenburg

431

522

436

46

55

46

Bremen

218

213

206

96

95

92

Hamburg Hessen Mecklenburg-Vorpommern

802

907

741

87

98

80

1 501

1 421

1 457

61

57

59

323

304

251

58

55

45

Niedersachsen

1 853

1 850

1 710

67

67

62

Nordrhein-Westfalen

7 347

6 547

5 892

110

98

88

894

777

715

58

50

46

Rheinland-Pfalz Saarland

307

327

245

88

94

71

Sachsen

1 004

1 060

918

67

71

62

Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Thüringen Deutschland 1)

561

516

501

85

79

77

1 027

956

888

90

83

77

362

339

323

49

46

44

23 101

21 518

20 093

71

66

62

Bezogen auf 10 000 Unternehmen. Jeweils berechnet mit den Angaben aus der Umstatzsteuerstatistik 2015 und 2016.

Quelle: Statistisches Bundesamt, abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/ GesamtwirtschaftUmwelt/UnternehmenHandwerk/Insolvenzen/Tabellen/ HaeufigkeitLaender.html [Stand: 9.4.2018].

Bei einer Betrachtung nach Rechtsformen zeigt sich, dass die Gesellschaften 35 mit beschränkter Haftung mit 6.673 eröffneten Insolvenzverfahren im Jahre 2017 vor den Einzelunternehmen und Freiberuflern mit 6.230 eröffneten Insolvenzverfahren liegen, während z. B. im Jahre 2011 noch 12.373 Insolvenzverfahren über das Vermögen von Einzelunternehmern und Freiberuflern eröffnet worden sind. Zugleich wurde über das Vermögen von 7.896 Gesellschaften mit beschränkter Haftung das Insolvenzverfahren eröffnet. Offenbar bedingt durch die Einführung der Unternehmergesellschaft haftungsbeschränkt ist die Zahl der Insolvenzverfahren über das Vermögen von Limiteds von 195 eröffneten Insolvenzverfahren im Jahre 2011 auf 165 Verfahren im Jahre 2012 und lediglich noch 61 Verfahren im Jahre 2017 zurückgegangen:

11

12 X X

Verfahren mit Schuldenbereinigungsplan ..........

420

123

5 Mill. – 25 Mill. ...................................................

25 Mill. und mehr .................................................

14 397

Unternehmen

2 095

250 000 – 500 000 .................................................

1 789

4 273

50 000 – 250 000 ...................................................

1 Mill. – 5 Mill. .....................................................

28 933

5 000 – 50 000 .......................................................

500 000 – 1 Mill. ...................................................

3 055

63 599

Unter 5 000 ...........................................................

Zusammen ............................................................

X X

9 456 1 889

X

X

1 889

1 578

5 696

12

49

208

249

433

2 389

4 538

193

X



2

17

16

32

350

1 279

20 093

135

471

2 014

2 360

4 738

31 672

69 416

4 826

1 889

9 456

104 287

115 632

Verfahren insgesamt

nach Höhe der voraussichtlichen Forderungen

104 287

Mangels Masse abgewiesene Anträge .................

Forderungen von … bis unter … Euro

9 456

Anzahl

Schuldenbereinigungsplan angenommen

Insolvenzverfahren mangels Masse abgewiesen

nach Art der Verfahren

104 287

Insgesamt

eröffnet

Eröffnete Verfahren .............................................

Insgesamt ..............................................................

Gegenstand der Nachweisung

21 518

177

496

2 047

2 544

5 099

33 209

73 832

5 110

1 970

9 347

111 197

122 514

Dagegen im Vorjahreszeitraum: Verfahren insgesamt %

–6,6

–23,7

–5,0

–1,6

–7,2

–7,1

–4,6

–6,0

–5,6

–4,1

1,2

–6,2

–5,6

Veränderung gegenüber dem Vorjahreszeitraum

115 559

20 850

17 265

29 936

11 991

11 886

18 329

4 988

314

X

3 716

111 843

115 559

Anzahl

Arbeitnehmer/ -innen

29 708,9

20 028,4

4 900,5

4 031,5

1 627,7

1 625,6

3 301,6

1 583,3

15,7

129,6

2 378,4

34 606,3

37 114,4

Mill. Euro

Voraussichtliche Forderungen

A. Einführung

1 264 32

891 166

6 673

5 687

986

124 61

154

darunter: GmbH Co. KG ................................. GbR .....................................................

Gesellschaft mit beschränkter Haftung .............

davon: GmbH ohne Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) .............................

Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) .............................

Aktiengesellschaft, KGaA .................................

Private Company Limited by Shares (Ltd.) .......

Sonstige Rechtsformen ......................................

6 733

3 279

5 664

2 000

Unter 8 Jahre alt ..................................................

darunter bis 3 Jahre alt ........................................

8 Jahre und älter ...................................................

Unbekannt ...........................................................

648

1 689

1 664

3 359

nach dem Alter der Unternehmen

104

59

2 502

3 766

260 71

375

1 155

1 360

6 230

Personengesellschaften (OHG, KG, GbR) .......

Anzahl

X

X

X

X

X

X



X

X

X

X X

X

X

Schuldenbereinigungsplan angenommen

Insolvenzverfahren mangels Masse abgewiesen

nach Rechtsformen

eröffnet

Einzelunternehmen .............................................

Gegenstand der Nachweisung

2 648

7 353

4 943

10 092

258

120

156

2 250

8 189

10 439

1 151 237

1 530

7 590

Verfahren insgesamt

3 928

7 419

4 870

10 171

257

171

151

2 290

8 150

10 440

1 264 222

1 635

8 864

Dagegen im Vorjahreszeitraum: Verfahren insgesamt %

–32,6

–0,9

1,5

–0,8

0,4

–29,8

3,3

–1,7

0,5

0,0

–8,9 6,8

–6,4

–14,4

Veränderung gegenüber dem Vorjahreszeitraum

2 419

74 313

19 431

38 827

1 578

100

4 047

3 690

70 628

74 318

13 702 662

21 628

13 888

Anzahl

Arbeitnehmer/ -innen

613,8

21 125,6

3 429,0

7 969,5

2 702,8

177,5

2 982,3

304,6

13 173,5

13 478,2

3 595,5 50,1

8 823,2

1 545,1

Mill. Euro

Voraussichtliche Forderungen

I. Insolvenzen in Deutschland

13

14 Anzahl

174

8 134

Mehr als 100 Arbeitnehmer/-innen ....................

Unbekannt oder kein/e Arbeitnehmer/-in .........

1 812 76 256

427

17 784

11 689

6 095

69 960

1 719

Ehemals selbstständig Tätige ...............................

davon: mit Regelinsolvenzverfahren ..................

mit vereinfachtem Verfahren .................

Verbraucher ..........................................................

Nachlässe und Gesamtgut ...................................

1 137

X

1 680

209

X

209

X

1 889

X

X

77 238 3 055

3 248

6 932

13 195

20 127

576

100 996

13 675

161

1 702

1 321

2 821

1 838

Dagegen im Vorjahreszeitraum: Verfahren insgesamt

71 896

6 380

13 501

19 881

514

95 539

12 690

174

1 736

X X

2 534

X

1 822

Verfahren insgesamt

6,3

–6,9

–8,0

2,3

–1,2

–10,8

–5,4

–7,2

8,1

2,0

–13,9

–10,2

X

X

X

X

X

X

X

X

48 711

48 226

8 693

8 107

1 822

Anzahl

% –0,9

Arbeitnehmer/ -innen

Veränderung gegenüber dem Vorjahreszeitraum

510,3

3 177,0

710,6

2 749,2

3 459,8

258,3

7 405,4

9 296,8

12 355,8

5 316,3

671,2

1 104,5

964,3

Mill. Euro

Voraussichtliche Forderungen

Quelle: Statistisches Bundesamt, abrufbar unter https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/UnternehmenHandwerk/Insolvenzen/Insolvenzen2020410171124.pdf?__blob=publicationFile [Stand: 9.4.2018].

1 529

1 888

87

89 890

Natürliche Personen als Gesellschafter u. Ä. .....

3 760

4 556



55

98

430

557

Zusammen ............................................................

Übrige Schuldner

1 039

1 681

11 bis 100 Arbeitnehmer/-innen .........................

2 104

6 bis 10 Arbeitnehmer/-innen .............................

1 265

2 bis 5 Arbeitnehmer/-innen ...............................

X

Schuldenbereinigungsplan angenommen

Insolvenzverfahren mangels Masse abgewiesen

nach der Zahl der Arbeitnehmer/-innen

eröffnet

1 Arbeitnehmer/-in .............................................

Gegenstand der Nachweisung

A. Einführung

II. Strukturen des deutschen Gesellschafts- und Insolvenzrechts

4. Volkswirtschaftliche Bedeutung Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Insolvenzverfahren zeigt sich in viel- 36 fältiger Weise, insbesondere aber hinsichtlich der in den einzelnen Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen und in der Zahl der verlorengehenden Arbeitsplätze. Im Gesamtjahr 2017 wurden insgesamt lediglich 104.287 Insolvenzverfahren 37 eröffnet, wovon 115.559 Arbeitnehmer betroffen waren. Das voraussichtliche Forderungsvolumen belief sich auf 37.114.400.000,00 €. Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 2 Reihe 4.1: Unternehmen und Arbeitsstätten – Insolvenzverfahren, Dezember 2017, S. 11.

Im Gesamtjahr 2013 wurden noch insgesamt 129.269 Insolvenzverfahren er- 38 öffnet, wovon 173.541 Arbeitnehmer betroffen waren. Das voraussichtliche Forderungsvolumen belief sich auf 37.823.700.000,00 €. Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 2 Reihe 4.1: Unternehmen und Arbeitsstätten – Insolvenzverfahren, Dezember 2013, S. 11.

Dies sah vor einigen Jahren noch gänzlich anders aus. Im Gesamtjahr 2011 39 wurden insgesamt 153.549 Insolvenzverfahren eröffnet, wovon 131.292 Arbeitnehmer betroffen waren. Die voraussichtlichen Forderungen beliefen sich auf 38.998.210.000,00 €. Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 2 Reihe 4.1: Unternehmen und Arbeitsstätten – Insolvenzverfahren, Dezember 2011, S. 10.

II. Strukturen des deutschen Gesellschafts- und Insolvenzrechts Das deutsche Gesellschafts- und Insolvenzrecht ist vom Dualismus zwischen 40 Kapital- und Personengesellschaften geprägt. Trotz der zahlreichen Unterschiede in beiden Rechtsregimen lässt sich aber dem Grundsatz nach der Wille des Gesetzgebers erkennen, insbesondere die Gläubiger der Gesellschaft zu schützen. Vgl. zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008, BGBl. I 2008 S. 2026 ff.

Die Haftung der Organe von Gesellschaften steht derzeit in der Diskussion 41 und war insbesondere Thema beim 70. Deutschen Juristentag in Hannover 2014. Vgl. Beschlüsse des 70. Deutschen Juristentags in Hannover 2014, NJW-aktuell 40/2014, 17, 21.

Obgleich verschiedene Bereiche des Gesellschafts- und Insolvenzrechts har- 42 monisiert worden sind, zeigen aktuelle Entwicklungen, z. B. in dem Verfahren

15

A. Einführung

Suhrkamp, dass die Schnittstellen zwischen Gesellschafts- und Insolvenzrecht mitnichten endgültig geklärt sind. Vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.10.2013 – 2 BvR 1978/13, 2163 ff.; BGH, Beschl. v. 17.7.2014 – IX ZB 13/14 = NJW 2014, 436 ff.; Bassermann, INDat Report 2/2015, 42 f.; Böcker, ZInsO 2015, 773 ff.; Fölsing, ZInsO 2013, 1325 ff.; Meyer, DB 2015, 538 ff.; Möhlenkamp, BB 2013, 2828 ff.; Müller, DB 2014, 41; Pleister/Tholen, ZIP 2015, 414 ff.; Prütting, in: Festschrift Bruno M. Kübler, S. 567 ff.; Schäfer, ZIP 2013, 2237 ff.; Schäfer, ZIP 2015, 1208 ff.; Schäfer/Reuter, INDat Report 2/2015, 30 ff.

1. Organe im Gesellschaftsrecht a) Juristische Personen 43 Das BGB kennt als juristische Personen die Vereine (§§ 21 ff. BGB) und die Stiftungen (§§ 80 ff. BGB). Die Vorschriften über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), die Aktiengesellschaften (AG), die Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) und die Genossenschaften sind in eigenen Gesetzen (GmbHG, AktG und GenG) niedergelegt. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, eine Europäische Gesellschaft (Societas Europaea – SE) oder eine Europäische Stiftung (Fundatio Europaea FE) zu gründen. aa) Verein 44 Die Organe eines Vereins sind die Mitgliederversammlung (§ 32 BGB) und der Vorstand (§ 26 BGB), der durch Beschluss der Mitgliederversammlung bestellt wird (§ 27 Abs. 1 BGB). Gemäß § 31 BGB ist der Verein für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtung begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt. 45 Gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Vorstand im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung – freilich ohne Strafandrohung, § 15a Abs. 7 InsO – die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Wird die Stellung des Antrags verzögert, so sind die Vorstandsmitglieder, denen ein Verschulden zur Last fällt, den Gläubigern gemäß § 42 Abs. 2 Satz 2 BGB für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich; sie haften als Gesamtschuldner. Vgl. Lenger/Finsterer, NZI 2016, 571 ff.

46 Sind Organmitglieder oder besondere Vertreter unentgeltlich tätig oder erhalten sie für ihre Tätigkeit eine Vergütung, die 720,00 € jährlich nicht übersteigt, haften sie gemäß § 31a Abs. 1 Satz 1 BGB dem Verein für einen bei der Wahrnehmung ihrer Pflichten verursachten Schaden nur bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. 47 Auf die Vorschriften hinsichtlich der Stiftungen (§ 80 ff. BGB) wird im Einzelnen mangels praktischer Relevanz nicht eingegangen. 16

II. Strukturen des deutschen Gesellschafts- und Insolvenzrechts Vgl. BGH, Urt. v. 20.11.2014 – III ZR 509/13, ZIP 2015, 166 ff. = WM 2015, 143 ff. = NZG 2015, 38 ff.; vgl. dazu Segna, ZIP 2015, 1561 ff.

Die Insolvenzantragspflicht einer Stiftung ergibt sich aus §§ 86 Abs. 2, 42 48 Abs. 2 BGB. Vgl. Lenger/Finsterer, NZI 2016, 571 ff.; Graf-Schlicker/Bremen, § 15a Rn. 4.

bb) Gesellschaft mit beschränkter Haftung Die Organe der GmbH sind die Gesellschafterversammlung (§ 48 GmbHG), 49 die das Organ Geschäftsführer (§§ 6, 35 ff. GmbHG) bestellt. Vgl. Gehrlein, ZInsO 2017, 1977 ff.

Die Geschäftsführer sind gemäß § 41 GmbHG verpflichtet, für die ordnungs- 50 gemäße Buchführung der Gesellschaft zu sorgen. Sie haben gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden. Gegebenenfalls besteht bei einer GmbH ein Aufsichts- und Beirat. Die Haftung der Organe wird im Einzelnen später noch vertieft dargestellt 51 (siehe Rn. 122 ff.). cc) Aktiengesellschaft Organe der Aktiengesellschaft sind der Vorstand (§§ 76 ff. AktG), der Auf- 52 sichtsrat (§§ 95 ff. AktG) und die Hauptversammlung (§§ 118 ff. AktG). Der Hauptversammlung steht gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 AktG insbesondere das Recht zu, die Bestellung der Mitglieder des Aufsichtsrates zu beschließen. Der Aufsichtsrat hat gemäß § 111 Abs. 1 AktG die Geschäftsführung zu überwachen. Der Aufsichtsrat bestellt gemäß § 84 Abs. 1 AktG die Mitglieder des Vorstands. Vgl. zur unzulässigen Einflussnahme des Aufsichtsrates auf die Geschäftsführung Grunewald, ZIP 2016, 2009 ff.

Der Vorstand hat gemäß § 91 Abs. 1 AktG dafür zu sorgen, dass die erfor- 53 derlichen Handelsbücher geführt werden. Darüber hinaus hat der Vorstand gemäß § 91 Abs. 2 AktG geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden. Besteht ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals, so hat der Vor- 54 stand gemäß § 92 Abs. 1 AktG unverzüglich die Hauptversammlung einzuberufen und ihr dies anzuzeigen.

17

A. Einführung

55 Nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung darf der Vorstand gemäß § 92 Abs. 2 Satz 1 AktG keine Zahlungen leisten, sofern sie nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind, § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG. Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzten, sind der Gesellschaft gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. 56 Mit wenigen Ausnahmen gelten die Vorschriften über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit des Vorstands für die Aufsichtsratsmitglieder sinngemäß (§ 116 Satz 1 AktG). Die Kommanditgesellschaft auf Aktien ist eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, bei der mindestens ein Gesellschafter den Gesellschaftsgläubigern unbeschränkt haftet (Komplementär), und die übrigen an dem in Aktien zerlegten Grundkapital beteiligt sind, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften (Kommanditaktionäre). Die Vorschriften über die Kommanditgesellschaft auf Aktien sind in §§ 278 ff. AktG niedergelegt. dd) Genossenschaft 57 Die Organe der Genossenschaft sind die Generalversammlung (§§ 43 ff. GenG) und der Vorstand (§§ 24 ff. GenG), der von der Generalversammlung gewählt und abberufen wird. 58 Die Vorstandsmitglieder haben gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 GenG bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaft anzuwenden. Für Pflichtverletzungen haften sie gemäß § 34 Abs. 2 GenG. 59 Der Aufsichtsrat hat den Vorstand gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 GenG bei dessen Geschäftsführung zu überwachen. Er kann gemäß § 38 Abs. 1a Satz 1 GenG einen Prüfungsausschuss bestellen, der sich mit der Überwachung des Rechnungslegungsprozesses sowie der Wirksamkeit des internen Kontrollsystems, des Risikomanagementsystems und des internen Revisionssystems befasst. Für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder gilt gemäß § 41 GenG die Regelung des § 34 GenG über die Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder sinngemäß. b) Personengesellschaften 60 Die im BGB geregelte Grundform der Personengesellschaft ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, §§ 705 ff. BGB. Die Führung der Geschäfte der Gesellschaft steht gemäß § 709 Abs. 1 BGB den Gesellschaftern gemeinschaftlich zu. Für jedes Geschäft ist die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich. Gesellschaftsverträge sehen dazu bisweilen eine andere Regelung vor. Für die Verbindlichkeiten einer GbR haften ihre Gesellschafter als Gesamtschuldner.

18

II. Strukturen des deutschen Gesellschafts- und Insolvenzrechts

Personenhandelsgesellschaften sind weiterhin die offene Handelsgesellschaft 61 (§§ 105 ff. HGB) und die Kommanditgesellschaft (§§ 161 ff. HGB) sowie die hier nicht weiter relevante stille Gesellschaft (§§ 230 ff. HGB). Bei der offenen Handelsgesellschaft (OHG) ist bei keinem der Gesellschafter 62 die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern beschränkt. Bei der Kommanditgesellschaft wird zwischen den persönlich haftenden Gesellschaftern (Komplementären) und den Gesellschaftern, deren Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage beschränkt ist (Kommanditisten), unterschieden. Bei der OHG sind zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft gemäß § 114 Abs. 1 HGB alle Gesellschafter berechtigt und verpflichtet, während bei der Kommanditgesellschaft gemäß § 164 Satz 1 HGB die Kommanditisten von der Führung der Geschäfte ausgeschlossen sind. Die persönlich haftenden Gesellschafter (Komplementäre) haften gemäß § 128 63 HGB für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Als weitere Personengesellschaften sind die Partnerschaftsgesellschaften an- 64 gehöriger freier Berufe (PartG) sowie die Partnerschaftsgesellschaften mit beschränkter Berufshaftung (PartGmbB) zu nennen, die im Folgenden aber keine weitere Berücksichtigung finden. Im deutschen Gesellschaftsrecht gilt der Grundsatz des „numerus clausus“, 65 sodass ein „Typenzwang“ herrscht, der nur die gesetzlich vorgesehenen Gesellschaftsformen sowie deren Kombinationen, z. B. die AG & Co. OHG oder die GmbH & Co. KG, kennt. Die Wahl der Gesellschaftsform erfolgt oftmals vorrangig unter steuerlichen 66 Gesichtspunkten. Regelmäßig werden aber auch Themen wie Geschäftsführung und Vertretung, insbesondere aber auch die Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten maßgeblich für die Wahl der Unternehmensform sein. 2. Organe im Insolvenzrecht Die Rolle der Organe in Krise und Insolvenz ist facettenreich. Insbesondere 67 das Kapitalgesellschaftsrecht ist darauf ausgerichtet, bereits frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen. a) Verlustanzeigepflicht Ist ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals eingetreten, so hat der 68 Vorstand einer Aktiengesellschaft unverzüglich eine Hauptversammlung einzuberufen und ihr dies gemäß § 92 Abs. 1 AktG anzuzeigen. Bei der GmbH muss die Gesellschafterversammlung gemäß § 49 Abs. 3 GmbHG unverzüglich einberufen werden, wenn die Hälfte des Stammkapitals verloren ist. Ein

19

A. Einführung

Verstoß gegen diese Verpflichtung ist gemäß § 401 Abs. 1 AktG bzw. § 84 Abs. 1 GmbH strafbewehrt mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe. b) Insolvenzantragspflicht 69 Bei Kapitalgesellschaften (§ 15a Abs. 1 InsO) oder haftungsbeschränkten Personenhandelsgesellschaften (§ 15a Abs. 2 InsO) ist das Vertretungsorgan ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung verpflichtet, einen Eröffnungsantrag (Insolvenzantrag) zu stellen. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung ist gemäß § 15a Abs. 4 InsO mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bewehrt. 70 Die Insolvenzantragspflicht wurde durch das MoMiG vereinheitlicht. Zuvor war die Pflicht zur Insolvenzantragstellung unter § 92 Abs. 2 Satz 1 AktG a. F., § 64 Abs. 1 GmbHG, §§ 130a Abs. 1 Satz 1, 161 Abs. 2 HGB a. F., § 99 Abs. 1 GenG geregelt. Vgl. Harder, NJW-Spezial 2013, 469 f.

71 Die Insolvenzantragspflicht des Vereins ergibt sich aus § 42 Abs. 2 Satz 1 BGB. Die verspätete Insolvenzantragstellung führt beim Verein zu einer Schadensersatzpflicht der Vorstandsmitglieder als Gesamtschuldner, § 42 Abs. 2 Satz 2 BGB. c) Massesicherungspflicht 72 Mit Eintritt der Insolvenzreife sind die Organe zur Massesicherung verpflichtet. Sie dürfen keine Zahlungen mehr leisten, es sei denn, dass diese auch nach dem Zeitpunkt des Eintritts von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters/Geschäftsmannes vereinbar sind (Erstattungsanspruch gemäß § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 64 Satz 1 GmbHG, § 99 GenG). Vgl. umfassend Schröer-Conigliello/Schmittmann, ZIP 2017, 1548 ff.

73 Bei der offenen Handelsgesellschaft und bei der Kommanditgesellschaft entsteht bei Verletzung der Insolvenzantragspflicht oder einem Verstoß gegen die Massesicherungspflicht ein Schadensersatzanspruch (§§ 130a Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB). 74 Wird gegen eine GmbH ein Insolvenzantrag gestellt, hat der Geschäftsführer über die rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Verhältnisse der von ihm vertretenen Gesellschaft einschließlich gegen Gesellschafter und ihn selbst gerichteter Ansprüche Auskunft zu erteilen. Er ist hingegen nicht verpflichtet, über seine eigenen Vermögensverhältnisse und die Realisierbarkeit etwaiger gegen ihn gerichteter Ansprüche Angaben zu machen.

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II. Strukturen des deutschen Gesellschafts- und Insolvenzrechts So BGH, Beschl. v. 5.3.2015 – IX ZB 62/14, ZIP 2015, 791 = ZVI 2015, 204 = GmbHR 2015, 536 = NZI 2015, 380 Rn. 14 (m. Anm. Kluth); dazu EWiR 2015, 321 f. (Neußner); Laroche, ZInsO 2015, 1469; nach Auffassung der Vorinstanz (LG Münster, Beschl. v. 3.9.2014 – 5 T 326/14, ZInsO 2015, 411 ff.) erstreckt sich die Auskunftspflicht auch auf die eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse des Organs.

Die Ersatzpflicht nach §§ 130a, 177a HGB entfällt für Zahlungen nach Insol- 75 venzreife, soweit die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit ihr ausgeglichen wird. Der als Ausgleich erhaltene Gegenstand muss nicht noch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorhanden sein. Maßgeblich für die Bewertung ist der Zeitpunkt, in dem die Masseverkürzung durch einen Massezufluss ausgeglichen wird. So BGH, Urt. v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, NZI 2015, 133 ff. (m. Anm. Kruth) = DStR 2015, 180 ff. = WM 2015, 77 ff. = DB 2015, 55 ff. (m. Anm. Strohn) = ZIP 2015, 71 ff., dazu EWiR 2015, 69 f. (Splieth); Altmeppen, ZIP 2015, 949 ff.; Casper, ZIP 2016, 793 ff.; Gehrlein, ZInsO 2015, 477, 483; Haneke, NZI 2015, 499; Theiselmann/Verhoeven, DB 2015, 671, 672.

Eine masseschmälernde Zahlung liegt ebenfalls nicht beim Einzug von For- 76 derungen auf ein debitorisch geführtes Konto vor, sofern die eingezogenen Forderungen an die Bank abgetreten waren, die Bank die eingegangenen Beträge mit dem Sollsaldo verrechnet hat, die Sicherungsabtretung vor Insolvenzreife vereinbart und die Forderung der Gesellschaft entstanden und werthaltig geworden ist. So BGH, Urt. v. 23.6.2015 – II ZR 366/13, ZIP 2015, 1480 ff. = NZI 2015, 817 ff. (m. Anm. Haneke) = ZInsO 2015, 1616 ff.; dazu EWiR 2015, 565 f. (Kleindiek); Casper, ZIP 2016, 793 ff.; Glaser, ZInsO 2015, 2416 ff.

Der Einzug von Forderungen einer insolvenzreifen Aktiengesellschaft auf ein 77 debitorisches Konto ist grundsätzlich eine masseschmälernde Zahlung i. S. v. §§ 92 Abs. 3 Satz 1, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG a. F., weil hierdurch das Aktivvermögen der Gesellschaft zugunsten der Bank geschmälert wird. Der Einzug von Forderungen, die an die Bank zur Sicherheit abgetreten waren, auf einem debitorischen Konto der Aktiengesellschaft und die anschließende Verrechnung mit dem Sollsaldo stellen keine vom Vorstand veranlasste masseschmälernde Zahlung dar, wenn vor Insolvenzreife die Sicherungsabtretung vereinbart und die Forderungen der Gesellschaft entstanden und werthaltig geworden sind. Der Vorstand muss in solchen Fällen die sicherungsabgetretenen Forderungen – ungeachtet der bestehenden Einziehungsermächtigung – nicht durch Einziehung auf ein neu eröffnetes, kreditorisch geführtes Konto bei einer anderen Bank der Einziehung und Verrechnung auf dem debitorischen Konto entziehen, da eine solche Umleitung der Zahlungen auf ein anderes Konto nicht einem ordentlichen Geschäftsgebaren entspräche. Da die eingezogenen Forderungen infolge der Sicherungsabtretung nicht mehr 21

A. Einführung

als freie Masse den Gläubigern zur gleichmäßigen Befriedigung zur Verfügung standen, verlangt auch der Zweck des Zahlungsverbots, die vorhandene Masse zu sichern, nicht, die Zahlung einzubehalten. Die Masse würde durch den Einzug von sicherungsabgetretenen Forderungen ohne Weiterleitung nicht nur erhalten, sondern vergrößert. Eine masseschmälernde Leistung durch die der Bank zugutekommenden Zahlung liegt aber grundsätzlich dann vor, wenn die vor Insolvenzreife zur Sicherheit abgetretene zukünftige Forderung erst nach Eintritt der Insolvenzreife entstanden ist oder wenn sie zwar vor Eintritt der Insolvenzreife entstanden, aber erst danach werthaltig geworden ist und der Vorstand die Entstehung der Forderung oder deren Werthaltigwerden hätte verhindern können. Der Vorstand kann zwar nicht verhindern, dass der Zessionar die ihm zur Sicherheit abgetretene Forderung nach Insolvenzreife verwertet. Er darf aber nicht bewirken, dass der Zessionar zulasten der Masse nach Insolvenzreife noch eine werthaltige Forderung erwirbt. So BGH, Urt. v. 14.6.2016 – II ZR 77/15, ZInsO 2016, 1934 ff.; dazu EWiR 2017, 105 f. (Splieth).

78 Bei der Beurteilung der Frage, ob gegen die Schuldnerin eine deren Insolvenzreife mit begründende Forderung bestanden hat, erstreckt sich die Rechtskraftwirkung einer späteren Feststellung dieser Forderung zur Insolvenztabelle nach § 178 Abs. 3 InsO nicht auf den Geschäftsführer der Schuldnerin; dessen Verhalten im Anmeldeverfahren kann aber eine im Rahmen der Tatsachenfeststellung (§ 286 Abs. 1 ZPO) zu berücksichtigende Indizwirkung haben. Wenn eine Zahlung an einen absonderungsberechtigten, durch eine Gesellschaftssicherheit besicherten Gläubiger geleistet wird, liegt ein Aktiventausch vor, soweit infolge der Zahlung die Gesellschaftssicherheit frei wird und der Verwertung zugunsten aller Gläubiger zur Verfügung steht; bei einem solchen Aktiventausch entfällt im wirtschaftlichen Ergebnis eine masseschädliche Zahlung (Anschluss an BGH, Urt. v. 23. Juni 2015 – II ZR 366/13, BGHZ 206, 52 ff. Rn. 26). BGH, Urt. v. 26.1.2016 – II ZR 394/13, ZIP 2016, 1119 ff. = NZI 2016, 588 ff.; vgl. dazu Schröer-Conigliello/Schmittmann, ZIP 2017, 1548 ff.; Rüpell/Grotebrune, NZI 2016, 723 ff.

79 Das Organ haftet für Insolvenzverschleppungsschäden, die nicht in einer Masseschmälerung durch Zahlung bestehen, nach § 15a Abs. 1 InsO i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB und nicht nach § 64 Satz 1 GmbH, §§ 130a Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB. So BGH, Urt. v. 18.11.2014 – II ZR 231/13, ZIP 2015, 71 ff. = NZI 2015, 133 ff. (m. Anm. Kruth) = DStR 2015, 180 ff. = WM 2015, 77 ff. = DB 2015, 55 ff. (m. Anm. Strohn), dazu EWiR 2015, 69 f. (Splieth).

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II. Strukturen des deutschen Gesellschafts- und Insolvenzrechts

d) Rechtsfolgen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder einer Abweisung mangels Masse Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die Rechtskraft des Be- 80 schlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird, werden die Gesellschaften aufgelöst (§ 262 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 AktG, § 60 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 GmbHG, § 81a Nr. 1 und Nr. 2 GenG, § 131 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB). Vgl. Gehrlein, ZInsO 2017, 1977 ff.

Eine GmbH kann dann nur in den in § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG genannten 81 Fällen fortgesetzt werden. So BGH, Beschl. v. 28.4.2015 – II ZB 13/14, ZIP 2015, 1533 ff. = DStR 2015, 1935 ff. = NZG 2015, 872 ff. = WM 2015, 1416 ff.; dazu EWiR 2015, 567 f. (Munuz/Gerigk).

Von der Auflösung ist die Löschung zu unterscheiden, die gemäß § 393 FamFG 82 erfolgt, insbesondere wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft durchgeführt worden ist und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Gesellschaft noch Vermögen besitzt (§ 394 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Die Vermögenslosigkeit i. S. d. § 394 Abs. 1 FamFG ist nicht mit Unterbilanz, Überschuldung oder Masseunzulänglichkeit gleichzusetzen. Sie liegt nur vor, wenn nach kaufmännisch-wirtschaftlicher Betrachtungsweise überhaupt keine Zugriffs- und Verteilungsmasse für die Gläubiger mehr zur Verfügung steht. So OLG Karlsruhe, Beschl. v. 21.8.2014 – 11 Wx 92/13, ZIP 2015, 39 f. = NZI 2014, 930.

Zwar enden die Ämter eines Vorstands oder Geschäftsführers mit Eröffnung 83 des Insolvenzverfahrens nicht, allerdings wird ihre Handlungskompetenz durch § 80 Abs. 1 InsO, wonach das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter übergeht, überlagert. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens behalten die Organe einer juristi- 84 schen Person ihre Stellung. Sie nehmen allerdings nur noch Aufgaben wahr, die nicht die Insolvenzmasse betreffen. So OLG Hamm, Beschl. v. 2.9.2014 – 27 W 97/14, ZInsO 2014, 2452 f.

Die gesellschaftsrechtlichen Strukturen bleiben erhalten, sodass die Organe 85 weiterhin verfahrensrechtliche Befugnisse und Pflichten wahrzunehmen haben, z. B. die Einberufung einer Gesellschafter- oder Hauptversammlung, Abberufung und Bestellung eines Geschäftsführers oder Vorstands. Vgl. BayObLG, 1.7.1987 – 8 U 55/83, NJW-RR 1988, 1119; OLG Nürnberg, 20.5.1990 – 1 U 2275/89, NJW-RR 1992, 230.

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A. Einführung

86 Auch die Beschlussfassung über Satzungsänderungen oder Kapitalerhöhungen obliegt nach wie vor den Gesellschaftern, während die Kompetenzen des Insolvenzverwalters sich auf alle das Vermögen der Gesellschaft betreffenden Angelegenheiten erstrecken, z. B. Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen. Vgl. Sternal, in: Karsten Schmidt, InsO, § 80 Rn. 65.

87 Hinsichtlich der Registeranmeldungen ist der Insolvenzverwalter in den Angelegenheiten verpflichtet, die im Zusammenhang mit der Ausübung der Verwaltungs- und Verwertungsrechte stehen. Vgl. BGH, Urt. v. 18.12.1980 – VII ZR 43/80, NJW 1981, 822.

88 Hinsichtlich der Beschlussfassung über eine Umfirmierung besteht die Zuständigkeit des Insolvenzverwalters. Vgl. KG, Beschl. v. 10.7.2017 – 22 W 44/17, ZIP 2017, 1564; LG Essen, Beschl. v. 4.5.2009 – 44 T 3/09, ZIP 2009, 1583.

89 Die Anmeldung der Abberufung bzw. die Bestellung eines Geschäftsführers sind nicht von der Insolvenzmasse berührt, sodass eine Verpflichtung des Insolvenzverwalters nicht besteht. Vgl. OLG Köln, Beschl. v. 11.7.2001 – 2 Wx 13/01, NJW-RR 2001, 1417 = NZI 2001, 470.

e) Inhabilität 90 Vorstand (§ 76 Abs. 3 AktG) oder Geschäftsführer (§ 6 Abs. 2 GmbHG) kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. Neben anderen Inhabilitätsgründen führen eine Insolvenzverschleppung, die Begehung von Insolvenzstraftaten sowie sonstige Verstöße gegen gesellschaftsund handelsrechtliche Strafvorschriften zu einem Ausschluss vom Amt für die Dauer von fünf Jahren. Dies gilt auch, wenn die Person im Ausland wegen einer vergleichbaren Tat verurteilt worden ist. So Kretschmer, ZWH 2013, 481, 482.

91 Es ist allerdings nicht zu verkennen, dass die deutschen Registergerichte regelmäßig keine Kenntnis von derartigen Verurteilungen erlangen werden. 92 Als Verurteilung ist bereits eine Verwarnung unter Vorbehalt der Verhängung einer Geldstrafe nach § 59 Abs. 1 StGB zu verstehen. So OLG Naumburg, Beschl. v. 3.2.2017 – 5 Wx 2/17, ZIP 2017, 1519 f. = NZI 2017, 456 f.

93 Ein Geschäftsführeranwärter ist gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 lit. e GmbHG wegen mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden, wenn die Summe der für die jeweiligen Katalogtaten verhängten Einzelstrafen ein Jahr überschreitet. So LG Leipzig, Beschl. v. 12.10.2016 – 15 Qs 148/16, wistra 2017, 166 ff. = GmbHR 2017, 406 f.; dazu Floeth, EWiR 2017, 269 f.

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III. Pflichten des Insolvenzverwalters

Auch die Verurteilung wegen Insolvenzverschleppung in Form der nicht recht- 94 zeitigen Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 15a Abs. 4, 3. Altern. InsO) führt zu einer Amtsunfähigkeit als Geschäftsführer einer GmbH. So OLG Celle, Beschl. v. 29.8.2013 – 9 W 109/13, ZIP 2013, 191 = NZI 2013, 852 f. = ZInsO 2013, 2069 f. = ZWH 2013, 495 ff. (m. Anm. Bunnemann); vgl. dazu auch Anm. Floeth, NZI 2013, 853 ff.

Die rechtskräftige Verurteilung wegen einer der vorgenannten Straftaten führt 95 dazu, dass der Vorstand oder Geschäftsführer dieses Amt nicht mehr ausüben kann. Die Bestellung fällt als solche automatisch weg, sodass die Person im Handelsregister aufgrund der unrichtig gewordenen Eintragung als Vorstand oder Geschäftsführer kraft Gesetzes gelöscht werden muss (§ 395 FamFG). So OLG Celle, Beschl. v. 29.8.2013 – 9 W 109/13, ZIP 2013, 1914 = NZI 2013, 852 f. = ZInsO 2013, 2069 f. = ZWH 2013, 495 ff. (m. Anm. Bunnemann); vgl. dazu auch Anm. Floeth, NZI 2013, 853 ff.; OLG München, Urt. v. 15.9.2009 – 5 U 1721/09, NZI 2010, 474, 475; vgl. dazu Wolf, StuB 2014, 734 f.

Im Ausland begangene vorsätzliche Straftaten, nicht jedoch bloße Ordnungs- 96 widrigkeiten, führen zur Amtsunfähigkeit. So OLG München, Beschl. v. 18.6.2014 – 31 Wx 250/14, ZInsO 2014, 2177.

Nach der Vorschrift des § 6 Abs. 5 GmbHG haften die Gesellschafter ge- 97 genüber der Gesellschaft auf Schadensersatz, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig einer inhabilen Person die Führung der Gesellschaft überlassen haben, wobei folgende Fallgruppen in Betracht kommen: x

Förmliche Bestellung einer amtsunfähigen Person

x

Eintritt der Amtsunfähigkeit bei einem bestellten Geschäftsführer

x

Führung der Gesellschaft durch eine Person, die nicht förmlich bestellt ist. Vgl. Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rn. 8.16 ff.; Wolf, StuB 2014, 734, 735.

III. Pflichten des Insolvenzverwalters Der Insolvenzverwalter ist die zentrale Person des Insolvenzverfahrens. Mit 98 dem Insolvenzeröffnungsbeschluss ernennt das Insolvenzgericht gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 InsO einen Insolvenzverwalter. Dabei muss es sich gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO um eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person handeln. Massive Gefahren für die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters bestehen 99 allerdings seit dem ESUG, da das Gericht gemäß § 56a Abs. 2 Satz 1 InsO

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A. Einführung

nunmehr von einem einstimmigen Vorschlag des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Person des Verwalters nur abweichen darf, wenn die vorgeschlagene Person für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist. Die Gläubiger, die aufgrund ihrer Stellung eine maßgebende Rolle im Gläubigerausschuss spielen, werden sich, bevor sie eine Person zum Insolvenzverwalter vorschlagen, über die von ihr weiter beabsichtigten Schritte informieren und insbesondere Erkundigungen dazu einziehen, ob der – in Betracht gezogene – Insolvenzverwalter z. B. beabsichtigt, Ansprüche gegen sie geltend zu machen. Hier gerät der – möglicherweise – seitens der Gläubiger bereits angesprochene Kandidat leicht in eine kritische Situation, da er zum einen aus Vergütungsinteresse bestellt werden möchte, was davon abhängt, dass die maßgebenden Gläubiger ihn einstimmig dem Gericht gegenüber vorschlagen, und er andererseits gegenüber der Gläubigergesamtheit verpflichtet ist, also z. B. gegenüber den ungesicherten Dienstleistern und Lieferanten, die lediglich dann eine Aussicht auf Befriedigung haben, wenn es dem Insolvenzverwalter gelingt, Anfechtungs- und Haftungsansprüche geltend zu machen. Allein an diesem kleinen Ausschnitt der Gesamtproblematik zeigt sich, wie viele Risiken sich für das Ziel des Insolvenzverfahrens, eine „gemeinschaftliche“ Befriedigung der Insolvenzgläubiger (§ 1 Satz 1 InsO) herbeizuführen, ergeben. Vgl. Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 1 Rn. 24.

100 Die Auswahl des Insolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht wird als „Schicksalsfrage“ des Insolvenzverfahrens angesehen, sodass dem Verwalter ein „Heldenmythos“ anhaftet. Vgl. Jaeger/Weber, Konkursordnung, § 78 Rn. 2; Mönning, in: Festschrift für Klaus Hubert Görg, S. 291, 294.

101 Da die Insolvenzmasse gemäß § 35 Abs. 1 InsO das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt, umfasst, ist es Sache des Insolvenzverwalters, auch Sonderaktiva zu ermitteln und die sich ergebenden Ansprüche, insbesondere Insolvenzanfechtung sowie Geschäftsführer- und Gesellschafterhaftung geltend zu machen. Vgl. Lüttke, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 35 InsO Rn. 170.

102 Der Insolvenzverwalter ist dafür verantwortlich, dass die Ziele des Insolvenzverfahrens, die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung und die Sanierung, die gleichberechtigt nebeneinander stehen, erreicht werden. Dazu gehört im Rahmen einer ordnungsgemäßen Insolvenzverwaltung die Ermittlung des Zeitpunktes des Eintritts der materiellen Insolvenz und der sich daraus ergebenden Ansprüche. So LG Dresden, Urt. v. 31.5.2013 – 10 O 3091/12, ZIP 2013, 1440 = ZInsO 2013, 1319.

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IV. Rolle der Berater in Krise und Insolvenz

Unterlässt der Insolvenzverwalter geeignete Maßnahmen, so greift gegebe- 103 nenfalls eine Haftung gemäß § 60 Abs. 1 InsO. Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, Anfechtungs- und Haftungsansprüche zu ermitteln. Er muss die Chancen und Risiken eines etwaigen Prozesses gegeneinander abwägen. Zur klageweisen Geltendmachung von Ansprüchen zugunsten der Masse ist er nur verpflichtet, wenn die Klage Erfolg verspricht und wirtschaftlich vertretbar ist. Vgl. Brandes/Schoppmeyer, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, § 60 Rn. 14; Thole, in: Karsten Schmidt, InsO, § 60 Rn. 15; LG Krefeld, Urt. v. 6.2.2014 – 3 O 271/13, ZIP 2014, 410 ff.

Es ist Sache des Insolvenzverwalters, aus der sog. „Ist-Masse“ die „Soll-Masse“ 104 herbeizuführen und dabei insbesondere auch Ansprüche gegen Organe zu ermitteln und geltend zu machen. Vgl. Bork, ZIP 2005, 1120, 1121; Pape, ZInsO 2007, 1080, 1083.

Unterlässt der Insolvenzverwalter die Geltendmachung realisierbarer An- 105 sprüche, so macht er sich gegenüber den Insolvenzgläubigern, nicht aber gegenüber dem Geschäftsführer, schadensersatzpflichtig. So BGH, Urt. v. 18.12.1995 – II ZR 277/94, BGHZ 131, 325 ff. = ZIP 1996, 420 ff. = NJW 1996, 850 f. Rn. 8; dazu EWiR 1996, 459 f. (Schulze-Osterloh).

Der Insolvenzverwalter muss kraft seiner Persönlichkeit in der Lage sein, die 106 Geltendmachung dieser Ansprüche voranzutreiben, ohne sich dabei von den Betroffenen beeinflussen zu lassen oder gar im Hinblick auf mögliche weitere Bestellungen von einer Geltendmachung dieser Ansprüche abzusehen. IV. Rolle der Berater in Krise und Insolvenz In der Krise eines Unternehmens werden durch die Organe häufig Beratungs- 107 leistungen von Rechtsanwälten, Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern bewusst nachgefragt. Die organschaftlichen Vertreter notleidender Unternehmer nehmen solche Beratungsleistungen gezielt in Anspruch, um später ihre Exkulpation zu erreichen. Vgl. umfassend Schröer-Conigliello/Schmittmann, ZIP 2017, 1548, 1555 ff.

Ein organschaftlicher Vertreter einer Gesellschaft verletzt seine Insolvenzan- 108 tragspflicht nicht schuldhaft, wenn er bei fehlender eigener Sachkunde zur Klärung des Bestehens der Insolvenzreife der Gesellschaft den Rat eines unabhängigen, fachlich qualifizierten Berufsträgers einholt, diesen über sämtliche für die Beurteilung erheblichen Umstände ordnungsgemäß informiert und nach eigener Plausibilitätskontrolle der ihm daraufhin erteilten Antwort dem Rat folgt und von der Stellung eines Insolvenzantrags absieht.

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A. Einführung Vgl. BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, NZI 2007, 477 ff. = ZIP 2007, 1265 (m. Bespr. Wilhelm, S. 1781), dazu EWiR 2007, 495 f. (Henkel/Mock).

109 Eine Hinweis- und Warnpflicht des Steuerberaters auf die Pflichten der Organe bei möglicher Insolvenzreife im Falle eines allgemeinen Mandats besteht zwar nach Auffassung des BGH nicht, allerdings haftet der Steuerberater, wenn er im Rahmen eines ihm erteilten Mandats die Steuerbilanz erstellt und in unzutreffender Weise erklärt, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung nicht vorliege. Vgl. BGH, Urt. v. 7.3.2013 – IX ZR 64/12, NZI 2013, 438 ff. Rn. 21 = ZIP 2013, 829, dazu EWiR 2013, 477 f. (Baumert); BGH, Urt. v. 6.6.2013 – IX ZR 212/13, ZIP 2013, 1332 ff. = NZI 2013, 793 ff.; OLG Saarbrücken, Urt. v. 9.12.2015 – 1 U 13/12, ZInsO 2016, 458 ff.; vgl. Luttmann, ZInsO 2013, 1777 ff.; Schmittmann, StuB 2013, 385 f.; Klusmeier, ZInsO 2013, 1347 ff.; Schmittmann, StuB 2014, 536 f.; Schmittmann, Neueste Entwicklungen bei der Steuerberaterhaftung in der Krise, FOM-Newsbox Wirtschaft- und Steuerrecht, Ausgabe 062 vom 15.7.2014, abrufbar unter: http://www.fom.de/forschung/projekte/ laufende-projekte/fom-newsbox-steuer-undwirtschaftsrecht.html [Stand: 9.4.2018].

110 Spitzt sich die Krise zu, wird häufig von Bankenseite verlangt, dass ein Unternehmensberater beauftragt wird, dem weitreichende Kompetenzen eingeräumt werden, insbesondere im Hinblick auf Verfügungen von Bankkonten sowie Gesprächen mit Kunden und Lieferanten. Hier stellen sich schnell Fragen der faktischen Geschäftsführung sowie der Haftung von Unternehmensberatern, Banken und sonstigen Kreditgebern. Vgl. Nerlich, in: Festschrift für Klaus Hubert Görg, S. 317 ff.

111 Die Beraterhaftung wird unter Rn. 982 ff. thematisiert.

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B. Innenhaftung Unter Innenhaftung wird die Haftung der Organe gegenüber der Gesellschaft 112 verstanden. Sie kann in allen Phasen des Unternehmens zum Tragen kommen, insbesondere allerdings in Krise und Insolvenz. I. Einführung Wer mit einem Einzelkaufmann oder einer Personengesellschaft kontrahiert, 113 hat die Möglichkeit, wegen seiner Forderung auf das gesamte Vermögen des Einzelkaufmanns bzw. der persönlich haftenden Gesellschafter der Personengesellschaft zurückzugreifen. Für Verbindlichkeiten einer Kapitalgesellschaft steht den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AktG, § 13 Abs. 2 GmbHG § 2 GenG) ein. Die Kapitalgesellschaften sowie die haftungsbeschränkten Personenhandels- 114 gesellschaften räumen somit einem Unternehmer die Möglichkeit ein, wirtschaftlich tätig zu werden, ohne dabei sein gesamtes (auch privates) Vermögen dem (potentiellen) Zugriff der Gläubiger auszusetzen. Die Gesellschaft – von Paulus zutreffend als „virtuelle Schöpfung“ bezeichnet – führt dazu, dass die Haftung sich auf das Vermögen, das der Gesellschaft übertragen worden ist oder das sie erworben hat, erstreckt. So Paulus, in: Festschrift für Klaus Hubert Görg, S. 361, 366.

Weil die Haftung auf das Vermögen der Gesellschaft beschränkt ist, und der 115 Gesellschafter somit die Möglichkeit hat, sich durch die Leistung des Grundoder Stammkapitals von der persönlichen Haftung „freizukaufen“, muss andererseits ein Instrumentarium geschaffen werden, mit dem sichergestellt wird, dass diese Haftungsmasse nicht nur ordnungsgemäß aufgebracht wird, sondern auch erhalten bleibt. Das deutsche Recht sieht daher eine Vielzahl von Anspruchsgrundlagen gegen Gesellschafter und Organe vor, die zur Erhaltung der Haftungsmasse dienen. II. Haftung in der Gründungsphase Die Haftung beginnt folgerichtig bereits in der Gründungsphase. Kapitalge- 116 sellschaften entstehen in mehreren Schritten. Entschließen sich zwei oder mehrere Personen, eine Kapitalgesellschaft zu gründen, entsteht zunächst bis zur notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrages eine sog. Vorgründungsgesellschaft. Vgl. BGH, Urt. v. 7.5.1984 – II ZR 276/83, BGHZ 91, 148 ff. = ZIP 1984, 950 ff.

1. Vorgründungsgesellschaft Bei der Vorgründungsgesellschaft handelt es sich regelmäßig um eine Gesell- 117 schaft bürgerlichen Rechts oder, sofern bereits ein vollkaufmännisches Han29

B. Innenhaftung

delsgewerbe betrieben wird, eine OHG, die das Ziel hat, eine Kapitalgesellschaft zu gründen. Es handelt sich bei der Vorgründungsgesellschaft um eine selbstständige Gesellschaft, die regelmäßig durch Zweckerreichung (Abschluss des Gesellschaftsvertrages und Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister) endet. Vgl. Kuleisa, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, Anhang zu § 35 InsO Rn. 1.

2. Vorgesellschaft 118 Mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages entsteht die von der Vorgründungsgesellschaft zu unterscheidende Vorgesellschaft, deren Existenz bis zur Eintragung in das Handelsregister reicht. Mit Eintragung in das Handelsregister erlangt die Gesellschaft Rechtsfähigkeit. Alle Aktiva und Passiva gehen auf die Kapitalgesellschaft über, ohne dass es eines besonderen Rechtsaktes bedürfte. Vgl. Kuleisa, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, Anhang zu § 35 InsO Rn. 3.

119 Die Vorgesellschaft ist weder Gesellschaft bürgerlichen Rechts noch Verein, sondern Gesamthandsgesellschaft eigener Art. Sie ist ein von ihren Gründern bzw. Gesellschaftern verschiedenes körperschaftlich strukturiertes Rechtsgebilde mit eigenen Rechten und Pflichten. Sie ist rechtsfähig sowie im Rechtsstreit parteifähig. So BGH, Urt. v. 28.11.1997 – V ZR 178/96, ZIP 1998, 109 ff. = NJW 1998, 1079 ff.; BGH, Urt. v. 23.10.2006 – II ZR 162/05, BGHZ 169, 270 ff. = ZIP 2006, 2267 ff., dazu EWiR 2007, 289 f. (Krolop); Hüffer/Koch, AktG, § 41 Rn. 4.

120 Da eine Kapitalgesellschaft vor der Eintragung in das Handelsregister als solche nicht existiert, hat der Gesetzgeber die sog. „Handelndenhaftung“ eingeführt. Dies bedeutet, dass wer vor der Eintragung der Gesellschaft in ihrem Namen handelt, persönlich haftet. Handeln mehrere, so haften sie als Gesamtschuldner (§ 41 Abs. 1 Satz 2 AktG, § 11 Abs. 2 GmbHG und § 17 Abs. 1 GenG). 121 Das von der Rechtsprechung entwickelte sog. „Vorbelastungsverbot“ wurde vom BGH aufgegeben, indem er entschieden hat, dass die Rechte und Pflichten aus solchen Geschäften mit der Eintragung der GmbH voll auf diese übergehen. So BGH, Urt. v. 9.3.1981 – II ZR 54/80, BGHZ 80, 129 = ZIP 1981, 394 ff. = NJW 1981, 1373 ff.

122 Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Gesellschafter in Fällen, in denen durch vorzeitigen Geschäftsbeginn Verpflichtungen begründet worden sind, keine Haftung trifft. Die Gesellschafter haften für die Differenz, die sich aus solchen Vorbelastungen zwischen dem Stammkapital und dem Wert des Gesellschaftsvermögens im Zeitpunkt der Eintragung ergibt, nach den Grundsätzen der sogenannten „Unterbilanzhaftung“.

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II. Haftung in der Gründungsphase So BGH, Urt. v. 9.3.1981 – II ZR 54/80, BGHZ 80, 219 ff. = ZIP 1981, 394 = NJW 1981, 1373 ff.; Hüffer/Koch, AktG, § 41 Rn. 8.

Der BGH lässt sämtliche Aktiva und Passiva der Vorgesellschaft, auch so- 123 weit sie aus nicht durch die Satzung gedeckten Geschäften stammen, nahtlos auf die GmbH übergehen. Der Übergang der Verbindlichkeiten kann dazu führen, dass die Stammeinlage im Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister nicht mehr vorhanden ist, sodass der Gesellschafter den Fehlbetrag in Geld ausgleichen muss. Dieser – so der BGH – „Unversehrtheitsgrundsatz“ ist nicht buchstäblich, sondern wertmäßig zu verstehen. Das eingebrachte Sachvermögen soll bei Aufstellung einer Bilanz einen Aktivüberschuss in Höhe der Stammkapitalziffer aufweisen. So BGH, Urt. v. 9.3.1981 – IX ZR 54/80, BGHZ 80, 129 = ZIP 1981, 394 ff. = NJW 1981, 1373 ff.

Die Gründer trifft in Höhe des unterdeckten Betrages eine unbeschränkte 124 anteilige Innenhaftung. Eine Außenhaftung ist damit nicht verbunden, sodass ein Gläubiger der Gesellschaft, der diese Anspruchsgrundlage für sich fruchtbar machen will, zunächst die Vorgesellschaft in Anspruch nehmen und nach Titulierung gegen die Vorgesellschaft deren Ausgleichsansprüche gegen die Gründer pfänden lassen muss. So Kuleisa, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, Anhang zu § 35 InsO Rn. 12.

Die Gesellschafter haften nach den Grundsätzen der Unterbilanzhaftung nur, 125 soweit sie der Geschäftsaufnahme zugestimmt haben. So Kuleisa, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, Anhang zu § 35 InsO Rn. 12; Goette, DStR 1997, 924; Goette DStR 1999, 207 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 11 Rn. 12.

Zur Geltendmachung des Anspruchs ist es erforderlich, eine Vermögensbi- 126 lanz auf den Stichtag der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister zu erstellen. Der Haftungsanspruch umfasst auch eine bereits eingetretene Überschuldung, sodass der Anspruch gegen den Gesellschafter den Betrag des Stamm- oder Grundkapitals übersteigen kann. So Kuleisa, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, Anhang zu § 35 InsO Rn. 13; Hüffer/Koch, AktG, § 41 Rn. 9; BGH, Urt. v. 24.10.1988 – II ZR 176/88, BGHZ 105, 300, 303 = ZIP 1989, 27, dazu EWiR 1989, 55 f. (Schmidt).

Die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen von Ansprüchen nach den 127 Grundsätzen der Unterbilanzhaftung trägt grundsätzlich die Gesellschaft bzw. im Falle der Insolvenz der Gesellschaft der Insolvenzverwalter. So OLG Rostock, Urt. v. 4.6.2014 – 1 U 51/11, ZInsO 2014, 1498 ff.

Mehrere Gesellschafter haften anteilig nach dem Verhältnis ihrer durch Über- 128 nahme begründeten Einlagepflichten.

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B. Innenhaftung So BGH, Urt. v. 27.1.1997 – II ZR 123/94, MDR 1997, 665 ff. = ZIP 1997, 679 ff., dazu EWiR 1997, 463 f. (Fleischer); BGH, Urt. v. 16.1.2006 – II ZR 65/04, BGHZ 165, 391 ff. = ZIP 2006, 668 ff. = ZGR 2006, 875 ff. (m. Anm. Bayer/Lieder), dazu EWiR 2006, 565 f. (Naraschewski).

129 Der Anspruch aus Unterbilanzhaftung ist grundsätzlich wie ein Anspruch auf Leistung fehlender Bareinlagen zu behandeln und unterliegt deshalb nach der Rechtsprechung des BGH denselben strengen Regeln der Kapitalaufbringung wie die ursprüngliche Einlageschuld. Der Grundsatz der realen Kapitalaufbringung führt zu einem automatischen Erlöschen des Anspruchs durch faktische Zweckerreichung infolge anderweitiger Auffüllung des Haftungsfonds. Der aus der Unterbilanz haftende Gesellschafter kann gegen den Anspruch aus Unterbilanzhaftung nicht einseitig mit Forderungen, die er gegen die Gesellschaft hat, aufrechnen. So BGH, Urt. v. 16.1.2006 – II ZR 65/04, BGHZ 165, 391 ff. = ZIP 2006, 668 ff. = ZGR 2006, 875 ff. (m. Anm. Bayer/ Lieder), dazu EWiR 2006, 565 f. (Naraschewski).

130 Bislang ungeklärt ist die Frage, ob eine Ausfallhaftung nach dem Vorbild des § 24 GmbHG in Betracht kommt, wenn einer oder mehrere Gründer nicht in der Lage sind, die Verpflichtung aus der Verlustdeckungspflicht zu erfüllen. Dies wird weitgehend abgelehnt. So OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.12.1997 – 1 U 170/97, AG 1999, 131, 132 = ZIP 1998, 1961, dazu EWiR 1998, 1011 f. (Kort); LG Heidelberg, Urt. v. 11.6.1997 – 8 O 97/96, AG 1998, 197, 198 = ZIP 1997, 2045 (Wiedenmann, S. 2029), dazu EWiR 1998, 51 f. (Reiff).

131 Nach Auffassung von Hüffer und Heidinger ist eine Verantwortung jedes Gründungsgesellschafters für die Aufbringung des Kapitals zu bejahen, sodass eine Ausfallhaftung eingreift. So Hüffer/Koch, AktG, § 41 Rn. 9 b; Heidinger, GmbHR 2003, 189, 195.

3. Besonderheiten bei der Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften 132 Besonderheiten ergeben sich bei der Verwendung sog. Vorrats- und Mantelgesellschaften. 133 Vorratsgesellschaften liegen vor, wenn diese Gesellschaften von vornherein nur mit dem Unternehmenszweck „Verwaltung eigenen Vermögens“ gegründet worden sind und beabsichtigt ist, die Anteile vor Aufnahme des Geschäftsbetriebes zu veräußern. Bei Mantelgesellschaften hingegen war bereits vor Übertragung der Anteile eine Unternehmenstätigkeit aufgenommen, später aber eingestellt oder deutlich reduziert worden. Die Übernahme der Anteile von Mantelgesellschaften dient im Regelfall der Erzielung von steuerlichen Vorteilen, der Erlangung öffentlich-rechtlicher Genehmigungen wie 32

II. Haftung in der Gründungsphase

Börsenzulassungen o. Ä., die nicht rechtsgeschäftlich übertragen werden können, oder der insolvenzfreien Liquidation. Vgl. Altmeppen, NZG 2003, 145 ff.; Böing/Schmittmann, InsbürO 2005, 333 ff.; Bräuer, ZInsO 2007, 966 ff.; Eidenmüller/Engert, GmbHR 2005, 433 ff.; Gronstedt, BB 2003, 860 ff.; Habersack, AG 2010, 845 ff.; Herchen, DB 2003, 2211 ff.; Johlke/Bormann, ZInsO 2000, 486 ff.; Kallmeyer, DB 2003, 2583 ff.; Meilicke, BB 2003, 857 ff.; Nolting, ZIP 2003, 651 ff.; Peus, NZG 2003, 610 ff.; Schmidt, NJW 2004, 1345 ff.; Schmidt, Andreas/Kuleisa, InsbürO 2009, 301 ff.; Schumacher, DStR 2003, 1884 ff.; Schütz, NZG 2004, 746 ff.; Strohn, ZInsO 2009, 1417 f.; Thaeter, DB 2003, 2112 ff.; Thaeter/Meyer, DB 2003, 539 ff.; Wälzholz, NZG 2005, 203 ff.

Die Gründung einer Kapitalgesellschaft, bei welcher der in der Satzung ange- 134 gebene Gegenstand des Unternehmens gar nicht oder doch zumindest vorerst nicht verwirklicht werden soll („sog. Fasson- oder Vorratsgründung“) dient dem Zweck, eine juristische Person auf Vorrat zu schaffen, die erst später bei Bedarf im Wege der sog. Mantelverwendung – vielfach, aber nicht notwendigerweise nach Erwerb durch andere Gesellschafter und unter Auswechselung ihrer Organmitglieder sowie unter Änderung des in der Satzung angegebenen Unternehmensgegenstandes und ihres Sitzes – unternehmerischer Verwendung zugeführt werden soll. Hintergrund ist regelmäßig die Absicht der Gründer, einem späteren Nutzer, 135 insbesondere auch Erwerber, bei Bedarf sofort eine Kapitalgesellschaft für den angegebenen oder jeden beliebigen anderen Zweck zur Verfügung stellen zu können, um ihm die mit der (Neu-)Gründung einer Kapitalgesellschaft zum Zwecke der Erlangung der Haftungsbeschränkung verbundenen erheblichen und zeitraubenden Gründungsformalitäten einschließlich etwaiger dabei auftretender Haftungsgefahren zu ersparen. Grundsätzlich ist die Gründung von Vorratsgesellschaften zulässig, wenn die 136 Bestimmung der Gesellschaft, als sog. Mantel für die spätere Aufnahme eines Geschäftsbetriebs zu dienen, bei der Bezeichnung des Unternehmensgegenstandes deutlich klargestellt wird (sog. „offene Vorratsgründung“). Dies geschieht durch die Angabe des Unternehmensgegenstandes „Verwaltung des eigenen Vermögens“. Eine unwirksame sogenannte „verdeckte Vorratsgründung“ liegt vor, wenn der Unternehmensgegenstand dahin unzutreffend angegeben wird, dass er in absehbarer Zeit nicht verwirklicht werden soll. So BGH, Urt. v. 16.3.1992 – II ZB 17/91, BGHZ 119, 323 ff. = NJW 1992, 1824 ff. = ZIP 1992, 689 ff., dazu EWiR 1992, 673 f. (Kraft).

Der BGH hat diese Rechtsprechung zur Aktiengesellschaft später auch auf 137 die Gesellschaft mit beschränkter Haftung übertragen. Auch die Verwendung des Mantels einer „auf Vorrat“ gegründeten Gesellschaft mit beschränkter Haftung stellt wirtschaftlich eine Neugründung dar. Auf diese wirtschaftliche Neugründung durch Ausstattung der Vorratsgesellschaft mit einem Unter-

33

B. Innenhaftung

nehmen und erstmalige Aufnahme ihres Geschäftsbetriebs sind die der Gewährleistung der Kapitalausstattung dienenden Gründungsvorschriften des GmbHG einschließlich der registergerichtlichen Kontrolle entsprechend anzuwenden. So BGH, Beschl. v. 9.12.2002 – II ZB 12/02, BGHZ 153, 158 ff. = ZIP 2003, 251 (m. Bespr. Nolting, S. 651), dazu EWiR 2003, 327 f. (Keil).

138 Es ist somit erforderlich, dass die Geschäftsführer analog § 8 Abs. 2 GmbH versichern, dass die in § 7 Abs. 2 und Abs. 3 GmbHG bezeichneten Leistungen auf die Geschäftsanteile bewirkt sind und dass sich der Gegenstand der Leistungen – weiterhin oder jedenfalls wieder – endgültig in ihrer freien Verfügung befindet. Die Tatsache der Wiederverwendung eines zwischenzeitlich leer gewordenen Geschäftsmantels ist gegenüber dem Registergericht offenzulegen. Diese Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung ist mit der – am satzungsmäßigen Stammkapital auszurichtenden – Versicherung gemäß § 8 Abs. 2 GmbHG zu verbinden. Die reale Kapitalaufbringung ist sowohl bei der Mantelverwendung als auch bei der Aktivierung einer Vorratsgesellschaft durch entsprechende Anwendung des Haftungsmodells der Unterbilanzhaftung – bezogen auf den Stichtag der Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Registergericht – sicherzustellen. So BGH, Beschl. v. 7.7.2003 – II ZB 4/02, BGHZ 155, 318 ff. = ZIP 2003, 1698 (m. Bespr. Kesseler, S. 1790), dazu EWiR 2003, 967 f. (Keil).

139 Nach der Rechtsprechung des BGH kommt neben der Unterbilanzhaftung auch eine Handelndenhaftung analog § 11 Abs. 2 GmbHG in Betracht, wenn vor Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung die Geschäfte aufgenommen werden, ohne dass alle Gesellschafter dem zugestimmt haben. So BGH, Beschl. v. 7.7.2003 – II ZB 4/02, BGHZ 155, 318 ff. = ZIP 2003, 1698 (m. Bespr. Kesseler, S. 1790), dazu EWiR 2003, 967 f. (Keil).

140 Trotz der vorstehenden Leitlinien der Rechtsprechung des BGH ist es nicht grundsätzlich schädlich, mit einer Vorrats- oder Mantelgesellschaft zu arbeiten. Es sollte aber Sorge getragen werden, dass sämtliche Möglichkeiten der Haftungsvermeidung ergriffen werden. Es ist somit wie folgt vorzugehen: x

Offenlegung der Verwendung eines leeren Gesellschaftsmantels gegenüber dem Registergericht.

x

Versicherung, dass die gesetzlich gebotenen Leistungen auf die Stammeinlage im Anmeldezeitpunkt bewirkt sind und sich der Leistungsgegenstand weiterhin endgültig in der freien Verfügung des Geschäftsführers befindet. Vgl. Kuleisa, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, Anhang zu § 35 InsO, A Rn. 21c.

34

II. Haftung in der Gründungsphase

In der Folgezeit ist durch den Insolvenzverwalter vielfach eine Haftung von 141 Gesellschaftern und Geschäftsführern nach den Grundsätzen der BGHRechtsprechung geltend gemacht worden. Eine Anzahl von Sachverhalten gelangte zum BGH, der somit die Chance erhielt, seine Rechtsprechung zu präzisieren: Eine Mantelverwendung, auf die die Regeln der sog. „wirtschaftlichen Neu- 142 gründung“ anwendbar sind, kommt nur in Betracht, wenn die Gesellschaft eine „leere Hülse“ ist, also kein aktives Unternehmen betreibt, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebs – sei es auch unter wesentlicher Umgestaltung, Einschränkung oder Erweiterung seines Tätigkeitsgebiets – in irgendeiner wirtschaftlich noch gewichtbaren Weise anknüpfen kann. Eine „leere Hülse“ in diesem Sinne liegt nicht vor, wenn die Gesellschaft nach Gründung und Eintragung konkrete Aktivitäten zur Planung und Vorbereitung der Aufnahme ihrer nach außen gerichteten Geschäftstätigkeit im Rahmen des statutarischen Unternehmensgegenstandes entfaltet. So BGH, Beschl. v. 18.1.2010 – II ZR 61/09, NZI 2010, 316 f. = ZIP 2010, 621 (m. Bespr. K. Schmidt, S. 857), dazu EWiR 2010, 611 f. (Schmitz-DuMont).

Werden Ansprüche aus den Ansätzen der Vorbelastungshaftung bei Vorrats- 143 und Mantelverwendungen oder aus dem Grundsatz der wirtschaftlichen Neugründung geltend gemacht, so ist der Kläger, im Regelfall der Insolvenzverwalter, darlegungs- und beweispflichtig. So BGH, Urt. v. 29.9.1997 – II ZR 245/96, KTS 1998, 219 ff. = ZIP 1997, 2008 f., dazu EWiR 1998, 33 f. (Wilken); BGH, Beschl. v. 18.1.2010 – II ZR 61/09 = NZI 2010, 316 f. = ZIP 2010, 621 (m. Bespr. K. Schmidt, S. 857), dazu EWiR 2010, 611 f. (Schmitz-DuMont).

Der Ausgangspunkt für die Prüfung der Höhe der Haftung ist nicht der Zeit- 144 punkt der Aktivierung der Vorratsgesellschaft, sondern derjenige der Erklärung gemäß §§ 7 Abs. 3, 8 Abs. 2 GmbHG. So Kuleisa, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, Anhang zu § 35 InsO A Rn. 23.

Erst durch die Erklärung gegenüber dem Registergericht wird diesem die 145 Möglichkeit einer Gründungsprüfung gegeben. Die Versicherung der Geschäftsführer muss sich allein auf den Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft beziehen. Zur Sicherstellung der realen Kapitalaufbringung haften die Gesellschafter in jeder Variante der Mantelverwendung nach Maßgabe der für die Vor-GmbH entwickelten Vorbelastungshaftung. Für diese Haftung ist der Zeitpunkt der Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung gegenüber dem Registergericht maßgeblich. So OLG Jena, Beschl. v. 27.9.2006 – 6 W 287/06, ZInsO 2007, 159, 161 = ZIP 2007, 124, dazu EWiR 2007, 433 f. (Naraschewski).

35

B. Innenhaftung

146 Der Höhe nach erstreckt sich die Haftung der Gesellschafter und der Geschäftsführer auf die statutarische Kapitalziffer. Dies gilt sowohl bei Vorratsund Mantelgesellschaften, wobei der BGH zutreffend darauf hinweist, dass ein Mantelverwender nicht irgendeinen am gesetzlichen Mindeststammkapital orientierten, hypothetischen, sondern den konkreten Gesellschaftsmantel mit dem konkreten satzungsmäßigen Stammkapital, das auch höher sein kann als das gesetzliche Mindestkapital, verwendet. Der Rechtsverkehr hat damit ein schützenswertes Interesse daran, dass gegebenenfalls durch die Gesellschafter und Geschäftsführer eine Auffüllung des gesellschaftsvertraglich vereinbarten Grund- oder Stammkapitals stattfindet. So BGH, Beschl. v. 7.7.2003 – II ZB 4/02, BGHZ 155, 318 ff. = NJW 2003, 3198 ff. = ZIP 2003, 1698 (m. Bespr. Kesseler, S. 1790), dazu EWiR 2003, 967 f. (Keil).

147 Eine haftungsbegründende Voraussetzung ist allerdings, dass die Gesellschafter der Geschäftsaufnahme vor der Anmeldung zugestimmt haben. Anders als bei der Neugründung ist allerdings eine Minderung des Grund- oder Stammkapitals zwischen Anmeldung und Eintragung der Änderung des Unternehmensgegenstandes unbeachtlich. So Kuleisa, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, Anhang zu § 35 InsO A Gründerhaftung Rn. 23.

4. Handelndenhaftung bei der wirtschaftlichen Neugründung 148 Bei einer wirtschaftlichen Neugründung einer Vorrats- oder Mantelgesellschaft kommt eine Haftung der handelnden Person analog § 11 Abs. 2 GmbHG nur dann in Betracht, wenn die Geschäfte vor Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung aufgenommen worden sind und dem nicht alle Gesellschafter zugestimmt haben. So BGH, Urt. v. 12.7.2011 – II ZR 71/11, NZI 2011, 776 f. = ZIP 2011, 1761 ff., dazu EWiR 2011, 639 f. (Nolting/Grünberg).

149 Versichert der Geschäftsführer bei der Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung der Wahrheit zuwider, dass sich das Stammkapital endgültig in seiner freien Verfügung befindet, haftet er analog § 9 Abs. 2 GmbHG. So BGH, Urt. v. 12.7.2011 – II ZR 71/11, NZI 2011, 776 f. = ZIP 2011, 1761 ff., dazu EWiR 2011, 639 f. (Nolting/Grünberg).

III. Haftung während der laufenden Unternehmenstätigkeit 150 Während der laufenden Unternehmenstätigkeit kommen verschiedene Haftungstatbestände in Betracht, die rechtsformabhängig geregelt sind. 1. Überblick 151 Lange Zeit fielen die rechtlichen Möglichkeiten der Geltendmachung einer Haftung für unsorgfältige Geschäftsführung gemäß § 93 Abs. 2 AktG und 36

III. Haftung während der laufenden Unternehmenstätigkeit

§ 43 Abs. 2 GmbHG und ihre tatsächliche Umsetzung auseinander. Die Literatur konstatiert hier eine „Bisshemmung“, die daraus resultiert, dass oftmals weder Vorstände noch Geschäftsführer über hinreichende finanzielle Möglichkeiten verfügen, den von ihnen angerichteten Schaden zu ersetzen. Dies hat sich mit einer weitgehenden Verbreitung von D&O-Versicherungen (siehe dazu Rn. 927 ff.) geändert. Vgl. Bayer, NJW 2014, 2546.

a) Aktiengesellschaft Der Vorstand einer Aktiengesellschaft hat gemäß § 76 Abs. 1 AktG die Ge- 152 sellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten. Vorstandsmitglieder haben gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden und haften gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG für den Schaden, der der Gesellschaft aus ihren Pflichtverletzungen entsteht. Im Anwendungsbereich des Sparkassengesetzes Nordrhein-Westfalen haften 153 Sparkassenvorstände nach § 93 AktG. So BGH, Beschl. v. 15.9.2014 – II ZR 112/13, ZIP 2015, 370 f. = NZG 2015, 310 f. = NJW-Spezial 2015, 145 (LS); dazu EWiR 2015, 305 f. (Rahlmeyer/von Eiff); Empt/Orlikowski-Wolf, ZIP 2016, 1053 ff.

Die Aufgabe des Aufsichtsrates ist die Überwachung der Geschäftsführung, 154 § 111 Abs. 1 AktG. Der § 116 Satz 1 AktG gilt für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder, § 93 AktG (mit Ausnahme von § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG) über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder gilt sinngemäß. Aufsichtsratsmitglieder haften sowohl gegenüber der Gesellschaft (Innen- 155 haftung) als auch gegenüber Dritten (Außenhaftung). Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, § 13 Rn. 981 ff. und 1030 ff.

b) Gesellschaft mit beschränkter Haftung Die Geschäftsführer einer GmbH haben gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG in den 156 Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden und haften der Gesellschaft gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG solidarisch für den entstandenen Schaden, wenn sie Obliegenheiten verletzten. c) GmbH & Co. KG Eine Besonderheit gilt bei der GmbH & Co. KG. Wenn sich aus dem zwi- 157 schen dem Geschäftsführer und der Komplementär-GmbH zustande gekommenen Dienstverhältnis ergibt, dass die wesentliche Aufgabe der GmbH

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B. Innenhaftung

darin besteht, die Geschäfte der Kommanditgesellschaft zu führen, erstreckt sich der Schutzbereich des Dienstvertrages im Hinblick auf die Haftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG auch auf die Kommanditgesellschaft. So BGH, Urt. v. 25.2.2002 – II ZR 236/00, ZIP 2004, 984 ff. = NJW-RR 2002, 965 ff.; BGH, Urt. v. 14.11.1994 – II ZR 160/93, NJW 1995, 1353 ff. = ZIP 1995, 738, dazu EWiR 1995, 677 f. (Westermann); BGH, Urt. v. 12.11.1979 – II ZR 174/77, BGHZ 75, 321 ff. = NJW 1980, 589 ff. (zur Publikums-KG); vgl. Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 3.

158 Bei der GmbH & Co. KG ist eine Zahlung aus dem Vermögen der Kommanditgesellschaft an einen Gesellschafter der Komplementär-GmbH oder einen Kommanditisten eine nach § 30 Abs. 1 GmbHG verbotene Auszahlung, wenn dadurch das Vermögen der GmbH unter die Stammkapitalziffer sinkt oder eine bilanzielle Überschuldung vertieft wird. Wenn der Zahlungsempfänger (auch) Gesellschafter der Komplementär-GmbH ist, ist es für seine Haftung nach § 30 Abs. 1 GmbHG grundsätzlich ohne Bedeutung, ob daneben eine natürliche Person als Komplementär unbeschränkt haftet. So BGH, Urt. v. 9.12.2014 – II ZR 360/13, ZIP 2015, 322 ff. Rn. 9, dazu EWiR 2015, 207 f. (Paefgen/Schneider); vgl. Gummert, DStR 2015, 761.

159 Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH haftet nach § 43 Abs. 3 GmbHG für nach § 30 Abs. 1 GmbHG verbotene Auszahlungen aus dem Vermögen der Kommanditgesellschaft an einen Gesellschafter der Komplementär-GmbH gegenüber der Kommanditgesellschaft. So BGH, Urt. v. 9.12.2014 – II ZR 360/13, ZIP 2015, 322 ff. Rn. 12.

d) Business Judgement Rule 160 Bei der Aktiengesellschaft ist die „Business Judgement Rule“ in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kodifiziert, wonach eine Pflichtverletzung nicht vorliegt, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Vgl. Bicker, ZWH 2013, 473, 474.

161 Dies wird entsprechend auch für die Geschäftsführer einer GmbH angenommen. Vgl. Buchta/Ott, ZInsO 2015, 288 ff.

2. Aktivlegitimation 162 Der Schadensersatzanspruch bei der Innenhaftung steht der Gesellschaft zu. Er wird in der Praxis im laufenden Geschäftsbetrieb eher selten geltend gemacht. Sein Anwendungsbereich ist allerdings häufiger Gegenstand von Rechts-

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III. Haftung während der laufenden Unternehmenstätigkeit

streitigkeiten im Zusammenhang mit einem Organwechsel oder bei Streitigkeiten zwischen Gesellschaftergruppen und bei einem Gesellschafterwechsel. Vgl. Sieg, Tendenzen und Entwicklungen der Managerhaftung in Deutschland, DB 2002, 1759, 1762; Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 10.

a) Aktiengesellschaft Wird ein Vorstandsmitglied gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG in Anspruch ge- 163 nommen, wird die Gesellschaft gemäß § 112 Satz 1 AktG durch den Aufsichtsrat gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Die Regelung verfolgt den Zweck, eine unbefangene, von möglichen Interes- 164 senkollisionen und darauf beruhenden sachfremden Erwägungen freibleibende Vertretung der Gesellschaft sicherzustellen. Es ist auf eine typisierende Betrachtungsweise abzustellen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Gesellschaft im Einzelfall auch vom Vorstand angemessen vertreten werden könnte. So BGH, Urt. v. 24.4.1991 – II ZR 151/90, ZIP 1991, 796 f. = AG 1991, 269 f.; BGH, Urt. v. 5.3.1990 – II ZR 86/89, WM 1990, 630 f. = NJW-RR 1990, 739 f., dazu EWiR 1990, 909 f. (Meyer-Landrut); BGH, Urt. v. 13.2.1989 – II ZR 209/88, NJW 1989, 2055 ff. = ZIP 1989, 497 ff., dazu EWiR 1989, 429 f. (Ebenroth); BGH, Urt. v. 8.2.1988 – II ZR 159/87, BGHZ 103, 213 ff. = ZIP 1988, 367 f.; BGH, Urt. v. 9.10.1986 – II ZR 284/85, ZIP 1986, 1381 ff. = NJW 1987, 254 f., dazu EWiR 1986, 1165 f. (Meyer-Landrut); BGH, Urt. v. 11.5.1981 – II ZR 126/80, ZIP 1981, 858 = NJW 1981, 2748 f. = MDR 1982, 34.

Der Aufsichtsrat entscheidet in eigener Zuständigkeit, ob die Geltendmachung 165 von Schadensersatzansprüchen gegen den Vorstand erforderlich ist. Bei der Aktiengesellschaft kann der Anspruch gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG 166 und gemäß § 93 Abs. 5 Satz 1 AktG ausnahmsweise auch von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können. Dabei muss der Gläubiger auf Leistung an sich selbst, nicht an die Gesellschaft klagen. So Hüffer/Koch, AktG, § 93 Rn. 34.

b) Gesellschaft mit beschränkter Haftung Bei der GmbH kann gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG ein besonderer Prozessver- 167 treter durch die Gesellschafterversammlung für einen Rechtsstreit gegen den Geschäftsführer bestellt werden. Die Gesellschafterversammlung muss aber von der Möglichkeit des § 46 Nr. 8 GmbHG allerdings keinen Gebrauch machen. Kann die Gesellschaft durch weiter vorhandene Geschäftsführer satzungsgemäß vertreten werden, ist dies nicht zu beanstanden.

39

B. Innenhaftung So BGH, Urt. v. 24.2.1992 – II ZR 79/91, NJW-RR 1992, 993 f. = ZIP 1992, 760 ff., dazu EWiR 1992, 1001 f. (Bork); BGH, Urt. v. 26.10.1981 – II ZR 72/81, WM 1981, 1353 f.; Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 33.

168 Bei Rechtsstreitigkeiten mit ausgeschiedenen Geschäftsführern ist § 46 Abs. 8 GmbHG zwar anwendbar, die Gesellschaft kann aber durch einen neuen Geschäftsführer so lange vertreten werden, wie die Gesellschafterversammlung nicht von ihrer Befugnis Gebrauch macht, einen – anderen – besonderen Vertreter zu bestellen. So BGH, Urt. v. 6.3.2012 – II ZR 76/11, NZG 2012, 502 ff. = ZIP 2012, 824 ff., dazu EWiR 2012, 377 f. (Nolting); BGH, Urt. v. 24.2.1992 – IX ZR 79/91, ZIP 1992, 760 ff. = WM 1992, 731 ff.; BGH, Urt. v. 16.12.1991 – II ZR 31/91, WM 1992, 224 ff. = ZIP 1992, 171 ff., dazu EWiR 1992, 571 f. (Zimmermann).

169 Verfügt die Gesellschaft über einen – auch fakultativen – Aufsichtsrat, so wird sie im Rechtsstreit mit ihrem ehemaligen Geschäftsführer gemäß §§ 52 Abs. 1 GmbHG, 112 AktG durch den Aufsichtsrat und nicht durch die Geschäftsführer vertreten, sofern nicht in der Satzung etwas anderes geregelt oder von der Gesellschafterversammlung beschlossen worden ist. So BGH, Urt. v. 26.11.2007 – II ZR 161/06, ZIP 2008, 117 ff. = NZI 2008, 104 ff. Rn. 8; BGH, Beschl. v. 26.4.2006 – 149/06, DStR 2007, 1358 f.; Drescher, Die Haftung des GmbHGeschäftsführers, Rn. 38.

170 Verfügt die Gesellschaft lediglich über einen einzigen Geschäftsführer, so muss für die Verfolgung des Anspruchs ein besonderer Vertreter bestellt werden. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 36.

171 Bei der GmbH besteht kein eigenständiger Anspruch des Gesellschafters gegen den Geschäftsführer. So OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.1.2006 – 14 U 64/05, ZIP 2006, 1050 (LS) = GmbHR 2006, 759 ff.

172 Ist ein Gesellschafter der Auffassung, es solle ein Anspruch gegen den Geschäftsführer geltend gemacht werden, so muss er zunächst versuchen, die Gesellschafterversammlung nach § 46 Nr. 8 GmbHG zu veranlassen, einen besonderen Vertreter zu bestellen. Führt dies nicht zum Erfolg, kommt ausnahmsweise eine actio pro socio in Betracht. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 42 f.

173 Das Recht des Gesellschafters auf eine unmittelbare Klage ist nur gegeben, wenn eine Klage der Gesellschaft undurchführbar, durch den Schädiger selbst vereitelt worden oder infolge der Machtverhältnisse in der Gesellschaft so erschwert ist, dass es für den betroffenen Gesellschafter ein unzumutbarer Umweg wäre, die Gesellschaft erst zu einer Haftungsklage zu zwingen.

40

III. Haftung während der laufenden Unternehmenstätigkeit So BGH, Urt. v. 29.4.2004 – II ZR 14/03, ZIP 2005, 320 ff. = NZG 2005, 216 f.; Gehrlein, ZIP 1993, 1525 ff.; Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 43.

Bei der GmbH ist für die Geltendmachung des Anspruchs ein Gesellschaf- 174 terbeschluss erforderlich. So BGH, Urt. v. 21.4.1986 – II ZR 165/85 = BGHZ 97, 382 ff. = ZIP 1986, 979, dazu EWiR 1986, 997 f. (Roth).

Wird der Anspruch durch einen Gesellschaftergeschäftsführer gegen einen 175 früheren Geschäftsführer geltend gemacht, so bedarf es einer förmlichen Beschlussfassung nicht. Die Geltendmachung des Anspruchs genügt. So BGH, Urt. v. 26.10.2009 – II ZR 222/08, NZG 2009, 1385 f. = ZIP 2009, 2335 ff., dazu EWiR 2010, 151 f. (Schodder); BGH, Urt. v. 9.12.1996 – II ZR 240/95, ZIP 1997, 199 ff. = WM 1997, 224 ff., dazu EWiR 1997, 303 f. (Zimmermann); BGH, Urt. v. 27.3.1995 – II ZR 140/93 = WM 1995, 838 ff. = ZIP 1995, 643 ff., dazu EWiR 1995, 893 f. (Weipert).

Soll der Anspruch gegen einen früheren Geschäftsführer geltend gemacht 176 werden, so ist eine Beschlussfassung erforderlich, weil der Gesellschafterversammlung als oberstem Gesellschaftsorgan vorbehalten bleiben soll, ob ein Geschäftsführer wegen Pflichtverletzung belangt und die damit verbundene Offenlegung innerer Gesellschaftsverhältnisse – trotz der für Ansehen und Kredit der Gesellschaft möglicherweise abträglichen Wirkung – in Kauf genommen werden soll. So BGH, Urt. v. 14.7.2004 – VIII ZR 224/02, ZIP 2004, 1708 ff. = NZG 2004, 962 ff.; BGH, Urt. v. 21.6.1999 – II ZR 47/98, BGHZ 142, 92 ff. = ZIP 1999, 1352 (m. Anm. Altmeppen, S. 1354), dazu EWiR 1999, 835 f. (Wilhelm).

Das Vorliegen eines Gesellschafterbeschlusses stellt kein Erfordernis für die 177 Zulässigkeit der Klage dar. Es handelt sich um eine materiell-rechtliche Voraussetzung für den Anspruch der Gesellschaft. So BGH, Urt. v. 14.7.2004 – VIII ZR 224/02, ZIP 2004, 1708 ff. = NZG 2004, 962 ff.; BGH, Urt. v. 21.6.1999 – II ZR 47/98, BGHZ 142, 92 ff. = ZIP 1999, 1352 (m. Anm. Altmeppen, S. 1354), dazu EWiR 1999, 835 f. (Wilhelm).

Ist über das Vermögen der Gesellschaft bereits das Insolvenzverfahren eröff- 178 net, so bedarf es einer Beschlussfassung nicht mehr, da im Insolvenzverfahren die Interessen der Gesellschaftsgläubiger an einer Vermehrung der Masse den Vorrang genießen, während ein Schutzbedürfnis der in der Regel nur abzuwickelnden Gesellschaft nicht mehr gegeben ist. So BGH, Urt. v. 14.7.2004 – VIII ZR 224/02, ZIP 2004, 1708 ff. = NZG 2004, 962 ff.; BGH, Urt. v. 21.6.1999 – II ZR 47/98, BGHZ 142, 92 ff. = ZIP 1999, 1352 (m. Anm. Altmeppen, S. 1354), dazu EWiR 1999, 835 f. Rn. 21 (Wilhelm).

41

B. Innenhaftung

179 Einer Beschlussfassung bedarf es ebenso wenig bei einer „masselosen“ Liquidation. So BGH, Urt. v. 14.7.2004 – VIII ZR 224/02, ZIP 2004, 1708 ff. = NZG 2004, 962 ff.; BGH, Urt. v. 21.6.1999 – II ZR 47/98, BGHZ 142, 92 ff. = ZIP 1999, 1352 (m. Anm. Altmeppen, S. 1354) ff., dazu EWiR 1999, 835 f. (Wilhelm); Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 20.

180 Gemäß § 47 Abs. 4 GmbHG gilt ein Stimmverbot für Gesellschafter, die durch die Beschlussfassung wirtschaftlich betroffen sind. Dies gilt bei einer Abstimmung gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG für einen Geschäftsführer, der in Anspruch genommen werden soll und zugleich Gesellschafter ist. Es kann von einem Gesellschafter nicht erwartet werden, dass er einen Prozessvertreter auswählt, der gegen ihn die Interessen der Gesellschaft besonders nachdrücklich vertritt. So GmbH, Urt. v. 16.12.1991 – II ZR 31/91, BGHZ 116, 353 ff. = ZIP 1992, 171, dazu EWiR 1992, 571 f. (Zimmermann); BGH, Urt. v. 20.1.1986 – II ZR 73/85, BGHZ 97, 28 ff. = ZIP 1986, 429, dazu EWiR 1986, 371 f. (Hommelhoff).

3. Passivlegitimation 181 Der Anspruch richtet sich gegen das Organ, also den Vorstand oder Geschäftsführer, sowie gegen die Mitglieder des Aufsichtsrates. a) Aktiengesellschaft 182 Anspruchsgegner sind die Mitglieder des Vorstands sowie gegebenenfalls des Aufsichtsrates. aa) Vorstand 183 Gemäß § 77 Abs. 1 AktG gilt bei der Aktiengesellschaft mit einem mehrgliedrigen Vorstand der Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung. So Hüffer/Koch, AktG, § 77 Rn. 6.

184 Abweichende Regelungen können gemäß § 77 Abs. 1 Satz 2 AktG durch Satzung oder Geschäftsordnung bestimmt werden, sodass das gesetzliche Modell der Gesamtgeschäftsführung durch eine flexiblere Lösung ersetzt wird. So Hüffer/Koch, AktG, § 77 Rn. 9.

185 Hinsichtlich der Gestaltung besteht ein weitgehender Spielraum. Es bleibt jedoch bei der allgemeinen Aufsichtspflicht jedes Vorstandsmitglieds zur Selbstkontrolle. So Hüffer/Koch, AktG, § 77 Rn. 15.

42

III. Haftung während der laufenden Unternehmenstätigkeit

Im Falle einer wirksam geregelten Geschäftsverteilung wandelt sich die Pflicht 186 des einzelnen Vorstandsmitglieds zur Leitung der Gesellschaft in eine allgemeine Aufsichtspflicht. So Hüffer/Koch, AktG, § 93 Rn. 13a.

Bei mehreren Vorstandsmitgliedern besteht ungeachtet von internen Zu- 187 ständigkeitsverteilungen oder Delegationen auf andere Personen die Verantwortlichkeit für die Erfüllung der Pflichten der Gesellschaft. So BGH, Urt. v. 2.6.2008 – II ZR 27/07, ZIP 2008, 1275 f. = NZG 2008, 628 f. = DStR 2008, 1492 f. Rn. 10, dazu EWiR 2008, 719 f. (Schreiber); BGH, Urt. v. 9.1.2001 – VI ZR 407/99, ZIP 2001, 422 ff. = NZI 2001, 194 ff. = NJW 2001, 469 ff.; BGH, Urt. v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370 ff. = ZIP 1996, 2017, dazu EWiR 1997, 37 f. (Schneider).

Dem nicht betroffenen Mitglied des Organs verbleiben kraft seiner Allzu- 188 ständigkeit gewisse Überwachungspflichten, die ihn zum Eingreifen veranlassen müssen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Aufgaben durch das zuständige Mitglied des Organs nicht mehr gewährleistet ist. So BGH, Urt. v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, BGHZ 370 ff. = ZIP 1996, 2071 ff. Rn. 20, dazu EWiR 1997, 37 f. (Schneider); BGH, Urt. v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89, NJW 1990, 2560 ff. = ZIP 1990, 1413 ff., dazu EWiR 1990, 1017 f. (Marxen); BGH, Urt. v. 20.3.1986 – II ZR 114/85, NJW-RR 1986, 1293 f. = ZIP 1987, 1050, dazu EWiR 1986, 587 f. (Weipert).

bb) Faktischer Vorstand Streitig ist, ob auch die faktische Tätigkeit als Vorstandsmitglied ohne Be- 189 stellungsakt zur Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG führen kann. Bejahend: Fleischer, Zur aktienrechtlichen Verantwortlichkeit faktischer Organe, AG 2004, 517, 512, 523 ff.; ablehnend: Hüffer/Koch, AktG, § 93 Rn. 12.

Nach zutreffender Auffassung sind die Grundsätze der faktischen Geschäfts- 190 führung sowohl bei der GmbH als auch bei der Aktiengesellschaft anwendbar. Als „faktischer Vorstand“ einer AG kann angesehen werden, wer ohne förmlich dazu bestellt oder im Handelsregister eingetragen zu sein, im Einverständnis der Gesellschafter die Stellung des Vorstands tatsächlich einnimmt. So BGH, Urt. v. 28.6.1966 – I StR 414/65, BGHSt 21, 101 ff. = NJW 1966, 2225 Rn. 23; BGH, Urt. v. 10.6.1958 – 5 StR 190/58, GmbHR 1958, 179; BGH, Urt. v. 20.1.1955 – 4 StR 492/54, BGHSt 7, 157 ff.; BGH, Urt. v. 5.10.1954 – 2 StR 447/53, BGHSt 6, 314 ff. = NJW 1954, 1854 ff.; Graf-Schlicker/Bremen, § 15a Rn. 5; Himmelskamp/Schmittmann, StuB 2006, 326 ff.; Himmelskamp/Schmittmann, StuB 2006, 406 ff.; Schmittmann, in: Grundei/Zaumseil, Der Aufsichtsrat im System der Corporate Governance, S. 163, 168 f.

43

B. Innenhaftung

191 Für die Beurteilung der Frage, ob jemand faktisch wie ein Organmitglied gehandelt und als Konsequenz seines Verhaltens sich wie ein nach dem Gesetz bestelltes Organmitglied zu verantworten hat, ist auf das Erscheinungsbild seines Auftretens abzustellen. Es ist für die zivilrechtliche Haftung, anders als für die strafrechtliche Verantwortlichkeit, nicht erforderlich, dass der Handelnde die gesetzliche Geschäftsführung völlig verdrängt. Es reicht aus, wenn der Betreffende die Geschicke der Gesellschaft – über die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung hinaus – durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen hat. So BGH, Urt. v. 11.7.2005 – II ZR 235/03, ZIP 2005, 1550 ff. = ZVI 2006, 48 f., dazu EWiR 2005, 731 f. (Bork); BGH, Urt. v. 27.6.2005 – II ZR 113/03, ZIP 2005, 1114 f. = NZG 2005, 755 f.; LG Hannover, Urt. v. 8.2.2016 – 1 O 169/13, NJW-Spezial 2016, 368 = ZInsO 2016, 806 ff. (m. Anm. Wilhelm V); FG Münster, Beschl. v. 15.12.2017 – 13 V 2969/17, ZInsO 2018, 737 ff.

192 Ein lediglich sporadisches Auftreten im Außenverhältnis oder die Möglichkeit des Einwirkens auf den satzungsmäßigen Geschäftsführer reichen nicht aus. So KG, Teilurt. v. 31.1.2017 – 21 U 36/14, 21 U 188/14 (r. k., LG Berlin), ZfIR 2017, 427 f. (LS).

193 Für eine strafrechtliche Verantwortlichkeit ist es erforderlich, dass das faktische Organ mit Einverständnis der Gesellschafter das Amt ohne förmliche Bestellung faktisch übernommen hat, es tatsächlich ausübt und gegenüber dem formellen Geschäftsführer eine überragende Stellung einnimmt oder zumindest das deutliche Übergewicht hat. So BGH, Urt. v. 18.12.2014 – 4 StR 323/14 und 4 StR 324/14, ZIP 2015, 218 f. = NJW 2015, 712 f. Rn. 3 = NZI 2015, 186 f. (m. Anm. Floeth), dazu EWiR 2015, 337 f. (Priebe); BGH, Urt. v. 13.12.2012 – 5 StR 407/12, ZIP 2013, 313 ff. = NZG 2013, 239 f. Rn. 7; BGH, Urt. v. 10.5.2000 – 3 StR 101/00, BGHSt 46, 62 ff. = ZIP 2000, 1390 Rn. 11.

194 Die Ermittlung, ob eine Person faktisches Organ ist, erfolgt nach Indizien. Es wird angenommen, dass die Stellung dann als überragend angesehen werden kann, wenn die Person von den acht klassischen Merkmalen im Kernbereich der Geschäftsführung, und zwar x

Bestimmung der Unternehmenspolitik,

x

Unternehmensorganisation,

x

Einstellung von Mitarbeitern,

x

Gestaltung der Geschäftsbeziehungen zu Vertragspartnern,

x

Verhandlungen mit Kreditgebern,

x

Gehaltshöhe,

44

III. Haftung während der laufenden Unternehmenstätigkeit

x

Entscheidung der Steuerangelegenheiten und

x

Steuerung der Buchhaltung

mindestens sechs erfüllt. Vgl. BGH, Urt. v. 10.7.1996 – 3 StR 50/96, NJW 1997, 66 ff. = wistra 1996, 344 ff.; BayObLG, Urt. v. 20.2.1997 – 5 St RR 159/96, 1936 f.; LG Augsburg, Beschl. v. 15.1.2014 – 2 Qs 1002/ 14, ZInsO 2014, 2579, 2580; FG Münster, Urt. v. 27.1.2016 – 10 K 1167/13, (abrufbar unter: https://www.justiz.nrw/BS/nrwe2/index.php [Stand: 03/2018]; KG, Teilurt. v. 31.1.2017 – 21 U 36/14 und 188/14, ZfIR 2017, 427 f. (LS); Dierlamm, NStZ 1996, 153, 156; Himmelskamp/ Schmittmann, StuB 2006, 326 f.; Weyand, ZInsO 2015, 1773, 1776; Schmittmann, in: Grundei/Zaumseil, Der Aufsichtsrat im System der Corporate Governance, S. 163, 168 f.

cc) Aufsichtsrat Die Mitglieder des Aufsichtsrates haften zunächst für ihre eigenen Pflicht- 195 verletzungen. Gemäß § 111 Abs. 1 AktG hat der Aufsichtsrat die Geschäftsführung zu überwachen. Dabei scheidet eine Kontrolle jedweder Maßnahme des Vorstands aus. Vielmehr geht es um die Überwachung der Leitungsmaßnahmen des Vorstands. So Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 3.

Einzelne Mitglieder des Aufsichtsrates können allerdings in die Pflichtenstel- 196 lung des Vorstands einrücken, wenn sie aufgrund ihres Verhaltens zum faktischen Vorstand werden. Hier ist auf die vorstehend ermittelten Kriterien abzustellen. Mischen sich Mitglieder des Aufsichtsrates soweit in die Geschäftsführung 197 der Gesellschaft ein, dass eine Gesamtwürdigung den Rückschluss darauf erlaubt, dass sie die Führung der Geschäfte an sich gezogen haben, sind sie als faktische Vorstände mit den daraus folgenden zivil- und strafrechtlichen Folgen anzusehen. So Schmittmann, in: Grundei/Zaumseil, Der Aufsichtsrat im System der Corporate Governance, S. 163, 169.

b) GmbH aa) Geschäftsführer Bei der GmbH gilt grundsätzlich gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 GmbHG der 198 Grundsatz der Gesamtvertretung, es sei denn, dass der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt. Somit haften bei Pflichtverletzungen mehrere Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG der Gesellschaft als Gesamtschuldner. So BGH, Urt. v. 23.4.2012 – II ZR 252/10, BGHZ 193, 96 ff. = ZIP 2012, 1071, dazu EWiR 2012, 415 f. (Paefgen, W./Dettke);

45

B. Innenhaftung BGH, Urt. v. 26.11.2007 – II ZR 161/06, ZIP 2008, 117 Rn. 3; Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 295.

199 Ebenso wie bei der Aktiengesellschaft gilt auch bei der GmbH der Grundsatz der Allzuständigkeit. Dieser Grundsatz sowie die gemeinsame Verantwortung der Geschäftsführer bewirken, dass sich keiner darauf zurückziehen kann, seine Tätigkeit auf sein Ressort zu reduzieren. Jedem Geschäftsführer obliegt aufgrund der Generalverantwortlichkeit eine Überwachungspflicht hinsichtlich der weiteren Geschäftsführer. So BGH, Urt. v. 20.3.1986 – II ZR 114/85, ZIP 1987, 1050 ff. = NJW-RR 1986, 1293 f.

200 Die Haftung gemäß § 43 GmbHG ist nicht auf den im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführer beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf den faktischen Geschäftsführer. So BGH, Urt. v. 25.6.2001 – II ZR 38/99, BGHZ 148, 167 ff. = ZIP 2001, 1458, dazu EWiR 2001, 917 f. (Keil); Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 80; Schmittmann/Himmelskamp, StuB 2006, 326 ff.

201 In das Handelsregister kann lediglich eine natürliche Person als Geschäftsführer eingetragen werden, da eine juristische Person nicht Geschäftsführer sein kann. Daher scheidet auch eine faktische Geschäftsführung durch eine juristische Person aus. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 85.

202 Es kommen aber als faktische Geschäftsführer organschaftliche Vertreter anderer juristischer Personen in Betracht. So Strohn, DB 2011, 158, 163; Drescher, Die Haftung des GmbHGeschäftsführers, Rn. 86; a. A. Fleischer, GmbHR 2011, 337, 343; Fleischer/Schmolke, WM 2011, 1009, 1012.

203 Neben der beherrschenden Stellung ist es auch erforderlich, dass das faktische Organ ein Handeln mit Außenwirkung vornimmt. So BGH, Urt. v. 18.12.2014 – 4 StR 323/14 und 4 StR 324/14, ZIP 2015, 218 f. = NJW 2015, 712 f. Rn. 3 = NZI 2015, 186 f. (m. Anm. Floeth); BGH, Beschl. v. 2.6.2008 – II ZR 104/07, ZIP 2008, 1329 ff. Rn. 4, dazu EWiR 2008, 681 f. (Blaschke); BGH, Beschl. v. 11.2.2008 – II ZR 291/06, ZIP 2008, 1026 ff. Rn. 5, dazu EWiR 2009, 237 f. (Kleinschmidt, Andreas/Lau).

bb) Aufsichtsrat 204 Bei der GmbH kann die Existenz eines Aufsichtsrates aufgrund mitbestimmungsrechtlicher Regelungen (Mitbestimmungsgesetz 1976, Drittelbeteiligungsgesetz und Montan-Mitbestimmungsgesetz) oder einer Regelung im Gesellschaftsvertrag beruhen. So Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 52 Rn. 36.

46

III. Haftung während der laufenden Unternehmenstätigkeit

Ist nach dem Gesellschaftsvertrag ein Aufsichtsrat zu bestellen, so verweist 205 § 52 Abs. 1 GmbHG im Wesentlichen auf die Vorschriften des Aktiengesetzes. Die Mitglieder des Aufsichtsrates haften nicht für Verletzungen der Ge- 206 schäftsführer, aber für die Verletzung von eigenen Beratungs- und Überwachungspflichten. Diese können auch darin liegen, dass der Geschäftsführer aufgrund mangelnder Überwachung Gelegenheit hatte, Pflichtverletzungen zu begehen. So haften die Mitglieder eines fakultativen Aufsichtsrates einer GmbH bei Verletzung ihrer Überwachungspflicht hinsichtlich der Beachtung des Zahlungsverbotes aus § 64 Satz 1 GmbHG, wenn die Gesellschaft durch die regelwidrigen Zahlungen in ihrem Vermögen i. S. d. §§ 249 ff. BGB geschädigt worden ist. So BGH, Urt. v. 20.9.2010 – II ZR 78/09, BGHZ 187, 60 ff. = NZI 2010, 913 ff. = NZG 2010, 1186 ff.; Rn. 11 = ZIP 2010, 1988 (m. Bespr. Altmeppen, S. 1973), dazu EWiR 2010, 713 f. (Vetter); vgl. Karsten Schmidt, GmbHR 2010, 1319 ff.

Im Rahmen der Überwachung der Tätigkeit des Geschäftsführungsorgans 207 und der Kontrolle seiner Handlungen, hat der Aufsichtsrat auch die Pflicht, das Bestehen von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführungsorgan zu prüfen. Kommt der Aufsichtsrat zu dem Ergebnis, dass sich der Vorstand schadensersatzpflichtig gemacht hat, muss er aufgrund einer sorgfältigen und sachgerecht durchzuführenden Risikoanalyse abschätzen, ob und in welchem Umfang die gerichtliche Geltendmachung zu einem Ausgleich des entstandenen Schadens führt, ohne dass Gewissheit, dass die Klage zum Erfolg führen wird, erforderlich ist. So BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 ff. = ZIP 1997, 883, dazu EWiR 1997, 677 f. (Priester); vgl. Reichert, ZIP 2016, 1189 ff.

4. Pflichtverletzung Die in Betracht kommenden Pflichtverletzungen können im laufenden Ge- 208 schäftsbetrieb (siehe Rn. 220 ff.), in der Krise (siehe Rn. 292 ff.) oder bei Insolvenzreife (siehe Rn. 314 ff.) begangen werden. a) Pflichtverletzung im laufenden Geschäftsbetrieb Schon während des laufenden Geschäftsbetriebs kann es zu Pflichtverletzun- 209 gen kommen. aa) Aktiengesellschaft Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG kann der Aufsichtsrat die Bestellung zum 210 Vorstandsmitglied und die Ernennung zum Vorsitzenden des Vorstands widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher Grund ist gemäß § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG namentlich grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung oder Vertrauensentzug durch die 47

B. Innenhaftung

Hauptversammlung, es sei denn, dass das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen worden ist. 211 Die Darlegungs- und Beweislast liegt bei der Gesellschaft. So BGH, Urt. v. 12.2.2007 – II ZR 308/05, ZIP 2007, 674 ff. = NZG 2007, 396 ff. Rn. 11; Hüffer/Koch, AktG, § 84 Rn. 27.

212 In der Rechtsprechung wurden in der Vergangenheit folgende Fälle als grobe Pflichtverletzungen angesehen, die zu einer Abberufung des Vorstands berechtigen: x

Schädigung des Ansehens der Aktiengesellschaft durch anrüchige Spekulationsgeschäfte. So BGH, Urt. v. 25.1.1956 – VI ZR 175/54, WM 1956, 865.

x

Mangelnde Offenheit gegenüber dem Aufsichtsrat. So BGH, Urt. v. 26.3.1956 – II ZR 57/55, BGHZ 20, 239 ff. = NJW 1956, 906 ff.

x

Aneignung von Gesellschaftsvermögen. So BGH, Urt. v. 17.10.1983 – II ZR 31/83, WM 1984, 29 f.; OLG Stuttgart, Urt. v. 13. März 2002 – 20 U 59/01, AG 2003, 211, 213.

x

Entgegennahme von Schmiergeldern in Form sog. „Kick-Backs“. So OLG München, Urt. v. 7.2.2007 – 7 U 4952/06, AG 2007, 361, 363.

x

Vermögensverfall des Vorstandsmitglieds, insbesondere Abgabe der Vermögensauskunft oder Insolvenz. So OLG Hamm, Urt. v. 7.5.1984 – 8 U 22/84, GmbHR 1985, 119.

x

Fälschung von Belegen. So OLG Hamm, Urt. v. 7.5.1984 – 8 U 22/84, GmbHR 1985, 119.

213 Darüber hinaus unterliegen Vorstandsmitglieder gemäß § 88 Abs. 1 Satz 1 AktG einem Wettbewerbsverbot dahin, dass sie ohne Einwilligung des Aufsichtsrates weder ein Handelsgewerbe betreiben noch im Geschäftszweig der Gesellschaft für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen dürfen. Verstößt ein Vorstandsmitglied gegen dieses Verbot, so kann die Gesellschaft gemäß § 88 Abs. 2 Satz 1 AktG Schadensersatz fordern. 214 Gemäß § 91 Abs. 1 AktG hat der Vorstand dafür zu sorgen, dass die erforderlichen Handelsbücher geführt werden. Die Buchführungspflicht der Aktiengesellschaft folgt aus § 238 Abs. 1 HGB i. V. m. §§ 3 Abs. 1 und Abs. 6 HGB und bezweckt den Gläubigerschutz durch Selbstkontrolle sowie Dokumentation der Geschäftsvorfälle. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Pflicht.

48

III. Haftung während der laufenden Unternehmenstätigkeit

Im Außenverhältnis trägt der Vorstand die Buchführungsverantwortung. Im Innenverhältnis ist er verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. So Hüffer/Koch, AktG, § 91 Rn. 2.

Darüber hinaus hat der Vorstand gemäß § 91 Abs. 2 AktG geeignete Maß- 215 nahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden. Die Regelung des § 91 Abs. 2 AktG ist durch Art. 1 Nr. 9 KonTraG vom 27. 216 April 1998 (BGBl. I 1998 S. 786) geschaffen worden. Die Regelung verpflichtet nicht nur zur Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen, sondern auch zur Einrichtung eines Überwachungssystems. Damit trifft den Vorstand eine Bestandssicherungsverantwortung. So Hüffer/Koch, AktG, § 91 Rn. 4.

Auf der ersten Stufe besteht eine Verpflichtung, die Früherkennung bestands- 217 gefährdender Entwicklungen durch geeignete Maßnahmen zu gewährleisten. Hierbei kann es sich um die Aufnahme risikobehafteter Geschäfte (Derivatehandel, Termingeschäfte), Verstöße gegen Vorschriften der Rechnungslegung oder gegen sonstige gesetzliche Vorschriften handeln. Eine Bestandsgefährdung liegt vor, wenn sich nachteilige Veränderungen auf Vermögens-, Ertrags- oder Finanzlage der AG wesentlich auswirken können. So Regierungsbegründung KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15; Hüffer/Koch, AktG, § 91 Rn. 6.

Die vorstehend umschriebenen Entwicklungen müssen früh erkannt werden. 218 Dies ist dann der Fall, wenn sie dem Vorstand so rechtzeitig bekannt werden, dass ihnen noch so beizeiten entgegengewirkt werden kann, dass sie keine bestandsgefährdenden Ausmaße annehmen. So Regierungsbegründung KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15; Hüffer/Koch, AktG, § 91 Rn. 7.

Auf der zweiten Stufe ist ein Überwachungssystem einzurichten. Dabei sind 219 nicht die risikoträchtigen Entwicklungen zu überwachen, sondern die Einhaltung der eingeleiteten Maßnahmen. Damit ist insbesondere die unternehmensinterne Kontrolle, ob das Veranlasste auch geschieht, namentlich ob in Revision und Controlling die von ihnen gewonnenen Kenntnisse zeitnah dem Vorstand weiter vermittelt werden, gemeint. So Hüffer/Koch, AktG, § 91 Rn. 8.

Gemäß § 92 AktG ergeben sich bei Verlust in Höhe der Hälfte des Grund- 220 kapitals, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit weitere Pflichten, die gesondert unter Rn. 314 ff. behandelt werden.

49

B. Innenhaftung

bb) Gesellschaft mit beschränkter Haftung 221 Bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung existiert eine breite Kasuistik von Pflichtverletzungen bei laufendem Geschäftsbetrieb. Vgl. Fleischer, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, § 43 Rn. 22 ff.; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 28 ff.; Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 116 ff.

222 Im Folgenden werden lediglich exemplarisch einige für die Praxis bedeutsame Einzelfälle herausgestellt: 223 Maßstab für ein richtiges Verhalten des GmbH-Geschäftsführers sind sämtliche Gebote, die ihm vom GmbHG oder anderen Gesetzen auferlegt werden, wobei der Geschäftsführer beim Treffen unternehmerischer Entscheidungen zwangsläufig Risiken eingeht. Unternehmerisches Handeln ist grundsätzlich mit Risiken verbunden. Einem Geschäftsführer ist das Eingehen von Risiken nicht schlechthin verwehrt, was inzwischen auch in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG Niederschlag gefunden hat, wonach eine Pflichtverletzung nicht vorliegt, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln (vgl. Rn. 170). Dieser Gedanke dürfte auch im GmbH-Recht anwendbar sein. Vgl. Fleischer, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, § 43 Rn. 22; Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 125; Fleischer, ZIP 2004, 685, 692; Hauschka, GmbHR 2007, 11, 12.

224 Die Sorgfaltspflichten bei Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Genossenschaften stimmen überein. So BGH, Urt. v. 6.11.2002 – II ZR 224/00, BGHZ 152, 281 ff. = ZIP 2002, 2314 ff. = NJW 2003, 358 ff. Rn. 6 f., dazu EWiR 2003, 225 f. (Sommer).

225 Ob eine Entscheidung pflichtwidrig ist oder nicht, ist nicht lediglich eine Frage der Erreichung des Erfolges. Bei unternehmerischen Entscheidungen liegt nicht allein deswegen Pflichtwidrigkeit vor, weil der erstrebte Erfolg nicht eingetreten ist. Der Anspruchsgegner ist bereits dann entlastet, wenn er vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. So BGH, Urt. v. 22.2.2011 – II ZR 146/09, ZIP 2011, 766 ff. = NZG 2011, 549 ff. Rn. 19; BGH, Beschl. v. 3.11.2008 – II ZR 236/07, ZIP 2009, 223 f. = NZG 2009, 117 f.; BGH, Beschl. v. 18.6.2008 – II ZR 202/07, ZIP 2008, 1675 ff. = NZG 2008, 751 ff.

226 Eine Enthaftung des Geschäftsführers kommt nur in Betracht, wenn er in der konkreten Entscheidungssituation alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art ausschöpft und auf dieser Grundlage die 50

III. Haftung während der laufenden Unternehmenstätigkeit

Vor- und Nachteile der bestehenden Handlungsoption sorgfältig abschätzt und den erkennbaren Risiken Rechnung trägt. So BGH, Urt. v. 14.7.2008 – II ZR 202/07, ZIP 2008, 1675 ff. = NZG 2008, 751 ff. Rn. 11.

Der Geschäftsführer ist zu einem rechtmäßigen Verhalten nach außen ver- 227 pflichtet. Er handelt in jedem Falle pflichtwidrig, wenn er für die GmbH Verpflichtungen gegenüber Dritten eingeht, von denen von vornherein feststeht, dass die Gesellschaft sie nicht wird erfüllen können. So BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 264/06, BGHZ 176, 204 ff. = NJW 2008, 2437 ff. Rn. 28 = ZIP 2008, 1232 (m. Bespr. Altmeppen, S. 1201), dazu EWiR 2008, 493 f. (Bruns).

Die Pflichten zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung, die den Geschäfts- 228 führern einer GmbH bzw. den Mitgliedern des Vorstands einer Aktiengesellschaft aufgrund ihrer Organstellung obliegen, umfassen auch die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass sich die Gesellschaft rechtmäßig verhält und ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt (sog. „Legalitätspflicht“). So BGH, Urt. v. 10.7.2012 – VI ZR 341/10, NJW 2012, 3439 ff. Rn. 22 = ZIP 2012, 1552 ff., dazu EWiR 2012, 597 f. (Paefgen, W./ Causevic); BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 264/06, BGHZ 176, 204 ff. = ZIP 2008, 1232 (m. Bespr. Altmeppen, S. 1201), dazu EWiR 2008, 493 f. (Bruns); BGH, Urt. v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370 ff. = ZIP 1996, 2017 ff., dazu EWiR 1997, 37 f. (Schneider).

Der Geschäftsführer hat grundsätzlich den Unternehmensgegenstand zu be- 229 achten. Er ist zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er Geschäfte abschließt, die durch den Unternehmensgegenstand nicht gedeckt und der Gesellschaft nachteilig sind. Der Unternehmensgegenstand darf allerdings nicht nur über-, sondern auch nicht unterschritten werden. Will sich der Geschäftsführer von einem in der Satzung vorgesehenen Geschäftsfeld trennen, so hat er dazu die Zustimmung der Gesellschafter einzuholen. Umgekehrt ist es dem Geschäftsführer nicht gestattet, die unternehmerische Tätigkeit der GmbH auf Bereiche auszudehnen, die durch den Unternehmensgegenstand, wie er in der Satzung niedergelegt ist, nicht gedeckt sind. Vgl. Fleischer, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, § 43 Rn. 28; Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 140; BGH, Urt. v. 5.11.1992 – II ZR 172/91, BGHZ 119, 305 ff. = NJW 1993, 57 ff. = ZIP 1992, 1542, dazu EWiR 1993, 3 f. (Hammen).

Gesetz und Satzung bilden lediglich den rechtlichen Rahmen für das Handeln 230 der Unternehmensleitung. Für den Erfolg unternehmerischen Handelns, also die Umsetzung der unternehmerischen Ziele, sind jedoch regelmäßig wirtschaftswissenschaftliche und praktische Bedingungen bestimmend. Daraus folgt, dass für die ordnungsgemäße Leitung eines Unternehmens sowohl Rechtmäßigkeits- als auch Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte maßgeblich sind.

51

B. Innenhaftung So OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.3.1996 – 6 U 119/94, AG 1996, 773 ff. = ZIP 1996, 1083 ff., dazu EWiR 1996, 555 f. (Bork).

231 Aus dieser Legalitätspflicht folgt die Pflicht zur Compliance, die auch als „Kind der Legalitätspflicht“ bezeichnet wird, und die Pflicht, Gesetzesverstöße von Unternehmensangehörigen bereits im Vorfeld durch Schutzvorkehrungen zu verhindern. Die Compliance-Pflicht ist ein Unterfall der Legalitätspflicht, zumal der Geschäftsführer zu einer internen Überwachung der Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Mitarbeiter verpflichtet ist. Vgl. Fleischer, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, § 43 Rn. 143; Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 145.

232 Eine unmittelbare oder mittelbare Anwendung des „Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK)“ der Regierungskommission DCGK zur Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Gesellschaften (vgl. § 161 AktG) kommt für die GmbH nicht in Betracht, da der DCGK auf börsennotierte Gesellschaften ausgerichtet ist. Vgl. Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 147.

233 Hinsichtlich des Risikomanagements ist in § 91 Abs. 2 AktG ausdrücklich geregelt, dass der Vorstand geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten hat, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs hat die in das Aktiengesetz implementierte Regelung ausdrücklich Ausstrahlungswirkung auf Gesellschaften anderer Rechtsform, insbesondere der GmbH. Bei einer größeren GmbH ist daher ebenso wie bei der AG ein Frühwarnsystem mit einem Risikomanagement zu installieren. Vgl. BR-Drucks. 892/97, S. 37; Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 152.

234 In kleinen, gut überschaubaren Unternehmen mit geringer Risikoexposition soll es nach Auffassung von Fleischer eines institutionalisierten Risikofrüherkennungssystems nicht bedürfen. Gleichwohl ändert dies nichts daran, dass der Geschäftsführer ein Minimum an Beobachtungspflichten zur Krisenfrüherkennung zu erfüllen hat. So Fleischer, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, § 43 Rn. 61.

235 Ein Geschäftsführer ist verpflichtet, Vertragsangebote zu kalkulieren. Werden die Angebote von Mitarbeitern erstellt, hat der Geschäftsführer, bevor das Angebot verbindlich wird, wenigstens überschlägig anhand der Unterlagen zu überprüfen, ob die Kalkulation richtig sein kann. So BGH, Urt. v. 28.10.1971 – II ZR 49/70, NJW 1972, 154 f. = DB 1971, 2353 f.

52

III. Haftung während der laufenden Unternehmenstätigkeit

Eine Pflichtverletzung begeht auch ein Geschäftsführer, der an ein unbe- 236 kanntes Unternehmen Waren auf Kredit verkauft, ohne die Verhältnisse und geschäftlichen Möglichkeiten dieses Unternehmens zu prüfen und sich ausreichende Sicherheiten geben zu lassen. So BGH, Urt. v. 16.2.1981 – II ZR 49/80, GmbHR 1981, 191 f.

Sofern sich aus Unterlagen eines beauftragten Wirtschaftsprüfers bzw. Hin- 237 weisen des Betriebsrates ergibt, dass die Voraussetzungen für die Beanspruchung von Kurzarbeitergeld vorliegen, hat der Geschäftsführer dieses zu beantragen. So BGH, Urt. v. 4.11.2002 – II ZR 224/00, BGHZ 152, 281 ff. = ZIP 2002, 2314 ff. = NZG 2003, 81 ff. Rn. 11 ff., dazu EWiR 2003, 225 f. (Schimmer).

Die Erbringung von Anzahlungen durch einen Geschäftsführer an eine im 238 Gründungsstadium befindliche GmbH auf einen PKW-Verkauf, ohne die Anzahlungen durch Aval- oder Vertragserfüllungsbürgschaften abzusichern, entspricht nicht den Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Geschäftsmannes. So OLG Koblenz, Urt. v. 23.12.2014 – 3 U 1544/13, ZIP 2015, 224 f. (LS) = ZInsO 2015, 262 ff. = NJW-Spezial 2015, 80 f. (n. rkr.).

Eine Pflichtverletzung ist gegeben, wenn der Geschäftsführer mit einem Be- 239 rater einen Vertrag über Beratungsleistungen abschließt und die in Rechnung gestellten Honorare bezahlt, obwohl er hätte erkennen müssen, dass der Berater persönlich über keine ausreichende Qualifikation verfügt und die abgerechneten Leistungen für die Gesellschaft unbrauchbar gewesen seien. Die Lebenserfahrung lehrt, dass ein Rechtsreferendar im Vorbereitungsdienst in der Regel nicht über Kenntnisse der Betriebswirtschaft mit den besonderen Fachrichtungen „Marketing und Vertrieb“ verfügt, die ihn befähigen, zu einem nicht unerheblichen Honorarsatz eine fachlich-qualifizierte, entgeltliche Unternehmensberatung anzubieten und durchzuführen. So BGH, Urt. v. 9.12.1996 – II ZR 240/95, ZIP 1997, 199 ff. = NJW 1997, 741 f. Rn. 9, dazu EWiR 1997, 303 f. (Zimmermann).

Im Rahmen seiner Treuepflicht obliegt es dem Geschäftsführer grundsätz- 240 lich, keine persönlichen Vorteile für sich – über die vereinbarte Vergütung hinaus – zu ziehen. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 156.

Eine Pflichtverletzung liegt nicht nur dann vor, wenn der Geschäftsführer 241 unmittelbar „in die Kasse greift“, sondern auch dann, wenn er darauf hinwirkt, dass eine ihm nach dem Anstellungsvertrag nicht zustehende Vergütung von der Gesellschaft angewiesen wird. Auszahlungen von Gehalt an Geschäftsführer haben im Rahmen des geschlossenen Geschäftsführerdienstvertrages zu erfolgen. Eine Vergütung über die Festlegung im schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag hinaus kommt nur in Betracht, wenn dieser Vertrag 53

B. Innenhaftung

wirksam abgeändert worden ist. Dies obliegt der Entscheidung der Gesellschafterversammlung. So BGH, Beschl. v. 26.11.2007 – II ZR 161/06, ZIP 2008, 117 ff. = NZG 2008, 1004 f.

242 Ein Geschäftsführer darf auch ohne ausdrückliches Verbot im Geschäftsbereich seiner Gesellschaft für eigene Rechnung keine Geschäfte machen und insbesondere auch keine Arbeitnehmer der Gesellschaft unentgeltlich für private Arbeiten heranziehen. So BGH, Urt. v. 24.11.1975 – II ZR 104/73, NJW 1976, 797 = DB 1976, 249 f.

243 Ein Geschäftsführer ist zwar grundsätzlich verpflichtet, sog. „Baugeld“ i. S. d. Gesetzes über die Sicherung von Bauforderungen (Bauforderungssicherungsgesetz) nicht pflichtwidrig zu verwenden (vgl. dazu auch Rn. 618 ff.). Wird Baugeld von dem Geschäftsführer einer GmbH allerdings nicht zur Bezahlung der Bauhandwerker, sondern „für baufremde Ausgaben“ – also für andere Gesellschaftszwecke – eingesetzt, so entsteht dadurch zwar möglicherweise dem Bauunternehmen, nicht aber ohne Weiteres auch der Gesellschaft ein Schaden. So BGH, Urt. v. 21.3.1994 – II ZR 260/92, ZIP 1994, 872 ff. = NJW-RR 1994, 806.

244 Die Vergabe von Spenden stellt im Ausgangspunkt aufgrund Sozialadäquanz eine Geschäftsführungsmaßnahme dar, soweit sich die Spende im Rahmen des Angemessenen bewegt. Anhaltspunkte für die Angemessenheit sind neben der Ertragslage der Gesellschaft auch die Verkehrsüblichkeit der Spende und die Nähe des unterstützten Zwecks zum Unternehmensgegenstand. So Fleischer, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, § 43 Rn. 105.

245 Nach anderer Auffassung muss der Geschäftsführer – außer bei Bagatellzuwendungen – die Einwilligung der Gesellschafter einholen. Dies soll zumindest dann gelten, wenn er nicht einer seit Längerem geübten Praxis der Spendenvergabe folgt. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 159; Kind, NZG 2000, 567, 573.

246 Jede Spende, also auch die alltägliche und im Rahmen einer seit Längerem geübten Praxis liegende Spende mindert notwendigerweise den Gewinn, sodass es zweckmäßig sein dürfte, hinreichend konkrete Regelungen im Rahmen der Geschäftsordnung festzusetzen, innerhalb derer der Geschäftsführer ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung Spenden veranlassen darf. Geht die Spende über diesen Rahmen hinaus, so ist in jedem Falle die Zustimmung der Gesellschafterversammlung einzuholen.

54

III. Haftung während der laufenden Unternehmenstätigkeit

Eine klare Regelung liegt nicht nur im Interesse der Gesellschaft, sondern 247 auch im Interesse des Organs. Das Organ hat gegebenenfalls auch mit strafrechtlichen Vorwürfen zu rechnen, wenn aus dem Vermögen einer Gesellschaft Zuwendungen zur Förderung von Kunst, Wissenschaft, Sozialwesen oder Sport gewährt werden. Nach der Rechtsprechung des BGH kommt eine Strafbarkeit wegen Untreue i. S. v. § 266 StGB in Betracht, wenn eine gravierende gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung vorliegt, die aufgrund einer Gesamtschau der gesellschaftsrechtlichen Kriterien zu bestimmen ist. Dabei sind bedeutsam: fehlende Nähe zum Unternehmensgegenstand, Unangemessenheit im Hinblick auf die Ertrags- und Vermögenslage, fehlende innerbetriebliche Transparenz sowie Vorliegen sachwidriger Motive, namentlich Verfolgung rein persönlicher Präferenzen. So BGH, Urt. v. 6.12.2001 – I StR 215/01, BGHSt 47, 181 ff. = NZG 2002, 471 ff., dazu EWiR 2002, 305 f. (Wessing).

Während Spenden altruistischer Natur sind, also eine Gegenleistung durch 248 den Empfänger nicht erfolgt, handelt es sich beim Sponsoring, jedenfalls soweit es sich um einen angemessenen Leistungsaustausch handelt, um einen Vertrag mit gegenseitigen Rechten und Pflichten. Auch der Abschluss eines Sponsoringvertrages kann eine Pflichtverletzung sein, z. B. weil die ausgetauschten Leistungen zum Nachteil der Gesellschaft unangemessen sind. Wird nach außen hin ein Sponsoringvertrag abgeschlossen, handelt es sich al- 249 lerdings aufgrund des Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung um eine verschleierte Spende; so liegt in jedem Falle eine Pflichtverletzung vor. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass gegebenenfalls die von der GmbH erbrachte Leistung im Falle ihrer späteren Insolvenz gemäß § 134 InsO angefochten werden kann. Eine – auch strafrechtlich relevante – Pflichtverletzung liegt vor, wenn Ver- 250 mögensbestandteile mittels fingierter Geschäftsvorfälle und inhaltlich unrichtiger Buchungsvorgänge aus der Buchhaltung des Unternehmens ausgesondert und in eine im Ausland verdeckt geführte Kasse transferiert werden. Die Einrichtung und Unterhaltung einer „Kriegskasse“ im Ausland verletzt die Pflichten des Organs, da durch Auslassen tatsächlicher und Hinzufügen fingierter Vorfälle in den Geschäftsbüchern nicht nur das Finanzamt getäuscht wird, sondern auch Gesellschafterrechte missachtet werden. So BGH, Urt. v. 27.8.2010 – 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266 ff. = ZIP 2010, 1892 ff. = NZG 2010, 1190 ff., dazu EWiR 2010, 797 f. (Wessing).

Eine Strafbarkeit gemäß § 266 Abs. 1 StGB ist bereits dann gegeben, wenn 251 erhebliche Vermögenswerte unter Einrichtung von verdeckten Kassen durch leitende Angestellte eines Wirtschaftsunternehmens entzogen und vorenthalten werden. Auf die Absicht, dass Geld im wirtschaftlichen Interesse des Treugebers zu verwenden, kommt es dabei nicht an.

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B. Innenhaftung So BGH, Urt. v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323 ff. = ZIP 2008, 2315 (m. Bespr. Sünner, ZIP 2009, 937), dazu EWiR 2009, 253 f. (Marxen/Taschner).

252 Gegen eine Pflichtverletzung spricht nicht, dass der Geschäftsführer auf Weisung der Gesellschafter gehandelt hat. Ein den Treubruchtatbestand ausschließendes Einverständnis der Mehrheit der Gesellschafter kommt lediglich dann als Enthaftungsgrund in Betracht, wenn auch die Minderheitsgesellschafter mit der Frage der Billigung der Pflichtwidrigkeit befasst waren. So BGH, Urt. v. 27.8.2010 – 2 StR 111/09, BGHSt 55, 266 ff. = ZIP 2010, 1892 ff. = NJW 2010, 3458 ff. Rn. 36.

253 Nach außen hin ist der Geschäftsführer grundsätzlich uneingeschränkt zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt. Im Innenverhältnis kann allerdings vereinbart sein, dass der Geschäftsführer für bestimmte, im Gesellschaftsvertrag oder seinem Anstellungsvertrag genannte Geschäfte die Zustimmung der Gesellschafter einholen muss. Ein Verstoß gegen eine solche Regelung stellt sich als Pflichtverletzung dar. So BGH, Beschl. v. 2.6.2008 – II ZR 67/07, ZIP 2008, 1431 (LS) = NZG 2008, 622 f. = DStR 2008, 1599 ff.

254 Der Geschäftsführer einer GmbH darf seine eigenen wirtschaftlichen Vorteile nicht verfolgen, sondern hat bei der Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben nur das Wohl des Unternehmens im Auge zu haben, sodass er z. B. bei der Aussicht, für eine mit der Erstellung von Wohnraum befasste gemeinnützige Gesellschaft von ihr benötigte Grundstücke zu erwerben, alles zu unterlassen hat, was einen solchen Erwerb verhindert. So BGH, Urt. v. 12.6.1989 – II ZR 334/87, ZIP 1989, 1390 (m. Bespr. Fleck, ZIP 1991, 1269) = NJW-RR 1989, 1255 ff., dazu EWiR 1989, 779 f. (Gravenhorst).

255 Für das Vorliegen einer Pflichtverletzung ist es irrelevant, ob der Geschäftsführer die Kenntnis von einer Geschäftschance privat oder im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit erhalten hat. So BGH, Urt. v. 23.9.1985 – II ZR 246/84 = NJW 1986, 585 f. = ZIP 1985, 1484 f., dazu EWiR 1985, 991 f. (Koch).

256 Zwar ist ein Geschäftsführer rechtlich nicht gehindert, sein Dienstverhältnis zu kündigen und sich einen anderen beruflichen Wirkungskreis zu suchen; dabei darf er aber diesen Wechsel nicht unter Mitnahme einer Geschäftschance vollziehen, den auch die GmbH nutzen könnte. So BGH, Urt. v. 23.9.1985 – II ZR 246/84, ZIP 1985, 1484 ff. = NJW 1986, 585 ff., dazu EWiR 1985, 991 f. (Koch).

257 Eine Pflichtverletzung scheidet aus, wenn die Gesellschafterversammlung die Zustimmung zu dem Eigengeschäft des Geschäftsführers erklärt hat. So BGH, Urt. v. 8.5.1989 – II ZR 229/88, ZIP 1989, 986 ff. = NJW 1989, 2687 ff., dazu EWiR 1989, 695 f. (Bergmann).

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III. Haftung während der laufenden Unternehmenstätigkeit

Während im Zeitraum der Stellung als Geschäftsführer ein Wettbewerbsver- 258 bot bereits kraft Gesetzes besteht, unterliegt der Geschäftsführer nach Ablauf der Amtszeit nur dann einem Wettbewerbsverbot, wenn dies vertraglich vereinbart und rechtsgültig war. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 191 f.

Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist nur gültig, wenn es zeitlich, örtlich 259 und gegenständlich angemessen begrenzt ist, ohne dass auf den Geschäftsführer einer GmbH die an dem arbeitsrechtlichen Schutz von Handlungsgehilfen orientierten Vorschriften der §§ 74 ff. HGB anwendbar sind. So BGH, Beschl. v. 7.7.2008 – II ZR 81/07, ZIP 2008, 1719 ff. = NZG 2008, 753 = DStR 2008, 1842 f.; BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, ZIP 2008, 1379 ff. = NZG 2008, 664 f. = DStR 2008, 1394 f.; BGH, Urt. v. 4.3.2002 – II ZR 77/00, ZIP 2002, 709 f. = NJW 2002, 1875 ff., dazu EWiR 2002, 521 f. (Freiherr v. Hoyningen-Huene).

Zu berücksichtigen ist die verfassungsmäßig durch Artt. 2, 12 GG geschützte 260 Freiheit auf Berufsausübung, die durch die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes nicht unangemessen eingeschränkt werden darf. So BGH, Beschl. v. 7.7.2008 – II ZR 81/07, ZIP 2008, 1719; BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, BGHZ 91, 1 = ZIP 1984, 954 ff.

Ein über einen Zeitraum von zwei Jahren hinausgehendes Wettbewerbsver- 261 bot überschreitet das in zeitlicher Hinsicht notwendige Maß. Sofern vertraglich ein fünfjähriges Wettbewerbsverbot vereinbart war, kann die Geltungsdauer auf den zulässigen Rahmen von zwei Jahren reduziert werden. So BGH, Urt. v. 29.9.2003 – II ZR 59/02, ZIP 2003, 2251 ff. = NZG 2004, 35 f. = AnwBl. 2004, 186 f. (Steuerberater/Wirtschaftsprüfer).

Ist das Wettbewerbsverbot allerdings räumlich, gegenständlich und zeitlich 262 nicht angemessen, kommt eine Reduktion gemäß § 139 BGB nicht in Betracht. Vielmehr ist das Wettbewerbsverbot insgesamt nichtig. So BGH, Urt. v. 14.7.1997 – II ZR 238/96, NJW 1997, 3089 ff. = MDR 1997, 953 ff. (Tierarzt).

Der Geschäftsführer ist in seiner privaten Lebensgestaltung frei, sodass z. B. 263 keine Verpflichtung besteht, gefährliche Sportarten zu meiden oder eine gesundheitsgefährdende Lebensführung zu ändern. Freilich kommt eine außerordentliche Kündigung wegen Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch ebenso in Betracht wie die Aufforderung an den Geschäftsführer, im Falle von konkreten Zweifeln an seiner Diensttauglichkeit oder Leistungsfähigkeit, eine ärztliche Untersuchung zu verlangen. So Fleischer, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, § 43 Rn. 168.

57

B. Innenhaftung

264 Hat ein Geschäftsführer eine Geschäftschance der Gesellschaft nicht genutzt und wird ihm daher eine Pflichtverletzung vorgeworfen, so kann er sich nicht damit exkulpieren, die Gesellschaft sei wegen fehlender Finanzmittel gar nicht in der Lage gewesen, die Geschäftschance selbst wahrzunehmen. Darüber hinaus liegt in vielen Fällen lediglich eine Schutzbehauptung vor. Sollte tatsächlich eine Realisierung der Geschäftschance durch die Gesellschaft wegen eines Liquiditätsmangels nicht möglich sein, so ist es dem Geschäftsführer gleichwohl zuzumuten, die Gesellschafterversammlung um Zustimmung zur Durchführung als Eigengeschäft zu bitten. So Fleischer, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, § 43 Rn. 185.

265 Auch der Einwand des Geschäftsführers bei einem Eigengeschäft, die Geschäftschance sei ihm durch einen „persönlichen Freund“ angetragen worden und ein Bezug zur GmbH bestehe nicht, vermag ihn nicht zu entlasten. Als Geschäftsführer ist er „immer im Dienst“. Vgl. OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 13.5.1997 – 11 U (Kartell) 68/96, GmbHR 1998, 376, 378; Fleischer, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, § 43 Rn. 186.

266 Eine Treuwidrigkeit des Geschäftsführers liegt auch vor, wenn er sich anlässlich eines Vertragsschlusses für die Gesellschaft von Dritten Provisionen versprechen lässt, Schmiergelder annimmt oder sonstige Vorteile fordert oder annimmt, ohne dass es darauf ankommt, ob der Gesellschaft ein Schaden entstanden ist. So BGH, Urt. v. 2.4.2001 – II ZR 217/99, NJW 2001, 2476, 2477 = ZIP 2001, 958; BGH, Urt. v. 10.2.1992 – II ZR 23/91, WM 1992, 691, 693; BGH, Urt. v. 21.2.1983 – II ZR 183/82, WM 1983, 498, 499 = ZIP 1983, 689; RG, Urt. v. 23.5.1919 – I 376/18, RGZ 96, 54 ff.; Fleischer, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, § 43 Rn. 193.

267 Der Geschäftsführer verstößt auch gegen seine Verpflichtungen, wenn er sein Amt zur Unzeit niederlegt. So Fleischer, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, § 43 Rn. 194.

268 Die Amtsniederlegung des alleinigen Geschäftsführers und Gesellschafters einer GmbHG ist auch nach vorheriger Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen und trotz § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG und § 15a Abs. 3 InsO rechtsmissbräuchlich. So OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.6.2015 – I-25 Ws 18/15, ZInsO 2015, 1578 f.; OLG Dresden, Beschl. v. 18.12.2014 – 5 W 1326/14, ZIP 2015, 581 ff., dazu EWiR 2015, 171 f. (Wachter); OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 11.11.2014 – 20 W 317/11, ZIP 2015, 478 ff. = EWiR 2015, 475 f. (Theiselmann); OLG München, Beschl. v. 29.5.2012 – 31 Wx 188/12, ZIP 2012, 1559 ff.; OLG München, Beschl. v. 16.3.2011 – 31 Wx 64/11,

58

III. Haftung während der laufenden Unternehmenstätigkeit ZIP 2011, 866 ff.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.12.2010 – 25 Wx 56/10; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.12.2000 – 3 Wx 393/00, ZIP 2001, 25 ff.

Der Fremdgeschäftsführer ist allerdings an einer Amtsniederlegung nicht ge- 269 hindert. So OLG Bamberg, Beschl. v. 17.7.2017 – 5 W 51/17, ZIP 2017, 1466 ff., dazu EWiR 2017, 587 f. (Wachter).

Zwar fehlt dem GmbHG (anders als §§ 93 Abs. 1 Satz 3 AktG, 34 Abs. 1 270 Satz 2 GenG) eine ausdrückliche organschaftliche Verschwiegenheit. Diese ist aber – zumal ihre Existenz in § 85 GmbHG vorausgesetzt ist – allgemein anerkannt, sodass Geschäftsführer über vertrauliche Angaben sowie betriebsund Geschäftsgeheimnisse, die ihnen durch ihre Tätigkeit als Geschäftsleiter bekanntgeworden sind, Stillschweigen zu wahren haben. So Fleischer, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, § 43 Rn. 199; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 25.

Geschäftsgeheimnisse sind Tatsachen, die nicht offenkundig sind und nach 271 dem geäußerten oder mutmaßlichen Willen der Gesellschaft auch nicht offenkundig werden sollen, also Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse wie die Unternehmens-, Finanz- und Investitionsplanung, Absatzdaten, Kundenlisten und Kalkulationen, Fertigungsverfahren, Erfindungsleistungen und Konstruktionen sowie wesentliche Personalentscheidungen. So BGH, Urt. v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 329; Fleischer, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, § 43 Rn. 202.

Ist bei mehreren Geschäftsführern eine Kollegialentscheidung erfolgt, so liegt 272 eine Pflichtverletzung des überstimmten Geschäftsführers vor, wenn er es unterlässt, ihm alles Mögliche und Zumutbare zu unternehmen, um die Gesellschaft zu einem rechtmäßigen Verhalten zu veranlassen. So BGH, Urt. v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89, BGHSt 37, 106, 131 f. = ZIP 1990, 1413; Fleischer, in: Münchener Kommentar zum GmbHG, § 43 Rn. 251.

Eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers liegt auch vor, wenn er Verträge 273 über Leistungen des Geschäftsführers durch andere Gesellschaften des Geschäftsführers schließt. So OLG Naumburg, Urt. v. 23.1.2014 – 2 U 57/13, ZIP 2014, 1735 ff.

Ebenso liegt eine Pflichtwidrigkeit vor, wenn Geschäftsführungsaufgaben ent- 274 geltlich auf Dritte übertragen werden. So OLG Koblenz, Urt. v. 1.4.2014 – 3 U 752/13, ZInsO 2014, 1763 ff.

Eine Pflichtverletzung liegt vor, wenn der Geschäftsführer Ansprüche der 275 Gesellschaft gegen die Gesellschafter verjähren lässt.

59

B. Innenhaftung

276 Darüber hinaus besteht eine Selbstprüfungspflicht des Geschäftsführers. Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung muss daher für eine Organisation sorgen, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht. So BGH, Urt. v. 19.6.2012 – II ZR 243/11, ZIP 2012, 1557 = NZI 2012, 812 ff. = NZG 2012, 940 ff., dazu EWiR 2012, 559 f. (Schodder).

277 Damit ist der Geschäftsführer zur Einführung eines Krisenüberwachungssystems verpflichtet. So Thiele, ZInsO 2014, 1882 ff.

278 Ob eine Pflicht zur Sanierung besteht, ist fraglich. Vgl. Kolmann, Schutzschirmverfahren, Rn. 80 ff.

279 Fraglich ist die Haftung von Organmitgliedern für nicht zur Auszahlung gekommene Abfindungen. Hier kommt die Sachwalterhaftung gemäß § 311 Abs. 3 BGB zwar grundsätzlich in Betracht, allerdings genügt das eigenwirtschaftliche Interesse am Erhalt der Vorstands- oder Geschäftsführerposition nicht, um eine Haftung zu begründen. So BAG, Urt. v. 20.3.2014 – 8 AZR 45/13, ZIP 2014, 1976 ff. = NZG 2014, 1022 ff. = NJW 2014, 2669 ff.

b) Pflichtverletzung in der Krise 280 Der Pflichtenkreis der Organe verdichtet sich in der Krise. Die einzelnen Krisentypen und -phasen sind bereits oben dargestellt. Als signifikantes Indiz für eine Krise sieht der Gesetzgeber bei Kapitalgesellschaften einen Verlust in Höhe der Hälfte des Grund- bzw. Stammkapitals an. aa) Aktiengesellschaft 281 Ergibt sich bei Aufstellung der Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz oder ist bei pflichtmäßigem Ermessen anzunehmen, dass ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals besteht, so hat gemäß § 92 Abs. 1 AktG der Vorstand unverzüglich die Hauptversammlung einzuberufen und ihr dies anzuzeigen. 282 Die Pflicht, die Hauptversammlung einzuberufen und Verlustanzeige zu erstatten, dient der Information der Hauptversammlung über die krisenhafte Zuspitzung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft. Weiterhin soll durch die Einberufung der Hauptversammlung die Handlungsfähigkeit der Aktionäre hergestellt werden, die ansonsten nicht tätig werden können. Die Hauptversammlung kann geeignete Maßnahmen treffen, insbesondere Kapitalveränderungen (§§ 229 ff., 182 ff. AktG) oder gegebenenfalls die Auflösung (§ 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG) beschließen.

60

III. Haftung während der laufenden Unternehmenstätigkeit Vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 92 Rn. 1.

Die Vorschrift des § 92 Abs. 1 AktG dient nicht der Information der Öffent- 283 lichkeit. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Nebenfolge. So BGH, Urt. v. 9.7.1979 – II ZR 211/76, NJW 1979, 1829, 1831 = MDR 1980, 126 ff.

Die Pflicht des Vorstands gemäß § 92 Abs. 1 AktG ist gegeben, wenn ein Ver- 284 lust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals besteht. Dies bedeutet, dass das Gesellschaftsvermögen nur noch die Hälfte des Nennkapitals deckt. So Hüffer/Koch, AktG, § 92 Rn. 2.

Der Verlust ist dem gesamten offen ausgewiesenen Eigenkapital gegenüber- 285 zustellen. So BGH, Urt. v. 8.10.1958 – II ZR 348/56, AG 1958, 293; OLG Köln, Urt. v. 5. Main 1977 – 14 U 46/76, AG 1978, 17, 22.

Die Feststellung eines Verlustes in Höhe der Hälfte des Grundkapitals ist 286 entweder bei Aufstellung der Jahresbilanz oder einer Zwischenbilanz oder nach pflichtmäßigem Ermessen anzunehmen. Die Ermittlung erfolgt hinsichtlich Ansatz und Bewertung grundsätzlich nach den Regeln, die für den Jahresabschluss gelten. So Hüffer/Koch, AktG, § 92 Rn. 3.

Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 92 Abs. 1 AktG muss der Vorstand 287 unverzüglich die Hauptversammlung einberufen und Verlustanzeige erstatten. Dies bedeutet nicht nur, dass der Vorstand die Verlustanzeige zur Tagesordnung unmissverständlich ankündigen muss, sondern auch einen Hauptversammlungstermin bestimmen muss, der unnötige Verzögerungen verhindert. Ist bereits Insolvenzantrag gestellt, bedarf es im Hinblick auf den Zweck des 288 § 92 Abs. 1 AktG der Einberufung einer Hauptversammlung nicht mehr. So Hüffer/Koch, AktG, § 92 Rn. 5.

Bei einem Verstoß gegen § 92 Abs. 1 AktG entsteht ein Schadensersatzan- 289 spruch der Aktiengesellschaft gegenüber dem Vorstand. Die Gesellschaftsgläubiger hingegen sind nicht berechtigt, aus § 92 Abs. 1 AktG Schadensersatzansprüche geltend zu machen, da die Norm lediglich Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Aktiengesellschaft, nicht aber ihrer Gläubiger ist. So BGH, Urt. v. 9.7.1979 – II ZR 211/76 NJW 1979, 1829, 1831; Hüffer/Koch, AktG, § 92 Rn. 15.

Darüber hinaus ist die strafrechtliche Sanktion zu berücksichtigen. Wer es als 290 Mitglied des Vorstands entgegen § 92 Abs. 1 AktG unterlässt, bei einem Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals die Hauptversammlung einzuberufen und ihr dies anzuzeigen, wird gemäß § 401 Abs. 1 AktG mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Bei Fahrlässigkeit be61

B. Innenhaftung

trägt der Strafrahmen Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe, § 401 Abs. 2 AktG. 291 Im Gegensatz zum Zahlungsverbot aus § 92 Abs. 2 AktG dient die Verlustanzeigepflicht gemäß § 92 Abs. 1 AktG nicht dem öffentlichen Interesse der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter. Gleichwohl dürfte die Regelung gesellschaftsvertraglich nicht abdingbar sein, zumal ein Verstoß strafbewehrt ist, was indiziert, dass der Gesetzgeber die Norm für relevant hält. bb) Gesellschaft mit beschränkter Haftung 292 Bei der GmbH kommt ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer, der entgegen § 49 Abs. 3 GmbHG die Gesellschafterversammlung nicht einberufen hat, ein Schadensersatzanspruch in Betracht. Dies setzt allerdings voraus, dass der Verstoß gegen § 49 Abs. 3 GmbHG für den Schaden ursächlich ist, dieser also hätte durch rechtzeitiges Handeln abgewendet werden können. So Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 49 Rn. 16.

293 Gemäß § 49 Abs. 3 GmbHG muss die Gesellschafterversammlung unverzüglich „berufen“ werden, wenn sich aus der Jahresbilanz oder aus einer im Laufe des Geschäftsjahres aufgestellten Bilanz ergibt, dass die Hälfte des Stammkapitals verloren ist. 294 Ebenso wie bei der Aktiengesellschaft dient die Verlustanzeigepflicht dem Interesse der Gesellschafter. Es soll die Installation eines Frühwarnsystems gefördert werden, um gegebenenfalls eine Organisation oder Sanierung in die Wege zu leiten. Der Gläubigerschutz ist lediglich als Reflex anzusehen. So Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 49 Rn. 11; Priester, ZGR 1999, 533, 536.

295 Maßgeblich für die Anwendung von § 49 Abs. 3 GmbHG ist die rechnerische Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft. So Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 49 Rn. 12.

296 Ebenso wie bei der Aktiengesellschaft ist die Einberufung der Gesellschafterversammlung ebenso unverzüglich zu bewirken wie die Bestimmung des Termins. 297 Gemäß § 84 Abs. 1 GmbHG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer es als Geschäftsführer unterlässt, den Gesellschaftern einen Verlust in Höhe der Hälfte des Stammkapitals anzuzeigen. Bei Fahrlässigkeit beträgt der Strafrahmen Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe, § 84 Abs. 2 GmbHG. 298 Bei der GmbH wird vertreten, dass die Pflicht gemäß § 49 Abs. 3 GmbHG im öffentlichen Interesse liegt und daher nicht zur Disposition des Gesell-

62

IV. Haftung bei Insolvenzreife

schaftsvertrages steht. Die Gesellschafter können aber ad hoc auf die Einberufung verzichten. So Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 49 Rn. 17.

IV. Haftung bei Insolvenzreife Insbesondere während einer bereits eingetretenen Insolvenzreife, aber vor 299 Stellung des gebotenen Insolvenzantrags bestehen besondere Pflichten der Organe. 1. Haftung für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife Sowohl bei den Kapitalgesellschaften als auch den haftungsbeschränkten Per- 300 sonenhandelsgesellschaften besteht ein Zahlungsverbot, nachdem die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eingetreten ist oder sich ihre Überschuldung ergeben hat (§ 92 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 64 Satz 1 GmbHG und § 130a Abs. 1 Satz 1 HGB). Kritisch hierzu Bitter, Beilage zu ZIP 2016, 6 ff.

Die Vorstandsmitglieder, die gegen das Zahlungsverbot verstoßen, sind der 301 Gesellschaft gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 92 Abs. 2 Satz 1 AktG zum Schadensersatz verpflichtet. Die Geschäftsführer einer GmbH sind der Gesellschaft gemäß § 64 Satz 1 302 GmbHG zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Die organschaftlichen Vertreter einer haftungsbeschränkten Personenhandels- 303 gesellschaft sind bei Verstoß gegen das Zahlungsverbot gemäß § 130a Abs. 1 Satz 1 HGB der Gesellschaft gegenüber gemäß § 130a Abs. 2 Satz 1 HGB zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Sämtliche Zahlungsverbote knüpfen an den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit 304 oder die Feststellung der Überschuldung an. a) Zahlungsunfähigkeit Von Zahlungsunfähigkeit geht die Rechtsprechung aus, wenn eine innerhalb 305 von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners mehr als 10 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten beträgt, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist. So BGH, Urt. v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 ff. = ZVI 2013, 65 ff. = NZI 2013, 140 ff., dazu EWiR 2013, 175 f. (Bremen); BGH, Urt. v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006,

63

B. Innenhaftung 2222 (m. Bespr. Hölzle, ZIP 2007, 613) = ZVI 2006, 577 ff., dazu EWiR 2007, 113 f. (Wagner).

306 Hat der Schuldner seine Zahlungen eingestellt, begründet dies die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit. So BGH, Urt. v. 29.3.2012 – IX ZR 40/10, WM 2012, 998 f. = NZI 2012, 663 f.; BGH, Urt. v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 ff. = ZVI 2011, 452 ff., dazu EWiR 2011, 571 f. (Henkel); BGH, Urt. v. 21.6.2007 – IX ZR 231/04, ZIP 2007, 1469 ff. = ZVI 2008, 299 ff. = NZI 2007, 517 ff.; BGH, Urt. v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 ff. = ZVI 2013, 65 ff. = NZI 2013, 140 ff. Rn. 20, dazu EWiR 2013, 175 f. (Bremen).

307 Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. So BGH, Urt. v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 ff. = ZVI 2013, 65 ff. = NZI 2013, 140 ff. Rn. 20, dazu EWiR 2013, 175 f. (Bremen); BGH, Urt. v. 29.3.2012 – IX ZR 40/10, WM 2012, 998 f. = NZI 2012, 663 f. Rn. 8; BGH, Urt. v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 ff. = ZVI 2011, 452 ff. = NZI 2011, 589 ff. Rn. 10, dazu EWiR 2011, 571 f. (Henkel).

308 Für die Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit sind auch Einnahmen aus illegalen Einkünften zu berücksichtigen, also auch Einkünfte aus Straftaten. So BGH, Urt. v. 16.5.2017 – 2 StR 169/15, ZInsO 2017, 1364 ff.

309 Die Zahlungsunfähigkeit kann durch eine Liquiditätsbilanz festgestellt werden. Dabei sind die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu den am selben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten zu setzen. So BGH, Urt. v. 6.12.2012 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 ff. = ZVI 2013, 65 ff. = NZI 2013, 140 ff. Rn. 19, dazu EWiR 2013, 175 f. (Bremen); BGH, Urt. v. 29.3.2012 – IX ZR 40/10, WM 2012, 998 f. = NZI 2012, 663 f. Rn. 8.

310 (1) Einen vom Insolvenzverwalter zur Darlegung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO aufgestellten Liquiditätsstatus, der auf den Angaben aus der Buchhaltung des Schuldners beruht, kann der Geschäftsführer nicht mit der pauschalen Behauptung bestreiten, die Buchhaltung sei nicht ordnungsgemäß geführt worden. Er hat vielmehr im Einzelnen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, welche der in den Liquiditätsstatus eingestellten Verbindlichkeiten trotz entsprechender Verbuchung zu den angegebenen Zeitpunkten nicht fällig und eingefordert gewesen sein sollen. 311 (2) Bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO anhand einer Liquiditätsbilanz sind auch die innerhalb von drei Wochen nach dem Stichtag fällig werdenden und eingeforderten Verbindlichkeiten (sog. Passiva II) einzubeziehen. 64

IV. Haftung bei Insolvenzreife BGH, Urt. v. 19.12.2017 – II ZR 88/16, ZIP 2018, 283 ff. = EWiR 2018, 179 f. (Karsten Schmidt) = NZI 2018, 204 ff. mit Anm. Haneke; vgl. Mylich, ZIP 2018, 514 ff.

Eine Zahlungseinstellung kann aus einem einzelnen, aber auch aus einer Ge- 312 samtschau mehrerer daraufhin deutender, in der Rechtsprechung entwickelter Beweisanzeichen gefolgert werden. So BGH, Urt. v. 12.12.2006 – IX ZR 3/12, ZIP 2013, 228 ff. = ZVI 2013, 65 ff. = NZI 2013, 140 ff. Rn. 20, dazu EWiR 2013, 175 f. (Bremen); BGH, Urt. v. 29.3.2012 – IX ZR 40/10, WM 2012, 998 f. = NZI 2012, 663 f. Rn. 11; BGH, Urt. v. 30.6.2011 – IX ZR 134/10, ZIP 2011, 1416 ff. = ZVI 2011, 452 ff. Rn. 13, dazu EWiR 2011, 571 f. (Henkel). Hilfreich in diesem Zusammenhang ist auch der IDW Standard: Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen (IDW S 11) v. 27.3.2015, IDW-FN 2015, 202 = Wpg Suppl. 1/2015, Rn. 18; vgl. dazu Frystatzki, NZI 2014, 840 ff.; Schmittmann, StuB 2014, 607 ff.

Als Beweisanzeichen für Zahlungsunfähigkeit bzw. Zahlungseinstellung 313 kommen nach der sog. „wirtschaftskriminalistischen Methode“ x

Schließung des Geschäftslokals,

x

Verlegung des Geschäftssitzes zur Begründung einer anderen Gerichtszuständigkeit,

x

Kreditkündigungen durch Banken,

x

Wechsel des Hauptlieferanten zur Inanspruchnahme anderweitigen Lieferantenkredits,

x

Zahlungen mit vordatierten Schecks,

x

Abgabe der eidesstattlichen Versicherung,

x

Häufung von Pfändungen,

x

Nichtbezahlung von existenzbedingten Betriebskosten, fruchtlose Vollstreckung,

x

Nichtzahlung oder schleppende Zahlung von Löhnen und Gehältern,

x

Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen,

x

Nichtzahlung von Umsatzsteuerrückständen,

x

Flucht des Schuldners,

x

Wechselproteste sowie

x

Einräumung der Zahlungsunfähigkeit durch den Schuldner

in Betracht.

65

B. Innenhaftung Vgl. BGH, Beschl. v. 21.8.2013 – 1 StR 665/12, NZI 2013, 970 ff. = ZIP 2013, 2469, dazu EWiR 2014, 121 f. (Floeth); BGH, Urt. v. 29.3.2012 – IX ZR 40/10, WM 2012, 998 f. = NZI 2012, 663 f.; BGH, Urt. v. 14.2.2008 – IX ZR 38/04, ZIP 2008, 706 ff. = NZI 2008, 299 ff., dazu EWiR 2008, 533 f. (Dörnscheidt); BGH, Beschl. v. 13.6.2006 – IX ZB 238/05, ZIP 2006, 1457 ff. = NZI 2006, 591 f. = NJW-RR 2006, 1422 f.; Schmittmann/Theurich/ Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 2 Rn. 48.

b) Überschuldung 314 Überschuldung liegt gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 InsO zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 5 InsO bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO nicht bei den Verbindlichkeiten zu berücksichtigen. 315 In den Jahren 1998 bis 2008 galt gemäß § 19 Abs. 2 InsO a. F., dass eine bilanzielle Überschuldung, wenn die Fortführungswerte die Passiva nicht decken, stets auch eine Überschuldung im Rechtssinne ist. Durch das Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpaketes zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsgesetz) vom 17.10.2008 (BGBl. I 2008 S. 1982) wurde die vorstehende Fassung von § 19 Abs. 2 InsO n. F. eingeführt. So Karsten Schmidt, in: Karsten Schmidt, InsO, § 19 Rn. 4; Priebe, ZInsO 2014, 2013, 2021.

316 Der Überschuldungstatbestand besteht somit aus den gleichwertigen Merkmalen der rechnerischen Überschuldung und dem Fehlen einer positiven Prognose. Überschuldung im Rechtssinne liegt vor, wenn beides gleichzeitig vorliegt. Es ist somit sowohl die bilanzielle Überschuldung als auch das Fehlen einer positiven Prognose zu prüfen. So Karsten Schmidt, in: Karsten Schmidt, InsO, § 19 Rn. 13.

317 Die bilanzielle Überschuldung ist Vermutungstatbestand, da durch die Formulierung „es sei denn“ eine Ausnahme zum Ausdruck gebracht werde. So Karsten Schmidt, in: Karsten Schmidt, InsO, § 19 Rn. 16.

318 Die rechnerische Überschuldung wird anhand eines Überschuldungsstatus geprüft. Vgl. Karsten Schmidt, in: Karsten Schmidt, InsO, § 19 Rn. 20; Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 2 Rn. 66 ff.

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IV. Haftung bei Insolvenzreife

Dem Insolvenzverwalter liegt regelmäßig lediglich eine Handelsbilanz vor. 319 Nach der Rechtsprechung des BGH kommt einer Handelsbilanz lediglich indizielle Bedeutung zu. Legt der Insolvenzverwalter für seine Behauptung, die Gesellschaft sei überschuldet gewesen, nur eine Handelsbilanz vor, aus der sich ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ergibt, hat er jedenfalls die Ansätze dieser Bilanz darauf zu überprüfen und zu erläutern, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang stille Reserven oder sonstige aus ihr nicht ersichtliche Vermögenswerte vorhanden sind. Der Insolvenzverwalter muss dabei nicht jede denkbare Möglichkeit ausschließen, sondern nur naheliegende Anhaltspunkte – beispielsweise stille Reserven bei Grundvermögen – und die von dem Geschäftsführer insoweit aufgestellten Behauptungen widerlegen. So BGH, Urt. v. 19.11.2013 – II ZR 229/11, ZIP 2014, 168 ff. = NZI 2014, 232 ff. Rn. 17, dazu EWiR 2014, 409 f. (Ruppert); BGH, Beschl. v. 31.5.2011 – II ZR 106/10, ZIP 2011, 1410 f. = NZI 2011, 601 f. = MDR 2011, 933 f. Rn. 4; BGH, Urt. v. 15.3.2011 – II ZR 204/09, ZIP 2011, 1007 ff. = NZI 2011, 709 f. Rn. 33, dazu EWiR 2011, 503 f. (Kort); BGH, Beschl. v. 26.4.2010 – II ZR 60/09, ZIP 2010, 1443 ff. = WM 2010, 1415 ff. Rn. 11, dazu EWiR 2010, 641 f. (Nikoleyczik/Olk).

Gläubiger der Erstattungsansprüche gemäß § 64 Satz 1 GmbHG, § 92 Abs. 2 320 Satz 1 i. V. m. § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG und § 130a HGB ist die Gesellschaft. Der Anspruch wird tatsächlich allerdings regelmäßig erst im Insolvenzverfahren geltend gemacht, sodass die Anspruchsverfolgung praktisch lediglich durch den Insolvenzverwalter im eröffneten Insolvenzverfahren stattfindet. Vgl. Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 492.

Wird das Insolvenzverfahren aufgehoben, z. B. nach Bestätigung eines Insol- 321 venzplans, verliert der Insolvenzverwalter die Befugnis, den Anspruch geltend zu machen. So BGH, Urt. v. 7.7.2008 – II ZR 26/07, ZIP 2008, 2094 ff. = NZI 2008, 561 ff. = NZG 2008, 711 ff.

Der Insolvenzverwalter kann sich den Anspruch der Gesellschaft gegen die 322 Organe allerdings an sich selbst als Treuhänder abtreten, sodass ihm persönlich – als Treuhandzessionar – der Anspruch zusteht und von ihm auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens noch verfolgt werden kann. Dadurch wird ein Rückfall des Anspruchs an die Gesellschaft vermieden. So BGH, Urt. v. 7.1.2008 – II ZR 283/06, ZIP 2008, 546 ff. = NZI 2009, 340 f. = NZG 2008, 304 ff. Rn. 9.

Wird der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels kostende- 323 ckender Masse abgewiesen, so hat jeder einzelne Gläubiger der Gesellschaft, der gegen diese einen vollstreckbaren Titel besitzt, die Möglichkeit, den Anspruch zu pfänden und aus gepfändetem Recht gegen das Organ zu verfolgen.

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B. Innenhaftung So BGH, Urt. v. 11.9.2000 – II ZR 370/99, ZIP 2000, 1896 ff. = WM 2000, 2158 f. = NZI 2001, 87 f., dazu EWiR 2000, 1159 f. (Keil).

c) Rechtsnatur des Anspruchs 324 Es handelt sich um einen Ersatzanspruch der Gesellschaft eigener Art und nicht um einen Schadensersatzanspruch. So BGH, Urt. v. 11.2.2008 – II ZR 291/06, NZG 2008, 468, 469; Gehrlein, ZInsO 2015, 477, 479; Dannemann/Traphan, InsbürO 2017, 187.

325 Ein Schaden der Gesellschaft ist daher nicht erforderlich. Es geht um den Schaden, der der Gläubigergemeinschaft durch den Verstoß gegen die Massesicherungspflicht entstanden ist. Die verbotswidrigen Zahlungen dienen in der Regel der Erfüllung von Verbindlichkeiten der Gesellschaft und führen bei dieser nur zur Verkürzung der Bilanzsumme, nicht aber zu einem Vermögensschaden i. S. d. §§ 249 ff. BGB. Verringert wird nur die Insolvenzmasse in dem nachfolgenden Insolvenzverfahren, was zu einem Schaden allein der Insolvenzgläubiger führt. Diesen Drittschaden stellt das Gesetz – geleitet von dem Ziel, die Gesamtheit der Gläubiger der Aktiengesellschaft durch Wahrung von Neutralität bei der Bewirkung von Zahlungen in der Krise vor Schäden in Gestalt einer Verminderung ihrer Quote durch masseschmälernde Leistungen zu schützen – einem Schaden der Gesellschaft gleich. So BGH, Urt. v. 20.9.2010 – II ZR 78/09, BGHZ 187, 60 ff. = NZI 2010, 913 ff. = NZG 2010, 1186 ff.; Rn. 14 = ZIP 2010, 1988 (m. Bespr. Altmeppen, S. 1973), dazu EWiR 2010, 713 f. (Vetter); BGH, Urt. v. 26.3.2007 – I ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 ff. = NZI 2007, 418 ff. = KTS 2007, 485 ff. Rn. 7; vgl. Schmidt, ZIP 2008, 1401 ff.; BGH, Urt. v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264 ff. = NZI 2011, 196 ff. = ZIP 2001, 235 (m. Anm. Altmeppen, S. 240), dazu EWiR 2001, 329 f. (Priester).

d) Begriff der Zahlung 326 Zahlung ist jede masseschmälernde Leistung. So BGH, Urt. v. 28.2.2012 – II ZR 244/10 NZI 2012, 569 ff. = AG 2012, 371 ff. Rn. 21 = ZIP 2012, 867, dazu EWiR 2012, 469 f. (von der Linden); BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR 32/08, ZIP 2009, 956 ff. = NZI 2009, 486 ff. = NZG 2009, 582 ff. = NJW 2009, 1598 ff. Rn. 20, dazu EWiR 2009, 645 f. (Wilkens/Breßler).

327 Der Zahlungsbegriff in § 92 Abs. 2 AktG, § 64 Satz 1 GmbHG und § 130a Abs. 2 HGB ist weit auszulegen. So BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR 32/08, ZIP 2009, 956 ff. = NZI 2009, 486 ff. = NZG 2009, 582 ff. = NJW 2009, 1598 ff. Rn. 12, dazu EWiR 2009, 645 f. (Wilkens/Breßler); BGH, Urt. v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, BGHZ 143 ff. = NZI 2000, 120 ff., 184 = ZIP 2000, 184, dazu EWiR 2000, 295 f. (Noack);

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IV. Haftung bei Insolvenzreife BGH, Urt. v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 ff. = NJW 1994, 2220 ff. = ZIP 1994, 1103, dazu EWiR 1994, 791 f. (Wilhelm); vgl. Hirte, NJW 1995, 1202 ff.

Eine Zahlung liegt auch dann vor, wenn ein Scheck auf ein debitorisch ge- 328 führtes Konto eingereicht und mit dem Schuldsaldo verrechnet wird oder der Geschäftsführer eine Abbuchung duldet. So BGH, Urt. v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, BGHZ 143, 184 ff. = ZIP 2008, 184 ff. = NZI 2000, 120 ff. Rn. 9, dazu EWiR 2000, 295 f. (Noack); BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR 32/08, ZIP 2009, 956 ff. = NZI 2009, 486 ff. = NZG 2009, 582 ff. = NJW 2009, 1598 ff. Rn. 12, dazu EWiR 2009, 645 f. (Wilkens/Breßler).

Unter den Begriff der Zahlung fällt auch die Vereinbarung einer Verrechnung, 329 die zur Befriedigung eines Gläubigers und damit zu einer Leistung zulasten des Gesellschaftsvermögens führt. So BGH, Urt. v. 28.2.2012 – II ZR 244/10, ZIP 2012, 867 ff. = NZI 2012, 569 ff. = NZG 2012, 547 ff., dazu EWiR 2012, 469 f. (von der Linden).

Wird auf ein debitorisches Konto einer GmbH eine zur Sicherheit an die 330 Bank abgetretene Forderung eingezogen, die erst nach Insolvenzreife entstanden oder werthaltig geworden ist, kann es an einer masseschmälernden Zahlung i. S. v. § 64 Satz 1 GmbHG gleichwohl fehlen, wenn die als Gegenleistung an den Forderungsschuldner gelieferte Ware im Sicherungseigentum der Bank stand. So BGH, Urt. v. 8.12.2015 – II ZR 68/14, NJW 2016, 1092 ff. = NZI 2016, 272 ff. (m. Anm. Poertzgen) = ZIP 2016, 364 ff. (m. Anm. Altmeppen), dazu EWiR 2016, 263 f. (Wackerbarth); Poertzgen, ZInsO 2016, 1182 ff.

An einer Masseschmälerung und damit an einer Ersatzpflicht fehlt es, wenn 331 von einem debitorischen Konto an einen Gläubiger überwiesen wird, sofern die Bank nicht über eine Sicherheit aus dem Gesellschaftsvermögen verfügt. So BGH, Urt. v. 25.1.2011 – II ZR 196/09, ZIP 2011, 422 ff. = WM 2011, 406 ff. = NZI 2011, 196 ff. Rn. 26, dazu EWiR 2011, 257 f. (Giedinghagen/Göb); BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR 32/08, ZIP 2009, 956 ff. = NZI 2009, 486 ff. = NZG 2009, 582 ff. = NJW 2009, 1598 ff. Rn. 12, dazu EWiR 2009, 645 f. (Wilkens/Breßler); BGH, Urt. v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 (m. Bespr. K. Schmidt, ZIP 2008, 1401) = NZI 2007, 418 ff. = KTS 2007, 485 ff.; ablehnend Karsten Schmidt, ZIP 2008, 1401, 1405.

An einer Zahlung mangelt es, wenn diese nicht vom Geschäftsführer oder einem 332 Mitarbeiter veranlasst worden ist, sondern z. B. in der Zwangsvollstreckung aufgrund einer Kontopfändung erfolgt. So BGH, Urt. v. 25.1.2011 – II ZR 196/09, ZIP 2011, 422 ff. = WM 2011, 406 ff. = NZI 2011, 196 ff. Rn. 28, dazu EWiR 2011, 257f. (Giedinghagen/Göb); BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR

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B. Innenhaftung 32/08, ZIP 2009, 956 ff. = NZI 2009, 486 ff. = NZG 2009, 582 ff. = NJW 2009, 1598 ff., dazu EWiR 2009, 645 f. (Wilkens/Breßler); BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR 280/07, ZIP 2009, 860 ff. = NZG 2009, 550 ff. Rn. 18 = ZIP 2009, 860, dazu EWiR 2009, 493 f. (Kiem/Giershausen).

333 Mit „Zahlungen“ sind über reine Geldzahlungen hinaus alle Leistungen gemeint, die das Gesellschaftsvermögen schmälern. So BGH, Urt. v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 ff. = ZIP 1994, 1103 ff. = NJW 1994, 2220 ff. Rn. 27 = ZIP 1994, 1103, dazu EWiR 1994, 791 f. (Wilhelm).

334 Es kann sich daher bei „Zahlungen“ auch um sonstige masseschmälernde Maßnahmen handeln, z. B. die Erbringung von Dienstleistungen oder Warenlieferungen durch die insolvente Gesellschaft. Auch dadurch vermindert sich das Vermögen der Gesellschaft. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 639.

335 Bei Warenlieferungen liegt auf der Hand, dass es sich hier um eine Masseschmälerung handelt und daher der Warenwert als Zahlung anzusehen ist. Problematisch ist die Einordnung von Dienstleistungen, weil das Vermögen nicht unmittelbar geschmälert wird. Gleichwohl hat das OLG Düsseldorf z. B. Speditionsfahrten als verbotene Zahlungen eingeordnet. So OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1995 – 6 U 272/93, WM 1996, 1922 ff. = GmbHR 1996, 616 ff. = EWiR 1996, 851 f. (Priester).

336 Einer besonderen Betrachtung bedürfen Zahlungen, die sich als Gläubigertausch darstellen oder bei denen Vermögen im Wege des Aktivtausches lediglich umgeschichtet wird. Vgl. Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 644.

337 Das Organ einer insolvenzreifen Gesellschaft muss aufgrund seiner Masseerhaltungspflicht dafür sorgen, dass Zahlungen von Schuldnern der Gesellschaft nicht auf ein debitorisch geführtes Bankkonto der Gesellschaft geleistet werden. So BGH, Urt. v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 ff.

338 Ein Verstoß gegen die Massesicherungspflicht liegt auch vor, wenn ein Scheckeinzug auf ein debitorisches Konto erfolgt. Insoweit liegt eine Zahlung an die Bank vor. So BGH, Urt. v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 (m. Bespr. K. Schmidt, ZIP 2008, 1401).

339 Erfolgt die Leistung aus einem debitorischen Konto, für das eine nicht ausgeschöpfte Sicherheit durch die Gesellschaft bestellt ist, liegt eine inkriminierte Leistung vor, weil über die Belastung der Gesellschaft Sicherheit zulasten der Masse geleistet wird.

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IV. Haftung bei Insolvenzreife So BGH, Urt. v. 25.1.2011 – II ZR 196/09, ZIP 2011, 422 ff. = WM 2011, 406 ff. = NZI 2011, 196 ff. Rn. 26, dazu EWiR 2011, 257 f. (Giedinghagen/Göb); BGH, Urt. v. 25.1.2010 – II ZR 258/08, NZI 2010, 313 ff. = NZG 2010, 346 ff. = ZIP 2010, 470 f., dazu EWiR 2010, 357 f. (Hangebrauck).

Ein masseneutraler Gläubigertausch, der weder die verteilungsfähige Vermö- 340 gensmasse berührt noch zum Nachteil der Gläubigergesamtheit geht, liegt vor, wenn Zahlungen von einem debitorischen Konto an einzelne Gesellschaftsgläubiger erfolgen und die Bank über keine diese deckenden Gesellschaftssicherheiten verfügt. So BGH, Urt. v. 25.1.2010 – II ZR 258/08 Rn. 10; BGH, Urt. v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 (m. Bespr. K. Schmidt, ZIP 2008, 1401); BGH, Urt. v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, BGHZ 143, 184 ff. = KTS 2000, 115 ff. = ZIP 2000, 184, dazu EWiR 2000, 295 f. (Noack).

e) Privilegierte Zahlungen Die Erstattungspflicht scheidet hinsichtlich von Zahlungen aus, die auch nach 341 dem Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind (§ 92 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 64 Satz 2 GmbHG und § 130a Abs. 1 Satz 2 HGB). Vgl. Schröer-Conigliello/Schmittmann, ZIP 2017, 1548, 1554.

Privilegierte Zahlungen liegen vor, wenn der Geschäftsleiter (das Organ) durch 342 die Zahlung eine eigene straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtliche Verantwortung vermeidet, einer persönlichen Haftung entgeht oder die Zahlung zur Nachteilsabwendung geboten ist. aa) Vermeidung einer straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfolgung Der BGH hat früher die Auffassung vertreten, dass das Bestreben des Ge- 343 schäftsführers, sich durch die Zahlung einer persönlichen deliktischen Haftung, etwa aus dem Gesichtspunkt des § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a StGB zu entziehen, unbeachtlich ist. So BGH, Urt. v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264 ff. = NJW 2001, 1280 ff. Rn. 23 = ZIP 2001, 235 (m. Anm. Altmeppen, S. 240), dazu EWiR 2001, 329 f. (Priester); BGH, Urt. v. 16.5.2000 – VI ZR 90/99, BGHZ 144, 311 ff. = NZI 2001, 301 ff. = ZIP 2000, 1339, dazu EWiR 2000, 1123 f. (Marxen/Elsner).

Erst im Jahre 2007 hat sich der BGH von dieser Rechtsprechung gelöst und 344 entschieden, dass ein organschaftlicher Vertreter, der bei Insolvenzreife der Gesellschaft den sozial- oder strafrechtlichen Normbefehlen folgend Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherung oder Lohnsteuer abführt, mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters handelt und nicht der Gesellschaft gegenüber erstattungspflichtig ist. 71

B. Innenhaftung So BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, NZI 2007, 477 f. = NJW 2007, 2118 ff. = ZIP 2007, 1265 (m. Bespr. Wilhelm, S. 1781), dazu EWiR 2007, 495 f. (Henkel/Mock) = NJW 2007, 2118 ff. (m. Anm. Altmeppen); vgl. Wilhelm, ZIP 2007, 1781 ff.

345 Dies entspricht auch der Rechtsprechung der Strafsenate des BGH: Der Grundsatz der Massesicherung berührt nicht die Strafbarkeit nach § 266a Abs. 1 StGB, wenn ein Verantwortlicher, der bei Insolvenzreife die fehlende Sanierungsmöglichkeit erkennt, das Unternehmen weiterführt, ohne einen Insolvenzantrag zu stellen. So BGH, Beschl. v. 9.8.2005 – 5 StR 67/05, ZIP 2005, 1678 ff. = ZVI 2005, 490 ff. = NStZ 2006, 223 ff.

346 Dem Geschäftsführer ist es nicht zuzumuten, dem Grundsatz der Massesicherung Folge zu leisten, wenn er sich durch das Unterlassen der Zahlung einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzt. So BGH, Urt. v. 29.9.2008 – II ZR 162/07 = NJW 2009, 295 ff. Rn. 10 = ZIP 2008, 2220, dazu EWiR 2009, 201 f. (Wilkens); BGH, Urt. v. 2.6.2008 – II ZR 27/07, ZIP 2008, 1275 f. = NZG 2008, 628 f. = DStR 2008, 1492 f. Rn. 6, dazu EWiR 2008, 719 f. (Schreiber); BGH, Urt. v. 5.5.2008 – II ZR 38/07, ZIP 2008, 1229 ff. = NJW 2008, 2504 ff. Rn. 13, dazu EWiR 2008, 557 f. (Schulz/Schröder); BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II ZR 48/06 = NZI 2007, 477 f. = NJW 2007, 2118 ff. Rn. 12 = ZIP 2007, 1265 (m. Bespr. Wilhelm, S. 1781), dazu EWiR 2007, 495 f. (Henkel/Mock).

347 Hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge ist lediglich das Nichtabführen der Arbeitnehmerbeiträge strafbar. Das Nichtabführen der Arbeitgeberbeiträge ist sanktionslos. Somit kann lediglich die Zahlung des Arbeitnehmerbeitrags zur Sozialversicherung eine privilegierte Zahlung sein. So BGH, Urt. v. 25.1.2011 – II ZR 196/09, ZIP 2011, 422 ff. = WM 2011, 406 ff. = NZI 2011, 196 ff. Rn. 17, dazu EWiR 2011, 257 f. (Giedinghagen/Göb); BGH, Urt. v. 8.6.2009 – II ZR 147/08, ZIP 2009, 1468 f. = WM 2009, 1514 f. = NZG 2009, 913 f. Rn. 6, dazu EWiR 2009, 675 f. (Vortmann); BGH, Urt. v. 29.9.2008 – II ZR 162/07, ZIP 2008, 2220 ff. = NJW 2009, 295 ff. Rn. 10; BGH, Urt. v. 2.6.2008 – II ZR 27/07, ZIP 2008, 1275 f. = NZG 2008, 628 f. = DStR 2008, 1492 f. Rn. 6, dazu EWiR 2008, 719 f. (Schreiber); BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II ZR 48/06 = NZI 2007, 477 f. = NJW 2007, 2118 ff. Rn. 12 = ZIP 2007, 1265 (m. Bespr. Wilhelm, S. 1781), dazu EWiR 2007, 495 f. (Henkel/Mock).

348 Eine privilegierte Zahlung liegt auch vor, wenn der Geschäftsführer Leistungen aus Geldmitteln erbringt, die die GmbH treuhänderisch zur Weiterleitung erhalten hat. Anderenfalls droht ihm eine Strafbarkeit gemäß § 266 StGB. Sich dieser Gefahr auszusetzen, ist dem Geschäftsführer nicht zumutbar. So BGH, Urt. v. 5.5.2008 – II ZR 38/07, ZIP 2008, 1229 ff. = NJW 2008, 2504 ff. Rn. 13, dazu EWiR 2008, 557 f. (Schulz/Schröder).

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IV. Haftung bei Insolvenzreife

Diese Grundsätze gelten nicht nur für den Fall einer Strafbarkeit wegen Un- 349 terlassen der Zahlung, sondern auch bei einer Konsequenz in Form einer Ordnungswidrigkeit. So BGH, Urt. v. 25.1.2011 – II ZR 196/09, ZIP 2011, 422 ff. = WM 2011, 406 ff. = NZI 2011, 196 ff. Rn. 12, dazu EWiR 2011, 257 f. (Giedinghagen/Göb).

Die Nichtabführung fälliger Umsatzsteuer und Umsatzsteuervorauszahlungen 350 wird als Ordnungswidrigkeit gemäß § 26b UStG geahndet. Bei einbehaltener Lohnsteuer ergibt sich die Tatbestandlichkeit hinsichtlich einer Ordnungswidrigkeit aus § 380 AO i. V. m. § 41a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG. So BGH, Urt. v. 25.1.2011 – II ZR 196/09, ZIP 2011, 422 ff. = WM 2011, 406 ff. = NZI 2011, 196 ff. Rn. 12, dazu EWiR 2011, 257 f. (Giedinghagen/Göb).

Der Geschäftsführer ist ebenfalls berechtigt, Rückstände zu zahlen, da auch 351 hier eine straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortlichkeit besteht. So BGH, Urt. v. 25.1.2011 – II ZR 196/09, ZIP 2011, 422 ff. = WM 2011, 406 ff. = NZI 2011, 196 ff. Rn. 13, dazu EWiR 2011, 257 f. (Giedinghagen/Göb).

bb) Vermeidung einer persönlichen Haftung Kommt das Organ (Geschäftsleiter) seiner Massesicherungspflicht nach, ver- 352 letzt er damit seine Pflicht zur Abführung der Arbeitnehmeranteile aus §§ 28d, 28e Abs. 1 SGB IV und § 66a Abs. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB bzw. zur Zahlung der Lohn- und Umsatzsteuer aus § 41a EStG, § 18 UStG i. V. m. §§ 69, 34 AO. So BGH, Urt. v. 25.1.2011 – II ZR 196/09, ZIP 2011, 422 ff. = WM 2011, 406 ff. = NZI 2011, 196 ff. Rn. 12, dazu EWiR 2011, 257 f. (Giedinghagen/Göb); BGH, Urt. v. 29.9.2008 – II ZR 162/07, ZIP 2008, 2220 ff. = NZI 2009, 71 f., dazu EWiR 2009, 201 f. (Wilkens); BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II ZR 48/06 = NZI 2007, 477 f. = NJW 2007, 2118 ff. = ZIP 2007, 1265 (m. Bespr. Wilhelm, S. 1781), dazu EWiR 2007, 495 f. (Henkel/Mock).

Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein Geschäftsführer bei noch vorhan- 353 denen liquiden Mitteln solange zur Zahlung der fälligen Lohnsteuer verpflichtet, bis ihm gegebenenfalls nach einem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters die Verfügungsbefugnis entzogen wird. Allein der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt nicht dazu, dass der Geschäftsführer die einbehaltene Lohnsteuer nicht mehr abführen muss. So BFH, Urt. v. 23.9.2008 – VII R 27/07, BFHE 222, 228 = ZIP 2009, 122 ff. = DStRE 2009, 310 ff.

Die Privilegierung greift lediglich dann ein, wenn es sich um eine gesetzliche 354 Haftung handelt. Leistet der Geschäftsleiter Zahlungen, um eine persönliche 73

B. Innenhaftung

Haftung aus Vertrag, z. B. Bürgschaft, zu vermeiden, handelt es sich nicht um eine privilegierte Zahlung. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 700.

cc) Ausgleich durch eine in einem unmittelbaren Zusammenhang erfolgte Gegenleistung 355 (1) Die Ersatzpflicht des Organs für Zahlungen nach Insolvenzreife entfällt, soweit die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Zahlung durch eine Gegenleistung ausgeglichen wird. Die Regeln des Bargeschäfts nach § 142 InsO a. F. sind insoweit nicht entsprechend anwendbar. 356 (2) Die in die Masse gelangende Gegenleistung muss für eine Verwertung durch die Gläubiger geeignet sein. Das sind Arbeits- oder Dienstleistungen in der Regel nicht. 357 (3) Wenn die Gesellschaft insolvenzreif und eine Liquidation zugrunde zu legen ist, ist die in die Masse gelangende Gegenleistung grundsätzlich nach Liquidationswerten zu bemessen. BGH, Urt. v. 4.7.2017 – II ZR 319/15, ZIP 2017, 1619 ff. = InsbürO 2017, 515; vgl. dazu Altmeppen, ZIP 2017, 1833 ff.; Böing/Schmittmann, in: Heinrich, Symposion Insolvenz- und Arbeitsrecht; Dannemann/Traphan, InsbürO 2017, 497 ff.; Poetzgen, InsO 2017, 2057 ff.; Remuta/von Lübken, NZI 2018, 250 ff.

dd) Zahlungen zur Nachteilsabwendung 358 Sinn und Zweck des Zahlungsverbotes ist es, die verteilungsfähige Vermögensmasse einer insolvenzreifen Gesellschaft im Interesse ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern. So BGH, Urt. v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, ZIP 2000, 184 ff. = NZI 2000, 120 ff. = NZG 2000, 370 f. Rn. 9, dazu EWiR 2000, 295 f. (Noack); BGH, Urt. v. 18.3.1974 – II ZR 2/72, NJW 1974, 1088 ff. = DB 1974, 910 f. Rn. 7.

359 Der Geschäftsleiter („das Organ“) darf allerdings noch Zahlungen erbringen, die zur Abwendung größerer Nachteile für die Insolvenzmasse erforderlich sind und somit einen Ausnahmetatbestand darstellen. So BGH, Beschl. v. 5.2.2007 – II ZR 51/06, ZIP 2007, 1501 f. = NZI 2007, 679 f. = KTS 2007, 485 (m. Anm. VölzmannStickelbrock).

360 In dieser Weise privilegierte Zahlungen können z. B. dann vorliegen, wenn bei noch bestehender Sanierungsmöglichkeit der Geschäftsbetrieb aufrechterhalten werden soll und zu diesem Zwecke etwa Zahlungen für Strom, Wasseroder Gaslieferungen zur Aufrechterhaltung der Produktion bezahlt werden. 74

IV. Haftung bei Insolvenzreife So BGH, Beschl. v. 5.11.2007 – II ZR 262/06, ZIP 2008, 72 f. = ZVI 2008, 55 f. = NZI 2008, 126 f.; BGH, Urt. v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264) ff. = NZI 2001, 196 ff. = ZIP 2001, 235 (m. Anm. Altmeppen, S. 240), dazu EWiR 2001, 329 f. (Priester)

Es reicht allerdings nicht aus, dass das Organ glaubt, eine Sanierung sei mög- 361 lich. Der Geschäftsleiter muss sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft Klarheit verschaffen, bevor er einen Dritten mit aufwendigen Sanierungsbemühungen zulasten des Gesellschaftsvermögens beauftragt. So BGH, Urt. v. 5.2.2007 – II ZR 51/06, ZIP 2007, 1501 f. = NZI 2007, 679 f. = NZG 2007, 678 ff. = KTS 2007, 485 (m. Anm. Völzmann-Stickelbrock).

2. Haftung für Zahlungen an Gesellschafter nach Eintritt der Insolvenzreife (§ 92 Abs. 2 Satz 3 AktG, § 64 Satz 3 GmbHG) Durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämp- 362 fung von Missbräuchen (MoMiG vom 23.10.2008, BGBl. I 2008 S. 2026 ff.) wurde das Zahlungsverbot nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung in § 92 Abs. 2 Satz 3 AktG und § 64 Satz 3 GmbHG auf Zahlungen an Aktionäre/Gesellschafter erstreckt, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten, es sei denn, dies war auch bei Beachtung der in § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG bzw. § 64 Satz 2 GmbHG bezeichneten Sorgfalt nicht erkennbar. Die Regelung bezweckt den Schutz der Gläubigergesamtheit vor (unzulässi- 363 ger) Vermögensverschiebung. So Regierungsbegründung, BT-Drucks. 16/6140, S. 52.

Die Vorschrift steht zwischen der Haftung des Geschäftsführers für Zahlungen, 364 mit denen das Kapital der Gesellschaft zurückgezahlt wird, und der Existenzvernichtungshaftung. So Regierungsbegründung, BT-Drucks. 16/6140, S. 46; Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 740; Hüffer/Koch, AktG, § 92 Rn. 21.

Eine gleichlautende Regelung findet sich auch bei haftungsbeschränkten Per- 365 sonenhandelsgesellschaften, §§ 130a Abs. 1 Satz 3, 177a Satz 1 HGB. Anspruchsgegner ist der Geschäftsführer der Gesellschaft, der im Zeitpunkt 366 der Zahlung im Amt war. Der Anspruch kann sich auch gegen einen faktischen Geschäftsführer richten. So Bitter/Baschnagel, ZInsO 2018, 557, 595.

Sanktioniert werden hier ausschließlich Zahlungen an Gesellschafter.

367

So Bitter/Baschnagel, ZInsO 2018, 557, 595.

Die Haftung gemäß § 92 Abs. 2 Satz 3 AktG, § 64 Satz 3 GmbHG und § 130a 368 Abs. 1 Satz 3 HGB setzt voraus, dass die Zahlung an Gesellschafter zur Zah75

B. Innenhaftung

lungsunfähigkeit der Gesellschaft führen musste. Demnach kommt es auf die Kausalität an. Somit reicht eine Eignung der Zahlung zur Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit nicht aus. Bleibt die Zahlungsunfähigkeit aus, z. B. weil die Gesellschaft – aus welchen Gründen auch immer – neue Liquidität erhält, ist auch kein Raum für eine Haftung des Geschäftsführers gegeben. So Bitter/Baschnagel, ZInsO 2018, 557, 596; Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 173; Gehrlein, Das neue GmbH-Recht, Rn. 112.

369 Besondere Pflichten und Haftungsrisiken ergeben sich beim sog. „Cash Pooling“ im Hinblick auf die Vorschriften über den Erhalt des Gesellschaftskapitals. Vgl. umfassend Klein, ZIP 2017, 258 ff.

370 Die Zahlungsunfähigkeit wird durch eine Zahlung an den Gesellschafter nicht i. S. d. § 64 GmbHG verursacht, wenn die Gesellschaft bereits zahlungsunfähig ist. Nach der Rechtsprechung des BGH verlangt die Regelung, dass die Zahlung zur Zahlungsunfähigkeit führen musste. Eine fällige Forderung des Gesellschafters ist in der Liquiditätsbilanz zur Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit zu berücksichtigen. So BGH, Urt. v. 9.10.2012 – II ZR 298/11, BGHZ 195, 42 ff. = NZI 2012, 1009 ff. = DStR 2012, 2608 ff. Rn. 7 = ZIP 2012, 2391 (m. Bespr. Altmeppen, ZIP 2013, 801), dazu EWiR 2013, 75 f. (Bork).

371 Fällige Gesellschafterforderungen sind bei der Beurteilung der Verursachung der Zahlungsunfähigkeit zu berücksichtigen. Wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig ist, hat der Geschäftsführer den Anspruch des Gesellschafters nicht zu befriedigen, sondern Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO). Entsprechend der früheren Regelung des § 30 Abs. 1 GmbHG a. F. besteht eine Durchsetzungssperre für die Gesellschafterforderung. Der „Nachrang“ der Gesellschafterforderung gegenüber den Forderungen anderer Gläubiger soll durch die insolvenzrechtlichen Regelungen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO bzw. § 135 Abs. 1 InsO) gewahrt werden. Eine Nichtberücksichtigung von Gesellschafterforderungen als fällige Forderungen in der Liquiditätsbilanz brächte nach Auffassung des BGH die Gefahr mit sich, dass eine Insolvenzantragstellung zeitlich verschleppt werde, obwohl nicht einmal der Gesellschafter bereit ist, die Gesellschaft weiter zu finanzieren. So BGH, Urt. v. 9.10.2012 – II ZR 298/11, BGHZ 195, 42 ff. = NZI 2012, 1009 ff. = DStR 2012, 2608 ff. Rn. 12 = ZIP 2012, 2391 (m. Bespr. Altmeppen, ZIP 2013, 801), dazu EWiR 2013, 75 f. (Bork).

372 Eine verbotene Auszahlung i. S. v. § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG zulasten des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens liegt mit der Bestellung einer dinglichen Sicherheit für einen Darlehensrückzahlungsanspruch eines Sicherungsnehmers gegen den Gesellschafter vor, wenn der Gesellschafter nicht voraussichtlich zur Rückzahlung in der Lage ist und zudem

76

IV. Haftung bei Insolvenzreife

eine Unterbilanz entsteht oder vertieft wird. Damit und nicht erst mit der Verwertung der Sicherheit beginnt die Verjährung der Erstattungsansprüche der Gesellschaft nach § 31 Abs. 5 Satz 2 GmbHG. So BGH, Urt. v. 21.3.2017 – II ZR 93/16, ZIP 2017, 971 ff.; siehe dazu Heerma/Bergmann, ZIP 2017, 1261 ff.

Im Rahmen von Zahlungen durch den Geschäftsführer an die Gesellschafter 373 besteht eine Bindung seinerseits an Weisungen der Gesellschafter nicht. Das auf der Haftung des Geschäftsführers basierende „Zahlungsverbot“ soll der Gefahr vorbeugen, dass bei sich abzeichnender Zahlungsunfähigkeit von den Gesellschaftern Mittel entnommen werden. Nur wenn die Gesellschaft den Mittelabfluss verweigern kann und der Geschäftsführer nicht den Mittelabfluss unter Inkaufnahme der eigenen Haftung bewirken muss, kann dieses Ziel erreicht werden. So Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/6140, S. 46; BGH, Urt. v. 19.10.2012 – II ZR 298/11, BGHZ 195, 42 ff. = NZI 2012, 1009 ff. = DStR 2012, 2608 ff. Rn. 18 = ZIP 2012, 2391 (m. Bespr. Altmeppen, ZIP 2013, 801), dazu EWiR 2013, 75 f. (Bork).

Der Begriff der „Zahlung“ entspricht der Ausgangsnorm, sodass „Zahlungen“ 374 auch andere Leistungen als Geldleistungen sein können. So Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/6140, S. 46; Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 756.

Nach dem Wortlaut werden nur Zahlungen an Gesellschafter erfasst. Es sind 375 Gesellschaftern aber Dritte gleichzustellen, die mit dem Gesellschafter verbunden sind, sodass die Zahlung ihm mittelbar zugutekommt. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 768.

Der Geschäftsleiter haftet nur, wenn ihn Verschulden trifft, wobei Fahrläs- 376 sigkeit genügt und vom Gesetz vermutet wird. Eine Entlastung kommt in Betracht, wenn der Geschäftsleiter eine kontinuierliche Finanzplanung erstellt und sich daraus kein Anhaltspunkt für eine drohende Zahlungsunfähigkeit ergibt. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 788; Gehrlein, Das neue GmbH-Recht, Rn. 114.

Der Anspruch richtet sich auf Ersatz der geleisteten Zahlung. Dem Organ 377 (Geschäftsleiter) ist nach Erstattung gemäß § 255 BGB analog ein eventueller Ersatzanspruch gegen den Gesellschafter abzutreten. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 791; Altmeppen, Beilage zu ZIP 2016, 3 ff.

3. Anrechnung von Gläubigerforderungen Hat der Geschäftsleiter entgegen der ihm obliegenden Massesicherungspflicht 378 an Gläubiger gezahlt, die für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

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B. Innenhaftung

Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) geworden wären, so nehmen diese, da ihre Forderung aufgrund der Zahlung untergegangen ist, nicht mehr am Insolvenzverfahren teil. Dadurch wird die schuldnerische Gesellschaft entlastet. Umgekehrt hätte der Gläubiger, wenn nicht gezahlt worden wäre, nur eine Insolvenzquote erhalten. Ein Geschäftsleiter, der dem Verbot der Massesicherung zuwider masseverkürzende Leistungen erbracht hat, kann den Insolvenzverwalter nicht auf andere Möglichkeiten der Rückführung der ausgezahlten Beträge verweisen oder den Erstattungsanspruch im Voraus um den zu diesem Zeitpunkt regelmäßig nicht feststellbaren Betrag kürzen, den der durch die verbotene Zahlung begünstigte Gläubiger erhalten hätte oder sich gar mit einer bloßen Sicherstellung bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens begnügen. 379 Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Geschäftsleiter verpflichtet, den ausgezahlten Betrag ungekürzt zu erstatten. Eine Bereicherung der Insolvenzmasse wird dadurch vermieden, dass ihm in dem Urteil vorzubehalten ist, nach Erstattung an die Masse seine Rechte gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen. Der ihm zustehende Anspruch deckt sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag, den der begünstigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte. So BGH, Urt. v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264 ff. = NZI 2011, 196 ff. Rn. 32 = ZIP 2001, 235 (m. Anm. Altmeppen, S. 240), dazu EWiR 2001, 329 f. (Priester).

380 Der Geschäftsleiter muss nicht ausdrücklich beantragen, dass ihm seine Rechte vorbehalten bleiben. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 702.

381 Der Vorbehalt erfolgt im Urteil von Amts wegen. So BGH, Urt. v. 25.1.2011 – II ZR 196/09, ZIP 2011, 422 ff. = WM 2011, 406 ff. = NZI 2011, 196 ff. Rn. 30, dazu EWiR 2011, 257 f. (Giedinghagen/Göb).

4. Berücksichtigung von Anfechtungssachverhalten 382 Zahlungen, die der Geschäftsleiter entgegen der Massesicherungspflicht erbracht hat, unterliegen häufig auch der Insolvenzanfechtung, insbesondere wenn sie an Gläubiger erfolgt sind, die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hatten. In diesem Falle wird der Insolvenzverwalter prüfen, auf welchem Wege er die in Konkurrenz zueinander stehenden Ansprüche für die Insolvenzmasse am effizientesten nutzbar machen kann. Hier spielen für den Insolvenzverwalter verschiedene Gesichtspunkte eine Rolle, z. B. muss er die Anzahl der führenden Anfechtungsprozesse, die sich ergebenden rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten sowie die Bonität der Anfechtungsgegner berücksichtigen. Zugleich wird der Insolvenzverwalter aber auch abwägen, ob der in Anspruch genommene Geschäftsleiter wirtschaftlich in der

78

IV. Haftung bei Insolvenzreife

Lage sein wird, den gegen ihn erhobenen Anspruch auch tatsächlich zu befriedigen. Die erfolgreiche Ausübung eines Anfechtungsrechts kommt dem haftenden 383 organschaftlichen Vertreter zugute, wenn die haftungsbegründende masseschmälernde Leistung, etwa eine Zahlung an einen Gläubiger der Schuldnerin, dadurch ausgeglichen wird. So BGH, Urt. v. 3.6.2014 – II ZR 100/13, ZIP 2014, 1523 ff. = NZI 2014, 813 ff. = NZI 2014, 1069 ff. Rn. 14, dazu EWiR 2014, 675 f. (Wertenbruch); vgl. dazu Cadmus, KTS 2015, 143 ff.; BGH, Urt. v. 18.12.1995 – II ZR 277/94, BGHZ 131, 325 = NJW 1996, 850 f. = ZIP 1996, 420 ff., dazu EWiR 1996, 459 f. (Schulze-Osterloh); Reuter, ZIP 2016, 597, 605; Priebe, ZInsO 2014, 2013, 2019.

Grundsätzlich ist ein Insolvenzverwalter unter Berücksichtigung der Erfolgs- 384 aussichten und wirtschaftlichen Vertretbarkeit verpflichtet, Insolvenzanfechtungsansprüche durchzusetzen. So LG Krefeld, Urt. v. 6.2.2014 – 3 O 271/13, NZI 2014, 410 ff.

Ein Insolvenzverwalter, der die Geltendmachung von Insolvenzanfechtungs- 385 ansprüchen pflichtwidrig unterlässt, macht sich gegebenenfalls auch wegen Untreue (§ 266 StGB) strafbar. Vgl. Weyand, ZInsO 2014, 1934, 1939.

Ein Leistungsverweigerungsrecht steht dem Geschäftsleiter hinsichtlich des 386 Erstattungsanspruchs nicht zu. So BGH, Urt. v. 18.12.1995 – II ZR 277/94, BGHZ 131, 325 ff. = NJW 1996, 850 f. Rn. 6 = ZIP 1996, 420, dazu EWiR 1996, 459 f. (Schulze-Osterloh); Bangha-Szabo, KTS 2015, 165 ff.

Der Insolvenzverwalter ist lediglich gegenüber der Gläubigergemeinschaft 387 zur Insolvenzanfechtung verpflichtet und verletzt daher allenfalls Schadensersatzpflichten gegenüber den Konkursgläubigern. Eine Rechtspflicht zur Anfechtung besteht gegenüber dem Geschäftsführer nicht, da er nicht zu den geschützten „Beteiligten“ gehört. So BGH, Urt. v. 18.12.1995 – II ZR 277/94, BGHZ 131, 325 ff. = NJW 1996, 850 f. Rn. 8 = ZIP 1996, 420, dazu EWiR 1996, 459 f. (Schulze-Osterloh).

Es muss allerdings sichergestellt werden, dass die Insolvenzmasse hinsicht- 388 lich ein und derselben Zahlung nicht gleichzeitig Ersatz vom Geschäftsleiter erlangt und zusätzlich noch den Anfechtungsanspruch gegen den Zahlungsempfänger für die Insolvenzmasse durchsetzt. Ebenso wie der Anspruch auf die Insolvenzquote (siehe Rn. 400) an den in Anspruch genommenen Geschäftsleiter abgetreten werden kann, ist auch die vorliegende Problemlage dadurch zu bereinigen, dass dem Geschäftsführer der insolvenzanfechtungs-

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B. Innenhaftung

rechtliche Rückgewähranspruch i. S. v. § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO abgetreten wird. So OLG Oldenburg, Urt. v. 10.5.2004 – 15 U 13/04, ZIP 2005, 317 (LS) = GmbHR 2004, 1014 f.; Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 709; Poertzgen, ZInsO 2016, 1182, 1185.

389 Nach neuerer Rechtsprechung des BGH ist auch der insolvenzanfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch abtretbar. Insbesondere kann die Rückgewähr eines anfechtbar aus dem Vermögen des Schuldners weggegebenen Vermögensgegenstandes durch dessen Übertragung an einen anderen Gläubiger als die Insolvenzmasse ohne Veränderung des Anspruchsinhalts erfolgen. So BGH, Urt. v. 17.2.2011 – IX ZR 91/10, ZIP 2011, 1114 ff. = NZI 2011, 486 ff. = NZG 2011, 873 f., dazu EWiR 2011, 433 f. (Huber).

5. Verschulden 390 Aus den Formulierungen in § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 64 Satz 2 GmbHG und § 130a Abs. 1 Satz 2 HGB wird unterstellt, dass der Geschäftsleiter die Insolvenzreife kennen oder erkennen muss, sodass sein Verschulden vermutet wird. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 656.

391 Die Haftung setzt Verschulden voraus, wobei die einfache Fahrlässigkeit genügt. Maßstab ist die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes, ohne dass es auf die individuellen Fähigkeiten des in Anspruch genommenen Geschäftsleiters ankommt. Insbesondere mangelnde Sachkenntnis entschuldigt ihn nicht. So BGH, Urt. v. 19.6.2012 – II ZR 243/11, ZIP 2012, 1557 ff. = NZI 2012, 812 ff. = NZG 2012, 940 ff. Rn. 9, dazu EWiR 2012, 559 f. (Schodder).

392 Die Erkennbarkeit der Insolvenzreife reicht als Ausgangspunkt des subjektiven Tatbestandes aus, wobei die Erkennbarkeit als Teil des Verschuldens vermutet wird. So BGH, Urt. v. 19.6.2012 – II ZR 243/11, ZIP 2012, 1557 = NZI 2012, 812 ff. = NZG 2012, 940 ff. Rn. 10, dazu EWiR 2012, 559 f. (Schodder); BGH, Urt. v. 27.3.2012 – II ZR 171/10, ZIP 2012, 1174 ff. = NZI 2012, 567 ff. = NZG 2012, 672 ff. Rn. 13, dazu EWiR 2012, 457 f. (Wackerbarth); BGH, Urt. v. 15.3.2011 – II ZR 204/09, ZIP 2011, 1007 ff. = NZI 2011, 452 ff. = NZG 2011, 624 ff. Rn. 38, dazu EWiR 2011, 503 f. (Kort); BGH, Urt. v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, BGHZ 143, 184 = ZIP 2000, 184 ff. = ZIP 2000, 184 ff. = KTS 2000, 115 ff., dazu EWiR 2000, 295 f. (Noack).

393 Die Möglichkeiten der Enthaftung des Geschäftsleiters, insbesondere durch die Einholung von qualifiziertem Rechtsrat, werden an anderer Stelle behandelt (vgl. Rn. 822). 80

IV. Haftung bei Insolvenzreife

Nach der Rechtsprechung des OLG Nürnberg trifft die Gesellschaft trotz der 394 Darlegungs- und Beweislast der Vorstandsmitglieder nach § 93 Abs. 2 AktG, „die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt zu haben“, die Darlegungs- und Beweislast für den behaupteten Schaden und dessen Verursachung durch ein Verhalten des Geschäftsleiters in dessen Pflichtenkreis. So LG Nürnberg-Fürth, Urt. 28.2.2013 – HK O 10801/11; das OLG Nürnberg hat nach einem Hinweisbeschl. v. 23.9.2014 – 12 U 567/13, ZIP 2015, 427 ff. die Berufung zurückgewiesen, OLG Nürnberg, Beschl. v. 28.10.2014 – 12 U 567, ZIP 2015, 430; dazu Pläster, EWiR 2015, 343 f.; vgl. Poetzgen, ZInsO 2016, 1459 ff.

6. Verjährung Hinsichtlich der Verjährung wird bei Aktiengesellschaften zwischen börsen- 395 notierten und nicht börsennotierten Gesellschaften unterschieden. Gemäß § 93 Abs. 6 AktG verjähren die Ansprüche bei Gesellschaften, die zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung börsennotiert sind, in zehn Jahren. Bei anderen Aktiengesellschaften verjähren die Ansprüche nach fünf Jahren. Bei der GmbH verjähren die Ansprüche gemäß § 64 Satz 4 GmbHG i. V. m. 396 § 43 Abs. 4 GmbHG in fünf Jahren. Auch bei haftungsbeschränkten Personenhandelsgesellschaften beträgt die 397 Verjährungsfrist gemäß § 130a Abs. 2 Satz 6 HGB fünf Jahre. Die Verjährung beginnt mit Entstehung (§ 200 Satz 1 BGB) des Anspruchs, 398 also mit dem Zeitpunkt, in dem die die Masse schmälernde Zahlung geleistet oder die schmälernde Maßnahme ergriffen worden ist. So BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR 32/08, ZIP 2009, 956 ff. = NZI 2009, 486 ff. = NZG 2009, 582 ff. = NJW 2009, 1598 ff. Rn. 20, dazu EWiR 2009, 645 f. (Wilkens/Breßler).

In der Regel nimmt der Insolvenzverwalter den Geschäftsleiter nicht lediglich 399 wegen einer Zahlung in Anspruch, sondern wegen einer Vielzahl von Zahlungen, die geleistet worden sind. Bei mehreren, gegen die Massesicherungspflicht verstoßenden Zahlungen setzt jede Handlung eine neue Verjährungsfrist in Lauf. So BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR 32/08, ZIP 2009, 956 ff. = NZI 2009, 486 ff. = NZG 2009, 582 ff. = NJW 2009, 1598 ff. Rn. 20, dazu EWiR 2009, 645 f. (Wilkens/Breßler); BGH, Urt. v. 29.9.2008 – II ZR 234/07, ZIP 2008, 2217 ff. = NZG 2008, 908 ff. Rn. 14, dazu EWiR 2009, 23 f. (Kort).

7. Besonderheiten bei der prozessualen Durchsetzung a) Gerichtsstand In der Regel wird der Insolvenzverwalter ein Interesse daran haben, den Rechts- 400 streit am Sitz der Gesellschaft zu führen. Dies setzt voraus, dass dieses Ge81

B. Innenhaftung

richt, sofern der in Anspruch zu nehmende Geschäftsleiter keinen Gerichtsstand im Inland hat, international zuständig ist. 401 Der BGH hat dem EuGH folgende Fragen zur Auslegung von Artt. 49, 54 AEUV und Art. 4 EuInsVO vorgelegt: 402 „Betrifft eine Klage vor einem deutschen Gericht, mit der ein Direktor einer private company limited by shares englischen oder walisischen Rechts, über deren Vermögen in Deutschland nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, vom Insolvenzverwalter auf Ersatz von Zahlungen in Anspruch genommen wird, die er vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, aber nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit geleistet hat, das deutsche Insolvenzrecht i. S. d. Art. 4 Abs. 1 EuInsVO?“. 403 Verstößt eine Klage der vorstehenden Art gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49, 54 AEUV? BGH, Beschl. v. 2.12.2014 – II ZR 119/14, ZIP 2015, 68 ff. = NZI 2015, 85 ff. (m. Anm. Mock), dazu EWiR 2015, 99 f. (Müller); Gehrlein, ZInsO 2015, 477 ff.

404 Der EuGH hat geantwortet: 1. Art. 4 EuInsVO ist dahin auszulegen, dass in seinen Anwendungsbereich eine Klage vor einem deutschen Gericht fällt, mit der der Direktor einer Gesellschaft englischen oder walisischen Rechts, über deren Vermögen in Deutschland das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, vom Insolvenzverwalter dieser Gesellschaft auf der Grundlage einer nationalen Bestimmung wie § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG auf Ersatz von Zahlungen in Anspruch genommen wird, die der Direktor vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, aber nach dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit festgesetzt wurde, geleistet hat. 2. Die Art. 49 und 54 AEUV stehen der Anwendung einer nationalen Vorschrift wie § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG auf den Direktor einer Gesellschaft englischen oder walisischen Rechts, über deren Vermögen in Deutschland das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, nicht entgegen. So EuGH, Urt. v. 10.12.2015 – Rs. C-594/14 („Kornhaas“), ZIP 2015, 2468 ff. = NJW 2016, 223 ff. (m. Anm. Weller/Hübner) = NZI 2016, 48 ff. (m. Anm. Swierczok), dazu EWiR 2016, 67 f. (Schulz); Weller/Hübner, in: Festschrift Klaus Pannen, S. 259 ff.; Schall, ZIP 2016, 289 ff.

405 Auf den Director einer Private Company Limited by Shares, über deren Vermögen in Deutschland das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, gilt die Norm des § 64 Satz 1 GmbHG. So BGH, Urt. v. 15.3.2016 – II ZR 119/14, ZIP 2016, 821 ff. = NZI 2016, 461 ff. (m. Anm. Mock) = NJW 2016, 2660 f. = NJW-Spezial 2016, 303, dazu EWiR 2016, 329 f. (Seidel); Jäger, JM 2016, 319 f.

406 Das OLG Köln nimmt eine internationale Zuständigkeit des (deutschen) Gerichts am Sitz der Gesellschaft an, weil der Anspruch entweder formell in-

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IV. Haftung bei Insolvenzreife

solvenzrechtlich einzuordnen ist (Art. 3 Abs. 1 EuInsVO) oder aber das Gericht des Erfüllungsortes (Art. 5 Nr. 1 EuGVVO) angerufen werden kann. So OLG Köln, Beschl. v. 9.6.2011 – 18 W 34/11, NZI 2012, 52 f. = NZG 2012, 233 f.

Das OLG Karlsruhe vertritt die Auffassung, dass es sich bei dem Anspruch 407 aus Geschäftsleiterhaftung wegen Verstoß gegen die Massesicherungspflicht um einen Anspruch aus unerlaubter Handlung i. S. v. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO handelt, sodass aus diesem Grunde die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts am Sitz der Gesellschaft anzunehmen ist. So OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.12.2009 – 13 U 102/09, ZIP 2010, 2123 f. = NZI 2010, 291 = NZG 2010, 509 f.; a. A. Haas NZG 2010, 495 ff.

Für Klagen gemäß § 64 Satz 1 GmbHG bzw. § 43 Abs. 3 GmbHG gegen Be- 408 klagte aus Staaten des Lugano-Übereinkommens sind nach Auffassung des BGH die inländischen Gerichte international zuständig. So BGH, Hinweisbeschl. v. 3.6.2014 – II ZR 34/13, ZIP 2014, 1986 ff. = WM 2014, 1766 ff., dazu EWiR 2014, 715 f. (Cranshaw).

Die Brüssel Ia-VO (EU) Nr. 1215/2012 hat mit Wirkung zum 10.1.2015 die 409 frühere VO (EG) Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen abgelöst. Vgl. ZIP aktuell 35, ZIP 5/2015, A 10.

Das Landgericht Darmstadt hat dem EuGH die Frage vorgelegt hat, ob die 410 Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet worden ist, für eine Klage des Insolvenzverwalters gegen den Geschäftsführer der Schuldnerin auf Ersatz von Zahlungen, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet worden sind, zuständig sind. So LG Darmstadt, Beschl. v. 15.5.2013 – 15 O 29/12, ZIP 2013, 1839 f. = NZI 2013, 712 ff.

Der EuGH hat wie folgt geantwortet:

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„1. Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren ist dahin auszulegen, dass die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft eröffnet worden ist, nach dieser Bestimmung für die Entscheidung über eine Klage wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende zuständig sind, die der Insolvenzverwalter dieser Gesellschaft gegen deren Geschäftsführer auf Rückzahlung von Beträgen erhebt, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet wurden. 2. Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 ist dahin auszulegen, dass die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft eröffnet worden ist, für die Entscheidung über

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B. Innenhaftung eine Klage wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende zuständig sind, die der Insolvenzverwalter dieser Gesellschaft gegen deren Geschäftsführer auf Rückzahlung von Beträgen erhebt, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet wurden, wenn der Geschäftsführer seinen Wohnsitz nicht in einem anderen Mitgliedstaat hat, sondern wie im Ausgangsverfahren in einem Vertragsstaat des am 30.10.2007 unterzeichneten Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen, dessen Abschluss im Namen der Gemeinschaft durch den Beschluss 2009/430/EG des Rates vom 27.11.2008 genehmigt wurde.“ EuGH, Urt. v. 4.12.2014 – Rs. C-295/13, ZIP 2015, 196 ff. = NZI 2015, 88 ff. (m. Anm. Poertzgen), dazu EWiR 2015, 93 f. (Mankowski); Bramkamp, KTS 2015, 421 ff. 1. Die Bestimmungen von Kapitel II Abschnitt 5 (Art. 18 bis 21 a. F.) der EuGVVO sind dahin auszulegen, dass sie in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der eine Gesellschaft eine Person, die als ihr Direktor und Geschäftsführer tätig war, verklagt, um die von dieser Person in Wahrnehmung ihrer Aufgaben begangenen Fehler feststellen zu lassen und Schadensersatz zu erlangen, der Anwendung von Art. 5 Nr. 1 und 3 EuGVVO a. F. entgegenstehen, sofern diese Person in ihrer Eigenschaft als Direktor und Geschäftsführer während einer bestimmten Zeit der Gesellschaft nach deren Weisung Leistungen erbrachte und dafür als Gegenleistung eine Vergütung erhielt; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts. 2. Art. 5 Nr. 1 EuGVVO a. F. ist dahin auszulegen, dass eine Klage, die eine Gesellschaft gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer erhebt, weil er die ihm obliegenden gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen verletzt haben soll, unter den Begriff „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag“ fällt. Mangels abweichender Angaben in der Satzung der Gesellschaft oder in einem anderen Dokument ist es Sache des vorlegenden Gerichts, den Ort zu bestimmen, an dem der Geschäftsführer seine Tätigkeiten zur Erfüllung des Vertrags tatsächlich überwiegend erbrachte, sofern die Erbringung der Dienstleistungen an diesem Ort nicht dem Willen der Parteien, wie er sich aus den zwischen ihnen geschlossenen Vereinbarungen ergibt, zuwiderlief. 3. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, die darin bestehen, dass eine Gesellschaft ihren ehemaligen Geschäftsführer wegen einer ihm zur Last gelegten unerlaubten Handlung verklagt, ist Art. 5 Nr. 3 EuGVVO a. F. dahin auszulegen, dass eine solche Klage eine unerlaubte Handlung oder eine ihr gleichgestellte Handlung betrifft, wenn das dem Geschäftsführer zur Last gelegte Verhalten nicht als Verletzung seiner gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen angesehen werden kann, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. Das vorlegende Gericht hat auf der Grundlage der tatsächlichen Umstände der Rechtssache den engsten Anknüpfungspunkt mit dem Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens und dem Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs zu ermitteln. So EuGH, Urt. v. 10.9.2015 – Rs. C-47/14, ZIP 2015, 2340 ff.

412 Der (deutsche) Insolvenzverwalter kann freilich auch in einem anderen Mitgliedstaat gegen den Geschäftsleiter vorgehen. In diesem Falle hat das Gericht des anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union das deutsche Recht so anzuwenden, wie es die deutschen Gerichte in diesem Falle getan hätten. So Audiencia Provincial Barcelona, Urt. v. 6.3.2013 – 431/2012 – 2 a, NZI 2013, 576 ff. (m. Anm. Paulus).

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IV. Haftung bei Insolvenzreife

b) Vergleich über Haftungsansprüche Grundsätzlich kann ein Vergleich oder eine anderweitige Regelung zwischen der 413 Gesellschaft und dem (ehemaligen) Organmitglied geschlossen werden. Dabei ist allerdings bei der Aktiengesellschaft zu berücksichtigen, dass den Gläubigern gegenüber gemäß § 93 Abs. 5 Satz 3 AktG die Ersatzpflicht weder durch einen Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft noch dadurch aufgehoben wird, dass die Handlung auf einem Beschluss der Hauptversammlung beruht. Vgl. Bayer/Scholz, ZIP 2015, 149 ff.; Seibt/Cziupka, DB 2014, 1598 ff.; LG München I, Urt. v. 10.12.2013 – 5 HK O 1387/10, ZIP 2014, 570 ff. (m. Anm. Bachmann), ZIP 2014, 579 ff., dazu EWiR 2014, 175 f. (Hahn); nachdem die Hauptversammlung der Siemens AG am 27.1.2015 dem Vergleich zugestimmt hat, starb Heinz-Joachim Neubürger am 5.2.2015 durch eigene Hand; abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ ex-siemens-finanzchef-heinz-joachim-neubuerger-gestorben13413421.html [Stand: 9.4.2018]; http://www.manager-magazin.de/ unternehmen/industrie/ex-siemens-finanzvorstand-neubuergerbegeht-selbstmord-a-1017002.html [Stand: 9.4.2018].

Der Gesellschaft gegenüber tritt die Ersatzpflicht gemäß § 93 Abs. 4 Satz 1 414 AktG nicht ein, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluss der Hauptversammlung beruht. Allerdings verlangt das Gesetz, dass ein hinreichender Zeitraum zwischen dem Entstehen des Anspruchs und dem Verzicht liegt, sodass die Gesellschaft gemäß § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs und nur dann auf Ersatzansprüche verzichten oder sich über sie vergleichen kann, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen 10 % des Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt. Die zeitliche Beschränkung gilt gemäß § 93 Abs. 4 Satz 4 AktG nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird. Vergleichbare Vorschriften finden sich weder für die GmbH im GmbHG 415 noch im HGB für die haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaft. Bei der GmbH besteht gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG grundsätzlich die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung, und ob die Regelung des § 93 Abs. 4 Satz 3 und Satz 4 AktG analog anwendbar ist, ist unklar. Vgl. Hasselbach, Der Verzicht auf Schadensersatzansprüche gegen Organmitglieder, DB 2010, 2037 ff.; Thole, Rn. 417 ff.

Weiterhin ungeklärt ist die Wirksamkeit von Schiedsabreden über Ansprüche 416 gegen Organe. Vgl. Herresthal, ZIP 2014, 345 ff.; Leuering, NJW 2014, 657 ff.

Problematisch sind auch Einzelfragen des Gesamtschuldnerregresses unter 417 Organmitgliedern. Vgl. Fischer, ZIP 2014, 406 ff.

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B. Innenhaftung

8. Sanieren oder Ausscheiden 418 Unter der schlagwortartigen Zusammenfassung „Sanieren oder Ausscheiden“ wird seit wenigen Jahren die Diskussion geführt, ob ein Gesellschafter, der nicht bereit ist, im Zuge einer Sanierung weitere Mittel zur Verfügung zu stellen, aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann. Vgl. Schöne, ZIP 2015, 501 ff.; Miras, DStR 2011, 318 ff.; Bohlken/Sprenger, DB 2010, 263 ff.; Schmidt, JZ 2010, 125 ff.; Wagner, NZG 2009, 1378 ff.

419 Der BGH nimmt dies an und hat entschieden, dass für den Fall, dass die Gesellschafter einer zahlungsunfähigen und überschuldeten Publikumspersonengesellschaft mit der im Gesellschaftsvertrag für Änderungen des Vertrages vereinbarten Mehrheit beschließen, die Gesellschaft in der Weise zu sanieren, dass das Kapital „herabgesetzt“ und jedem Gesellschafter freigestellt wird, eine neue Beitragspflicht einzugehen („Kapitalerhöhung“), dass ein nicht sanierungswilliger Gesellschafter aber aus der Gesellschaft ausscheiden muss, so sind die nicht zahlungsbereiten Gesellschafter aus gesellschaftlicher Treuepflicht jedenfalls dann verpflichtet, diesem Gesellschafterbeschluss zuzustimmen, wenn sie infolge ihrer mit dem Ausscheiden verbundenen Pflicht, den auf sie entfallenden Auseinandersetzungsfehlbetrag zu leisten, finanziell nicht schlechter stehen, als sie im Falle der sofortigen Liquidation stünden. So BGH, Urt. v. 19.10.2009 – II ZR 240/08, BGHZ 183, 1 ff. = NZI 2009, 907 ff. = NZG 2009, 1347 ff. = ZfIR 2010, 503 = ZIP 2009, 2289 (m. Bespr. Holler, ZIP 2010, 1678), dazu EWiR 2009, 739 f. (Armbrüster). Zur Anwendung dieser Grundsätze auf eine Publikumsgesellschaft in Gestalt einer GbR: BGH, Urt. v. 9.6.2015 – II ZR 420/13, ZIP 2015, 1626 ff. = NJW 2015, 2882 ff. (m. Anm. Schimrick), (Vorinstanz: OLG München, ZIP 2014, 1172), dazu EWiR 2015, 597 f. (Armbrüster); OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.6.2014 – I-16 U 149/13, ZIP 2014, 2183 ff., dazu EWiR 2015, 177 f. (Berjasevic); Meyer, ZIP 2015, 256 ff.

420 Regelt der Gesellschaftervertrag einer Publikumspersonengesellschaft, dass eine Kapitalerhöhung auch im Krisenfall nur einstimmig beschlossen werden kann und das Nichterreichen der Einstimmigkeit zur Folge hat, dass die zustimmenden Gesellschafter berechtigt sind, ihre Einlagen zu erhöhen, während die nicht zustimmenden Gesellschafter eine Verringerung ihres Beteiligungsverhältnisses hinzunehmen haben, so sind die zahlungsunwilligen Gesellschafter nicht aus gesellschaftlicher Treuepflicht verpflichtet, einem Beschluss zuzustimmen, dass ein nicht sanierungswilliger Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet. So BGH, Urt. v. 25.1.2011 – II ZR 122/09, ZIP 2011, 768 ff. = NZG 2011, 510 ff., dazu EWiR 2011, 417 f. (Binkowski).

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V. Haftung des Aufsichtsrates

V. Haftung des Aufsichtsrates 1. Aktiengesellschaft Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft hat gemäß § 111 Abs. 1 AktG die Ge- 421 schäftsführung zu überwachen. Gemäß § 116 Satz 1 AktG gilt für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder § 93 AktG mit Ausnahme des Abs. 2 Satz 3 AktG über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder sinngemäß. Den Aufsichtsrat selbst trifft die Massesicherungspflicht gemäß § 92 Abs. 2 AktG, die zur Erstattungspflicht gemäß § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG führt, zunächst nicht. Die Pflichten des Aufsichtsrates in der Krise verdichten sich dahin, dass er zwar nicht in die Geschäftsleitung eingreifen darf, aber alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen muss, insbesondere zusätzliche Berichte anfordern, häufiger zu Sitzungen zusammentreten und dafür sorgen muss, dass der Vorstand mit Personen besetzt ist, die in der Lage sind, die Krise zu lösen. So Schmittmann, in: Grundei/Zaumseil, Der Aufsichtsrat im System der Corporate Governance, S. 165, 171; Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 7; Schmidt-Hern, in: Müller/Rödder, Beck’sches Handbuch der AG, § 17 Rn. 61; Reuter, ZIP 2016, 597, 606.

In der Krise muss der Aufsichtsrat insbesondere prüfen, ob der Vorstand auf- 422 grund der Krise personell verändert werden muss. Der Aufsichtsrat hat dazu eine umfassende Analyse der Krisenursachen vorzunehmen und dabei festzustellen, ob personelle Veränderungen im Vorstand geeignet sind, der Krise entgegenzusteuern. So Schmittmann, in: Grundei/Zaumseil, Der Aufsichtsrat im System der Corporate Governance, S. 163, 171.

Bei einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft i. S. v. 423 § 87 Abs. 2 AktG, jedenfalls bei Eintritt der Insolvenzreife ist der Aufsichtsrat verpflichtet, die Herabsetzung der Bezüge des Vorstands zu beschließen. Die Weiterzahlung der Bezüge ist unbillig i. S. d. § 87 Abs. 2 AktG, wenn der Vorstand pflichtwidrig gehandelt hat oder ihm zwar kein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen ist, die Verschlechterung der Lage der Gesellschaft jedoch in die Zeit seiner Vorstandsverantwortung fällt und ihm zurechenbar ist. So BGH, Urt. v. 27.10.2015 – II ZR 296/14, ZIP 2016, 310 ff. = NJW 2016, 1236 ff. = NJW-Spezial 2016, 145, dazu EWiR 2016, 199 f. (Seibt).

Die Pflicht zur Einberufung einer Hauptversammlung gemäß § 92 Abs. 1 424 AktG bei Verlust des hälftigen Grundkapitals trifft zwar den Vorstand und ist gemäß § 401 AktG strafbewehrt, gleichwohl ist der Aufsichtsrat verpflichtet, den Vorstand zur Erfüllung der Einberufungspflicht anzuhalten. So RG, Urt. v. 7.6.1939 – II 199/38, RGZ 161, 129, 133 ff.; Schmidt-Hern, in: Müller/Rödder, Beck’sches Handbuch der AG, § 17 Rn. 62.

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B. Innenhaftung

425 Der Aufsichtsrat hat gemäß § 111 Abs. 3 Satz 1 AktG eine Hauptversammlung einzuberufen, wenn es das Wohl der Gesellschaft erfordert. Unterlässt der Vorstand der Gesellschaft eine gesetzlich gebotene Einberufung, so ist der Aufsichtsrat nicht lediglich berechtigt, sondern verpflichtet, die Hauptversammlung selbst einzuberufen. So Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 13; Schmidt-Hern, in: Müller/ Rödder, Beck’sches Handbuch der AG, § 17 Rn. 62; Schmittmann, in: Grundei/Zaumseil, Der Aufsichtsrat im System der Corporate Governance, S. 163, 171.

426 Ist eine Gesellschaft nach Kenntnis des Aufsichtsrates insolvenzreif, so hat dieser darauf hinzuwirken, dass der Vorstand rechtzeitig einen Insolvenzantrag stellt und keine Zahlungen leistet, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht vereinbar sind. Die Mitglieder des Aufsichtsrates, die hiergegen schuldhaft verstoßen, können der Gesellschaft gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet sein. Das Zahlungsverbot des § 92 Abs. 2 Satz 1 AktG richtet sich zwar nur an den Vorstand als geschäftsleitendes Organ der Aktiengesellschaft, den Aufsichtsrat treffen aber Informations-, Beratungs- und Überwachungspflichten. So Schmittmann, in: Grundei/Zaumseil, Der Aufsichtsrat im System der Corporate Governance, S. 163, 171; Manger, Das Informationsrecht des Aufsichtsrates gegenüber dem Vorstand – Umfang und Grenzen, NZG 2010, 1255 ff.

427 Der Aufsichtsrat muss sich ein genaues Bild von der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft verschaffen und insbesondere in einer Krisensituation alle ihm nach §§ 90 Abs. 3, 111 Abs. 2 AktG zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausschöpfen. So BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR 280/07, ZIP 2009, 860 ff. = NZI 2009, 490 ff. = NZG 2009, 550 ff. Rn. 15, dazu EWiR 2009, 493 f. (Keim/Giershaus); BGH, Urt. v. 1.12.2008 – II ZR 102/07, BGHZ 179, 71 ff. = NZG 2009, 107 ff. Rn. 21 = ZIP 2009, 70 (m. Bespr. Altmeppen, S. 49), dazu EWiR 2009, 129 f. (Blasche).

428 Stellt der Aufsichtsrat dabei fest, dass die Gesellschaft insolvenzreif ist, hat er darauf hinzuwirken, dass der Vorstand rechtzeitig einen Insolvenzantrag stellt und keine Zahlungen leistet, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht vereinbar sind. Erforderlichenfalls muss der Aufsichtsrat ein ihm unzuverlässig erscheinendes Vorstandsmitglied abberufen. So BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR 280/07, Rn. 15, ZIP 2009, 860; Poertzgen, ZInsO 2010, 785, 788; Schmittmann, in: Grundei/ Zaumseil, Der Aufsichtsrat im System der Corporate Governance, S. 163, 171.

429 Die Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO trifft ebenfalls lediglich die Mitglieder des Vorstands, nicht aber die Mitglieder des Aufsichtsrates.

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V. Haftung des Aufsichtsrates

Eine originäre Insolvenzantragspflicht für die Mitglieder des Aufsichtsrates 430 ergibt sich nur, wenn die Gesellschaft führungslos ist. Im Falle der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft ist gemäß § 15a Abs. 3 InsO auch jedes Mitglied des Aufsichtsrates zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis. Für die Erkenntnis steht es gleich, wenn sich ein Gesellschafter der Kenntnisnahme offensichtlicher Fakten bewusst verschließt. So Karsten Schmidt, in: Karsten Schmidt, InsO, § 15a Rn. 23.

Weiterhin kommt eine Verpflichtung des Aufsichtsrates, Insolvenzantrag für 431 die Aktiengesellschaft zu stellen, in Betracht, wenn der Aufsichtsrat oder Mitglieder des Aufsichtsrates sich soweit in die Geschäftsführung der Gesellschaft einmischen, dass sie als faktischer Vorstand angesehen werden können. So Schmittmann, in: Grundei/Zaumseil, Der Aufsichtsrat im System der Corporate Governance, S. 163, 168.

Ein Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a InsO führt aller- 432 dings nicht zu einer Innenhaftung, sondern zu einer Außenhaftung, sodass die weiteren Auswirkungen dort (vgl. Rn. 524 ff.) erörtert werden. 2. Gesellschaft mit beschränkter Haftung In der Regel ist bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ein Aufsichts- 433 rat nicht zu bilden. In bestimmten Fällen ist nach Mitbestimmungsrecht bei der GmbH nach 434 dem Mitbestimmungsgesetz 1976, dem Drittelbeteiligungsgesetz und im Montanbereich gemäß Montanmitbestimmungsgesetz und Mitbestimmungsergänzungsgesetz bei Erreichen bestimmter Größenkriterien obligatorisch ein Aufsichtsrat einzurichten. So Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 52 Rn. 36.

Im Übrigen steht es im Ermessen der Gesellschafter, in der Satzung (Gesell- 435 schaftsvertrag) der GmbH einen fakultativen Aufsichtsrat, der auch die Bezeichnung Verwaltungsrat, Beirat, Gesellschafterausschuss etc. tragen kann, vorzusehen. In diesen Fällen ist grundsätzlich auf die Regelung im Gesellschaftsvertrag abzustellen. Vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 1183 ff.

Ist nach dem Gesellschaftsvertrag ein Aufsichtsrat zu bestellen, so sind ge- 436 mäß § 52 Abs. 1 GmbHG, § 90 Abs. 3, 4, 5 Satz 1 und Satz 2, § 95 Satz 1, § 100 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5, § 101 Abs. 1 Satz 1, § 103 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, §§ 105, 107 Abs. 4, §§ 110 bis 114, 116 AktG i. V. m. § 93 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 AktG, § 124 Abs. 3 Satz 2, §§ 170, 171

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B. Innenhaftung

AktG entsprechend anzuwenden, soweit nicht im Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist. 437 Sofern im Gesellschaftsvertrag eine Regelung fehlt, sind die in Bezug genommenen Regelungen im Aktiengesetz anwendbar, die in sachgerechter Weise in Regelungsstruktur und Begriffssystem der GmbH einzupassen sind. So Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG § 52 GmbHG Rn. 5.

438 Da § 52 Abs. 1 GmbHG auch auf § 116 Satz 1 AktG verweist, gelten die Ausführungen zur Aktiengesellschaft (siehe Rn. 445 ff.) zunächst sinngemäß. 439 Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Einordnung des fakultativen Aufsichtsrates in das Organsystem der GmbH einer differenzierenden Betrachtung bedarf. So Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 52 Rn. 16.

440 Einen „echten“ Aufsichtsrat wird man nur dann annehmen können, wenn das fakultative Organ unentziehbare Aufsichtsbefugnisse hat und mit Organwaltern besetzt ist, die zur Überwachung der Geschäftsführung auch in der Lage sind. So Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 52 Rn. 52.

441 Ebenso wie bei der Aktiengesellschaft gehört zu den Rechten und Pflichten des Aufsichtsrates die Kontrolle der Legalität, Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung einschließlich der retrospektiven Kontrolle der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Unternehmensführung, insbesondere auch bei Einzelgeschäften, die für die Liquidität und Rentabilität der Gesellschaft von Bedeutung sind. So Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 52 Rn. 22; LG Stuttgart, Urt. v. 29.10.1999 – 4 KfH O 80/98, 2462, 2463, dazu EWiR 1999, 1145 f. (Kort); LG Bielefeld, Urt. v. 16.11.1999 – 15 O 91/98, ZIP 2000, 20 ff., dazu EWiR 2000, 107 f. (v. Gerkan).

442 Der BGH überträgt die Grundsätze der Haftung der Mitglieder eines Aufsichtsrates bei der AG nicht uneingeschränkt auf die Mitglieder eines fakultativen Aufsichtsrates einer GmbH. Dieser habe zwar auch die Pflicht, die Rechtmäßigkeit des Handelns der Geschäftsleitung und damit auch die Einhaltung des mit dem Eintritt der Insolvenzreife entstehenden Zahlungsverbots aus § 64 Satz 1 GmbHG – insoweit inhaltsgleich mit § 92 Abs. 2 Satz 1 AktG – zu überwachen. 443 Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen diese Überwachungspflicht sind jedoch nach der Rechtsprechung des BGH im Recht der GmbH anders geregelt als im Aktienrecht. So verweist § 52 Abs. 1 GmbHG auf die Schadensersatznorm des § 116 AktG nur mit der ausdrücklichen Einschränkung „i. V. m. § 93 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 AktG“. Damit wird § 93 Abs. 3 AktG für den fakultativen Aufsichtsrat über die nur partielle Verweisung in 90

V. Haftung des Aufsichtsrates

§ 52 GmbHG gerade nicht in Bezug genommen, anders als in den entsprechenden Vorschriften über den obligatorischen Aufsichtsrat einer GmbH (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 Drittelmitbestimmungsgesetz, § 25 Abs. 1 Nr. 2 Mitbestimmungsgesetz, § 3 Abs. 2 Montanmitbestimmungsgesetz, § 3 Abs. 1 Satz 2 MontanMitbestG, § 6 Abs. 2 InvG). Für eine Ersatzpflicht der Mitglieder des fakultativen Aufsichtsrates, die ihre 444 Überwachungspflicht hinsichtlich der Einhaltung des Zahlungsverbots aus § 64 Satz 1 GmbHG verletzt haben, fehlt die in § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG angeordnete Gleichstellung des Zahlungsabflusses mit einem Schaden der Gesellschaft i. S. d. §§ 249 ff. BGB. Daraus schließt der BGH, dass die Mitglieder des fakultativen Aufsichtsrates der Gesellschaft nur dann ersatzpflichtig sind, wenn durch die Zahlung ausnahmsweise ein eigener Schaden der Gesellschaft entstanden ist, im Übrigen aber – und damit im Regelfall – mangels eines ihr entstandenen Schadens nicht haften. So BGH, Urt. v. 20.9.2010 – II ZR 78/09, BGHZ 187, 60 ff. = NZI 2010, 913 ff. = NZG 2010, 1186 ff.; Rn. 21 = ZIP 2010, 1988 (m. Bespr. Altmeppen, S. 1973), dazu EWiR 2010, 713 f. (Vetter).

Bilden die Gesellschafter einer GmbH freiwillig einen Aufsichtsrat („fakulta- 445 tiver Aufsichtsrat“), wollen sie damit – soweit sie von ihrer in § 52 Abs. 1 GmbHG eröffneten Regelungsbefugnis keinen Gebrauch machen – nicht von der dualistischen Struktur der GmbH abweichen. So BGH, Urt. v. 20.9.2010 – II ZR 78/09, BGHZ 187, 60 ff. = NZI 2010, 913 ff. = NZG 2010, 1186 ff.; Rn. 26 = ZIP 2010, 1988 (m. Bespr. Altmeppen, S. 1973), dazu EWiR 2010, 713 f. (Vetter); BGH, Beschl. v. 6.3.1997 – II ZB 4/96, BGHZ 135, 48 ff. = ZIP 1997, 978 ff. = NJW 1997, 1985 ff. Rn. 13.

Die Gesellschafter einer GmbH, die einen fakultativen Aufsichtsrat bilden, 446 wollen lediglich ein Gremium schaffen, das für die Gesellschafterversammlung als dem maßgeblichen Willensbildungs- und Kontrollorgan der Gesellschaft Teilaufgaben der Überwachung der Geschäftsführer übernimmt und sicherstellt, dass diese die Geschäfte so führen, wie es dem wohlverstandenen Interesse der Gesellschafter entspricht. Anders als der obligatorische Aufsichtsrat ist der fakultative Aufsichtsrat deswegen nicht im Interesse der Allgemeinheit in die Pflicht genommen und hat keine über seine ihm von der Gesellschafterversammlung übertragenen Aufgaben hinausgehenden öffentlichen Belange zu bewahren, sodass er grundsätzlich nur für solche Schäden i. S. d. §§ 249 ff. BGB einzustehen hat, die der Gesellschaft – und nicht bei gesellschaftsfremden Dritten – entstanden sind. So BGH, Urt. v. 20.9.2010 – II ZR 78/09, BGHZ 187, 60 ff. = NZI 2010, 913 ff. = NZG 2010, 1186 ff.; Rn. 26 = ZIP 2010, 1988 (m. Bespr. Altmeppen, S. 1973), dazu EWiR 2010, 713 f. (Vetter); unter Hinweis auf RG, Urt. v. 7.6.1939 – II 199/38, RGZ 161, 129, 138 f.; RG, Urt. v. 19.4.1910 – II 400/09, RGZ 73, 392, 393.

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B. Innenhaftung

3. Aufsichtsrat bei einer GmbH & Co. KG 447 Bei einer haftungsbeschränkten Personenhandelsgesellschaft, etwa der GmbH & Co. KG, kann ebenfalls ein Beirat, Verwaltungsrat, Gesellschafterausschuss etc. gebildet werden, der allerdings nicht per se den aktienrechtlichen Aufsichtsratsregelungen folgt, da § 52 Abs. 1 GmbHG nicht anwendbar ist. Dies kann aber durch eine vertragliche Regelung in der Satzung eingeführt werden. Vgl. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 52 Rn. 63; Haack, BB 1993, 1607 ff.; Rinze, NJW 1992, 2790 ff.; Hölters, DB 1980, 2225 f.

448 Der BGH hat zur Haftung eines Beirates einer Publikumsgesellschaft auf Schadensersatz Stellung genommen. Vgl. BGH, Urt. v. 22.10.1984 – II ZR 2/84, NJW 1985, 1900 ff. = ZIP 1985, 31 ff., dazu EWiR 1985, 109 f. (Hommelhoff).

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C. Außenhaftung Unter Außenhaftung wird die Haftung der Organe verstanden, bei denen nicht 449 die Gesellschaft Anspruchsinhaberin ist, sondern Dritte. Im Wesentlichen resultieren die Tatbestände der Außenhaftung aus Vertrag, Vertrauen oder Delikt. Anders als die Ansprüche aus Innenhaftung, die sich regelmäßig aus den ein- 450 schlägigen gesellschaftsrechtlichen Normen ergeben und daher rechtsformabhängig geregelt sind, ergeben sich die Außenhaftungsansprüche aus allgemeinen Vorschriften und sind daher – sofern nichts anderes erwähnt ist – sowohl bei Kapitalgesellschaften als auch haftungsbeschränkten Personenhandelsgesellschaften anwendbar. I. Einführung Wer mit einer Kapitalgesellschaft oder einer haftungsbeschränkten Perso- 451 nenhandelsgesellschaft in Geschäftsbeziehung tritt, ist sich regelmäßig darüber bewusst, dass das haftende Vermögen seines Geschäftspartners schnell erschöpft sein kann und in einem Insolvenzverfahren lediglich mit einer geringen Quote gerechnet werden darf. Es liegt daher nahe, dass er entweder schon bei Eingehung der Geschäftsbeziehung oder während der laufenden, noch ungestörten Geschäftsbeziehung versucht, durch vertragliche Reglungen seine Befriedigungsaussicht zu verbessern. Ist dies nicht erfolgt und der Anspruch gegen den Vertragspartner realistischerweise nicht mehr durchsetzbar, so liegt es nahe, deliktische Ansprüche gegen die handelnden Personen zu prüfen, insbesondere wenn der Vorwurf einer Insolvenzverschleppung erhoben worden ist. II. Vertragshaftung Eine vertragliche Haftung kommt in Betracht, wenn der Geschäftspartner 452 neben den Ansprüchen gegen seinen ursprünglichen Vertragspartner über vertragliche Ansprüche gegen Gesellschafter oder Dritte aus Bürgschaft (siehe Rn. 477 ff.), Schuldbeitritt (siehe Rn. 480 ff.) oder Garantie (siehe Rn. 483 ff.) verfügt. 1. Bürgschaft Ein weit verbreitetes Sicherungsmittel ist die Bürgschaft. Bei einer Bürgschaft 453 verpflichtet sich der Bürge gemäß § 765 BGB gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. Als Bürgen kommen neben den Organen der Gesellschaft insbesondere Ban- 454 ken in Betracht. Die Motivation für die Hereinnahme einer Bürgschaft des Organs liegt zum einen in der Hoffnung, dass dieser im Falle der Leistungsunfähigkeit der Gesellschaft für diese leistet. Im Hinblick auf die vielfältigen Haftungskonsequenzen eines Insolvenzverfahrens ist einerseits festzustellen,

93

C. Außenhaftung

dass gegen die bürgenden Organe regelmäßig nur mit geringem oder gar keinem wirtschaftlichen Erfolg vorgegangen werden kann. Andererseits verspricht sich der Gläubiger von der Bürgschaft des Organs im laufenden Geschäftsbetrieb eine gesteigerte Sorgfalt und insbesondere das Bestreben, dass gerade gegenüber dem durch die Bürgschaft gesicherten Gläubiger keine Erfüllungsrückstände eintreten. 455 Bei der Bürgschaft handelt es sich gemäß § 767 Abs. 1 Satz 1 BGB um eine akzessorische Sicherheit, sodass die Haftung des Bürgen in Höhe und Bestand von der Hauptverbindlichkeit abhängt. Die Bürgenhaftung ist darüber hinaus regelmäßig auch gemäß § 771 Satz 1 BGB subsidiär, sodass der Bürge die Befriedigung des Gläubigers verweigern kann, solange nicht der Gläubiger eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner ohne Erfolg versucht hat. Dies gilt freilich nicht, wenn gemäß § 773 Abs. 1 BGB die Einrede der Vorausklage ausgeschlossen ist. Vgl. Bitter, ZInsO 2018, 625, 632; Sprau, in: Palandt, BGB, Einführung vor § 765 Rn. 6 ff.

2. Schuldbeitritt 456 Das Gesetz kennt mit § 414 BGB lediglich die Schuldübernahme; es ist allerdings unstreitig, dass der rechtsgeschäftliche Schuldbeitritt als reiner Verpflichtungsvertrag zulässig ist. So RG, Urt. v. 17.10.1904 – VI 587/00, RGZ 59, 233 ff.; Grüneberg, in: Palandt, BGB, Überblick vor § 414 Rn. 2.

457 Ein Schuldbeitritt führt dazu, dass der Gläubiger einen zweiten Schuldner erhält, seinerseits aber nur gegenüber seinem ursprünglichen Vertragspartner leistungspflichtig ist. Der Schuldbeitretende haftet gleichrangig neben dem Schuldner, sodass es sich – anders als bei der Bürgschaft – nicht um ein akzessorisches Sicherungsmittel handelt. So Bitter, ZInsO 2018, 625, 633.

458 In der Praxis verlangen bisweilen Leasinggeber und Warenlieferanten einen Schuldbeitritt des Organs. Auch hier besteht die Motivation einerseits darin, gegebenenfalls gegen den Schuldbeitretenden vorgehen zu können, aber anderseits auch darin, diesen zu vertragsgemäßem Verhalten anzuhalten. 3. Garantie 459 Der Begriff der Garantie ist weit. Zum Teil verwendet das Gesetz den Begriff „Garantie“ für die Übernahme einer Einstandspflicht im Sinne einer verschuldensunabhängigen Haftung im Rahmen eines anderen Vertrages. Zum anderen wird eine Garantie dann angenommen, wenn der Garant sich verpflichtet, den Gläubiger (Garantienehmer) im Garantiefall so zu stellen, als sei der geplante Erfolg eingetreten oder der befürchtete Schaden nicht entstanden. 94

III. Vertrauenshaftung

Der Garantievertrag entspricht nicht der Bürgschaft, insbesondere handelt es 460 sich nicht um eine akzessorische Haftung. So Bitter, ZInsO 2018, 625, 633; Sprau, in: Palandt, BGB, Einführung vor § 765 Rn. 16.

In der Praxis ist es eher selten, dass Organe gegenüber Gläubigern der Ge- 461 sellschaft eine Garantie abgeben. III. Vertrauenshaftung Die Vertrauenshaftung kommt in Betracht bei Rechtsscheinhaftung wegen 462 fehlenden Rechtsformzusatzes (siehe Rn. 487 ff.) oder Haftung wegen Pflichtverletzung vor oder bei Vertragsschluss (c. i. c.) (siehe Rn. 503 ff.). 1. Rechtsscheinhaftung wegen fehlenden Rechtsformzusatzes Gemäß § 4 AktG muss die Firma der Aktiengesellschaft die Bezeichnung 463 „Aktiengesellschaft“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten. Dies gilt gemäß § 4 Satz 1 GmbHG auch für die GmbH. Gemäß § 80 Abs. 1 AktG und § 35a GmbHG sind die Rechtsform und der Sitz der Gesellschaft, das Registergericht des Sitzes der Gesellschaft und die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen ist, sowie die Namen der Organe mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen anzugeben. Diese Angabepflichten gelten gemäß § 125a Abs. 1 HGB und § 177a HGB 464 auch für die OHG sowie die KG. Die Firma einer Genossenschaft muss gemäß § 3 GenG die Bezeichnung „ein- 465 getragene Genossenschaft“ oder die Abkürzung „eG“ enthalten sowie gemäß § 25a Abs. 1 GenG Pflichtangaben auf dem Briefbogen machen. Das deutsche Handelsrecht ist vom Grundsatz der unbeschränkten Haftung 466 geprägt, sodass ein Geschäftspartner darauf vertrauen darf, es mit einem unbeschränkt haftenden Geschäftspartner zu tun zu haben, sofern er keine anderweitige Information erhält. So Bitter, ZInsO 2018, 625, 634.

Wird bei Vertragsverhandlungen und insbesondere bei Vertragsschluss durch 467 das Zeichnen der Firma ohne den Rechtsformzusatz das berechtigte Vertrauen des Geschäftsgegners auf die Haftung mindestens einer natürlichen Person hervorgerufen, haften nach den Grundsätzen der Rechtsscheinhaftung der organschaftliche Vertreter der Gesellschaft und gegebenenfalls auch jeder andere Vertreter des Unternehmens, sofern er den Rechtsformzusatz fortgelassen hat. So BGH, Urt. v. 24.6.1991 – II ZR 293/90, ZIP 1991, 1004 ff. = NJW 1991, 2627 ff. (m. Anm. Canaris), dazu EWiR 1992, 359 f. (Medicus).

95

C. Außenhaftung

468 Dass die Rechtsscheinhaftung auslösende Vertrauen wird nicht bereits durch einen mündlichen Geschäftsabschluss ausgelöst. Vielmehr ist die „Zeichnung“ des Vertreters unter Fortlassung des Rechtsformzusatzes oder die ausdrückliche mündliche Verneinung des Handelns für die Gesellschaft erforderlich. So BGH, Urt. v. 8.7.1996 – II ZR 258/95, ZIP 1996, 1511 ff. = NJW 1996, 2645 ff.

469 Der für eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Geschäftsverkehr Auftretende haftet – gleichgültig, ob dies der Geschäftsführer selbst oder ein anderer Vertreter ist – aus dem Gesichtspunkt der Rechtsscheinhaftung analog gemäß § 179 BGB dann, wenn er durch sein Zeichnen der Firma ohne Rechtsformzusatz das berechtigte Vertrauen des Geschäftsgegners auf die Haftung mindestens einer natürlichen Person hervorgerufen hat. Diese Grundsätze gelten nicht nur in Bezug auf deutsche Rechtsformen, sondern auch in Bezug auf ausländische Rechtsformen, wenn der durch den für sie auftretenden Vertreter verursachte Rechtsschein in Deutschland entstanden ist und sich dort ausgewirkt hat (hier: Besloten Vennootschap). So BGH, Urt. v. 5.2.2007 – II ZR 84/05, ZIP 2007, 908 ff. = NJW 2007, 1529 ff. = DStR 2007, 863 ff., dazu EWiR 2007, 513 f. (Lamsa).

470 Das durch das Fortlassen des Zusatzes der Rechtsform verursachte Vertrauen in die unbeschränkte persönliche Haftung des Firmeninhabers wird nicht dadurch zerstört, dass sich die wirklichen Verhältnisse aus dem Handelsregister ergeben. Im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs muss auch ohne vorherige Einsicht in das Handelsregister im laufenden geschäftlichen Kontakt erkennbar sein, mit wem der Vertrag geschlossen werden soll. So BGH, Urt. v. 18.1.1990 – II ZR 311/88, NJW 1990, 2678, dazu EWiR 1990, 649 f. (Hirte).

471 Die Rechtsscheinhaftung hängt nicht davon ab, dass zuvor die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft festgestellt worden ist, da es sich bei der Rechtsscheinhaftung nicht um eine subsidiäre Ausfallhaftung für den wirklichen Unternehmensträger handelt. So BGH, Urt. v. 15.1.1990 – II ZR 311/88, NJW 1990, 2678 ff., dazu EWiR 1990, 649 f. (Hirte).

472 Die Rechtsscheinhaftung greift lediglich ein, wenn der Geschäftspartner die wahren Verhältnisse nicht gekannt und sich im Vertrauen auf die unbeschränkte Haftung seines Vertragspartners auf das Rechtsgeschäft eingelassen hat. Es ist Sache des beklagten Handelnden, der den Rechtsschein erzeugt hat und dessen Rechtsfolgen nicht gegen sich gelten lassen will, die Kenntnis des Gegners von den wahren Verhältnissen vorzutragen und zu beweisen. So BGH, Urt. v. 15.1.1990 – II ZR 311/88, NJW 1990, 2678 ff., dazu EWiR 1990, 649 f. (Hirte).

473 Als besonders schutzwürdig werden von der Rechtsprechung die Geschäftspartner von Unternehmergesellschaften (haftungsbeschränkt) angesehen, da 96

III. Vertrauenshaftung

diese lediglich über ein geringes Stammkapital verfügen. Wird für eine Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) mit dem Rechtsformzusatz „GmbH“ gezeichnet, besteht eine Rechtsscheinhaftung des Handelnden wegen unzureichender Information der Geschäftspartner über die gesetzlich angeordnete Kapitalausstattung der Gesellschaft bis zur Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlichen Stammkapital der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) und dem Mindeststammkapital einer GmbH. Dies ist darin begründet, dass das von vornherein (stark) verminderte Stammkapital der Unternehmergesellschaft als Variante der GmbH dem Rechtsverkehr gegenüber zwingend offenzulegen ist, was sich in § 5a Abs. 1 GmbHG niederschlägt, wonach eine Abkürzung des Zusatzes „haftungsbeschränkt“ nicht zulässig ist. Daher darf der Zusatz erst recht nicht weggelassen werden, sondern ist buchstabengetreu zu verwenden. So BGH, Urt. v. 12.6.2012 – II ZR 256/11, ZIP 2012, 1659 ff. = NJW 2012, 2871 ff. Rn. 16, dazu EWiR 2012, 697 f. (Heckschen).

Setzt der für eine UG (haftungsbeschränkt) Handelnde zurechenbar den 474 Rechtsschein einer potentiell günstigeren Haftungssituation aufgrund einer besseren Kreditwürdigkeit der Gesellschaft, haftet er gegenüber dem Vertragspartner, der hierauf gutgläubig vertraut hat, neben dem Unternehmensträger als Gesamtschuldner. Er kann sich dieser Haftung nicht dadurch entziehen, dass er das Stammkapital der Unternehmergesellschaft bis zur Höhe eines verursachten Rechtsscheins auffüllt und die UG (haftungsbeschränkt) damit in die Lage versetzt, die eingegangene Verbindlichkeit selbst zu erfüllen. Vielmehr begründet § 179 BGB eine schuldunabhängige Garantiehaftung, die allein auf dem Umstand basiert, dass die unmittelbar auftretende Person durch die dem Vertragspartner gegenüber abgegebene sachlich unzutreffende Erklärung einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. So BGH, Urt. v. 12.6.2012 – II ZR 256/11, ZIP 2012, 1659 ff. = NJW 2012, 2871 ff. Rn. 24; BGH, Urt. v. 5.2.2007 – II ZR 84/05, NZG 2007, 426 f. = ZIP 2007, 908 (m. Bespr. Altmeppen, S. 889), dazu EWiR 2007, 513 f. (Lamsa).

Ist der Handelnde von einem Dritten in Anspruch genommen worden, so ist 475 es seine Sache, im Innenverhältnis Ausgleich von dem wirklichen Rechtsträger zu verlangen. Damit trägt er dessen Insolvenzrisiko, was nach der Rechtsprechung des BGH allerdings angemessen ist. So BGH, Urt. v. 12.6.2012 – II ZR 256/11, ZIP 2012, 1659 ff. = NJW 2012, 2871 ff. Rn. 25; BGH, Urt. v. 15.1.1990 – II ZR 311/88, WM 1990, 600 ff. = NJW 1990, 2678 ff.

Existiert der vermeintliche Unternehmensträger (noch) nicht, haftet der Han- 476 delnde unmittelbar nach § 177 ff. BGB. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 903; BGH, Urt. v. 21.7.2005 – IX ZR 193/01, NJW-RR 2005, 1585 f. = MDR 2005, 1394 f. (zur Anwaltshaftung).

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C. Außenhaftung

477 Ein Verstoß gegen § 5a GmbHG führt nach Auffassung des LG Düsseldorf nicht ohne Weiteres zur persönlichen Haftung desjenigen, der die Firma falsch angegeben hat. Vielmehr sind weitere, vertrauensbegründende Aspekte erforderlich. Gegen die Annahme der Inhaberschaft einer natürlichen Person spricht nach Auffassung des Gerichts, dass in diesem Falle der Zusatz „e. K.“ erforderlich gewesen wäre. Schon die Verwendung der Bezeichnung „UG“ soll nach Auffassung des Gerichts geeignet sein, beim Vertragspartner erkennen zu lassen, dass es sich um eine juristische Person handelt. In dem entschiedenen Fall bestand allerdings die Besonderheit, dass es sich um einen geschäftlich erfahrenen Vertragspartner gehandelt hat, dessen Aufsichtsrat mit Steuerberatern und Juristen besetzt war. Vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 16.10.2013 – 9 O 434/12, ZIP 2014, 1174 ff. (rkr.).

2. Haftung wegen Pflichtverletzung vor oder bei Vertragsschluss („c. i. c.“) 478 Die §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB kommen gegenüber dem Vertragspartner in Betracht („culpa in contrahendo“). Die Pflichtverletzung besteht hier regelmäßig in der Verletzung von Sorgfalts- und Obhutspflichten, z. B. die unterlassene Aufklärung über eine wirtschaftlich angespannte Lage. So Bitter, ZInsO 2018, 625, 636.

479 Der Anspruch aus c. i. c. richtet sich regelmäßig gegen den (zukünftigen) Vertragspartner, also gegen die Gesellschaft. So Bitter, ZInsO 2018, 625, 636.

480 Eine Erstreckung der Haftung aus c. i. c. auf die Person, die für die Gesellschaft gehandelt hat, kommt regelmäßig nur in Betracht, wenn besondere Umstände hinzutreten, z. B. wirtschaftliches Eigeninteresse des Vertreters oder Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens. 481 Die Vertreterhaftung wegen wirtschaftlichem Eigeninteresse wurde vom Reichsgericht für Fälle entwickelt, in denen der Vertreter der eigentliche Vertragsinteressent war und nur aus formalen Gründen nicht selbst als Vertragspartei, sondern als Vertreter auftrat („procurator in rem suam“). So RG, Urt. v. 1.3.1928 – VI 258/27, RGZ 120, 249, 252 f.

482 Nach der Rechtsprechung des BGH war ein die Haftung begründendes Eigeninteresse angenommen worden, wenn das handelnde Organ an der Gesellschaft als Allein- oder Mehrheitsgesellschafter beteiligt war. So BGH, Urt. v. 23.2.1993 – VIII ZR 325/81, BGHZ 87, 27 ff. = ZIP 1983, 428 ff.; BGH, Urt. v. 27.10.1982 – VIII ZR 187/81, ZIP 1982, 1435 ff. = NJW 1983, 676 ff.

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III. Vertrauenshaftung

An dieser Rechtsprechung hat der BGH nachfolgend nicht mehr festgehal- 483 ten, sondern das Vorliegen weiterer Voraussetzungen verlangt, wobei auch die Hingabe von Sicherheiten nicht ausreicht. So BGH, Urt. v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 ff. = ZIP 1994, 1103 ff. = NJW 1995, 1202 f. (m. Anm. Hirte).

Eine Eigenhaftung des Vertreters kann sich auch unter dem Gesichtspunkt 484 der Vertreterhaftung wegen in Inanspruchnahme eines besonderen persönlichen Vertrauens ergeben. Zwar nimmt das Organ, wenn er für die Gesellschaft in Vertragsverhandlungen eintritt, grundsätzlich nur das normale Verhandlungsvertrauen in Anspruch, für dessen Verletzung der Vertragspartner, also die Gesellschaft, einzustehen hat. Wenn von dem Vertreter gegenüber dem Vertragspartner allerdings ein zusätzliches, von ihm selbst ausgehendes Vertrauen auf die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Erklärungen hervorgerufen wird, ist ein besonderes persönliches Vertrauen gegeben. So BGH, Urt. v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 ff. = ZIP 1994, 1103 ff. = NJW 1995, 1202 f. (m. Anm. Hirte); BGH, Urt. v. 1.7.1991 – II ZR 180/90, NJW-RR 1991, 1312 ff. = ZIP 1991, 1140 ff., dazu EWiR 1992, 161 f. (Medicus).

Eine haftungsrechtlich relevante Inanspruchnahme eines besonderen persön- 485 lichen Vertrauens liegt allerdings nicht schon dann vor, wenn sich das Verhalten des Organs darin erschöpft, eine Aufklärung über die finanziellen Verhältnisse der Gesellschaft, zu der er angesichts ihrer wirtschaftlichen Lage verpflichtet wäre, zu unterlassen. So BGH, Urt. v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 ff. = ZIP 1994, 1103 ff. = NJW 1995, 1202 f. (m. Anm. Hirte); BGH, Urt. v. 1.7.1991 – II ZR 180/90, ZIP 1991, 1140 ff. = NJW-RR 1991, 1312 ff.

Die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens kann gegeben sein, 486 wenn der Geschäftsführer als Vertragsvermittler mit Hinweis auf seine außergewöhnliche Sachkunde oder seine besondere persönliche Zuverlässigkeit dem Vertragspartner eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für das Gelingen des in Aussicht gestellten Geschäfts gibt. So BGH, Urt. v. 3.10.1989 – XI ZR 157/88, NJW 1990, 389 f. = ZIP 1989, 1455 ff., dazu EWiR 1990, 265 f. (Miller); Bitter, ZInsO 2018, 625, 637.

Eine über die besondere Vertrauenshaftung hinausgehende verschärfte per- 487 sönliche Haftung des (neu bestellten) Sanierungsgeschäftsführers einer GmbH gegenüber Dritten besteht auch bei Fortführung in Eigenverwaltung nicht. So OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.9.2017 – I-16 U 33/17, ZIP 2017, 2211 ff.

In der Praxis ist eine Haftung aus Übernahme besonderen persönlichen Ver- 488 trauens kaum von Bedeutung, da die Voraussetzungen regelmäßig nicht gegeben sind. So Bitter, ZInsO 2018, 625, 637.

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C. Außenhaftung

IV. Deliktische Haftung 489 Die deliktische Haftung greift ein, wenn keine vorhandenen vertraglichen Ansprüche bestehen, allerdings die Tatbestandsmerkmale eines gesetzlichen Haftungstatbestandes bestehen, der insbesondere aus strafrechtlichen Vorschriften resultieren kann, aber auch aus sonstigen Haftungsgründen. 1. Deliktische Zuweisung des § 31 BGB 490 Nach der für alle juristischen Personen sowie die GbR geltende Norm des § 31 BGB ist der Verein, also die Gesellschaft, für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand (das Organ), ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtung begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt. So Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 31 Rn. 3; BGH, Urt. v. 24.2.2003 – II ZR 385/99, BGHZ 154, 88 = ZfIR 2003, 745 (LS) ff. = ZIP 2003, 664 ff. = NJW 2003, 1445 ff.; BGH, Urt. v. 8.2.1952 – I ZR 92/51, NJW 1952, 537, 538.

491 Die Regelung des § 31 BGB ist keine haftungsbegründende, sondern eine haftungszuweisende Norm. So BGH, Urt. v. 23.3.2010 – VI ZR 57/09, ZIP 2010, 1122 ff. = NZG 2010, 587 ff. Rn. 38, dazu EWiR 2010, 515 f. (Bernau).

492 Sind für die unerlaubte Handlung des Verrichtungsgehilfen über das allgemeine Verschulden hinaus subjektive Elemente Voraussetzung, wie dies z. B. bei § 826 BGB oder 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB der Fall ist, müssen diese Voraussetzungen auch in der Person des Verrichtungsgehilfen erfüllt sein. So BGH, Urt. v. 23.3.2010 – VI ZR 57/09, ZIP 2010, 1122 ff. = NZG 2010, 587 ff. Rn. 38, dazu EWiR 2010, 515 f. (Bernau); BGH, Urt. v. 29.6.1956 – I ZR 129/54, NJW 1956, 1715 f. = DB 1956, 916.

493 Der Vorsatz im Rahmen deliktischer Ansprüche wird nicht grundsätzlich vermutet, sodass den Geschädigten grundsätzlich die Beweislast für das Verschulden des Schädigers, bezogen auf die Schutzgesetzverletzung, trifft. So BGH, Urt. v. 23.3.2010 – VI ZR 57/09, ZIP 2010, 1122 ff. = NZG 2010, 587 ff. Rn. 38; BGH, Urt. v. 1.7.2008 – XI ZR 411/06, ZIP 2008, 1673 ff. = ZfIR 2008, 742 (LS) = NJW 2008, 2912 ff.; BGH, Urt. v. 13.12.1984 – III ZR 20/83, NJW 1985, 1774 f. = JZ 1985, 540 f.

494 Ungeachtet dessen, dass nach § 31 BGB die Gesellschaft für Schäden haftet, die ihr organschaftlicher Vertreter im Rahmen seines Aufgabenkreises einem Dritten zugefügt hat, kommt eine eigene Haftung des Organs in Betracht, wenn er persönlich den Schaden durch eine unerlaubte Handlung herbeigeführt hat. 100

IV. Deliktische Haftung So BGH, Urt. v. 11.7.1995 – VI ZR 409/94, NJW 1995, 1369 f.; BGH, Urt. v. 29.9.1987 – VI ZR 300/86, NJW-RR 1988, 671 f.; BGH, Urt. v. 25.1.1984 – VIII ZR 227/82, ZIP 1984, 439 ff. = NJW 1984, 2284 ff.

Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers einer GmbH greift ein, wenn 495 er eine nicht im Eigentum der GmbH stehende Sache veräußert. So BGH, Urt. v. 12.3.1996 – VI ZR 90/95, ZIP 1996, 786 ff. = NJW 1996, 1535 ff., dazu EWiR 1996, 591 f. (Müller).

Eine solche deliktische Haftung gemäß §§ 31, 823 Abs. 1 BGB gegenüber ei- 496 nem Sicherungsnehmer kommt in Betracht, wenn der Geschäftsführer fahrlässig Sicherungsgut veräußert. So OLG Saarbrücken, Urt. v. 30.1.2014 – 4 U 49/13 (rkr.), GmbHR 2014, 481 ff., dazu EWiR 2014, 773 f. (Schodder).

Handelt nicht der Geschäftsführer selbst, sondern ein Mitarbeiter, trifft den 497 Geschäftsführer keine deliktische Haftung, da nur die Gesellschaft Geschäftsherr i. S. v. § 831 BGB ist. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 952; BGH, Urt. v. 10.7.2012 – VI ZR 341/10, ZIP 2012, 1552 ff. = NZG 2012, 992 ff. = NZI 2012, 941 ff.; BGH, Urt. v. 5.12.1989 – VI ZR 335/88, BGHZ 109, 297 ff. = NJW 1990, 976 ff. = ZIP 1990, 35, dazu EWiR 1990, 357 f. (Brüggemeier).

Wenn der Geschäftsführer über die Pflichten aus der Organstellung hinaus 498 weitere Pflichten übernommen hat, die er nicht nur für die Gesellschaft als deren Organ zu erfüllen hat, sondern die ihn aus besonderen Gründen persönlich gegenüber dem Gläubiger trafen und den Schutz von dessen Vermögensinteressen zum Gegenstand hatten, kommt eine Außenhaftung des Geschäftsführers einer GmbH in Betracht. So BGH, Urt. v. 10.7.2012 – VI ZR 341/10, ZIP 2012, 1552 ff. = NJW 2012, 3439 ff. Rn. 26, dazu EWiR 2012, 597 f. (Paefgen/Causevic).

2. Haftung wegen Insolvenzverschleppung (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a InsO) Eine Haftung wegen Insolvenzverschleppung kommt unter verschiedenen Ge- 499 sichtspunkten in Betracht. Die Regelung des § 823 Abs. 2 BGB ist eine allgemeine deliktsrechtliche Anspruchsgrundlage, die den Täter gegenüber dem Geschädigten verpflichtet, den aus der deliktischen Handlung resultierenden Schaden zu ersetzen. Über § 823 BGB hinausgehend erweitert § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB den Schutz auf das Vermögen des Geschädigten, das durch § 823 Abs. 1 BGB nicht geschützt ist. Haftungsvoraussetzung ist der die Schädigung eines Rechtsguts verursachende Verstoß gegen eine Schutznorm. So Sprau, in: Palandt, BGB, § 823 Rn. 56.

101

C. Außenhaftung

a) Grundlagen 500 Der organschaftliche Vertreter einer Kapitalgesellschaft oder einer haftungsbeschränkten Personenhandelsgesellschaft ist gemäß § 15a Abs. 1 InsO bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zur Insolvenzantragstellung ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung verpflichtet. 501 Bei einer Führungslosigkeit trifft die Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a Abs. 3 InsO bei einer GmbH auch jeden Gesellschafter und bei einer führungslosen Aktiengesellschaft oder Genossenschaft auch jedes Mitglied des Aufsichtsrates. Eine Insolvenzantragspflicht des Gesellschafters bzw. Mitglieds des Aufsichtsrates besteht nicht, wenn diese Person von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis hat. 502 Bei Führungslosigkeit einer insolventen GmbH ist zur Stellung eines Insolvenzantrags jeder Gesellschafter berechtigt und auch verpflichtet. Ist Gesellschafterin der insolvenzreifen GmbH eine ebenfalls führungslose GmbH, so sind deren Gesellschafter berechtigt und verpflichtet, den Insolvenzantrag für die insolvente Gesellschaft zu stellen. So LG München, Beschl. v. 29.7.2013 – 14 T 15462/13, ZInsO 2014, 1166; Köhler-Ma/de Bruyn, ZIP 2018, 261.

503 Die Bestimmung des § 15a Abs. 1 InsO ist Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Gesellschaftsgläubiger. So OLG Hamm, Beschl. v. 7.2.2014 – 9 U 224/13, ZInsO 2014, 840 ff.; umfassend K/P/B-Preuß, InsO, § 15a Rn. 84.

504 Schon zu den Vorgängernormen, die noch im Gesellschaftsrecht angesiedelt waren (§ 64 Abs. 1 GmbHG a. F., § 92 Abs. 2 AktG a. F., § 99 Abs. 1 GenG a. F., §§ 130a Abs. 1, 177a HGB a. F.), war entschieden, dass es sich um Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB gehandelt hat. So BGH, Urt. v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 ff. = ZIP 1994, 1103 ff. = NJW 1995, 1202 ff. (m. Anm. Hirte); BGH, Beschl. v. 20.9.1993 – II ZR 292/91, NJW 1993, 2931 ff. = DStR 1993, 1714 ff. = ZIP 1993, 1543 (Gerd Müller, S. 1531, Wilhelm, S. 1833), dazu EWiR 1993, 583 f. (Wiedemann).

505 Sämtliche Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer sind – unabhängig von einer möglichen Ressortverteilung – zur Insolvenzantragstellung verpflichtet. Diese Verpflichtung kann auch nicht durch Gesellschaftsvertrag oder Gesellschafterbeschluss abbedungen werden. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 1101.

102

IV. Deliktische Haftung

Die Gesellschaft ist berechtigt, ein Vorstandsmitglied oder einen Geschäfts- 506 führer, der die Insolvenzantragspflicht verletzt, außerordentlich gemäß § 826 Abs. 1 BGB zu kündigen. So BGH, Urt. v. 20.6.2005 – II ZR 18/03, ZIP 2005, 1365 ff. = NJW 2005, 3069 ff.; vgl. Gehrlein, BB 2005, 1700 ff.; Haase/Sommermeyer, GmbHR 2005, 1051 ff.

b) Schaden Das Verbot der Insolvenzverschleppung dient nicht nur der Erhaltung des 507 Gesellschaftsvermögens, sondern hat auch den Zweck, insolvenzreife Gesellschaften mit beschränktem Haftungsfond vom Geschäftsverkehr fernzuhalten, damit durch das Auftreten solcher Gebilde nicht Gläubiger geschädigt oder gefährdet werden. So BGH, Urt. v. 22.10.2013 – II ZR 394/12, ZIP 2014, 23 ff. = NZI 2014, 25 f. = KTS 2014, 316 ff. Rn. 7 = GmbHR 2014, 89 ff. (m. Anm. Poertzgen), dazu EWiR 2014, 277 f. (Wahl/Mann).

Hinsichtlich des Schadens, der durch eine Insolvenzverschleppung entsteht, 508 ist zwischen dem Altgläubiger- und dem Neugläubigerschaden zu unterscheiden. Vgl. K/P/B-Preuß, InsO, § 15a Rn. 85 ff.

Der Schaden des Altgläubigers besteht in der durch die Insolvenzverschleppung 509 bedingten Masse- und Quotenverminderung. Der Schaden des Neugläubigers liegt darin, dass er der Gesellschaft im Vertrauen auf deren Solvenz noch Geld- oder Sachmittel zur Verfügung gestellt hat, ohne einen entsprechend werthaltigen Gegenanspruch oder eine entsprechende Gegenleistung zu erlangen. So BGH, Urt. v. 22.10.2013 – II ZR 394/12, ZIP 2014, 23 ff. = NZI 2014, 25 f. = KTS 2014, 316 ff. Rn. 7 = GmbHR 2014, 89 ff. (m. Anm. Poertzgen), dazu EWiR 2014, 277 f. (Wahl/Mann); BGH, Urt. v. 14.5.2012 – II ZR 130/10, ZIP 2012, 1455 ff. = DStR 2012, 1872 ff., dazu EWiR 2012, 525 f. (Schodder) Rn. 13; BGH, Urt. v. 15.3.2011 – II ZR 204/09, ZIP 2011, 1007 ff. = NZI 2011, 452 ff. = NJW 2011, 2427 ff. Rn. 40, dazu EWiR 2011, 503 f. (Wachter); BGH, Urt. v. 5.2.2007 – II ZR 234/05, BGHZ 171, 46 ff. = NZG 2007, 347 ff. Rn. 13 = ZIP 2007, 676, dazu EWiR 2007, 305 f. (Haas/Reiche); BGH, Urt. v. 25.7.2005 – II ZR 390/03, BGHZ 164, 50 ff. = ZIP 2005, 1734 ff. = NZI 2006, 58 ff.

Einem Neugläubiger steht der Ersatz des Vertrauensschadens zu, der da- 510 durch entsteht, dass der Gläubiger mit dem Schuldner einen Vertrag schließt und eine Vorleistung erbringt. So BGH, Urt. v. 22.10.2013 – II ZR 394/12, ZIP 2014, 23 ff. = NZI 2014, 25 f. = KTS 2014, 316 ff. Rn. 7 = GmbHR 2014, 89 ff. (m. Anm. Poertzgen), dazu EWiR 2014, 277 f. (Wahl/Mann).

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C. Außenhaftung

511 Neugläubiger haben bei einem schuldhaften Verstoß der Geschäftsführer gegen die Insolvenzantragspflicht einen Anspruch gegen diese auf Ausgleich des Schadens, der ihnen dadurch entsteht, dass sie in Rechtsbeziehungen zu einer überschuldeten oder zahlungsunfähigen Gesellschaft getreten sind. So BGH, Urt. v. 22.10.2013 – II ZR 394/12, ZIP 2014, 23 ff. = NZI 2014, 25 f. = KTS 2014, 316 ff. Rn. 7 = GmbHR 2014, 89 ff. (m. Anm. Poertzgen), dazu EWiR 2014, 277 f. (Wahl/Mann); BGH, Urt. v. 14.5.2012 – II ZR 130/10, ZIP 2012, 1455 ff. = DStR 2012, 1872 ff. Rn. 13, dazu EWR 2012, 525 f. (Schodder); BGH, Urt. v. 15.3.2011 – II ZR 204/09, ZIP 2011, 1007 ff. = NZI 2011, 452 ff. = NJW 2011, 2427 ff. Rn. 40, dazu EWiR 2011, 503 f. (Wachter); BGH, Urt. v. 5.2.2007 – II ZR 234/05, BGHZ 171, 46 ff. = ZIP 2007, 676 ff. = NZG 2007, 347 ff. Rn. 13, dazu EWiR 2007, 305 f. (Haas/Reiche); BGH, Urt. v. 25.7.2005 – II ZR 390/03, BGHZ 164, 50 ff. = ZIP 2005, 1734 ff. = NZI 2006, 58 ff.

512 Hat eine insolvenzreife GmbH die von ihr geschuldete vertragliche Leistung nicht ordnungsgemäß erbracht und ist dadurch die Schädigung des Vermögens des Vertragspartners der GmbH durch deliktisches Handeln eines Dritten begünstigt worden, besteht darin unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Insolvenzantragspflicht kein die Haftung des Geschäftsführers der GmbH für den eingetretenen Schaden auslösender innerer Zusammenhang zwischen der Verletzung der Insolvenzantragspflicht durch den Geschäftsführer und dem Vermögensschaden des Vertragspartners der GmbH. So BGH, Urt. v. 21.10.2014 – II ZR 113/13, NZI 2015, 234 ff. = ZIP 2015, 267, dazu EWiR 2015, 209 f. (Seidel).

513 Der geschädigte Neugläubiger ist – gegebenenfalls Zug um Zug gegen Abtretung seiner Forderung gegen die Schuldnerin – so zu stellen, wie er stünde, wenn er mit der insolvenzreifen Gesellschaft keinen Vertrag geschlossen hätte. Der somit auf den Ausgleich des negativen Interesses gerichtete Schadensersatzanspruch umfasst nicht den aus dem abgeschlossenen Geschäft mit dem Schuldner entgangenen Gewinn; der Neugläubiger kann allerdings einen Gewinn ersetzt verlangen (§ 252 BGB), den er ohne den Vertragsschluss mit dem Schuldner anderweitig hätte erzielen können. So BGH, Urt. v. 15.3.2011 – II ZR 204/09 Rn. 40; BGH, Urt. v. 14.5.2012 – II ZR 130/10, ZIP 2012, 1455 ff. = DStR 2012, 1872 ff. Rn. 13, dazu EWiR 2012, 525 f. (Schodder); BGH, Urt. v. 15.3.2011 – II ZR 204/09, ZIP 2011, 1007 ff. = NZI 2011, 452 ff. = NJW 2011, 2427 ff. Rn. 40, dazu EWiR 2011, 503 f. (Wachter); BGH, Urt. v. 5.2.2007 – II ZR 234/05, BGHZ 171, 46 = NZG 2007, 347 ff. = ZIP 2007, 676 ff. Rn. 13, dazu EWIR 2007, 305 f. (Haas/Reiche); BGH, Urt. v. 25.7.2005 – II ZR 390/03, BGHZ 164, 50 = ZIP 2005, 1734 ff. = NZI 2006, 58 ff.; BGH, Urt. v. 27.4.2009 – II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 ff. = NZG 2009, 750 ff. Rn. 16, dazu EWiR 2009, 575 f. (Podewils); BGH, Urt. v. 5.2.2007 – II ZR 234/05, BGHZ 171, 46 ff. = NZG 2007, 347 ff. Rn. 13 = ZIP 2007, 676 ff., dazu EWiR 2007, 305 f. (Haas/Reiche).

104

IV. Deliktische Haftung

Während der Altgläubigerschaden durch den Insolvenzverwalter geltend ge- 514 macht wird, haben die Neugläubiger einen unmittelbaren Anspruch gegen das Organ der Gesellschaft, der von ihnen auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch außerhalb des Verfahrens geltend gemacht werden kann. So Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 6 Rn. 59.

Der Quotenschaden der Altgläubiger ist durch den Schutzzweck des § 15a 515 Abs. 1 InsO auf den Betrag beschränkt, um den sich die Masse und damit ihre Quote infolge der Insolvenzverschleppung verringert hat. So BGH, Urt. v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 190 = ZIP 1994, 1103; BGH, Urt. v. 28.4.1997 – II ZR 20/97, ZIP 1997, 1542.

Ein weitergehender Schaden ist vom Schutzbereich der Insolvenzantrags- 516 pflicht nicht erfasst, sodass z. B. der durch die Insolvenzverschleppung eingetretene Verlust insolvenzfester Sicherungsrechte nicht erstattungsfähig ist. So Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 6 Rn. 347.

Ein Vermieter, der dem Mieter vor Insolvenzreife Räume überlassen hat, ist 517 regelmäßig Altgläubiger und erleidet keinen Neugläubigerschaden infolge der Insolvenzverschleppung, wenn er sich bei Insolvenzreife nicht von dem Mietvertrag hätte lösen können. Der Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht ist bei Begründung eines Dauerschuldverhältnisses vor Insolvenzreife nicht ursächlich für den Vertragsabschluss und damit für die Geld- oder Sachleistung nach Insolvenzreife. Vielmehr ist der Gläubiger aufgrund der vertraglichen Beziehung zur Leistung verpflichtet. So BGH, Urt. v. 22.10.2013 – II ZR 394/12, ZIP 2014, 23 ff. = NZI 2014, 25 f. = KTS 2014, 316 ff. Rn. 7 = GmbHR 2014, 89 ff. (m. Anm. Poertzgen), dazu EWiR 2014, 277 f. (Wahl/Mann).

Lediglich dann, wenn das Dauerschuldverhältnis mit Insolvenzeröffnung en- 518 det oder gekündigt werden kann oder eine Lösung vom Vertrag bei Stellung eines Eröffnungsantrags möglich ist, kann die Fortsetzung des vertraglichen Verhältnisses darauf beruhen, dass der Gläubiger seine Leistung im Vertrauen auf die Solvenz der Gesellschaft fortsetzt, obwohl er sich bei Kenntnis der Insolvenzreife vom Vertrag gelöst hätte. So BGH, Urt. v. 22.10.2013 – II ZR 394/12, ZIP 2014, 23 ff. = NZI 2014, 25 f. = KTS 2014, 316 ff. Rn. 7 = GmbHR 2014, 89 ff. (m. Anm. Poertzgen), dazu EWiR 2014, 277 f. (Wahl/Mann); BGH, Urt. v. 5.2.2007 – II ZR 234/05, BGHZ 171, 46 ff. = ZIP 2007, 676 ff. Rn. 13, dazu EWiR 2007, 305 f. (Haas/Reiche).

Ein Neugläubigerschaden ist z. B. bei einem sog. „Kreditgewährungsschaden“ 519 gegeben, den eine Bank im Rahmen eines der GmbH eingeräumten Konto-

105

C. Außenhaftung

korrentkredits erleidet, soweit sich dessen Saldo in der Insolvenzverschleppungsphase erhöht. Damit erwirbt die Bank eine (wertlose) Forderung gegen die GmbH, aus der sich eine Haftung gegen den Geschäftsführer ergibt. So BGH, Urt. v. 5.2.2007 – II ZR 234/05, BGHZ 171, 46 ff. = NZG 2007, 347 ff. Rn. 13 = ZIP 2007, 676 ff., dazu EWiR 2007, 305 f. (Haas/Reiche); BGH, Urt. v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 ff. = NJW 1994, 2220 ff. = ZIP 1994, 1103 ff.

520 Auch Honoraransprüche von Rechtsanwälten können einen Neugläubigerschaden darstellen. Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.3.2013 – I-24 U 204/12, MDR 2013, 1196 ff.

521 Aus einer Insolvenzverschleppung ergibt sich darüber hinaus noch die Verpflichtung zur Leistung eines Massekostenvorschusses gemäß § 26 Abs. 4 Satz 1 InsO. Diese Norm, die in der Praxis kaum Anwendung findet, stellt eine Art Schadensersatz für unterlassene oder verspätete Insolvenzantragstellung dar. So Keller, in: Karsten Schmidt, InsO, § 26 Rn. 41.

3. Haftung wegen Betruges (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB) 522 Der Straftatbestand des Betruges (§ 263 StGB) ist Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB. So Sprau, in: Palandt, BGB, § 823 Rn. 69.

523 In der Krise einer Kapitalgesellschaft spielt der Eingehungsbetrug eine große Rolle. Bei einem gegenseitigen Vertrag besteht nach Treu und Glauben für den einen Vertragsteil die Rechtspflicht, eine bei ihm nach dem Vertragsschluss eingetretene Zahlungsunfähigkeit dem vorleistungspflichtigen Vertragsgegner zu offenbaren. So BGH, Urt. v. 15.6.1954 – 1 StR 526/53, BGHSt 6, 198 f. = NJW 1954, 1414 f.; OLG Köln, Beschl. v. 9.7.2013 – 19 U 34/13, ZInsO 2014, 2453, 2455; Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 11 Rn. 17.

524 Grundsätzlich gilt, dass das Eingehen einer Zahlungsverpflichtung konkludent die Erklärung der Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit enthält, sodass der Vertragspartner zur Vorleistung bereit ist. Der Tatbestand des § 263 StGB ist erfüllt, wenn der Täter im Moment des Eingehens der Vertragsverpflichtung seine Zahlungsunfähigkeit kennt. Dies ist freilich nicht gegeben, wenn er erst etwa ein Jahr nach der Warenbestellung die eidesstattliche Versicherung abgibt. So AG Neukölln, Urt. v. 18.7.2008 – 20 C 68/08, ZVI 2009, 85, 86.

525 Gläubiger versuchen bisweilen durch Strafanzeigen gegen die Organe des Schuldners ein Ermittlungsverfahren in Gang zu setzten, um damit Druck

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IV. Deliktische Haftung

auf den organschaftlichen Vertreter in der Hoffnung auszuüben, dass er den Schaden ausgleicht. Sieht die Staatsanwaltschaft einen hinreichenden Tatverdacht, wird das Strafverfahren zum Teil gemäß § 153a Abs. 1 StPO mit der Auflage eingestellt, dass der Täter dem Geschädigten den entstandenen Schaden zu ersetzen hat. Damit ist dann das Ziel des Anzeigeerstatters erreicht. Vgl. Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 11 Rn. 18.

Problematisch ist in aller Regel der Nachweis, dass das Organ im Zeitpunkt 526 der Eingehung der Verbindlichkeit wusste, dass die Gesellschaft bei Fälligkeit nicht wird zahlen können. Hierbei fehlt dem Anzeigeerstatter oftmals die Kenntnis über die wirtschaftlichen Verhältnisse der späteren schuldnerischen Gesellschaft, da er z. B. nicht über betriebswirtschaftliche Auswertungen, Informationen über Zwangsvollstreckungsmaßnahmen etc. verfügt. 4. Haftung wegen Untreue (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB) Eine Haftung wegen Untreue kommt ebenfalls in Betracht, da § 266 StGB 527 Schutzgesetz i. S. v. § 823 BGB ist. So Sprau, in: Palandt, BGB, § 823 Rn. 69.

Soweit der Straftatbestand der Untreue (§ 266 StGB) gegenüber der Gesell- 528 schaft verübt wird, haftet das handelnde Organ unmittelbar gemäß § 93 Abs. 1 AktG bzw. § 43 Abs. 2 GmbHG, ohne dass es eines Rückgriffs auf die deliktische Haftung bedarf. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 985.

Die Pflichten aus der Organstellung zur ordnungsgemäßen Führung der Ge- 529 schäfte der Gesellschaft aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 43 Abs. 1 GmbHG bestehen grundsätzlich nur gegenüber der Gesellschaft, sodass bei der Verletzung dieser Pflichten grundsätzlich lediglich Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen das Organ bestehen. Insbesondere ergibt sich aus der Stellung als Geschäftsführer einer GmbH bzw. Mitglied des Vorstands einer Aktiengesellschaft keine Garantenpflicht gegenüber außenstehenden Dritten, eine Schädigung ihres Vermögens zu verhindern. So BGH, Urt. v. 10.7.2012 – VI ZR 341/10, BGHZ 194, 26 ff. = NZI 2012, 1552 ff. = NZI 2012, 941 ff. Rn. 22 = ZIP 2012, 1552, dazu EWiR 2012, 597 f. (Paefgen, W./Causevic).

(1) Sind die in § 93 Abs. 1 AktG normierten äußersten Grenzen unterneh- 530 merischen Ermessens überschritten und ist damit eine Hauptpflicht gegenüber dem zu betreuenden Unternehmen verletzt worden, liegt eine Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten vor, die (gleichsam „automatisch“) so gravierend ist, dass sie zugleich eine Pflichtwidrigkeit i. S. v. § 266 StGB begründet. (2) § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG definiert einen „sicheren Hafen“, d. h., die Ein- 531 haltung seiner Voraussetzungen schließt eine Pflichtverletzung aus. Umge-

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C. Außenhaftung

kehrt begründet die Überschreitung seiner Grenzen durch einen Verstoß gegen Informationspflichten allein noch keine Pflichtverletzung, sondern es ist auch dann noch pflichtgemäßes Handeln nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG möglich. Allerdings indiziert der Verstoß gegen § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG eine Pflichtverletzung. Letztlich ist eine Verletzung der Sorgfaltspflichten aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG immer nur dann zu bejahen, wenn ein schlechthin unvertretbares Vorstandshandeln vorliegt; der Leitungsfehler muss sich auch einem Außenstehenden förmlich aufdrängen. 532 (3) § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG dient dem Schutz von Aktionären und dritten Personen, die zu der AG in rechtlicher oder wirtschaftlicher Beziehung stehen oder in eine solche Beziehung treten wollen und deshalb an dem Vermögensstand, den Verhältnissen und der Vertrauenswürdigkeit der Gesellschaft interessiert sind. Aus dem Tatbestand auszuschließen sind Erklärungen, die bei abstrakter Betrachtungsweise für eine Entscheidung der geschützten Personen, mit der Gesellschaft in rechtliche oder wirtschaftliche Beziehungen zu treten, nicht relevant sind. So BGH, Urt. v. 12.10.2016 – 5 StR 134/15, ZIP 2016, 2467 ff. = wistra 2017, 148 ff.

533 Eine qualifizierte Vermögensbetreuungspflicht i. S. d. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB liegt auch nicht in der Verpflichtung des Auftraggebers, die von ihm gemäß § 17 Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 VOB/B einbehaltene Sicherheit auf ein Sperrkonto einzuzahlen (§ 17 Nr. 6 Abs. 1 Satz 3 VOB/B/B). So BGH, Urt. v. 25.5.2010 – VI ZR 205/09, BGHZ 185, 378 ff. = ZfBR 2010, 658 ff. = NJW 2010, 2948 ff. Rn. 14.

5. Haftung wegen Bankrotts (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 283 StGB) 534 Die Insolvenzstraftatbestände (§§ 283 ff. StGB) schützen – neben individuellen Interessen – in erster Linie die Insolvenzmasse im Interesse der gesamten Gläubigerschaft. So BGH, Urt. v. 22.2.2001 – 4 StR 421/00, NJW 2001, 1874 ff. = NZI 2001, 496 ff. Rn. 17, dazu EWiR 2002, 125 f. (Wessing); BGH, Urt. v. 4.4.1979 – 3 StR 488/78, BGHSt 28, 371 ff. = NJW 1980, 406 ff.

535 Bislang hatte in der Praxis eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 283 ff. StGB keine nennenswerte Bedeutung, da aufgrund der bislang herrschenden „Interessentheorie“ eine Strafbarkeit bei eigennützigen Motiven des Organs ausschied. Vgl. Bitter, ZInsO 2018, 625, 642; vgl. zur Interessentheorie BGH, Beschl. v. 14.12.1999 – 5 StR 520/99, wistra 2000, 136 = NZI 2001, 97; BGH, Urt. v. 20.5.1981 – 3 StR 94/81, BGHSt 30, 127 ff. = NJW 1981, 1793 f.

536 In der Anwendung der Interessentheorie entsteht eine Ungleichbehandlung von Einzelkaufleuten und GmbH-Geschäftsführern. Die Anwendung der 108

IV. Deliktische Haftung

„Interessenformel“ führt zu einer dem Schutzzweck zuwiderlaufenden Zurückdrängung der Delikte des Insolvenzstrafrechts bei vermögensschädigenden und damit in der Regel masseschmälernden Verhaltensweisen zum Nachteil von Handelsgesellschaften. Der BGH hält daher an der Interessentheorie nicht mehr fest. So BGH, Beschl. v. 10.1.2012 – 4 Ars 17/11, wistra 2012, 191; BGH, Beschl. v. 15.9.2011 – 3 StR 118/11, ZIP 2011, 2403 ff. = NStZ 2012, 89 ff., dazu EWiR 2012, 399 f. (Brammsen).

Somit kommen auch deliktische Ansprüche gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. 537 § 283 StGB gegen die Organe in Betracht. 6. Haftung wegen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a StGB) Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB ist auch das Vorenthalten und Verun- 538 treuen von Arbeitsentgelt. Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird gemäß § 266a Abs. 1 StGB bestraft. Gemäß § 266a Abs. 2 StGB wird ebenso bestraft, wer als Arbeitgeber der für 539 den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung vorenthält. Gemäß § 266a Abs. 6 StGB kann das Gericht in diesen Fällen von einer Be- 540 strafung absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und darlegt, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich ernsthaft darum bemüht hat. Der Anspruch richtet sich – sofern mehrere Geschäftsführer bestellt sind – 541 gegen sämtliche Geschäftsführer. Sie sind für die Erfüllung der öffentlichrechtlichen Pflichten der Gesellschaft, zu denen die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge gehört, unabhängig von der internen Zuständigkeitsverteilung oder einer Delegation auf andere Personen, verantwortlich. So BGH, Urt. v. 2.6.2008 – II ZR 27/07, ZIP 2008, 1275 f. = NZG 2008, 628 f. = DStR 2008, 1492 f. Rn. 6, dazu EWiR 2008, 719 f. (Schreiber); BGH, Urt. v. 10.1.2001 – VI ZR 407/99, ZIP 2001, 422 ff. = NZI 2001, 194 ff. = NJW 2001, 469 ff.; BGH, Urt. v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, BGHZ 370 ff. = ZIP 1996, 2071 ff. Rn. 20, dazu EWiR 1997, 37 f. (Schneider).

Der Sozialversicherungsträger, der den Geschäftsführer einer GmbH wegen 542 Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen aus § 823 Abs. 2 BGB, § 266a 109

C. Außenhaftung

Abs. 1 StGB in Anspruch nimmt, trägt für den Vorsatz des Beklagten die Darlegungs- und Beweislast auch dann, wenn die objektive Pflichtwidrigkeit des beanstandeten Verhaltens feststeht. So BGH, Urt. v. 3.5.2016 – II ZR 311/14, ZIP 2016, 1283 ff. = WM 2016, 1231 ff., dazu EWiR 2016, 523 f. (Kuhn).

543 Zur Annahme des Vorsatzes reicht es aus, wenn der Geschäftsführer eine für möglich gehaltene Beitragsvorenthaltung billigt und nicht auf die Erfüllung der Ansprüche der Sozialversicherungsträger hinwirkt. Ist die Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung dem Resort eines anderen Geschäftsführers zugewiesen oder auf Angestellte übertragen, muss der Geschäftsführer im Rahmen der ihm verbliebenen Überwachungspflicht tätig werden, sobald Anhaltspunkte bestehen, dass die Erfüllung der Aufgaben durch den intern zuständigen Geschäftsführer oder den mit der Erledigung beauftragten Angestellten nicht mehr gewährleistet ist, und durch geeignete Maßnahmen die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge sicherstellen sowie die Einhaltung der Pflicht überwachen. So BGH, Urt. v. 2.6.2008 – II ZR 27/07, ZIP 2008, 1275 f. = NZG 2008, 628 f. = DStR 2008, 1492 f. Rn. 11, dazu EWiR 2008, 719 f. (Schreiber); BGH, Urt. v. 9.1.2001 – VI ZR 407/99, ZIP 2001, 422 ff. = NZI 2001, 194 ff. = NJW 2001, 469 ff.; BGH, Urt. v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, BGHZ 370 ff. = ZIP 1996, 2071 ff., dazu EWiR 1997, 37 f. (Schneider).

544 Eine finanzielle Krisensituation oder ungeordnete Verhältnisse im Geschäftsablauf innerhalb der Gesellschaft bieten Anlass für konkrete Überwachungsmaßnahmen. So BGH, Urt. v. 2.6.2008 – II ZR 27/07, ZIP 2008, 1275 f. = NZG 2008, 628 f. = DStR 2008, 1492 f. Rn. 11, dazu EWiR 2008, 719 f. (Schreiber); BGH, Urt. v. 9.1.2001 – VI ZR 407/99; ZIP 2001, 422 ff. = NZI 2001, 194 ff. = NJW 2001, 469 ff.; BGH, Urt. v. 15.10.1996 – V ZR 315/95.

545 Die Bestimmung des § 24 Abs. 1 SGB IV, wonach Säumniszuschläge zu erheben sind, ist kein Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB. So BGH, Urt. v. 16.2.2012 – IX ZR 218/10, ZVI 2012, 189 ff. = WM 2012, 660 ff. Rn. 12; BGH, Urt. v. 2.12.2010 – IX ZR 247/09, BGHZ 187, 337 ff. = WM 2011, 88 ff. Rn. 24 = ZIP 2011, 37, dazu EWiR 2011, 261 f. (Riedemann); BGH, Urt. v. 18.11.2010 – IX ZR 67/10, ZVI 2011, 93 ff. = KTS 2011, 363 ff. Rn. 16; BGH, Beschl. v. 14.7.2008 – II ZR 238/07, ZIP 2008, 2075 ff. = WM 2008, 2125 ff. = NJW 2008, 3557 ff., dazu EWiR 2009, 79 f. (Kuhn); BGH, Urt. v. 11.6.1985 – VI ZR 61/84, ZIP 1995, 996 ff. = MDR 1996, 43 f.

546 Die Nichtzugehörigkeit des Säumniszuschlags gemäß § 24 Abs. 1 SGB IV zu den Schutzgesetzen des § 823 Abs. 2 BGB hat darüber hinaus in der Insolvenz des Einzelunternehmers, der Arbeitgeber ist, sowie im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Organs (Geschäftsführer oder Vorstand) zur

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IV. Deliktische Haftung

Folge, dass der Säumniszuschlag nicht als Deliktforderung i. S. v. § 302 Nr. 1 InsO angemeldet werden kann. Die Säumniszuschläge i. S. v. § 24 Abs. 2 SGB IV werden daher von der Erteilung der Restschuldbefreiung erfasst. Bei der Regelung des § 266a StGB sind zwei Besonderheiten zu berücksichtigen. 547 Den Arbeitgeber trifft die Verpflichtung zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge auch dann, wenn die den Arbeitnehmern zustehenden Löhne ganz oder teilweise gar nicht ausgezahlt werden. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 992.

Ebenfalls besteht eine Verpflichtung zur Abführung von Arbeitnehmerbei- 548 trägen, wenn Arbeitnehmer nicht angemeldet, sondern illegal beschäftigt werden. Bei Straftaten der Beitragsvorenthaltung gemäß § 266a StGB im Rahmen von illegalen, aber versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen bestimmt sich das Bruttoentgelt nach den sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben. Daran knüpft die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge an. Vorenthalten i. S. v. § 266a StGB sind die nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften tatsächlich geschuldeten Beiträge, da der Straftatbestand des § 266a StGB sozialrechtsakzessorisch ausgestaltet ist. So BGH, Urt. v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, ZIP 2009, 473 ff. = NJW 2008, 528 ff. Rn. 14, dazu EWiR 2009, 219 f. (Floeth).

Eine strafbare Veruntreuung von Arbeitsentgelt liegt lediglich hinsichtlich 549 des Arbeitnehmeranteils, nicht aber des Arbeitgeberanteils vor. So BGH, Urt. v. 25.1.2011 – II ZR196/09 Rn. 19, dazu EWiR 2011, 257 f. (Giedinghagen/Göb); BGH, Urt. v. 8.6.2009 – II ZR 147/08, ZIP 2009, 1468 f. = WM 2009, 1514 f. = NZG 2009, 913 f. Rn. 6, dazu EWiR 2009, 675 f. (Vortmann).

Die Vorenthaltung eines Beitrags ist gegeben, wenn der Beitrag am Fällig- 550 keitstermin nicht bezahlt worden ist und der Gesellschaft die Zahlung möglich wäre. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 996.

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV werden Beiträge, die nach dem Arbeits- 551 entgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind, in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt. Der Tatbestand der Beitragsvorenthaltung gemäß § 266a StGB ist bereits bei 552 der schlichten Nichtzahlung am Fälligkeitstage gegeben. So BGH, Urt. v. 1.10.1991 – VI ZR 374/90, ZIP 1991, 1511 ff. = NJW 1992, 117 ff., dazu EWiR 1992, 79 f. (Marxen).

Abweichungen können sich aus der Satzung einer Krankenkasse ergeben. Ist 553 dort zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags ein „Fälligkeitster111

C. Außenhaftung

min“ und ein von diesem abweichender „Zahlungstag“ bestimmt, wird der geschuldete Beitrag erst mit dem „Zahlungstag“ fällig. So BGH, Urt. v. 18.11.1997 – VI ZR 11/97, ZIP 1998, 31 ff. = NZG 1998, 153 ff. = NJW 1998, 1306 f., dazu EWiR 1998, 277 f. (Pape)

554 In der Krise werden bisweilen lediglich noch Teilzahlungen erbracht oder eine Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Sozialversicherungsträger abgeschlossen. Werden keine Vollzahlungen erbracht, richtet sich die Tilgungsreihenfolge grundsätzlich nach § 4 BVV (Verordnung über die Berechnung, Zahlung, Weiterleitung, Abrechnung und Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages, Beitragsverfahrensordnung, BGBl. I 2006, 1138). So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers. Rn. 1001.

555 In der Praxis ist dem Geschäftsführer anzuraten, für den Fall, dass lediglich Teilleistungen erbracht werden können, eine ausdrückliche Tilgungsbestimmung vorzunehmen, wonach – zur Vermeidung der eigenen straf- und zivilrechtlichen Haftung – mit einem ausdrücklichen Tilgungsbestimmungsvermerk auf die Arbeitnehmeranteile am Sozialversicherungsbeitrag gezahlt wird. 556 Das Gesetz geht davon aus, dass dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Fälligkeit hinreichende Liquidität zur Verfügung steht, um Sozialversicherungsabgaben zu leisten. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die Zahlung aus Barmitteln, Krediten oder sonstigen Mitteln erfolgen soll. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 1003.

557 Der Tatbestand des § 266a StGB liegt nicht vor, wenn der Arbeitgeber die Verbindlichkeit gegenüber dem Träger der Sozialversicherung bei Fälligkeit wegen Zahlungsunfähigkeit nicht erfüllen kann. So BGH, Urt. v. 18.1.2007 – IX ZR 176/05, ZIP 2007, 541 ff. = ZVI 2007, 427 ff. = NZI 2007, 416 f. Rn. 17.

558 Das geschäftsleitende Organ einer juristischen Person ist verpflichtet, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um ausreichende Liquidität zur Begleichung der Sozialversicherungsbeiträge bei Fälligkeit bereitzustellen. Der Tatbestand des § 266a StGB ist auch dann verwirklicht, wenn das geschäftsleitende Organ diese Pflicht verletzt und der Beitragsschuldner zum Fälligkeitszeitpunkt zahlungsunfähig ist. Kraft seiner Organisationsgewalt hat das geschäftsleitende Organ sicherzustellen, dass die der Körperschaft obliegenden Aufgaben durch die damit betrauten Personen auch tatsächlich erfüllt werden. So BGH, Beschl. v. 12.6.2012 – II ZR 105/10, DStR 2012, 2451 ff.; BGH, Urt. v. 21.1.1997 – VI ZR 338/95, BGHZ 134, 304 ff. = ZIP 1997, 412, dazu EWiR 1997, 561 f. (Marxen).

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IV. Deliktische Haftung

Das geschäftsleitende Organ einer juristischen Person hat kraft seiner Orga- 559 nisationsgewalt sicherzustellen, dass die der Körperschaft obliegenden Aufgaben durch die damit betrauten Personen auch tatsächlich erfüllt werden. So BGH, Beschl. v. 12.6.2012 – II ZR 105/10, DStR 2012, 2451 ff. Rn. 5; BGH, Urt. v. 2.6.2008 – II ZR 27/07, ZIP 2008, 1275 f. = NZG 2008, 628 f. = DStR 2008, 1492 f. Rn. 10, dazu EWiR 2008, 719 f. (Schreiber).

Eine den Straftatbestand ausschließende Unmöglichkeit liegt nicht vor, wenn 560 die Gesellschaft im Zeitpunkt der Fälligkeit der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung noch Zahlungen an andere Gläubiger, z. B. den Vermieter, in übersteigender Höhe geleistet hat. So BGH, Urt. v. 2.6.2008 – II ZR 27/07, ZIP 2008, 1275 f. = NZG 2008, 628 f. = DStR 2008, 1492 f. Rn. 10, dazu EWiR 2008, 719 f. (Schreiber).

Es entlastet das Organ auch nicht, wenn von dritter Seite ein „Sanierungsbe- 561 auftragter“ in die Geschäftsleitung entsandt wird und sich der eingehenden Gelder bemächtigt. So BGH, Urt. v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370 ff. = ZIP 1996, 2017 ff. Rn. 26, dazu EWiR 1997, 37 f. (Schneider).

Eine tatbestandsausschließende Unmöglichkeit liegt weiterhin nicht vor, 562 wenn die Zahlungsunfähigkeit bedingt vorsätzlich herbeigeführt worden ist, indem das Organ pflichtwidrig gehandelt hat, z. B. zwischen der Auszahlung der Löhne und Fälligkeit der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung Leistungen an andere Gläubiger erbracht worden sind. Dabei ist es unbeachtlich, ob hinsichtlich der Leistungen an andere Gläubiger eine „kongruente Deckung“ anzunehmen ist. So BGH, Urt. v. 21.1.1997 – VI ZR 338/95, WM 1997, 577 ff. = NJW 1997, 1237 ff. = ZIP 1997, 412 ff., dazu EWiR 1997, 561 f. (Marxen).

Ein geschäftsführendes Organ kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, 563 dass eine Zahlung unterblieben sei, da bereits Insolvenzantrag gestellt ist. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 1014.

Erst wenn das Insolvenzgericht zumindest einen Zustimmungsvorbehalt (§ 21 564 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO) oder ein allgemeines Verfügungsverbot (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO) angeordnet hat, verliert das geschäftsführende Organ die Möglichkeit, Zahlungen vorzunehmen. Sowohl ein Strohmann als auch ein faktischer Geschäftsführer können Täter 565 i. S. v. § 266a StGB sein, sodass sie auch gemäß § 823 Abs. 2 BGB haften. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 1022 ff.; vgl. auch: Scheidler, VR 2015, 150 ff.; Himmelskamp/Schmittmann, StuB 2006, 406 ff.

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C. Außenhaftung

566 Eine Haftung setzt voraus, dass der in Haftung Genommene im Zeitpunkt der Fälligkeit noch geschäftsführendes Organ war. Ist er vor dem Fälligkeitszeitpunkt abberufen worden, scheidet eine Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a StGB aus, selbst wenn er im Fälligkeitszeitpunkt noch im Handelsregister eingetragen war. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 1026; OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.2002 – 22 U 99/02, GmbHR 2003, 420.

567 Auch der Geschäftsführer einer Vor-GmbH haftet, da § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB auch auf Vor-Gesellschaften juristischer Personen anwendbar ist. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 1028; a. A.: KG, Urt. v. 4.7.2001 – 29 U 9/01, ZIP 2002, 438 ff. = NZG 2002, 483 ff.

568 Eine Haftung gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG (sog. „Handelndenhaftung“) scheidet allerdings aus, da die Norm lediglich für rechtsgeschäftlich begründete Verbindlichkeiten gilt. Sozialversicherungsbeiträge sind nicht rechtsgeschäftlich, sondern gesetzlich begründet. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 1029.

569 Der Straftatbestand des § 266a StGB kann lediglich vorsätzlich erfüllt werden. Zur Annahme des Vorsatzes reicht es aus, wenn das geschäftsführende Organ eine für möglich gehaltene Beitragsvorenthaltung billigt und nicht auf die Erfüllung der Ansprüche der Sozialversicherungsträger hinwirkt. So BGH, Urt. v. 2.6.2008 – II ZR 27/07, ZIP 2008, 1275 f. = NZG 2008, 628 f. = DStR 2008, 1492 f. Rn. 10, dazu EWiR 2008, 719 f. (Schreiber); BGH, Urt. v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370 ff. = ZIP 1996, 2017 ff., dazu EWiR 1997, 37 f. (Schneider); BGH, Urt. v. 1.10.1991 – VI ZR 374/90, ZIP 1991, 1511 ff. = NJW 1992, 177 ff., dazu EWiR 1992, 29 f. (Marxen).

570 Das geschäftsführende Organ muss nicht die Absicht gehabt haben, die Beiträge auf Dauer vorzuenthalten. Es genügt der Wille, sie am Fälligkeitstage nicht abzuführen. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 1031.

571 Der hier ausreichende bedingte Vorsatz ist bereits gegeben, wenn der Geschäftsführer eine für möglich gehaltene Beitragsvorenthaltung billigt und nicht auf die Erfüllung der Ansprüche der Sozialversicherungsträger hinwirkt. So BGH, Urt. v. 2.6.2008 – II ZR 27/07, ZIP 2008, 1275 f. = NZG 2008, 628 f. = DStR 2008, 1492 f. Rn. 11, dazu EWiR 2008, 719 f. (Schreiber); BGH, Urt. v. 9.1.2001 – VI ZR 407/99, ZIP 2001, 422 ff. = NZI 2001, 194 ff. = NJW 2001, 469 ff., BGH, Urt. v. 21.1.1997 – VI ZR 338/95, ZIP 1997, 412.

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IV. Deliktische Haftung

Für den Vorsatz i. S. v. § 266a Abs. 1 StGB ist das Bewusstsein und der Wille 572 erforderlich und ausreichend, die Abführung der Beiträge bei Fälligkeit zu unterlassen. Daran kann es fehlen, wenn Zahlungsversuche unternommen worden sind und die anstehende Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge mit der kontoführenden Bank abgestimmt war. Ein geschäftsleitendes Organ darf dann erwarten, dass ein in das Abstimmungsverfahren einbezogener Scheck auch eingelöst wird. In einem solchen Falle hat das geschäftsführende Organ die Nichtzahlung der Beiträge weder billigend in Kauf genommen noch sich damit wenigstens abgefunden. So BGH, Urt. v. 1.10.1991 – VI ZR 374/90, ZIP 1991, 1511 ff. = WM 1991, 2113 ff. = NJW 1992, 177 ff.

Auch eine Stundung der fälligen Sozialversicherungsbeiträge kann den Vor- 573 satz entfallen lassen. So BGH, Urt. v. 1.10.1991 – VI ZR 374/90, ZIP 1991, 1511 ff. = WM 1991, 2113 ff. = NJW 1992, 177 ff.

Zwischen der Pflichtverletzung (Vorenthalten der Sozialversicherungsbeiträge) 574 und dem eingetretenen Schaden muss Kausalität bestehen. Der ersatzfähige Schaden des Sozialversicherungsträgers entfällt, wenn der Sozialversicherungsträger die vom geschäftsführenden Organ pflichtgemäß geleisteten Zahlungen später nach den Bestimmungen über die Insolvenz- oder Gläubigeranfechtung hätte zurückzahlen müssen. So BGH, Urt. v. 16.2.2012 – IX ZR 218/10, ZVI 2012, 189 ff. = WM 2012, 660 ff. Rn. 11; BGH, Urt. v. 2.12.2010 – IX ZR 247/09, BGHZ 187, 337 ff. = WM 2011, 41 ff. = ZIP 2011, 37 ff., dazu EWiR 2011, 261 f. (Riedemann); BGH, Urt. v. 18.4.2005 – V ZR 61/03, ZIP 2005, 1026 ff. = WM 2005, 1180 ff. = NZI 2005, 447 ff. Rn. 17, dazu EWiR 2005, 743 f. (Kuhn); BGH, Urt. v. 14.11.2000 – VI ZR 149/99, ZIP 2001, 80 ff. = WM 2001, 162 ff. = KTS 2001, 155 ff., dazu EWiR 2001, 185 f. (A. Schmidt).

Das geschäftsführende Organ kann nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass 575 es die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nicht gezahlt habe, weil ansonsten ein Erstattungsanspruch wegen Verstoßes gegen die Massesicherungspflicht (§ 92 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 64 Satz 1 GmbHG, § 99 GenG) ausgelöst worden wäre. Eine Haftung nach § 64 Satz 1 GmbHG (und damit auch gemäß § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG und § 99 GenG) scheidet aus, wenn es nach Eintritt der Insolvenzreife rückständige Umsatz- und Lohnsteuer an das Finanzamt und rückständige Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung an die Einzugsstelle zahlt. Einem geschäftsführen Organ kann mit Blick auf die Einheit der Rechtsordnung nicht angesonnen werden, nach Eintritt der Insolvenzreife fällige Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nicht an die zuständige Einzugsstelle zu zahlen, um damit im Interesse einer gleichmäßigen und ranggerechten Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger im nachfolgenden Insolvenzverfahren zu handeln, sich aber gleichzeitig der Strafbarkeit gemäß

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C. Außenhaftung

§ 266a Abs. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB sowie der Schadensersatzpflicht nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a StGB auszusetzen. So BGH, Urt. v. 25.1.2011 – II ZR 196/09, ZIP 2011, 422 ff. = WM 2011, 406 ff. = NZI 2011, 196 ff. Rn. 17, dazu EWiR 2011, 257 f. (Giedinghagen/Göb); BGH, Beschl. v. 18.1.2010 – II ZR 4/09, ZIP 2010, 368 f. = WM 2010, 409 f. = NZG 2010, 305 f. Rn. 4.

576 Das Haftungsrisiko für das geschäftsführende Organ gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a StGB führt nicht zu einer besonderen Dokumentationspflicht. Weiterhin tritt auch keine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast ein, selbst wenn objektiv feststeht, dass der Pflichtenverstoß erfolgt ist. So BGH, Urt. v. 18.4.2005 – II ZR 61/03, ZIP 2005, 1026 ff. = WM 2005, 1180 ff. = NZI 2005, 447 ff., dazu EWiR 2005, 743 f. (Kuhn).

577 Der Insolvenzverwalter muss daher darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass im Haftungszeitraum keine Unmöglichkeit vorgelegen hat. Dazu reicht es aus, dass der Insolvenzverwalter z. B. vorträgt, dass die spätere Schuldnerin im maßgeblichen Zeitraum noch Zahlungen an andere Gläubiger geleistet hat, die die fälligen Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitnehmeranteil) überstiegen haben. So BGH, Urt. v. 2.6.2008 – II ZR 27/07, ZIP 2008, 1275 f. = NZG 2008, 628 f. = DStR 2008, 1492 f. Rn. 10, dazu EWiR 2008, 719 f. (Schreiber).

578 Die Beweislast für eine mögliche Anfechtbarkeit trägt der Geschäftsführer, da es sich um einen typischen Kausalverlauf handelt. So BGH, Urt. v. 16.2.2012 – IX ZR 218/10, ZVI 2012, 189 ff. = WM 2012, 660 ff. Rn. 11; BGH, Urt. v. 29.9.2008 – II ZR 162/07, ZIP 2008, 2220 ff. Rn. 14; BGH, Urt. v. 18.4.2005 – II ZR 61/03; BGH, Urt. v. 14.11.2000 – VI ZR 149/99, ZIP 2001, 80 ff. = WM 2001, 162 ff. = NZI 2001, 138 f. = KTS 2001, 155 ff., dazu EWiR 2001, 185 f. (Kuhn).

579 Der Straftatbestand des § 266a StGB bezieht sich lediglich auf den Arbeitnehmeranteil des Sozialversicherungsbeitrags. Daher kommt eine Ersatzpflicht auch lediglich hinsichtlich des Arbeitnehmer-, nicht aber hinsichtlich des Arbeitgeberanteils in Betracht. So BGH, Urt. v. 25.1.2011 – II ZR 196/09, ZIP 2011, 422 ff. = WM 2011, 406 ff. = NZI 2011, 196 ff. Rn. 19, dazu EWiR 2011, 257 f. (Giedinghagen/Göb); BGH, Urt. v. 8.6.2009 – II ZR 147/08, ZIP 2009, 1468 f. = WM 2009, 1514 f. = NZG 2009, 913 f. Rn. 6, dazu EWiR 2009, 675 f. (Vortmann).

580 Ebenfalls nicht von der Haftung umfasst ist der Säumniszuschlag (§ 24 Abs. 1 SGB IV). So BGH, Urt. v. 16.2.2012 – IX ZR 218/10, ZVI 2012, 189 ff. = WM 2012, 660 ff. Rn. 12; BGH, Urt. v. 2.12.2010 – IX ZR

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IV. Deliktische Haftung 247/09, BGHZ 187, 337 ff. = ZIP 2011, 37 ff. = WM 2011, 88 ff. Rn. 24; BGH, Urt. v. 18.11.2010 – IX ZR 67/10, ZVI 2011, 93 ff. = KTS 2011, 363 ff. Rn. 16; BGH, Beschl. v. 14.7.2008 – II ZR 238/07, ZIP 2008, 2075 ff. = WM 2008, 2125 ff. = NJW 2008, 3557 ff. Rn. 2, dazu EWiR 2009, 79 f. (Kuhn).

Rechtsverfolgungskosten sowie Verzugs- und Prozesszinsen sind von der 581 Haftung umfasst. So BGH, Urt. v. 16.2.2012 – IX ZR 218/10, ZVI 2012, 189 ff. = WM 2012, 660 ff. Rn. 11.

Seit dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes gilt für die 582 Verjährung der Ansprüche gegen das geschäftsführende Organ die regelmäßige kenntnisabhängige Verjährungsfrist des § 195 BGB. Diese beträgt drei Jahre. Der Beginn der Verjährungsfrist richtet sich nach dem Kenntnisstand der Bediensteten der für die Vorbereitung und Verfolgung des Regressanspruchs zuständigen Abteilung der Behörde oder öffentlichen Körperschaft. So BGH, Beschl. v. 12.6.2012 – II ZR 105/10, DStR 2012, 2451 ff. Rn. 2.

Zu den anspruchsbegründenden Umständen gehört auch die Zahlungsfähig- 583 keit der GmbH, sodass Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Einzugsstelle nicht schon mit dem Ausbleiben der Zahlungen gegeben sind. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 1077.

7. Haftung nach dem BauFordSiG Nach dem Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen (BauFordSiG v. 584 1.6.1909, RGBl. 1909, 449) ist der Empfänger von Baugeld verpflichtet, das Baugeld zur Befriedigung solcher Personen, die an der Herstellung oder dem Umbau des Baues aufgrund eines Werk-, Dienst- oder Kaufvertrages beteiligt sind, zu verwenden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BauFordSiG). Gemäß § 2 BauFordSiG werden Baugeldempfänger bestraft, welche ihre Zahlungen eingestellt haben oder über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und deren in § 1 Abs. 1 BauFordSiG bezeichnete Gläubiger zur Zeit der Zahlungseinstellung oder der Eröffnung des Insolvenzverfahrens benachteiligt sind, wenn sie zum Nachteil der bezeichneten Gläubiger den Vorschriften des § 1 BauFordSiG zuwider gehandelt haben. Die Regelung des § 1 Abs. 1 BauFordSiG (früher: GSB) ist Schutzgesetz i. S. d. 585 § 823 Abs. 2 BGB. So BGH, Urt. v. 8.1.1991 – VI ZR 109/90, WM 1991, 905 ff. = BauR 1991, 237 ff.

Ein geschäftsführendes Organ haftet gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 1 586 BauFordSiG (seinerzeit: GSB) persönlich, wenn er vorsätzlich Baugelder i. S. d.

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C. Außenhaftung

§ 1 BauFordSiG zweckwidrig verwendet hat und deshalb eine einem Bauunternehmer zustehende Werklohnforderung nicht erfüllt wird. So BGH, Urt. v. 19.8.2010 – VII ZR 169/09, WM 2010, 2090 ff. = ZfBR 2010, 777 ff. = BauR 2010, 2107 ff. Rn. 10; BGH, Urt. v. 8.1.1991 – VI ZR 109/90; BGH, Urt. v. 24.11.1981 – VI ZR 47/80, NJW 1982, 1037 ff. = MDR 1982, 478 ff.

587 Neben der Haftung des im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführers kommt auch eine Haftung des faktischen Geschäftsführers in Betracht. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 1264; K/P/B-Preuß, InsO, § 15a Rn. 29; KG, Teilurt. v. 31.1.2017 – 21 U 36/14 und 188/14, ZfIR 2017, 427 f. (LS); OLG Hamburg, Beschl. v. 9.9.2009 – 11 U 148/08, BauR 2010, 639 ff.; FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 10.12.2013 – 3 K 1632/12, DStRE 2015, 434, 437 (rkr.).

588 Das in Haftung genommene Organ muss vorsätzlich gehandelt haben, wobei bedingter Vorsatz genügt. Der Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges muss als möglich und nicht völlig unwahrscheinlich erkannt und gebilligt werden. Dies ist bereits dann der Fall, wenn der Täter sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang und überhaupt das Nichtvorliegen des objektiven Tatbestandes vertrauen zu können, und wenn er es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht. So BGH, Urt. v. 13.12.2001 – VII ZR 305/99, ZfIR 2002, 191 f. = WM 2002, 861 f. = NJW-RR 2002, 740.

589 Gemäß § 1 Abs. 4 BauFordSiG trifft die Beweislast den Empfänger des Baugeldes, wenn die Baugeldeigenschaft oder die Verwendung streitig ist. Der Nachweis zweckentsprechender Verwendung des Baugeldes ist geführt, wenn feststeht, dass Baugläubiger in Höhe des Baugeldbetrages befriedigt worden sind. Demnach muss der Kläger beweisen, dass der Empfänger des Baugeldes zumindest in Höhe der Forderung des Geschädigten Baugeld erhalten hat und dass davon nichts mehr vorhanden ist, ohne dass die fällige Forderung des Anspruchsstellers befriedigt worden wäre. So BGH, Urt. v. 19.8.2010 – VII ZR 169/09, WM 2010, 2090 ff. = ZfBR 2010, 777 ff. = BauR 2010, 2107 ff. Rn. 17.

8. Unterlassene Insolvenzsicherung von Wertguthaben (§ 8a AltTZG/§ 7d Abs. 1 SGB IV a. F.) 590 Eine Vereinbarung über Altersteilzeitarbeit führt in der Regel zum Aufbau eines Wertguthabens. Übersteigt das Wertguthaben den Betrag des dreifachen des Regelarbeitsentgeltes gemäß § 6 Abs. 1 AltTZG einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Sozialversicherungsbeitrag, ist der Arbeitgeber gemäß § 8a AltTZG verpflichtet, das Wertguthaben einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag

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IV. Deliktische Haftung

mit der ersten Gutschrift in geeigneter Weise gegen das Risiko seiner Zahlungsunfähigkeit abzusichern. Nach der früheren Regelung des § 7d Abs. 1 SGB IV hatten die Vertragspar- 591 teien im Rahmen ihrer Vereinbarungen nach § 7 Abs. 1a SGB IV (Altersteilzeit) Vorkehrungen zu treffen, die der Erfüllung der Wertguthaben einschließlich des auf sie entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers dienen, soweit (1.) ein Anspruch auf Insolvenzgeld nicht besteht und (2.) das Wertguthaben des Beschäftigten einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag einen Betrag in Höhe des dreifachen der monatlichen Bezugsgröße übersteigt. Die Regelung des § 7d Abs. 1 SGB IV a. F. (heute: § 8a AltTZG) ist kein 592 Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 Satz 2 BGB, dessen Verletzung zu einer deliktischen Haftung wegen unterbliebener Insolvenzsicherung führen kann. Die Formulierung des § 7d Abs. 1 SGB IV a. F. lässt erkennen, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer verpflichtet sind, an der Gewährleistung des Schutzes mitzuwirken, sodass eine klare Zuweisung der Verantwortung für den Insolvenzschutz als Voraussetzung für eine individuelle Haftung des Geschäftsführers einer GmbH auf Schadensersatz fehlt. So BAG, Urt. v. 12.4.2011 – IX AZR 229/10, NZG 2011, 1422 ff. = DB 2011, 2538 ff. = BB 2012, 2955 f. Rn. 52; BAG, Urt. v. 13.12.2005 – IX AZR 436/04, BAGE 116, 293 ff. = ZIP 2006, 1213 ff. = NZI 2007, 184 (LS) Rn. 42, dazu EWiR 2006, 637 f. (Plagemann).

Eine Haftung des geschäftsführenden Organs einer juristischen Person für 593 die Erfüllung rechtsgeschäftlich begründeter Ansprüche kommt lediglich dann ausnahmsweise in Betracht, wenn er dem Vertragsgegenstand besonders nahesteht und bei wirtschaftlicher Betrachtung gewissermaßen in eigener Sache handelt oder er gegenüber dem Vertragspartner in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und damit die Vertragsverhandlungen beeinflusst hat, was nicht vorliegt, wenn er es lediglich unterlassen hat, eine Aufklärung über die finanziellen Verhältnisse der Gesellschaft vorzunehmen. So BAG, Urt. v. 12.4.2011 – IX AZR 229/10, NZG 2011, 1422 ff. = DB 2011, 2538 ff. = BB 2012, 2955 f. Rn. 46; BAG, Urt. v. 13.12.2005 – IX AZR 436/04, BAGE 116, 293 ff. = ZIP 2006, 1213 ff. = NZI 2007, 184 (LS) Rn. 42, dazu EWiR 2006, 637 f. (Plagemann).

Die persönliche Haftung der organschaftlichen Vertreter nach § 7e Abs. 7 594 Satz 2 SGB IV findet auf die Insolvenzsicherung von Wertguthaben aus Altersteilzeit im Blockmodell gemäß § 8a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Alt. 2 TZG keine Anwendung. So BAG, Urt. v. 23.2.2016 – 9 AZR 293/15, ZIP 2016, 885 ff. = NJW 2016, 2204 ff.; dazu EWiR 2016, 315 f. (Rolfs).

119

C. Außenhaftung

595 Unter dem Gesichtspunkt von § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB i. V. m. § 263 Abs. 1 StGB kommt ausnahmsweise die Haftung eines geschäftsführenden Organs in Betracht, wenn er einem in Altersteilzeit befindlichen Arbeitnehmer unter Einschaltung eines Tatmittlers wahrheitswidrig vorspiegelt, das von ihm während der Arbeitsphase verdiente, aber an ihn noch nicht zur Auszahlung gelangte Arbeitsentgelt sei gegen eine Insolvenz des Arbeitgebers gesichert. So BAG, Urt. v. 12.4.2011 – IX AZR 229/10, NZG 2011, 1422 ff. = DB 2011, 2538 ff. = BB 2012, 2955 f. Rn. 52; BAG, Urt. v. 13.12.2005 – IX AZR 436/04, BAGE 116, 293 ff. = ZIP 2006, 1213 ff. = NZI 2007, 184 (LS) Rn. 42, dazu EWiR 2006, 637 f. (Plagemann).

9. Haftung wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) 596 Ein geschäftsführendes Organ einer Gesellschaft, das durch eine Insolvenzverschleppung einen nicht vom Schutzbereich des § 15a Abs. 1 InsO abgedeckten Vermögensschaden der Arbeitsverwaltung verursacht, kann grundsätzlich gemäß § 826 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sein. So BGH, Urt. v. 13.10.2009 – VI ZR 288/08, ZIP 2009, 2439 f. = NZI 2010, 74 f. = NZG 2010, 114 ff. Rn. 7, dazu EWIR 2010, 389 f. (Barnert); BGH, Urt. v. 1.7.1991 – II ZR 180/90, ZIP 1991, 1140 ff. = NJW-RR 1991, 1312 ff. = DStR 1991, 1429 f.

597 Der Tatbestand einer sittenwidrigen Schädigung i. S. d. § 826 BGB kann erfüllt sein, wenn der als unabwendbar erkannte „Todeskampf“ eines Unternehmens so lange wie möglich hinausgezögert wird und dabei die Schädigung der Unternehmensgläubiger billigend in Kauf genommen wird. So BGH, Urt. v. 18.12.2007 – VI ZR 231/06, BGHZ 175, 58 ff. = NZI 2008, 242 ff. Rn. 15 = ZIP 2008, 361, dazu EWiR 2008, 527 f. (Blank).

598 Einer Geltendmachung von Ansprüchen gemäß § 826 BGB steht auch nicht entgegen, dass seitens der Gesellschaft darauf vertraut worden ist, dass die Sanierungsbemühungen durchgreifen. Ein Verstoß gegen die guten Sitten kann ausscheiden, wenn der für die Stellung des Insolvenzantrags Verantwortliche den Antrag unterlassen hat, weil er die Krise den Umständen nach als überwindbar und darum Bemühungen um ihre Behebung durch einen Sanierungsversuch als lohnend und berechtigt ansehen durfte. So BGH, Urt. v. 18.12.2007 – VI ZR 231/06, BGHZ 175, 58 ff. = NZI 2008, 242 ff. Rn. 17 = ZIP 2008, 361; BGH, Urt. v. 22.6.1989 – IX ZR 164/88, BGHZ 108, 123 ff. = NJW 1989, 3155 ff. = ZIP 1989, 926, dazu EWiR 1989, 919 f. (Hanisch); BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 ff. = ZIP 1984, 572 ff. = NJW 1988, 1893 ff.; BGH, Urt. v. 18.12.2007 – VI ZR 231/06, BGHZ 175, 58 = ZIP 2008, 361 ff. = NZI 2008, 242 ff.

120

IV. Deliktische Haftung

Zur Haftung einer juristischen Person wegen vorsätzlicher sittenwidriger 599 Schädigung durch mangelhaften Anlageprospekt hat der BGH wie folgt entschieden: (1) Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 i. V. m. § 31 BGB setzt voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter i. S. d. § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. (2) Das Unterlassen einer für die Anlageentscheidung erheblichen Information in einem Prospekt ist für sich genommen nicht sittenwidrig i. S. d. § 826 BGB. Gegen die guten Sitten verstößt ein Prospektverantwortlicher aber beispielsweise dann, wenn er Anlageinteressenten durch eine bewusste Täuschung zur Beteiligung bewegt, etwa dadurch, dass er einen ihm bekannten Umstand bewusst verschweigt, um unter Ausnutzung der Unkenntnis der Anlageinteressenten möglichst viele Beitritte zu erreichen. (3) Fehlt es an der Feststellung, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der für den Prospekt verantwortlichen juristischen Person von dem Prospektmangel Kenntnis gehabt hat, so lässt sich der Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht dadurch begründen, dass unter Anwendung der Grundsätze der Wissenszurechnung und -zusammenrechnung auf die „im Hause“ der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse abgestellt wird. Insbesondere lässt sich eine die Sittenwidrigkeit begründende bewusste Täuschung nicht dadurch konstruieren, dass bei Mitarbeitern einer juristischen Person vorhandene kognitive Elemente mosaikartig zusammengesetzt werden. (4) Das Wollenselement des Schädigungsvorsatzes gemäß § 826 BGB setzt grundsätzlich korrespondierende Kenntnisse derselben natürlichen Person voraus. Auch dies steht der Anwendung der Grundsätze der Wissenszurechnung und -zusammenrechnung im Rahmen des § 826 BGB regelmäßig entgegen. So BGH, Urt. v. 28.6.2016 – VI ZR 536/15, ZIP 2016, 2023 ff. = NZG 2016, 1346 ff., dazu EWiR 2016, 761 f. (Frisch).

Eine Haftung gemäß § 826 BGB kommt darüber hinaus auch in Betracht, 600 wenn gegenüber Vertragspartnern, mit denen risikoreiche Verträge eingegangen werden, die Offenbarung der Vermögenslage der Gesellschaft unterlassen wird. So BGH, Urt. v. 16.3.1995 – II ZR 152/91, ZIP 1992, 694 f. = NJW-RR 1992, 1061 ff. = GmbHR 1992, 363 ff.; BGH, Urt. v. 1.7.1991 – II ZR 180/90, ZIP 1991, 1140 ff. = NJW-RR 1991, 1312 ff. = GmbHR 1991, 409 ff.

Bei einem auf Dauer angelegten Kooperationsvertrag trifft den Geschäftsleiter 601 auch persönlich die Pflicht, Kooperationspartner nicht zu schädigen, indem ihnen nach Insolvenzantragstellung noch Aufträge erteilt werden, aus denen sie voraussichtlich nur noch im Rahmen einer Insolvenzquote bedient werden können. Der Geschäftsleiter haftet dann gemäß § 826 BGB persönlich. So OLG Köln, Beschl. v. 9.7.2013 – 19 U 34/13, ZInsO 2014, 2453, 2454.

Ein Fall von § 823 BGB liegt dann vor, wenn die Zahlungsfähigkeit nur 602 „durch geschickte Ausnutzung von Zahlungszielen und rechtzeitige Anforderung von Abschlagszahlungen“ aufrechterhalten werden kann und die Ge121

C. Außenhaftung

sellschaft „laufend auf Kosten erst in der Zukunft erwarteter Gewinne“ lebt. Eine einseitige Risikoverlagerung auf die Gläubiger stellt sich als Verstoß gegen die guten Sitten dar. So BGH, Urt. v. 30.11.1978 – II ZR 204/76, NJW 1979, 2104 f. = GmbHR 1979, 89 f.

603 Allein die Einstellung des Geschäftsbetriebs einer juristischen Person stellt sich nicht als Fall der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB dar. Die Gesellschafter einer juristischen Person sind nicht verpflichtet, deren Geschäftsbetrieb im Interesse von Gesellschaftsgläubigern im bisherigen Umfang fortzuführen. Es steht ihnen frei, die Beendigung des Geschäftsbetriebs und die Auflösung der Gesellschaft zu beschließen, Warenbestände zu veräußern, die Geschäftstätigkeit einzuschränken oder andere Maßnahmen zu treffen, durch die sich die Vollstreckungsaussichten von Gesellschaftsgläubigern vermindern. Im Falle der Betriebseinstellung sind insbesondere die Vorschriften über die Insolvenzantragspflicht und gegebenenfalls entstehende insolvenzspezifische Ansprüche wie erstattungs- und insolvenzrechtliche Rückgewähransprüche zu berücksichtigen, allein die Einstellung des Geschäftsbetriebs zieht aber – ohne das Hinzutreten besonderer Verwerflichkeit – keine Schadensersatzpflicht nach § 826 BGB nach sich. So BGH, Urt. v. 12.2.1996 – II ZR 279/94, ZIP 1996, 637 f. = NJW 1996, 1283 f. = GmbHR 1996, 366 f.

604 Eine Haftung der Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer oder (faktischer) Geschäftsleiter einer Gesellschaft nach § 826 BGB auf Schadensersatz kommt in Betracht, wenn das von ihnen ins Werk gesetzte Geschäftsmodell der Gesellschaft von vornherein auf Täuschung und Schädigung der Kunden angelegt ist, es sich mithin um ein „Schwindelunternehmen“ handelt. So BGH, Urt. v. 14.7.2015 – VI ZR 463/14, ZIP 2015, 2169 ff. = WM 2015, 2112 ff., dazu EWiR 2016, 69 f. (Linnerz).

605 Der Anspruch gemäß § 826 BGB kommt nur dann zur Anwendung, wenn über den Anfechtungstatbestand hinausgehende besondere Umstände das Sittenwidrigkeitsurteil tragen. So BGH, Urt. v. 12.2.1996 – II ZR 279/94 ZIP 1996, 637 f. = NJW 1996, 1283 f. = GmbHR 1996, 366 f. Rn. 9; BGH, Urt. v. 16.2.1972 – VIII ZR 189/70, NJW 1972, 719 ff. = MDR 1972, 861 f.

10. Haftung wegen Aufsichtspflichtverletzung (§ 130 OWiG) 606 Nach § 130 Abs. 1 OWiG handelt ordnungswidrig, wer als Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen zu Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, wenn eine solche

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V. Durchgriffshaftung wegen Rechtsformmissbrauchs

Zuwiderhandlung begangen wird, die durch gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre. Das Schutzgut der Regelung des § 130 OWiG ist in erster Linie das Interesse 607 der Allgemeinheit an der Schaffung und Aufrechterhaltung einer innerbetrieblichen Organisationsform, mit der den von einem Unternehmen als der Zusammenfassung von Personen und Produktionsmitteln ausgehenden Gefahren begegnet wird. Der BGH sieht den Sinn des § 130 OWiG in der Erstreckung der Sanktionsmöglichkeit auf den Unternehmensträger. Es handelt sich demnach nicht um ein Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB. So BGH, Urt. v. 13.4.1994 – II ZR 16/93, BGHZ 125, 366 ff. = NJW 1994, 1801 ff. = ZIP 1994, 867, dazu EWiR 1994, 681 f. (von Gerkan).

V. Durchgriffshaftung wegen Rechtsformmissbrauchs Eine Durchgriffshaftung der Gesellschafter gegenüber Dritten unter dem Ge- 608 sichtspunkt des Rechtsformmissbrauchs kommt wegen Vermögensvermischung (siehe Rn. 641 ff.), Unterkapitalisierung (siehe Rn. 651 ff.) und Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs (siehe Rn. 656 ff.) in Betracht. 1. Vermögensvermischung Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG, § 13 Abs. 2 GmbHG und § 2 GenG haftet 609 für Verbindlichkeiten der Aktiengesellschaft, der Gesellschaft mit beschränkter Haftung und der Genossenschaft den Gläubigern gegenüber nur das Gesellschafts- bzw. Genossenschaftsvermögen. Es ist daher für die Interessen der Gläubiger unabdingbar, dass es nicht zu 610 einer Vermischung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen kommt. Das Trennungsprinzip führt dazu, dass grundsätzlich eine Durchgriffshaf- 611 tung auf die Aktionäre, Gesellschafter und Genossen nicht eingreift. Allenfalls wenn die Ausnutzung der rechtlichen Verschiedenheit zwischen der juristischen Person und den hinter ihr stehenden natürlichen Personen rechtsmissbräuchlich ist, kommt ausnahmsweise eine Durchbrechung des Trennungsgrundsatzes in Betracht. So BGH, Urt. v. 10.12.2007 – II ZR 239/05, BGHZ 175, 12 ff. = NZG 2008, 670 ff. = ZIP 2008, 364 f. (m. Bespr. Hofmeister, ZIP 2009, 161), dazu EWiR 2008, 293 f. (Haertlein/Primaczenko); Reuter, NZG 2008, 650 ff.; Hofmeister, ZIP 2009, 161 ff. – „Kolpingwerk“.

In der „Gamma“-Entscheidung hat der BGH bestätigt, dass eine Existenz- 612 vernichtungshaftung (vgl. dazu unter Rn. 653 ff.) des Gesellschafters an die missbräuchliche Schädigung des im Gläubigerinteresse zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens anknüpfe und sie allein als besondere Fallgruppe der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung einordne.

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C. Außenhaftung So BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 264/06, BGHZ 176, 204 ff. = NZG 2008, 547 ff. = ZIP 2008, 1232 (m. Bespr. Altmeppen, S. 1201), dazu EWiR 2008, 493 f. (Bruns); Veil, NJW 2008, 3264 ff.; Weber/Sieber, ZInsO 2008, 952 ff.; Altmeppen, ZIP 2008, 1201 ff.

613 Eine Haftung unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Vermischung von Gesellschafts- und Privatvermögen wird bei sog. „Waschkorblagen“ angenommen, wofür allerdings nicht einzelne Privatentnahmen der Gesellschafter ausreichen, sondern vielmehr es an einer Vermögensabgrenzung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen fehlt. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 918.

614 Wird, z. B. durch undurchsichtige Buchführung oder auf ähnliche Weise, die erforderliche Vermögensabgrenzung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen vermischt, dürfen sich die Gesellschafter auf die rechtliche Selbstständigkeit der Gesellschaft als juristische Person nicht berufen, sodass sie so zu behandeln sind, als hätten sie das von der Gesellschaft betriebene Handelsgeschäft selbst ohne Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen geführt. So BGH, Urt. v. 16.9.1985 – II ZR 675/84, BGHZ 95, 330 ff. = GmbHR 1986, 78 ff. = ZIP 1985, 1263 (m. Bespr. Lutter, S. 1425 u. Kort, ZIP 1988, 681), dazu EWiR 1985, 885 f. (Hommelhoff).

615 Bei der Durchgriffshaftung wegen „Vermögensvermischung“ handelt es sich nicht um eine Zustands-, sondern eine Verhaltenshaftung, die den Gesellschafter im Wege des Wegfalls des Haftungsprivilegs nur trifft, wenn er aufgrund des von ihm wahrgenommenen Einflusses als Allein- oder Mehrheitsgesellschafter für den Vermögensvermischungstatbestand verantwortlich ist. So BGH, Urt. v. 14.11.2005 – II ZR 178/03, BGHZ 165, 85 ff. = ZIP 2006, 467 ff. = NZI 2006, 365 ff. = KTS 2007, 65 ff.

616 Der Insolvenzverwalter ist befugt, den Anspruch aus Durchgriffshaftung gegen die Gesellschafter geltend zu machen, wobei er für das Vorliegen einer unkontrollierbaren Vermischung des Gesellschafts- mit dem Privatvermögen darlegungs- und beweispflichtig ist. Das bloße Fehlen einer „doppelten Buchführung“ reicht als Nachweis für eine „Vermögensvermischung“ nicht aus. So BGH, Urt. v. 14.11.2005 – II ZR 178/03, BGHZ 165, 85 ff. = ZIP 2006, 467 ff. = NZI 2006, 365 ff. = KTS 2007, 65 ff. Rn. 15.

2. Unterkapitalisierung 617 In der „Trihotel“-Entscheidung hat der BGH die Grundzüge der „Existenzvernichtungshaftung“ (dazu sogleich unter Rn. 653 ff.) neu definiert, indem er diese als besondere Fallgruppe der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 8236 BGB) einordnet.

124

V. Durchgriffshaftung wegen Rechtsformmissbrauchs So BGH, Urt. v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, BGHZ 173, 246 ff. = WM 2007, 1572 ff. = NZI 2007, 603 ff. = KTS 2007, 494 ff. (m. Anm. Schopper/Strasser) = ZIP 2007, 1552 (m. Bespr. Weller, S. 1681), dazu EWiR 2007, 557 f. (Wilhelm); Theiselmann, GmbHR 2007, 904 ff.; Altmeppen, NJW 2007, 2657 ff.; Dauner-Lieb/Tettinger, ZGR 2008, 34 ff.; Osterloh-Konrad, ZHR 2008, 274 ff.; Weller, ZIP 2007, 1681 ff.

Von der Frage einer Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs ist die 618 Frage einer Haftung wegen Unterkapitalisierung zu trennen. Die Haftung wegen eines existenzvernichtenden Eingriffs i. S. eines „kompensationslosen Eingriffs“ steht ein Unterlassen hinreichender Kapitalausstattung i. S. einer „Unterkapitalisierung“ nicht gleich. Die Existenzvernichtungshaftung soll als Entnahmesperre wirken, indem sie 619 die sittenwidrige, weil insolvenzverursachende oder -vertiefende „Selbstbedienung“ des Gesellschafters vor den Gläubigern der Gesellschaft durch die repressive Anordnung der Schadensersatzpflicht in Bezug auf das beeinträchtigende Gesellschaftsvermögen ausgleichen soll. Das Unterlassen der Absicherung von Ansprüchen der Gläubiger durch hinreichende Kapitalausstattung steht dem nicht gleich. So BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 264/06, BGHZ 176, 204 ff. = NZG 2008, 547 ff. = DStR 2008, 1293 ff. Rn. 13 = ZIP 2008, 1232 (m. Bespr. Altmeppen, S. 1201), dazu EWiR 2008, 493 f. (Bruns); Waclawik, DStR 2008, 1486 ff.; Veil, NJW 2008, 3264 ff.; Weber/Sieber, ZInsO 2008, 952 ff.; Altmeppen, ZIP 2008, 1201 ff.

Das BAG lehnt ebenfalls einen Haftungsdurchgriff auf die Gesellschafter 620 wegen Unterkapitalisierung einer juristischen Person ab. So BGH, Urt. v. 10.2.1999 – 5 AZR 677/97, ZIP 1999, 878 ff. = NZI 1999, 279 ff. = KTS 1999, 401 ff., dazu EWiR 1999, 603 f. (Keil); BAG, Urt. v. 9.9.1998 – 8 AZR 1989/97, ZIP 1999, 24 ff. = NZI 1999, 34 ff. = NZG 1999, 116 ff. = KTS 1999, 133 ff.

Eine Haftung wegen „Unterkapitalisierung“ kommt allerdings in Betracht, 621 wenn sich die Gesellschafter nicht auf das Trennungsprinzip berufen dürfen, weil es sich um eine unzulässige Rechtsausübung handelt und die Rechtsform der juristischen Person offenkundig dazu benutzt worden ist, einen von der Rechtsordnung nicht mehr zu billigenden Erfolg herbeizuführen. Der Missbrauch, der an den Grundsätzen von Treu und Glauben zu messen ist, kann sowohl in der missbräuchlichen Gründung und dem Einsatz der juristischen Person bestehen als auch in der missbräuchlichen Berufung auf die rechtliche Selbstständigkeit einer zunächst ohne Missbrauch gegründeten juristischen Person. So BSG, Urt. v. 7.12.1983 – 7 RAr 20/82, BSGE 56, 76 ff. = ZIP 1984, 1217 ff. = NJW 1984, 2117 ff.

125

C. Außenhaftung

3. Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs 622 Die „Existenzvernichtungshaftung“ des Gesellschafters knüpft an die missbräuchliche Schädigung des im Gläubigerinteresse zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens an und ordnet sie – in Gestalt einer schadensersatzrechtlichen Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft – als besondere Fallgruppe der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 826 BGB) ein. Zwischen den Erstattungsansprüchen aus §§ 31, 30 GmbHG und Schadensersatzansprüchen aus Existenzvernichtungshaftung besteht Anspruchsgrundlagenkonkurrenz. So BGH, Urt. v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, BGHZ 173, 246 ff. = WM 2007, 1572 ff. = NZI 2007, 603 ff. = KTS 2007, 494 ff. (m. Anm. Schopper/Strasser) = ZIP 2007, 1552 (m. Bespr. Weller, S. 1681), dazu EWiR 2007, 557 f. (Wilhelm).

623 Der „existenzvernichtende Eingriff“ in das Gesellschaftsvermögen stellt einen Verstoß gegen die Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger während der Lebensdauer der GmbH dar. Die dem Gesellschafter als Verhaltenspflicht auferlegte Rücksichtnahmepflicht ist das systemimmanente normative Korrelat der Instrumentalisierung einer Kapitalgesellschaft als haftungsbegrenzende Institution. So BGH, Urt. v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, BGHZ 173, 246 ff. = WM 2007, 1572 ff. = NZI 2007, 603 ff. Rn. 25 = KTS 2007, 494 ff. (m. Anm. Schopper/Strasser) = ZIP 2007, 1552 (m. Bespr. Weller, S. 1681), dazu EWiR 2007, 557 f. (Wilhelm).

624 Die Existenzvernichtungshaftung soll wie eine das gesetzliche Kapitalerhaltungssystem ergänzende, aber deutlich darüber hinausgehende „Entnahmesperre“ wirken, indem sie die sittenwidrige, weil insolvenzverursachende oder -vertiefende „Selbstbedienung“ des Gesellschafters vor den Gläubigern der Gesellschaft durch die repressive Anordnung der Schadensersatzpflicht in Bezug auf das beeinträchtigte Gesellschaftsvermögen ausgleicht. So BGH, Urt. v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, BGHZ 173, 246 ff. = WM 2007, 1572 ff. = NZI 2007, 603 ff. Rn. 28 = KTS 2007, 494 ff. (m. Anm. Schopper/Strasser) = ZIP 2007, 1552 (m. Bespr. Weller, S. 1681), dazu EWiR 2007, 557 f. (Wilhelm).

625 Bei der Haftung nach den Grundsätzen der Haftung wegen „existenzvernichtenden Eingriffs“ handelt es sich um eine reine Innenhaftung, bei der die Gesellschaft als unmittelbar an ihrem – freilich zweckgebundenen – Vermögen Geschädigte die Gläubigerin des Anspruchs ist. Es handelt sich um eine Ersatzhaftung i. S. d. Einstehenmüssens für die durch den Entzug von Gesellschaftsvermögen herbeigeführte Insolvenzreife der Gesellschaft oder die Vertiefung ihrer Insolvenz. Ein Direktanspruch des geschädigten Gläubigers besteht nicht. Er stünde im Widerspruch zu dem in den Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30, 31 GmbHG verwirklichten Grundsatz, dass der Gläubigerschutz durch die Gesellschaft mediatisiert bzw. die gläubigerschützende Haftung zugunsten der Gesellschaft „kanalisiert“ wird. 126

VI. Haftung gegenüber der Finanzverwaltung So BGH, Urt. v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, BGHZ 173, 246 ff. = WM 2007, 1572 ff. = NZI 2007, 603 ff. Rn. 33 = KTS 2007, 494 ff. (m. Anm. Schopper/Strasser) = ZIP 2007, 1552 (m. Bespr. Weller, S. 1681), dazu EWiR 2007, 557 f. (Wilhelm).

Zu berücksichtigen ist freilich, dass außerhalb des Insolvenzverfahrens ein ge- 626 schädigter Gläubiger gegebenenfalls aufgrund eines Titels gegen die Gesellschaft nach Pfändung und Überweisung der Gesellschaftsansprüche gegen den Gesellschafter vorgehen kann. So BGH, Urt. v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, BGHZ 173, 246 ff. = WM 2007, 1572 ff. = NZI 2007, 603 ff. Rn. 36 = KTS 2007, 494 ff. (m. Anm. Schopper/Strasser) = ZIP 2007, 1552 (m. Bespr. Weller, S. 1681), dazu EWiR 2007, 557 f. (Wilhelm).

VI. Haftung gegenüber der Finanzverwaltung Die Haftung gegenüber der Finanzverwaltung umfasst die Haftung von Per- 627 sonen (siehe Rn. 663 ff.) und die Haftung von Sachen (siehe Rn. 768 ff.). Die Finanzverwaltung verfügt überdies über das Privileg, (vermeintliche) Haftungsansprüche durch Bescheid (§ 191 AO) festsetzen zu können, sodass der (mögliche) Haftungsschuldner darauf verwiesen ist, sich gegen den Bescheid zur Wehr zu setzen. Gemäß § 33 Abs. 1 AO ist Steuerpflichtiger nicht nur, wer eine Steuer schuldet, 628 sondern auch wer für eine Steuer haftet. 1. Haftung von Personen Vorrangig ist die Haftung von Personen, die sich aus Vorschriften der Abga- 629 benordnung (siehe Rn. 664 ff.) oder aus anderen Gesetzen (siehe Rn. 751 ff.), insbesondere dem EStG, dem Versicherungssteuergesetz (VersStG) und dem ErbStG ergeben kann. Schließlich können sich auch Haftungstatbestände aus dem Gesellschaftsrecht zugunsten der Finanzverwaltung ergeben. So Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, Kap. 15 (Steuerhaftungsrecht), S. 463, 464.

a) Haftungstatbestände innerhalb der Abgabenordnung Die Haftungstatbestände innerhalb der Abgabenordnung knüpfen an die 630 Pflichten der gesetzlichen Vertreter, der Vermögensverwalter und der Verfügungsberechtigten (§§ 34, 35 AO), Steuerhinterziehung (§§ 70, 71 AO) oder an bestimmte andere Sachverhalte, z. B. Organschaft (§ 73 AO), Haftung des Eigentümers von Gegenständen (§ 74 AO) oder Betriebsübernahme (§ 75 AO) an. So Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 464.

127

C. Außenhaftung

aa) Haftung der gesetzlichen Vertreter, Vermögensverwalter und Verfügungsberechtigten 631 Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AO deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 AO insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten. 632 Die gleiche Verpflichtung trifft gemäß § 34 Abs. 3 AO Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht. 633 Wer als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremdem Namen auftritt, hat gemäß § 35 AO die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1 AO), soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann. (1) Grundlagen 634 Als Haftungsschuldner kommen zunächst die geschäftsführenden Organe von Gesellschaften in Betracht. Die Verpflichtung trifft somit den Vorstand einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft ebenso wie den Geschäftsführer einer GmbH oder den persönlich haftenden Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft. So BFH, Urt. v. 27.2.2007 – VII R 67/05, BFHE 216, 491 ff. = BStBl. II 2009, 348 ff. = ZIP 2007, 1604 ff. Rn. 9 = ZIP 2007, 1604, dazu EWiR 2007, 523 f. (Beck).

635 Neben den in das Handelsregister eingetragenen gesetzlichen Vertretern einer Gesellschaft kommen auch faktische Vorstände und Geschäftsführer als Verfügungsberechtigte i. S. v. § 35 AO als Haftungsschuldner in Betracht. 636 Verfügungsberechtigter ist jeder, der rechtlich und wirtschaftlich über Mittel, die einem anderen zuzurechnen sind, verfügen kann und die Fähigkeit besitzt, im Außenverhältnis wirksam zu handeln, d. h. die bürgerlich-rechtliche Verfügungsmacht innehat und diese auch tatsächlich nach außen ausübt, indem z. B. Zahlungen geleistet und entgegengenommen, Kreditverhandlungen geführt sowie sonstige Handlungen vorgenommen worden sind. So BFH, Urt. v. 21.2.1989 – VII R 165/85, BFHE 156, 46 ff. = BStBl. II 1989, 491 ff. = BFH/NV 1989, 22 ff. Rn. 7 f.

637 Die Stellung als haftender Geschäftsführer ist unabhängig davon, ob ein Anstellungsvertrag vorliegt. Es kommt lediglich darauf an, ob der Geschäftsführer als solcher auftritt und die Geschäfte im streitbefangenen Zeitraum geführt hat. So BFH, Beschl. v. 31.3.2000 – VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322 ff. = GmbHR 2000, 1211 ff. Rn. 12.

638 Die Vorschriften der §§ 34, 35 AO gelten nicht nur für Gesellschaften mit Rechtsformen nach deutschem Recht, sondern auch für Gesellschaften mit 128

VI. Haftung gegenüber der Finanzverwaltung

ausländischen Rechtformen, sofern sie in Deutschland tätig werden, z. B. den Director einer Limited. So BFH, Urt. v. 15.2.2011 – VII R 66/10, BStBl. II 2011, 534 ff. = BFH/NV 2011, 1040 f. = DB 2011, 976 f. Rn. 19.

Die Haftung trifft auch einen sog. „Titular-Geschäftsführer“, der keine Lei- 639 tungsmacht hat und ohne Kontrolle über die Zahlungsströme ist. Selbst wenn die Geschäftsführungstätigkeit durch sachverständige Sanierungsexperten wahrgenommen wird, kommt ein Haftungsprivileg für einen „Titular-Geschäftsführer“ nicht in Betracht, da mit der Pflichtenstellung des gesetzlichen Vertreters eine uneingeschränkte Freistellung von der Erfüllung steuerlicher Pflichten – einschließlich etwaiger Überwachungspflichten – nicht vereinbar wäre. So BFH, Beschl. v. 12.5.2009 – VII B 266/08, BFH/NV 2009, 1589 ff. Rn. 13.

Ebenso kommt ein Haftungsprivileg für einen im Konzern tätigen Geschäfts- 640 führer nicht in Betracht. Auch hier ist eine uneingeschränkte Freistellung von der Erfüllung steuerlicher Pflichten – einschließlich etwaiger Überwachungspflichten – aufgrund der zwischen mehreren Unternehmen bestehenden Organisationsstruktur nicht zu vereinbaren. So BFH, Beschl. v. 12.5.2009 – VII B 266/08, BFH/NV 2009, 1589 ff. Rn. 13; BFH, Beschl. v. 31.10.2005 – VII B 57/05, BFH/NV 2006, 246 ff. Rn. 15.

Das geschäftsführende Organ darf zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflich- 641 ten externe Hilfe in Anspruch nehmen. Ist er aufgrund seiner persönlichen Kenntnisse und Erfahrung zur ordnungsgemäßen Pflichterfüllung nicht in der Lage, ist eine solche Maßnahme sogar geboten. Allerdings darf der Geschäftsführer nicht blind auf die gewissenhafte Aufgabenwahrnehmung des für die GmbH tätigen Dritten vertrauen und auf eine Überwachung gänzlich verzichten. Vielmehr hat er sich fortlaufend über den Geschäftsgang zu unterrichten, sodass ihm Unregelmäßigkeiten nicht über einen längeren Zeitraum verborgen bleiben können. So BFH, Beschl. v. 31.10.2005 – VII B 57/05, BFH/NV 2006, 246 ff. Rn. 14; BFH, Urt. v. 27.11.1990 – VII R 20/89, BFHE 163, 106 ff. = BStBl. II 1991, 284 ff. = BFH/NV 1991, 13 ff. Rn. 23; BFH, Urt. v. 5.3.1985 – VII R 134/80, BFH/NV 1986, 61 ff. Rn. 6.

(2) Haftung in der (vorläufigen) Eigenverwaltung und im Schutzschirmverfahren Streitig ist, ob nach Insolvenzantragstellung bei einer vorläufigen Eigenver- 642 waltung (§§ 270, 270a InsO) oder im Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO) eine persönliche Haftung des geschäftsführenden Organs in Betracht kommt. Eine Klärung durch die Rechtsprechung des BFH ist bislang nicht erfolgt.

129

C. Außenhaftung Vgl. Frind, ZInsO 2015, 22 ff.; Gehrlein, ZInsO 2017, 849 ff.; Kahlert, ZIP 2012, 2089, 2090; Lemken/Schmittmann, InsbürO 2015, 424 ff.; Schmittmann/Dannemann, ZIP 2014, 1405, 1406 ff.

643 Der Geschäftsführer einer GmbH haftet in der vorläufigen Eigenverwaltung nicht für solche Steuern, deren Zahlung der Sachwalter im vorläufigen Verfahren nicht zugestimmt hat, wenn das Insolvenzgericht diese Zahlungen unter den Vorbehalt der Zustimmung des vorläufigen Sachwalters gestellt hat. FG Münster, Beschl. v. 3.4.2017 – 7 V 492/17, ZIP 2017, 1174 ff. = EWiR 2017, 569 f. (Hölzle) = NJW-Spezial 2017, 407 = ZInsO 2017, 880 ff. = NZI 2017, 495 ff. (m. Anm. Rieger/Verken).

(3) Haftung nach Anordnung von Sicherungsmaßnahmen 644 Mit Anordnung von Sicherungsmaßnahmen verliert das geschäftsführende Organ die rechtliche Möglichkeit, über Vermögen der Gesellschaft zu verfügen. Daher ist es ihm nicht mehr möglich, die fälligen Steuerzahlungen zu erbringen. Für Insolvenzverfahren, die nach dem 31. Dezember 2010 beantragt worden sind, gilt die Neuregelung in § 55 Abs. 4 InsO in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 2011, wonach Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten gelten. Damit hat das Haftungsrisiko des geschäftsführenden Organs erheblich an Bedeutung verloren. So Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 465.

645 Der sog. „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter ist nicht Vermögensverwalter i. S. v. § 34 Abs. 3 AO, wohl aber ein sog. „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter, wenn ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet worden ist. So BFH, Beschl. v. 16.10.2009 – VIII B 246/04, BFH/NV 2010, 56 f. = AnwBl. 2010, 92 f. Rn. 6 f.

646 Nicht als Verfügungsberechtigter wird angesehen, wer eine ihm übertragene Verfügungsbefugnis überschreitet und lediglich über Gelder verfügt. So BFH, Beschl. v. 27.5.2009 – VII B 156/08, BFH/NV 2009, 1591 f. = ZIP 2009, 2255 f.

(4) Pflichten und deren Verletzung 647 Die gesetzlichen Vertreter, Vermögensverwalter und Verfügungsberechtigten haben – soweit die Verwaltung reicht bzw. sie die Pflichten rechtlich und tatsächlich erfüllen können – die steuerlichen Pflichten zu erfüllen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 AO) und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO).

130

VI. Haftung gegenüber der Finanzverwaltung

Das Organ muss ggf. auch Rücklagen bilden, um die Steuerforderungen bei 648 Fälligkeit bedienen zu können. So OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 27.7.2016 – 14 A 1007/16, ZInsO 2016, 2265 ff.

Werden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätz- 649 licher oder grob fahrlässiger Verletzung der den vorgenannten Personen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder werden Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt, haften die Vertreter. So Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 465.

Die Haftung nach der Abgabenordnung ist eine öffentlich-rechtliche Haf- 650 tung, die nicht abdingbar ist. So BFH, Urt. v. 27.3.1990 – VII R 26/89, BFHE 161, 190 ff. = BStBl. II 1990, 939 ff. = BFH/NV 1990, 81 ff.

Die Haftung der gesetzlichen Vertreter, Vermögensverwalter und Verfügungs- 651 berechtigten nach der Abgabenordnung gilt grundsätzlich – sofern sie nicht durch die Vorschriften aus anderen Gesetzen modifiziert wird – für alle Arten von Steuern und Abgaben. So Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 6 Rn. 356.

Die Tatbestandsvoraussetzungen ergeben sich aus § 69 Satz 1 AO.

652

So Tipke/Kruse-Loose, AO/FGO, § 69 AO Rn. 5; Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 466.

Es handelt sich um folgende Voraussetzungen: x

Zugehörigkeit zum Personenkreis der §§ 34, 35 AO

x

Pflichtverletzung

x

Eintritt eines Haftungsschadens

x

Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den Schadenseintritt

x

Schuldhaftigkeit des Handelns des Haftenden.

653

Ist der (vermeintliche) Haftungsschuldner zum Personenkreis der §§ 34, 35 654 AO gehörig, so kommt eine Haftung grundsätzlich bei einer Pflichtverletzung in Betracht. Dies gilt unabhängig davon, ob die Pflichten durch positives Tun, z. B. durch Abgabe einer inhaltlich unzutreffenden Steuererklärung, oder durch Unterlassen, z. B. Nichtabgabe einer Steuererklärung, verletzt werden. So Tipke/Kruse-Loose, AO/FGO, § 69 AO Rn. 12; Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 466.

131

C. Außenhaftung

655 Wird eine juristische Person von mehreren Personen gesetzlich vertreten, ist grundsätzlich jede von ihnen für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten verantwortlich. Durch eine interne Aufgabenverteilung kann diese Verantwortlichkeit zwar nicht völlig aufgehoben, aber begrenzt werden. So BFH, Beschl. v. 4.5.1998 – I B 116/96, BFH/NV 1998, 1460 ff. Rn. 14.

656 Die Begrenzung, auf die sich auch die Haftung auswirkt, setzt jedoch voraus, dass von vornherein klar und eindeutig – und somit schriftlich – festgelegt worden ist, welcher der gesetzlichen Vertreter für welche Aufgabe zuständig ist. So BFH, Beschl. v. 4.5.1998 – I B 116/96, BFH/NV 1998, 1460 ff. Rn. 14; BFH, Urt. v. 26.4.1984 – V R 198/79, BFHE 141, 443 ff. = BStBl. II 1984, 776 ff. = ZIP 1984, 1345 ff.; FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 10.12.2013 – 3 K 1632/12, DStRE 2015, 434, 435 (rkr.).

657 Eine von vornherein schriftlich festgelegte Aufgabenverteilung gilt nur insoweit und so lange, wie kein Anlass besteht, an der exakten Erfüllung der steuerlichen Pflichten durch den hierfür zuständigen Geschäftsführer zu zweifeln oder so lange allgemein die wirtschaftliche Lage des Vertretenen für eine Überprüfung der ordnungsgemäßen Erfüllung der steuerlichen Pflichten keinen Anlass gibt. So BFH, Beschl. v. 21.8.2000 – VII B 260/99, BFH/NV 2001, 413 f. Rn. 6.; BFH, Urt. v. 26.4.1984 – V R 128/79, BFHE 141, 443 ff. = BStBl. II 1984, 776 ff. = ZIP 1984, 1345 ff.

658 Bei dem Vorhandensein mehrerer gesetzlicher Vertreter können diese zwar im Innenverhältnis untereinander bestimmen, wer die steuerlichen Pflichten zu erfüllen hat. Dies schließt aber die Haftung bzw. die Gesamtverantwortlichkeit des nach der internen Vereinbarung für die Erfüllung der steuerlichen Angelegenheit nicht zuständigen gesetzlichen Vertreters nicht grundsätzlich aus. Jeder einzelne gesetzliche Vertreter ist bei einer sich abzeichnenden nahen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Vertretenen gehalten, sich um die Gesamtbelange des Vertretenen zu kümmern. So BFH, Beschl. v. 21.8.2000 – VII B 260/99, BFH/NV 2001, 413 f. Rn. 6.

(5) Grundsatz der anteiligen Tilgung 659 Die Verpflichtungen der in §§ 34, 35 AO genannten Personen, für die Steuerzahlungen zu sorgen, bestehen grundsätzlich auch in der Krise, allerdings mit der Besonderheit, dass nach Steuerarten zu differenzieren ist. Bei der Umsatzsteuer gilt der „Grundsatz der anteiligen Tilgung“. So Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 467.

132

VI. Haftung gegenüber der Finanzverwaltung

Der „Grundsatz der anteiligen Tilgung“ sieht vor, dass, wenn zur Begleichung 660 der Steuerschulden insgesamt ausreichende Mittel nicht zur Verfügung stehen, die durch die schuldhafte Pflichtverletzung verursachte Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis die Steuerschuld nur in dem Umfang trifft, in dem der Verpflichtete das Finanzamt gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat. So BFH, Beschl. v. 31.3.2000 – VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322 ff. = GmbHR 2000, 1211 ff. Rn. 16; BFH, Urt. v. 5.9.1989 – VII R 61/87, BFHE 158, 13 ff. = BStBl. II 1989, 979 ff. = BFH/NV 1989, 45 ff. Rn. 6.

Der zur Umsatzsteuer entwickelte „Grundsatz der anteiligen Tilgung“ gilt 661 auch für die übrigen Steuern und Nebenleistungen mit Ausnahme der Lohnsteuer. So BFH, Beschl. v. 31.3.2000 – VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322 ff. = GmbHR 2000, 1211 ff. Rn. 16; BFH, Urt. v. 12.5.1992 – VII R 52/91, BFH/NV 1992, 785 ff. = GmbHR 1993, 187 (LS) Rn. 8.

(6) Besonderheiten bei der Lohnsteuerhaftung Besonderheiten gelten bei der Haftung für Lohnsteuer. Hier gilt der „Grund- 662 satz der anteiligen Tilgung“ nicht. Die Nichtabführung einzubehaltender und anzumeldender Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten stellt regelmäßig eine – wenn nicht vorsätzliche – zumindest grob fahrlässige Verletzung der Pflichten eines Vertreters dar. Weder Zahlungsschwierigkeiten noch Zahlungsunfähigkeit des Vertretenen ändern an dieser Pflicht etwas. Sie schließen auch ein Verschulden bei der Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten des Vertretenen aus. So BFH, Beschl. v. 21.12.1998 – VII B 175/98, BFH/NV 1999, 745 ff. = GmbHR 1999, 881(LS) Rn. 8; BFH, Urt. v. 29.5.1990 – VII R 81/89, BFH/NV 1991, 283 ff. Rn. 13.

Reichen die dem Vertreter zur Verfügung stehenden Mittel zur Befriedigung 663 der arbeitsrechtlich geschuldeten Löhne (einschließlich des in ihnen enthaltenen Steueranteils) nicht aus, so darf der Vertreter die Löhne nur entsprechend gekürzt auszahlen und muss aus den dadurch verbleibenden Mitteln die auf die gekürzten (Netto-)Löhne entfallende Lohnsteuer an das Finanzamt abführen. So BFH, Beschl. v. 21.12.1998 – VII B 175/98, BFH/NV 1999, 745 ff. = GmbHR 1999, 881 (LS) Rn. 8; BFH, Urt. v. 6.3.1990 – VII R 63/87, BFH/NV 1990, 756 ff. Rn. 17; BFH, Urt. v. 26.7.1988 – VII R 83/87, BFHE 153, 512 ff. = BStBl. II 1998, 859 ff. = BFH/NV 1988, 1 ff. = ZIP 1989, 519, dazu EWiR 1989, 433 f. (Onusseit).

133

C. Außenhaftung

(7) Schaden und Haftungsquote 664 Der Haftungsschuldner sollte zweckmäßigerweise an der Ermittlung der Haftungsquote mitwirken. Unterlässt er dies, kann dem Finanzamt nicht vorgeworfen werden, wenn es eine Haftungsquote in der Nähe von 100 % schätzt. So BFH, Beschl. v. 19.11.2012 – VII B 126/12, BFH/NV 2013, 504 ff. Rn. 14.

665 Eine Haftung setzt darüber hinaus den Eintritt eines Haftungsschadens voraus, also dass Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt worden sind. Eine Haftung scheidet aus, wenn der Primärschuldner die Steuerschuld bezahlt hat. So Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 467.

666 Sollen Ansprüche gegen den Haftungsschuldner geltend gemacht werden, müssen die Ansprüche gegen den Erstschuldner dem Grunde und der Höhe nach feststehen, ohne dass es allerdings einer Festsetzung bedarf. So Tipke/Kruse-Loose, AO/FGO, § 69 AO Rn. 14.

667 Es kommen insbesondere fünf Varianten des Haftungsschadens in Betracht: x

Nichtfestsetzen von Ansprüchen,

x

nicht rechtzeitige Festsetzung von Ansprüchen,

x

Nichterfüllung von Ansprüchen,

x

nicht rechtzeitige Erfüllung von Ansprüchen oder

x

Zahlung von Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund. So Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 467.

668 Ergibt sich bei der Veranlagung einer Gesellschaft z. B. ein Umsatzsteuerrückstand, so ist im Falle der Geschäftsführerhaftung bei Liquiditätsschwierigkeiten der Gesellschaft in die Berechnung der Haftungssumme (sog. anteilige Umsatzsteuer) auch die Liquiditätslage im Vorauszahlungszeitraum und nicht nur im Veranlagungszeitpunkt einzubeziehen, wenn der Steuerrückstand darauf beruht, dass in vorwerfbarer Weise zu niedrige Vorauszahlungen erbracht worden sind. So BFH, Urt. v. 12.4.1988 – VII R 131/85, BFHE 153, 199 ff. = BStBl. II 1988, 742 ff.; BFH, Urt. v. 14.7.1987 – VII R 188/82, BFHE 150, 312 ff. = BStBl. II 1988, 172 ff. = ZIP 1987, 1545, dazu EWiR 1988, 111 f. (Philipowski).

134

VI. Haftung gegenüber der Finanzverwaltung

(8) Kausalität Die Pflichtverletzung der in §§ 34, 35 AO genannten Personen muss auch für 669 den Haftungsschaden ursächlich sein. Dies ist dann der Fall, wenn der Haftungsschaden ohne die Pflichtverletzung nicht eingetreten wäre. So BFH, Urt. v. 26.4.1984 – V R 128/79, BFHE 141, 443 ff. = BStBl. 1984, 776 ff. = ZIP 1984, 1345 ff. Rn. 32.

Für die Frage der Kausalität ist die Adäquanztheorie maßgeblich, sodass dar- 670 auf abzustellen ist, ob die Pflichtverletzung allgemein oder erfahrungsgemäß geeignet ist, den Erfolg zu verursachen. So BFH, Urt. v. 17.2.1989 – III R 35/85, BFHE 156, 355 ff. = BStBl. II 1990, 263 ff. = BFH/NV 1989, 26 ff. = ZIP 1989, 1112, dazu EWiR 1989, 947 f. (Halaczinsky).

Hinsichtlich der Kausalität wird diskutiert, ob diese entfällt, wenn die geleis- 671 tete Zahlung insolvenzrechtlich gemäß §§ 129 ff. InsO anfechtbar wäre. Die Haftung des geschäftsführenden Organs entfällt auch nicht infolge einer im Falle der Zahlung zum Fälligkeitstermin möglichen Anfechtung der Zahlung durch den Insolvenzverwalter nach §§ 129 ff. InsO. Die bloße Möglichkeit der Insolvenzanfechtung hindert nicht, den durch die pflichtwidrige Nichtabführung eingetretenen Steuerausfall dem Geschäftsführer zuzurechnen. Hypothetische Kausalverläufe bleiben außer Betracht. So BFH, Urt. v. 23.9.2008 – VII R 27/07, BFHE 222, 228 ff. = BStBl. II 2009, 129 ff. = ZIP 2009, 122 ff. Rn. 18; BFH, Urt. v. 19.9.2007 – VII R 39/05, BFH/NV 2008, 18 ff. = HFR 2008, 167 ff. Rn. 16; ebenso FG Köln, Urteil vom 6.11.2014 – 13 K 1065/13, ZIP 2015, 743 ff.; dazu EWiR 2015, 421 f. (Debus) (Revision anhängig: BFH – VII R 3/15); FG Köln, Urt. v. 12.9.2008 – 8 K 5677/01, EFG 2006, 86; FG Köln, Urt. v. 12.9.2005 – 8 K 5395/01, EFG 2006, 241; FG Schleswig-Holstein, Urt. v. 1.9.2005 – 2 K 174/04, EFG 2006, 321; a. A. FG BadenWürttemberg, Beschl. v. 28.7.2004 – 1 V 30/04, EFG 2004, 1425; FG Baden-Württemberg, Beschl. v. 30.8.2004 – 1 V 49/03, EFG 2005, 2; FG Saarland, Urt. v. 20.12.2004 – 2 V 385/04, EFG 2005, 680; FG Münster, Urt. v. 23.6.2004 – 7 K 5031/00, EFG 2006, 13; FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 10.12.2013 – 3 K 1632/12, DStRE 2015, 434, 437 (rkr.); FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 13.10.2005 – 6 K 2803/04, EFG 2006, 83; FG Düsseldorf, Urt. v. 10.1.2006 – 10 K 4216/02, EFG 2006, 618.

(9) Verschulden Der Haftende muss schließlich auch schuldhaft gehandelt haben. Die Schuld 672 bezieht sich auf die Pflichtverletzung und nicht darauf, dass die Ansprüche nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. So BFH, Urt. v. 11.12.1990 – VII R 85/88, BFHE 163, 119 ff. = BStBl. II 1991, 282 ff. = BFH/NV 1991, 21 ff.; BFH, Urt. v. 12.4.1988 – VII R 131/85, BFHE 153, 199 ff. = BStBl. II 1988, 742 ff.

135

C. Außenhaftung

673 Vorsätzlich handelt, wer die Pflichten gekannt und ihre Verletzung gewollt hat, wobei ausreicht, dass der Haftende die Pflichtverletzung vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen hat. Es kommt nicht darauf an, ob er die Pflichtverletzung gewünscht hat. So BFH, Beschl. v. 12.7.1983 – VII B 19/83, BFHE 138, 424 ff. = BStBl. II 1983, 655 ff. = ZIP 1983, 1121 f.

674 Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Haftende die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande war, außer Acht gelassen hat und infolge dessen weder den Erfolg, den er bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt hätte voraussehen können, nicht vorausgesehen hat (sog. „unbewusste Fahrlässigkeit“) oder den Eintritt des Erfolges zwar für möglich gehalten, aber darauf vertraut hat, er werde nicht eintreten (sog. „bewusste Fahrlässigkeit“). So Tipke/Kruse-Loose, AO/FGO, § 69 AO Rn. 25; Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 6 Rn. 359.

675 Der Geschäftsführer hat sich mit den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen vertraut zu machen. Die ordnungsgemäße Beachtung der gesetzlichen Vorschriften steuerlicher Art kann von jedem kaufmännischen Leiter eines Gewerbebetriebes verlangt werden. So BFH, Urt. v. 6.10.2009 – I R 25/09, BFH/NV 2010, 620 ff. = GmbHR 2010, 447 ff.; BFH, Urt. v. 7.3.1995 – VII B 172/94, BFH/NV 1995, 941 ff. = GmbHR 1996, 69 ff.

676 Auf sein eigenes Unvermögen, seinen Aufgaben als Geschäftsführer nachzukommen, kann sich niemand berufen. Wer den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht entsprechen kann, muss vielmehr von der Übernahme des Geschäftsführeramtes absehen bzw. es niederlegen. So BFH, Beschl. v. 5.3.1998 – VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325 ff. Rn. 18; BFH, Beschl. v. 5.3.1985 – VII B 69/84, BFH/NV 1987, 422 Rn. 9.

677 Die Pflichtwidrigkeit des Verhaltens indiziert den Schuldvorwurf. So BFH, Urt. v. 5.3.1998 – VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325 ff. Rn. 22.

678 Das geschäftsführende Organ kann sich gegen die Steuerhaftung auch nicht mit dem Argument zur Wehr setzen, es hätte mit einer Steuerzahlung gegen die Massesicherungspflicht gemäß § 93 Abs. 1 AktG, § 64 GmbHG verstoßen. Diese Argumentation greift nicht, weil Steuerzahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters i. S. v. § 93 AktG bzw. § 64 Satz 2 GmbHG vereinbar sind. Führt das geschäftsführende Organ – auch nach Eintritt der Insolvenzreife – fällige Umsatzsteuer und Umsatzsteuervorauszahlungen ebenso wie einbehaltene Lohnsteuer nicht an das Finanzamt ab, begeht es eine mit einer Geldbuße bedrohte Ordnungswidrigkeit nach § 26b UStG oder § 380 AO i. V. m. § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG. 136

VI. Haftung gegenüber der Finanzverwaltung So BGH, Urt. v. 25.1.2011 – II ZR 196/09, ZIP 2011, 422 ff. = WM 2011, 406 ff. = NZI 2011, 196 ff. Rn. 12, dazu EWiR 2011, 257 f. (Giedinghagen/Göb); BFH, Urt. v. 23.9.2008 – VII R 27/07, BFHE 222, 228 ff. = BStBl. II 2009, 129 ff. = ZIP 2009, 122 ff. Rn. 21; BFH, Beschl. v. 4.7.2007 – VII B 268/06, BFH/NV 2007, 2059 f. Rn. 6; BFH, Urt. v. 27.2.2007 – VII R 67/05, BFHE 216, 491 ff. = BStBl. II 2009, 348 ff. = ZIP 2007, 1604 ff. Rn. 20., dazu EWiR 2007, 523 f. (Beck).

Bei dem Anspruch gemäß § 69 AO handelt es sich um eine Schadensersatz- 679 haftung. So BFH, Urt. v. 1.8.2000 – VII R 110/99, BFHE 192, 249 ff. = BStBl. II 2001, 271 ff. = BFH/NV 2001, 84 ff. Rn. 11; BFH, Beschl. v. 11.6.1996 – I B 60/95, BFH/NV 1995, 7 ff. = GmbHR 1997, 139 f. Rn. 14; BFH, Urt. v. 26.7.1988 – VII R 83/87, BFHE 153, 512 ff. = BStBl. II 1988, 859 ff. = ZIP 1989, 519 ff. Rn. 7, dazu EWiR 1989, 433 f. (Onusseit).

Die Höhe der Haftung ergibt sich daher unabhängig vom Grad des Ver- 680 schuldens grundsätzlich allein aus der Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den bei dem Fiskus eingetretenen Vermögensschaden. Die Haftung ist dem Umfang nach auf den Betrag beschränkt, der infolge der Pflichtverletzung nicht entrichtet worden ist. So BFH, Urt. v. 1.8.2000 – VII R 110/99, BFHE 192, 249 ff. = BStBl. II 2001, 271 ff. = BFH/NV 2001, 84 ff. Rn. 11.

bb) Haftung des Vertretenen, des Steuerhinterziehers, des Steuerhehlers und des Teilnehmers Im Interesse des staatlichen Steueraufkommens erfolgt über §§ 70, 71 AO eine 681 Erstreckung der Haftung auf den Vertretenen, den Steuerhinterzieher, den Steuerhehler sowie den Teilnehmer. Wenn die in den §§ 34, 35 AO bezeichneten Personen bei Ausübung ihrer Obliegenheiten eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung begehen oder an einer Steuerhinterziehung teilnehmen und hierdurch Steuerschuldner oder Haftende werden, so haften gemäß § 70 Abs. 1 AO die Vertretenen, soweit sie nicht Steuerschuldner sind, für die durch die Tat verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile. Die Regelung beruht auf § 153 VereinszollG und anderen ebenfalls vor 1919 682 bereits existierenden Vorschriften der damaligen Tabak-, Zigaretten- und Weinsteuergesetze, die verhindern sollten, dass Steuerausfälle eintreten, weil die hinterzogenen oder leichtfertig verkürzten Beträge von den in §§ 34, 35 AO genannten Personen nicht geleistet werden können. So Tipke/Kruse-Loose, AO/FGO, § 70 AO Rn. 1; Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 468.

Da die Norm lediglich dann eingreift, wenn der Vertretene nicht zugleich 683 Steuerschuldner ist, ist der Anwendungsbereich der Norm in der Praxis ledig-

137

C. Außenhaftung

lich auf einzelne Bereiche der Zölle, Verbrauchsteuern und der Einfuhrumsatzsteuer beschränkt. So Tipke/Kruse-Loose, AO/FGO, § 70 AO Rn. 2; Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 469.

684 Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet gemäß § 71 AO für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 AO. Die Haftungsnorm kommt nur zur Anwendung, wenn der objektive und subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) oder der Steuerhehlerei (§ 374 AO) erfüllt sind. So BFH, Urt. v. 25.10.2005 – VII R 10/04, BFHE 211, 19 ff. = BStBl. II 2006, 356 ff. = NJW 2006, 1550 ff.

685 Der Versuch der Steuerhinterziehung oder der Steuerhehlerei reicht nicht aus, da der Versuch mangels Schadenseintritt keine Haftung begründen kann. So Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 470.

686 Die Haftung aus § 71 AO richtet sich – ebenso wie bei § 69 AO – auf Schadensersatz. So BGH, Beschl. v. 25.9.2012 – 1 StR 407/12, DStR 2013, 268 ff. = HFR 2013, 449 ff. = wistra 2013, 67 ff.

687 Durch die Haftung aus § 71 AO soll der durch die Steuerhinterziehung (§ 370 AO) oder die Steuerhehlerei (§ 358 AO) verursachte Vermögensschaden des Fiskus ausgeglichen werden. So BFH, Urt. v. 13.7.1994 – I R 112/93, BFHE 175, 489 ff. = BStBl. II 1995, 198 ff. = HFR 1995, 189 ff.

688 Haftungsschuldner gemäß § 71 AO sind nicht nur der oder die Täter, sondern auch Anstifter und Gehilfen, also Teilnehmer. Das Fehlen eines die Strafbarkeit nach §§ 370, 374 AO begründeten persönlichen Merkmals hindert die Haftung nicht. So BFH, Beschl. v. 27.5.1986 – VII S 5/96, BFH/NV 1987, 10 f.

689 Eine Haftung gemäß § 71 AO scheidet aus, wenn der mutmaßliche Haupttäter anonym bleibt. So BFH, Urt. v. 15.1.2013 – VIII R 22/10, BFHE 240, 195 ff. = BStBl. II 2013, 526 ff. = ZIP 2013, 1018 ff.

690 Es ist Sache der Finanzverwaltung, den Sachverhalt zu ermitteln und zu beweisen, dass der Straftatbestand erfüllt ist. Dabei ist die Finanzbehörde weder an die Rechtsauffassung noch die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts gebunden. So BFH, Urt. v. 10.10.1972 – VII R 117/96, BFHE 107, 168 ff. = BStBl. II 1973, 68 ff.

138

VI. Haftung gegenüber der Finanzverwaltung

Die Finanzbehörde wird sich in der Praxis jedoch die strafrechtlichen Fest- 691 stellungen des Strafgerichts zu eigen machen, um ihren eigenen Aufwand zu begrenzen. So Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 470.

Die Haftung gemäß § 71 AO erstreckt sich auf die verkürzten Steuern, die 692 zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie die Hinterziehungszinsen, nicht aber auf die Säumniszuschläge. So BFH, Urt. v. 21.1.2004 – XI R 3/03, BFHE 205, 394 ff. = BStBl. II 2004, 919 ff. = wistra 2004, 313 ff.

Auch die Haftung gemäß § 71 AO wird durch Haftungsbescheid gemäß 693 § 191 AO festgesetzt, indem die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen durch die Finanzverwaltung schlüssig dargelegt werden. Die Festsetzungsfrist beträgt gemäß § 191 Abs. 3 Satz 2 AO zehn Jahre. So Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 472.

cc) Haftung des Eigentümers Durch die Haftungsnorm des § 74 AO soll verhindert werden, dass betrieb- 694 liche Steuerschulden eines Unternehmens ausfallen, weil die dem Betrieb dienenden Gegenstände einem Dritten gehören und daher nicht unmittelbar zur Vollstreckung zur Verfügung stehen. So Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 474.

Gehören Gegenstände, die einem Unternehmen dienen, nicht dem Unter- 695 nehmer, sondern einer an dem Unternehmen wesentlich beteiligten Person, so haftet gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 AO der Eigentümer dieser Gegenstände mit diesen für diejenigen Steuern des Unternehmens, bei denen sich die Steuerpflicht auf den Betrieb des Unternehmens gründet. Erstattungen stehen dem gemäß § 74 Abs. 1 Satz 3 AO gleich. Eine wesentliche Beteiligung liegt vor, wenn der Haftungsschuldner gemäß § 74 Abs. 2 AO zu mehr als 25 % am Grund- oder Stammkapital oder am Vermögen des Unternehmens unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist oder auf das Unternehmen einen beherrschenden Einfluss ausübt. Ob ein Gegenstand einem anderen gehört, ist eine zivilrechtliche Vorfrage, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu lösen ist. Zurechnungsvorschriften des Steuerrechts, z. B. § 39 AO finden keine Anwendung. Als Haftungsschuldner kommt ein Sicherungsnehmer nicht in Betracht. So Tipke/Kruse-Loose, AO/FGO, § 74 AO Rn. 3; Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 475.

Die Haftung des an einem Unternehmen wesentlich beteiligten Eigentümers 696 von Gegenständen, die er diesem Unternehmen überlässt, erstreckt sich auch 139

C. Außenhaftung

auf ein überlassenes Erbbaurecht, das dem Unternehmen als Betriebsgrundlage dient. So Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 475.

697 Die Haftung nach § 74 AO wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der dem Unternehmen überlassene Gegenstand nicht im Eigentum des Haftenden, sondern im Eigentum einer Kommanditgesellschaft steht, wenn an der KG ausschließlich der Haftende oder eine andere am Unternehmen wesentlich beteiligte Person beteiligt sind. So BFH, Urt. v. 23.5.2012 – VII R 29/10, BFH/NV 2012, 1924 ff.; BFH, Urt. v. 23.5.2012 – VII R 28/10, BFHE 238, 16 ff. = BStBl. II 2012, 763 ff. = NZG 2012, 1158 ff., dazu EWiR 2012, 745 f. (Schmittmann). Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen: BVerfG, Beschl. v. 17.9.2013 – 1 BvR 1928/12, BFH/NV 2014, 142 ff. = ZIP 2013, 2105 ff. = ZfIR 2013, 826 ff.

698 Es reicht aus, dass die Gegenstände dem Unternehmen „nicht lediglich vorrübergehend“ dienen. Es muss sich nicht um Gegenstände handeln, die wesentliche Betriebsgrundlagen sind. So BFH, Beschl. v. 15.9.2000 – V B 93/00, BFH/NV 2001, 199.

699 Die Haftung nach § 74 AO richtet sich gegen die Person des Eigentümers der Gegenstände, ist aber dinglich beschränkt, weil der Eigentümer nur „mit“ den Gegenständen haftet, die er dem Unternehmen überlassen hat. So Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 475.

700 Die Regelung des § 74 AO soll bewirken, dass das Finanzamt hinsichtlich der Befriedigungsmöglichkeiten für seine Steuerforderungen so (aber auch nicht besser) steht, wie wenn die dem Unternehmen von dem Haftungsschuldner lediglich zur Nutzung überlassenen Gegenstände zu dem Vermögen des Unternehmens gehörten. Es soll dem an einem Unternehmen wesentlich beteiligten Dritten verwehrt sein, dem Finanzamt Vollstreckungssubstanz vorzuenthalten oder zu entziehen, obwohl das Unternehmen unter Nutzung der betreffenden Gegenstände betrieben wird und daher die durch diesen Betrieb entstehenden Steuerforderungen – jedenfalls typischerweise – gerade auf der Nutzung der überlassenen Gegenstände (zumindest mit-)beruhen. So BFH, Urt. v. 28.1.2014 – VII R 34/12, BStBl. II 2014, 551 f. = BFH/NV 2014, 1114 f. = HFR 2014, 762 ff. Rn. 8.

701 Aus diesen Erwägungen ist es der Finanzverwaltung auch nicht möglich, die gegen den Eigentümer festgesetzte Haftungsforderung mit seinem auf Zahlung von Geld gerichteten Umsatzsteuerguthaben zu verrechnen. Dem steht insbesondere entgegen, dass der Haftungsschuldner nach § 74 Abs. 1 Satz 1 AO nur „mit“ den dem Unternehmen überlassenen Gegenständen haftet. Bleibt die Zahlung des Haftungsschuldners auf die Haftungsforderung aus, 140

VI. Haftung gegenüber der Finanzverwaltung

kann nicht in sein gesamtes Vermögen vollstreckt werden, sondern nur in die Gegenstände, deretwegen er in Anspruch genommen worden ist. So BFH, Urt. v. 28.1.2011 – VII R 34/12, BStBl. II 2014, 551 f. = BFH/NV 2014, 1114 f. = HFR 2014, 762 f. Rn. 7.

Die Haftung gemäß § 74 AO ist auf Betriebssteuern beschränkt. Dies sind 702 Steuern, die nach dem anspruchsbegründenden Tatbestand des Steuergesetzes für ihre Entstehung das Vorhandensein eines Unternehmens voraussetzen und infolgedessen bei Nichtunternehmern nicht anfallen können, also z. B. Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, Verbrauchsteuer bei Herstellungsbetrieben, Rückforderung von Investitionszulagen, nicht hingegen allerdings Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Erbschaftsteuer. So Tipke/Kruse-Loose, AO/FGO, § 74 AO Rn. 15; Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 475.

Der Haftungsumfang wird in zeitlicher Hinsicht durch das Bestehen der we- 703 sentlichen Beteiligung und durch die Dauer begrenzt, auf welche die Gegenstände dem Betrieb des Unternehmens dienen. So Tipke/Kruse-Loose, AO/FGO, § 74 AO Rn. 16; Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 475.

In gegenständlicher Hinsicht erstreckt sich die Haftung des an einem Unter- 704 nehmen wesentlich beteiligten Eigentümers nach § 74 AO nicht nur auf die dem Unternehmen überlassenen und diesem dienenden Gegenstände. Sie erfasst in Fällen der Weggabe oder des Verlustes von Gegenständen nach der Haftungsinanspruchnahme auch die Surrogate, z. B. Veräußerungserlöse oder Schadensersatzzahlungen. So BFH, Urt. v. 22.11.2011 – VII R 63/10, BFHE 235, 126 ff. = BStBl. II 2012, 223 ff. = HFR 2012, 246 ff. Rn. 19.

Die Haftung nach § 74 AO ist verschuldensunabhängig und wird durch Haf- 705 tungsbescheid gemäß § 191 AO geltend gemacht. So Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 476.

dd) Haftung des Übernehmers eines Unternehmens Die Finanzverwaltung soll durch die Haftungsnorm des § 75 AO vor dem Ver- 706 lust des Haftungssubjekts durch Unternehmensübergang geschützt werden. So Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 476.

Wird ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens ge- 707 sondert geführter Betrieb im Ganzen übereignet, so haftet gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 AO der Erwerber für Steuern, bei denen sich die Steuerpflicht auf den Betrieb des Unternehmens gründet, und für Steuerabzugsbeträge, vorausgesetzt, dass die Steuern seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung lie-

141

C. Außenhaftung

genden Kalenderjahres entstanden sind und bis zum Ablauf von einem Jahr nach Anmeldung des Betriebs durch den Erwerber festgesetzt oder angemeldet werden. Die Haftung beschränkt sich gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 AO auf den Bestand des übernommenen Vermögens. Den Steuern stehen gemäß § 75 Abs. 1 Satz 3 AO die Ansprüche auf Erstattung von Steuervergütungen gleich. Die Regelung gilt gemäß § 75 Abs. 2 AO nicht für Erwerber aus einer Insolvenzmasse oder für Erwerber im Vollstreckungsverfahren. 708 Der Begriff des „Unternehmens“ i. S. d. § 75 AO ist identisch mit dem Begriff aus § 2 Abs. 1 UStG. So Tipke/Kruse-Loose, AO/FGO, § 75 AO Rn. 4; Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 476.

709 Die Haftung nach § 75 Abs. 1 Satz 1 AO ist ausdrücklich auf den Bestand des übernommenen Vermögens zu beschränken, wobei eine genaue Bezeichnung der Haftungsgegenstände nicht geboten ist. So BFH, Urt. v. 14.5.2013 – VII R 36/12, BFH/NV 2013, 1905 f. = HFR 2013, 1077 f. Rn. 12.

710 Im Rahmen der Haftung gemäß § 75 Abs. 1 AO kommt es auf die Pfändbarkeit der übertragenen Vermögensgegenstände gemäß § 295 AO, § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO nicht an. Gegenstände, die im früheren Unternehmen unpfändbar waren, müssen nicht auch im übernehmenden Betrieb zur Fortsetzung dieser Erwerbstätigkeit erforderlich sein. Sie können im Falle ihrer Veräußerung zur Erfüllung des Haftungsanspruchs beitragen. So BFH, Urt. v. 14.5.2013 – VII R 36/12, BFH/NV 2013, 1905 f. = HFR 2013, 1077 f. Rn. 18.

711 Wird ein Unternehmen i. S. d. § 75 AO von mehreren Personen zum Miteigentum nach Bruchteilen erworben, so haften sie aufgrund der gemeinsamen Tatbestandsverwirklichung als Gesamtschuldner. Der Haftungsschuldner kann Einwendungen nicht nur gegen die Haftungsschuld, sondern auch gegen die Steuerschuld erheben, für die er als Haftungsschuldner in Anspruch genommen wird, soweit nicht die Voraussetzungen des § 166 AO erfüllt sind. So BFH, Urt. v. 12.1.2011 – XI R 11/08, BFHE 232, 389 ff. = BStBl. II 2011, 477 ff. = NZG 2011, 715 ff. Rn. 26.

712 Auf die Kenntnis des Erwerbers von den Steuerrückständen kommt es nicht an. So BFH, Urt. v. 4.2.1974 – IV R 172/70, BFHE 112, 110 ff. = BStBl. II 1974, 434.

713 Die Ansprüche müssen bis zum Ablauf von einem Jahr nach Anmeldung des Betriebs durch den Erwerber festgesetzt oder angemeldet sein, um diesen vor einer späteren, gegebenenfalls überraschenden Haftung zu schützen. Vgl. Tipke/Kruse-Loose, AO/FGO, § 75 AO Rn. 57; Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 476.

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VI. Haftung gegenüber der Finanzverwaltung

Der Kauf eines Unternehmens außerhalb des Insolvenzverfahrens stellt auf- 714 grund der Norm des § 75 AO ein erhebliches Risiko für den potentiellen Erwerber dar, sodass dieser regelmäßig versuchen wird, den Abschluss des Unternehmenskaufvertrages davon abhängig zu machen, dass der Veräußerer durch eine Bescheinigung der Finanzverwaltung den Nachweis erbringt, dass Steuerrückstände nicht vorhanden sind. Weiterhin ist auch denkbar, eine Bescheinigung der Finanzverwaltung vorzulegen und den sich ergebenden Betrag bei der Bemessung des Entgeltes zu berücksichtigen. So Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 477.

Die Geltendmachung der Haftung gemäß § 75 AO erfolgt durch Haftungs- 715 bescheid gemäß § 191 AO. So Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 477.

b) Haftungstatbestände außerhalb der Abgabenordnung Zwar findet sich der Kern der Haftungstatbestände in der Abgabenordnung, 716 gleichwohl gibt es aber auch in den Einzelsteuergesetzen praktisch relevante Haftungsbestimmungen. aa) Haftung nach Einkommensteuergesetz In der Praxis spielt die Bedeutung der Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers 717 eine erhebliche Rolle. Der Arbeitnehmer ist gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG Schuldner der Lohnsteuer, die gemäß § 38 Abs. 1 EStG durch den Abzug vom Arbeitslohn erhoben wird. Der Arbeitgeber hat gemäß § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten. Der Arbeitgeber wird im Rahmen der Lohnsteuer als Steuereintreiber für den 718 Staat tätig. Trotz der Steuerschuldnerschaft des Arbeitnehmers soll sichergestellt sein, dass der Arbeitgeber seiner Anmeldungs- und Abführungsverpflichtung nachkommt. Daher sieht die Bestimmung des § 42d Abs. 1 EStG eine Haftung des Arbeitgebers für die Lohnsteuer des Arbeitnehmers vor. Vgl. zu den Einzelheiten: Schmittmann, in: Jesgarzewski/ Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 478.

Eine weitere praktisch relevante Haftung ergibt sich im Zusammenhang mit 719 der Kapitalertragsteuer. Aus § 43 Abs. 1 EStG ergibt sich im Einzelnen, bei welchen Kapitalerträgen die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag („Kapitalertragsteuer“) einbehalten wird. Grundsätzlich ist der Schuldner der Kapitalertragsteuer der Gläubiger der Kapitalerträge (§ 44 Abs. 1 Satz 2 EStG). Im Entstehungszeitpunkt der Kapitalertragsteuer (§ 44 Abs. 1 Satz 2 EStG) hat im Grundsatz der Schuldner der Kapitalertragsteuer den Steuerabzug für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge vorzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 3 EStG). 143

C. Außenhaftung Vgl. Griesel, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 41, 57; Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 479.

720 Bei Bauleistungen ist bei Vorliegen der Voraussetzung im Übrigen ein Steuerabzug gemäß §§ 48 ff. EStG vorzunehmen. Die „Bauabzugsteuer“ ist keine eigene Steuerart, sondern eine besondere Erhebungsform der Einkommenund Körperschaftsteuer. Vgl. im Einzelnen: Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, Rn. 1594.

721 Gemäß § 48a Abs. 3 Satz 1 EStG haftet der Leistungsempfänger für einen nicht oder zu niedrig abgeführten Abzugsbetrag, es sei denn, dass ihm im Zeitpunkt der Gegenleistung eine Freistellungsbescheinigung (§ 48b EStG) vorgelegen hat, auf deren Richtigkeit er vertrauen konnte, § 48a Abs. 3 Satz 2 EStG. 722 Die Anrechnung der „Bauabzugsteuer“ erfolgt gemäß § 48c Abs. 1 EStG, sodass nicht nur gegenwärtige, sondern auch zukünftige Lohnsteuerforderungen gesichert sind. So FG München, Urt. v. 24.9.2009 – 7 K 1238/08, EFG 2010, 147 ff. = DStRE 2011, 156 f.

723 Bei beschränkt Steuerpflichtigen wird die Einkommensteuer im Wege des Steuerabzugs nach Maßgabe von § 50a EStG erhoben, was insbesondere bei Künstlern und Sportlern von erheblicher Bedeutung ist. Der Schuldner der Vergütung hat den Steuerabzug für Rechnung des Gläubigers (Steuerschuldner) vorzunehmen, sobald die Vergütung dem Gläubiger zufließt, § 50a Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 EStG. Der Schuldner der Vergütung haftet gemäß § 50a Abs. 5 Satz 4 EStG für die Einbehaltung und Abführung der Steuer. So Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 480.

bb) Haftung nach Umsatzsteuergesetz 724 Das Umsatzsteuergesetz sieht verschiedene Haftungstatbestände, z. B. § 13c UStG, vor. Vgl. Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 481.

cc) Haftung nach Versicherungsteuergesetz 725 Der Versicherungsteuer unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Versicherungsteuergesetz (VersStG) die Zahlung des Versicherungsentgelts aufgrund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses. Steuerschuldner der Versicherungsteuer ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 VersStG der Versicherungsnehmer. Vgl. Nacke, DStR 2013, 335, 341 f.

144

VI. Haftung gegenüber der Finanzverwaltung

Der Versicherer hat gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 VersStG die Steuer für Rech- 726 nung des Versicherungsnehmers zu entrichten. Er haftet für die Steuer gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 VersStG. In den Fällen, in denen die Entgegennahme des Entgelts einem Bevollmächtigten übertragen worden ist, haftet auch der Bevollmächtigte für die Steuer (§ 7 Abs. 1 Satz 4 VersStG). Vgl. Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 481.

dd) Haftung nach Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz Der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 ErbStG 727 der Erwerb von Todes wegen, die Schenkungen unter Lebenden, die Zweckzuwendungen sowie das Vermögen einer Stiftung unter den im Einzelnen im Gesetz geregelten Voraussetzungen. Steuerschuldner ist gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG der Erwerber; bei einer 728 Schenkung ist auch der Schenker, bei einer Zweckzuwendung der mit der Ausführung der Zuwendung Beschwerte und im Übrigen die Stiftung Steuerschuldner. Die Regelung des § 20 Abs. 1 ErbStG ist verfassungsgemäß. Sie ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, solange die Haftung des Schenkers für die Steuerschuld des Beschenkten nicht auf die Leistungsfähigkeit des Schenkers, sondern auf andere Sachgründe, z. B. die Übernahme der Entrichtung der geschuldeten Steuer durch Vertrag oder kollusive Steuerumgehung von Haftendem und Steuerpflichtigem, gestützt ist. So BVerfG, Beschl. v. 18.12.2012 – 1 BvR 1509/10, BFH/NV 2013, 492 ff. = ZEV 2013, 99 ff. = HFR 2013, 258 ff. Rn. 13.

Gemäß § 20 Abs. 3 ErbStG haftet der Nachlass bis zur Auseinandersetzung 729 (§ 2042 BGB) für die Steuer der am Erbfall Beteiligten. Hat der Steuerschuldner den Erwerb oder Teile desselben vor Entrichtung der 730 Erbschaftsteuer einem anderen unentgeltlich zugewendet, haftet der andere gemäß § 20 Abs. 5 ErbStG in Höhe des Wertes der Zuwendung persönlich für die Steuer. Gemäß § 20 Abs. 6 ErbStG haften Versicherungsunternehmen, die vor Ent- 731 richtung oder Sicherstellung der Steuer die von ihnen zu zahlende Versicherungssumme oder Leibrente nach außerhalb von Deutschland zahlen oder außerhalb Deutschlands wohnenden Beteiligten zur Verfügung stehen. Die gleiche Haftung trifft gemäß § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG Personen, in deren Gewahrsam sich Vermögen des Erblassers befindet, soweit sie das Vermögen vorsätzlich oder fahrlässig vor Entrichtung oder Sicherstellung der Steuer in ein Gebiet außerhalb von Deutschland bringen oder außerhalb Deutschlands wohnhaften Berechtigten zur Verfügung stellen. So Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 481.

145

C. Außenhaftung

2. Haftung von Sachen 732 Eine Sachhaftung liegt gemäß § 76 Abs. 1 AO vor, wenn verbrauchsteuerpflichtige Waren und einfuhr- und ausfuhrpflichtige Waren ohne Rücksicht auf die Rechte Dritter als Sicherheit für die darauf ruhenden Steuern dienen. Die Sachhaftung gilt für Ein- und Ausfuhrabgaben und Verbrauchsteuern, z. B. bei Bier, Kaffee und Mineralöl. Eine Anwendung auf die Umsatzsteuer – außer in Fällen der Einfuhrumsatzsteuer gemäß § 21 Abs. 1 UStG – kommt auch in analoger Anwendung der Regelung nicht in Betracht. So Tipke/Kruse-Loose, AO/FGO, § 76 AO Rn. 1; Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 482.

733 Da Sachen nicht abgaben- oder steuerpflichtig sein können, geht die Formulierung am Kern der Regelung vorbei. Vielmehr schafft die Norm ein Pfandrecht, das zur Sachhaftung in Form eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses führt. So Tipke/Kruse-Loose, AO/FGO, § 76 AO Rn. 2; Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 482.

734 Das Pfandrecht führt im Insolvenzverfahren zu einem Absonderungsrecht nach § 51 Nr. 4 InsO, das freilich in der Regel nicht werthaltig ist, da es der Insolvenzanfechtung, §§ 129 ff. InsO, nach Verfahrenseröffnung unterliegt. So Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 482.

735 Zum Beispiel entsteht zwar an dem Bier, das der Schuldner im vorläufigen Insolvenzverfahren braut, eine Sachhaftung zur Sicherung der Biersteuer, die aber wegen objektiver Gläubigerbenachteiligung nach Verfahrenseröffnung angefochten werden kann. So BGH, Urt. v. 9.7.2009 – IX ZR 86/08, ZIP 2009, 1674 ff. = ZVI 2009, 370 ff. Rn. 36; vgl. dazu Gundlach/Flöther, NZI 2009, 646 f.; Schmittmann, ZInsO 2009, 1949 f.

736 Der Haftungstatbestand greift bereits mit Beginn der Gewinnung oder Herstellung verbrauchsteuerpflichtiger Waren oder mit dem Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes, § 76 Abs. 2 AO. 737 Die Haftung verwirklicht sich durch die Beschlagnahme als vollziehbarer Verwaltungsakt, die bewirkt, dass die Behörde die Sachen in Gewahrsam behält oder wie bei der Pfändung nach §§ 276, 336 Abs. 2 AO in Gewahrsam nimmt. So Tipke/Kruse-Loose, AO/FGO, § 76 AO Rn. 9; Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 483.

738 Die Beschlagnahme kann unabhängig davon erfolgen, ob die Abgaben- oder Steuerschuld entstanden ist. So Tipke/Kruse-Loose, AO/FGO, § 76 AO Rn. 8; Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 483.

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VI. Haftung gegenüber der Finanzverwaltung

Die Sachhaftung ist akzessorisch, sodass sie gleichzeitig mit der Steuerschuld 739 erlischt, § 76 Abs. 4 Satz 1 AO. Darüber hinaus erlischt sie gemäß § 76 Abs. 4 Satz 2 AO mit der Aufhebung der Beschlagnahme oder dadurch, dass die Waren mit Zustimmung der Finanzbehörde in einen steuerlich nicht beschränkten Verkehr übergehen. So Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 483.

Gegen die Beschlagnahme ist gemäß § 347 AO Einspruch möglich. Bei der 740 Anordnung der Beschlagnahme handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. So Tipke/Kruse-Loose, AO/FGO, § 76 AO Rn. 11; Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 483.

3. Akzessorietät der Haftung Haftung im Steuerrecht ist akzessorisch, sodass die Geltendmachung eines 741 Haftungsanspruchs ausscheidet, wenn der zugrunde liegende Steueranspruch erloschen ist. So Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 483.

Der Grundsatz der Akzessorietät verlangt für die Inanspruchnahme des Haf- 742 tungsschuldners nicht, dass die Steuerschuld gegen den Erstschuldner bereits festgesetzt worden ist. Ein Haftungsbescheid kann ergehen, ohne dass zuvor ein Steuerbescheid gegen den Erstschuldner ergangen ist. So BFH, Beschl. v. 21.5.2004 – V B 212/03, BFH/NV 2004, 1368 f. Rn. 15.

Wird eine Steuerforderung gegenüber einer GmbH widerspruchslos zur In- 743 solvenztabelle festgestellt, ist der Geschäftsführer der GmbH im Verfahren wegen Haftung gemäß § 166 AO mit Einwendungen gegen die Höhe der Steuerforderung ausgeschlossen, wenn er der Forderungsanmeldung hätte widersprechen können, dies aber nicht getan hat. BFH, Urt. v. 27.9.2017 – XI R 9/16, ZIP 2017, 2401 ff. = EWiR 2018, 135 f. (Schmittmann) = NZI 2018, 122 ff. = StuB 2017, 934 (Ls.) mit Anm. jh.

Von der Festsetzung der Haftungsschuld zu unterscheiden ist die Zahlungs- 744 aufforderung gegenüber dem Haftungsschuldner. Gemäß § 219 AO darf ein Haftungsschuldner auf Zahlung nur in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussichtslos sein würde. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat oder gesetzlich verpflichtet war, Steuern einzubehalten und abzuführen oder zulasten eines anderen zu entrichten, § 219 Satz 2 AO. 147

C. Außenhaftung So Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 484.

4. Subsidiarität der Haftung 745 Die Finanzverwaltung muss nach dem Grundsatz der Subsidiarität mindestens den Versuch unternehmen, in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners zu vollstrecken, § 219 Satz 1 AO. Die Finanzverwaltung ist allerdings nicht verpflichtet, die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen zu versuchen. So Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 484.

746 Selbst wenn die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen nicht aussichtslos ist, so ist es gleichwohl unter dem Gesichtspunkt des Ermessens von der Finanzverwaltung zu erwarten, dass sie überprüft, ob gegebenenfalls unbewegliches Vermögen in hinreichendem Umfang vorhanden ist, in das vollstreckt werden kann. So Tipke/Kruse-Loose, AO/FGO, § 219 AO Rn. 5; Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 484.

747 Die Finanzverwaltung braucht im Übrigen eine Vollstreckung auch dann nicht zu versuchen, wenn eine Eintragung in das Schuldnerverzeichnis vorliegt, ein Insolvenzantrag mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgewiesen worden ist, ein eröffnetes Insolvenzverfahren mangels Masse eingestellt oder lediglich Auslandsvermögen vorhanden ist. So Tipke/Kruse-Loose, AO/FGO, § 219 AO Rn. 6; Schmittmann, in: Jesgarzewski/Schmittmann, Steuerrecht, S. 463, 485.

748 Ein Gesellschafter einer im Insolvenzverfahren befindlichen Kapitalgesellschaft darf so lange nicht in Anspruch genommen werden, wie noch die Möglichkeit besteht, dass die Finanzverwaltung die Steuerschuld durch Aufrechnung mit Erstattungsansprüchen der Gesellschaft tilgt. So BFH, Urt. v. 21.9.1993 – V R 119/91, BFHE 172, 308 ff. = BStBl. II 1994, 83 ff. = ZIP 1994, 50 ff.

5. Verhältnis der Steuerhaftung zu § 93 InsO 749 Gemäß § 93 InsO kann nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Der Insolvenzverwalter ist berechtigt, sich mit einem Gesellschafter über die Höhe seiner Haftung zu vergleichen. Ein solcher Vergleich kommt den betroffenen Gesellschaftern auch zugute, wenn das Insolvenzverfahren aufgehoben ist. Die Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters umfasst sämtliche Haftungsforderungen der Gesellschaftsgläubiger, die ihre Forderungen im Insol-

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VI. Haftung gegenüber der Finanzverwaltung

venzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft angemeldet haben, selbst wenn die Insolvenzforderungen vom Insolvenzverwalter oder einem Gläubiger bestritten und die Widersprüche nicht beseitigt worden sind. Der von einem Gesellschaftsgläubiger gegen die persönlich haftenden Gesellschafter eingeleitete Rechtsstreit wird kraft Gesetzes durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft unterbrochen. So BGH, Urt. v. 17.12.2015 – IX ZR 143/13, NZI 2016, 445 ff. (m. Anm. Schmidt/Georgiev).

Die Innenhaftung der persönlichen Außenhaftung von Gesellschaftern ist 750 Zweck der Bestimmung. So Karsten Schmidt, ZGR 1996, 209, 224; ders., in: Karsten Schmidt, InsO, § 93 Rn. 1.

Im Interesse der gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger 751 schließt § 93 InsO den Zugriff einzelner Gläubiger durch den schnelleren Zugriff auf das Gesellschaftervermögen aus. So BGH, Urt. v. 4.7.2002 – IX ZR 265/01, BGHZ 151, 245 ff. = ZIP 2002, 1492 ff., dazu Kessler, ZIP 2002, 1974 ff. und EWiR 2003, 335 f. (Welzel).

Persönlich haftende Gesellschafter sind gesetzliche Vertreter i. S. v. § 34 752 Abs. 1 Satz 1 AO, sodass diese auch der Haftung gemäß § 69 AO unterliegen. Eine Sperrwirkung des § 93 InsO sieht die Rechtsprechung nicht. Die Ermächtigung des Insolvenzverwalters nach § 93 InsO bezieht sich nur auf die Ansprüche aus der gesetzlichen akzessorischen Gesellschafterhaftung, sodass die Finanzverwaltung durch § 93 InsO nicht gehindert wird, nach Verfahrenseröffnung einen Anspruch aus §§ 69, 34 AO gegen den persönlich haftenden Gesellschafter geltend zu machen. So BGH, Urt. v. 4.7.2002 – IX ZR 265/01, BGHZ 151, 245 ff. = ZIP 2002, 1492 ff., dazu Kessler, ZIP 2002, 1974 ff., dazu EWiR 2003, 335 f. (Welzel).

Die Rechtswirkungen aus § 93 InsO erstrecken sich nicht auf solche An- 753 sprüche, die deshalb gegen die Gesellschafter bestehen, weil diese aus einem von den handelsrechtlichen Haftungsbestimmungen unabhängigen Rechtsgrund, insbesondere einer rechtlich selbstständigen eigenen Verpflichtung, für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft einzustehen haben. So BGH, Urt. v. 4.7.2002 – IX ZR 265/01, BGHZ 151, 245 ff. = ZIP 2002, 1492 ff., dazu Kessler, ZIP 2002, 1974 ff. und EWiR 2003, 335 (Welzel); BFH, Beschl. v. 2.11.2001 – VII B 155/01, BFHE 197, 1 ff. = BStBl. II 2002, 73 ff. = ZIP 2002, 179 ff. = NZI 2002, 173 ff., dazu EWiR 2002, 217 f. (Wessel).

Der Anspruch der Finanzverwaltung nach §§ 69, 34 AO beruht auf einem ei- 754 genständigen, von § 161 Abs. 2 i. V. m. § 128 HGB unabhängigen abgaben-

149

C. Außenhaftung

rechtlichen Haftungstatbestand, der besondere, den handelsrechtlichen Normen fremde Merkmale – vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung steuerrechtlicher Pflichten – enthält und auch inhaltlich abweichend ausgestaltet ist. So BFH, Beschl. v. 15.11.2002 – VII B 105/12, BFH/NV 2013, 587 f.

755 Die Anwendung der Rechtsprechung des BGH und des BFH führt zu einem „Windhunderennen“ zwischen der Finanzverwaltung und dem Insolvenzverwalter, das gerade das von § 93 InsO gewünschte Ergebnis einer Haftungskonzentration in sein Gegenteil verkehrt. Während der Insolvenzverwalter darauf verwiesen ist, die ihm durch § 93 InsO zur Durchsetzung zugewiesenen gesellschaftsrechtlichen Ansprüche vor dem Zivilgericht titulieren zu lassen, hat die Finanzverwaltung das Privileg, diese gegen die Gesellschafter durch Haftungsbescheid gemäß § 93 InsO selbst zu titulieren. Es liegt auf der Hand, dass die Finanzverwaltung sich dadurch, insbesondere zeitliche, Vorteile verschafft. Vgl. Schmittmann, Abgabenrechtliche Haftungsfragen in der aktuellen Rechtsprechung des BFH, StuB 2013, 223 f.

VII. Firmenbestattung 756 Der Begriff der „Firmenbestattung“ ist zwar dem Gesetz fremd, er wurde aber insbesondere im Rahmen der Schaffung des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I 2008 S. 2026) im Rahmen der Gesetzesbegründung verwendet. So konstatiert die Gesetzesbegründung, dass in Bestattungsfällen die Beteiligten eine Intransparenz der Beteiligungsverhältnisse bewusst herbeiführen oder zumindest jedes Interesse an der Offenlegung der Gesellschafterstellung gegenüber dem Registergericht vermissen lassen. So BT-Drucks. 16/6140, S. 68.

757 Weiterhin wird festgestellt, dass Bestattungsfälle dadurch gekennzeichnet sind, dass das inländische Geschäftslokal häufig geschlossen wird und die Geschäftsführer „abtauchen“ oder ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen. So BT-Drucks. 16/6140, S. 78.

758 Regelmäßig werden im Rahmen einer „Firmenbestattung“ sämtliche Geschäftsanteile übertragen, der Geschäftsführer ausgewechselt, eine Sitzverlegung durchgeführt sowie die Geschäftsunterlagen und eventuell frühere Aktiva beiseite geschafft. Vgl. Schmittmann/Gregor, InsbürO 2006, 410 ff.; Mai, InsbürO 2008, 449 ff.; Hey/Regel, GmbHR 2000, 115 ff.; Pape, ZIP 2006, 877 ff.; Schmittmann, InsbürO 2004, 287 ff.; Singer/Greck, StuB 2006, 82 ff.; Hirte, ZInsO 2003, 833 ff.; Pananis/Börner, GmbHR 2006, 513 ff.; Schröder, DNotZ 2005, 596 ff.

150

VII. Firmenbestattung

Die Firmenbestattung selbst stellt keinen eigenen Straftatbestand dar, aller- 759 dings werden im Zusammenhang mit Firmenbestattungen häufig Straftatbestände begangen, z. B. Bankrott. Vgl. BGH, Beschl. v. 6.5.2015 – 4 StR 40/15 (n. v.), dazu EWiR 2015, 695 f. (Floeth); BGH, Beschl. v. 15.11.2012 – III StR 199/12, ZIP 2013, 514 ff. = ZInsO 2013, 555 ff.

Firmenbestattungen sind bei allen haftungsbeschränkten Rechtsformen denk- 760 bar, insbesondere bei der Aktiengesellschaft und der GmbH. So OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.4.2013 – 2 (7) Ss 89/12 – AK 63/12, NZI 2013, 653 ff. (zur Aktiengesellschaft); BGH, Beschl. v. 15.11.2012 – 3 StR 199/12, ZInsO 2013, 555 (zur GmbH) = ZIP 2013, 514, dazu EWiR 2013, 295 f. (Brammsen/Ceffinato).

1. Übertragung sämtlicher Geschäftsanteile Eine Firmenbestattung ist in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass sämtliche 761 Gesellschaftsanteile auf eine Person, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland oder aber jedoch keine vertieften Beziehungen zu Deutschland hat, übertragen werden. Vgl. Schmittmann/Gregor, InsbürO 2006, 410, 411; BGH, Beschl. v. 15.11.2012 – 3 StR 199/12, ZInsO 2013, 555 ff. Rn. 11; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 3.6.2013 – 3 W 87/12, NZI 2013, 909 f. = ZIP 2013, 2463.

Werden die Geschäftsanteile an einer Kapitalgesellschaft an einen Erwerber 762 veräußert, der eine faktische Liquidation durchführen soll, ohne etwa noch offene Forderungen zu realisieren und Gläubiger zu befriedigen, stellt sich dies als erhebliches Beweisanzeichen dafür dar, dass die Durchsetzung von Erstattungsansprüchen bewusst unterlassen wird. So BGH, Urt. v. 22.12.2005 – IX ZR 190/02, BGHZ 165, 343, 348 = ZIP 2006, 243 ff. = NZI 2006, 155 ff. = GmbHR 2006, 316 ff. (m. Anm. Blöse).

Der Notar muss seine Mitwirkung bereits bei Handlungen versagen, bei denen 763 erkennbar der Verdacht besteht, dass unerlaubte oder unredliche Zwecke – etwa eine „Firmenbestattung“ – verfolgt werden, was z. B. dann anzunehmen ist, wenn fast 200 Anteilsübertragungen erfolgt sind, die durch eine Wirtschaftsberatung angebahnt worden sind, die Übertragung auf lediglich 19 Gesellschaften mit Sitz in England erfolgt ist, für die nur 16 Personen aufgetreten sind, sowie die Mehrzahl der Gesellschaften inaktiv oder gar schon gelöscht war. So BGH, Beschl. v. 23.11.2015 – NotSt(Brfg) 4/15, NZI 2016, 147; vgl. dazu Schmittmann, Beurkundung bei Verdacht auf Firmenbestattungen, NZI 2016, 124 f.

Zum Teil wird die Abtretung von Geschäftsanteilen in diesen Konstellationen 764 bereits als nichtig angesehen.

151

C. Außenhaftung So AG Memmingen, Beschl. v. 2.12.2003 – HRB 8361, RPfleger 2004, 223 = StuB 2004, 991 f. (m. Anm. Singer).

765 Es wird allerdings auch vertreten, dass die Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen lediglich einen Ausnahmetatbestand darstellt, der eng auszulegen sei. So OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.4.2013 – 2 (7) Ss 89/12 – AK 63/12, NZI 2013, 653, 655; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 3.6.2013 – 3 W 87/12, NZI 2013, 909 = ZIP 2013, 2463.

2. Wechsel des Geschäftsführers 766 Im Rahmen von „Firmenbestattungen“ ist regelmäßig zu beobachten, dass zu Geschäftsführern Personen bestellt werden, die entweder mit dem neuen Gesellschafter identisch sind oder aus seinem Umfeld stammen. So Schmittmann/Gregor, InsbürO 2006, 410, 411.

767 Es ist umstritten, ob die Bestellung eines neuen Geschäftsführers in den geschilderten Konstellationen wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist. Dies wird zum Teil angenommen. So AG Memmingen, RPfleger 2004, 223 = StuB 2004, 991 f. (m. Anm. Singer), 952; LG Potsdam, Beschl. v. 17.9.2004 – 25 Qs 11/04, wistra 2005, 193; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 3.6.2013 – 3 W 87/12, NZI 2013, 909 f. = ZIP 2013, 2463; Weng, NZI 2013, 656 f.

768 Demgegenüber wird vertreten, dass die Bestellung eines neuen Geschäftsführers nicht allein deshalb nichtig ist, weil sie im Rahmen einer sog. Firmenbestattung erfolgt. So OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.4.2013 – 2 (7) Ss 89/12 – AK 63/12, NZI 2013, 653 ff. (m. abl. Anm. Weng).

3. Sitzverlegung 769 Um die Zuständigkeit eines entlegenen Insolvenzgerichts zu begründen wird häufig eine Sitzverlegung durchgeführt, die zugleich auch dem Ziel einer erschwerten Sachverhaltsaufklärung dient. Weiterhin wird angestrebt, am bisherigen Firmensitz neue Geschäfte ungestört vom Insolvenzverfahren über das Vermögen der „alten“ Gesellschaft zu betreiben. So Graf-Schlicker/Kexel, § 3 Rn. 13; Schmittmann/Gregor, InsbürO 2006, 410, 412.

770 Das angegangene Insolvenzgericht hat zunächst seine örtliche Zuständigkeit zu prüfen. Im Rahmen dessen sind die zur örtlichen Zuständigkeit vorgetragenen Umstände zu würdigen und gegebenenfalls der Sachverhalt von Amts wegen weiter aufzuklären. Erst wenn danach ein Gerichtsstand bei dem nach § 3 Abs. 1 Satz 1 InsO zuständigen Gericht nicht eröffnet ist, kann es eine örtliche Unzuständigkeit aussprechen. Geschieht dies ohne eine solche Prü-

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VII. Firmenbestattung

fung, entbehrt der Verweisungsbeschluss jeder gesetzlichen Grundlage und muss deshalb als willkürlich betrachtet werden. So BGH, Beschl. v. 13.12.2005 – X ARZ 223/05, ZIP 2006, 442 = ZVI 2006, 157 = NZI 2006, 164 = StuB 2006, 408 (m. Anm. Singer); Pape, ZIP 2006, 877 ff.

Die Rechtsprechung sieht eine Sitzverlegung, die im Zuge einer völligen Ein- 771 stellung des Geschäftsbetriebs vorgenommen wird und das Ziel hat, das Insolvenzverfahren fernab vom bisherigen Sitz der Schuldnerin zu betreiben, als nichtig an. So AG München, Beschl. v. 1.4.2005 – 1506 IN 356/04, ZIP 2005, 1052, AG Regensburg, Verfügung vom 26.9.2005 – 96 AR 608/05 (n. v.); Schmittmann/Gregor, InsbürO 2006, 410, 412; Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 4 Rn. 234.

Indizien für eine solche Nichtigkeit sind insbesondere die systematische Er- 772 schwerung der Aufklärung der Vermögensverhältnisse sowie der Verwendung von Anschriften der Verfahrensbevollmächtigten oder von Firmenbestattern als angeblichen Firmensitz. So Schmittmann/Gregor, InsbürO 2006, 410, 412.

Verfügt eine Kapitalgesellschaft bei Stellung eines eigenen Eröffnungsantrags 773 aus ihrer Sicht nicht mehr über nennenswerte Vermögensgegenstände, so ist in der Antragsbegründung der Verbleib des Gesellschaftsvermögens zu erläutern und die Entwicklung zu schildern, die zu der gegenwärtigen Vermögens- und Finanzlage geführt hat. Wird durch die Gesellschaft angegeben, dass keinerlei Vermögenswerte vorhanden sind, wird damit eine Abweisung des Insolvenzantrags mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse provoziert, sodass ein solcher Antrag als rechtsmissbräuchlich angesehen werden kann, weil er auf scheinbar gesetzmäßigem Wege die Voraussetzungen für die Auflösung und anschließende Löschung der Gesellschaft im Handelsregister schafft und zugleich der Zugriff der Gläubiger auf das Gesellschaftsvermögen vereitelt oder zumindest wesentlich erschwert wird. So AG Duisburg, Beschl. v. 2.1.2007 – 64 IN 107/06, ZIP 2007, 690 = NZI 2007, 354 ff. (m. Anm. Schmittmann).

Sind Haftungsansprüche bereits verwirklicht und sind die Gesellschaftsanteile 774 übertragen und/oder ein neuer Geschäftsführer wird bestellt, so können diese ungeachtet der „Firmenbestattung“ weiterhin verfolgt werden. Die „Firmenbestattung“ stellt sich somit letztlich als ungeeignete Maßnahme gegen die Haftungsinanspruchnahme dar, wobei vielfach durch die Firmenbestatter gegenüber den Anteilsverkäufern unzutreffende Erwartungen geweckt werden. Richtig ist freilich, dass die Geltendmachung dieser Ansprüche aufgrund des „Verschwindens“ von Geschäftsunterlagen deutlich erschwert ist. Vgl. Schmittmann/Gregor, InsbürO 2006, 410, 414.

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C. Außenhaftung

775 Sind die Geschäftsunterlagen allerdings tatsächlich verschwunden, ist es häufig den in Anspruch genommenen Altgeschäftsführern nicht mehr möglich, sich substantiiert gegen die erhobenen Ansprüche zu verteidigen. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 1131.

776 Nach Einstellung der werbenden Tätigkeit ist die Verlegung des Verwaltungssitzes als rechtsmissbräuchlich anzusehen. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 1134; OLG Schleswig, Beschl. v. 4.2.2004 – 2 W 14/04, ZIP 2004, 1476 (LS) = NZI 2004, 264; OLG Stuttgart, Beschl. v. 8.1.2009 – 8 AR 32/08, ZIP 2009, 1928.

VIII. Gerichtsstand 777 Soll ein Organ gerichtlich in Anspruch genommen werden, stellt sich für den Anspruchsteller zunächst die Frage, bei welchem Gericht der Prozess anhängig zu machen ist. 778 Der Gerichtsstand richtet sich nicht nach der EuInsVO, sondern nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Der Begriff „unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung“ in Art. 3 Nr. 5 EuGVVO ist dahin auszulegen, dass Klagen erfasst werden, die von einem Gläubiger einer Aktiengesellschaft erhoben werden, um zum einen ein Mitglied des Verwaltungsrates dieser Gesellschaft und zum anderen einen Anteilseigner der Gesellschaft für deren Verbindlichkeiten haftbar zu machen, weil sie es zugelassen haben, dass die Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb weiterführt, obwohl sie unterkapitalisiert war und einem Liquidationsverfahren unterworfen werden musste. So EuGH, Urt. v. 18.7.2013 – Rs. C-147/12, ZIP 2013, 1932 ff.; vgl. dazu Freitag, ZIP 2014, 302 ff.

779 Der Begriff „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“ in Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist dahin auszulegen, dass dieser Ort bei Klagen, in denen ein Mitglied des Verwaltungsrates oder ein Anteilseigner einer Aktiengesellschaft für deren Verbindlichkeiten haftbar gemacht werden soll, an dem Ort belegen ist, an dem der Geschäftsbetrieb der Gesellschaft und die damit verbundene finanzielle Lage anknüpfen. So EuGH, Urt. v. 18.7.2013 – Rs. C-147/12, ZIP 2013, 1932 ff.

780 Handelt es sich um Sachverhalte, die einen Bezug außerhalb der Europäischen Union haben, ist gegebenenfalls eine Anwendbarkeit des Lugano-Übereinkommen I und II gegeben. Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist begründet, wenn der Kläger die erforderlichen Tatsachen für eine

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VIII. Gerichtsstand

im Inland begangene unerlaubte oder dieser gleichgestellten Handlung des Beklagten schlüssig behauptet. So BGH, Urt. v. 24.6.2014 – VI ZR 315/13 Rn. 19; BGH, Urt. v. 15.11.2011 – XI ZR 54/09, BKR 2012, 78 ff.; BGH, Urt. v. 5.10.2010 – VI ZR 159/09, BGHZ 187, 156 ff. = ZIP 2010, 2264 ff. Rn. 14, dazu EWiR 2010, 795 f. (Baumert).

Werden gegen das Organ einer Gesellschaft Ansprüche aus unerlaubter Hand- 781 lung geltend gemacht, so bilden den Gegenstand des Verfahrens nicht ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag i. S. v. Art. 5 Nr. 1 Lugano-Übereinkommen I bzw. Art. 5 Nr. 1 Buchst. A Lugano-Übereinkommen II. Eine internationale Zuständigkeit kann sich aus Art. 5 Nr. 3 Lugano-Übereinkommen II ergeben. So BGH, Urt. v. 24.6.2014 – VI ZR 315/13 Rn. 20.

Haben beispielsweise Organe einer Gesellschaft in Deutschland den Tatbe- 782 stand einer unerlaubten Handlung verwirklicht, z. B. indem sie in Deutschland ohne Erlaubnis Finanzdienstleistungen erbracht haben, kommt eine Zuständigkeit der deutschen Gerichte in Betracht. So BGH, Urt. v. 24.6.2014 – VI ZR 315/13 Rn. 37.

155

D. Enthaftung des Organs Eine Enthaftung liegt in erster Linie im Interesse des Organs, das Rechts- 783 sicherheit hinsichtlich einer möglichen Inanspruchnahme erlangen will. Zunächst wird eine Einführung in das Thema Enthaftung des Organs (siehe Rn. 820 f.) gegeben, bevor der in der Praxis wichtige Fall der Exkulpation durch sachverständige Beratung (siehe Rn. 822 ff.) dargestellt wird. Weiterhin werden die Abdingbarkeit von Haftungsansprüchen (siehe Rn. 873 ff.) und der Erlass von Haftungsansprüchen (siehe Rn. 887 ff.) behandelt, bevor der Wechselwirkung zwischen Insolvenzanfechtung und Haftungsansprüchen (siehe Rn. 920 ff.) nachgegangen wird. I. Einführung Das Interesse des organschaftlichen Vertreters liegt darin, nach Möglichkeit 784 bereits im Vorfeld, also durch vertragliche Vereinbarung auszuschließen, im Laufe seiner Tätigkeit oder nach Abschluss dieser Tätigkeit mit Haftungsansprüchen der Gesellschaft konfrontiert zu werden. Eine solche Regelung ist allerdings schwerlich möglich. Im Laufe der Tätigkeit kann sich das Organ aber gegebenenfalls durch die 785 Einholung sachverständiger Beratung – und der Befolgung von deren Ratschlägen – exkulpieren, was allerdings nach der Rechtsprechung des BGH an eine Vielzahl von Voraussetzungen gebunden ist. Weiterhin wird häufig im Rahmen der Beendigung der Organtätigkeit eine Gesamtregelung getroffen, in der auch alle eventuellen Haftungsansprüche abgegolten sein können, wobei auch hier die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung von verschiedenen Voraussetzungen abhängt. Schließlich wird auch diskutiert, ob durch einen Insolvenzplan eine Regelung hinsichtlich von Haftungsansprüchen getroffen werden kann. II. Exkulpation durch sachverständige Beratung Das Organ nimmt gegebenenfalls selbst oder für die Gesellschaft die Bera- 786 tung durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer in Anspruch. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn das Organ nicht selbst hinreichend sachkundig ist, um absehen zu können, ob z. B. ein Insolvenzantrag erforderlich ist. Grundsätzlich gilt zwar, dass sich jedes Organ die für seine Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse verschaffen muss, es kann aber den Mangel an Kenntnissen durch die Inanspruchnahme sachverständiger Beratung ausgleichen. Das Organ haftet grundsätzlich nur für eigenes Verschulden. Wenn das Vor- 787 standsmitglied eine Hilfsperson in die Erfüllung eigener Verbindlichkeiten einschaltet, kommt eine Zurechnung des Verschuldens beauftragter Dritter nach § 278 BGB in Betracht.

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D. Enthaftung des Organs So BGH, Urt. v. 20.9.2011 – II ZR 294/09, Rn. 17; BGH, Urt. v. 31.3.1954 – II ZR 57/53, BGHZ 13, 61, 66.

788 Wird im Namen der Gesellschaft, durch das Organ, ein Dritter eingeschaltet, so bedient sich das Organ regelmäßig der Hilfe Dritter nicht zur Erfüllung eigener Verbindlichkeiten, sondern wird im Pflichtenkreis der Gesellschaft tätig. So BGH, Urt. v. 20.9.2011 – II ZR 234/09, ZIP 2011, 2097 ff. = NZG 2011, 1271 ff. = WM 2011, 2092 ff. Rn. 17, dazu EWiR 2011, 793 f. (Vetter).

789 Ausgangspunkt für die Exkulpation durch die Inanspruchnahme sachverständiger Beratung ist die Rechtsprechung, wonach ein organschaftlicher Vertreter einer Gesellschaft seine Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft verletzt, wenn er bei fehlender eigener Sachkunde, zur Klärung des Bestehens der Insolvenzreife der Gesellschaft, den Rat eines unabhängigen, fachlich qualifizierten Berufsträgers einholt, diesen über sämtliche für die Beurteilung erheblichen Umstände ordnungsgemäß informiert und nach eigener Plausibilitätskontrolle der ihm daraufhin erteilten Antwort dem Rat folgt und von der Stellung eines Insolvenzantrags absieht. So BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 m. Bespr. Wilhelm, S. 1781) = NZI 2007, 477 f. = NJW 2007, 2118 ff. Rn. 12, dazu EWiR 2007, 495 f. (Henkel/Mock).

790 Ein organschaftlicher Vertreter darf sich grundsätzlich auf einen unabhängigen, fachlich qualifizierten Rat verlassen. So BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 (m. Bespr. Wilhelm, S. 1781) = NZI 2007, 477 f. = NJW 2007, 2118 ff. Rn. 14, dazu EWiR 2007, 495 f. (Henkel/Mock).

791 Eine erfolgreiche Exkulpation durch sachverständige Beratung ist aber an verschiedene Voraussetzungen geknüpft: 1. Ermittlung des Beratungsbedarfs 792 In der Krise einer Gesellschaft stellen sich in der Regel komplexe Rechtsfragen, die auch ein ansonsten hinreichend kundiges Organ nicht selbst beantworten kann. Kann das Organ z. B. nicht zuverlässig prüfen, ob für das Unternehmen eine positive Fortbestehensprognose besteht, so muss es sich dazu fachkundig beraten lassen. So Lutter, DB 1994, 129, 135; BGH, Urt. v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 ff. = ZIP 1994, 1103 ff. Rn. 32.

793 Im Hinblick auf die Erstattungspflicht gemäß § 64 Satz 2 GmbHG gehört es zu den Pflichten eines organschaftlichen Vertreters, sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft stets zu vergewissern. Das Organ handelt daher fahrlässig, wenn es sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die für die Insolvenzantragspflicht erforderlichen Kenntnisse verschafft.

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II. Exkulpation durch sachverständige Beratung

Verfügt er persönlich nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse, muss das Organ sich extern beraten lassen. So BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 (m. Bespr. Wilhelm, S. 1781) = NZI 2007, 477 f. = NJW 2007, 2118 ff. Rn. 16, dazu EWiR 2007, 495 f. (Henkel/Mock).

Eine Exkulpation durch die Einholung fachlicher Beratung kommt allerdings 794 nur dann in Betracht, wenn sie allein zu dem Zweck erfolgt, vorhandene und ernstliche Zweifel oder Unsicherheiten hinsichtlich der Folgen einer Entscheidung oder des Bestehens einer Rechtspflicht auszuräumen. So Decker, GmbHR 2014, 72, 74.

Zum Teil ist zu beobachten, dass die Einholung eines Expertenrates nur er- 795 folgt, damit sich das Organ später entlasten kann. In einer solchen Sachverhaltskonstellation, die freilich in der Praxis nur schwer nachweisbar sein dürfte, besteht bereits keine Notwendigkeit zur Einholung fachkundiger Expertise, sodass diese auch keine entlastende Wirkung mehr haben kann. Vgl. Decker, GmbHR 2014, 72, 74.

2. Auswahl eines geeigneten Beraters Die Auswahl eines geeigneten Beraters obliegt dem handelnden Organ. Dabei 796 ist grundsätzlich zunächst davon auszugehen, dass ein Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer bereits kraft seiner Zulassung zum Berufsstand geeigneter Berater ist. Vgl. BGH, Urt. v. 20.9.2011 – II ZR 234/09, ZIP 2011, 2097 ff. = NZG 2011, 1271 ff. = WM 2011, 2092 ff.; Müller, NZG 2012, 981, 982; Decker, GmbHR 2014, 72, 75.

Darüber hinaus ist das Organ gehalten, die spezifische Sachkunde des Be- 797 rufsträgers zu prüfen. Dies obliegt dem Organ selbst. So OLG Stuttgart, Urt. v. 25.11.2009 – 20 U 5/09, ZIP 2009, 2386 ff. = NZG 2010, 141 ff. = WM 2010, 120 ff., dazu EWiR 2010, 477 f. (Moritz Becker/Laubinger).

Der BGH nimmt inzwischen an, dass nach den konkreten Umständen des 798 jeweiligen Einzelfalles, bei dem auch die Größe des zu beurteilenden Unternehmens zu berücksichtigen sein kann, die Beratung nicht nur durch Wirtschaftsprüfer, sondern geeignete Angehörige anderer Berufsgruppen gleichfalls zur Entlastung des Geschäftsführers genügen kann. So BGH, Urt. v. 27.3.2012 – II ZR 171/10, ZIP 2012, 1174 ff. = NZI 2012, 567 ff. = NZG 2012, 672 ff. Rn. 13, dazu EWiR 2012, 457 f. (Wackerbarth); Reuter, ZIP 2016, 597, 598.

Richtigerweise dürfte darauf abzustellen sein, dass allein die Zugehörigkeit zum 799 Berufsstand der Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer nicht ausreicht, um das Organ zu exkulpieren. Vielmehr ist zu verlangen, dass der

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D. Enthaftung des Organs

als Berater in Aussicht genommene Berufsträger über hinreichende Spezialkenntnisse verfügt, die z. B. durch die Qualifikation als „Fachanwalt für Insolvenzrecht“ nachgewiesen werden können. Ob bei den Steuerberatern die Bezeichnung „Fachberater für Sanierung und Insolvenzverwaltung“ als ausreichend angesehen werden kann, ist schon deshalb problematisch, weil es sich nicht – wie beim Fachanwalt – über eine staatlich verliehene Bezeichnung handelt, sondern lediglich um eine auf privatrechtlicher Basis gewährte Gestattung der Führung dieser Bezeichnung. Indes wird man nicht den Maßstab anlegen können, den z. B. § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO an den Aussteller der Bescheinigung stellt, die dem Insolvenzgericht gemeinsam mit dem Antrag auf Einleitung eines Schutzschirmverfahrens vorgelegt werden muss. Hier wird verlangt, dass die Person „in Insolvenzsachen erfahren“ ist. Vgl. Undritz in Schmidt, § 270b InsO Rn. 6; Hirte, ZInsO 2011, 401, 403.

800 Neben der Fachkompetenz ist erforderlich, dass der Berater unabhängig ist, sich also bei der Erteilung des Rates nicht von sachfremden Gründen leiten lässt und ergebnisoffen ist. Vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 25.11.2009 – 20 U 5/09, ZIP 2009, 2386 = NZG 2010, 141, 144; Decker, GmbHR 2014, 72, 75.

801 Schädlich ist die Vorbefassung des Beraters, also z. B. die Prüfung durch den bisherigen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer. In diesem Falle besteht zumindest die Besorgnis, dass eine objektive Prüfung nicht stattfindet, weil der bisherige Berater sich in einem Spannungsfeld zu einer möglicherweise eigenen Haftung befindet, weil er z. B. im Rahmen des nunmehr erteilten Auftrages bemerkt, dass er eine bereits seit Längerem bestehende Insolvenzreife nicht rechtzeitig erkannt hat. Es ist also nicht zweckmäßig, den bisherigen Berater zu beauftragen, da mit guten Gründen behauptet werden kann, dass ihm die Unabhängigkeit fehlt. 802 Nach anderer Auffassung ist das Problem der Vorbefassung auf der Ebene der Plausibilitätsprüfung zu lösen. Es wird daher empfohlen zur Vermeidung von Darlegungs- und Beweislastproblemen einen Zweitgutachter zu beauftragen. So Decker, GmbHR 2014, 72, 76.

803 Weiterhin problematisch ist die Beratung durch Mitarbeiter des Unternehmens, also insbesondere durch Juristen der eigenen Rechtsabteilung. 804 Grundsätzlich kann auch ein interner Berater unabhängig sein. So Decker, GmbHR 2014, 72, 75; Wagner, BB 2012, 651, 655; Strohn, CCZ 2013, 177, 182.

805 Versuchen allerdings die Organe oder Dritte, auf die Beurteilung durch den internen Berater Einfluss zu nehmen, so kann seine Unabhängigkeit bereits bezweifelt werden. So Decker, GmbHR 2014, 72, 75; Schneider, DB 2011, 99, 103.

160

II. Exkulpation durch sachverständige Beratung

Zum Teil wird behauptet, dass die Stellungnahme eines externen Beraters 806 nicht grundsätzlich einen höheren Stellenwert hat als die interne Beratung durch die eigene Rechtsabteilung. So Decker, GmbHR 2014, 72, 75; Merkt/Myloch, NZG 2012, 525, 528; Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 140.

Im Hinblick darauf, dass der interne Berater, selbst wenn er als Rechtsanwalt 807 zugelassen sein sollte, letztlich in einem Arbeitsverhältnis zur Gesellschaft steht, ist m. E. der Stellungnahme eines externen Beraters ein höherer Stellenwert beizumessen. Vgl. auch Hölters, in: Hölters, AktG, § 93 Rn. 249.

Völlig zu Recht hat der BGH darauf hingewiesen, dass die Ausübung des Be- 808 rufs des Syndikusanwalts nicht als selbstständige anwaltliche Tätigkeit i. S. d. § 5 FAO anzusehen ist. Die Tätigkeit des Syndikus für seinen Dienstherrn entspricht gerade nicht dem Grundsatz der freien Advokatur. Es handelt sich nicht um eine freie Berufsausübung, die das Bild des Rechtsanwalts bestimmt. So BGH, Beschl. v. 18.6.2001 – AnwZB 41/00, NJW 2001, 3130 f. = BRAK-Mitt. 2001, 297 Rn. 4; vgl. dazu EWiR 2001, 1137 f. (Posegga).

Auch wenn im Einzelfall dem unternehmensinternen Berater die Fachkom- 809 petenz nicht abgesprochen werden kann, so erscheint es aus Sicht der Organe der Gesellschaft nicht als zweckmäßig, es bei einer internen Stellungnahme bewenden zu lassen. Vielmehr dürfte es zweckmäßig sein, einen externen Berater hinzuzuziehen. 3. Information des Beraters durch das Organ Eine Exkulpation kommt darüber hinaus auch nur dann in Betracht, wenn 810 das Organ gegenüber dem Berater die Verhältnisse der Gesellschaft umfassend darstellt und die zur Erledigung des Auftrags erforderlichen Unterlagen offenlegt. So BGH, Urt. v. 27.3.2012 – II ZR 171/10, ZIP 2012, 1174 ff. = NZI 2012, 567 ff. = NZG 2012, 672 ff. Rn. 16, dazu EWiR 2012, 457 f. (Wackerbarth); BGH, Urt. v. 20.9.2011 – II ZR 234/09, ZIP 2011, 2097 ff. = NZG 2011, 1271 ff. = WM 2011, 2092 ff. Rn. 18; BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 (m. Bespr. Wilhelm, S. 1781 = NZI 2007, 477 f. = NJW 2007, 2118 ff. Rn. 16, dazu EWiR 2007, 495 f. (Henkel/Mock); Reuter, ZIP 2016, 597, 598.

Die Entlastung des Geschäftsführers scheitert daher, wenn entscheidungser- 811 hebliche Informationen zurückgehalten oder unzutreffende Angaben gemacht werden. So Decker, GmbHR 2014, 72, 76; Binder, AG 2012, 274, 286.

161

D. Enthaftung des Organs

812 Das Organ darf aber darauf vertrauen, dass der Berater fehlende Unterlagen nachfordert oder gegebenenfalls konkrete Nachfragen stellt, sofern sich Informationslücken ergeben. So Decker, GmbHR 2014, 72, 76; Binder, AG 2012, 885, 893.

813 Im Falle von Informationslücken ist der Berater gehalten, sich durch entsprechende Nachfragen die erforderlichen Informationen zu verschaffen. Werden ihm allerdings von vornherein lediglich völlig unzureichende Informationen zur Verfügung gestellt oder gar unrichtige Auskünfte erteilt, ist es nicht Sache des Beraters, zunächst überhaupt den zugrunde liegenden Sachverhalt zu ermitteln. 814 Im Übrigen muss es sich auch um entscheidungserhebliche Informationen gehandelt haben, also Informationen, bei denen nicht ausgeschlossen ist, dass in Kenntnis dieser Umstände ein anderes Prüfungsergebnis zutage getreten wäre. So Decker, GmbHR 2014, 72, 76.

4. Auftragserteilung (Art und Umfang) 815 Eine Exkulpation des Organs kommt nur in Betracht, wenn der Prüfungsauftrag nach Art und Umfang ordnungsgemäß erteilt wird. 816 Schon aus Gründen der Nachweisbarkeit und insbesondere um spätere Streitigkeiten hinsichtlich des Umfangs des Prüfungsauftrags zu vermeiden, sollte dieser in Schriftform erteilt werden. So Decker, GmbHR 2014, 72, 76; BGH, Urt. v. 20.9.2011 – II ZR 234/09, ZIP 2011, 2097 ff. = NZG 2011, 1271 ff. = WM 2011, 2092 ff. Rn. 18.

817 Grundsätzlich ist es auch denkbar, dass ein mündlicher Auftrag zur Erteilung eines mündlichen Rechtsrates erteilt wird, z. B. wenn es sich um einen einfach gelagerten Sachverhalt handelt oder die Sache außergewöhnlich eilbedürftig ist. So Decker, GmbHR 2014, 72, 76.

818 Allerdings ist es in Fällen, in denen aufgrund von Eilbedürftigkeit zunächst dem mündlich erteilten Rat gefolgt wird sinnvoll, diesen später schriftlich bestätigen zu lassen. 819 Hinsichtlich der Art des Auftrags ist es grundsätzlich sinnvoll, diesen nicht nur auf die Prüfung von möglichen Insolvenzantragsgründen zu erstrecken, sondern zugleich von dem Berater eine Stellungnahme zu Handlungs- bzw. Unterlassungspflichten der Organe zu verlangen. 820 Das Organ haftet grundsätzlich nur für eigenes Verschulden. Wenn das Vorstandsmitglied eine Hilfsperson in die Erfüllung eigener Verbindlichkeiten

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II. Exkulpation durch sachverständige Beratung

einschaltet, kommt eine Zurechnung des Verschuldens beauftragter Dritter nach § 278 BGB in Betracht. So BGH, Urt. v. 20.9.2011 – II ZR 294/09 ( n. v.), Rn. 17; BGH, Urt. v. 31.3.1954 – II ZR 57/53, BGHZ 13, 61, 66.

Wird im Namen der Gesellschaft durch das Organ ein Dritter eingeschaltet, 821 so bedient sich das Organ regelmäßig der Hilfe Dritter nicht zur Erfüllung eigener Verbindlichkeiten, sondern wird im Pflichtenkreis der Gesellschaft tätig. So BGH, Urt. v. 20.9.2011 – II ZR 234/09, ZIP 2011, 2097 ff. = NZG 2011, 1271 ff. = WM 2011, 2092 ff. Rn. 17.

Die Auftragserteilung kann z. B. darauf gerichtet sein, die Insolvenzreife zu 822 einem bestimmten Stichtag zu überprüfen. Im Rahmen des Auftrags sollte auch vereinbart werden, dass der Auftragnehmer eine Liquiditätsbilanz fertigt. So BGH, Urt. v. 27.3.2012 – II ZR 171/10, ZIP 2012, 1174 ff. = NZI 2012, 567 ff. = NZG 2012, 672 ff. Rn. 15, dazu EWiR 2012, 457 f. (Wackerbarth).

Hinsichtlich des Auftrags ist darüber hinaus auch zu regeln, bis wann das 823 Prüfungsergebnis vorliegen soll. So Decker, GmbHR 2014, 72, 77; Nowak, GmbHR 2012, 1294, 1299.

Für den Fall, dass das Organ bereits erkannt hat, dass ein Insolvenzgrund vor- 824 liegen könnte, ist auf eine unverzügliche Vorlage des Prüfungsergebnisses hinzuwirken. So BGH, Urt. v. 27.3.2012 – II ZR 171/10, ZIP 2012, 1174 ff. = NZI 2012, 567 ff. = NZG 2012, 672 ff. Rn. 19, dazu EWiR 2012, 457 f. (Wackerbarth); BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 ff. = NZI 2007, 477 f. = NJW 2007, 2118 ff. Rn. 17, dazu EWiR 2007, 495 f. (Henkel/Mock).

Das Organ darf sich gerade nicht mit einer unverzüglichen Auftragserteilung 825 begnügen, sondern muss auf eine unverzügliche Vorlage des Prüfungsergebnisses hinwirken. So BGH, Urt. v. 27.3.2012 – II ZR 171/10, ZIP 2012, 1174 ff. = NZI 2012, 567 ff. = NZG 2012, 672 ff. Rn. 19, dazu EWiR 2012, 457 f. (Wackerbarth).

5. Überprüfung des erteilten Rats auf Plausibilität Eine Enthaftung des Organs kommt darüber hinaus auch nur in Betracht, wenn 826 das Organ das Prüfungsergebnis einer Plausibilitätskontrolle unterzieht. So BGH, Urt. v. 27.3.2012 – II ZR 171/10, ZIP 2012, 1174 ff. = NZI 2012, 567 ff. = NZG 2012, 672 ff. Rn. 16, dazu EWiR 2012, 457 f. (Wackerbarth); BGH, Urt. v. 20.9.2011 – II ZR 234/09, ZIP 2011, 2097 ff. = NZG 2011, 1271 ff. = WM 2011,

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D. Enthaftung des Organs 2092 ff. Rn. 18; BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 (m. Bespr. Wilhelm, S. 1781) = NZI 2007, 477 f. = NJW 2007, 2118 ff. Rn. 18, dazu EWiR 2007, 495 f. (Henkel/Mock).

827 Diese Pflicht zur Plausibilitätskontrolle ist nicht delegierbar und somit vom Organmitglied selbst vorzunehmen. Es ist zu empfehlen, die vorgenommene Plausibilitätskontrolle schriftlich zu dokumentieren, um gegebenenfalls im Haftungsprozess den Beweis des fehlenden Verschuldens führen zu können. So Decker, GmbHR 2014, 72, 77; Strohn, ZHR 176 (2012), 137, 142; Müller, NZG 2012, 981, 983.

828 Der Umfang der erforderlichen Plausibilitätskontrolle ist im Einzelnen unklar, insbesondere hinsichtlich der Tiefe der Plausibilitätskontrolle. Es wird daher für ausreichend erachtet, wenn sich das Organ darauf beschränkt, das Prüfergebnis zu kontrollieren und zu überprüfen, ob die zur Verfügung gestellten Unterlagen vollständig und hinreichend einbezogen worden sind. So Decker, GmbHR 2014, 72, 77.

829 Der Experte ist auf die Zweifel der Geschäftsleitung gegebenenfalls hinzuweisen und aufzufordern, das Prüfungsergebnis zu überarbeiten, insbesondere wenn es Begründungslücken enthält oder logische Denkgesetze verletzt worden sind. So Decker, GmbHR 2014, 72, 77.

830 Ebenso wie der Expertenrat schriftlich erteilt werden sollte, sind auch die zusätzlichen Ausführungen grundsätzlich in Schriftform einzufordern, wobei es allerdings bei Eilentscheidungen auch ausreichend sein kann, wenn mündliche Erläuterungen gegeben werden. So Decker, GmbHR 2014, 72, 77.

831 Bei einer mündlichen Erläuterung sollte das Organ allerdings im eigenen Interesse darauf achten, dass die Ausführungen des Experten später zumindest in Schriftform zusammengefasst und zur Akte genommen werden. 6. Handeln gemäß Beratungsempfehlung 832 Zur Enthaftung reicht es nicht aus, wenn sich das Organ unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und unter Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einer unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Person hat beraten lassen sowie das Prüfungsergebnis einer Plausibilitätskontrolle unterzogen hat. So BGH, Urt. v. 27.3.2012 – II ZR 171/10, ZIP 2012, 1174 ff. = NZI 2012, 567 ff. = NZG 2012, 672 ff. Rn. 16, dazu EWiR 2012, 457 f. (Wackerbarth); BGH, Urt. v. 20.9.2011 – II ZR 234/09, ZIP 2011, 2097 ff. = NZG 2011, 1271 ff. = WM 2011, 2092 ff. Rn. 18; BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 (m. Bespr. Wilhelm, S. 1781) = NZI 2007, 477 f. = NJW 2007, 2118 ff. Rn. 18, dazu EWiR 2007, 495 f. (Henkel/Mock).

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III. Abdingbarkeit von Haftungsansprüchen

Das Organ muss sich darüber hinaus auch in einer Weise verhalten, die durch 833 den Rat des Experten gedeckt ist. So Decker, GmbHR 2014, 72, 77.

Handelt das Organ der Gesellschaft in einer Weise, die nicht mehr von dem 834 Expertenrat gedeckt ist, nimmt es damit gegebenenfalls „unternehmerisches Ermessen“ in Anspruch. Die damit einhergehenden rechtlichen Risiken sind somit aber nicht mehr exkulpationsfähig. So Decker, GmbHR 2014, 72, 78.

7. Mitverschulden Im Rahmen der Enthaftung ist zu berücksichtigen, dass ein etwaiger Scha- 835 densersatzanspruch gegen den Experten, der grundsätzlich der Gesellschaft bzw. später der Insolvenzmasse zusteht, durch ein der Gesellschaft analog § 31 BGB zuzurechnendes Mitverschulden ihres Organs erheblich gemindert oder gar ganz ausgeschlossen sein kann. So BGH, Urt. v. 20.11.2014 – III ZR 509/13, ZIP 2015, 166 ff. = WM 2015, 143 ff. = NZG 2015, 38 ff. Rn. 22; BGH, Urt. v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12, ZIP 2013, 1332 ff. = WM 2013, 1323 ff. = NZI 2013, 793 ff. Rn. 29 = ZWH 2013, 500 ff. (m. Anm. Püschel), dazu EWiR 2013, 573 f. (Gräfe); BGH, Urt. v. 10.12.2009 – V R 42/08, BGHZ 183, 323 = NZG 2010, 145 ff. Rn. 54; ZIP 2010, 284, dazu EWiR 2010, 267 f. (Wahl/Nikoleyczik); Luttmann, ZInsO 2013, 1777 ff.

Dieses Mitverschulden ist allerdings weniger eine Frage der Möglichkeit der 836 Exkulpation des Organs, sondern vielmehr eine Frage der Haftung von Beratern in Krise und Insolvenz, die unter Rn. 982 ff. erörtert wird. III. Abdingbarkeit von Haftungsansprüchen Die Abdingbarkeit von Haftungsansprüchen kommt gegebenenfalls durch 837 Abdingbarkeit durch Vertrag (siehe Rn. 874 ff.) und Abdingbarkeit durch Insolvenzplan (siehe Rn. 885 f.) in Betracht. 1. Abdingbarkeit durch Vertrag Der „gewöhnliche Arbeitnehmer“ genießt im Arbeitsrecht das Privileg, dass 838 nach den Grundsätzen zur „Beschränkung der Haftung des Arbeitnehmers bei gefahrgeneigter Tätigkeit“ zu verfahren ist. So BGH, Urt. v. 21.12.1993 – VI ZR 103/93, NJW 1994, 852 ff. = NZV 1994, 143 ff. = ZIP 1994, 480 ff., dazu EWiR 1994, 247 f. (Ackmann).

Arbeitnehmer haften für Schäden, die sie bei der Verrichtung gefahrgeneigter 839 Arbeit fahrlässig verursacht haben, dem Arbeitgeber gegenüber nur nach folgenden Grundsätzen: Bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer in aller

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D. Enthaftung des Organs

Regel den gesamten Schaden zu tragen, bei leichtester Fahrlässigkeit haftet er dagegen nicht, während bei normaler Fahrlässigkeit der Schaden in aller Regel zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer quotal zu verteilen ist, wobei die Gesamtumstände von Schadensanlass und Schadensfolgen nach Billigkeitsgrundsätzen und Zumutbarkeitsgesichtspunkten gegeneinander abzuwägen sind. So BAG, Beschl. v. 27.9.1994 – GS – 1/89 (A), BAGE 78, 56 ff. = NJW 1995, 210 ff. = ZIP 1994, 1712, dazu EWiR 1995, 345 f. (Kaiser); BAG, Urt. v. 18.4.2002 – 8 AZR 348/01, BAGE 101, 107 ff. = NJW 2003, 377 ff. = ZIP 2002, 1909 ff., dazu EWiR 2002, 1073 f. (Otto).

840 Die mit den Grundsätzen der gefahrgeneigten Tätigkeit zusammenhängenden Fragen bedürfen hier aber keiner weiteren Behandlung mehr, da diese Grundsätze zwar noch für leitende Angestellte, nicht aber für Organe von juristischen Personen gelten, soweit die Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Unternehmensleitung begangen worden ist. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 378; Lutter, GmbHR 2000, 301, 312.

841 Die arbeitsrechtlichen Grundsätze können daher zugunsten des Organs keine Anwendung finden, zumal die arbeitsrechtlichen Prinzipien im Konfliktfall hinter den gesellschaftsrechtlichen Erfordernissen zurücktreten müssen. So Goette, in: Festschrift Herbert Wiedemann, S. 873, 888.

842 Darüber hinaus ergibt sich auch aus dem Dienstvertrag, zwischen dem Organ und der Gesellschaft, unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze, allenfalls eine Abdingbarkeit von Ansprüchen der Gesellschaft gegen das Organ, die allerdings die Möglichkeit Dritter, gegen das Organ vorzugehen, unberührt lässt. Die Grundsätze zur Beschränkung der Haftung des Arbeitnehmers bei gefahrgeneigter Tätigkeit gelten ohnehin nicht zulasten eines außerhalb des Arbeitsverhältnisses stehenden Dritten. So BGH, Urt. v. 21.12.1993 – VI ZR 103/93, ZIP 1994, 480 ff. = NJW 1994, 852 ff. = NZV 1994, 143 ff. Rn. 15.

843 Ein vertraglicher Haftungsausschluss ist zwar denkbar, allerdings wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass die Haftung eines Organs nur bedingt vertraglich beschränkt werden kann, wofür z. B. die Regelung des § 93 Abs. 4 AktG spricht. Es liegt im Interesse der Gläubiger der Gesellschaft, dass die durch das Handeln des Organs geschmälerte Haftungsmasse durch die Geltendmachung des Ersatzanspruchs gegen das Organ wieder aufgefüllt wird. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 393.

844 Sofern man einen vertraglichen Haftungsausschluss für zulässig erachtet, kann jedoch nicht die Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen werden.

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IV. Erlass von Haftungsansprüchen So Joussen, GmbHR 2005, 441, 446; Habersack, in: Festschrift Peter Ulmer, S. 150.

Auch der Frage der Zulässigkeit eines Verzichts im Rahmen einer „General- 845 bereinigung“ wird unter Erlass von Haftungsansprüchen (Rn. 890 ff.) nachgegangen. Im Übrigen kommt eine Abdingbarkeit nicht in Betracht, wenn es sich um 846 Ansprüche handelt, auf die nicht verzichtet werden kann, z. B. im Hinblick auf die Kapitalaufbringung, die Kapitalerhaltung und die Auffüllung der Insolvenzmasse durch den Erstattungsanspruch für Zahlungen, die nach Insolvenzreife geleistet worden sind. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 402.

Von der Frage des vertraglichen Haftungsausschlusses ist die Frage eines 847 vertraglichen Freistellungsanspruchs zu unterscheiden. Grundsätzlich wird es für zulässig erachtet, dass die Gesellschaft das Organ für den Fall von der Haftung freistellt, dass das Organ einen Haftungstatbestand gegenüber einem Dritten, nicht aber gleichzeitig gegenüber der Gesellschaft verletzt hat. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 387; Scholz/Schneider, § 43 GmbHG Rn. 351.

Diese Frage spielt allerdings unter praktischen Gesichtspunkten keine Rolle, 848 da im Falle der Geltendmachung von Ansprüchen durch den Insolvenzverwalter ein vertraglicher Freistellungsanspruch gegen die Gesellschaft wertlos ist. 2. Abdingbarkeit durch Insolvenzplan Ist über das Vermögen des Organs das Insolvenzverfahren eröffnet worden, 849 so können auch Ansprüche der Gesellschaft und Dritter gegen das Organ Gegenstand des Insolvenzplans sein, selbst wenn es sich um deliktische Ansprüche handeln sollte. Sog. Deliktforderungen (§ 302 Nr. 1 InsO) sind von der Schuldbefreiung durch den erfüllten Insolvenzplan nur ausgenommen, wenn er dies bestimmt. So BGH, Beschl. v. 17.12.2009 – IX ZR 32/08, NJW-Spezial 2010, 343 Rn. 2.

Es handelt sich bei dieser Konstellation allerdings nicht um die Abdingbar- 850 keit, sondern um einen Erlass, dessen Einzelheiten unter Rn. 890 ff. (Erlass von Haftungsansprüchen) dargestellt werden. IV. Erlass von Haftungsansprüchen Während es bei der Abdingbarkeit von Haftungsansprüchen um eine Rege- 851 lung geht, die getroffen wird, bevor der Haftungsfall eingetreten ist, betrifft der Erlass von Haftungsansprüchen Ansprüche, die zumindest dem Grunde nach bereits feststehen.

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D. Enthaftung des Organs

852 Diese Haftungsansprüche, die durch Vertrag (siehe Rn. 893 ff.) oder Insolvenzplan (siehe Rn. 903 ff.) erlassen werden können, sind Gegenstand des nachfolgenden Abschnitts. 853 Im Übrigen kommt eine Enthaftung auch durch Gesellschafterbeschluss in Betracht, sofern dieser nicht pflichtwidrig ist. So Decker, GmbHR 2014, 72, 78; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 120.

854 Ein Handeln und Unterlassen des Organs im – auch stillschweigenden – Einverständnis mit sämtlichen Gesellschaftern lässt eine Pflichtverletzung i. S. v. § 43 Abs. 2 GmbHG entfallen. So BGH, Urt. v. 7.4.2003 – II ZR 193/02, ZIP 2003, 945 ff. = NZG 2003, 528 f., dazu EWiR 2004, 443 f. (Sinewe); BGH, Urt. v. 15.11.1999 – II ZR 122/98, ZIP 2000, 135 = NZG 2000, 204 f. = NJW 2000, 576 f.

855 Das Einverständnis sämtlicher Gesellschafter lässt die Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft allerdings nur entfallen, soweit die Dispositionsbefugnis der Gesellschafter gegenüber der GmbH reicht. So BGH, Urt. v. 7.4.2003 – II ZR 193/02, ZIP 2003, 945 ff. = NZG 2003, 528 f. Rn. 5, dazu EWiR 2004, 443 f. (Sinewe); BGH, Urt. v. 16.9.2002 – II ZR 107/01, ZIP 2002, 2128 ff. = NZG 2002, 1170 ff. = NZI 2003, 117 ff., dazu EWiR 2003, 119 f. (Blöse).

856 Das Einverständnis sämtlicher Gesellschafter ist somit unbeachtlich, wenn ein Verstoß gegen Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsgrundsätze in Rede steht oder die Gesellschaft vor existenzvernichtenden Eingriffen geschützt werden muss. So BGH, Urt. v. 7.4.2003 – II ZR 193/02, ZIP 2003, 945 ff. = NZG 2003, 528 f. Rn. 5, dazu EWiR 2004, 443 f. (Sinewe) BGH, Urt. v. 25.2.2002 – II ZR 196/00, BGHZ 150, 61 ff. = ZIP 2002, 848, dazu EWiR 2002, 679 f. (Blöse).

1. Erlass durch Vertrag a) Grundlagen 857 Der Erlass durch Vertrag (§ 397Abs. 1 BGB) ist lediglich eine Form der Erledigung. Es kommen ebenso ein negatives Schuldanerkenntnis (§ 397 Abs. 2 BGB), ein gerichtlicher sowie außergerichtlicher Vergleich (§ 779 BGB) oder ein Prozessvergleich in Betracht. Darüber hinaus wird in Aufhebungs- und Abfindungsvereinbarungen regelmäßig eine Klausel aufgenommen, die regelt, dass alle Ansprüche der Gesellschaft gegen das (ausscheidende) Organ oder alle gegenseitigen Ansprüche abgegolten sein sollen. So Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 93 Rn. 53; Hüffer/Koch, AktG, § 93 Rn. 28.

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IV. Erlass von Haftungsansprüchen

b) Aktiengesellschaft Bei der Aktiengesellschaft regelt § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG ausdrücklich, dass 858 die Gesellschaft erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs und nur dann auf Ersatzansprüche verzichten oder sich über sie vergleichen kann, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt. Die zeitliche Beschränkung gilt gemäß § 93 Abs. 4 Satz 4 AktG nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird. Die Vorschrift umfasst neben einem ausdrücklichen Verzicht oder Vergleich 859 auch einen Klageverzicht der Gesellschaft (§ 306 ZPO) oder ein Anerkenntnis der Gesellschaft gegenüber einer negativen Feststellungsklage des Vorstandmitglieds (§ 307 ZPO). Weiterhin wird von der Vorschrift auch die Stundung des Ersatzanspruchs umfasst. So Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 93 Rn. 53.

Ein Vergleich oder Verzicht soll erst vereinbart werden, wenn das mögliche 860 Schadensausmaß hinreichend überschaubar ist. So Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 93 Rn. 54; Hüffer/Koch, AktG, § 93 Rn. 28.

Die zeitliche Begrenzung gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsun- 861 fähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird. Es reicht aus, wenn ein außergerichtlicher Vergleich geschlossen wird, selbst wenn an diesem nur ein einziger Gläubiger beteiligt ist. So Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 93 Rn. 55; Hüffer/Koch, AktG, § 93 Rn. 30.

Wird der Vergleich geschlossen, um damit eine Einstellung des Insolvenzver- 862 fahrens gemäß §§ 213 ff. InsO zu erreichen, ist die Frist ebenfalls unbeachtlich. So Krieger/Sailer, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 93, Rn. 55; Hüffer/Koch, AktG, § 93 Rn. 30.

c) Gesellschaft mit beschränkter Haftung Eine vergleichbare Regelung findet sich im GmbHG nicht. Aber auch bei 863 dieser Rechtsform steht der Gläubigerschutz im Vordergrund. Es ist nicht einzusehen, dass Ansprüche gegen Geschäftsführer nicht verfolgt werden, solange es unbefriedigte Gesellschaftsgläubiger gibt, die aus eventuellen Ansprüchen gegen die Geschäftsführer befriedigt werden könnten. Es spricht daher einiges dafür, die Regelungen aus dem Aktiengesetz auch 864 auf die GmbH anzuwenden.

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D. Enthaftung des Organs Ebenso Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 98; Burgard, ZIP 2002, 827, 839.

d) Genossenschaft 865 Bei der Genossenschaft gilt ebenfalls eine Sonderregelung. Den Gläubigern gegenüber wird die Ersatzpflicht gemäß § 34 Abs. 5 Satz 2 GenG weder durch einen Verzicht oder Vergleich der Genossenschaft noch dadurch aufgehoben, dass die Handlung auf einem Beschluss der Generalversammlung beruht. Ist über das Vermögen der Genossenschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so übt gemäß § 34 Abs. 5 Satz 3 GenG während dessen Dauer der Insolvenzverwalter oder Sachwalter das Recht der Gläubiger gegen die Vorstandsmitglieder aus. 866 Diese Regelung aus dem Genossenschaftsgesetz verdeutlicht, dass es sich um eine gläubigerschützende Regelung handelt, sodass er nicht zur Disposition der Gesellschaft steht. Lediglich dem Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter wird die Kompetenz eingeräumt, sich über den Anspruch zu vergleichen. 2. Erlass durch Insolvenzplan 867 Der Erlass durch Insolvenzplan kann in zwei Varianten auftreten: Es kann sich um einen Insolvenzplan über das Vermögen des verantwortlichen Organs handeln oder aber um einen Insolvenzplan über das Vermögen der Gesellschaft. 868 Eine Regelung in einem Insolvenzplan über das Vermögen des haftungsverpflichteten Organs ist ohne Weiteres möglich, zumal dies bereits vom Wortlaut des § 93 Abs. 4 Satz 4 AktG gedeckt ist. Eine strengere Regelung ist auch für die GmbH oder die Genossenschaft weder ersichtlich noch erforderlich. 869 Eine gesetzliche Regelung, ob im Insolvenzplan auch Haftungsansprüche gegen Organe geregelt werden können, fehlt. Gemäß § 217 Satz 1 InsO können die Befriedigung der Gläubiger, die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung an die Beteiligten sowie die Verfahrensabwicklung und die Haftung des Schuldners nach Beendigung des Insolvenzverfahrens in einem Insolvenzplan abweichend von den Vorschriften der InsO geregelt werden. Es handelt sich hier allerdings um die Frage der Haftung der Organe und nicht um die Haftung des Schuldners, sodass bereits nach dem Wortlaut einiges dafür spricht, dass eine Regelung im Insolvenzplan über das Vermögen der Gesellschaft nicht möglich ist. 870 Zum Teil wird allerdings in der Literatur die Auffassung vertreten, dass im Insolvenzplan über das Vermögen der Gesellschaft aus sachlichen und wirtschaftlichen Gründen bestimmt werden kann, dass Haftungsansprüche nicht geltend gemacht werden. So Buchalik/Hiebert, ZInsO 2014, 109.

170

IV. Erlass von Haftungsansprüchen

Demnach soll es möglich sein, in den Insolvenzplan einen Verzicht oder eine 871 Abgeltungsklausel aufzunehmen. Die Protagonisten dieser beratergesteuerten Auffassung vertreten die Position, dass der Verzicht auf die Geltendmachung dieser Ansprüche eine Folge der – unstreitig anerkannten – Gläubigerautonomie und damit nicht insolvenzzweckwidrig sei. So Buchalik/Hiebert, ZInsO 2014, 109, 115.

Diese Auffassung ist auch nicht deswegen zutreffend, weil jeder, neben den 872 im Gesetz genannten Plan Betroffenen und auch im Übrigen jeder andere Dritte – freiwillig –, in den Plan einbezogen werden kann. So Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 217 Rn. 7.

In dieser Konstellation geht es aber darum, dass ein Dritter im Insolvenzver- 873 fahren über das Vermögen der Gesellschaft eine Verpflichtung übernimmt. Da auch die Insolvenzverwalterhaftung gemäß §§ 60 f. InsO nicht disponibel 874 ist, insbesondere hinsichtlich eines Verzichts auf Haftungsansprüche wegen unvollständiger Darstellung der Vermögensverhältnisse, z. B. wegen der krisentypischen Sonderaktiva aus Gesellschafter-, Organ- und Beraterhaftung, ist auch für eine Enthaftung des Organs im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft kein Raum. Vgl. zur Insolvenzverwalterhaftung: Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 217 Rn. 19.

Die ins Feld geführte Gläubigerautonomie ist regelmäßig das „Recht des 875 Stärkeren“ und kann daher nicht hinreichend legitimieren, dass auf Haftungsansprüche gegen Organe verzichtet werden kann. So Schmittmann/Dannemann, ZIP 2014, 1405, 1413.

Insbesondere Banken haben oftmals auch ein Interesse daran, dass die organ- 876 schaftlichen Vertreter geschont werden, da diese gegenüber der Bank aufgrund von Schuldbeitritten, Bürgschaften und ähnlichen Personalsicherheiten haften. Macht der Insolvenzverwalter Haftungsansprüche gegen die Organe geltend, fließen die vom Organ gezahlten Beträge in die Insolvenzmasse und stehen zur Verteilung an alle Gläubiger zur Verfügung. Darüber hinaus haben auch andere Gläubiger durchaus Interesse an einer Schonung der Organe, damit ihnen selbst eine entsprechende Haftungsmasse verbleibt. Haftet das geschäftsführende Organ für die nicht abgeführten Arbeitnehmeranteile am Sozialversicherungsbeitrag gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a Abs. 1 StGB, so kann der Sozialversicherungsträger gar kein Interesse daran haben, dass das geschäftsführende Organ vom Insolvenzverwalter z. B. auf Erstattung der nach Eintritt der Insolvenzreife abgeflossenen Beträge in Anspruch genommen wird. Auch die Finanzverwaltung wird mittelbar begünstigt, wenn das geschäfts- 877 führende Organ vom Insolvenzverwalter „verschont“ wird. Die Finanzverwaltung kann selbst nach einer mit einem Insolvenzplan bewirkten „teilwei171

D. Enthaftung des Organs

sen“ Befreiung des schuldnerischen Unternehmens von der Steuerschuld noch den organschaftlichen Vertreter gemäß §§ 34, 69 AO in Anspruch nehmen. So BFH, Beschl. v. 15.5.2013 – VII R 2/12, BFH/NV 2013, 1543 f. = StuB 2013, 834, dazu EWiR 2013, 691 f. (Hieber).

878 Der Fortbestand eines wirksam festgestellten Haftungsbescheids wird durch die im gestaltenden Teil des Insolvenzplans festgestellten Wirkungen nach Auffassung des BFH nicht berührt, sodass die Finanzverwaltung ein besonderes Interesse daran hat, nach Abschluss des Insolvenzverfahrens über die Gesellschaft noch ein leistungsfähiges Organ zur Verfügung zu haben, um gegen dieses – durch selbstgeschaffenen Haftungsbescheid gemäß § 191 Abs. 1 AO – vorgehen zu können. Ebenso Schmittmann/Dannemann, ZIP 2014, 1405, 1414.

879 Nach alledem sprechen die besseren Argumente dafür, eine Enthaftung durch Insolvenzplan als unzulässig anzusehen. V. Insolvenzanfechtung und Haftungsansprüche 880 Die Enthaftung des Organs könnte letztlich dadurch eintreten, dass der Insolvenzverwalter darauf verwiesen wird, dass er so lange keine Haftungsansprüche gegen geschäftsführende Organe geltend machen kann, bis sämtliche Insolvenzanfechtungsansprüche geltend gemacht und die Insolvenzmasse dadurch angereichert ist. Mit dieser Argumentation versuchen bisweilen geschäftsführende Organe, sich dem Erstattungsanspruch zu entziehen. An dieser Argumentation trifft zu, dass der Insolvenzverwalter einen entgegen der Massesicherungspflicht gezahlten Betrag nicht einmal im Wege der Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO) vom Zahlungsempfänger und andererseits vom geschäftsführenden Organ zurückfordern kann. 881 Nach zutreffender Auffassung ist das in Anspruch genommene Organ nicht berechtigt, die Erfüllung der Ansprüche auf Erstattung von Zahlungen, die nach Eintritt der Insolvenzreife geleistet worden sind gegenüber der Masse mit der Begründung zu verweigern, der Insolvenzverwalter der Gesellschaft habe es unterlassen, aussichtsreiche Anfechtungsrechte geltend zu machen. So BGH, Urt. v. 18.12.1995 – II ZR 277/94, BGHZ 131, 325 = NJW 1996, 850 f. = ZIP 1996, 420 ff., dazu EWiR 1996, 459 f. (Schulze-Osterloh).

882 Dessen ungeachtet ist der Insolvenzverwalter freilich verpflichtet, zu prüfen, ob durch anfechtbare Handlungen aus dem Vermögen des Schuldners etwas veräußert, weggegeben oder aufgegeben worden ist und ein Rückgewähranspruch gemäß § 143 InsO besteht. So LG Krefeld, Urt. v. 6.2.2014 – 3 O 271/13, NZI 2014, 410 ff.

883 Ein Insolvenzverwalter, der einen aussichtsreichen insolvenzrechtlichen Rückgewähranspruch nicht geltend macht, unterliegt gegebenenfalls einer Strafbarkeit wegen Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB. 172

V. Insolvenzanfechtung und Haftungsansprüche Vgl. Weyand, ZInsO 2014, 1934, 1939.

Ein Insolvenzplan kann vorsehen, dass dort eine Regelung hinsichtlich der 884 insolvenzanfechtungsrechtlichen Rückgewähransprüche getroffen wird. Erbringt der Anfechtungsgegner allerdings keine „echte“ Gegenleistung, sondern macht seine Zustimmung zum Insolvenzplan von der Nichtgeltendmachung der Anfechtungsansprüche abhängig, ist die Grenze der Lauterkeit überschritten und der die Vereinbarung möglicherweise nichtig. Ebenso Pape, in: Festschrift Bruno M. Kübler, S. 487, 498.

Hat das geschäftsführende Organ auf den Erstattungsanspruch gezahlt, ist 885 ihm der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO zur gegebenenfalls eigenen Rechtsverfolgung gegenüber dem Zahlungsempfänger abzutreten. So OLG Oldenburg, Urt. v. 10.5.2004 – 15 U 13/04, ZIP 2005, 317 (LS) = GmbHR 2004, 1014 f. = MDR 2004, 1383 ff.; Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 711.

Der Insolvenzverwalter wird daher nach sorgfältigem Ermessen entscheiden, 886 ob es zweckmäßiger ist, die insolvenzanfechtungsrechtlichen Rückgewähransprüche gemäß § 143 Abs. 1 InsO gegen die einzelnen Zahlungsempfänger geltend zu machen oder den Haftungsanspruch gegen das geschäftsführende Organ.

173

E. D&O-Versicherung Die D&O-Versicherung („Directors-and-Officers“-Versicherung) hat in 887 Deutschland lange Zeit ein Schattendasein geführt, obgleich die Anfänge einer Haftpflichtversicherung für Unternehmensleiter in Deutschland in das Jahr 1895 zurückgehen und diese Art der Versicherung in den Vereinigten Staaten sowie in Großbritannien seit beinahe einhundert Jahren eine Standardmaßnahme darstellt. Es handelt sich bei der D&O-Versicherung um eine spezielle Art von Vermögensschadenhaftpflichtversicherung. Das Unternehmen schließt für seine Organe und gegebenenfalls leitenden Angestellten, also zugunsten Dritter, eine Versicherung ab, die Vermögensschäden abdecken soll, die das Organ ausgelöst hat. Vgl. Andresen/Schaumann, ZInsO 2010, 1908 ff.; Armbrüster, NJW 2016, 897 ff.; Armbrüster, NJW 2016, 2155 ff.; Bräuer, AnwBl. 2016, 258 ff.; Brinkmann, ZIP 2017, 301 ff.; Dauner-Lieb/Tettinger, ZIP 2009, 1555 ff.; Gädtke/Wax, AG 2010, 851 ff.; Heße, NZI 2009, 790 ff.; Ihlas, D&O: Directors & Officers Liability; Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung; Looschelders/Derkum, ZIP 2017, 1249 ff.; Luttmann/Raiß, ZInsO 2016, 1229 ff.; Olbrich, Die D&O-Versicherung; Reuter, in: Festschrift Klaus Pannen, S. 655 ff.; Schmitt, Organhaftung und D&O-Versicherung; Schockenhoff, ZHR 180 (2016), 197 (225 ff.); Steinkühler/Kassing, VersR 2009, 607 ff.; Wedemann, ZIP 2014, 2469 ff.; Werner, ZInsO 2014, 1940 ff.

Insbesondere in der Insolvenz spielt die D&O-Versicherung eine bedeutende 888 Rolle, da aufgrund der häufig fehlenden Leistungsfähigkeit der Organe eine Massemehrung durch die Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Organe nur dann zu einem tatsächlichen Massezufluss führt, wenn auch ein leistungsfähiger Schuldner, also hier die Versicherung, zur Verfügung steht. I. Grundlagen Die D&O-Versicherung basiert auf folgenden Grundsätzen:

889

Es handelt sich um eine Berufshaftpflichtversicherung für Leitungs- und Auf- 890 sichtsorgane, die die Tätigkeit dieses Personenkreises als Organe des Unternehmens abdeckt. Die D&O-Versicherung enthält auch Elemente einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung sowie einer Rechtsschutzversicherung. Mit einer D&O-Versicherung können sämtliche ehemaligen, gegenwärtigen 891 und künftigen Mitglieder des Vorstands, der Geschäftsführung, des Aufsichtsrates, Verwaltungsrates oder Beirates, deren Vertreter, faktische Mitglieder, leitende Angestellte und Compliance Officer eines Unternehmens sowie Generalbevollmächtigte, Zollbeauftragte und eingetragene Lebenspartner versichert werden. Im Rahmen der D&O-Versicherung übernimmt der Versicherer die Prüfung 892 der Sach- und Rechtslage, sowie die Freistellung von begründeten Ansprü-

175

E. D&O-Versicherung

chen. Im Übrigen wehrt er unbegründete Ansprüche ab, was gleichbedeutend mit der Führung von Rechtstreiten und Übernahme der Kosten ist. Vgl. Allianz, abrufbar unter: https://business.allianz.de/produkte/haftpflicht/ d-o-versicherung/ [Stand: 9.4.2018].

893 Mittelbar hat die D&O-Versicherung in das Aktiengesetz Einzug gehalten. Gemäß § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG ist bei Abschluss einer Versicherung zur Absicherung eines Vorstandsmitglieds gegen Risiken aus dessen beruflicher Tätigkeit für die Gesellschaft durch die Gesellschaft ein Selbstbehalt von mindestens 10 % des Schadens bis mindestens zur Hälfte des 1 ½-fachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds vorzusehen (§ 93 Abs. 2 Satz 3 AktG). 894 Eine entsprechende Regelung findet sich in Ziff. 3.8 DCGK (Deutscher Corporate Governance Kodex), der den Selbstbehalt auch auf eine D&OVersicherung für den Aufsichtsrat erstreckt. 895 Die derzeitige Regelung von § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG wurde durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) vom 31.7.2009 (BStBl. I 2009, 2509 ff.), eingeführt. 896 Durch den obligatorischen Selbstbehalt soll der Vorstand von pflichtwidrigen Handlungen abgehalten werden. Die Regelung hat damit eine Präventionswirkung. So Hüffer/Koch, AktG, § 93 Rn. 18a.

897 Das Gesetz regelt nicht, welche Rechtsfolgen sich aus dem Abschluss einer Versicherung ohne Selbstbehalt ergeben. Abgesehen davon, dass der Abschluss einer Versicherung ohne Selbstbehalt bereits eine Pflichtwidrigkeit darstellen dürfte, kann die Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder jedenfalls in der Höhe des Mindestselbstbehalts Ansprüche geltend machen. So Hüffer/Koch, AktG, § 93 Rn. 18b.

898 Zahlt die Gesellschaft die Versicherungsprämie, so stellt sich die Frage, ob es sich insoweit um eine (Sach-)Vergütung handelt, die – soweit Aufsichtsratsmitglieder betroffen sind – entweder in der Satzung festgesetzt oder von der Hauptversammlung bewilligt werden muss. Da der Abschluss einer solchen Versicherung in erster Linie den Vermögensinteressen der Gesellschaft dient, ist ein Vergütungscharakter nicht gegeben. So Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 113 Rn. 12; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, § 13 Rn. 1038.

899 Die Beiträge zu einer D&O-Versicherung werden auch von der Finanzverwaltung nicht als steuerpflichtige Einkünfte angesehen. So Bundesfinanzministerium, Schreiben vom 24.1.2002 – S 2332 161 – 35, S 2245 – 21 – 31 2, DStR 2002, 678 = AG 2002, 287; Loritz/Wagner, DStR 2012, 2205, 2209 f.

176

II. Deckungskonzept

II. Deckungskonzept Das Deckungskonzept der D&O-Versicherung basiert darauf, dass das Un- 900 ternehmen Versicherungsnehmer ist (siehe Rn. 941 ff.) und der Abschluss des Vertrages in der Weise erfolgt, dass beim Vertragsabschluss die Gesellschaft von dem Organ vertreten wird (siehe Rn. 949 ff.). 1. Versicherungsnehmer Bei der D&O-Versicherung ist regelmäßig Versicherungsnehmer – und damit 901 Prämienschuldner – das Unternehmen. Das Organ ist versicherte Person, sodass es sich um eine Versicherung für fremde Rechnung i. S. v. §§ 43 ff. VVG handelt. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 454; Nissen, KTS 2018, 29; Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550, 551; OLG München, Urt. v. 15.3.2005 – 25 U 3940/04, ZIP 2005, 1556 ff. = DB 2005, 1675 ff.

Im Rahmen einer D&O-Versicherung verspricht der Versicherer dem Versi- 902 cherungsnehmer Versicherungsschutz unter anderem für den Fall, dass eine versicherte Person wegen einer bei Ausübung der organschaftlichen Tätigkeit bei der Versicherungsnehmerin begangenen Pflichtverletzung für einen Vermögensschaden auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. So BGH, Urt. v. 12.9.2012 – IV ZR 171/11, ZIP 2012, 2112 = NZG 2012, 1399 Rn. 11, dazu EWiR 2013, 431 f. (Schimmer).

Regelmäßig enthält der Versicherungsschutz dahin Einschränkungen, dass 903 keine Personen- und Sachschäden versichert werden, sondern lediglich Vermögensschäden. Darüber hinaus werden auch Ansprüche aus der Produkthaftpflicht und im Zusammenhang mit Umweltschäden nicht versichert. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 458.

In Innenhaftungsfällen der D&O-Versicherung gilt auch der geschädigte Ver- 904 sicherungsnehmer oder sein in den Versicherungsschutz einbezogenes Tochterunternehmen als Dritter i. S. v. § 108 Abs. 2 VVG. So BGH, Urt. v. 13.4.2016 – IV ZR 304/13, ZIP 2016, 976 ff. = WM 2016, 871 ff. = NJW 2016, 2184 ff., dazu EWiR 2016, 367 f. (Dreher); vgl. dazu Beckmann, JM 2016, 403 ff.

Der Versicherer einer D&O-Versicherung kann sich in einem Innenhaftungsfall 905 auf eine Versicherungsbedingung, nach der der Versicherungsschutz nur durch die versicherten Personen geltend gemacht werden kann, nach Treu und Glauben nicht berufen, wenn er einen Deckungsanspruch abgelehnt hat, die versicherten Personen keinen Versicherungsschutz geltend machen und schützenswerte Interessen des Versicherers einer Geltendmachung des Anspruchs durch den Versicherungsnehmer nicht entgegenstehen.

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E. D&O-Versicherung So BGH, Urt. v. 5.4.2017 – IV ZR 360/15, ZIP 2017, 881 ff., dazu EWiR 2017, 369 f. (Dreher); Looschelders/Derkum, ZIP 2017, 1249 ff.

906 Eine D&O-Versicherung trifft keine Eintrittspflicht für die Abwerbung von Personal durch eine versicherte Person zum Zwecke der Gründung eines Konkurrenzunternehmens. So OLG München, Urt. v. 13.9.2017 – 7 U 4126/13, ZIP 2018, 27 ff.

907 Die Haftung für Vorsatz und wissentliche Pflichtverletzungen, nicht jedoch die Haftung für grob fahrlässiges Verhalten, sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 458; Lange, DStR 2002, 1674, 1676; Kiethe, BB 2003, 537 ff.; Koch, WM 2007, 2173, 2180.

908 Die Haftung für Handlungen außerhalb des Geschäftsgegenstandes ist ebenfalls ausgeschlossen. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 458.

2. Abschluss 909 Die Gesellschaft wird beim Abschluss des D&O-Versicherungsvertrages von ihren Organen vertreten. Differenziert ist zu betrachten, welche Voraussetzungen für den Abschluss einer Versicherung erforderlich sind. 910 Bei der Aktiengesellschaft geht § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG von der Zulässigkeit des Abschlusses einer Versicherung für den Vorstand aus. Es ist ein Selbstbehalt von mindestens 10 % des Schadens bis mindestens zur Höhe des 1 ½fachen der festen jährlichen Vergütung vorzusehen. Eine Zustimmungsbedürftigkeit zum Abschluss des Versicherungsvertrages durch die Hauptversammlung besteht nicht. 911 Hinsichtlich des Aufsichtsrates kann grundsätzlich eine D&O-Versicherung abgeschlossen werden, was Ziff. 3.8 DCGK ausdrücklich vorsieht. Es gibt jedoch keine Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber ihren Aufsichtsratsmitgliedern, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. So BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR 280/07, ZIP 2009, 860 ff. = NZG 2009, 550 ff. Rn. 23, dazu EWiR 2009, 493 f. (Kiem/Giershausen).

912 Der BGH hat offengelassen, ob der Vorstand für den Abschluss einer D&OVersicherung zugunsten der Aufsichtsratsmitglieder zuständig ist oder ob die Prämienzahlung einen Vergütungsbestandteil darstellt. So BGH, Urt. v. 16.3.2009 – II ZR 280/07; ZIP 2009, 860 ff. = NZG 2009, 550 ff. Rn. 23, dazu EWiR 2009, 493 f. (Kiem/Giershausen).

178

III. Gegenstand der Versicherung

Bei der GmbH liegt die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Ab- 913 schluss einer D&O-Versicherung gemäß §§ 46 Nr. 5 und Nr. 8 GmbHG bei der Gesellschafterversammlung. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 461.

Ein ohne Beschluss der Gesellschafterversammlung eingegangener Versiche- 914 rungsvertrag ist gleichwohl wirksam. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 461.

Gesetzlich ist bei der GmbH – anders als bei der AG – ein Selbstbehalt nicht 915 vorgeschrieben. Auch bei der GmbH besteht ohne Vereinbarung in der Satzung oder im An- 916 stellungsvertrag keine Verpflichtung, für den Geschäftsführer eine D&OVersicherung abzuschließen. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 463.

Der Insolvenzverwalter einer GmbH ist gegenüber deren Geschäftsführer nicht 917 verpflichtet, eine zu dessen Gunsten abgeschlossene Haftpflichtversicherung (D&O-Versicherung) aufrechtzuerhalten, um ihn aus einer Inanspruchnahme wegen verbotener Zahlungen freizustellen. So BGH, Urt. v. 14.4.2016 – IX ZR 161/15, ZIP 2016, 1126 ff. = ZVI 2016, 348 ff. = NZI 2016, 580 ff. (m. Anm. Jansen), dazu EWiR 2016, 435 f. (Swierczok); Vorinstanz: OLG Hamburg, Beschl. v. 8.7.2015 – 11 U 313/13, ZIP 2015, 1840 f. = ZVI 2016, 95 f. = WM 2015, 2330 ff. = NZI 2015, 851 ff. (m. Anm. Püttgen); dazu EWiR 2016, 21 f. (Hahn).

Hatte der Geschäftsführer gegen die Gesellschaft einen Anspruch auf Ab- 918 schluss einer D&O-Versicherung, kann der Nichtabschluss der Versicherung zu einem Schadensersatzanspruch führen. So Koch, GmbHR 2004, 160, 167.

III. Gegenstand der Versicherung Der Versicherungsnehmer, die Gesellschaft, hat einen unmittelbaren An- 919 spruch gegen den Versicherer zur Durchsetzung ihrer Ersatzansprüche gegen den Versicherten, das Organ. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 469.

Im Bereich der Haftpflichtversicherung sind die Haftpflichtfrage und die 920 Deckungsfrage unabhängig voneinander und in getrennten Prozessen zu verhandeln (sog. „Deckungsprinzip“). So OLG Köln, Urt. v. 2.9.2008 – 9 U 151/07, VersR 2008, 1673 ff. = GmbH-Report 2009, R 38 = r&s 2008, 468 ff.

Bei einer Haftpflichtversicherung ist der Versicherer gemäß § 100 VVG ver- 921 pflichtet, den Versicherungsnehmer von Ansprüchen freizustellen, die von 179

E. D&O-Versicherung

einem Dritten aufgrund der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache geltend gemacht werden, und unbegründete Ansprüche abzuwehren. 922 Gemäß § 108 Abs. 2 VVG kann die Abtretung des Freistellungsanspruchs an einen Dritten nicht durch allgemeine Versicherungsbedingungen ausgeschlossen werden. Ob gleichwohl noch die Möglichkeit besteht, einen Abtretungsausschluss zu vereinbaren, ist im Einzelnen streitig. Vgl. Armbrüster, NJW 2009, 187, 192; Schimmer, Versicherungsrecht 2008, 875, 879; Böttcher, NZG 2008, 645, 647; Koch, WM 2007, 2173, 2177.

923 Ist über das Vermögen des Versicherungsnehmers, also der Gesellschaft, das Insolvenzverfahren eröffnet, kann der Dritte gemäß § 110 VVG wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers verlangen. 924 Hat der Versicherer nach Eintritt des Versicherungsfalls den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Freistellung anerkannt oder zu Unrecht abgelehnt, kann gemäß § 111 Abs. 1 Satz 1 VVG jede Vertragspartei das Versicherungsverhältnis kündigen. 925 Ein gegen den Versicherungsnehmer ergangenes Urteil ist für den Versicherer bindend, da § 106 Satz 1 VVG regelt, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer innerhalb von zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Anspruch des Dritten mit bindender Wirkung für den Versicherer durch rechtskräftiges Urteil, Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden ist, vom Anspruch des Dritten freizustellen hat. Hat der Versicherungsnehmer den Dritten bereits befriedigt, so hat der Versicherer die Entschädigung gemäß § 106 Satz 2 VVG an den Versicherungsnehmer zu zahlen. 926 Die D&O-Versicherung folgt dem sog. „Claims-made-Prinzip“. Maßgebend für den Versicherungsfall ist nicht das Schadensereignis, sondern die Geltendmachung eines Anspruchs gegen das Organ. So Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, Rn. 476; Leuering/Rubner, NJW-Spezial 2016, 143 f.

927 Gemäß Ziff. 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführern (AVB-AVG) ist ein Versicherungsfall die erstmalige Geltendmachung eines Haftpflichtanspruchs gegen eine versicherte Person während der Dauer des Versicherungsvertrages. Ein Haftpflichtanspruch ist geltend gemacht, wenn gegen eine versicherte Person ein Anspruch schriftlich erhoben wird oder ein Dritter der Versicherungsnehmerin, einer Tochtergesellschaft oder der versicherten Person schriftlich mitteilt, einen Anspruch gegen eine versicherte Person zu haben.

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IV. Leistungsausschlüsse

Versicherungsschutz besteht gemäß § Ziff. 3.1 AVB-AVG für während der 928 Dauer des Versicherungsvertrages eingetretene Versicherungsfälle wegen Pflichtverletzungen, die während der Dauer des Versicherungsvertrages begangen wurden. Wird eine Pflichtverletzung durch fahrlässige Unterlassung verursacht, gilt sie im Zweifel als an dem Tag begangen, an dem die versäumte Handlung spätestens hätte vorgenommen werden müssen, um den Eintritt des Schadens abzuwenden. Gemäß Ziff. 3.4 AVB-AVG (“Notice of Circumstance-Regelung”) haben die 929 versicherten Personen die Möglichkeit, dem Versicherer während der Laufzeit des Vertrages konkrete Umstände zu melden, die eine Inanspruchnahme der versicherten Personen hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen. IV. Leistungsausschlüsse Die Leistungsausschlüsse können sich aus Gesetz oder Versicherungsbedin- 930 gungen ergeben. Der Versicherer ist gemäß § 103 VVG nicht zur Leistung verpflichtet, wenn 931 der Versicherungsnehmer vorsätzlich und widerrechtlich den bei dem Dritten eingetretenen Schaden herbeigeführt hat. Im Falle der Insolvenz der Versicherungsnehmerin oder eines Tochterunter- 932 nehmens erstreckt sich die Deckung für die versicherten Personen des betroffenen Unternehmens gemäß Ziff. 3.5 AVB-AVG nur auf Haftpflichtansprüche infolge von Pflichtverletzungen, die bis zum Eintritt der Insolvenzreife begangen worden sind. Weitere Ausschlüsse sind in Ziff. 5 AVB-AVG geregelt. Ausgeschlossen sind 933 demnach insbesondere Haftpflichtansprüche wegen vorsätzlicher Schadenverursachung (Ziff. 5.1 AVB-AVG), wegen Rückzahlung oder Rückgabe von Bezügen, Tantiemen oder sonstigen Vorteilen (Ziff. 5.2 AVB-AVG), wegen Schäden durch von der Versicherungsnehmerin oder einer Tochtergesellschaft in den Verkehr gebrachten Produkte, Arbeiten oder sonstige Leistungen (Ziff. 5.3 AVB-AVG), wegen Schäden durch Umwelteinwirkungen (Ziff. 5.4 AVB-AVG) sowie sonstigen, im Einzelnen genannten Sachverhalten. Verletzt die Versicherungsnehmerin eine Obliegenheit aus dem Vertrag 934 (Ziff. 7.3 AVB-AVG), kann der Versicherer den Vertrag gemäß Ziff. 8.1 AVBAVG innerhalb eines Monats ab Kenntnis von Obliegenheitsverletzungen fristlos kündigen, es sei denn, dass die Pflichtverletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruhte. Die Versicherungsnehmerin verliert gemäß § 8.2 AVB-AVG ihren Versiche- 935 rungsschutz, wenn sie eine Obliegenheit aus dem Vertrag vorsätzlich verletzt, es sei denn, dass die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung ursächlich war.

181

F. Haftung von Beratern in Krise und Insolvenz Die Haftung von Beratern in der Krise ist in der jüngeren Zeit vermehrt in 936 den Fokus von Rechtsprechung und Literatur gerückt, nachdem zum einen in vielen Fällen durch die durch den Insolvenzverwalter in Anspruch genommenen Organe versucht worden ist, sich bei Beratern schadlos zu halten und zum anderen, weil Insolvenzverwalter im Hinblick auf die teilweise wirtschaftliche Nichtdurchsetzbarkeit von Ansprüchen gegen die Organe Ansprüche gegen Berater, die in aller Regel versichert sind, geltend gemacht haben. Zudem gehen Insolvenzverwalter, von Fällen der sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB abgesehen, bei der Führung eines Rechtsstreits gegen einen Berater kein Haftungs- und Prozesskostenrisiko ein. So Ehlers, BB 2014, 131, 132.

Diese Entwicklung ist dadurch befördert worden, dass der BGH in einer 937 ganzen Reihe von Entscheidungen seine Rechtsprechung, insbesondere zur Haftung von Steuerberatern, konkretisiert hat. I. Haftung von Beratern in der Krise Der nachfolgende Abschnitt stellt zunächst die Grundlagen der Haftung von 938 Beratern in der Krise dar (siehe Rn. 979 ff.), bevor auf die Besonderheiten bei Rechtsanwälten (siehe Rn. 1073 ff.), Steuerberatern (siehe Rn. 1081 ff.), Wirtschaftsprüfern (siehe Rn. 1097 ff.) und Unternehmensberatern (siehe Rn. 1119 ff.) eingegangen wird. Vgl. Gehrlein, DStR 2014, 226 ff.; 281 ff.; Gräfe, DStR 2010, 618 ff.; 669 ff.

1. Grundlagen Der Berater kann aus vertraglicher Haftung (siehe Rn. 983 ff.), aus Vertrag 939 mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (siehe Rn. 1013 ff.) sowie aus Delikt (siehe Rn. 1048 ff.) haften. a) Vertragliche Haftung Die vertragliche Haftung knüpft an einen zwischen dem Beratenen und dem 940 Berater geschlossenen Vertrag an. Ob ein wirksamer Vertrag zustande gekommen ist, richtet sich nach den allgemeinen, zivilrechtlichen Grundsätzen, sodass es erforderlich ist, dass seitens des Beratenen und des Beraters auf den Abschluss eines Vertrages gerichtete Willenserklärungen, die auch konkludent sein können, abgegeben worden sind. Es ist stets zweckmäßig, Beratungsverträge schriftlich abzuschließen, schon deshalb, damit später keine Streitigkeiten über den Umfang der geschuldeten Beratung sowie das vereinbarte Honorar entstehen. Vgl. Schaaf/Mushardt, DB 2013, 1890, 1892.

183

F. Haftung von Beratern in Krise und Insolvenz

941 Ein Beratungsvertrag kommt nach der Rechtsprechung des BGH konkludent zustande, wenn das Verhalten des anderen Teils von dem Berater bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nach Treu und Glauben als eine auf den Abschluss eines entsprechenden Vertrages gerichtete Willenserklärung aufzufassen war und sein nachfolgendes Verhalten als Annahme des Auftrags gedeutet werden durfte. Dabei sind im Interesse der Rechtssicherheit an die Annahme eines Beratervertrages durch schlüssiges Verhalten strenge Anforderungen zu stellen. So BGH, Urt. v. 22.7.2004 – IX ZR 132/03, NJW 2004, 3630 ff. = WM 2004, 1825 ff. Rn. 8; BGH, Urt. v. 21.3.1991 – IX ZR 186/90, NJW 1991, 2084 ff. = WM 1991, 1567 ff. Rn. 12 (jeweils zum Anwaltsvertrag).

942 Ein Beratungsvertrag mit den Zuhörern kommt nicht zustande, wenn ein Berufsträger in der Gesellschafterversammlung seines Mandanten einen Fachvortrag hält. So OLG Hamm, Urt. v. 1.3.2012 – 34 U 68/11 (n. v.); Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, Rn. 25; Wastl/Pusch, NWB 2014, 2352 ff.

943 Vom rechtsverbindlichen Beratungsvertrag ist die Leistung aus Gefälligkeit abzugrenzen. Vgl. Kayser, ZIP 2014, 597, 603; Ehlers, DStR 2010, 2154, 2157.

944 Beispiel: Führt ein Landrat anlässlich einer Festveranstaltung ein Gespräch mit einem Bankmitarbeiter, in dem es um eine Finanzierung geht, kann regelmäßig nicht davon ausgegangen werden, dass die Bank mit Bindungs- oder Verpflichtungswillen handelt. So BGH, Urt. v. 16.10.1990 – XI ZR 165/88, NJW 1991, 352 f. = WM 1990, 1990 ff., dazu EWiR 1991, 41 f. (Eckert).

945 Wird ein Rat außerhalb des Büros des Beraters und außerhalb des Betriebs des Mandanten anlässlich eines gesellschaftlichen Kontaktes, z. B. bei einem Spaziergang, auf dem Tennisplatz, bei einem Grillfest oder bei einem sonstigen zufälligen Zusammentreffen erteilt, kann in der erteilten Beratung nicht ohne Weiteres der Abschluss eines Beratungsvertrages gesehen werden. So Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, Rn. 29.

946 Bei Honorarstreitigkeiten, mit denen der Berater den Mandanten in Anspruch nimmt, liegt die Darlegungs- und Beweislast nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen hinsichtlich des Vertragsschlusses, der Reichweite des Vertrages und des geschuldeten Honorars beim Berater. 947 Wird der Berater in die Haftung genommen, so kehrt sich dies um, da der Beratene bzw. sein Insolvenzverwalter nunmehr die Darlegungs- und Beweislast für das Zustandekommen des Vertrages sowie Art und Umfang der 184

I. Haftung von Beratern in der Krise

Beratung hat. Hierbei besteht allerdings für den Anspruchsteller der Vorteil darin, dass der Berater regelmäßig seine Beratungsleistungen abgerechnet haben dürfte, sodass seinerseits kaum mit Erfolg behauptet werden kann, ein Vertrag sei nicht zustande gekommen. Gleichwohl ist denkbar, dass es zu Streitigkeiten hinsichtlich des Umfangs der geschuldeten Beratung kommt. Daher liegt es auch im Interesse des Beratenen, schon vor Beginn der Beratung Art und Umfang des zu erteilenden Auftrages zu fixieren. aa) Beratungspflichten im Allgemeinen Welche Aufgaben der Berater zu erfüllen hat, bestimmt sich nach der Recht- 948 sprechung des BGH nach Inhalt und Umfang des erteilten Mandats. So BGH, Urt. v. 7.3.2013 – IX ZR 64/12, ZIP 2013, 829 ff. = NZI 2013, 438 ff. = WM 2013, 802 ff. = DStR 2013, 1151 ff. Rn. 14, dazu EWiR 2013, 477 f. (Baumert); BGH, Urt. v. 4.3.1987 – IVa ZR 222/85, NJW-RR 1987, 1375 ff. = BB 1987, 1204 f., dazu EWiR 1987, 459 f. (Späth); BGH, Urt. v. 26.1.1995 – IX ZR 10/94, BGHZ 128, 358 ff. = WM 1995, 721 ff. = NJW 1995, 958 f. (zur Steuerberaterhaftung); vgl. Schmittmann, StuB 2014, 536 f.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Steuerberater verpflichtet, sich mit 949 den steuerlichen Punkten zu befassen, die zur pflichtgemäßen Erledigung des ihm erteilten Auftrages zu beachten sind. Nur in den hierdurch gezogenen Grenzen des Dauermandats hat er den Auftraggeber auch ungefragt über die bei der Bearbeitung auftauchenden steuerrechtlichen Fragen zu belehren. So BGH, Urt. v. 7.3.2013 – IX ZR 64/12, ZIP 2013, 829 ff. = NZI 2013, 438 ff. = WM 2013, 802 ff. = DStR 2013, 1151 ff. Rn. 14, dazu EWiR 2013, 477 f. (Baumert); BGH, Urt. v. 6.12.1979 – VII ZR 19/79, MDR 1980, 303 = DB 1980, 685; BGH, Urt. v. 28.11.1966 – VII ZR 132/64, DB 1967, 244 = WM 1967, 72 f. (zur Steuerberaterhaftung); vgl. Schaaf/Mushardt, DB 2013, 1890 ff.

Zu den vertraglichen Nebenpflichten des Beraters gehört es gemäß § 242 950 BGB, den Mandanten vor Schaden zu bewahren und auf Fehlentscheidungen, die für ihn offen zutage liegen, hinzuweisen. So BGH, Urt. v. 7.3.2013 – IX ZR 64/12, ZIP 2013, 829 ff. = NZI 2013, 438 ff. = WM 2013, 802 ff. = DStR 2013, 1151 f. Rn. 14, dazu EWiR 2013, 477 f. (Baumert); BGH, Urt. v. 21.7.2005 – IX ZR 6/02, WM 2005, 1904 ff. = NJW-RR 2005, 1511 = DStR 2006, 160 ff. = BRAK-Mitt. 2005, 259 ff. (m. Anm. Grams); BGH, Urt. v. 7.5.1991 – IX ZR 188/90, WM 1991, 1303 ff. = MDR 1991, 725 ff. (zur Steuerberaterhaftung).

Ein Berater muss grundsätzlich davon ausgehen, dass der Mandant beratungs- 951 bedürftig ist. Selbst für den Fall, dass eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Geschäftsführer selbst Rechtsanwälte sind, einen Rechtsanwalt mit der Prüfung der Erfolgsaussicht einer Klage beauftragt, bleibt es bei dem anwaltsvertraglichen Anspruch des Mandanten auf umfassende Beratung.

185

F. Haftung von Beratern in Krise und Insolvenz So BGH, Urt. v. 10.5.2012 – IX ZR 125/10, BGHZ 193, 193 ff. = NJW 2012, 2435 ff. Rn. 20 = WM 2012, 1351 ff. = ZIP 2012, 1413 ff., dazu EWiR 2012, 553 f. (Weipert).

952 Dem Rechtsanwalt obliegt die rechtliche Bearbeitung eines ihm anvertrauten Falles auch im Verhältnis zu einem rechtskundigen Mandanten. So BGH, Urt. v. 10.5.2012 – IX ZR 125/10, BGHZ 193, 193 = WM 2012, 1351 ff. = NJW 2012, 2435 ff. Rn. 20 = ZIP 2012, 1413 ff., dazu EWiR 2012, 553 f. (Weipert); BGH, Urt. v. 26.10.2000 – IX ZR 289/99, WM 2001, 98 ff. = BGH, Urt. v. 29.4.1993 – IX ZR 101/92, ZIP 2001, 33 = WM 1993, 1508 ff. = NJW 1993, 2045 ff.; BGH, Urt. v. 19.12.1991 – IX ZR 41/91, WM 1992, 739 ff. = NJW 1992, 820 f.

953 Die bestmögliche Entscheidungsvariante kann auch bei einem Mandanten, der über einschlägige Kenntnisse verfügt, nicht ohne fachlich qualifizierten Berater ermittelt werden. So Ehlers, BB 2014, 131, 137.

954 Ein Berater hat dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist. So BGH, Urt. v. 10.5.2012 – IX ZR 125/10, BGHZ 193, 193 ff. = WM 2012, 1351 ff. = NJW 2012, 2435 ff. Rn. 22 = ZIP 2012, 1413 ff. = dazu EWiR 2012, 553 f. (Weipert); BGH, Urt. v. 7.2.2008 – IX ZR 149/04, WM 2008, 946 ff. = NJW 2008, 2041 ff.; BGH, Urt. v. 1.3.2007 – IX ZR 261/03, BGHZ 171, 261 ff. = WM 2007, 1183 ff. = ZIP 2007, 1410 ff., dazu EWiR 2007, 743 f. (Ring) (zur Haftung eines Rechtsanwalts); Ehlers, ZInsO 2015, 2002, 2003; Zugehör, in: Festschrift Gero Fischer, S. 617, 619.

955 Der Rechtanwalt muss die mit der Erhebung einer Klage verbundenen Risiken nicht nur benennen, sondern auch deren ungefähres Ausmaß abschätzen. So BGH, Urt. v. 10.5.2012 – IX ZR 125/10, BGHZ 193, 193 ff. = WM 2012, 1351 ff. = NJW 2012, 2435 ff. Rn. 22 = ZIP 2012, 1413 f, dazu EWiR 2012, 553 f. (Weipert); BGH, Urt. v. 6.2.1992 – IX ZR 95/91, WM 1992, 742 ff. = NJW 1992, 1159 ff., dazu EWiR 1992, 557 f. (Preis); BGH, Urt. v. 8.12.1983 – I ZR 183/81, BGHZ 89, 178 ff. = ZIP 1984, 459 ff. = NJW 1984, 791 ff. (zum Rechtsanwaltsvertrag).

956 Zweck der Steuerberatung ist es, die dem Auftraggeber fehlende Sach- und Rechtskunde auf diesem Gebiet zu ersetzen. Die pflichtmäßige Steuerberatung anlässlich der Aufstellung von Jahresabschlüssen und Erarbeitung von Steuererklärungen verlangt nach der Rechtsprechung des BGH sachgerechte Hinweise über die Art, die Größe und die mögliche Höhe eines Steuerrisikos, um den Auftraggeber in die Lage zu versetzen, eigenverantwortlich seine Rechte und Interessen zu wahren und eine Fehlentscheidung in seinen steuerlichen Angelegenheiten vermeiden zu können. Der Auftraggeber muss im-

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I. Haftung von Beratern in der Krise

stande sein, nach den erhaltenen Hinweisen seine Interessen und erheblichen Steuerrisiken selbst abzuwägen. So BGH, Urt. v. 23.2.2012 – IX ZR 92/08, ZIP 2012, 777 ff. = NJW-RR 2012, 828 ff. = BRAK-Mitt. 2012, 154 f. Rn. 11; BGH, Urt. v. 20.10.2005 – IX ZR 127/04, ZIP 2006, 1538 ff. = WM 2005, 2945 ff. = NJW-RR 2006, 273 ff.

bb) Beratungspflichten bei Insolvenzreife Welche Beratungspflichten bei eingetretener Insolvenzreife bestehen, hängt 957 von der Art und dem Umfang der in Anspruch genommenen Beratung ab und kann daher nicht allgemein beantwortet werden. Unter Rn. 1076 – 1142 wird im Einzelnen dargestellt, welche Haftung den 958 einzelnen Berufsgruppen zukommt. cc) Mitverschulden des Organs Der Berater kann sich, soweit er aus Vertragsverpflichtung in Anspruch ge- 959 nommen wird, auf Mitverschulden des Organs berufen. Vgl. Kayser, ZIP 2014, 597, 604; Zugehör, Festschrift Gero Fischer, S. 617, 629.

Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mit- 960 gewirkt, so hängt gemäß § 254 Abs. 1 BGB die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Verschulden i. S. d. § 254 BGB ist der vorwerfbare Verstoß gegen Gebote des 961 eigenen Interesses. Es handelt sich somit um die Verletzung einer gegen sich selbst bestehenden Obliegenheit. So Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 254 Rn. 1.

Es handelt sich um ein „Verschulden gegen sich selbst“.

962

So BGH, Urt. v. 27.11.2008 – VII ZR 206/06, ZfIR 2009, 283 (m. Bespr. Schwenker/Wessel, S. 279) = NJW 2009, 582 ff. Rn. 30.

Das Mitverschulden des geschäftsführenden Organs wird dem Unternehmen 963 analog § 31 BGB zugerechnet und kann dazu führen, dass der mögliche Schadensersatzanspruch erheblich gemindert wird oder sogar ganz ausgeschlossen ist. So BGH, Urt. v. 20.11.2014 – III ZR 509/13, ZIP 2015, 166 = WM 2015, 143 ff. = NZG 2015, 38 ff. Rn. 22; BGH, Urt. v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12, ZIP 2013, 1332 ff. = WM 2013, 1323 ff. = NZI 2013, 793 ff. Rn. 29 = ZWH 2013, 500 ff. (m. Anm. Püschel), dazu EWiR 2013, 573 f. (Gräfe); BGH, Urt. v. 10.12.2009 – VII ZR 42/08, BGHZ 183, 323 ff.

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F. Haftung von Beratern in Krise und Insolvenz = NZG 2010, 146 ff. = ZIP 2010, 284 ff., dazu EWiR 2010, 267 f. (Wahl/Nikoleyczik); BGH, Beschl. v. 23.10.1997 – III ZR 275/96, NJWE-VHR 1998, 39, 40; Ehlers, ZInsO 2015, 2002, 2007.

964 Die Frage des Mitverschuldens erfordert eine, zuvörderst dem Tatrichter obliegende, von den Umständen des konkreten Einzelfalls abhängige Bewertung. So BGH, Urt. v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12, ZIP 2013, 1332 ff. = WM 2013, 1323 ff. = NZI 2013, 793 ff. Rn. 29 = ZWH 2013, 500 ff. (m. Anm. Püschel), dazu EWiR 2013, 573 f. (Gräfe); BGH, Urt. v. 25.6.1991 – X ZR 103/89, WM 1991, 1774 ff. = NJW-RR 1991, 1240 f.

965 Wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat, hängt gemäß § 254 Abs. 1 BGB die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen ab, insbesondere davon, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. So BGH, Urt. v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12, ZIP 2013, 1332 ff. = WM 2013, 1323 ff. = NZI 2013, 793 ff. Rn. 30 = ZWH 2013, 500 ff. (m. Anm. Püschel), dazu EWiR 2013, 573 f. (Gräfe).

966 Bei der Jahresabschlussprüfung lässt eine vorsätzliche Irreführung des Prüfers seine Ersatzpflicht nach der Rechtsprechung des BGH nicht ohne Weiteres gänzlich entfallen. So BGH, Urt. v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12, ZIP 2013, 1332 ff. = WM 2013, 1323 ff. = NZI 2013, 793 ff. Rn. 30 = ZWH 2013, 500 ff. (m. Anm. Püschel), dazu EWiR 2013, 573 f. (Gräfe); BGH, Urt. v. 10.12.2009 – VII ZR 42/08, BGHZ 183, 323 ff. = WM 2010, 185 ff. Rn. 56 = ZIP 2010, 284 ff. = dazu EWiR 2010, 267 f. (Wahl/Nikoleyczik).

967 Der Mitverschuldenseinwand ist aber zu beachten, wenn dem Auftraggeber, der gemäß § 322 Abs. 2 Satz 2 HGB in eigener Verantwortung den zu prüfenden Jahresabschluss aufzustellen hat, und dem Prüfer nur Fahrlässigkeit anzulasten ist. So BGH, Urt. v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12, ZIP 2013, 1332 ff. = WM 2013, 1323 ff. = NZI 2013, 793 ff. Rn. 30 = ZWH 2013, 500 ff. (m. Anm. Püschel), dazu EWiR 2013, 573 f. (Gräfe).

968 Nach der Rechtsprechung des BGH kann bei der Bewertung des wechselseitigen Verschuldensgrades, insbesondere die Schwere der dem Abschlussprüfer vorzuwerfenden Pflichtverletzung, also etwa das Ausmaß, in dem das Ergebnis der Prüfung von den tatsächlichen Verhältnissen abweicht, von Bedeutung sein. Der Abschlussprüfer hat der Geschäftsführung Anlass gegeben, die gebotene Selbstprüfung der wirtschaftlichen Lage zu vernachlässigen und risikoträchtige Geschäfte einzugehen, wenn er anstelle der tatsächlich verwirklichten Überschuldung einen erheblichen Vermögensüberschuss attestiert. So BGH, Urt. v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12, ZIP 2013, 1332 ff. = WM 2013, 1323 ff. = NZI 2013, 793 ff. Rn. 30 = ZWH 2013, 500 ff. (m. Anm. Püschel), dazu EWiR 2013, 573 f. (Gräfe).

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I. Haftung von Beratern in der Krise

Ein Mitverschulden kommt insbesondere dann in Betracht, wenn dem Ab- 969 schlussprüfer lediglich anzulasten ist, das Vermögen der Gesellschaft infolge einer Überbewertung der stillen Reserven gleich hoch wie ihre Verbindlichkeiten angesetzt und deswegen eine Überschuldung abgelehnt zu haben. In diesem Falle muss dem Geschäftsführer bewusst sein, den Geschäftsbetrieb nur bei Vermeidung weiterer Verluste unter strikter Wahrung der Kostendeckung fortsetzen zu dürfen. So BGH, Urt. v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12, ZIP 2013, 1332 ff. = WM 2013, 1323 ff. = NZI 2013, 793 ff. Rn. 30 = ZWH 2013, 500 ff. (m. Anm. Püschel), dazu EWiR 2013, 573 f. (Gräfe).

b) Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wird insbesondere dann 970 relevant, wenn der Anspruch gegen den Berater nicht von dem Vertragspartner selbst, also im Regelfall von der Gesellschaft, geltend gemacht wird, sondern vom geschäftsführenden Organ, insbesondere dann, wenn das Organ selbst Haftungsansprüchen, insbesondere von Gläubigern oder vom Insolvenzverwalter des Unternehmens, ausgesetzt ist. Es ist zwischen dem gesetzlich geregelten Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 971 BGB), bei dem ein Dritter unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu fordern, und der Rechtsfigur des „Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter“, der von der Rechtsprechung entwickelt worden ist, bei der der Anspruch auf die geschuldete Hauptleistung allein dem Gläubiger zusteht, bei der der Dritte jedoch in der Weise in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten, aber auch Hauptleistungspflichten einbezogen ist, dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann, zu unterscheiden. So BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 ff. = ZIP 2012, 1353 ff. = NZI 2012, 853 ff. = NZG 2012, 866 ff. Rn. 13, dazu EWiR 2012, 509 f. (Westermann); BGH, Urt. v. 8.6.2004 – X ZR 283/02, ZIP 2004, 1810 = ZfIR 2005, 114 (LS) = WM 2004, 1869 ff. = NJW 2004, 3420 ff., dazu EWiR 2005, 341 f. (Graf); vgl. Plathner, DStR 2013, 1349, 1350; Schmittmann, StuB 2013, 385 f.

Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter beruht auf einer maßgeb- 972 lich durch das Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) geprägten ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB), der zugrunde liegt, dass der Vertragsschuldner die Leistung nach dem Vertrag so zu erbringen hat, dass bestimmte Dritte nicht geschädigt werden. Daraus zieht die Rechtsprechung den Schluss, dass einem einbezogenen Dritten im Falle der Schädigung ein eigener Ersatzanspruch als sekundärer vertraglicher Leistungsanspruch gegen den Schuldner zusteht. So BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 ff. = ZIP 2012, 1353 ff. = NZI 2012, 853 ff. = NZG 2012, 866 ff.

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F. Haftung von Beratern in Krise und Insolvenz Rn. 14, dazu EWiR 2012, 509 f. (Westermann); BGH, Urt. v. 20.4.2004 – X ZR 250/02, BGHZ 159, 1 ff. = WM 2004, 1887 ff. = ZfIR 2005, 96 (m. Anm. Balzer, S. 101) = ZIP 2004, 1814, dazu EWiR 2005, 67 f. (Frisch); vgl. Kayser, ZIP 2014, 597, 599.

973 Ist Gegenstand des mit einem Anwalt geschlossenen Beratungsvertrags die Beratung für Entscheidungen des Mandanten, hat der Anwaltsvertrag im Allgemeinen keine Schutzwirkungen zugunsten des (gesetzlichen) Vertreters des Mandanten für Vermögenseinbußen des Vertreters, die darauf zurückzuführen sind, dass dem Vertreter im Zusammenhang mit dem Gegenstand der anwaltlichen Beratung zu Recht oder zu Unrecht eigene Pflichtverletzungen vorgeworfen werden. BGH, Urt. v. 21.7.2016 – IX ZR 252/15, ZIP 2016, 1586 ff. = EWiR 2016, 663 f. (Deckenbrock) – Fall Mappus.

974 Schutzwirkungen zugunsten Dritter werden von der Rechtsprechung allgemein bei Verträgen angenommen, mit denen der Auftraggeber von einer Person, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügt (z. B. öffentlich bestellter Sachverständiger, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater), ein Gutachten oder eine gutachtliche Äußerung bestellt, um davon gegenüber einem Dritten Gebrauch zu machen. So BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 ff. = ZIP 2013, 1353 ff. = NZI 2012, 853 ff. = NZG 2012, 866 ff. Rn. 18, dazu EWiR 2012, 509 f. (Westermann); BGH, Urt. v. 2.4.1998 – III ZR 245/96, BGHZ 138, 257 ff. = NZG 1998, 437 f. = ZIP 1998, 826, dazu EWiR 1998, 985 f. (Veil).

975 Der BGH hat diese Grundsätze auch in Fällen zur Anwendung gebracht, in denen ein Abschlussprüfer mit der Prüfung einer Kapitalgesellschaft betraut ist, wenn sich für ihn nur hinreichend deutlich ergibt, dass von ihm anlässlich dieser Prüfung eine besondere Leistung begehrt wird, von der gegenüber einem Dritten, der auf seine Sachkunde vertraut, Gebrauch gemacht werden soll. So BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 ff. = ZIP 2012, 1353 ff. = NZI 2012, 853 ff. = NZG 2012, 866 ff. Rn. 18, dazu EWiR 2012, 509 f. (Westermann).

976 Eine Haftung kommt nur dann in Betracht, wenn für den Abschlussprüfer erkennbar ist, dass von ihm im Drittinteresse eine besondere Leistung erwartet wird, die über die Erbringung der gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtprüfung hinausgeht. So BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 ff. = ZIP 2012, 1353 ff. = NZI 2012, 853 ff. = NZG 2012, 866 ff. Rn. 18, dazu EWiR 2012, 509 f. (Westermann); BGH, Urt. v. 7.5.2009 – III ZR 277/08, BGHZ 181, 12 ff. = ZIP 2009, 1166, dazu EWiR 2009, 503 f. (Fölsing); BGH, Urt. v. 6.4.2006 – III ZR 256/04, BGHZ 167, 155 ff. = WM 2006, 1052 ff. = ZIP 2006, 954, dazu EWiR 2006, 403 f. (Linnerz).

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aa) Reichweite des Schutzbereichs Der Berater muss sich darüber im Klaren sein, dass die Bestimmung der Reich- 977 weite des Schutzbereichs stets vom Einzelfall abhängig ist und daher nur schwer vorhersehbar ist. Nach der Rechtsprechung des BGH sind das Bestehen und die Reichweite 978 eines etwaigen Drittschutzes durch Auslegung des jeweiligen Vertrages zu ermitteln. So BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 ff. = ZIP 2012, 1353 ff. = NZI 2012, 853 ff. = NZG 2012, 866 ff. Rn. 19, dazu EWiR 2012, 509 f. (Westermann).

Hat der steuerliche Berater nach dem Inhalt des Vertrags die Interessen meh- 979 rerer von seinem Mandanten beherrschter Gesellschaften zu beachten, ist im Falle der Pflichtverletzung die Schadensberechnung unter Einbeziehung der Vermögenslage dieser Unternehmen vorzunehmen. So BGH, Urt. v. 18.2.2016 – IX ZR 191/13, ZIP 2016, 1541; Fortführung von BGH, Urt. v. 10.12.2015 – IX ZR 56/15, ZIP 2016, 371.

Hat die steuerliche Beratung einer GbR nach dem Inhalt des Vertrags auch 980 die Interessen der Gesellschafter zum Gegenstand, ist der Schaden unter Einbeziehung der Vermögenslagen der Gesellschafter zu berechnen. So BGH, Urt. v. 8.9.2016 – IX ZR 255/13, ZIP 2017, 287; Fortführung von BGH, Urt. v. 18.2.2016 – IX ZR 191/13, ZIP 2016, 1541.

Hinsichtlich eines Abschlussprüfers hat der BGH entschieden, dass nicht an- 981 genommen werden kann, dass der Abschlussprüfer ein so weites Haftungsrisiko zu übernehmen bereit ist, wie es sich aus der Einbeziehung einer unbekannten Vielzahl von Gläubigern, Gesellschaftern oder Anteilserwerbern in den Schutzbereich ergäbe. So BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 ff. = ZIP 2012, 1353 ff. = NZI 2012, 853 ff. = NZG 2012, 866 ff. Rn. 19, dazu EWiR 2012, 509 f. (Westermann); kritisch: Müller, ZInsO 2013, 2181, 2187; BGH, Urt. v. 15.12.2005 – III ZR 424/04, ZIP 2006, 854.

Wenn die Vertragsteile allerdings übereinstimmend davon ausgehen, dass die 982 Prüfung auch im Interesse eines bestimmten Dritten durchgeführt und das Ergebnis diesem Dritten als Entscheidungsgrundlage dienen soll, liegt in der Übernahme des Auftrages die schlüssige Erklärung des Prüfers, auch im Interesse des Dritten gewissenhaft und unparteiisch prüfen zu wollen. So BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 ff. = ZIP 2012, 1353 ff. = NZI 2012, 853 ff. = NZG 2012, 866 ff. Rn. 19, dazu EWiR 2012, 509 f. (Westermann); BGH, Urt. v. 2.4.1998 – III ZR 245/96, ZIP 1998, 826, dazu EWiR 1998, 985 f. (Veil).

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F. Haftung von Beratern in Krise und Insolvenz

983 Ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter kommt im Falle der Abschlussprüfung in Betracht, wenn die Bilanz im Blick auf den Anteilserwerb durch einen bestimmten Dritten oder mit Blick auf eine Kreditvergabe durch einen bestimmten Dritten verwendet werden soll. So BGH, Urt. v. 14.6.1012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 ff. = ZIP 2012, 1353 ff. = NZI 2012, 853 ff. = NZG 2012, 866 ff. Rn. 19, dazu EWiR 2012, 509 f. (Westermann); BGH, Urt. v. 2.4.1998 – III ZR 245/96; BGH, Urt. v. 19.12.1996 – IX ZR 327/95, ZIP 1997, 419 f. = WM 1997, 359 ff. = NJW 1997, 1235 f., dazu EWiR 1997, 293 f. (Gladys); BGH, Urt. v. 26.11.1986 – IVa ZR 86/85, ZIP 1987, 376 ff. = NJW 1987, 1558 ff. = MDR 1987, 477 ff., dazu EWiR 1987, 591 f. (Gräfe).

984 Begeht der organschaftliche Vertreter einer Gesellschaft eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit und wird aus diesem Grunde zu einer Geldstrafe oder Geldbuße verurteilt, hat er diese grundsätzlich aus seinem eigenen Vermögen aufzubringen. Dies schließt allerdings nicht aus, dass er Rückgriff bei dem Steuerberater der Gesellschaft nehmen kann. Lassen sich hinsichtlich einer im Strafbefehlsverfahren verhängten Geldstrafe wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung des Mandanten keine konkreten Feststellungen zur objektiven Tatbestandsseite treffen, so kann der Steuerberater, der unrichtige Angaben bei der Steuererklärung gemacht hat, verpflichtet sein, den durch die verhängte Geldstrafe entstandenen Vermögensschaden zu ersetzen. So BGH, Urt. v. 15.4.2010 – IX ZR 189/09, WM 2010, 993 ff. = wistra 2010, 354 ff., dazu EWiR 2010, 633 f. (Gräfe).

985 Der Geschäftsführer kann darüber hinaus auch als Dritter in den Schutzbereich eines Umsatzsteuermandates einbezogen sein, welches die GmbH erteilt hat. Der Geschäftsführer einer GmbH darf ebenso wie die GmbH als Vertragspartnerin im Hinblick auf die vertragliche Haftung darauf vertrauen, dass die von der Gesellschaft beauftragten Steuerberater die anstehenden steuerlichen Fragen fehlerfrei bearbeiten, ohne dass von seiner Seite eine Kontrolle notwendig ist. So BGH, Urt. v. 13.10.2011 – IX ZR 193/10, ZIP 2011, 2475 ff. = wistra 2012, 76 ff. = NZG 2011, 1384 ff. Rn. 13, dazu EWiR 2012, 75 f. (M. Wagner); BGH, Urt. v. 15.4.2010 – IX ZR 189/09 Rn. 9; vgl. Schmittmann, StuB 2012, 74 f.

986 Besorgt der Steuerberater auch die Buchführung der Gesellschaft für die Vorbereitung der Umsatzsteuervoranmeldungen und der Umsatzsteuererklärungen der GmbH, kann sich der organschaftliche Vertreter auf die Erledigung verlassen. Im Rahmen des Auftrages ist der Berater verpflichtet, die Geschäftsunterlagen des Mandanten anzufordern, zu sichten, auf abziehbare Vorsteuern zu prüfen und steuerfreie Umsätze auszuscheiden. So BGH, Urt. v. 13.10.2011 – IX ZR 193/10, ZIP 2011, 2475 ff. = wistra 2012, 76 ff. = NZG 2011, 1384 ff. Rn. 13, dazu EWiR 2012, 75 f. (M. Wagner).

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I. Haftung von Beratern in der Krise

Wird der Geschäftsführer von der Finanzverwaltung in Haftung genommen, 987 kann er sich nicht durch den Hinweis auf Fehler des Steuerberaters exkulpieren. Nach der Rechtsprechung des BGH hat der Steuerberater aber den Geschäftsführer einer von ihm betreuten GmbH vor den Nachteilen zu schützen, die sich für ihn persönlich aus unrichtiger oder unvollständiger Darstellung steuerlich bedeutsamer Vorgänge der GmbH gegenüber dem Finanzamt ergeben. Seine Beraterpflicht besteht auch darin, den Geschäftsführer der Mandantin davor zu bewahren, sich durch Verletzung seiner steuerrechtlichen Geschäftsführerpflichten der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme gemäß §§ 69, 191, 219 AO auszusetzen. Daran ändert die nach § 69 AO vorausgesetzte Schuldform mindestens grober Fahrlässigkeit des Geschäftsführers ebenso wenig etwas wie der zur Begehung einer Steuerstraftat erforderliche Vorsatz. So BGH, Urt. v. 13.10.2011 – IX ZR 193/10, ZIP 2011, 2475 ff. = wistra 2012, 76 ff. = NZG 2011, 1384 ff. Rn. 16, dazu EWiR 2012, 75 f. (M. Wagner) vgl. Kayser, ZIP 2014, 597, 600; Schmittmann, StuB 2012, 74 f.

Die unsorgfältige Führung der Bücher, die schlechte Erfüllung der Berater- 988 pflicht bei der Vorbereitung von Umsatzsteuervoranmeldungen einer GmbH und Nachlässigkeit in der Wahrnehmung der Mitwirkungspflicht des Mandanten bei der Ermittlung des Sachverhalts begründen nach der Rechtsprechung des BGH ein spezifisches Haftungsrisiko für den oder die Geschäftsführer, denen bei Zahlungsschwäche der GmbH von der Finanzverwaltung mangelhafte Kontrolle der Beratertätigkeit vorgeworfen wird. Die Vermeidung dieses Risikos liegt im Schutzbereich der Beraterpflichten. Die GmbH hat ein Interesse daran, ihren Geschäftsführer im Falle seiner haftungsrechtlichen Inanspruchnahme nicht stets selbst schadlos halten zu müssen. So BGH, Urt. v. 13.10.2011 – IX ZR 193/10, ZIP 2011, 2475 ff. = wistra 2012, 76 ff. = NZG 2011, 1384 ff. Rn. 17, dazu EWiR 2012, 75 f. (M. Wagner).

Wenn zwischen der Pflichtverletzung des Beraters und dem Haftungsvor- 989 wurf gegen den Geschäftsführer ein spezifischer Risikozusammenhang besteht, mangelt es weder an der Leistungsnähe noch am Gläubigerinteresse, sodass dem Geschäftsführer ein Anspruch gegen den Steuerberater zustehen kann. So BGH, Urt. v. 13.10.2011 – IX ZR 193/10, ZIP 2011, 2475 ff. = wistra 2012, 76 ff. = NZG 2011, 1384 ff. Rn. 17, dazu EWiR 2012, 75 f. (M. Wagner).

bb) Geschützter Personenkreis Der geschützte Personenkreis ist im Einzelfall anhand der konkreten Um- 990 stände zu ermitteln. Der Jahresabschluss oder etwaige Äußerungen zu seinem voraussichtlichen 991 Inhalt dienen nicht nur den Interessen der Gesellschaft, die den Jahresab-

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F. Haftung von Beratern in Krise und Insolvenz

schluss in Auftrag gibt, sondern auch den Gesellschaftern. Die Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse einer Kapitalgesellschaft stellt sich für die Gesellschafter des Unternehmens als Entscheidungsgrundlage für das weitere Vorgehen dar. Dabei kann es sich um das Ergreifen zur Insolvenzvermeidung zulasten eigener Vermögenswerte geeigneter Vorkehrungen handeln oder die Veranlassung einer Liquidation oder der Einleitung des Insolvenzverfahrens. Daher sieht der BGH die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft in den Schutzbereich über die Prüfung der Insolvenzreife der Gesellschaft als einbezogen an. So BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 ff. = ZIP 2012, 1353 ff. = NZI 2012, 853 ff. = NZG 2012, 866 ff. Rn. 24, dazu EWiR 2012, 509 f. (Westermann).

992 Die Sanierung einer Gesellschaft gelingt im Regelfall nicht ohne Mitwirkung ihrer Gesellschafter, sodass die Interessen der Gesellschaft und des Gesellschafters bei der Feststellung einer etwaigen Insolvenzreife auch aus dem Blickwinkel eines Beraters aufs engste miteinander verwoben sind. Gesellschafter und Geschäftsführer werden zur Orientierung über eine Insolvenzgefahr den Rat des Abschlussprüfers der Gesellschaft einholen, weil dieser über ihre finanzielle Lage aufgrund der Vertrautheit mit ihren Verhältnissen und dank seiner besonderen Fachkunde am besten im Bilde ist. So BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 ff. = ZIP 2012, 1353 ff. = NZI 2012, 853 ff. = NZG 2012, 866 ff. Rn. 25, dazu EWiR 2012, 509 f. (Westermann).

993 Der Berater kann sich in dieser Situation nicht der Einsicht verschließen, dass er über die vermögensmäßigen Belange der Gesellschaft hinaus zugleich auch diejenigen des Gesellschafters und des Geschäftsführers, die von der Insolvenz ebenso unmittelbar wirtschaftlich betroffen sind, zu wahren hat. Dies gilt insbesondere dann, wenn Alleingesellschafter und Geschäftsführer personenidentisch sind und daher gleich gerichtete Interessen haben. So BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 ff. = ZIP 2012, 1353 ff. = NZI 2012, 853 ff. = NZG 2012, 866 ff. Rn. 25, dazu EWiR 2012, 509 f. (Westermann).

994 Dem Berater muss bewusst sein, dass seine gegenüber der Gesellschaft erteilten Auskünfte auch gegenüber dem Gesellschafter und Geschäftsführer verwendet werden. So BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 ff. = ZIP 2012, 1353 ff. = NZI 2012, 853 ff. = NZG 2012, 866 ff. Rn. 25, dazu EWiR 2012, 509 f. (Westermann).

995 Der Geschäftsführer wird auch insbesondere deshalb in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen, weil er im Falle der Missachtung der Insolvenzantragspflicht erheblichen Haftungsfolgen ausgesetzt ist. Daher besteht auch ein Anspruch des Geschäftsführers gegen den Sachverständigen.

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I. Haftung von Beratern in der Krise So BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 ff. = ZIP 2012, 1353 ff. = NZI 2012, 853 ff. = NZG 2012, 866 ff. Rn. 25, dazu EWiR 2012, 509 f. (Westermann).

Der Geschäftsführer ist auch schutzwürdig, da das Risiko der Inanspruchnahme 996 wegen verspäteter Insolvenzantragstellung eine typische Begleiterscheinung einer fehlerhaften Bilanzierung ist. So BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 ff. = ZIP 2012, 1353 ff. = NZI 2012, 853 ff. = NZG 2012, 866 ff. Rn. 30, dazu EWiR 2012, 509 f. (Westermann); BGH, Urt. v. 31.10.2011 – IX ZR 193/10 Rn. 9.

cc) Durchsetzung in der Praxis Der Anspruch steht dem geschützten Dritten, also dem Gesellschafter oder 997 Geschäftsführer zu. Dieser kann den Anspruch, sofern der Anspruchsgegner nicht freiwillig zahlt, nach den allgemeinen Grundsätzen geltend machen. Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so 998 fällt der Anspruch der Gesellschaft gegen den Berater in die Insolvenzmasse und kann vom Insolvenzverwalter ohne Weiteres geltend gemacht werden. Aus einer verspäteten Insolvenzantragstellung entsteht der Gesellschaft allerdings regelmäßig kein Schaden, da die Tilgung von Verbindlichkeiten lediglich zu einer Bilanzverkürzung führt. Der Freistellungsanspruch des geschäftsführenden Organs gegen den Berater 999 wegen des der Insolvenzmasse gegen das geschäftsführende Organ zustehenden Erstattungsanspruchs fällt nicht in die Insolvenzmasse, sondern steht dem geschäftsführenden Organ als geschütztem Dritten aus dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu. Er kann für die Insolvenzmasse gleichwohl nutzbar gemacht werden, wobei das weitere Vorgehen davon abhängig ist, ob der Geschäftsführer kooperativ ist. Handelt es sich um einen kooperativen Geschäftsführer, der zur Zusammen- 1000 arbeit mit dem Insolvenzverwalter bereit ist, so kann dieser den ihm gegen den Berater zustehenden Anspruch an den Insolvenzverwalter zur eigenen Rechtsdurchsetzung abtreten. Dies hat für das geschäftsführende Organ den Vorteil, dass es nicht mit den Kosten der Rechtsverfolgung belastet wird und sich nicht selbst um die Informationsbeschaffung zu kümmern hat. Für den Insolvenzverwalter besteht der Vorteil einer Abtretung des Anspruches darin, dass er oder eine von ihm beauftragte spezialisierte Kanzlei den Anspruch durchsetzen kann und unmittelbar auf den gesamten Datenbestand aus dem Insolvenzverfahren zurückgreifen kann. Gegebenenfalls besteht auch beim Insolvenzverwalter und seiner Kanzlei ein höherer Grad an Spezialisierung hinsichtlich der Durchsetzung insolvenzspezifischer Ansprüche. Ist das geschäftsführende Organ nicht zu einer Abtretung des Anspruches 1001 bereit, bleibt dem Insolvenzverwalter lediglich die Möglichkeit, zunächst gegen das geschäftsführende Organ vorzugehen und einen Titel zu erwirken. 195

F. Haftung von Beratern in Krise und Insolvenz

Ist ein Titel gegen das geschäftsführende Organ ergangen, so kann der Insolvenzverwalter im Wege der Zwangsvollstreckung den Anspruch des geschäftsführenden Organs gegen den Berater durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss pfänden und sich zur Einziehung übertragen lassen. Sodann hat er die Möglichkeit, den Anspruch aus gepfändetem Recht im eigenen Namen außergerichtlich und gerichtlich geltend zu machen. So Schmittmann, ZInsO 2008, 1170, 1173.

1002 Gegen den Insolvenzverwalter arbeitet in dieser Konstellation die Zeit. Zieht sich die Geltendmachung gegen das geschäftsführende Organ hin, z. B. weil dieses den Rechtsstreit verschleppt, umfangreiche Beweisaufnahmen notwendig sind oder der Rechtsstreit über mehrere Instanzen zu führen ist, droht der Anspruch des Geschäftsführers bereits verjährt zu sein, bevor der Insolvenzverwalter diesen aus gepfändetem Recht geltend machen kann. Auch daher ist der „Abtretungslösung“ der Vorrang einzuräumen. c) Deliktische Haftung 1003 Die Haftung des Beraters kann sich auch aus Delikt ergeben, wobei hier die Rechtsdurchsetzung insbesondere deshalb erschwert ist, weil auf der Ebene des subjektiven Tatbestandes regelmäßig Darlegungs- und Beweisschwierigkeiten bestehen. aa) Haftung wegen Beteiligung an einer Insolvenzverschleppung 1004 Gegen das geschäftsführende Organ kommen regelmäßig Ansprüche aus Insolvenzverschleppung in Betracht (vgl. dazu Rn. 314 ff.). Eine Insolvenzverschleppung liegt vor, wenn ein gesetzlich gebotener Insolvenzantrag nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig gestellt wird. Es handelt sich hierbei um ein strafrechtlich relevantes Delikt, das gemäß § 15a Abs. 4 StGB bei einer antragspflichtigen Gesellschaft mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft wird. Täter der Insolvenzverschleppung können – je nach Rechtsform – der Geschäftsführer bzw. Vorstand sowie der faktische Geschäftsführer bzw. faktische Vorstand sein (vgl. Rn. 200 ff., 211). 1005 Bei der Führungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist gemäß § 15a Abs. 3 InsO auch jeder Gesellschafter, im Falle der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft auch jedes Mitglied des Aufsichtsrates zur Stellung des Antrages verpflichtet, es sei denn, diese Person hatte von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis. Vgl. zur Täterqualifikation: Schmidt/Herchen, in: Schmidt, InsO, § 15a Rn. 65; K/P/B-Preuß, InsO, § 15a Rn. 35.

1006 Fahrlässiges Handeln steht gemäß § 15a Abs. 5 InsO unter Strafe.

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I. Haftung von Beratern in der Krise

Eine mittäterschaftliche Begehung der Insolvenzverschleppung durch den 1007 Steuerberater scheidet aus, da dieser nicht tauglicher Täter sein kann. Allenfalls ist eine mittäterschaftliche Begehung durch den Steuerberater denkbar, wenn er – ausnahmsweise – faktisches geschäftsführendes Organ der späteren Schuldnerin ist. Voraussetzung ist aber eine Teilnahme des Steuerberaters an einer Tat des geschäftsführenden Organs. Nach der Rechtsprechung kommt eine Beihilfe des Steuerberaters nicht in 1008 Betracht, wenn er sich lediglich „berufsadäquat“ verhält. Hält er es lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat benutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung „die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein“ ließ. So OLG Köln, Beschl. v. 3.12.2010 – III – 1 Ws 146/10 – 128 DStR 2011, 1195 f. = StuB 2011, 280; kritisch dazu Schmittmann, ZInsO 2011, 105, 106; apologetisch Weber/Buchert, ZInsO 2009, 1731, 1738.

Der Berater kann Anstifter einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Tat 1009 sein. So Bales, ZInsO 2010, 2073, 2075.

Ungeachtet dessen, dass von der Rechtsprechung als zweifelhaft angesehen 1010 wird, ob die bloße Fortführung der steuerberatenden Tätigkeit nach pflichtgemäßem Hinweis auf die Überschuldung und die Insolvenzantragspflicht den strafrechtlichen Vorwurf der Beihilfe zur Insolvenzverschleppung begründen kann, soll die Haftung gemäß § 254 Abs. 1 BGB ausgeschlossen sein. Die Gesellschaft müsse sich aus der Abwägung des beiderseitigen Verursachungsanteils gemäß § 31 BGB das Handeln ihres Geschäftsführers zurechnen lassen. So LG Köln, Urt. v. 29.3.2012 – 2 O 238/11, DStR 2013, 680 ff. Rn. 17.

bb) Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Schutzgesetz Ebenso wie beim geschäftsführenden Organ kann sich eine Haftung auch aus 1011 § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Schutzgesetz ergeben (vgl. Rn. 519). Es ist jeweils zu prüfen, ob der Berater, der in Haftung genommen werden 1012 soll, als Täter in Betracht kommt. Eine Mittäterschaft des Beraters kommt allerdings bei Sonder- bzw. Pflicht- 1013 delikten nicht in Betracht. Sonderdelikte wie Amtsdelikte oder militärische Straftaten nach dem WStG können nur von Amtsträgern oder Soldaten begangen werden. Eigenhändige Delikte sind ebenfalls nicht der Mittäterschaft oder mittelbaren Täterschaft zugänglich.

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F. Haftung von Beratern in Krise und Insolvenz

1014 Bei § 15a InsO handelt es sich um ein Sonderdelikt, das lediglich von dem antragspflichtigen Organ begangen werden kann, sodass eine Mittäterschaft oder mittelbare Täterschaft des Beraters ausscheidet, sofern dieser nicht – ausnahmsweise – faktisches geschäftsführendes Organ des Unternehmens ist. Vgl. Graf-Schlicker/Bremen, § 15a Rn. 14.

1015 In Betracht kommt allerdings eine Anstiftung i. S. v. § 26 StGB. Als Anstifter wird gemäß § 26 StGB gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat. Bestimmen bedeutet Verursachen – auch Mitverursachen – des Tatentschlusses in einem anderen, gleichgültig durch welches Mittel. So BGH, Urt. v. 20.1.2000 – 4 StR 400/99, BGHSt 45, 373, 374; BGH, Urt. v. 23.3.2000 – 4 StR 10/00, NStZ 2000, 421; BGH, Urt. v. 25.4.2002 – 4 StR 152/01, NJW 2002, 2724, 2727; Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 11 Rn. 97.

1016 Anstiftung kommt insbesondere zum Bankrott (§ 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB) in Betracht, z. B. wenn der Berater den Unternehmer darauf verweist, durch fingierte oder rückdatierte Sicherungsübereignungen Vermögensbestandteile beiseite zu schaffen, um diese für einen unternehmerischen Neuanfang zu nutzen. So Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 11 Rn. 98.

1017 Der Rat, Bücher nicht mehr zu führen oder verschwinden zu lassen, ist ebenso als Bankrott strafbewehrt. So Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 11 Rn. 98.

1018 Anstiftung zur Gläubigerbegünstigung begeht, wer seinen vor der Insolvenz stehenden Mandanten dazu veranlasst, zur Sicherung rückständiger Honorare Forderungen abzutreten oder Übereignungen vorzunehmen. So BGH, Urt. v. 19.1.1993 – 1 StR 518/92, wistra 1993, 147 f.; Bittmann/Trück, Insolvenzstrafrecht, § 298 Rn. 12.

1019 Eine Strafbarkeit des Beraters kommt ebenfalls in Betracht, wenn er an einer – auch nach Inkrafttreten des MoMiG unzulässigen – verdeckten Sachgründung mitwirkt. Vgl. Heckschen, DStR 2009, 166; Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 11 Rn. 99.

1020 Auch eine Anstiftung zur Insolvenzverschleppung kommt in Betracht, wenn der Berater die Insolvenzreife des Unternehmens kennt, allerdings das geschäftsführende Organ – aus welchen Motiven auch immer – von der Insolvenzantragstellung abhält.

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I. Haftung von Beratern in der Krise Vgl. Bittmann/Trück, Insolvenzstrafrecht, § 29 Rn. 35; Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 11 Rn. 99; Bales, ZInsO 2010, 2073, 2075.

Als Gehilfe wird gemäß § 27 Abs. 1 StGB bestraft, wer vorsätzlich einem an- 1021 deren zu dessen vorsätzlich begangener Tat Hilfe geleistet hat. Im Allgemeinen genügt zur Beihilfe das Schaffen günstigerer Vorbedingungen 1022 für die Haupttat, beispielsweise psychische Stärkung der Tatbereitschaft, Erleichterung der Tatausführung, Übernahme von Abwehr- oder Warnfunktion gegen mögliche Störungen, Beschleunigung des Taterfolges etc. So Fischer, StGB, Kommentar, § 27 Rn. 11.

Beihilfe zum Bankrott bzw. zur Untreue leistet ein Berater, der in Kenntnis 1023 der wahren Umstände fingierte Sicherungsübereignungsverträge entwirft oder ein Verschieben von Vermögensgegenständen mittels rückdatierter Treuhandverträge ermöglicht. So Bittmann/Trück, Insolvenzstrafrecht, § 29 Rn. 28; Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 11 Rn. 101.

Beihilfe zur verspäteten Insolvenzantragstellung leistet ein Berater, der den 1024 Unternehmer in seinem Entschluss bestärkt, die Antragsfrist zu überschreiten, um eine Sanierung zu versuchen. So Lange, DStR 2007, 954, 955; Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 11 Rn. 101.

Auch psychische Beihilfe ist denkbar, z. B. dadurch, dass der Berater das ge- 1025 schäftsführende Organ in seinem Tatentschluss bestärkt und ihm ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit vermittelt. So Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 11 Rn. 102; Meixner/Schröder, Wirtschaftsprüferhaftung, Rn. C 894.

2. Rechtsanwälte Die Haftung des Rechtsanwalts erfolgt in aller Regel aufgrund eines Dienst- 1026 vertrages, da der Rechtsanwalt nur ausnahmsweise einen Erfolg schuldet. So Gehrlein, Anwalts- und Steuerberaterhaftung, S. 1.

Der Rechtsanwalt hat Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, ihm 1027 den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären. So Gehrlein, Anwalts- und Steuerberaterhaftung, S. 22.

Der Rechtsanwalt schuldet eine eingehende und erschöpfende Belehrung. Er 1028 hat dem Mandanten eine zutreffende Vorstellung von den Handlungsmöglichkeiten und deren Vor- und Nachteilen zu vermitteln. So Gehrlein, Anwalts- und Steuerberaterhaftung, S. 23.

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F. Haftung von Beratern in Krise und Insolvenz

1029 Regelmäßig ist zunächst zu klären, worauf sich die Beauftragung des Rechtsanwalts und der geschlossene Mandatsvertrag beziehen. Anders als bei Steuerberatern, die regelmäßig mit der laufenden Steuerberatung im Wege eines Dauermandats beauftragt sind, werden Rechtsanwälte im Regelfall mandatiert, um eine konkrete Aufgabenstellung zu lösen, z. B. einen bestimmten Sachverhalt zu beurteilen, einen Vertrag zu entwerfen oder einen Rechtsstreit zu führen. Im Rahmen einer solchen Mandatierung erhält der Rechtsanwalt in aller Regel nur die Informationen, die zur Erledigung der Aufgabe erforderlich sind und keinen Gesamtüberblick über das Unternehmen des Auftraggebers. Darin unterscheidet sich die anwaltliche Tätigkeit von der Tätigkeit des Steuerberaters, der schon allein aufgrund der Durchführung der Finanzbuchhaltung einen umfassenden Überblick erhält und daher auch Kenntnis der wirtschaftlichen Situation seines Auftraggebers hat. Dies wird beim Rechtsanwalt lediglich in Sonderkonstellationen der Fall sein, z. B. dann, wenn er im Rahmen seiner Tätigkeit Buchhaltungsunterlagen erhält oder ihm Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Mandanten bekannt werden. 1030 Wird ein Rechtsanwalt von einer insolvenzantragspflichtigen Gesellschaft mandatiert und ist bereits ein Insolvenzgrund eingetreten, hat der Rechtsanwalt die geschäftsführenden Organe auf ihre Pflichten hinzuweisen sowie die aus einem schuldhaften Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht resultierenden Haftungsfolgen zu belehren. Wird der Rechtsanwalt in dieser Situation beauftragt, einen außergerichtlichen Vergleich anzustreben, wird die Durchführung des Insolvenzverfahrens umgangen. So BGH, Urt. v. 26.10.2000 – IX ZR 289/99, ZIP 2001, 33 ff. = NZI 2001, 81 ff. = KTS 2001, 148 ff. Rn. 14.

1031 Strebt der Mandant eine rechtlich bedenkliche Maßnahme an, so hat der Rechtsanwalt ihn auf die Rechtslage hinzuweisen, die gegen den beabsichtigten Weg sprechenden Gründe zu erläutern und über die bei Verstoß gegen die gesetzliche Regelung drohenden Risiken zu belehren. So BGH, Urt. v. 26.10.2000 – IX ZR 289/99 ZIP 2001, 33 ff. = NZI 2001, 81 ff. = KTS 2001, 148 ff. Rn. 14; BGH, Urt. v. 6.2.1992 – IX ZR 95/91, WM 1992, 742 ff. = NJW 1992, 1159 ff.

1032 Die Haftung des Rechtsanwalts scheidet auch nicht deshalb aus, weil der Mandant auch anwaltlich beraten wird, z. B. wenn eine Genossenschaft gemäß § 54 GenG durch einen Verband betreut wird. Allein daraus kann der Rechtsanwalt nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, dass dem Vorstand der Genossenschaft die Insolvenzantragspflicht bewusst ist. So BGH, Urt. v. 26.10.2000 – IX ZR 289/99 ZIP 2001, 33 ff. = NZI 2001, 81 ff. = KTS 2001, 148 ff. Rn. 15.

1033 Wird im Rahmen einer Aufhebungsvereinbarung ein unverfallbarer Anspruch auf betriebliche Altersversorgung vereinbart, hat der Rechtsanwalt den Berechtigten auf eine mangelnde Insolvenzsicherung des Anspruches hinzuweisen

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I. Haftung von Beratern in der Krise

und haftet gegebenenfalls für die entstehenden finanziellen Nachteile, falls die zahlungsverpflichtete Gesellschaft später insolvent wird. So BGH, Urt. v. 21.7.2005 – IX ZR 49/02, ZIP 2005, 1925 ff. = NJW 2005, 3275 ff. = BRAK-Mitt. 2005, 260 (m. Anm. Chab); Gehrlein, Anwalts- und Steuerberaterhaftung, S. 26.

3. Steuerberater Die Haftung des Steuerberaters weist folgende Besonderheiten auf:

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Welche Aufgaben der Steuerberater zu erfüllen hat, richtet sich nach Art und 1035 Umfang des erteilten Mandats. So BGH, Urt. v. 26.1.1995 – IX ZR 10/94, BGHZ 128, 358 ff. = WM 1995, 721 ff. = NJW 1995, 958 ff. Rn. 12; BGH, Urt. v. 4.3.1987 – IVa ZR 222/85, NJW-RR 1987, 1375 ff. = VersR 1987, 565 ff. Rn. 15.

Der Steuerberater hat seinen Auftraggeber auch ungefragt über die bei der 1036 Erledigung des Auftrages auftauchenden steuerrechtlichen Fragen, insbesondere auch über die Möglichkeit einer Steuerersparnis zu belehren. Der Steuerberater muss davon ausgehen, dass sein Auftraggeber in der Regel in steuerlichen Dingen unkundig und vielfach deshalb auch gar nicht in der Lage ist, von sich aus die entsprechenden Fragen zu stellen. So BGH, Urt. v. 6.12.1979 – VII ZR 19/79, MDR 1980, 303 = DB 1980, 685 Rn. 17; BGH, Urt. v. 1.7.1971 – VII ZR 295/69, VersR 1971, 956 ff. = DB 1971, 2010 f. Rn. 23.

Steuerberatern ist gemäß § 57 Abs. 3 Nr. 3 StBerG ausdrücklich „eine wirt- 1037 schaftsberatende, gutachtliche oder treuhänderische Tätigkeit sowie die Erteilung von Bescheinigungen über die Beachtung steuerrechtlicher Vorschriften in Vermögensübersichten und Erfolgsrechnungen“ erlaubt, sodass ein Steuerberater sich grundsätzlich wirksam verpflichten kann, die Insolvenzreife eines Unternehmens zu prüfen. So Kayser, ZIP 2014, 597, 605; Schmittmann, StuB 2012, 716 f.

Der BGH nahm früher im Rahmen eines Dauermandats an, dass der Steuer- 1038 berater nicht verpflichtet sei, die Gesellschaft bei Unterdeckung in der Handelsbilanz darauf hinzuweisen, dass es Pflicht des Geschäftsführers ist, eine Überprüfung vorzunehmen oder in Auftrag zu geben, ob Insolvenzreife eingetreten ist und gegebenenfalls gemäß § 15a InsO Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt werden muss. So BGH, Urt. v. 7.3.2013 – IX ZR 64/12, ZIP 2013, 829 ff. = WM 2013, 802 ff. = NZI 2013, 438 ff. Rn. 15, dazu EWiR 2013, 477 f. (Baumert); vgl. Kayser, ZIP 2014, 597, 599; Schmittmann, StuB 2013, 385 f.

201

F. Haftung von Beratern in Krise und Insolvenz

1039 Daran hält der BGH nicht mehr fest. Der IX. Senat, zuständig u. a. für Insolvenz- und Steuerberaterhaftungsrecht, hat inzwischen entschieden: (1) Besteht für eine Kapitalgesellschaft ein Insolvenzgrund, scheidet eine Bilanzierung nach Fortführungswerten aus, wenn innerhalb des Prognosezeitraums damit zu rechnen ist, dass das Unternehmen noch vor dem Insolvenzantrag, im Eröffnungsverfahren oder alsbald nach Insolvenzeröffnung stillgelegt werden wird. (2) Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater ist verpflichtet, zu prüfen, ob sich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm sonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten ergeben, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können. Hingegen ist er nicht verpflichtet, von sich aus eine Fortführungsprognose zu erstellen und die hierfür erheblichen Tatsachen zu ermitteln (Ergänzung zu BGH ZIP 2013, 829 = WM 2013, 802, und BGH ZIP 2013, 1332 = WM 2013, 1323). (3) Eine Haftung des Steuerberaters setzt voraus, dass der Jahresabschluss angesichts einer bestehenden Insolvenzreife der Gesellschaft objektiv zu Unrecht von Fortführungswerten ausgeht. (4) Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater hat die Mandantin auf einen möglichen Insolvenzgrund und die daran anknüpfende Prüfungspflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und er annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife der Mandantin nicht bewusst ist (teilweise Aufgabe von BGH ZIP 2013, 829 = WM 2013, 802). BGH, Urt. v. 26.1.2017 – IX ZR 285/14, ZIP 2017, 429 ff. = WM 2017, 383 ff. = NZG 2017, 312 ff; dazu EWiR 2017, 173 f. (M. Wagner); Baumert, ZInsO 2017, 486 ff.; Schmittmann, StuB 2017, 241 f.; Zaumseil, DB 2017, 891 ff.

1040 Unproblematisch haftet der Steuerberater, wenn er ausdrücklich beauftragt wird, die Insolvenzreife einer Gesellschaft zu prüfen. Insoweit handelt es sich um einen Werkvertrag, sodass Schadensersatzansprüche gemäß § 634 Nr. 4 BGB in Betracht kommen. So BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 ff. = ZIP 2012, 1353 ff. = NZI 2012, 853 ff. = NZG 2012, 866 ff. Rn. 12, dazu EWiR 2012, 509 f. (Westermann); vgl. Kayser, ZIP 2014, 597, 598.

1041 Macht der Steuerberater im Rahmen eines solchen Auftrages unrichtige Angaben über die Insolvenzreife der Gesellschaft, können Schadensersatzansprüche entstehen. So BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 ff. = ZIP 2012, 1353 ff. = NZI 2012, 853 ff. = NZG 2012, 866 ff. Rn. 31, dazu EWiR 2012, 509 f. (Westermann).

1042 Ist der Steuerberater lediglich mit der Erstellung der Steuerbilanz beauftragt, erklärt er aber gleichwohl, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung nicht vorliegt, so haftet er der Gesellschaft wegen der Folgen der dadurch bedingten verspäteten Insolvenzantragstellung. Führt er unter Bezug auf Rang-

202

I. Haftung von Beratern in der Krise

rücktrittsvereinbarungen und den Firmenwert aus, dass die gezeigte bilanzielle Überschuldung lediglich eine „Überschuldung rein bilanzieller Natur“ sei, so erklärt er damit, eine insolvenzrechtliche Überschuldung sei nicht gegeben. So BGH, Urt. v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12, ZIP 2013, 1332 ff. = WM 2013, 1323 ff. = NZI 2013, 793 ff. = ZWH 2013, 500 ff. (m. Anm. Püschel), dazu EWiR 2013, 573 f. (Gräfe); das OLG Celle, Urt. v. 6.4.2011 – 3 U 190/10, DStRE 2012, 646 ff., hält einen Steuerberater für verpflichtet, ungefragt auf eine bilanzielle Überschuldung hinzuweisen und eine Prüfung der Überschuldung anzuregen.

Gerade der Hinweis auf die Rangrücktrittsvereinbarungen und den Firmen- 1043 wert offenbart, dass der Steuerberater eine über die steuerliche Bilanzierung hinausgehende Leistung erbracht hat und die Bewertung vorgenommen hat, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung nicht vorliegt. Auf die Richtigkeit dieser Auskunft darf die Gesellschaft vertrauen. So BGH, Urt. v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12, ZIP 2013, 1332 ff. = WM 2013, 1323 ff. = NZI 2013, 793 ff. = ZWH 2013, 500 ff. (m. Anm. Püschel), dazu EWiR 2013, 573 f. (Gräfe).

Ob ein Steuerberater im Rahmen der Prüfung der Insolvenzreife einer Ge- 1044 sellschaft die etwaige zivilrechtliche Unwirksamkeit einer Rangrücktrittserklärung aufgrund einer Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund für die Zukunft juristisch prüfen muss und darf, verneint das LG Münster. LG Münster, Urt. v. 23.8.2017 – 110 O 40/16, ZInsO 2017, 2567 ff.; so auch Römermann, GmbHR 2013, 518.

Es handelt sich hierbei um ein erkennbar hochkomplexes schuldrechtliches/ 1045 insolvenzrechtliches Problem, das in der Rechtsprechung und Rechtsliteratur unterschiedlich diskutiert wird. Für die Beantwortung einer solchen Rechtsfrage ist ein Steuerberater beruflich nicht ausgebildet. Es würde sich um eine klassische Rechtsberatung handeln, die einem Steuerberater durch § 5 RDG untersagt ist und die nicht mehr als „Nebenleistung zum Berufsbild des Steuerberaters“ eingestuft werden kann. LG Münster, Urt. v. 23.8.2017 – 110 O 40/16, ZInsO 2017, 2567 ff.; so auch Römermann, GmbHR 2013, 513, 518; a. A. Gräfe, DStR 2010, 618, 619, allerdings lediglich mit Verweis auf eine Pressemitteilung des BMJ.

Der gegebenenfalls zu ersetzende Schaden ist nach der Differenzhypothese 1046 zu ermitteln. So BGH, Urt. v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12, ZIP 2013, 1332 ff. = WM 2013, 1323 ff. = NZI 2013, 793 ff. Rn. 19 = ZWH 2013, 500 ff. (m. Anm. Püschel), dazu EWiR 2013, 573 f. (Gräfe).

Der lediglich mit der Aufstellung einer Handels- und/oder Steuerbilanz be- 1047 auftragte Steuerberater hat stets zu prüfen, ob nach dem Going-ConcernGrundsatz (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) zu bilanzieren ist. Danach ist bei der

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F. Haftung von Beratern in Krise und Insolvenz

Bewertung von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen. Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat in einem Positionspapier vom 13.8.2012 umfassend zum „Zusammenwirken von handelsrechtlicher Fortführungsannahme und insolvenzrechtlicher Fortbestehensprognose“ Stellung genommen und dabei insbesondere Indikatoren genannt, die gegen die Regelvermutung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit sprechen. Dabei ist zwischen finanziellen Umständen (z. B. übermäßige kurzfristige Finanzierung langfristiger Vermögenswerte, Ausschüttungsrückstände oder Aussetzen der Ausschüttung und Unfähigkeit, Zahlungen an Gläubiger bei Fälligkeit zu leisten) und betrieblichen Umständen (z. B. Ausscheiden von Führungskräften in Schlüsselpositionen ohne adäquaten Ersatz, Engpässe bei der Beschaffung wichtiger Vorräte und anhängige Gerichts- oder Aufsichtsverfahren gegen das Unternehmen, die zu Ansprüchen führen können, die wahrscheinlich nicht erfüllbar sind) zu unterscheiden. 1048 Tritt ein Steuerberater im Rahmen eines rein steuerrechtlichen Mandats in konkrete Erörterungen über eine etwaige Insolvenzreife der von ihm beratenen Gesellschaft ein, so treffen ihn weitergehende vertragliche Hinweispflichten. So BGH, Beschl. v. 6.2.2014 – IX ZR 53/13, ZIP 2014, 583 f. = NZI 2014, 308 f. = WM 2014, 577 f. Rn. 4, dazu EWiR 2014, 385 f. (Zilkens).

1049 Der Berater muss mit Rücksicht auf die vielfältigen mit einer möglichen Insolvenzreife des Unternehmens verbundenen rechtlichen Folgen dem Mandanten einen Weg aufzeigen, der ihm die Feststellung ermöglicht, ob eine Insolvenz vorliegt oder nicht. Der steuerliche Berater kann seinen Pflichten dadurch nachkommen, dass er aufgrund eines ihm gesondert zu erteilenden Auftrages selbst eine verbindliche gutachterliche Stellungnahme abgibt. Sieht sich der steuerliche Berater – sei es wegen fehlender Fachkunde oder mit Rücksicht auf eine komplexe Tatsachengrundlage – dazu nicht in der Lage, ist er verpflichtet, den Mandanten darauf hinzuweisen, dass er zum Zwecke der erbetenen Klärung einem geeigneten Dritten einen Prüfauftrag erteilt. So BGH, Beschl. v. 6.2.2014 – IX ZR 53/13, ZIP 2014, 583 f. = NZI 2014, 308 f. = WM 2014, 577 f. Rn. 5, dazu EWiR 2014, 385 f. (Zilkens).

4. Wirtschaftsprüfer 1050 Gemäß § 2 Abs. 1 WPO haben Wirtschaftsprüfer die berufliche Aufgabe, betriebswirtschaftliche Prüfungen, insbesondere solche von Jahresabschlüssen wirtschaftlicher Unternehmen, durchzuführen und Bestätigungsvermerke über die Vornahme und das Ergebnis solcher Prüfungen zu erteilen. Weitere erlaubte Tätigkeiten sind in § 2 Abs. 2 WPO (Beratung und Vertretung in Steuerangelegenheiten) und § 2 Abs. 3 WPO (Tätigkeit als Sachverständiger, Berater und Treuhänder) geregelt.

204

I. Haftung von Beratern in der Krise

Der Abschlussprüfer ist gemäß § 323 Abs. 1 Satz 1 HGB zur gewissenhaften 1051 und unparteiischen Prüfung und zur Verschwiegenheit verpflichtet. Verletzt er vorsätzlich oder fahrlässig seine Pflichten, ist er der Kapitalgesellschaft und, wenn ein verbundenes Unternehmen geschädigt worden ist, auch diesem zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet (§ 823 Abs. 1 Satz 3 HGB). Wenn § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB eine gesetzliche Haftung (nur) gegenüber der Kapitalgesellschaft und dem verbundenen Unternehmen regelt, bedeutet dies nach der Rechtsprechung des BGH nicht, dass damit eine vertragliche Haftung des Abschlussprüfers gegenüber Dritten nach Maßgabe der Grundsätze zur Dritthaftung Sachverständiger von vornherein ausgeschlossen wäre. So BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 ff. = ZIP 2012, 1353 ff. = NZI 2012, 853 ff. = NZG 2012, 866 ff. Rn. 17, dazu EWiR 2012, 509 f. (Westermann); BGH, Urt. v. 2.4.1998 – III ZR 245/96, BGHZ 138, 257 ff. = ZIP 1998, 826 ff. = NZG 1998, 437 f.

Soweit der Wirtschaftsprüfer Aufgaben übernommen hat, die auch ein Steuer- 1052 berater hätte erledigen dürfen, so gelten grundsätzlich die vorstehend (siehe Rn. 1081 ff.) aufgeführten Haftungsgrundsätze. Im Rahmen der Haftung des Abschlussprüfers wegen Nichterkennens einer 1053 Bilanzfälschung stellt es keinen groben Fehler dar, wenn der Abschlussprüfer von der Routine der vorangegangenen Jahre nicht abweicht und er die Funktionsweise des Warenwirtschaftssystems sowie dessen konkreten Einsatz nicht durch unmittelbaren Einblick in den virtuellen Datenbestand überprüft. So OLG Saarbrücken, Urt. v. 18.7.2013 – 4 U 278/11, DStR 2013, 2240 ff. = DStRE 2014, 186 ff. = DB 2013, 2324 ff.

Eine Haftung des Abschlussprüfers wegen Missachtung der ihm aus § 823 1054 Abs. 1 Satz 1 HGB obliegenden Pflichten tritt hinter eine der zu prüfenden Gesellschaft zuzurechnende vorsätzliche Bilanzfälschung des Geschäftsführers vollständig zurück, solange der Pflichtverstoß des Abschlussprüfers die Grenze zur groben Fahrlässigkeit nicht erreicht. So OLG Saarbrücken, Urt. v. 18.7.2013 – 4 U 278/11, DStR 2013, 2240 ff. = DStRE 2014, 186 ff. = DB 2013, 2324 ff.

Im Rahmen der Wirtschaftsprüferhaftung muss sich der von einem Vertrag mit 1055 Schutzwirkung zugunsten Dritter Begünstigte ein Mitverschulden des unmittelbaren Vertragspartners des Wirtschaftsprüfers zurechnen lassen, da ihm nicht weitergehende Rechte zustehen können. So OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.2.2015 – 8 U 76/13, ZInsO 2015, 2102 ff.

Ein häufiger Anwendungsfall der Wirtschaftsprüferhaftung ist die Haftung 1056 bei Abgabe eines fehlerhaften Testats in einem Wertpapierprospekt betreffend die Prüfung von Gewinnprognosen.

205

F. Haftung von Beratern in Krise und Insolvenz Vgl. BGH, Urt. v. 24.4.2014 – III ZR 156/13, ZIP 2014, 972 ff. = WM 2014, 935 ff. = NZG 2014, 741 ff., dazu EWiR 2014, 483 f. (Müller).

1057 Gegebenenfalls kommen auch Schadensersatzansprüche gegen Wirtschaftsprüfer wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten aus einem Mittelverwendungskontrollvertrag (hier: Beteiligung an einem Medienfond) in Betracht. Vgl. BGH, Urt. v. 10.7.2014 – III ZR 177/12 (n. v.).

1058 Ein Wirtschaftsprüfer haftet den Anlegern wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung, wenn er sich als Experte in den Dienst eines von ihm geprüften, kapitalsuchenden Unternehmens stellt und dem Vertrieb Verkaufsargumente liefert, die objektiv falsch sind, und er sich rücksichtslos über die Interessen potentieller Anlageinteressenten hinwegsetzt, die seine Äußerungen im Vertrauen auf seine berufliche Integrität und seine fachliche Autorität zur Grundlage ihrer Entscheidung machen. So BGH, Urt. v. 13.11.2013 – VI ZR 336/12, ZIP 2014, 82 ff. = AG 2014, 84 ff. = NJW 2014, 383 ff., dazu EWiR 2014, 319 f. (Allmendinger).

1059 Ein Wirtschaftsprüfer kann ausdrücklich mit der Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens beauftragt werden. Es handelt sich dann um einen Werkvertrag i. S. v. § 631 BGB. Vgl. BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 ff. = ZIP 2012, 1353 ff. = NZI 2012, 853 ff. = NZG 2012, 866 ff. Rn. 9, dazu EWiR 2012, 509 f. (Westermann).

1060 Zu den Hauptleistungspflichten des Wirtschaftsprüfers gehört der Hinweis auf die Notwendigkeit eines Insolvenzantrags. So Meixner/Schröder, Wirtschaftsprüferhaftung, Rn. C 851.

1061 Bei der Prüfung der Insolvenzreife handelt es sich nicht um eine gesetzlich vorgeschriebene Prüfung i. S. v. § 319 Abs. 1 HGB, die – abhängig von der Größe des Unternehmens – Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern vorbehalten ist. So BGH, Urt. v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, BGHZ 193, 297 ff. = ZIP 2012, 1353 ff. = NZI 2012, 853 ff. = NZG 2012, 866 ff. Rn. 11, dazu EWiR 2012, 509 f. (Westermann).

1062 Der Wirtschaftsprüfer ist nach IDW PS 270 zur Berichterstattung an die gesetzlichen Vertreter verpflichtet, wenn er im Rahmen seiner Prüfungshandlungen Anhaltspunkte für eine Insolvenzgefahr erkennt. So Meixner/Schröder, Wirtschaftsprüferhaftung, Rn. C 857.

1063 Der HFA hat den Entwurf einer Neufassung des IDW Prüfungsstandards: Die Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit im Rahmen der Abschlussprüfung (IDW EPS 270 n. F.) am 19.10.2017 verabschiedet.

206

I. Haftung von Beratern in der Krise

Im Rahmen einer Pflichtprüfung können sich Pflichtverletzungen insbeson- 1064 dere durch einen Verstoß gegen die Gewissenhaftigkeit, Verschwiegenheit, Neutralitätspflicht oder durch einen Verstoß gegen das Verbot der Verwertung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen ergeben. So IDW, Wirtschaftsprüferhandbuch, Teil A Rn. 304.

Ein Verstoß gegen die erforderliche Sorgfalt kann z. B. vorliegen, wenn eine 1065 Saldenbestätigung nicht eingeholt wird oder wenn aus dem im Rahmen einer Stichprobe aufgedeckten Fehler die Prüfung auf diesem Tätigkeitsfeld nicht intensiviert wird. Eine Verpflichtung des Wirtschaftsprüfers, jeden Buchungsvorgang umfassend zu prüfen, reicht allerdings nicht aus. So IDW, Wirtschaftsprüferhandbuch, Teil A Rn. 304.

Weiterhin kommt eine Haftung des Wirtschaftsprüfers aus unerlaubter Hand- 1066 lung, § 823 BGB, in Betracht. So IDW, Wirtschaftsprüferhandbuch, Teil A Rn. 327.

Die Vorschriften der WPO in der Berufssatzung stellen keine Schutzgesetze 1067 i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB dar. So IDW, Wirtschaftsprüferhandbuch, Teil A Rn. 328.

Als Schutzgesetze i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB sind allerdings z. B. §§ 332, 333 1068 HGB, §§ 403, 404 AktG und §§ 263, 264 a, 266, 283 ff. StGB anzusehen. So IDW, Wirtschaftsprüferhandbuch, Teil A Rn. 328.

Die Haftung eines Wirtschaftsprüfers kommt auch aus § 826 BGB in Betracht, 1069 wobei eine sittenwidrige Schädigung voraussetzt, dass dem Wirtschaftsprüfer in einem solchen Maße Leichtfertigkeit nachgewiesen werden kann, dass sie als Gewissenlosigkeit zu beurteilen ist. So IDW, Wirtschaftsprüferhandbuch, Teil A Rn. 354, unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 12.12.1978 – VI ZR 132/77, WM 1979, 326 ff.

Deliktische Ansprüche gegen Wirtschaftsprüfer sind in der Praxis kaum durch- 1070 setzbar, da der Berufsträger entweder nicht mit Vorsatz gehandelt hat oder dies zumindest nicht nachweisbar ist. So Meixner/Schröder, Wirtschaftsprüferhaftung, Rn. C 893.

5. Unternehmensberater Während bei Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern ein Be- 1071 rufsrecht besteht und es sich um eine staatlich erteilte Berufszulassung handelt, die an strenge Anforderungen anknüpft, ist die Begrifflichkeit „Unternehmensberater“, „Sanierungsberater“ oder schlicht „Berater“ unreglementiert. Die Haftung des Unternehmensberaters folgt den allgemeinen zivilrechtli- 1072 chen Grundsätzen.

207

F. Haftung von Beratern in Krise und Insolvenz So Nerlich, in: Festschrift für Klaus Hubert Görg, S. 317 ff.; Schmittmann, ZInsO 2011, 545 ff.; Ehlers, NZI 2008, 211 ff.

1073 Sofern der Unternehmensberater beauftragt wird, die Insolvenzreife eines Unternehmens zu prüfen, so gelten die gleichen Anforderungen, als sei der Auftrag einem Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer übertragen worden (siehe Rn. 1026 ff.). 1074 Sofern der Unternehmensberater – was ohne Weiteres zulässig sein dürfte – mit der Ausarbeitung eines Sanierungskonzepts beauftragt wird, ist der Auftragsgegenstand abzugrenzen. Sofern die Parteien sich auf die Erstellung eines Sanierungskonzepts gemäß IDW S 6 (Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten), der derzeit in der Entwurfsfassung ES 6 n. F. mit Stand vom 8. September 2017 vorliegt, beziehen, sind die Vorgaben des Instituts der Wirtschaftsprüfer zu berücksichtigen. Vgl. Kuss, WPg 2009, 326 ff.; Ehlers, NZI 2008, 211 ff.

1075 Kernbestandteile eines Sanierungskonzepts i. S. d. IDW-Standards ES 6 n. F. (Tz. 10) sind: x

Die Beschreibung von Auftragsgegenstand und -umfang,

x

die Darstellung der wirtschaftlichen Ausgangslage,

x

die Analyse von Krisenstadium und -ursachen,

x

die Darstellung des Leitbildes des sanierten Unternehmens,

x

die Maßnahmen zur Bewältigung der Unternehmenskrise und

x

ein integrierter Unternehmensplan.

1076 Nur auf der Grundlage dieser Kernbestandteile kann gemäß IDW ES 6 n. F. (Tz. 11) eine Aussage zur Sanierungsfähigkeit abgeleitet werden; die Beurteilung nur einzelner Problembereiche und Maßnahmen reicht hierfür nicht aus. 1077 Ist als Auftragsgegenstand nicht die Erstellung eines Sanierungskonzepts i. S. v. IDW S 6 vereinbart, so sind die von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Anforderungen zu berücksichtigen. Das Vorliegen eines tauglichen Sanierungskonzepts ist eine Tatsachenfrage, die vom Gericht gegebenenfalls durch Beweisaufnahme geklärt werden muss. Ein Sanierungskonzept setzt im Wesentlichen voraus: x

Beschreibung des Unternehmens,

x

Analyse des Unternehmens,

x

Krisenursachenanalyse,

x

Lagebeurteilung,

x

Leitbild des sanierten Unternehmens,

208

I. Haftung von Beratern in der Krise

x

Maßnahmen zur Sanierung des Unternehmens und

x

Planverprobungsrechnung. So OLG Köln, Urt. v. 24.9.2009 – 18 U 134/05, NZI 2010, 49 ff. = WPg 2011, 441 ff. = GmbHR 2010, 251 ff.

Gegenstand einer Sanierungsberatung sind: x

der Nachweis der Sanierungsfähigkeit,

x

die Erarbeitung eines Sanierungskonzepts,

x

die Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen,

x

das Sanierungscontrolling und

x

gegebenenfalls die Bewertung der Alternativlösung zur Liquidation.

1078

So Ehlers, NZI 2008, 211, 212.

Im Zusammenhang mit der Insolvenzanfechtung (damals: Konkursanfechtung) 1079 wurde entschieden, dass eine Gläubigerbenachteiligung bei Vorliegen eines ernsthaften Sanierungsversuches ausscheidet, wenn die Gewährung einer inkongruenten Sicherung den Bestandteil eines ernsthaften, letztlich aber fehlgeschlagenen Sanierungsversuches bildete. Dazu reicht die Hoffnung des Schuldners, sein Unternehmen retten zu können, nicht aus, wenn die dazu erforderlichen Bemühungen über die Entwicklung von Plänen und die Erörterung von Hilfsmöglichkeiten nicht hinausgekommen sind. So BGH, Urt. v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, ZIP 1993, 226 ff. = WM 1993, 270 ff. = NJW-RR 1993, 238 ff. Rn. 26, dazu EWiR 1993, 161 f. (Onusseit); BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 ff. = ZIP 1984, 572 ff. = NJW 1984, 1893 ff. Rn. 51.

Ein tauglicher Sanierungsversuch liegt vielmehr erst bei Existenz eines in sich 1080 schlüssigen Konzeptes, das jedenfalls in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt ist und infolgedessen auf der Seite des Schuldners zur Zeit der angefochtenen Rechtshandlung ernsthafte und begründete Aussichten auf Erfolg rechtfertigt, vor. So BGH, Urt. v. 12.11.1992 – IX ZR 238/91 Rn. 26; BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, ZIP 1984, 572.

Sowohl für die Frage der Erkennbarkeit der Ausgangslage als auch für die Prog- 1081 nose der Durchführbarkeit ist auf die Beurteilung eines unvoreingenommenen – nicht notwendigerweise unbeteiligten – branchenkundigen Fachmanns abzustellen, dem die vorgeschriebenen oder üblichen Buchhaltungsunterlagen zeitnah vorliegen. So Schmittmann, ZInsO 2011, 545, 547; unter Hinweis auf: BGH, Urt. v. 1.2.1956 – IV ZR 249/55, NJW 1956, 585 ff. = BGH, Urt. v. 2.2.1955 – IV ZR 252/54, NJW 1955, 1272 ff.; BGH, Urt. v. 2.11.1955 – IV ZR 103/55, NJW 1956, 417 ff.;

209

F. Haftung von Beratern in Krise und Insolvenz BGH, Urt. v. 9.7.1953 – IV ZR 242/92, BGHZ 10, 228 ff. = NJW 1953, 1665 f. = MDR 1953, 603 f.

1082 Das Konzept muss von erkannten und erkennbaren tatsächlichen Gegebenheiten ausgehen und darf nicht offensichtlich undurchführbar sein. Die Prognose der Durchführbarkeit muss die wirtschaftliche Lage des Schuldners im Rahmen seiner Wirtschaftsbranche analysieren und die Krisenursachen sowie die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage erfassen. Dies gilt grundsätzlich auch für den Versuch der Sanierung eines kleineren Unternehmens, weil dabei ebenfalls Gläubiger in für sie beträchtlichem Umfang geschädigt werden können. Das Ausmaß der Prüfung kann dem Umfang des Unternehmens und der verfügbaren Zeit angepasst werden. So BGH, Urt. v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248 ff. = NZG 1998, 181 ff. = KTS 1998, 251 ff. Rn. 25, dazu EWiR 1998, 225 f. (Gerhardt); BGH, Urt. v. 12.11.1992 – IX ZR 236/91, ZIP 1993, 276 ff.

1083 Ob der organschaftliche Vertreter des Unternehmens mit der Abwendung der Insolvenz und aufgrund von Sanierungsbemühungen rechnen darf, hängt nach der Rechtsprechung im Wesentlichen davon ab, ob der Sanierungsversuch objektiv sachgerecht angelegt wurde. So BGH, Urt. v. 4.12.1997 – IX ZR 47/97, ZIP 1998, 248 ff. = NZG 1998, 181 ff. = KTS 1998, 251 ff. Rn. 27, dazu EWiR 1998, 225 f. (Gerhardt).

1084 Eine Haftung des Unternehmensberaters kommt in Betracht, wenn das von ihm erstellte Werk mangelhaft ist. Als Mängel sind insbesondere anzusehen: x

Fehlen einer Einleitung,

x

Nichtnachvollziehbarkeit des Basis-Mengengerüstes,

x

Fehlen der Krisenursachenanalyse,

x

Pauschalisierungen („erwartete Nachfrage- und Umsatzsteigerung“, „Senkung der Entsorgungskosten“ und „Verbesserungspotential in der Nutzung von Verbundeffekten“),

x

Fehlen der Darstellung der Unternehmensentwicklung,

x

sehr globale und wenig konkrete Sanierungsmaßnahmen,

x

allgemeine Power-Point-Präsentationen und

x

Nichterkennbarkeit der Prämissen einer Planverprobungsrechnung. So OLG Köln, Urt. v. 24.9.2009 – 18 U 134/05, NZI 2010, 49 ff. = WPg 2011, 441 ff. = GmbHR 2010, 251 ff.

1085 Im Rahmen eines Honorarprozesses hatte das OLG Celle den Fall eines Sanierungsberaters zu beurteilen, der sich vom Mandanten stets die Mängel-

210

I. Haftung von Beratern in der Krise

freiheit der Arbeiten bestätigen ließ, dessen Sanierungskonzept aber bereits schon folgende Mindestbestandteile nicht enthielt: x

Kommentierter innerer Betriebsvergleich,

x

Aggregation einzelner Größen der Gewinn- und Verlustrechnung,

x

Vergleichsangaben zu Wettbewerbern und Branchendaten,

x

tatsächliches Stärken-Schwächen-Profil mit Wettbewerb,

x

Marketingangaben (unter Preisbildung, Werbung, Sponsoring) und

x

Strukturanalyse der Finanzsituation. So OLG Celle, Urt. v. 23.10.2003 – 16 U 199/02, ZIP 2003, 2118 ff. = NJW 2003, 3638 ff., dazu EWiR 2004, 163 f. (Nolting).

Trotz eines vom Mandanten unterzeichneten Schuldanerkenntnisses sowie 1086 der ihm abverlangten Erklärung, wonach die Honorarforderungen zur Zahlung fällig und nicht bestritten sind, hat das OLG Celle – unter Feststellung der Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit dieser Erklärung – keine Pflichterfüllung des Auftrages konstatiert und dem Auftraggeber Gewährleistungsansprüche zugesprochen. Das Gericht hat insbesondere beanstandet: „Es handelt sich insgesamt überwiegend um eine lediglich beschreibende Darstellung der betrieblichen Gegebenheiten, die in weiten Teilen unvollständig ist. Daten und Fakten aus der Branche, über die Wettbewerber vor Ort, die konkrete Markt- und Wettbewerbsposition des Unternehmens, über die örtliche und die regionale Entwicklung fehlen in dem Analysebericht vollständig … Der wesentliche Aspekt des Marketing (Produktangebot, Kundengewinnung, Kundenansprache, Preisbildung, Werbung, Verkaufsförderung, Sponsoring) des Unternehmens wird nicht erwähnt und dementsprechend auch weder untersucht noch bewertet … Zur Finanzsituation des Unternehmens wird keine praktisch verwertbare Aussage gemacht, obwohl gerade darin eine hochgradige Existenzgefährdung zu erkennen ist. Die Struktur der Finanzdaten (Eigenkapital, Fremdkapital, die verschiedenen Darlehen, die vorhandenen Kredite) wird nicht analysiert … Die sogenannten Erkenntnisse der Analyse bestehen aus einer Reihe von Aufzählungen und allgemeinen Aussagen, die so für fast jedes Unternehmen getroffen werden können. Die Geschäftsführer des Unternehmens werden überhaupt nicht erwähnt, nach Durchsicht der 56-seitigen Analyse weiß der Leser nicht, was der Gärtnereibetrieb überhaupt macht …“ So OLG Celle, Urt. v. 23.10.2003 – 16 U 199/02, ZIP 2003, 2118 ff. = NJW 2003, 3638 ff., dazu EWiR 2004, 163 f. (Nolting).

Die Haftung des Sanierungsberaters kommt auch unter dem Gesichtspunkt 1087 der faktischen Geschäftsführung in Betracht, wenn sie – wie Nerlich berichtet – zu selbstbewusstem Auftreten neigen, indem sie der Geschäftsführung erklären, der Bank „Meldung“ zu machen, wenn es an der Mitwirkung seitens der Geschäftsführung fehlt. So Nerlich, in: Festschrift für Klaus Hubert Görg, S. 317, 319.

211

F. Haftung von Beratern in Krise und Insolvenz

1088 Die Prognose der Überlebensfähigkeit des Unternehmens ist grundsätzlich aus einem aussagekräftigen Unternehmenskonzept (Ertrags- und Finanzplan) herzuleiten. Eine positive Fortbestehensprognose für die Gesellschaft setzt aber nicht voraus, dass die Einschätzung aufgrund eines Ergebnis- und Finanzplans als Bestandteil eines Sanierungskonzepts getroffen worden ist. Es kommt nicht auf eine retrospektive Betrachtung (ex post), sondern auf die Sicht eines ordentlichen Geschäftsmannes unter Zugrundelegung der im maßgeblichen Zeitpunkt vorhandenen Erkenntnisse (ex ante) an. So Schmittmann, ZInsO 2011, 545, 550; unter Hinweis auf: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 20.3.2009 – 10 U 148/08.

1089 Unternehmensberater, die die Geschäfte des Unternehmens nicht nur begleiten, sondern in ihrer gesamten Bandbreite abwickeln, Zahlungsvergleiche schließen oder in die Auftragsabwicklung eingreifen, können als faktische Geschäftsführer mit allen haftungsrechtlichen Konsequenzen angesehen werden. So Nerlich, in: Festschrift für Klaus Hubert Görg, S. 317, 319; Schmittmann, ZInsO 2011, 545, 551.

1090 Das Institut der faktischen Geschäftsführung und die sich daraus ergebenden Haftungsfolgen sind nach der Rechtsprechung des OLG München restriktiv bei Fallkonstellationen anzuwenden, in denen wenig eigenes, nach außen hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnendes Handeln des Betroffenen vorliegt, welches aber zum Zwecke der Konsolidierung und Rettung eines finanziell angeschlagenen Unternehmens vorgenommen wird. So OLG München, Urt. v. 8.9.2010 – 7 U 2568/10, ZIP 2010, 2295 ff. = WM 2010, 40 ff. = NZI 2011, 52 f., dazu EWiR 2011, 317 f. (Kleinschmidt, Andreas/Dinh Van).

1091 Für eine restriktive Auslegung ist eine Notwendigkeit nicht gegeben. Eine Haftung ergibt sich nicht daraus, dass jemand faktischer Geschäftsführer ist, sondern daraus, dass jemand eine Pflicht verletzt und dadurch einen Schaden verursacht. So Schmittmann, ZInsO 2011, 545, 551; Laroche, ZInsO 2015, 1469, 1470.

II. Haftung von Beratern nach Verfahrenseröffnung 1. Grundlagen 1092 Gemäß § 115 Abs. 1 InsO erlischt ein vom Schuldner erteilter Auftrag, der sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen bezieht, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Norm dient dem Schutz der Verwaltungshoheit des Insolvenzverwalters. So BT-Drucks. 12/2443, S. 151; Ringstmeier, in: Karsten Schmidt, InsO, § 115 Rn. 2.

212

II. Haftung von Beratern nach Verfahrenseröffnung

Der mit einem Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Unter- 1093 nehmensberater geschlossene Geschäftsbesorgungsvertrag erlischt daher mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ohne dass es einer Erklärung des Insolvenzverwalters bedarf. Der Beauftragte hat gemäß § 115 Abs. 2 Satz 1 InsO, wenn mit dem Auf- 1094 schub Gefahr verbunden ist, die Besorgung des übertragenen Geschäfts fortzusetzen, bis der Insolvenzverwalter anderweitig Fürsorge treffen kann. Der Auftrag gilt gemäß § 115 Abs. 2 Satz 2 InsO insoweit als fortbestehend. Mit seinen Ersatzansprüchen aus dieser Fortsetzung ist der Beauftragte gemäß § 115 Abs. 2 Satz 3 InsO Massegläubiger. Hat sich jemand durch einen Dienst- oder Werkvertrag mit dem Schuldner 1095 verpflichtet, ein Geschäft für diesen zu besorgen, so gilt gemäß § 116 Satz 1 InsO die Bestimmung des § 115 InsO entsprechend. Die Vorschrift betrifft Dienst- oder Werkverträge, bei denen der Schuldner Geschäftsherr ist. Im umgekehrten Falle, also der Insolvenz des Geschäftsbesorgers, gilt die Vorschrift weder unmittelbar noch analog. So Ringstmeier, in: Karsten Schmidt, InsO, § 116 Rn. 8.

Der Auftragnehmer muss zunächst mit dem Insolvenzverwalter Kontakt auf- 1096 nehmen und gegebenenfalls auf laufende Fristen etc. hinweisen. Das Unternehmensinsolvenzverfahren wird in aller Regel nicht sogleich nach Eingang des Insolvenzantrages eröffnet, sondern durchläuft zunächst ein vorläufiges Insolvenzverfahren, sodass genügend Gelegenheit besteht, eine Kontaktaufnahme herbeizuführen. Ebenso Ringstmeier, in: Karsten Schmidt, InsO, § 115 Rn. 12.

Solange der Beauftragte die Eröffnung des Verfahrens ohne Verschulden nicht 1097 kennt, gilt gemäß § 115 Abs. 3 Satz 1 InsO der Auftrag zu seinen Gunsten als fortbestehend. Mit den Ersatzansprüchen aus dieser Fortsetzung ist der Beauftragte gemäß § 115 Abs. 3 Satz 2 InsO Insolvenzgläubiger. Ein Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Unternehmensbera- 1098 ter kann nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch aufgrund eines durch den Insolvenzverwalter erteilten neuen Auftrages tätig werden. Hier gelten hinsichtlich der Haftung die allgemeinen Vorschriften. Besonderheiten gelten bei Ansprüchen des Schuldners auf höchstpersönliche 1099 Dienstleistungen. Ansprüche des Schuldners auf eine höchstpersönliche Dienstleistung unterliegen nicht dem Insolvenzbeschlag, weil sie nicht übertragbar sind. Die Übertragung des Anspruchs auf eine Dienstleistung ist gemäß § 613 Satz 2 BGB nur „im Zweifel“ ausgeschlossen. Sofern der Schuldner einen Berater in der Krisensituation seines Unternehmens beauftragt, so ist die Beratungsleistung nicht übertragbar. So BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 69/12, ZIP 2013, 586 ff. = ZVI 2013, 242 ff. = NZI 2013, 434 ff. Rn. 10, dazu EWiR 2013, 449 f. (Junghans).

213

F. Haftung von Beratern in Krise und Insolvenz

2. Auftrag nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens 1100 Wird der Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Unternehmensberater nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Auftrag des Insolvenzverwalters tätig, so hat er sich insbesondere – neben den üblichen Pflichten – mit den Besonderheiten im Insolvenzverfahren zu befassen. Sofern er die dazu erforderlichen Kenntnisse nicht hat, hat er sich diese zu verschaffen. 1101 Die nachfolgenden Beispiele sollen verdeutlichen, welche Besonderheiten von hoher Haftungsrelevanz sind: a) Umstellung des Geschäftsjahres 1102 Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt gemäß § 155 Abs. 2 Satz 1 InsO ein neues Geschäftsjahr. Das durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene neue Geschäftsjahr umfasst wiederum einen Zeitraum von zwölf Monaten, § 240 Abs. 2 Satz 2 HGB. Es ist gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 InsO auf die Stunde der Eröffnung abzustellen. 1103 Es liegt regelmäßig im Interesse des Insolvenzverwalters – schon aus Gründen der Praktikabilität und Kostenersparnis – zum satzungsmäßigen Geschäftsjahr zurückzukehren. Bislang war umstritten, welche Anforderungen an die Rückkehr zum satzungsmäßigen Geschäftsjahr zu stellen sind. Vgl. Schmittmann, in: Karsten Schmidt, InsO, § 155 Rn. 20 ff.; Graf-Schlicker/Breitenbücher, § 155 Rn. 16.

1104 Der Insolvenzverwalter ist befugt, den mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens neu beginnenden Geschäftsjahresrhythmus zu ändern. Das kann durch eine Anmeldung zur Eintragung im Handelsregister, aber auch durch eine sonstige Mitteilung an das Registergericht, geschehen. So BGH, Beschl. v. 14.10.2014 – II ZB 20/13, ZIP 2015, 88 ff. = NZI 2015, 168 ff. = NJW-RR 2015, 245 ff. = DB 2015, 239 f. (m. Anm. Schmittmann), dazu EWiR 2015, 223 f. (Wachter).

1105 Die Entscheidung des Insolvenzverwalters, zum satzungsmäßigen Geschäftsjahr der Gesellschaft zurückzukehren, muss durch eine Anmeldung zur Eintragung im Handelsregister oder durch eine sonstige Mitteilung an das Registergericht jedenfalls noch während des ersten laufenden Geschäftsjahrs nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach außen erkennbar werden. So BGH, Beschl. v. 21.2.2017 – II ZB 16/15, ZIP 2017, 732 f. = EWiR 2017, 341 f. (Nordholtz/Kubik) = NZI 2017, 630 ff. (m. Anm. von Wilcken) = StuB 2017, 567 (LS).

1106 Die Vorschrift des § 155 Abs. 2 Satz 1 InsO ist in verschiedener Hinsicht haftungsträchtig. Zum einen muss der Berater den Insolvenzverwalter auf diese Vorschrift hinweisen, damit nicht Kosten für Jahresabschlussarbeiten anfallen, die zu einem nichtigen – weil für ein nicht existierendes Geschäftsjahr – erstellten Jahresabschluss entstanden sind. Darüber hinaus ist erforderlich, dass

214

II. Haftung von Beratern nach Verfahrenseröffnung

der Berater darauf hinwirkt, dass zum satzungsmäßigen Geschäftsjahr zurückgekehrt wird, um damit unnötige Kosten zu vermeiden und einen Gleichlauf zwischen dem steuerlichen Veranlagungszeitraum sowie dem Geschäftsjahr nach Insolvenzeröffnung zu erreichen. b) Zuordnung von Umsatzsteuerverbindlichkeiten zu Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten Nach der Rechtsprechung des BFH kommt es durch die Eröffnung des In- 1107 solvenzverfahrens über das Vermögen des leistenden Unternehmers zu einer Aufspaltung des Unternehmens in mehrere Unternehmensteile. So ist z. B. zwischen der Insolvenzmasse und dem vom Insolvenzverwalter freigegebenen Vermögen zu unterscheiden. Weiterhin sei die Vermögensmasse „Altunternehmen“ abzugrenzen. Dadurch sei der Grundsatz der Unternehmenseinheit aber nicht beeinträchtigt, da es ausreiche, dass die Summe der für alle Unternehmensteile insgesamt festgesetzten oder angemeldeten Umsatzsteuer der Umsatzsteuer für das gesamte Unternehmen entspricht. Aus dieser Aufteilung folgt, dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Berichtigung der Umsatzsteuer im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung erfolgt und eine weitere Berichtigung gemäß § 17 UStG im Zeitpunkt der Vereinnahmung durch den Insolvenzverwalter erforderlich ist. Der BFH hält die Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung für uneinbringlich, da der Schuldner die Befugnis verliert, die Forderung einzuziehen. So BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 22/10, BFHE 232, 301 = ZIP 2011, 782 ff. (m. Bespr. Schmittmann, S. 1125 u. Welte/FriedrichVache, S. 1595) = BStBl. II 2011, 996 ff. = ZIP 2011, 782 ff.; Dobler, ZInsO 2011, 823, ZInsO 2011, 1098, dazu EWiR 2011, 323 f. (Mitlehner); Dobler, ZInsO 2012, 208 ff.; Heinze, DZWIR 2011, 276 ff.; Kahlert, DStR 2011, 921 ff.; Kahlert, ZIP 2015, 11 ff.; Onusseit, DZWIR 2011, 353 ff.; Roth, ZInsO 2014, 309 ff.; Schacht, ZInsO 2011, 1787 ff.; Schmittmann, ZIP 2012, 249 ff.; Schmittmann, StuB 2012, 874 f.; Stadie, UR 2013, 158 ff.; Wäger, UR 2013, 673 ff.

Die Rechtsprechung wurde vom BFH dahin weiterentwickelt, dass für den 1108 Fall, dass das Insolvenzgericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt und mit dem Recht zum Forderungseinzug bestellt, Steuerbetrag und Vorsteuerabzug für Leistungen, die der Unternehmer bis zur Verwalterbestellung erbracht oder bezogen hat, nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berichtigen sind. Gleiches gilt für den Steuerbetrag und den Vorsteuerabzug aus Leistungen, die das Unternehmen danach bis zum Abschluss des Insolvenzeröffnungsverfahrens erbringt oder bezieht. So BFH, Urt. v. 24.9.2014 – V R 48/13, ZIP 2014, 2451 (m. Bespr. Kahlert, ZIP 2015, 11), dazu EWiR 2015, 19 f. (Schmittmann).

215

F. Haftung von Beratern in Krise und Insolvenz

1109 Die zutreffende Einordnung von Verbindlichkeiten als Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeiten gehört zu den Kernaufgaben des Insolvenzverwalters und seiner Berater. Zur Vermeidung von Schäden für die Insolvenzmasse ist es daher zwingend, dass der Berater die sich ständig weiterentwickelnde Rechtsprechung des BFH und gegebenenfalls auch des EuGH berücksichtigt. 1110 Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens werden gemäß § 240 Satz 1 ZPO die die Insolvenzmasse betreffenden Verfahren unterbrochen, um Störungen durch einen laufenden Prozess von einem Insolvenzverfahren fernzuhalten und dem Insolvenzverwalter ausreichend Überlegungs- und Prüfungszeit einzuräumen, über eine Fortführung des Verfahrens zu entscheiden. So Sternal, in: Karsten Schmidt, InsO, § 85 Rn. 2.

c) Unterbrechung von Rechtsstreitigkeiten 1111 Rechtsstreitigkeiten über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens für den Schuldner anhängig sind, können gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 InsO in der Lage, in der sie sich befinden, vom Insolvenzverwalter aufgenommen werden. 1112 Im Falle der Eigenverwaltung wird mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein anhängiger Rechtsstreit gemäß § 240 ZPO unterbrochen. Das Recht zur Wiederaufnahme des Rechtsstreits steht im Falle der Eigenverwaltung dem Schuldner selbst zu, da diesem die Verwaltungs- und Verfügungsmacht über die Insolvenzmasse gemäß § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO verbleibt. So BFH, Urt. v. 27.2.2014 – V R 21/11, ZIP 2014, 894 (LS).

1113 Hebt der Insolvenzverwalter ein Verfahren auf, in dem die Entscheidung über die Kosten – auch für einzelne Instanzen – noch nicht abschließend getroffen wurde, tritt er zulasten der Masse in die Verantwortlichkeit für den Prozess ein und übernimmt bewusst das Prozessrisiko für das gesamte Verfahren. Unbeachtlich ist, ob der Insolvenzverwalter ein bereits anhängiges Verfahren vorfindet, in dem Feststellungen über Insolvenzforderungen getroffen wurden, oder ob ein solches Verfahren erst nach Verfahrenseröffnung anhängig wird. Abzustellen ist darauf, dass die nach Abschluss des Verfahrens entstehende Kostenforderung i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO auf eine Handlung des Insolvenzverwalters zurückgeht. So BFH, Beschl. v. 20.12.2013 – II E 18/12, ZIP 2014, 1600 = NZI 2014, 381 ff. (m. Anm. Schmittmann).

1114 Im Hinblick auf die mögliche Belastung der Insolvenzmasse mit den Kosten des Rechtsstreits, hat der Berater des Insolvenzverwalters besonders sorgfältig zu prüfen, ob der Rechtsstreit Aussicht auf Erfolg hat. Wenn ein Rechtsstreit aufgenommen wird, für den hinreichende Erfolgsaussichten bestehen und wird dadurch die Insolvenzmasse mit Masseverbindlichkeiten belastet,

216

III. Verjährung der Beraterhaftung

haftet dafür auch der Berater, wenn er den Insolvenzverwalter nicht hinreichend belehrt hat. III. Verjährung der Beraterhaftung Der Anspruch gegen einen Berater kann nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg 1115 geltend gemacht werden, wenn er verjährt ist. Es handelt sich zwar um eine Einrede, es ist aber grundsätzlich zu erwarten, dass ein in Anspruch genommener Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Unternehmensberater die Einrede der Verjährung erheben wird. Früher galten für Rechtsanwälte (§ 51b BRAO a. F.), Steuerberater (§ 68 1116 StBerG a. F.) und Wirtschaftsprüfer (§ 51a WPO a. F.) hinsichtlich der Verjährung Sondervorschriften. Nunmehr gilt die allgemeine Verjährungsregelung gemäß §§ 195, 199 BGB, wonach die Regelverjährung drei Jahre beträgt und mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die mit der Primär- und Sekundärverjährung des alten Rechts zusammen- 1117 hängenden Fragen können hier nicht im Einzelnen behandelt werden. Vgl. dazu Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, Rn. 850 ff.

Die Verjährung eines gegen einen rechtlichen Berater gerichteten Ersatzan- 1118 spruchs beginnt zu laufen, wenn der Mandant den Schaden und die Pflichtwidrigkeit des Beraters erkannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt hat. Rät der Berater zur Fortsetzung des Rechtsstreits, hat der Mandant in der Regel auch dann keine Kenntnis von der Pflichtwidrigkeit des Beraters, wenn das Gericht oder der Gegner zuvor auf eine Fristversäumung hingewiesen hat. So BGH, Urt. v. 6.2.2014 – IX ZR 245/12, ZIP 2014, 624 ff., dazu EWiR 2014, 211 f. (Römermann).

Der Mandant eines Rechtsanwalts ist in der Regel nicht fachkundig, hat seine 1119 rechtlichen Belange dem dazu berufenen Fachmann anvertraut und kann daher dessen etwaige Fehlleistungen – eben wegen seiner Rechtsunkenntnis – nicht erkennen. So BGH, Urt. v. 6.2.2014 – IX ZR 245/12, ZIP 2014, 624 ff. Rn. 15; BGH, Urt. v. 12.12.2002 – IX ZR 99/02, WM 2003, 928 ff.

Die Fachkunde des Rechtsanwalts und das Vertrauen seines Auftraggebers 1120 begründen typischerweise im Rahmen eines Anwaltsvertrages eine Überlegenheit des Anwalts gegenüber seinem regelmäßig rechtsunkundigen Mandanten.

217

F. Haftung von Beratern in Krise und Insolvenz So BGH, Urt. v. 6.2.2014 – IX ZR 245/12, ZIP 2014, 624 ff. Rn. 15.

1121 Für ein fehlerhaftes Verhalten des Anwalts ist aus Sicht des Mandanten regelmäßig kein Anhalt im Sinne grob fahrlässiger Unkenntnis gegeben, wenn der in Betracht kommende Fehler im Rechtsstreit kontrovers beurteilt wird und der Anwalt gegenüber dem Mandanten oder in Ausübung des Mandats nach außen hin die Rechtsansicht vertritt, ein Fehlverhalten liege nicht vor. Der Anwaltsvertrag ist in besonderer Weise durch gegenseitiges Vertrauen geprägt. So BGH, Urt. v. 6.2.2014 – IX ZR 245/12, ZIP 2014, 624 ff. Rn. 17; BGH, Urt. v. 7.2.2013 – IX ZR 138/11, ZIP 2013, 1284 ff. = WM 2013, 942 ff. Rn. 12.

1122 Ein Mandant des Rechtsanwalts muss – selbst wenn er über eine juristische Vorbildung verfügt – sich darauf verlassen können, dass der beauftragte Anwalt die anstehenden Rechtsfragen fehlerfrei beantwortet und der erteilte Rechtsrat zutreffend ist. So BGH, Urt. v. 6.2.2014 – IX ZR 245/12, ZIP 2014, 624 ff. Rn. 17; BGH, Urt. v. 24.6.1993 – IX ZR 216/92, NJW 1993, 2747, 2750.

1123 Es ist nicht Sache des Mandanten, den Anwalt zu überwachen oder dessen Rechtsansichten durch einen weiteren Rechtsberater überprüfen zu lassen. So BGH, Urt. v. 6.2.2014 – IX ZR 245/12, ZIP 2014, 624 ff. Rn. 17; BGH, Urt. v. 15.4.2010 – IX ZR 189/09, WM 2010, 993 ff. Rn. 14; BGH, Urt. v. 9.12.1999 – IX ZR 129/99, NJW 2000, 1263, 1265.

218

G. Strafrechtliche Haftungsrisiken Besondere Sorgfalt ist auf die Vermeidung der Begehung von Straftatbestän- 1124 den in der Insolvenz zu legen. Dies betrifft sowohl die Begehung von Straftatbeständen durch die organschaftlichen Vertreter der Gesellschaft selbst oder Mitarbeiter als auch die Begehung von Straftatbeständen durch Berater, insbesondere in Form der Beihilfe zu insolvenznahen Straftaten. Vgl. Achenbach/Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht; Bales, ZInsO 2010, 2073 ff.; Bittmann, Insolvenzstrafrecht: Handbuch für die Praxis; Bittmann, ZGR 2009, 931 ff.; Bittmann, ZInsO 2009, 1437 ff.; Brettner, Die Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung gemäß § 15 a InsO; Büttner, ZInsO 2009, 841 ff.; Dannecker/Knierim/Hagemeier, Insolvenzstrafrecht; Dehne-Niemann, wistra 2009, 417 ff.; Frind, ZInsO 2015, 22 ff.; Frings, Die zivil- und strafrechtliche Haftung des GmbHGeschäftsführers in der Insolvenz, S. 183 ff.; Goez, Zivilrechtliche Haftung und strafrechtliche Risiken des Steuerberaters: Grundlagen, Gefahrenschwerpunkte, Vermeidungsstrategien; Gratopp, Bilanzdelikte nach § 331 Nr. 1, Nr. 1 a HGB; Habetha, NZG 2012, 1134 ff.; Himmelskamp/Schmittmann, StuB 2006, 406 ff.; Köllner/Cyrus, NZI 2015, 16 ff.; Kraatz, Wirtschaftsstrafrecht; Kudlich/Oglakcioglu, Wirtschaftsstrafrecht; Müller-Gugenberger, Wirtschaftsstrafrecht: Handbuch des Wirtschaftsstraf- und -ordnungswidrigkeitenrechts; Pelz, Strafrecht in Krise und Insolvenz; Prade, ZInsO 2012, 436 ff.; Priebe, Teil 1, InsbürO 2014, 313 ff.; ders., Teil 2, InsbürO 2014, 386 ff.; Radtke, ZIP 2016, 1993 ff.; Reschke, Untreue, Bankrott und Insolvenzverschleppung im eingetragenen Verein; Richter, NZI 2002, 121 ff.; Schädlich, Die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Insolvenzantragspflicht (§ 15 a Abs. 1 InsO): Die Manifestation der Insolvenzreife als Voraussetzung eines eingeschränkt-objektiven Sorgfaltsmaßstabs bei der fahrlässigen Insolvenzantragspflichtverletzung; Schmittmann, BBB 2006, 372 ff.; Schmittmann, BBB 2007, 30 ff.; Schmittmann, ZSteu 2004, 308 ff.; Schramm, NStZ 2000, 398 ff.; Steinbeck, Die vorsätzliche Insolvenzverschleppung; Uhlenbruck, ZInsO 1998, 250 ff.; Wabnitz/ Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts; Weiß, Strafbare Insolvenzverschleppung durch den director einer Ltd.; Wessing, NZI 2003, 1 ff.; Weyand, ZInsO 2014, 1934 ff.; Weyand, ZInsO 2011, 745 ff.; Weyand/Diversy, Insolvenzdelikte: Unternehmenszusammenbruch und Strafrecht; Worms, Insolvenzverschleppung bei der „deutschen“ Limited – Der grenzüberschreitende Umzug von Kapitalgesellschaften nach Umsetzung des MoMiG.

Erfahrene Staatsanwälte berichten, dass bei 80 bis 90 % aller Unternehmens- 1125 insolvenzverfahren Straftaten begangen werden und nach wie vor eine immens hohe Dunkelziffer besteht. Vgl. Weyand/Diversy, Insolvenzdelikte, S. 5.

219

G. Strafrechtliche Haftungsrisiken

I. Insolvenzverschleppung 1126 Eine Insolvenzantragspflicht für natürliche Personen ist dem deutschen Recht fremd. Zwar sollte der Restschuldbefreiung begehrende Schuldner berücksichtigen, dass gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO die Restschuldbefreiung auf Antrag versagt werden kann, wenn der Schuldner im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch beeinträchtigt hat, dass er unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen verschwendet oder ohne Aussicht auf eine Besserung seiner wirtschaftlichen Lage die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verzögert hat, dies aber keine „versteckte“ Insolvenzantragspflicht natürlicher Personen begründet. So BGH, Beschl. v. 16.2.2012 – IX ZB 209/11, NZI 2012, 330 ff. = Verbraucherinsolvenz aktuell 2012, 37 (m. Anm. Köke).

1127 Die früher in den gesellschaftsrechtlichen Einzelgesetzen normierte Insolvenzantragspflicht (vgl. Rn. 15) wurde durch das MoMiG zur allgemeinen Insolvenzantragspflicht gemäß 15a InsO für Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personengesellschaften umgestaltet. So Brettner, Die Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung gemäß § 15 a InsO; Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 11 Rn. 62.

1128 Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben gemäß § 15a Abs. 1 InsO die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Eröffnungsantrag zu stellen. Die Regelung gilt zuvörderst für juristische Personen, aber auch für alle Personen(Handels-)Gesellschaften, bei denen nicht mindestens ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. Die Haftungsbeschränkung führt somit zu einer strafbewehrten Insolvenzantragspflicht. So Bittmann, ZGR 2009, 931, 944 ff.; Graf-Schlicker/Bremen, § 15a Rn. 4; Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 11 Rn. 62.

1129 Im Falle der Führungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung i. S. v. § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG ist auch jeder Gesellschafter, im Falle der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft (§ 78 Abs. 1 Satz 2 AktG) oder einer Genossenschaft (§ 24 Abs. 1 Satz 2 GenG) ist gemäß § 15a Abs. 3 InsO auch jedes Mitglied des Aufsichtsrates zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis. Vgl. Gehrlein, ZInsO 2017, 1977 ff.

1130 Wer entgegen der Bestimmung den Eröffnungsantrag nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig stellt, wird gemäß § 15a Abs. 4 InsO mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Bei fahrlässiger Begehung wird

220

I. Insolvenzverschleppung

der Täter gemäß § 15a Abs. 4 InsO mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft. Ein Täter der Insolvenzverschleppung gemäß § 15a InsO kann neben dem im 1131 Handelsregister eingetragenen Organ der Gesellschaft auch ein faktisches Organ sein. So Himmelskamp/Schmittmann, StuB 2006, 326 ff.; Borchardt, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 15a InsO Rn. 6.

Verfügt die Gesellschaft über mehrere Organträger, so ist jedes einzelne per- 1132 sönlich für die Antragsstellung verpflichtet, wobei die Erfüllung der Antragspflicht zugleich alle anderen Pflichtigen entlastet. So Borchardt, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 15a InsO Rn. 7.

Die Tathandlung des § 15a InsO liegt im Unterlassen der Stellung eines In- 1133 solvenzantrages. Die Antragsstellung hat ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu erfolgen. Daraus ergibt sich, dass es sich bei dieser Frist um eine Höchstfrist handelt, die nicht wegen vermeintlich „sinnvoller“ Sanierungsversuche überschritten werden darf. So Uhlenbruck, ZInsO 1998, 250 ff.; Borchardt, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 15a InsO Rn. 14.

Hat ein Gläubiger Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, ent- 1134 fällt dadurch die Insolvenzantragspflicht für die Organe des Schuldners nicht. Erst mit der Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällt die Antragspflicht weg. So BGH, Beschl. v. 28.10.2008 – 5 StR 166/08, BGHSt 53, 24 ff. = wistra 2009, 117 ff. = ZIP 2008, 2308 ff. Rn. 22 ff., dazu EWiR 2009, 235 f. (Schorck/Ganninger); Graf-Schlicker/Bremen, § 15a Rn. 8.

Im Liquidationsstadium lebt die Insolvenzantragspflicht nach einer Abweisung 1135 des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse nicht wieder auf, wenn Geldmittel eingehen, die zur Deckung der Verfahrenskosten ausreichen. Bei durchgängiger Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Zahlungsunfähigkeit bzw. der Überschuldung steht einer Strafbarkeit das Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG entgegen. So BGH, Beschl. v. 28.10.2008 – 5 StR 166/08, BGHSt 53, 24 ff. = wistra 2009, 117 ff. = ZIP 2008, 2308 ff. Rn. 31, dazu EWiR 2009, 235 f. (Schorck/Ganninger).

Regelmäßig wenden Organe gegen den Vorwurf der strafbewehrten Insol- 1136 venzverschleppung ein, ein „vermeintlich taugliches Sanierungskonzept“ habe zur Unterlassung des Insolvenzantrages geführt. Darin liegt ein regelmäßig vermeidbarer Verbotsirrtum, der die Schuld nicht entfallen lässt. 221

G. Strafrechtliche Haftungsrisiken Vgl. Borchardt, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 15a InsO Rn. 25.

1137 Der Straftatbestand des § 15a InsO lässt lediglich eine Täterschaft des Organs zu. Dies schließt allerdings eine Teilnahme in Form der Beihilfe nicht aus. Gemäß § 27 Abs. 1 StGB ist Beihilfe die vorsätzliche Hilfeleistung zur Vorsatztat eines anderen. Objektiv muss die Beihilfehandlung zwar für den Taterfolg nicht ursächlich gewesen sein, die tatbestandsmäßige Handlung aber gefördert, erleichtert oder den Täter in seinem Entschluss zur Tatbegehung bestärkt haben. Im Falle der Strafbarkeit gemäß § 15a InsO ist in subjektiver Hinsicht neben dem entsprechenden Vorsatz des Täters zumindest die Erkenntnis des Gehilfen erforderlich, dass das Organ den Insolvenzantrag trotz gegebener Insolvenzreife pflichtwidrig unterlässt. So BGH, Urt. v. 25.7.2005 – II ZR 390/03, BGHZ 164, 50 = ZIP 2005, 1734 ff. = ZBB 2006, 42 ff. Rn. 12.

II. Betrug 1138 Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird gemäß § 263 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 1139 Der Straftatbestand des Betruges spielt in Krise und Insolvenz eine erhebliche Rolle. Dies gilt sowohl für die Organe des Schuldners (siehe Rn. 1140 ff.) als auch für den Insolvenzverwalter (siehe Rn. 1143 ff.) selbst. 1. Strafbarkeit der Organe des Schuldners 1140 Im Zusammenhang mit der Krise eines Unternehmens, aber auch bei zahlungsunfähigen Verbrauchern spielt der Betrug in Gestalt des Eingehungsbetruges eine erhebliche Rolle. Bei einem gegenseitigen Vertrag besteht nach Treu und Glauben für den einen Vertragsteil die Rechtspflicht, eine bei ihm nach dem Vertragsschluss eingetretene Zahlungsunfähigkeit dem vorleistungspflichtigen Vertragsgegner zu offenbaren. So BGH, Urt. v. 15.6.1954 – 1 StR 526/53, BGHSt 6, 198 f. = NJW 1954, 1414 f.; Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 11 Rn. 17.

1141 Grundsätzlich gilt, dass das Eingehen einer Zahlungsverpflichtung konkludent die Erklärung der Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit enthält, sodass der Vertragspartner zur Vorleistung bereit ist. So BGH, Urt. v. 15.6.1954 – 1 StR 526/53, BGHSt 6, 198 f. = NJW 1954, 1414 f.

222

III. Untreue

Die Organe sollten in der Krise vor Auslösung einer Bestellung oder eines 1142 sonstigen vergleichbaren Rechtsgeschäfts prüfen, ob das der anderen Vertragspartei geschuldete Entgelt bei Fälligkeit auch gezahlt werden kann. Ist dies nicht der Fall, ist die andere Vertragspartei darauf hinzuweisen, um das Tatbestandsmerkmal der Täuschung zu vermeiden, oder aber von der Bestellung abzusehen. 2. Strafbarkeit des Insolvenzverwalters Eine Strafbarkeit des (vorläufigen) Insolvenzverwalters kommt unter dem Ge- 1143 sichtspunkt des Eingehungsbetruges in Betracht, wenn er Bestellungen auslöst, aber nicht mit Sicherheit feststeht, dass das geschuldete Entgelt bei Fälligkeit gezahlt werden kann. Die Überprüfung, ob bei Fälligkeit gezahlt werden kann, ist dem Insolvenz- 1144 verwalter ohne Weiteres möglich, da er ohnehin verpflichtet ist, sich ständig einen Überblick darüber zu verschaffen, ob Masseunzulänglichkeit besteht. Sowohl eine verfrühte als auch eine verspätete Erklärung der Masseunzulänglichkeit stellt sich als Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten i. S. v. § 60 InsO dar. So Schmittmann, in: Pape/Uhländer, InsO, § 208 Rn. 16.

Auf insolvenzspezifische Gefahren des Geschäfts muss der Insolvenzverwalter 1145 grundsätzlich nicht hinweisen. Eine Strafbarkeit besteht freilich, wenn der Insolvenzverwalter wider besseres Wissen ausdrücklich behauptet, die Insolvenzmasse sei leistungsfähig. So Wessing, NZI 2003, 1 ff.; Borchardt, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 263 StGB Rn. 14.

Eine Strafbarkeit des Insolvenzverwalters wegen Betruges ist auch im Rahmen 1146 der Beantragung der Vergütung denkbar. Die Betrugsstrafbarkeit kommt insbesondere in Betracht, wenn der Insolvenzverwalter falsche tatsächliche Angaben im Vergütungsantrag macht. Darüber hinaus sind falsche Bewertungen betrugsrelevant, wenn bei der Rechnungsstellung konkludent die Einhaltung der InsVV mit erklärt wurde. Eine Strafbarkeit kommt nur in Betracht, wenn der subjektive Tatbestand erfüllt ist, was bei Unwissenheit oder schlichtem Vergessen nicht in Betracht kommt. Es besteht für den Verwalter, der sich auf Unwissenheit beruft, freilich das Risiko, sich für weitere Bestellungen durch das Insolvenzgericht zu disqualifizieren. So Bittmann, ZInsO 2009, 1437, 1440.

III. Untreue Während die Bankrottdelikte gemäß § 283 ff. StGB dem Gläubigerschutz 1147 dienen, bezweckt die Regelung des § 266 StGB den Schutz des Vermögens, das der Pflichtige zu betreuen hat.

223

G. Strafrechtliche Haftungsrisiken So BGH, Urt. v. 4.11.1997 – 1 StR 273/97, BGHSt 43, 293 ff. = wistra 1998, 103 f. = NStZ 1998, 495 ff. (m. Anm. Bittmann), (Haushaltsuntreue).

1148 Der Straftatbestand der Untreue kann sowohl die Organe (siehe Rn. 1149 ff.) als den (vorläufigen) Insolvenzverwalter (siehe Rn. 1152 ff.) treffen. 1. Strafbarkeit der Organe 1149 Die Tathandlung der Untreue besteht beim Missbrauchstatbestand in der Verletzung der im Innenverhältnis bestehenden Pflichten. Diese Pflichten ergeben sich in der Regel aus der Beziehung zwischen Treugeber und Treupflichtigem, sind also je nach dem Aufgabenkreis des Treupflichtigen verschieden. So Fischer, § 266 StGB Rn. 9.

1150 Beim Treubuchstatbestand besteht die Handlung in einer Verletzung der spezifischen Treuepflicht. Sie kann neben rechtsgeschäftlichem Handeln auch durch jedes tatsächliche Verhalten (Tun oder Unterlassen) begangen werden. So Fischer, § 266 StGB Rn. 33.

1151 Häufige Fälle aus der Praxis sind beim Untreuetatbestand die Nichtherausgabe erlangter, persönlichkeitsgebundener Vorteile wie Schmiergeldzahlungen oder tatsächlich nicht geschuldete Provisionen. Vgl. BGH, Beschl. v. 20.3.2014 – 3 StR 28/11, NJW 2014, 2299 ff. = NStZ 2014, 397 ff. Rn. 5; BGH, Beschl. v. 31.3.2008 – 5 StR 631/07, wistra 2008, 262 ff. Rn. 5.

2. Strafbarkeit des (vorläufigen) Insolvenzverwalters 1152 Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht, oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird gemäß § 266 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 1153 Auch ein (vorläufiger) Insolvenzverwalter kommt als Täter i. S. d. § 266 StGB in Betracht. So Borchardt, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 266 StGB Rn. 9.

1154 Die in der Vergangenheit zutage getretenen Fälle von Untreue durch den Insolvenzverwalter reichen von „Kick-Back-Geschäften“, die freilich nur dann strafbar sind, wenn der Insolvenzmasse ein Schaden zugefügt worden ist, bis

224

III. Untreue

zu pflichtwidrigen Entnahmen aus Insolvenzmassen in einer Größenordnung von mehreren Millionen Euro. Vgl. Borchardt, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 266 StGB Rn. 17; BGH, Urt. v. 9.10.2014 – IX ZR 140/11, ZIP 2014, 2242 (m. Bespr. Ampferl/Kilper, ZIP 2015, 553) = NJW 2015, 64 ff. = NZI 2015, 166 ff., dazu EWiR 2014, 781 f. (Krüger).

Eine Untreue durch den Insolvenzverwalter kann bereits vorliegen, wenn er 1155 neben dem Gericht mitgeteilten Anderkonto (sog. „Insolvenztreuhandkonto“) weitere Konten einrichtet, auf denen Geld des schuldnerischen Unternehmens „außerhalb des Insolvenzverfahrens“ gesammelt wird. So Borchardt, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 266 StGB Rn. 12.

Eine Strafbarkeit wegen Untreue kommt darüber hinaus auch in Betracht, wenn 1156 der Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO die zwingende Befriedigungsreihenfolge des § 209 InsO verletzt. Vgl. Borchardt, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 266 StGB Rn. 15a.

Eine Befriedigung einzelner Altmassegläubiger durch den Insolvenzverwalter, 1157 insbesondere zur Vermeidung der persönlichen Haftung gemäß § 61 InsO, kann ebenfalls den Straftatbestand der Untreue erfüllen. So Borchardt, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 266 StGB Rn. 16a.

Bei einer täterschaftlichen Verurteilung nach § 283 StGB kommt die Beihilfe 1158 zur Untreue in Tateinheit in Betracht, nachdem der BGH seine Rechtsprechung zur Interessenformel aufgegeben hat. So BGH, Beschl. v. 15.5.2012 – 3 StR 118/11, BGHSt 57, 229 ff. = ZIP 2012, 1451 ff. = wistra 2012, 346 ff., dazu EWiR 2012, 609 f. (Wessing).

Übernimmt eine Aktiengesellschaft eine gegen ein Organ der Gesellschaft 1159 festgesetzte Geldstrafe – Auflage – oder – Buße –, so liegt darin weder eine Strafvereitelung (§ 285 StGB) noch eine Untreue (§ 266 StGB), wenn die Entscheidung über die Übernahme der Geldstrafe – Auflage – oder – Buße – durch die Hauptversammlung (§ 93 Abs. 4 AktG) erfolgt ist. Die Regelung des § 93 AktG soll ausschließen, dass der Vorstand durch eine pflichtwidrige Handlung der Gesellschaft dauerhaft einen Nachteil zufügt. Ersetzt die Gesellschaft dem Vorstand eine strafrechtliche Sanktion, die für eine Handlung verhängt wird, die gleichzeitig gegenüber der Gesellschaft pflichtwidrig ist, fügt die Gesellschaft sich selbst einen Nachteil zu, den eigentlich der Vorstand zu tragen hätte. So BGH, Urt. v. 8.7.2014 – II ZR 174/13, ZIP 2014, 1728 ff. = NZG 2014, 1058 ff. = wistra 2014, 452 ff. Rn. 18, dazu EWiR 2014, 609 f. (Maier-Reimer); vgl. Selter, ZIP 2015, 714.

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G. Strafrechtliche Haftungsrisiken

IV. Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen 1160 Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird gemäß § 266a Abs. 1 StGB bestraft. 1161 Gemäß § 266a Abs. 2 StGB wird ebenso bestraft, wer als Arbeitgeber der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung vorenthält. 1162 Gemäß § 266a Abs. 6 StGB kann das Gericht in diesen Fällen von einer Bestrafung absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und darlegt, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich ernsthaft darum bemüht hat. 1163 Täter des § 266a StGB können vorinsolvenzlich das im Handelsregister eingetragene Organ und das faktische Organ sein. So Borchardt, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 266a StGB Rn. 10.

1164 Der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter kommt mangels Verfügungsbefugnis als Täter nicht in Betracht. So Borchardt, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 266a StGB Rn. 25; a. A. Richter, NZI 2002, 121, der eine Strafbarkeit als Unterlassungstäter annimmt, wenn der schwache vorläufige Verwalter die Zustimmung zur Abführung der Arbeitnehmeranteile unterlässt.

1165 Der starke vorläufige Insolvenzverwalter und der Insolvenzverwalter kommen als Täter in Betracht, wobei der starke vorläufige Verwalter lediglich außerhalb des Insolvenzgeldzeitraums eine Straftat gemäß § 266 StGB begehen kann. So Borchardt, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 266a StGB Rn. 26.

V. Bankrott 1166 Die zentrale Norm des Insolvenzstrafrechts ist der Bankrott gemäß § 283 StGB, der sowohl tatbestandsbezogene als auch informationsbezogene Bankrotthandlungen erfasst. Vgl. Habetha, Bankrott und strafrechtliche Organhaftung; Habetha, NZG 2012, 1134 ff.; Schmittmann, ZSteu 2004, 308, 311.

226

V. Bankrott

Die bestandsbezogenen Bankrotthandlungen zielen auf die Verlagerung des 1167 Vermögens ab, während die informationsbezogenen Bankrotthandlungen unrichtige Informationen über den Vermögensbestand betreffen. So Schmittmann/Theurich/Brune, Das insolvenzrechtliche Mandat, § 11 Rn. 50.

An dieser Stelle kann nicht auf die einzelnen Tatbestandsmerkmale des Bank- 1168 rotts eingegangen werden. Die „Bankrottdelikte“ umfassen darüber hinaus noch die Verletzung der Buchführungspflicht (§ 283b StGB), die Gläubigerbegünstigung (§ 283c StGB) sowie die Schuldnerbegünstigung (§ 283d StGB). Den Tatbeständen ist gemein, dass die Strafbarkeit voraussetzt, dass der Täter 1169 seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist (§ 283 Abs. 6 StGB). Die objektiven Strafbarkeitsvoraussetzungen aus § 283 Abs. 6 StGB müssen in Bezug auf das jeweilige Vermögen bzw. Unternehmen eingetreten sein. So BGH, Urt. v. 13.2.2014 – 1 StR 336/13, NStZ 2014, 469 ff. Rn. 64, dazu EWiR 2015, 55 f. (Floeth).

Die Bankrotttatbestände haben auch für Berater des Schuldners besondere Be- 1170 deutung. So Bales, ZInsO 2010, 2073, 2076.

Die Bankrottatbestände sind Sonderdelikte.

1171

Die Organe von Kapitalgesellschaften sollten stets darum bemüht sein, eine 1172 Verurteilung gemäß §§ 283 ff. StGB zu vermeiden, da eine Verurteilung wegen dieser Delikte zur Inhabilität als Organ auf die Dauer von fünf Jahren seit der Rechtskraft des Urteils führt und die Zeit nicht angerechnet wird, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist (§ 6 Abs. 2 Satz 1 GmbHG, § 76 Abs. 3 Satz 2 AktG). Im Recht der Genossenschaft (§§ 24 ff. GenG) fehlt überraschenderweise eine vergleichbare Regelung. Als Beispiele für Tathandlungen gemäß § 283 StGB kommen insbesondere 1173 Einziehung von Forderungen über fremde Konten, nicht gerechtfertigte Sicherungsübereignungen und Transfer von Geldern auf Fremdkonten in Betracht. So Borchardt, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 283 StGB Rn. 13.

Darüber hinaus sind in der Praxis insbesondere das Unterlassen der Führung 1174 von Handelsbüchern oder deren Manipulation von Bedeutung. Vgl. Schmittmann, ZSteu 2004, 308 ff.; Borchardt, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 283 StGB Rn. 22 ff.

227

G. Strafrechtliche Haftungsrisiken

1175 Täter der Bankrottdelikte ist der Schuldner. Bei Kapitalgesellschaften trifft die strafrechtliche Verantwortlichkeit sowohl die im Handelsregister eingetragenen Organe als auch die faktischen Organe. So Himmelskamp/Schmittmann, StuB 2006, 406 ff.

1176 Bei Personenhandelsgesellschaften trifft die Strafbarkeit die geschäftsführenden Gesellschafter. So Borchardt, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 283 StGB Rn. 50.

1177 Ein Berater des Schuldners kommt ebenfalls als Täter in Betracht. Hält der Steuerberater z. B. Unterlagen des Unternehmens wegen ausstehender Honorarforderungen zurück, ist damit der Bankrottstraftatbestand des § 283 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 StGB erfüllt, ohne dass sich der Steuerberater auf ein Zurückbehaltungsrecht i. S. d. § 273 BGB berufen kann. So Borchardt, in: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, § 283 StGB Rn. 53.

1178 Eine Strafbarkeit des (vorläufigen) Insolvenzverwalters hinsichtlich der Bankrottdelikte scheidet aus. Differenzierend Bales, ZInsO 2010, 2073, 2079.

VI. Sonstige Tatbestände 1179 Im Übrigen kann beobachtet werden, dass in der Krise auch häufig die Tatbestände des Verstrickungs- und Siegelbruchs (§ 136 StGB), der falschen Versicherung an Eides Statt (§ 156 StGB), der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) und der Vollstreckungsvereitelung (§ 288 StGB) begangen werden. 1180 Auch die Tatbestände aus dem HGB, insbesondere die unrichtige Darstellung in der Bilanz (§ 331 HGB) sind zu beobachten. Vgl. dazu Gratopp, Bilanzdelikte nach § 331 Nr. 1, Nr. 1a HGB; Schmittmann, ZSteu 2004, 308 ff.; Schmittmann, BBB 2006, 372 ff.; Schmittmann, BBB 2007, 30 ff.

1181 Regelmäßig sind auch Steuerstraftaten, §§ 370 ff. AO, in zeitlichem Zusammenhang mit der Krise einer Gesellschaft anzutreffen.

228

Stichwortverzeichnis

Abdingbarkeit – Haftung 837 ff. – Insolvenzplan 849 f. – Vertrag 838 ff. Abfindung 279 Abweisung mangels Masse – Insolvenzantragspflicht 1135 Aktiengesellschaft – Aufsichtsrat 421 ff. – DCGK 232 – Führungslosigkeit 501 – Hauptversammlung 282 – Insolvenz 50 ff. – Krise 281 ff. – Legalitätspflicht 228 – Pflichtverletzung 210 ff. – Risikomanagement 233 – Überwachungssystem 216 – Verlustanzeigepflicht 282 – Wettbewerbsverbot 213 ff. – Zahlungsverbot 291 Aktivlegitimation – Schadensersatzanspruch 162 ff. Akzessorietät – Steuerhaftung 741 ff. Altersteilzeit 590 ff. Altgläubiger 508 ff. – Vermieter 517 f. Amtsniederlegung 267 ff. – Unzeit 267 Amtsunfähigkeit 90 ff. Aneignung von Gesellschaftsvermögen 212 Anfechtungssachverhalte – Haftung 880 ff. Anrechnung von Gläubigerforderungen – Vorbehalt von Amts wegen 381 Arbeitsrecht – Anwendbarkeit 841

– gefahrgeneigte Tätigkeit 840 Aufsichtspflichtverletzung – Haftung 606 f. Aufsichtsrat 195 ff. – Einberufung einer Hauptversammlung 423 ff. – faktischer Vorstand 196 f., 430 ff. – fakultativer Aufsichtsrat 444 ff. – GmbH 433 ff. – Haftung 206 ff., 421 ff. – Haftung in der Krise 422 – Insolvenzantragspflicht 429 – Kenntnis der Insolvenzreife 426 ff. – Schadensersatzanspruch 444 ff. – Sorgfaltspflicht 421 ff. – Überwachungspflicht 440 ff. Auftragserteilung – Berater 815 ff. – Form 817 – Nachweis 816 Außenhaftung 449 ff. – Bürgschaft 453 ff. – Garantie 459 ff. – Schuldbeitritt 456 ff. – Vertragshaftung 452 ff. – Vertrauenshaftung 462 ff.

Bankrott

1016, 1166 ff. – Beihilfe 1023 – faktischer Geschäftsführer 1175 – Interessentheorie 535 f. – Schadensersatzanspruch 534 ff. – Strafbarkeit des Beraters 1177 Bauabzugsteuer – Haftung 720 ff. Bauforderungen – Haftung 584 ff. 229

Stichwortverzeichnis

Baugeld 243 – Haftung 584 ff. Beihilfe – Bankrott 1023 Beitragsvorenthaltung 538 ff. – Vorsatz 572 Belegfälschung 212 Berater 107 ff. – Auftragserteilung 815 ff. – Auswahl 796 – Beratungsbedürftigkeit des Mandanten 951 f. – Beratungspflichten 948 ff., 957 ff. – fehlende Kenntnisse 239 – Haftung 111, 936 ff., 939 ff. – Handeln gemäß Empfehlung 832 ff. – Information durch Organe 810 ff. – mangelnde Qualifikation 239 – Pflichtverletzung 952 ff. – Plausibilitätsprüfung 802 – Sachkunde 797 – Überprüfung der Ergebnisse 826 ff. – Unabhängigkeit 800 – Vergütung 946 ff., 1092 ff. – Vorbefassung 801 – Warn- und Hinweispflicht 109 f. Beraterhaftung – Bankrott 1016 – Beteiligung an Insolvenzverschleppung 1004 ff. – Buchführung 986 – Dauermandat 1038 ff. – deliktische 1003 ff. – Durchsetzung 997 ff. – Exkulpation des Geschäftsführers 987 f. – geschützter Personenkreis 990 ff. – Gläubigerbegünstigung 1018

230

– Grundsatz des sichersten Wegs 954 – Insolvenzverschleppung 1020 – Mittäterschaft 1013 – Mitverschulden 835 f., 959 ff. – Rechtsanwälte 1026 ff. – Reichweite 977 ff. – Risikoaufklärung 955 – Schaden 965 – Schutzgesetze 1068 – Steuerberater 1034 ff. – Straftaten 1124 ff. – Umsatzsteuer 985 – Unternehmensberater 1071 ff. – verdeckte Sachgründung 1019 – Verjährung 1115 ff. – Verstoß gegen Schutzgesetz 1011 ff. – Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter 970 ff. – vertragliche Haftung 940 ff. – Vertragsschluss 942 ff. – Wirtschaftsprüfer 1050 ff. Beratung – Enthaftung der Organe 786 ff. – Ermittlung des Bedarfs 792 ff. – Steuerhaftung 641 Berufsfreiheit 260 Berufshaftpflichtversicherung 890 Berufsträger – fachliche Qualifikation 789 Betrug 1138 – Schadensersatzanspruch 522 ff. – Vergütung 1146 Biersteuer – Steuerhaftung 735 ff. Bilanzfälschung 1053 ff., 1179 Bürgschaft 453 ff. Bürgschaften 238 – Massesicherungspflicht 354 Business Judgement Rule 160 f., 223

Claims-made-Prinzip – D&O-Versicherung 926 f.

Stichwortverzeichnis

Compliance 231 Controlling 219 Culpa in contrahendo 478 ff.

D&O-Versicherung

887 ff. Abschluss 909 ff. Claims-made-Prinzip 926 f. DCGK 894 Deckungskonzept 900 ff. Haftpflichtversicherung 921 ff. – Leistungsausschlüsse 930 ff. – Prämienzahlung 898 – Selbstbehalt 893 ff., 910 ff. – Versicherungsgegenstand 919 ff. – Versicherungsnehmer 901 ff. – Versicherungsschutz 902 DCGK 232 – D&O-Versicherung 894 Delikt – Beraterhaftung 1003 ff. – Haftung 489 ff. – Wirtschaftsprüfer 1066 Dienstvertrag – Geschäftsführer 241 Durchgriffshaftung 608 ff. Durchsetzung – Beraterhaftung 997 ff. – – – – –

Eigenkapital 285 Eigentümer – Steuerhaftung 694 ff. Eigenverwaltung – Haftung 642 – Unterbrechung Rechtsstreitigkeiten 1112 Einbeziehung in Steuerberatungsvertrag – Geschäftsführer 985 ff. Eingehungsbetrug 523, 1138 Einkommensteuergesetz – Steuerhaftung 717 ff. Enthaftung 226, 783 ff. – Beratungsergebnis 832 ff.

– Einholung von Rechtsrat 393, 786 ff. – Gesellschafterbeschluss 252 – Gläubigerautonomie 875 f. – sachverständige Beratung 786 ff. Erbschaft- und Schenkungssteuergesetz – Steuerhaftung 727 ff. Erfolgskrise 25 f. Ersatzpflicht – Vergleich 413 ff. Erstattungsanspruch 320 – Abtretung 322, 377 – Anfechtungssachverhalte 382 ff. – Anrechnung von Gläubigerforderungen 378 ff. – Durchsetzung 400 ff. – Enthaftung der Organe 793 – internationale Zuständigkeit 400 – Niederlassungsfreiheit 403 – Pfändung 323 – privilegierte Zahlungen 341 ff. – Rechtsnatur 324 – Schaden 325 – Vergleich 413 ff. – Verjährung 395 ff. – Verschulden 376 – Zahlung 326 Existenzvernichtung 619 ff. Exkulpation 794 – Auftragserteilung 815

Faktischer Geschäftsführer

200 ff., 1087 – Außenwirkung 203 – Bankrott 1175 – Insolvenzverschleppung 1131 – Massesicherungspflicht 366 – Sozialversicherungsbeiträge 565 Faktischer Vorstand 189 ff., 430 ff. – Kriterien 194

231

Stichwortverzeichnis

– strafrechtliche Verantwortlichkeit 192 Finanzverwaltung – Haftung 627 ff. – Haftungsbescheid 878 Firmenbestattung 756 ff. – Geschäftsanteilsübertragung 761 ff. – Geschäftsführerwechsel 766 ff. – Kostendeckung 773 – Sitzverlegung 769 ff. Fiskalprivileg 9 Förderung 247 Fortbestehensprognose 1088 – Prüfung 1047 Frühwarnsystem 294 Führungslosigkeit 1129 – Aktiengesellschaft 501 – Genossenschaft 501 – GmbH 501

Gamma-Rechtsprechung

612 Gant 5 Garantie 459 ff. Geldstrafe – Übernahme durch Gesellschaft 1159 Generalbereinigung 845, 854 ff. Genossenschaft – Führungslosigkeit 501 – Insolvenz 501, 865 – Pflichtverletzung 224 Gerichtsstand 777 ff. Geschäftsanteilsübertragung – Firmenbestattung 761 ff. Geschäftsführer – Alkoholmissbrauch 263 – Amtsniederlegung 267 ff. – Dienstvertrag 241 – Einbeziehung in Steuerberatungsvertrag 985 ff. – Informationsnutzung 226 – Inhabilität 90 ff. – Medikamentenmissbrauch 263

232

– Selbstprüfungspflicht 276 – Verschwiegenheitspflicht 269 ff. – Wettbewerbsverbot 258 – Zuständigkeit 199 Geschäftsführerwechsel – Firmenbestattung 766 ff. Geschäftsführung – Übertragung auf Dritte 274 Geschäftsvorfälle – fingierte 250 Gesellschafter – Weisungen 372 Gesellschafterhaftung – Verhältnis Steuerhaftung 749 ff. Gesellschaftsrecht – Organe 43 ff. – Strukturen 40 ff. Gesellschaftsvermögen – Eingriff 623 ff. Gläubigerautonomie 875 f. GmbH – Aufsichtsrat 204 ff., 433 ff., 443 ff. – Business Judgement Rule 223 – dualistische Struktur 445 – faktischer Geschäftsführer 200 ff. – Führungslosigkeit 501 – Geschäftsführer 198 ff. – Geschäftsgeheimnisse 271 ff. – Gesellschaftsvertrag 436 ff. – Haftung 221 ff. – Insolvenz 49 ff. – Kapitalaufbringung 145 f. – Kollegialentscheidung 272 ff. – Legalitätspflicht 228 – Mitbestimmung 434 – Pflichtverletzung 221 ff. – Unternehmensgegenstand 229 – Verlustanzeigepflicht 292 ff. GmbH & Co. KG – Aufsichtsrat 447 f. Going-Concern-Grundsatz 1047

Stichwortverzeichnis

Grundkapital – Aktiengesellschaft 282 – Verlust 282 Grundsatz der anteiligen Tilgung 659 ff. – Umsatzsteuer 661 Grundsatz des sichersten Wegs 954, 1026 Gründungsphase – Haftung 116 ff.

Haftung – Abdingbarkeit 650, 837 ff. – Abgabenordnung 630 ff. – Aktiengesellschaft 152 ff., 183 ff. – Akzessorietät 741 ff. – Altersteilzeit 590 ff. – Anfechtungssachverhalte 880 ff. – Aufsichtspflichtverletzung 606 f. – Aufsichtsrat 195 ff. – Bauabzugsteuer 720 ff. – Baugeld 584 ff. – Berater 936 ff. – Business Judgement Rule 160 f. – deliktische 489 ff. – Durchgriffshaftung 608 ff. – Eigeninteresse 481 ff. – Eigenverwaltung 642 – Einzelkaufmann 113 – Erlass durch Insolvenzplan 867 ff. – Erlass durch Vertrag 857 ff. – Existenzvernichtung 619 ff., 622 ff. – faktischer Geschäftsführer 635 – Finanzverwaltung 627 ff. – Geschäftsführer 631 ff. – Geschäftsführung 151 ff. – GmbH 156 – GmbH & Co. KG 157 ff. – Gründungsphase 116 ff.

– Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens 484 ff. – Innenhaftung 112 ff. – Insolvenzsicherung von Wertguthaben 590 ff. – Insolvenzverschleppung 499 ff. – Kapitalertragsteuer 719 – Kapitalgesellschaft 114 ff. – Kausalität 669 ff. – Kooperationsvertrag 601 – Lohnsteuer 662 ff. – Mantelgesellschaft 132 ff. – Massesicherungspflicht 300 ff. – negative Feststellungsklage 860 – Neugründung 135 f. – Rechtsverfolgungskosten 581 – Sanierungsversuch 598 – Schutzschirmverfahren 642 – Sicherungsnehmer 496 ff. – Steuerberater 1034 ff. – Steuern 627 ff. – Steuerschaden 667 ff. – strafrechtliche Verantwortlichkeit 1124 ff. – Subsidiarität 745 ff. – Umstellung des Geschäftsjahres 1102 ff. – Unterkapitalisierung 617 ff. – Unternehmensberater 1060 ff. – Unternehmenstätigkeit 150 ff. – Unternehmergesellschaft 473 f. – Vemögensvermischung 609 ff. – Verjährung 1115 ff. – Verschulden 391 ff. – Vorgesellschaft 118 ff. – Vorgründungsgesellschaft 117 – Vorratsgesellschaft 132 ff. – vorsätzliche sittenwidrige Schädigung 596 ff. – Vorstand 183 ff., 631 ff. – Wirtschaftsprüfer 1050 ff. – Zuweisung 490 ff.

233

Stichwortverzeichnis

Haftungsansprüche – Erlass 851 ff. – Insolvenzanfechtung 880 ff. Haftungsausschluss – Vertrag 843 Haftungskonzentration 755 ff. Handelndenhaftung 139 f., 148 ff. – Sozialversicherungsbeiträge 568

IDW – Standard Anforderungen an Sanierungskonzept 1074 ff. Inhabilität 90 ff., 1172 Innenhaftung 112 ff. – Durchgriffshaftung 608 ff. – Existenzvernichtung 622 ff. – Vermögensvermischung 609 ff. Insolvenz – Aktiengesellschaft 50 ff. – Berater 107 ff. – Eröffnung 80 ff. – Genossenschaft 501, 865 – GmbH 49 ff. – Personengesellschaften 60 ff. – Sicherung von Wertguthaben 590 ff. – Stiftung 47 Insolvenzanfechtung – Haftungsansprüche 880 ff. Insolvenzantrag – Abweisung mangels Masse 323 – Sozialversicherungsbeiträge 563 Insolvenzantrag – Abweisung mangels Masse 80 Insolvenzantragspflicht 69 ff., 505 ff., 1127 f. Insolvenzen – Statistik 32 ff. – Volkswirtschaft 36 ff. Insolvenzforderungen – Prozesskosten 1113 – Umsatzsteuer 1107 ff.

234

Insolvenzmasse 101 – Anfechtungssachverhalte 384 ff. – Bereicherung 388 – Leistungsfähigkeit 1145 Insolvenzrecht – Geschichte 3 ff. Insolvenzreife 500 ff. – Erkennbarkeit 392 ff. – Zahlungsunfähigkeit 305 ff. – Zahlungsverbot 300 ff., 442 Insolvenzstatistik 32 ff. – Bundesländer 34 – Rechtsformen 35 Insolvenzstraftaten 1124 ff. Insolvenzverschleppung 499 ff., 521, 1126 ff. – Altgläubigerschaden 514 ff. – Beraterhaftung 1004 ff. – Betrug 522 – Massekostenvorschuss 521 – Schaden 507 ff. – Sonderdelikt 1014 ff. – Täterschaft 1137 Insolvenzverschleppungsschaden 76 Insolvenzverwalter – Altgläubigerschaden 514 ff. – Einhaltung der Befriedigungsreihenfolge 1156 – Haftung 103 ff., 874 – Heldenmythos 100 – Persönlichkeit 106 – Pflichten 98 ff. – Sozialversicherungsbeiträge 1165 – Strafbarkeit 1143 ff. – strafrechtliche Verantwortlichkeit 385 – Unabhängigkeit 99 – Untreue 1152 ff. – Vergütung 1146

Kapitalaufbringung 145 Kapitalausstattung 619 Kapitalerhaltung 618, 624

Stichwortverzeichnis

Kapitalertragsteuer – Haftung 719 Kapitalgesellschaft – Firmenbestattung 773 – Trennungsprinzip 611 Kausalität – Adäquanztheorie 670 – Steuerhaftung 669 ff. Kick-Back-Geschäfte 212, 1154 Kommanditisten 62 Komplementär 62 f. Konkursordnung 3 ff. Kostendeckung – Firmenbestattung 773 Kreditgewährungsschaden 519 Kriegskasse 250 Krise 544 – Aktiengesellschaft 281 ff. – Berater 107 ff. – Erfolgskrise 25 f. – Früherkennung 217 – Liquiditätskrise 27 ff. – Pflichtverletzung 280 ff. – Produkt- und Absatzkrise 23 f. – Stakeholderkrise 16 f. – Strategiekrise 20 f. Krisenfrüherkennung 217, 277 Kurzarbeitergeld 237

Legalitätspflicht

228, 441 Liquidität – Sozialversicherungsbeiträge 558 Liquiditätsbilanz 308 Liquiditätskrise 27 ff. Lohnsteuer – Abführungspflicht 352 ff. – Haftung 662 f. Lugano-Übereinkommen 408, 780

Manipulation der Handelsbücher 1174 Mantelgesellschaft 132 ff.

Massesicherungspflicht 72 ff., 300 ff., 326 ff. – Anfechtungssachverhalte 382 ff. – internationale Zuständigkeit 407 – Lohnsteuer 350 – Rückgewähranspruch 389 – Sanierung 360 f. – Sozialversicherungsbeiträge 343 ff., 575 f. – Steuerschaden 678 – Umsatzsteuer 350 – Verjährung 399 – Vermeidung persönlicher Haftung 352 ff. – Vermeidung strafrechtlicher Verfolgung 343 ff. – Verschulden 390 ff. – Zahlungen an Gesellschafter 362 ff. – Zumutbarkeit 346 Masseverbindlichkeiten – Prozesskosten 1113 – Umsatzsteuer 1107 ff. Missverhältnis 249 Mitverschulden 959 ff. MoMiG 70

Neugläubiger

508 ff. – Beratungskosten 520 Neugründung 135 Nichtabführung Sozialversicherungsbeiträge 1160 Niederlassungsfreiheit 403

Passivlegitimation – Schadensersatzanspruch 181 ff. Personengesellschaften – Insolvenz 60 ff. – Sanierung 419 ff. Pfandrecht – Steuerhaftung 733 f. Pflichtverletzung 225 – Aktiengesellschaft 210 ff.

235

Stichwortverzeichnis

– – – –

D&O-Versicherung 904 Gesellschafterbeschluss 855 f. Kausalität 989 Sozialversicherungsbeiträge 574 ff. – Steuern 647 ff. – Steuerschaden 677 – vor Vertragsschluss 478 ff. Plausibilität von Beratungsergebnissen 802 – Überprüfung 826 ff. Produkt- und Absatzkrise 23 f. Provision 266 Prozesskosten – Insolvenzforderungen 1113 – Masseverbindlichkeiten 1113

Rangrücktrittserklärung – Prüfung Steuerberater 1043 Rechtsanwalt – Belehrung des Mandanten 1031 – Beraterhaftung 1026 ff. – Hinweis Insolvenzreife 1030 – Reichweite des Mandats 1029 Rechtsformmissbrauch – Durchgriffshaftung 608 ff. Rechtsformzusatz – Fortlassen 469 f. Rechtsscheinhaftung 463 ff. – Ausfallhaftung 471 Rechtsstreitigkeiten – Kosten 1114 – Unterbrechung 1111 Rechtsverfolgungskosten – Haftung 581 Reichsjustizgesetze 7 Ressortverteilung 505 Risikomanagementsystem 233 ff.

Sachhaftung

732 ff. – Akzessorietät 739 – Rechtsmittel 740 Sanierung 360 f., 418 ff. – Sanierungsbeauftragter 561

236

Sanierungsbeauftragter – Haftung 561 Sanierungsberatung – Gegenstand 1078 ff. Sanierungskonzept 1080 – Auftragsgegenstand 1077 ff. – Bestandteile 1075 ff. – Durchführbarkeit 1081 f. – Insolvenzverschleppung 1136 – Mängel 1084 ff. Sanierungsversuch 1079 ff. – Haftung 598 Säumniszuschläge 545 ff. Schaden – Neugläubiger 508 ff. Schaden – Altgläubiger 508 ff. Schaden – Differenzhypothese 1044 Schadensersatzanspruch – Aktiengesellschaft 163 ff. – Aktivlegitimation 162 ff. – Bankrott 534 ff. – D&O-Versicherung 888 ff. – Eingehungsbetrug 523 ff. – GmbH 167 ff. – Passivlegitimation 181 ff. – Säumniszuschläge 546 ff. – Verlustanzeigepflicht 289 – Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen 538 ff. Schmiergeldannahme 212, 266 Schuldbeitritt 456 ff. Schutzschirmverfahren – Haftung 642 Selbstbehalt – D&O-Versicherung 893 ff., 910 ff. Selbstprüfungspflicht 276 Sicherungsmaßnahmen – Haftung 644 – Sozialversicherungsbeiträge 564 f. Sitzverlegung – Firmenbestattung 769 ff.

Stichwortverzeichnis

Sozialadäquanz 244 Sozialversicherungsbeiträge – Abführungspflicht 343 ff., 352 ff. – Anfechtungssachverhalte 578 – faktischer Geschäftsführer 565 – Fälligkeit 570 – Massesicherungspflicht 575 f. – Pflichtverletzung 574 ff. – Stundung 573 – Tilgung 558 – Tilgungsbestimmung 554 f. – Verjährung 582 f. – Vorenthalten 538 ff. Spekulationsgeschäfte 212 Spenden 244 ff. Sponsoring 248 ff. Stakeholderkrise 16 f. Steuerberater – Aufstellung Steuerbilanz 1042 – Dauermandat 1038 ff. – Haftung 1034 ff. – Hinweispflichten 1048 – Prüfung Fortbestehensprognose 1047 – Prüfung Insolvenzreife 1039, 1048 – Prüfung Rangrücktrittserklärung 1043 – Überschuldungsprüfung 1039 f. – unrichtige Angaben 1041 Steuerhaftung 627 ff. – Akzessorietät 741 ff. – Anfechtungssachverhalte 671 – Bauabzugsteuer 720 ff. – Biersteuer 735 ff. – Eigentümer 694 ff. – Eigenverwaltung 642 – Einkommensteuergesetz 717 ff. – Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz 727 ff. – Grundsatz der anteiligen Tilgung 659 ff. – Hinterziehungszinsen 692

– – – – – – – – – – – –

Höhe der Haftung 680 Pfandrecht 733 f. Sachen 732 ff. Schaden 664 ff. Schutzschirmverfahren 642 Steuerhehler 681 ff. Steuerhinterzieher 681 ff. Subsidiarität 745 ff. Übernehmer 706 ff. Umsatzsteuer 724 Unternehmenskauf 714 Verhältnis Gesellschafterhaftung 749 ff. – Verschulden 672 ff. – Versicherungsteuergesetz 725 ff. Steuerhehler – Haftung 681 ff. Steuerhinterzieher – Haftung 681 ff. Steuerhinterziehung 1181 Steuern – Beratung 641 – Haftung 627 ff. – Pflichtverletzung 647 ff. Steuerschaden – Massesicherungspflicht 678 Steuerschuldverhältnis 648 Stiftung 47 stille Reserven 320 Strafbarkeit – Insolvenzverwalter 1143 ff. – Organe 1140 ff. Strategiekrise 20 f. Subsidiarität – Steuerhaftung 745 ff.

Trennungsprinzip 611, 621 Treuwidrigkeit 266 Überlebensfähigkeit – Prognose 1088 Übernehmer – Steuerhaftung 706 ff. Überschuldung 314 ff.

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Stichwortverzeichnis

– bilanzielle 317 – Fortführungsprognose 314 ff. – Handelsbilanz 319 – rechnerische 316 – stille Reserven 320 Überschuldungsstatus 318 Überwachungspflicht 440 ff., 544 Überwachungssystem – Aktiengesellschaft 216 Umsatzsteuer – Abführungspflicht 352 ff. – Grundsatz der anteiligen Tilgung 661 – Haftung 724, 1107 ff. – Insolvenzforderungen 1107 ff. – Masseverbindlichkeiten 1107 ff. Umstellung des Geschäftsjahres – Haftung 1102 ff. Unterbilanzhaftung 125 ff. Unterkapitalisierung – Haftung 617 ff. Unternehmensberater – faktischer Geschäftsführer 1087 – Haftung 1060 ff., 1084 ff. Unternehmensführung 529 Unternehmenskauf – Steuerhaftung 714 Unternehmergesellschaft – Fortlassen Rechtsformzusatz 473 f. – Haftung 473 f. Untreue 247, 1147 ff. – Schadensersatzanspruch 527 ff. – Treubruchstatbestand 252 Urkundenfälschung 1179

Verein

44 ff. Vergleich – Zustimmung Hauptversammlung 413 ff. Vergleichsordnung 9 f. Vergütung 240 Verjährung – Beginn 398

238

– Beraterhaftung 1115 ff. – Erstattungsanspruch 395 ff. – Sozialversicherungsbeiträge 582 f. Verlustanzeigepflicht 68 – Aktiengesellschaft 282 – Feststellung des Verlustes 286 – GmbH 292 ff. – Insolvenz 288 – öffentliches Interesse 291 – Sanktionen 289 Vermieter – Altgläubiger 517 f. Vermögensabgrenzung 614 Vermögensbetreuungspflicht 530 Vermögensvermischung – Haftung 609 ff. Vermögenverschiebung 363 Versicherung 887 ff. Versicherung an Eides statt 1179 Versicherungsteuer – Haftung 725 ff. Verstrickungs- und Siegelbruch 1179 Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter 970 ff. Vertragshaftung 452 ff. Vertrauenshaftung 462 ff. – Rechtsscheinhaftung 463 ff. Vertrauensschaden – Neugläubiger 510 ff. Volkswirtschaft 36 ff. Vollstreckungsvereitelung 1179 Vorgesellschaft – Haftung 118 ff. Vorgründungsgesellschaft – Haftung 117 Vorratsgesellschaft 132 ff. – Aktivierung 144 Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung – Wirtschaftsprüfer 1058, 1069 Vorstand – faktischer 189 ff. – Haftung 183 ff.

Stichwortverzeichnis

– Inhabilität 90 ff. – Vermögensverfall 212 – Wettbewerbsverbot 213 ff.

Warenkredit 236 Warn- und Hinweispflicht 109 f. Waschkorblage 613 Wettbewerbsverbot 213, 258 ff. – Begrenzung 262 Wirtschaftsprüfer – Berichtspflicht 1061 ff. – Erkennen einer Bilanzfälschung 1053 – Erkennen Insolvenzgefahr 1062 – Haftung 1050 ff. – Prüfung Insolvenzreife 1059 ff. – Schadensersatzanspruch 1051 ff.

– Verletzung Aufklärungspflicht 1057 – vorsätzliche sittenwidrige Schädigung 1058

Zahlung – Begriff 326 ff. – Masseschmälerung 330 – Nachteilsabwendung 358 ff. – privilegierte 341 ff. Zahlungseinstellung 306 ff. Zahlungsunfähigkeit 305 ff. – Ermittlung 308 ff., 369 ff. – Herbeiführung 562 – wirtschaftskriminalistische Methode 313 Zahlungsverbot 300 ff.

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