Patientenpflichten und -lasten: Eine rechtsdogmatische und systematische Untersuchung zur Mitwirkungsverantwortung eines Patienten im Rahmen der medizinischen Behandlung [1 ed.] 9783428526215, 9783428126217

Die Patientenmitwirkung im Rahmen einer medizinischen Behandlung ist gegenwärtig äußerst aktuell, wie vor allem die Gesu

160 63 1MB

German Pages 412 [413] Year 2008

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Patientenpflichten und -lasten: Eine rechtsdogmatische und systematische Untersuchung zur Mitwirkungsverantwortung eines Patienten im Rahmen der medizinischen Behandlung [1 ed.]
 9783428526215, 9783428126217

Citation preview

Schriften zum Gesundheitsrecht Band 9

Patientenpflichten und -lasten Von Kathrin Engst

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

KATHRIN ENGST

Patientenpflichten und -lasten

Schriften zum Gesundheitsrecht Band 9 Herausgegeben von Professor Dr. Helge Sodan, Freie Universität Berlin, Direktor des Deutschen Instituts für Gesundheitsrecht (DIGR), Präsident des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin a.D.

Patientenpflichten und -lasten Eine rechtsdogmatische und systematische Untersuchung zur Mitwirkungsverantwortung eines Patienten im Rahmen der medizinischen Behandlung

Von Kathrin Engst

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristenfakultät der Universität Leipzig hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-1385 ISBN 978-3-428-12621-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Im Gedenken an Janko von der Ponte-Nova

„... (the physician) should keep aware of the fact that patients often lie when they state that they have taken certain medicine.“ „… sie nehmen die verhaßten Heiltränke, weder Arzneien noch andere der Behandlung dienende Mittel, nicht ein und sterben. Und solch Geschehnis wird dann dem Arzt in die Schuhe geschoben.“ Hippokrates, Über den Anstand zitiert nach Lasagna, Fault and default, The new England journal of medicine 289 (1973), S. 267 f. sowie Meyer/ Steinegg-Schonack, Über Aufgaben und Pflichten des Arztes in der Anzahl auserlesener Stellen aus dem Corpus Hippocratium, Kapitel 14, S. 22.

Vorwort

Diese Arbeit wurde im Wintersemester 2005/06 der Juristenfakultät der Universität Leipzig als Dissertation vorgelegt und im Sommersemester 2007 erfolgreich verteidigt. Ich freue mich, dass damit auch ein Lebensabschnitt beendet wurde. Ohne Unterstützung von vielfältiger Seite wäre dies jedoch nicht möglich gewesen. So geht ein herzlicher Dank zunächst an meinen Doktorvater Prof. Dr. Kern, der nicht nur das Thema angeregt, sondern die Bearbeitung ebenso kritisch wie wohlwollend betreut hat. Das Zweitgutachten erstellte Prof. Dr. Becker-Eberhard. Ihm sei gleichermaßen gedankt wie Prof. Dr. Fischer, der als Drittgutachter tätig wurde und dessen Hinweise äußerst anregend waren. Für die freundliche Aufnahme der Arbeit in die Reihe zum Gesundheitsrecht danke ich sehr Prof. Dr. Sodan. Die zeitweise Gewährung eines Promotionsstipendiums durch die Graduiertenkommission der Universität Leipzig hat insbesondere die zügige Fertigstellung der Arbeit sichergestellt. Ferner möchte ich an dieser Stelle nochmals allen weiteren Beteiligten, die meine Promotion begleitet und unterstützt haben, danken. Dies gilt vor allem für meine Eltern, Gisela und Gerhard Grosch, die meine Entwicklung und Ausbildung im besonderen Maße gefördert haben. Nicht zuletzt möchte ich Heiko Heerklotz, der meine Arbeit stets mit Interesse verfolgte und durch sein Verständnis den nötigen zeitlichen Freiraum geschaffen hat, separat danken.

August 2007

Kathrin Engst

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1

Erster Teil Mitwirkungsverantwortung des Patienten gegenüber dem behandelnden (Zahn)Arzt und Krankenversicherer

4

1. Kapitel Grundzüge des Krankenversicherungsrechts

6

A. Gesetzliche Krankenversicherung ..…...………….………………………...….

7

B. Private Krankenversicherung ……...…….………..……………………………

10

C. Vergleichende Zusammenfassung ......…….………...…………………………

12

2. Kapitel Pflichten und Lasten des Privat- und Kassenpatienten gegenüber dem (Zahn)Arzt

13

A. Gegenwärtiger Meinungsstand und eigene Stellungnahme …..…….................

14

I. Systematisierung nach der Rechtsnatur der Patientenmitwirkung …..…….

14

1. Mitwirkungsverantwortung als vertragliche Nebenpflicht ……..……..

15

2. Mitwirkungsverantwortung als Obliegenheit ……..………..………….

17

3. Stellungnahme ……….………………………..………….……………

18

II. Patientenmitwirkung als Compliance und Non-Compliance ……...……....

19

III. Fortgang der Untersuchung ……………………………..…………………

22

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung ………..…...………..

24

I. Privatrechtlicher Behandlungsvertrag beim Privatpatienten .........………..

26

1. Behandlungsvertrag als Schuldverhältnis …….........…………...…….

27

XII

Inhaltsverzeichnis a) Rechtliche Einordnung des Behandlungsvertrages …………....….

28

b) Abschluss des Behandlungsvertrages ……………………………..

29

c) Inhalt des Behandlungsvertrages unter Maßgabe des Patientenselbstbestimmungsrechts ………………………………..

32

d) Beendigung des Behandlungsvertrages .…………………………..

34

2. Einfluss der Krankenversicherung auf das (Zahn)ArztPatienten-Verhältnis …………………………………………………..

34

II. Rechtsverhältnis zwischen Vertrags(zahn)arzt und Kassenpatient ……….

35

1. Qualifizierung als öffentlich-rechtliches Versorgungsverhältnis ……..

38

a) Darstellung der Meinung ………………………………………….

39

b) Kritik ……………………………………………………………...

40

c) Spezielle Ansätze zur Qualifizierung des Rechtsverhältnisses …...

40

aa) Haftungsrechtliche Gleichstellung und Kritik .………………..

41

bb) Gesetzliches Sorgfaltspflichtverhältnis und Kritik …………...

42

cc) Öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehung und Kritik …………...

43

2. Zuordnung als privatrechtliches Vertragsverhältnis ………….……….

44

a) Argumentationslinie ………………………………………………

45

b) Kritik ……………………………………………………………...

46

3. Zweck und Inhalt eines eigenen Lösungsversuches ……..………..…..

47

III. Zwischenergebnis ………………………………………………………….

53

IV. Dogmatik der Pflichten und Lasten im Behandlungsverhältnis …………..

54

1. Rechtspflichten und Obliegenheiten .………………………………….

55

a) Terminologie ………………………………………………………

55

b) Dogmatische Unterscheidung ……………………………………..

58

aa) Obliegenheiten als Teil oder Gegensatz der Rechtspflichten ...

58

(1) Obliegenheiten als Rechtspflicht …………………………

59

(2) Obliegenheiten als eigene rechtliche Kategorie …………..

61

(3) Vermittelnde Ansichten …………………………………..

62

bb) Abgrenzung der Obliegenheit von der Rechtspflicht ……...…

62

2. Eigener Ansatz: Pflichten und Lasten im zivilrechtlichen Schuldverhältnis ………………....……………………………………

64

a) Unterscheidung zwischen Pflichten und Lasten ………………….

64

b) Ableitung der Pflichten und Lasten ………………….……………

68

3. Übertragung der Dogmatik auf das Behandlungsverhältnis …………..

69

a) Pflichten, Lasten und Gebote im eigenen Interesse ………………

69

Inhaltsverzeichnis

XIII

b) Ableitung der Patientenpflichten und -lasten ………….………….

72

c) Rechtsfolgen bei der Missachtung von Pflichten und Lasten durch den Patienten …….……………...………………………….

73

V. Mitwirkungserfordernisse des Privatpatienten ……………….…………...

75

1. Wahrnehmung eines vereinbarten Behandlungstermins ……...………

76

a) Erscheinen zum vereinbarten Behandlungstermin …………….….

78

aa) Darstellung der Meinungen in der Literatur ………….……….

79

(1) Unmöglichkeit der Behandlung bei Terminsäumnis ……..

79

(2) Honoraranspruch nach § 615 Satz 1 BGB ………………..

81

(a) Annahmeverzug des Patienten iSd §§ 293 ff. BGB ….

82

(b) Grenze: Kündigungsrecht des Patienten ………….…..

84

(3) Rechtsfolge von § 615 BGB ……………………………...

88

bb) Darstellung der Rechtsprechung ……………………………...

89

(1) Fälle der Klageabweisung ………………………………...

89

(2) Fälle einer stattgegebenen Klage …………………………

94

cc) Rechtsnatur der Patientenmitwirkung ………….……………..

98

dd) Eigene Sichtweise …………………………………………….

99

(1) Patientenpflicht oder -last ………………………………... 100 (2) Rechtsfolge der Nichtwahrnehmung eines Behandlungstermins ……………………………………… 102 (3) Zwischenergebnis ………………….……………………... 105 b) Pünktliches Erscheinen zum Behandlungstermin ………………... 106 2. Vermeidung von Schädigungen im Rahmen des Aufsuchens einer (Zahn)Arztpraxis bzw. beim ärztlichen Hausbesuch ………...… 108 3. Informationen und Hinweise durch den Patienten in den Stadien der Diagnostik und Therapie ………………………...……… 109 a) Rechtsnatur der Patientenmitwirkung ……………………………. 110 aa) Ansichten von Lehre und Rechtsprechung …………………... 110 (1) Vertragliche Auskunfts- und Aufklärungspflicht des Patienten ………………………………………….….. 110 (2) Mitteilungsobliegenheit des Patienten ………………...… 113 bb) Eigene Positionierung ……………...………………………… 113 b) Mitteilungsumfang während einzelner Behandlungsstadien …...… 117 aa) Patientenlasten während der Anamnese …………...………… 117

XIV

Inhaltsverzeichnis bb) Patientenpflichten und -lasten im Zuge von Behandlungsmaßnahmen …………...………………………………..…….. 120 4. Mitwirkung an der Behandlungskonkretisierung …………………….. 121 a) Mitwirkung bei der Aufklärung ………………………………….. 123 b) Festlegung des (zahn)ärztlichen Vorgehens …………...………… 125 5. Duldung medizinisch indizierter Behandlungsmaßnahmen ………….. 126 6. Kooperation bei der Behandlungsdurchführung ………...…………… 129 a) Schaffung der Behandlungsvoraussetzungen …………………….. 129 aa) Rechtliche Vorbedingung: Einwilligung …………………….. 129 (1) Erteilung einer Einwilligung …………………………….. 130 (2) Widerruf der Einwilligung ……………………………….. 132 bb) Faktische Voraussetzungen ………………………………….. 134 b) Aktivmitarbeit während der Behandlung ………………………… 134 aa) Allgemeine Erwägungen …….……………………………….. 136 bb) Verordnung von Medikamenten ……………………………... 140 (1) Medikamenteneinnahme …………………………………. 140 (2) Beachtung der Packungsbeilage ………………………….. 142 cc) Einhalten von Kontrollkonsultationen zur Weiterbehandlung .. 146 dd) Beachtung (zahn)ärztlicher Anordnungen …………………… 151 7. Zahlung des (zahn)ärztlichen Honorars …………...…………………. 154

VI. Mitwirkungserfordernisse des Kassenpatienten ………….………………. 156 1. Vorlage der Krankenversicherungskarte ……………...……………… 157 a) Versäumte Aushändigung der Krankenversicherungskarte ….…... 158 b) Vorlage der Versichertenkarte trotz Nichtberechtigung …………. 159 2. Zahlung der Praxisgebühr …………………………………………….. 160 3. Wahrnehmung eines vereinbarten Behandlungstermins ……………… 162 a) Erscheinen zur vereinbarten Zeit …………………………………. 162 aa) Meinungsstand von Lehre und Rechtsprechung ……………... 163 bb) Eigene Sichtweise ………………………...…………………. 164 b) Verspätetes Erscheinen zum Behandlungstermin ………...……… 165 4. Vermeidung von Schädigungen im Rahmen des Aufsuchens einer Vertrags(zahn)arztpraxis bzw. beim Hausbesuch ….………...… 166 5. Hinweise und Informationen durch den Kassenpatienten ……………. 166 6. Aktivkooperation im Rahmen der Behandlungsdurchführung ……...... 169

Inhaltsverzeichnis

XV

a) Schaffung ihrer Voraussetzungen ………………………………... 169 aa) Rechtliche Vorbedingung: Einwilligung ……………...……... 170 (1) Mitwirkung an der eigenen Aufklärung ………………….. 170 (2) Erteilung und Widerruf einer Einwilligung ……………… 171 bb) Faktische Voraussetzungen …………………………………... 172 b) Aktive Unterstützung der Behandlungsmaßnahmen ……………... 172 7. Beitrag zur Wahrung des Wirtschaftlichkeitsgebotes und Einhaltung des vertrags(zahn)ärztlichen Budgetlimits ……………….. 173 8. Honorarzahlung ………………………………………………………. 175 VII. Vergleichende Zusammenfassung …………………..…………………….. 176 C. Patientenmitwirkung infolge eines (zahn)ärztlichen Behandlungsfehlers …… 182 I. Rechtsgrundlage …………………………………..………………………. 182 II. Mitwirkungspflichten und -lasten ……………..…………………………. 184 1. Anwendung von Diskretion ………………..………………………… 184 2. Maßnahmen der Schadensabwendung bzw. -minderung …………...… 185 a) Sofortige Mitteilung der Beschwerden …………………...……… 187 b) (Zahn)Ärztliche Nachbehandlung …………………..……………. 187 aa) Durchführung und Aktivkooperation ……………..…………. 187 (1) Kasuistik zumutbarer und unzumutbarer Behandlungsmaßnahmen ……………………..………….. 191 (2) Duldung einer Operation …………………..…………….. 193 (3) Sonderfall: Unerwünschter Nachwuchs ……………..…... 194 bb) Beachtung der Kostenüblichkeit ………………..……………. 198 c) Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit ……………..…………... 199 d) Durchführung eines Schlichtungsverfahrens vor Klageerhebung ... 201 D. Patientenmitwirkung im Rahmen eines Arzthaftungsprozesses ………………. 202 I. Rechtsgrundlage ….……………………………..………………………… 202 II. Mitwirkungslasten ………………………………..………………………. 203 1. Darlegungs- und Beweislast ………………..………………………… 203 2. Entbindung von der Schweigepflicht ……………..………………….. 205 3. Billigung einer medizinischen Untersuchung als Grundlage für ein Sachverständigengutachten ………………...……... 207 E. Zwischenergebnis und Kodifikationsüberlegungen ……………………...…… 208

XVI

Inhaltsverzeichnis 3. Kapitel

Pflichten und Lasten des privat- und sozialversicherten Patienten gegenüber dem Krankenversicherer im Kontext eines Versicherungsfalles 216 A. Teilhabeverantwortung des privatversicherten Patienten .………………….… 217 I. Dogmatik der Pflichten und Lasten im zivilrechtlichen Versicherungsverhältnis ……………….……………….………………… 218 1. Terminologische und dogmatische Ausdifferenzierung ……………… 219 a) Primäre Risikobeschreibungen und sekundäre Risikobeschränkungen ……………………………….…………… 219 aa) Abgrenzung zwischen primärer Risikobeschreibung und sekundärer Risikobeschränkung …………………………. 220 bb) Abgrenzung innerhalb sekundärer Risikobeschränkungen ….. 220 (1) Ausschlusstheorie einschließlich ihrer Modifizierungen und Kritik ……………………………… 221 (2) Verhaltenstheorie einschließlich ihrer Modifizierungen und Kritik ……………………………… 223 (3) Eigene Stellungnahme ……………………………………. 225 b) Erfassung der primären Risikobeschreibungen und sekundären Risikobeschränkungen als Pflichten und Lasten ..………………... 226 2. Ableitung der Pflichten und Lasten …………………………………... 228 3. Rechtsfolgen der Lastenmissachtung durch den Versicherten ……….. 229 II. Mitwirkungserfordernisse des Versicherten ……………………………… 231 1. Vermeidung einer Erkrankung ……………………………………….. 231 a) Gesundheitsbewusste Lebensführung ……………………………. 231 b) Verwirklichung eines Krankheitsfalles …………………………... 233 aa) Nichtabwehr einer drohenden Erkrankung …………………... 233 bb) Vorsätzliche Krankheitsherbeiführung ………………………. 234 cc) Genesungsvereitelung ………………………………………… 236 2. Einschaltung eines (Zahn)Arztes ……………………………………... 237 3. Förderung der Aufklärung zugunsten des Versicherers ……………… 239 a) Anzeigenotwendigkeiten ……….………………………………… 239 aa) Krankenhausbehandlung .…………………...………………... 240 bb) Arbeitsunfähigkeit .……………………...……………………. 240 b) Auskunftserteilung ….…………………………………………….. 242 c) Billigung und Mitwirkung an Untersuchungen …….…………….. 244

Inhaltsverzeichnis

XVII

4. Mitwirkung an der Genesung ……….….…………...………………… 246 a) Teilhabe an der Behandlung ……………………………...……… 246 b) Nichtausübung der beruflichen Tätigkeit …….……………...…… 249 5. Vermeidung von Kostenexzessen ….….………………...……………. 250 III. Zwischenergebnis …………….…………………………………………… 253 B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten …………………….... 256 I. Dogmatik der Pflichten und Lasten im Sozialversicherungsverhältnis …… 257 1. Rechtsnatur des Sozialversicherungsverhältnisses …………………… 258 2. Terminologische und dogmatische Differenzierung zwischen Pflichten und Lasten ……………….……………………….. 259 3. Rechtsgrund der Pflichten und Lasten ….…………………………….. 263 a) Vorbehalt des Gesetzes für Pflichten und Lasten ….……...……… 264 b) Einzelne verhaltensbezogene Normierungen ….……….…………. 265 aa) § 1 Satz 2 SGB V ………………….………………………….. 266 bb) §§ 60 ff. SGB I …………….………………………………….. 267 4. Rechtsfolgen der Lastenmissachtung durch den Versicherten ……….. 269 II. Mitwirkungserfordernisse des Versicherten ……………………………… 270 1. Vermeidung einer Erkrankung ….…………………………………….. 270 a) Gesundheitsbewusste Lebensführung ….……………...…………. 270 aa) Programmatischer Aufruf …….………………...……………. 271 bb) Sonderfall: Zahnpflege und -prophylaxe …………………….. 273 b) Verwirklichung eines Krankheitsfalles ………...…………………. 274 aa) Abwehr einer drohenden Erkrankung ….………...…………... 275 bb) Vorsätzliche Krankheitszuziehung ………………...………… 275 cc) Verzögerung der Genesung ….…………………...…………... 281 2. Einschaltung eines Vertrags(zahn)arztes ….………...………………... 282 a) Hinzuziehung eines Mediziners ………………………………….. 282 b) Konsultation eines Vertrags(zahn)arztes ……………...…………. 283 c) Vorlage der Krankenversichertenkarte …….…………...………… 285 d) Zahlung der Praxisgebühr ….……………………...……………… 285 3. Aufklärungsbeförderung zugunsten der Krankenkasse ………....……. 287 a) Auskunftserteilung …….……………...…………………………... 288 aa) Allgemeine Erwägungen …………....………………………... 288

XVIII

Inhaltsverzeichnis bb) Sonderfall: Meldung der Arbeitsunfähigkeit ….……………… 289 cc) Sonderfall: Benennung eines Drittschädigers …………....…... 290 b) Billigung und Mitwirkung an einer Untersuchung ………………. 291 aa) Feststellung der Arbeitsunfähigkeit …………………………... 292 bb) Vertrauens(zahn)ärztliche Begutachtung …………………….. 292 4. Therapieverantwortung des sozialversicherten Patienten ….…………. 296 a) Allgemeine Erwägungen …….…………………………...……….. 296 aa) Behandlungsteilhabe iSd §§ 63; 65; 66 SGB I …………...….. 296 bb) Behandlungsteilhabe aufgrund von § 27 SGB V ….………..... 299 b) Sonderfälle ………………………………………………………... 300 aa) Kieferorthopädische Behandlung …………………………….. 300 bb) Ausstattung mit Hilfsmitteln …………....……………………. 301 5. Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes ….………………...……… 301 a) Sparsamer Ressourceneinsatz ….…………………...……………. 302 b) Kein unbegründeter (Zahn)Arztwechsel im Quartal ……………... 304 c) Wahl eines Hausarztes ….……………………...………………… 304 6. Antrag auf Rehabilitation oder Rente …………………....…………… 305

III. Zwischenergebnis ………………………….……………………………… 306 C. Vergleichende Zusammenfassung ………….…………………………………. 310 Zweiter Teil Mitwirkungsverantwortung des kranken Arbeitnehmers

315

A. Rechtsgrundlage ……….……...……………………………………………….. 315 B. Arbeitsrechtliche Pflichten und Lasten eines berufstätigen Patienten ………... 317 I. Vermeidung einer schuldhaften Krankheitszuziehung ……………..…..… 317 II. Anzeige und Nachweis der Arbeitsunfähigkeit …….……………..………. 321 1. Krankmeldung ……….……………………………..…………………. 321 2. Einreichen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ……..….……..…... 323 III. Kontrolluntersuchung ……………………………..……………………… 325 IV. Gesundheitsförderliches bzw. krankheitsgemäßes Verhalten …………..… 326 V. Rückmeldung nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ……………... 331

Inhaltsverzeichnis

XIX

Dritter Teil Medizinisch relevante Mitwirkungsverantwortung des Patienten im Zuge öffentlich-rechtlicher Zwangsmaßnahmen

333

A. Hoheitliche Medizinertätigkeit …………………...…………………………… 334 B. Ausgewählte Duldungspflichten ….…………………...……………………… 334 I. Öffentlich-rechtliche Gesundheitssorge …………………...……………… 334 1. Zwangsmaßnahmen nach dem IfSG …………………..……………… 334 a) Impflicht ………………………………………..………………… 335 b) Vorgehen zur Eindämmung übertragbarer Krankheiten …………. 336 2. Heilbehandlung untergebrachter psychisch Kranker ..………………... 338 II. Strafprozessuale Duldungspflichten ……………………………..……….. 340 1. Zwangsuntersuchung eines Beschuldigten ….….………….…………. 340 2. Zwangsuntersuchung von Zeugen ………………..…………………... 341 III. Musterung eines Wehrpflichtigen …………………………..…………….. 341 Vierter Teil Untersuchungsergebnisse

343

Literaturverzeichnis …….……..………………………………………………… 353 Sachwortverzeichnis ……....…………………….……………………………….. 385

Abkürzungsverzeichnis a.A.

andere Ansicht

Abs.

Absatz

AcP

Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift)

AGBG

Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen

AG

Amtsgericht

ÄM

Ärztliche Mitteilungen (ab 1964 Deutsches Ärzteblatt)

AHR

Arzthaftungsrecht – Sammlung von Entscheidungen, hrsg. von Ernst Ankermann/ Hans Josef Kullmann, Loseblattsammlung: 23. Aktualisierungslieferung vom September 2000)

AHRS I

Arzthaftpflicht-Rechtsprechung: Ergänzbare Rechtsprechungssammlung zur gesamten Arzthaftpflicht – Teil I (Entscheidungen von 1949-1992), hrsg. von Ernst Ankermann/ Hans Josef Kullmann, Loseblattsammlung

AHRS II

Arzthaftpflicht-Rechtsprechung: Ergänzbare Rechtssprechungssammlung zur gesamten Arzthaftpflicht – Teil II (Entscheidungen ab 1. Januar 1993), hrsg. von Hans Josef Kullmann, Loseblattsammlung: Stand Juni 2000

AiB

Arbeitsrecht im Betrieb (Zeitschrift)

AIDS

Acquired Immune Deficiency Syndrome

AIFO

Aids-Forschung (Zeitschrift)

AiK

Der Arzt im Krankenhaus (Zeitschrift)

AM RVA

Amtliche Mitteilungen des Reichsversicherungsamtes

ana

analog

Anm.

Anmerkung

AnwBl

Anwaltsblatt (Zeitschrift)

ArbG

Arbeitsgericht

ARSt

Arbeitsrecht in Stichworten (Zeitschrift)

ArbVers

Die Arbeitversorgung (Zeitschrift)

Art.

Artikel

Abkürzungsverzeichnis

XXI

ArztR

Arztrecht (Zeitschrift)

ASiG

Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitsicherheit

AuA

Arbeit und Arbeitsrecht (Zeitschrift)

Aufl.

Auflage

AuP

Arzt und Patient, Zeitschrift für Zusammenarbeit (Zeitschrift)

AuR

Arbeit und Recht (Zeitschrift)

AusR

Arzt und sein Recht (Zeitschrift)

AVB

Allgemeine Versicherungsbedingungen

Az.

Aktenzeichen

BABl

Bundesarbeitsblatt (Zeitschrift)

BAG

Bundesarbeitsgericht

BB

Betriebs-Berater (Zeitschrift)

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl

Bundesgesetzblatt

BG

Die Berufsgenossenschaft (Zeitschrift)

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (Amtliche Sammlung)

BKK

Die Betriebskrankenkasse (Zeitschrift)

BlStSozArbR

Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht (Zeitschrift)

BMV-Ä

Bundesmantelvertrag Ärzte

BMV-Z

Bundesmantelvertrag Zahnärzte

b+p

betrieb + personal (Zeitschrift)

BR-Drucks.

Bundesratsdrucksache

Breithaupt

Sammlung von Entscheidungen aus dem Sozialrecht

BSG

Bundessozialgericht

BSGE

Entscheidungssammlung des Bundessozialgerichts

BT-Drucks.

Bundestagsdrucksache

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts

DÄBl

Deutsches Ärzteblatt (Zeitschrift)

DAZ

Deutsche Apotheker Zeitung (Zeitschrift)

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

XXII

Abkürzungsverzeichnis

DL

Die Leistungen (Zeitschrift)

DMW

Deutsche Medizinische Wochenschrift (Zeitschrift)

DOK

Die Ortskrankenkasse (Zeitschrift)

EEK

Entscheidungssammlung zur Entgeltfortzahlung an Arbeiter und Angestellte bei Krankheit, Kur und andere Arbeitsverhinderungen, hrsg. von Sabel, Hans-Jürgen, Loseblatt

EFZG

Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz)

et al.

et altera/ alteri

EuM RVA

Entscheidungen und Mitteilungen des Reichsversicherungsamtes

f.

folgende (Seite oder Paragraph)

ff.

fortfolgend

FamRZ

Zeitschrift für das gesamte Familienrecht

FArzt

Frauenarzt (Zeitschrift)

Fn.

Fußnote(n)

GesR

Gesundheitsrecht (Zeitschrift)

GesW

Das öffentliche Gesundheitswesen (Zeitschrift)

GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

G+G

Gesundheit und Gesellschaft (Zeitschrift)

GOÄ

Gebührenordnung Ärzte

GOZ

Gebührenordnung Zahnärzte

Hrsg., hrsg.

Herausgeber, herausgegeben

IfSG

Infektionsschutzgesetz

iSd

im Sinne des

iVm

in Verbindung mit

JAMA

Journal of the american Medical Association (Zeitschrift)

JGIM

Journal of general internal medicine (Zeitschrift)

JR

Juristische Rundschau (Zeitschrift)

JuS

Juristische Schulung (Zeitschrift)

JZ

Juristen-Zeitung (Zeitschrift)

KrV

Die Krankenversicherung (Zeitschrift)

KVG

Krankenversicherungsgesetz

LAG

Landesarbeitsgericht

LG

Landgericht

Abkürzungsverzeichnis

XXIII

LSG

Landessozialgericht

LZ

Leipziger Zeitschrift für deutsches Recht (Zeitschrift)

MB-KK

Musterbedingungen des Verbandes der privaten Krankenversicherung für die Krankheitskostenversicherung

MB-KT

Musterbedingungen des Verbandes der privaten Krankenversicherung für die Krankentagegeldversicherung

MBO

Musterberufsordnung für deutsche Ärzte

MC

Managed Care (Zeitschrift)

MDK

Medizinischer Dienst der Krankenkassen

MDR

Monatszeitschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift)

m.E.

meines Erachtens

MedKlin

Medizinische Klinik (Zeitschrift)

MedR

Medizinrecht (Zeitschrift)

Mtlg. LVA OMF

Mitteilungen der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken (Zeitschrift)

MüKo

Münchener Kommentar

Nejom

The new England journal of medicine (Zeitschrift)

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

NJW-RR

Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport (Zeitschrift)

Nr.

Nummer

n.v.

nicht veröffentlicht

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Zeitschrift)

NZA

Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht (Zeitschrift)

NZA-RR

Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht – Rechtsprechungsreport (Zeitschrift)

NZS

Neue Zeitschrift für Sozialrecht (Zeitschrift)

OLG

Oberlandesgericht

OR

Schweizer Obligationenrecht

OVG

Oberverwaltungsgericht

PA

Der praktische Arzt (Zeitschrift)

PflVG

Pflichtversicherungsgesetz für Halter von Kraftfahrzeugen

PharmaZ

Pharmazeutische Zeitung (Zeitschrift)

pVV

positive Vertragsverletzung

RÄBl

Rheinisches Ärzteblatt

Abkürzungsverzeichnis

XXIV RG

Reichsgericht

RGBl

Reichsgesetzblatt

RGZ

Amtliche Sammlung der Rechtsprechung des Reichsgerichts in Zivilsachen

Rn.

Randnummer

RPG

Recht in Politik und Gesundheitswesen (Zeitschrift)

r+s

Recht und Schaden

Rspr.

Rechtsprechung

RVO

Reichversicherungsordnung

S.

Seite

SaarlÄBl

Saarländisches Ärzteblatt

SÄBl

Ärzteblatt Sachsen

SchKG

Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten

SchwRM

Schweizerische Rundschau Medizin – Praxis (Zeitschrift)

SDSRV

Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes

SG

Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten

SGb

Die Sozialgerichtsbarkeit (Zeitschrift)

SGB I

Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil

SGB IV

Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften

SGB V

Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung

SGB X

Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsvorschriften und Sozialdatenschutz

SGG

Sozialgerichtsgesetz

SozSich

Soziale Sicherheit (Zeitschrift)

SozVers

Die Sozialversicherung (Zeitschrift)

st. Rspr.

ständige Rechtsprechung

StPO

Strafprozessordnung

SZ

Süddeutsche Zeitung

TFG

Transfusionsgesetz

UChir

Der Unfallchirurg (Zeitschrift)

VerBAV

Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen

VersR

Versicherungsrecht (Zeitschrift)

VersRdSch

Versicherungsrundschau (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis

XXV

vgl.

vergleiche

VSSR

Vierteljahreszeitschrift für Sozialrecht (Zeitschrift)

VuR

Verbraucher und Recht (Zeitschrift)

VVDStRL

Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

VVG

Versicherungsvertragsgesetz

WzS

Wege zur Sozialversicherung (Zeitschrift)

ZArzt

Der freie Zahnarzt (Zeitschrift)

ZfL

Zeitschrift für Lebensrecht (Zeitschrift)

ZfS

Zeitschrift für Sozialversicherung, Sozialhilfe und Versorgung (Zeitschrift)

ZfSH

Zeitschrift für Sozialhilfe (Zeitschrift)

ZfV

Zeitschrift für Versicherungswesen (Zeitschrift)

ZM

Zahnärztliche Mitteilungen (Zeitschrift)

ZPO

Zivilprozessordnung

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik (Zeitschrift)

ZSchwR

Zeitschrift für Schweizerisches Recht (Zeitschrift)

ZSR

Zeitschrift für Sozialreform (Zeitschrift)

Einleitung Jährlich entstehen den privaten Krankenversicherungen und Krankenkassen dadurch, dass immer mehr Menschen ungesund leben, also etwa rauchen, sich nicht ausreichend bewegen oder unausgewogen ernähren und teils zu spät zum Arzt gehen, Kosten in Milliardenhöhe. Für die gesetzliche Krankenversicherung soll sich das mit der jetzigen Gesundheitsreform, die am 1. April 2007 teilweise in Kraft getreten ist1, ändern. So war ursprünglich vorgesehen, dass Patienten, die Vorsorgeuntersuchungen versäumen und später erkranken, höhere Zuzahlungen zu leisten haben2. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt sprach insoweit von einer Pflicht zur Vorsorge3. Aber handelt es sich hierbei wirklich um eine Pflicht im Sinne einer Rechtspflicht? Erst kürzlich stellte der Marburger Medizinethiker Dr. Heubel im Rahmen eines interdisziplinären Kolloquiums die für viele Bürger unbequeme Frage: Gibt es Patientenpflichten? Letztlich geht es darum, ob der Patient4 beispielsweise zum vereinbarten Behandlungstermin erscheinen, anamnestische Auffälligkeiten mitteilen, diagnostische Eingriffe dulden oder (zahn)ärztliche Anweisungen beachten muss. Auf der Suche nach der vermeintlich einfachen Antwort wurde insbesondere eine medizinisch-ethische und moralische Perspektive eingenommen. In rechtlicher Hinsicht ist hingegen weitgehend ungeklärt, wie die Mitwirkungsverantwortung des Patienten dogmatisch zu fassen ist und worin sie ihre rechtliche Grundlage hat. Angesichts des Umstandes, dass schon Hippokrates als der sogenannte „Vater der Medizin“ das bis zum heutigen Tage weitverbreitete Phänomen der ___________ 1 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.03.2007 (BGBl I 2007, S. 378 ff.). 2 In diesem höchst umstrittenen Punkt wurde der Gesetzesentwurf nunmehr vom Gemeinsamen Bundesausschuss in der Weise ausgehebelt wurde, dass Kassenpatienten künftig bloß die einmalige Beratung über die Vor- und Nachteile von Früherkennungen nachweisen müssen, so kürzlich ein Beitrag in „Die Neue Epoche“ vom 20.07.2007. 3 Vgl. dazu unter: http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=27782 die OnlineAusgabe des DÄBl vom 12.03.2007. Kritisch bereits ein Kommentar von Bartens in der Süddeutschen Zeitung vom 17.10.2006. 4 Die Bezeichnung als Patient dient in dieser Untersuchung ebenso wie der Rekurs auf den Begriff des (Zahn)Arztes der Vereinfachung und bezieht sowohl weibliche als auch männliche Personen ein.

2

Einleitung

Nichtbefolgung medizinischer Anweisungen und (zahn)ärztlicher Verhaltensregeln durch seine Patienten beobachtete, könnte eine Erörterung dieser Thematik überflüssig erscheinen. Dem ist aber nicht so. Obwohl es offensichtlich ist, dass der Behandlungserfolg vielmals von der Teilhabe des Patienten abhängt, also physische oder psychische Leiden nur abgewendet oder geheilt werden können, wenn der Patient verantwortungsbewusst mit dem (Zahn)Arzt zusammenarbeitet, hat die Problematik der Patientenmitwirkung in der rechtswissenschaftlichen Lehre und Jurisdiktion bislang keine besondere Beachtung gefunden. Während sich die Rechtsprechung darauf beschränkt, die Grenzen eines dem Patienten zugestandenen Entscheidungs- und Handlungsspielraum abzustecken, finden sich in der Literatur allenfalls beispielhafte, meist willkürliche Aufzählungen einzelner Mitwirkungserfordernisse verbunden mit der pauschalen Feststellung ihres Rechtscharakters. Dabei soll es sich entweder um Nebenpflichten oder Obliegenheiten handeln. Gelegentlich wird versucht, die Thematik der Patiententeilhabe unter dem Aspekt der Compliance zu bewältigen. Dieser von der Medizinsoziologie geprägte Begriff meint den Grad, in dem Patienten (zahn)ärztliche Therapieanweisungen tatsächlich einhalten. Allerdings bleibt offen, ob der Patient nun in diesem Sinne verpflichtet ist. Ob und gegebenenfalls welche Pflichten ein Patient hat, wird nur sehr selten erörtert. Dies verwundert umso mehr, als gerade in jüngster Vergangenheit die Kodifizierung von Patientenrechten intensiv debattiert wurde5 und es einem allgemeinen Rechtsgedanken entspricht, dass niemandem bloß vorteilhafte Rechtspositionen eingeräumt sind. Dennoch wird eine Regelungseinheit zwischen Patientenrechten und -pflichten nur vereinzelt gefordert6. Damit das Arztrecht nicht unzulässig auf die Medizinerpflichten und Patientenrechte verengt wird, bedarf es einer Auseinandersetzung mit der Mitwirkungsverantwortung des Patienten im Rahmen einer medizinischen Behandlung. Dies versucht die vorliegende Arbeit ausgehend von dogmatischen und systematischen Erwägungen zu leisten. Die Frage nach den Patientenpflichten lässt sich nicht beantworten, ohne dass zunächst dargelegt wird, was Pflichten eigentlich sind und wodurch sie sich von anderen rechtlichen Verhaltensnormen, insbesondere den Obliegenheiten unterscheiden. Erstaunlicherweise gibt es nach wie vor keine allgemein anerkannten Definitionen. Ferner ist umstritten, ob die Obliegenheiten als ein ___________ 5 So hat die 72. Gesundheitsministerkonferenz im Juni 1999 die „Patientenrechte in Deutschland heute“ und die Bundesärztekammer eine „Patienten-Charta“ entworfen. Gegenwärtig steht der Erlass eines Patientenschutzgesetzes im Raum. Weiterführend zu Patientenrechten beispielsweise Hanika, MedR 1999, S. 149 ff.; Schneider, MedR 2000, S. 497 ff. und Pichler, Internationale Entwicklungen in den Patientenrechten. 6 So aber Laufs, NJW 1999, S. 2717, 2718 und Schulze, SÄBl 2001, S. 536.

Einleitung

3

Teil der Pflichten oder als eigenständiges Rechtsinstitut anzusehen sind. An diesem Punkt setzt die eigens entwickelte Dogmatik der Pflichten und Lasten an, wobei es sich um zwei Kategorien rechtlicher Verhaltensnormen mit gestuftem Verbindlichkeitsgrad handelt. Diese Verhaltensnormen benötigen jedoch eine rechtliche Grundlage, die es für die Patientenpflichten und -lasten gleichsam zu ermitteln gilt. Auf der Erkenntnis, dass Patientenpflichten und -lasten aus unterschiedlichen Rechtsverhältnissen herrühren können, beruht die Gliederung der Arbeit. Ein deutlicher Schwerpunkt liegt auf den Pflichten und Lasten des Patienten, die er gegenüber dem (Zahn)Arzt und dem Krankenversicherer hat. Die einzelnen Teilhabeakte im Verhältnis zum (Zahn)Arzt ergeben sich für die medizinische Versorgung aus dem Behandlungsvertrag und im Fall eines Behandlungsfehlers aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis. Da nahezu jeder Patient krankenversichert ist, treten weitere Mitwirkungserfordernisse aus dem Krankenversicherungsverhältnis hinzu. Sofern der Patient arbeitsunfähig erkrankt ist, können ihm auch in seiner Rolle als Arbeitnehmer bestimmte Rechtssätze wie ein gesundheitsförderliches Verhalten obliegen. Die vorliegende Arbeit besteht daher aus vier Teilen. Der erste Teil klärt die Mitwirkungsverantwortung des Patienten gegenüber dem (Zahn)Arzt und dem Krankenversicherer und der zweite Teil die Mitwirkungsverantwortung eines Arbeitnehmers während einer erkrankungsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Ergänzend geht es im dritten Teil um die medizinisch-relevanten Mitwirkungserfordernisse im Zuge einer öffentlich-rechtlichen Zwangbehandlung. Mit dem vierten Teil werden die Untersuchungsergebnisse zusammengefasst. Parallel gelagert ist das Vorgehen in den ersten drei Untersuchungsteilen, wonach zunächst das einschlägige Rechtsverhältnis einschließlich der Dogmatik von den Pflichten und Lasten dargestellt und sodann die Patientenmitwirkung anhand von Fallgruppen herausgearbeitet wird. Dabei soll der Rückgriff auf die neutrale Begrifflichkeit der Mitwirkungsverantwortung, gleichbedeutend mit Patientenbeteiligung, -mitarbeit oder -teilhabe, ein Präjudiz zugunsten einer bestimmten Rechtsnatur vermeiden und das unbelastete Herangehen an diesen bislang offenen und daher klärungsbedürftigen Punkt ermöglichen7.

___________ 7 Vielmals wird auch der Begriff der Patientenpflicht in ähnlich neutraler Weise verwendet, vgl. nur Teichmann, FArzt 2000, S. 630 ff. und in der Wegleitung – Informationen für unsere Patientinnen und Patienten des Regionalspitals Einsiedeln RSE, S. 11. Wegen der damit üblicherweise verbundenen Assoziationen in rechtstechnischer Hinsicht muss davon allgemein abgeraten werden.

Erster Teil

Mitwirkungsverantwortung des Patienten gegenüber dem behandelnden (Zahn)Arzt und Krankenversicherer Überwiegend lässt sich ein bestimmtes Behandlungsziel, sei es die Prävention einer Erkrankung oder die Linderung von Krankheitsbeschwerden, nur durch ein Zusammenwirken von (Zahn)Arzt und Patient erreichen. Sofern therapeutische Verhaltensinstruktionen wie ein Rauchverbot, die Ernährungsumstellung oder eine Medikamenteneinnahme zu befolgen sind, liegt dies unmittelbar auf der Hand. Darin erschöpft sich die Vielfalt der prinzipiell notwendigen Patientenmitwirkung an einer medizinischen Behandlung jedoch längst nicht. Ob, auf welcher Grundlage, mit welchem Verbindlichkeitsgrad sowie in welchem Umfang ein Patient über die Rechtsordnung zu einer Verantwortungsübernahme aufgerufen wird, behandelt der vorliegende Untersuchungsteil. Angesichts des in Deutschland bestehenden Krankenversicherungssystems, in das die medizinische Versorgung mehr oder minder eingebettet ist, verläuft die Prüfung im Wesentlichen zweigleisig. Denn im Normalfall ist eine behandlungsbedürftige Person gesetzlich oder privat krankenversichert, sodass sie eine rechtliche Beziehung zum Mediziner und Krankenversicherer unterhält. Aus beiden Rechtsverhältnissen können sich Teilhabeerfordernisse zulasten des Patienten ergeben. Zunächst ist ein erstes Kapitel vorgeschaltet, das sich der Darstellung des Krankenversicherungsrechts in den Grundzügen widmet und den Differenzierungsbedarf im Untersuchungsablauf verdeutlicht. Wie schon angedeutet, beeinflusst die Existenz einer krankenversicherungsrechtlichen Absicherung mitunter auch die Behandlungsbeziehung zwischen (Zahn)Arzt und Patient in ihrer rechtlichen Ausgestaltung. Letztlich folgt aus dem Krankenversicherungsverhältnis eine Mitwirkungsverantwortung des Patienten, die ohne Kenntnis der zugrundeliegenden Rechtsstrukturen nicht zu eruieren ist. Das zweite Kapitel befasst sich mit der Teilhabeverantwortung des Patienten gegenüber dem Mediziner, die je nach Situation aus dem Behandlungsvertrag, einem gesetzlichen Schuldverhältnis oder dem Prozessrechtsverhältnis abzuleiten ist. In Entsprechung dieser verschiedenen Rechtsgrundlagen scheint eine Untergliederung zwischen der medizinischen Behandlung, dem Umgang mit

1. Teil: Patientenmitwirkung gegenüber (Zahn)Arzt und Krankenversicherer

5

einem Behandlungsfehler und der Mitwirkung bei einem Arzthaftungsprozess unverzichtbar. Alle diese Rechtsbeziehungen implizieren eine Dogmatik der Rechtssätze, die herauszufiltern und auf die arztrechtlichen Eigenheiten abzustimmen ist. Das Ergebnis liegt in der Entwicklung eines eigenen rechtstheoretischen Ansatzes von den Pflichten und Lasten als rechtliche Verhaltensnormen. Die einzelnen Fallgruppen belegen zumindest für die medizinische Behandlung eine teils unterschiedliche Pflichten- und Lastenstellung des Privatund Kassenpatienten, sodass beide Patientengruppen nicht zusammen betrachtet werden können. Allerdings hängt der jeweilige Status bloß bedingt vom zugrunde liegenden Krankenversicherungsschutz ab. So gelten diejenigen, die einen (Zahn)Arztbesuch zumindest vorläufig selbst zu bezahlen haben, als Privatpatienten. Der Kassenpatient nimmt hingegen lediglich seinen Behandlungsanspruch gegenüber dem Krankenversicherer wahr. Im dritten Kapitel geht es um die Herleitung sowie Art und Umfang der Mitwirkungserfordernisse des Patienten, die aus dem Krankenversicherungsverhältnis herrühren und mittelbar den (Zahn)Arzt-Patienten-Kontakt beeinflussen. Letztlich soll untersucht werden, ob und in welchem Maße der krankenversicherte Patient durch die Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen zu einer behandlungsbezogenen Verantwortungsteilhabe herangezogen wird. Zu denken wäre etwa an eine gesundheitsbewusste oder dem Krankheitszustand angepasste Lebensweise, an die Mitteilung bestimmter, für den Krankenversicherer wesentlicher Daten aus Anlass einer Erkrankung oder an den verantwortlichen Umgang mit den Finanzressourcen der Versichertengemeinschaft. Nur wenn ein krankenversicherter Patient tatsächlich in dieser Weise heranzuziehen ist, ließen sich möglicherweise die Bedenken zur künftigen Finanzierbarkeit der Versicherungssysteme zerschlagen. Um solche Rechtssätze ermitteln zu können, wird ausgehend von dem Versicherungsverhältnis die Dogmatik von den Pflichten und Lasten entwickelt. In Anbetracht der unterschiedlichen Organisationsform der privatrechtlichen und gesetzlichen Krankenversicherung erfolgt dies für jeden Versicherungszweig gesondert, sodass hier maßgeblich zwischen dem privat- und sozialversicherten Patienten zu unterscheiden ist.

1. Kapitel

Grundzüge des Krankenversicherungsrechts Die Krankheit als unkalkulierbare Größe in dem Leben eines Jeden kann mit enormen finanziellen Belastungen verbunden sein: Zum einen werden teils hohe Aufwendungen für medizinische Leistungen notwendig, andererseits droht eine empfindliche Einkommenseinbuße bei einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Darum ist fast die gesamte Bevölkerung krankenversichert. Im Jahre 1999 waren mit 72.568.000 Menschen 88,5 % Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung1, 7.309.000 Personen, also 8,9 % über eine private Krankenversicherung abgesichert und mit 0,2 % trugen bloß 150.000 Bundesbürger die Risiken selbst2. Das in Deutschland bestehende duale Krankenversicherungssystem lässt sich historisch erklären, denn die Sozialversicherung und privaten Krankenversicherungsträger haben sich mit- bzw. gegeneinander in Abhängigkeit vom Umfang der Sozialversicherungspflicht entwickelt3. Der privaten Krankenversicherung kommt demzufolge seit jeher eine Auffangfunktion zu, die sich gegenwärtig auf Selbständige, Freiberufler, Gewerbetreibende, Beamte und versicherungsfreie Arbeitnehmer bezieht. Alle Krankenversicherten, egal ob ge___________ 1

Der gesetzliche Versicherungsschutz wurde 1999 durch 459 Krankenkassen mit 50.927.000 Mitgliedern (70,0 %), von denen 44.600.000 (87,6 %) pflichtversichert und 6.326.000 (12,4 %) freiwillig versichert waren, sowie 21.641.000 mitversicherten Familienangehörigen gewährleistet, vgl. Statistisches Jahrbuch 2001, S. 62, 468. 2 Statistisches Jahrbuch 2001, S. 62. 3 Mit dem Krankenversicherungsgesetz für Arbeiter vom 15.06.1883 hat das Krankenkassenwesen seine Anfänge genommen und verstand sich derzeit als „Armeleutekasse“. Personen, die nicht als besonders schutzwürdig galten und daher nicht in die Sozialversicherung eingebunden waren, mussten sich selbst effektiv gegen das Krankheitsrisiko und seine existentiellen Folgen absichern. Infolge der Verarmung des Mittelstandes gestaltete sich dies besonders nach dem Ersten Weltkrieg schwierig, sodass kommerziell organisierte Krankenversicherungen entstanden und rasch an Zulauf gewannen. Erst die Ausdehnung der Sozialversicherungspflicht stürzte die privaten Krankenversicherungen von 1945 bis in die siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts in einen Existenzkampf. Nunmehr bestehen beide Versicherungszweige nebeneinander, wobei das Betätigungsfeld der privaten Krankenversicherungen über die Versicherungspflicht und dem Umfang des Sozialversicherungsschutzes vorgegeben wird.

A. Gesetzliche Krankenversicherung

7

setzlich- oder privatversichert, müssen Beiträge bzw. Prämien zahlen4, um die erforderlichen Behandlung zur Krankheitsvermeidung oder -beseitigung sowie Krankengeld beanspruchen zu können. Über die Verteilung des im Einzelfall ungewissen, in seiner Gesamtheit aber schätzbaren Bedarfs auf eine organisierte Vielheit lässt sich die mit einem Krankheitsfall einhergehende materielle Gefährdungslage allgemein bewältigen. Abgesehen von dem Versicherungsprinzip überschneiden sich die gesetzliche und private Krankenversicherungsordnung kaum. Da das Krankenversicherungsrecht je nach Ausgestaltung bereits Einfluss auf die Rechtsnatur des Behandlungsverhältnisses nimmt und dieses für die Herleitung der Patientenmitwirkung wegweisend ist, müssen nachfolgend die untersuchungsrelevanten Grundzüge des Krankenversicherungsrechts aufgezeigt werden. Auch für die Analyse der Teilhabeverantwortung des Patienten gegenüber dem Versicherungsträger kann darauf rekurriert werden.

A. Gesetzliche Krankenversicherung Das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist im Fünften Buch des Sozialgesetzbuches vom 20. Dezember 19885 normiert. Wie schon erwähnt, handelt es sich um eine Sozialversicherung, deren Wesen sich am besten mit den Worten des früheren Bundessozialgerichtspräsidenten Wannagat als „eine staatlich organisierte, nach den Grundsätzen der Selbstverwaltung aufgebaute öffentlich-rechtliche, vorwiegend auf Zwang beruhende Versicherung großer Teile der arbeitenden Bevölkerung für den Fall der Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit ...“ 6 umschreiben lässt. Wegen des Zwangscharakters hängt die Mitgliedschaft bei versicherungspflichtigen Personen nicht von einer Beitrittserklärung oder gar einem Vertragsschluss ab, sondern entsteht willensunabhängig kraft Gesetzes. Charakteristisch für die gesetzliche Krankenversicherung sind der soziale Ausgleich, das Naturalleistungsprinzip und das Wirtschaftlichkeitsgebot7. Aus dieser Aufzählung muss das Naturalleistungsprinzip8 ___________ 4

Dies gilt nicht für Familienversicherte der gesetzlichen Krankenversicherung, die selbst nicht Mitglied der Krankenkasse sind und nur einen über das Stammmitglied vermittelten Versicherungsschutz genießen. Gleichwohl ist auch deren Rechte- und Pflichtenstellung vollwertig, sofern man das ihnen nicht zustehende aktive und passive Wahlrecht ausklammert. 5 BGBl I 1988, S. 2477 ff. 6 Wannagat, Lehrbuch des Sozialrechts, S. 25. 7 Diese klassischen, weil historisch gewachsenen Strukturelemente geraten zunehmend in Kritik. Modifizierungen wie Selbstbehalt und Beitragsrückerstattung sind künftig zu erwarten.

8

1. Teil, 1. Kapitel: Krankenversicherungsrecht

herausgelöst und näher betrachtet werden. Denn es bedingt ein Beziehungsgeflecht, in das auch der sozialversicherte Patient, der Vertrags(zahn)arzt und die Krankenkasse eingebunden sind. Einem sozialversicherten Patienten ist durch die §§ 20 bis 28 SGB V ein unmittelbarer Anspruch auf (zahn)ärztliche Behandlung sowie Heil- und Hilfsmittel eingeräumt, der wegen der §§ 2 Abs. 2 Satz 1; 13 Abs. 1 SGB V grundsätzlich nicht durch Zahlung einer äquivalenten Geldleistung ersetzt werden darf. Das Naturalleistungsprinzip beinhaltet daher nach überwiegender Ansicht eine Verschaffungspflicht der Krankenkasse hinsichtlich medizinisch notwendiger Sach- und Dienstleistungen9. Weil die Krankenkassen die Leistungen normalerweise nicht selbst in natura erbringen können und auch nur unter den engen Voraussetzungen des § 140 SGB V dürfen, werden Leistungserbringer in das System der medizinischen Versorgung unter weitgehender Wahrung ihrer Unabhängigkeit eingeschaltet. Insofern sind die Leistungserbringer von den Krankenkassen weder angestellt10 noch sonst vertraglich an sie gebunden11. Ihre Integration erfolgt vielmehr über ein öffentlich-rechtliches Konglomerat, das exemplarisch für die Einbindung eines niedergelassenen (Zahn)Arztes veranschaulicht werden soll. Das Vertrags(zahn)arztrecht statuiert ein Fünfeckskonstrukt12 unter Beteiligung des Versicherten und des Mediziners, der Krankenkasse und des Landesverbandes der Krankenkasse sowie der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung. Das folgende Schema soll einen ersten Eindruck davon vermitteln: ___________ 8 Üblicherweise wird vom Sachleistungsprinzip gesprochen, obwohl die (zahn)ärztliche Behandlung nach der Terminologie des Sozialgesetzbuches gerade eine Dienstleistung ist. Der Begriff der Sachleistung sollte mit Erlass der RVO den älteren der Naturalleistung zu verdeutschen, so Leibfried/ Tennstedt, ZSR 26, S. 695, 698. 9 Vgl. beispielhaft BGHZ 89, 250, 252; Knispel, NJW 1986, S. 1525, 1526; Meydam, SGb 1991, S. 377, 378; Zuck, NZS 1994, S. 254, 255 sowie Wasem in: Schulin, Krankenversicherungsrecht, § 3 Rn. 158. A.A. Natter, S. 132 ff.; Schneider, Rn. 1161, die das Naturalleistungsprinzip einschränkend im Sinne einer Dienstvermittlung und Schuldbefreiung interpretieren. 10 Vgl. zum staatlichen Gesundheitsdienst in Skandinavien, Großbritannien und Spanien etwa Köhler in: Köhler/ Maydell, S. 205, 214 ff. und Schulte in: Köhler/ Maydell, S. 125, 128 ff. und Reinhard in: Köhler/ Maydell, S. 105, 107 ff. 11 Dieser jedenfalls für die Ärzteschaft zunächst beschrittene Weg wurde infolge längerer Auseinandersetzungen gegen 1930 verlassen. Grund dafür war die finanzielle Abhängigkeit der Ärzte von den Krankenkassen und ein Verhandlungsungleichgewicht. Näheres dazu bei Natter, S. 6 ff.; Siewert, S. 17 ff. und Peters, S. 10 ff. 12 Ebenso Meydam, BKK 1982, S. 175; Heinemann/ Liebhold, Überblick A, 154 und Jörg, Rn. 20. Ansonsten wird regelmäßig von einer Viererbeziehung gesprochen, vgl. Schmitt, NJW 1988, S. 1494; Keller, SozVers 1999, S. 281; Steffen/ Pauge, Rn. 48 und Ratajczak in: Arbeitsgemeinschaft Rechtsanwälte im Medizinrecht, S. 3.

A. Gesetzliche Krankenversicherung

9

Obgleich Mediziner und Krankenkasse keinen unmittelbaren Rechtskontakt haben, wirken beide nach § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB V zur Sicherstellung der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung zusammen. Das setzt jedoch voraus, dass der Mediziner von der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung als Vertrags(zahn)arzt13 13 Mit Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21.12.1992 (BGBl I 1992, S. 2266 ff.) wurde der einheitliche Begriff des Vertrags(zahn)arztes eingeführt. Kritisch hierzu Isensee, VSSR 1995, S. 321, 322, Fn. 2,

10

1. Teil, 1. Kapitel: Krankenversicherungsrecht

zugelassen wurde14. Mit der Zulassung wird ein öffentlich-rechtliches Mitgliedschaftsverhältnis begründet, wodurch der Mediziner zur Teilnahme an der kassen(zahn)ärztlichen Versorgung berechtigt und auch verpflichtet ist15. Auf diese Weise und über den Abschluss der öffentlich-rechtlichen Gesamt- und Bundesmantelverträge erfüllen die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen den Sicherstellungsauftrag iSd § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Die Gesamtverträge, in denen die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen und Landesverbände der Krankenkassen den Leistungsrahmen und die Gesamtvergütung aushandeln, sichern eine ausreichende, wirtschaftliche und flächendeckende Medizinalversorgung. Im Interesse eines bundeseinheitlichen Standards wird der allgemeine Inhalt der Gesamtverträge gemäß den §§ 82; 87 SGB V zwischen der Kassen(zahn)ärztlichen Bundesvereinigung und den Bundesverbänden der Krankenkassen vorab im Bundesmantelvertrag vereinbart.

B. Private Krankenversicherung Die wesentlichen Rechtsgrundlagen für die private Krankenversicherung finden sich im BGB und dem VVG. Da bis 1994 eine spezialgesetzliche Normierung fehlte, empfahl der Verband Private Krankenversicherung Ende 1960 seinen Mitgliedern im Interesse der Rechtssicherheit, allgemeine Geschäftsbedingungen zu verwenden16. Diese MB-KK/ KT verdeutlichen selbst heute noch den von der privaten Krankenversicherung erreichten Leistungsstandard, der in den §§ 178 a ff. VVG lediglich leitbildartig niedergeschrieben wurde. Denn mit

___________ wonach „der falsche Eindruck von Vertragsfreiheit und von der Stellung als Vertragspartner“ erweckt werde, obwohl der Vertrags(zahn)arzt zunehmend an rechtliche Vorgaben des Krankenversicherungsrechts gebunden sei. 14 Ein Mediziner hat Anspruch auf Zulassung, wenn er im (Zahn)Arztregister eingetragen ist und die aufgrund von § 102 SGB V festgesetzten Verhältniszahlen nicht entgegenstehen. Die Aufnahme in das (Zahn)Arztregister erfolgt auf Antrag eines approbierten Mediziners mit einer zweijährigen Vorbereitungszeit sowie dem erfolgreichen Abschluss einer allgemeinmedizinischen Weiterbildung, einer solchen in einem anderen Fachgebiet oder gleichgestellter Qualifikationen. 15 Eine vertrags(zahn)ärztliche Behandlung darf nach § 13 Abs. 7 Satz 3 BMV-Ä bzw. § 4 Abs. 7 BMV-Z nur in begründeten Fällen abgelehnt werden, wie etwa beim Verlangen einer nicht indizierten Medizinalversorgung, bei einer Überlastung des Arztes, die eine gründliche und ordnungsgemäße Behandlung seiner Patienten unmöglich macht oder einem Verhalten des Patienten, das ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten hindert oder stört, so die Aufzählung von Narr/ Hess/ Nösser/ Schirmer, B 115. 16 Nach zunächst gescheiterten Versuchen von 1931 und 1954 billigte das Bundesaufsichtsamt für Versicherungs- und Bausparwesen im Jahre 1966 die MB-KK und 1972 die MB-KT.

B. Private Krankenversicherung

11

der Kodifizierung des privaten Krankenversicherungsrechts sollte das bis dahin gewachsene Recht nicht umgestaltet werden. Folglich werden die MB-KK/ KT weiterhin zur Auslegung der gesetzlichen Regelungen herangezogen und sind maßgebend für die vertraglichen Vereinbarungen17. Private Krankenversicherer bieten substitutive oder ergänzende Krankenversicherungen an. Während die Zusatzversicherung über den bereits bestehenden Sozialversicherungsschutz hinaus absichern soll, ersetzt der substitutive Versicherungstyp „die im gesetzlichen Sozialversicherungssystem vorgesehene Krankenversicherung ganz oder teilweise“18. Eine solche ganzheitliche Krankenversicherung besteht aus der Krankheitskosten- und Krankentagegeldversicherung und wird durch den Abschluss eines schuldrechtlichen Versicherungsvertrages begründet. Rechtstheoretisch kann der Versicherungsschutz an die Bedürfnisse jedes Versicherungsnehmers individuell angepasst werden, was sich aber für Massengeschäfte, wozu auch die private Krankenversicherung zählt, praktisch nicht umsetzen lässt. So stehen in rechtstatsächlicher Hinsicht unzählige Tarife und Tarifstufen zur Auswahl, aus denen ein passendes Versicherungsprogramm ausgesucht und über dem Abschluss eines standardisierten Versicherungsvertrages verbindlich gemacht wird. Angesichts der Abhängigkeit der Leistungen von den Versicherungsprämien dominieren das Äquivalenzprinzip und daneben die Kostenerstattung. Letzteres bedeutet, dass die private Krankenversicherung nur die für eine medizinische Behandlung aufgewendeten Kosten gemäß den vertraglichen Vereinbarungen begleicht.

___________ 17

Deutsch, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 241 und Wegmann, S. 22. So Art. 54 Abs. 1 Richtlinie des Rates (92/49EWG) vom 18.06.1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) wie auch zur Änderung der Richtlinie 73/239/EWG und 88/357/EWG, Abl. Nr. L 228 vom 11.06.1992, 1 ff. 18

12

1. Teil, 1. Kapitel: Krankenversicherungsrecht

C. Vergleichende Zusammenfassung

Sozialversicherung

Privatversicherung

Rechtsnatur

x öffentlich-rechtliche Zwangsversicherung

x freiwillige Privatversicherung

Mitgliedschaft

x gesetzlich begründet

x durch Versicherungsvertrag

Beitragshöhe

x Beitragsbemessung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit (Einkommen) x kostenfreie Mitversicherung von Familienangehörigen

x individuelles Krankheitsrisiko maßgeblich x Familienangehörige beitragspflichtig

Leistungsarten

x Sachleistungen (medizinische Behandlun- x Kostenerstattung für Heilbehandlungen gen, Kuren, Beratungen) x Geldleistungen (Kranken- und Mutter- x Krankentagegeld schaftsgeld)

Leistungshöhe

x bedarfsabhängig und leistungsbezogen x leistungsabhängig unter Berücksichtigung der Beitragszahbeim Krankengeld lung

Trägerschaft

x Sozialversicherungsträger als öffentlich- x Aktiengesellschaften/ Versirechtliche Körperschaften cherungsvereine

2. Kapitel

Pflichten und Lasten des Privat- und Kassenpatienten gegenüber dem (Zahn)Arzt Unter einer medizinisch-soziologischen Perspektive ist vom Patienten zu erwarten, dass er die Heilung einer behandlungsbedürftigen Erkrankung oder deren Vermeidung nicht aus einer rein passiven Konsumhaltung heraus gleichsam als Reparaturleistung des Mediziners betrachtet, sondern selbst Verantwortung für seine Gesundheit übernimmt. Infolgedessen wird der (Zahn)ArztPatienten-Kontakt vielmals als therapeutisches Arbeitsbündnis1 oder Kooperationsbeziehung in Form einer Behandlungs- und Entscheidungspartnerschaft2 klassifiziert. Wegen der Grundeinstellung zur Krankheit, die immer seltener als Schicksal gewertet wird, und der Erwartung an eine medizinische Versorgung verschließen sich nicht wenige Patienten dieser unabdingbaren Gemeinschaft: „Alle Krankheiten, seien es Bagatellfälle, unverschuldete Unfälle oder häufig sich wiederholende, länger andauernde oder chronische Erkrankungen werden in aller Regel von dem davon betroffenen Menschen als von außen eintreffende Störung angesehen, die möglichst schnell und effizient zu beseitigen sind. Dabei wird die Frage der eigenen Beteiligung und Verantwortung an der Krankheit nur in wenigen, sehr offensichtlichen Fällen überhaupt für möglich erachtet, wie bei einem Übermaß an Rauchen, Alkohol- und Nahrungsmittelgenuss.“3 „Angesichts eines Krankheitspanoramas, das mehr und mehr von der Zunahme chronischer Erkrankungen und ... alterstypischer Erkrankungen geprägt ist, ist die aktive Mitarbeit des Patienten, seine feste Einbindung in das therapeutische Arbeitsbündnis unerlässlich.“4

Deshalb soll untersucht werden, ob und inwieweit ein Patient aus juristischer Sicht die Verantwortung mitzutragen hat. Die rechtswissenschaftliche Lehre hat das bislang nur unvollständig geklärt. Sofern sich zu dieser Thematik ___________ 1

So Dickhaut/ Luban-Plozza in: Eser/ Lutterotti/ Sporken, Sp. 125, 126; LubanPlozza/ Knaak/ Dickhaut, S. 10 sowie Mader in: Lang/ Arnold, S. 168, 169. 2 Francke/ Hart, S. 1, 9 sowie Katzenmeier, S. 57. 3 Eisenmann in: Reimer, S. 7. 4 Lang/ Kupfer in: Lang/ Arnold, S. 11, 12.

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

14

überhaupt Ausführungen finden, sind sie meist auf eine beispielhafte Nennung einzelner Mitwirkungserfordernisse und die bloß pauschale Festlegung ihrer Rechtsnatur beschränkt5 oder gehen mit einem engen Blickwinkel von der Rechtsfolge des Mitverschuldens aus6. Da ein etwaiges Mitverschulden stets erst im Rahmen der (Zahn)Arzthaftung relevant wird, also einen Behandlungsfehler voraussetzt, lassen sich mögliche Mitwirkungserfordernisse des Patienten bei einer sorgfältigen Behandlung darüber nicht erfassen.

A. Gegenwärtiger Meinungsstand und eigene Stellungnahme Den Ausgangspunkt für die Untersuchung der Patientenpflichten und -lasten im Verhältnis zum (Zahn)Arzt bilden die vorhandenen rechtswissenschaftlichen Ansichten zu dieser Problematik, die es somit darzustellen gilt. Das diesbezüglich zur Verfügung stehende Repertoire an wissenschaftlichen Abhandlungen ist freilich begrenzt7. Häufig finden sich in der arztrechtlichen Literatur überhaupt keine Ausführungen oder es fehlt eine vertiefte Befassung mit dieser Materie. Vereinzelt wird der Mitwirkung eines Patienten im Zuge seiner medizinischen Versorgung explizit eine untergeordnete Bedeutung zugeschrieben8, was angesichts der notwendigen Kooperationsgemeinschaft zwischen (Zahn)Arzt und Patient nicht haltbar ist. Die mit der Erfassung der Patientenmitarbeit verbundenen Schwierigkeiten werden bisher auf zweierlei Weise angegangen: Einerseits wird die Patiententeilhabe den Pflichten oder Lasten zugeordnet, was ein Ausrichtung auf deren Rechtsnatur bedingt. Andererseits wird der Begriff der Compliance herangezogen. Auf diesen Ansätzen beruht die nachfolgende Systematisierung des Meinungsstandes.

I. Systematisierung nach der Rechtsnatur der Patientenmitwirkung Eine echte Kontroverse um die Rechtsnatur und Reichweite der Patiententeilhabe wird in der Literatur allerdings nicht geführt. Überwiegend findet sich ___________ 5

Statt vieler Deutsch/ Spickhoff, Rn. 92 ff., 97; Hollmann, S. 18 f.; Jung, S. 161 f. Vgl. insoweit Martis/ Winkhart, S. 670. 7 Umfangreiche juristische Abhandlungen bieten die Dissertationen von Göben, Das Mitverschulden des Patienten im Arzthaftungsrecht und Conti, Die Pflichten des Patienten im Behandlungsvertrag. Auch Laufs/ Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, widmen das 13. Kapitel ihres Werkes den Pflichten des Patienten aus dem Arztvertrag. 8 Krause, SGb 1982, S. 425, 430 f.; Meier, MC 2000, S. 37; Blank, Rn. 164. 6

A. Meinungsstand

15

lediglich eine exemplarische Auflistung der Mitwirkungserfordernisse und die Bestimmung ihrer Rechtsnatur, weitestgehend ohne dies zu begründen oder eine dogmatische Grundlage zu benennen. Daher stellt folgende kurze Behauptung keine Ausnahme dar: „Der Patient schuldet die für die Durchführung der Behandlung erforderliche Mitarbeit, also etwa regelmäßige Konsultation, Einnahme von Medikamenten, Einhaltung einer Diät etc.“9

Selbst Deutsch/ Spickhoff10 erörtern unter der verheißungsvollen Überschrift „Pflichten und Obliegenheiten des Patienten“ zuerst ausführlich die relativ unproblematische Honorarzahlungspflicht, um anschließend in einem kurzen Absatz die Mitteilungsobliegenheit hinsichtlich früherer Erkrankungen und Behandlungen, der gegenwärtigen Symptomatik und dem Bestehen einer Schwangerschaft aufzuwerfen sowie im übrigen das Fehlen jeglicher Rechtspflicht zur Patientenmitarbeit wie regelmäßige Konsultationen, die Einnahme von Medikamenten oder die Einhaltung einer Diät zu konstatieren. Nicht alle gelangen aber gleichermaßen zu diesem Ergebnis. Im Wesentlichen lassen sich zwei konträre Lager ausmachen: Entweder wird dem Patienten die Mitwirkungsverantwortung gegenüber dem Mediziner mit Ausnahme der Pflicht zur Begleichung des (zahn)ärztlichen Honorars mehr oder minder pauschal als vertragliche Nebenpflicht oder aber allgemein als Obliegenheit auferlegt.

1. Mitwirkungsverantwortung als vertragliche Nebenpflicht Für die rechtsdogmatische Einordnung der Patientenmitwirkung an einer (zahn)ärztlichen Behandlung als vertragliche Nebenpflicht plädiert Kern11. So nehmen Uhlenbruck/ Kern12 eine durch das Selbstbestimmungsrecht beschränkte Verpflichtung des Patienten an, alles zu tun, um die erfolgreiche Behandlung oder Operation zu ermöglichen, wozu die Befolgung (zahn)ärztlicher Anordnungen wie auch die Duldung von Untersuchungen, Behandlungen und Eingriffen zählen soll. Differenziert wird zwischen einer Mitwirkungspflicht in Form der Bekanntgabe behandlungsrelevanter Fakten und der Hinnahme diagnostischer bzw. therapeutischer Maßnahmen sowie der Offenbarungs-, Befolgungs- und Zahlungspflicht. Diese vertraglichen Nebenpflichten könnten alle___________ 9

Luig in: Gitter/ Huhn/ Siegbert/ Luig/ Reich/ Tempel/ Weyers, S. 223, 235 f. Deutsch/ Spickhoff, Rn. 92 ff. Ähnlich auch Kern in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, 335 Rn. 51 ff. 11 Kern, MedR 2001, S. 439 und ebenso Hohloch, NJW 1982, S. 2575, 2578 f. 12 Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, §§ 78-82. 10

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

16

samt vom Mediziner weder eingeklagt noch sonst erzwungen werden13. In unverkennbarer Anlehnung daran konzipiert auch Buddee14 umfassende Patientenpflichten auf vertraglicher Basis: So müsse der Behandelte (zahn)ärztliche Weisungen beachten (Befolgungspflicht), seine Symptome benennen, bestehende Erkrankungen, wesentliche Aspekte der Krankenvorgeschichte und persönliche Daten angeben (Offenbarungspflicht), medizinisch indizierte Eingriffe bis zum gewissen Grad dulden (passive Mitwirkungspflicht), den behandelnden (Zahn)Arzt von seiner Schweigepflicht entbinden, wenn er einen Kollegen einbeziehen möchte, schonend mit der Praxis umgehen und eine Schädigung des Mediziners im eigenen Herrschaftsbereich vermeiden (Schutz- und Fürsorgepflicht). Ähnlich geht Röver15 von der Pflicht des Patienten aus, alles zu tun, um eine erfolgreiche Behandlung zu ermöglichen. Mit Blick auf das Selbstbestimmungsrecht beinhalte die Mitwirkungspflicht aber gerade keine Verpflichtung des Behandlungswilligen zur Erteilung der notwendigen Einwilligung16. Aufgrund der Leitidee vom Recht auf Gesundheit gelangt Jung17 zu einer Mitwirkungspflicht, wonach ein Patient dem Mediziner die regelmäßige Konsultation, die Einnahme verordneter Arzneimittel, das Einhalten einer Diät sowie das pünktliche Erscheinen zum vereinbarten Termin schulde. Nach Ansicht von Hanau18 bildet der Partnerschaftsgedanke eine ergiebige und ausgewogene Quelle für Verhaltenspflichten im Rahmen der Behandlungsbeziehung, wobei sich die Rechtspflichten jeweils diametral gegenüberständen. Somit sei zu fragen, ob es neben der Schweige- und Aufklärungspflicht des Mediziners solche des Patienten gebe19, was Hanau bejaht. Dabei beziehe sich die Schweigepflicht auf alle Umstände, deren Bekanntwerden für den (Zahn)Arzt oder andere Mitpatienten nachteilig sein könne, wie das publizistische Anprangern vermeintlicher Missstände oder eines Kunstfehlers. In den Bereich der Aufklärungspflicht falle die Information über behandlungsrelevante Tatsachen und Infektionen, die eine Gesundheitsgefahr für das medizinische Personal und andere Patienten begründen können. ___________ 13

Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 78 Rn. 5. Buddee, S. 157 f., 168. 15 Röver, S. 43 Fn. 104. 16 Anders wohl Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 78 Rn. 8, wonach zumindest die Verweigerung einer risikoreichen Behandlungsmaßnahme keine schuldhafte Verletzung der vertraglichen Mitwirkungspflicht darstellen soll. 17 Jung, S. 161 f. 18 Hanau in: FS für Baumgärtel, S. 121, 135. 19 Ausschließlich diese Frage wird von Hanau (vgl. Fn. 18) erörtert. Versteht man seinen diametralen Ansatz jedoch in einer umfassenden Weise, müsste wohl der Patient in Parallele zur (zahn)ärztlichen Weisungsgebundenheit auch die Anordnungen des Mediziners wie die Einnahme von Tabletten beachten und ausführen. 14

A. Meinungsstand

17

Conti20 erlegt jedem Patienten verschiedene, aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitete Verhaltensforderungen in Form nicht erzwingbarer, vertraglicher Nebenpflichten auf. Er unterscheidet zwischen Sorgfalts-, Schutzund prozessualen Mitwirkungspflichten. Die Sorgfaltspflichten würden eine Beteiligung am (Zahn)Arzt-Patienten-Gespräch, die Duldung diagnostischer Eingriffe und die Mitwirkung bei der Behandlungsdurchführung verlangen. Generell habe der Patient durch sein kooperatives Verhalten zu einer erfolgreichen Leistungsbewirkung beizutragen und damit alles zu unterlassen, was der Genesung hinderlich sein könne. Dagegen sicherten die Schadensminderungsund Schadensabwendungsmaßnahmen als Unterfall der Schutzpflichten das Erhaltungsinteresse des Vertragspartners hinsichtlich seiner Rechtssphäre und Vermögensgüter. Diese typologische Unterscheidung zwischen Leistungs- und Erhaltungsinteresse vereinfache die methodische Bearbeitung der Patientenpflichten, ermögliche jedoch nicht stets eine präzise Zuordnung zur Sorgfaltsoder Schutzpflicht. So soll die Informationspflicht in Bezug auf eine gefährliche, ansteckende Krankheit sowohl zur richtigen Behandlungswahl verhelfen als auch das medizinische Personal vor einer Körperschädigung behüten21. Die prozessuale Mitwirkungspflicht würde die Befreiung des Mediziners von seinem Berufsgeheimnis und die Duldung einer Untersuchung für ein Expertengutachten im Zusammenhang mit der Arzthaftung beinhalten

2. Mitwirkungsverantwortung als Obliegenheit Unter vertraglicher Ableitung stuft Hollmann22 die Patiententeilhabe als Obliegenheiten ein. Zumeist wird die Mitwirkungsverantwortung rechtsdogmatisch aber ausschließlich unter dem Aspekt des Mitverschuldens nach § 254 BGB betrachtet und daraus eine weite Obliegenheit zum Schutz der eigenen Gesundheit gewonnen, die gleichsam für die Mitarbeit an den (zahn)ärztlichen Heilungsbemühungen herangezogen wird23. Auf dieser Grundlage soll dem Patienten nach Ansicht von Geiß/ Greiner24 die Mitteilung anamnestisch bedeutsamer Umstände und die Beachtung von Therapiehinweisen obliegen. Ausgehend vom Mitverschulden wählt Göben25 einen Mittelweg: So gründet er auf ___________ 20

Conti, S. 11, 22, 45 ff., 82 f., 84 ff., 138 ff., 159. Conti, S. 83 - Fn. 425, 139. 22 Vgl. die weder terminologisch noch argumentativ stringente Darstellung von Hollmann, S. 18 f. 23 BGH VersR 1985, S. 1068, 1070 wie auch Katzenmeier, MedR 1998, S. 167; ders., Arzthaftung, S. 372 und wohl Bappert, S. 82. 24 Geiß/ Greiner, A 98. 25 Göben, S. 45 ff., 81 ff., 103 ff., 153 ff. 21

18

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

§ 254 BGB seine Unterscheidung von Schadensfernhaltungs- und Schadensminderungsobliegenheiten, wohingegen die Verhaltensnormen aus dem Vertrag oder Gesetz folgen würden und sich nur ausnahmsweise aus § 254 BGB unter Abwägung der betroffenen Rechtsgüter ergäben. Zu den Schadensfernhaltungsobliegenheiten soll die Mithilfe an medizinischen Heilungsbemühungen, der Hinweis auf mögliche Besonderheiten im Rahmen von Diagnose und Therapie, das Beachten von Medikationshinweisen und anderen Anordnungen sowie das Wahrnehmen verabredeter Termine zählen. In Sondersituationen könnten Obliegenheiten zu inhaltsgleichen Pflichten erstarken und hätten dann einen rechtlichen Doppelcharakter. Ein gesundheitsgeschädigter Patient habe den Schaden zu mindern und daher die Obliegenheit, sich einer Nachbehandlung zu unterziehen, eine Operation zu dulden und eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen.

3. Stellungnahme Obwohl vereinzelt ein Rechtsgrund für die Patientenmitwirkung angegeben wird, mangelt es allen Ansätzen an einer theoretisch argumentativen Abgrenzung zwischen Rechtspflichten und Obliegenheiten allgemein sowie speziell für das (Zahn)Arzt-Patienten-Verhältnis26. Erst dadurch kann die Teilhabeverantwortung in rechtsdogmatisch begründeter Weise klassifiziert werden. Im Übrigen erscheint es keineswegs zwingend, die Patientenmitarbeit absolut geradlinig als Rechtspflicht oder Obliegenheit aufzufassen. Vielmehr ist durchaus denkbar, dass sie sich als Gemisch aus beiden Kategorien präsentiert. Demzufolge sollte die Beteiligung des Patienten nicht als kompaktes Bündel betrachtet, sondern zerlegt in einzelne Mitwirkungsakte rechtlich untersucht werden. Auch hierfür bedarf es einer rechtstheoretischen Grundlegung, an der es gerade fehlt. Die Ursache für diese Misslichkeit scheint darin zu liegen, dass die Thematik der Patientenbeteiligung bislang nicht ernsthaft diskutiert und somit in erkenntnistheoretischer Hinsicht vorangetrieben wurde. Sofern die Patientenpflichten und -lasten überhaupt erwähnt werden, erschöpft sich der Beitrag entweder in einer meist nicht begründeten Hypothese oder dem Aufgreifen einer bereits vertretenen Auffassung. Mitunter zielt die rechtliche Typisierung der Mitwirkungsverantwortung eines Patienten auf die Eröffnung einer bestimmten Rechtsfolge27. Gelegentlich wird auch die rechtliche Grundlage für ___________ 26 So klärt etwa Conti, Die Pflichten des Patienten im Behandlungsvertrag, nicht, was eine Patientenpflicht eigentlich ist und welche Wesensmerkmale ihr eigen sind. 27 Ein entsprechender Nachweis lässt sich für die schweizerische Arbeit von Conti führen. Infolge der Besonderheiten des schweizerischen Rechts, das mit Art. 44 OR die

A. Meinungsstand

19

etwaige Patientenpflichten und -lasten aus dem Auge verloren, wenn etwa die Teilhabeerfordernisse des Patienten im Verhältnis zum Mediziner und Krankenversicherer vermengt28 oder prozessuale Mitwirkungspflichten auf den Behandlungsvertrag gestützt werden29. Bislang ist weder die Herleitung der Patientenmitarbeit noch ihre Einstufung als Pflicht oder Obliegenheit geklärt. Vielmehr ist diese brisante Problematik in der Wissenschaft nur noch schwerlich zu durchdringen. Infolgedessen vermögen die Ansätze der Literatur, die sich hinsichtlich der Patientenmitwirkung auf deren Rechtscharakter beschränken, keine tragfähige Grundlage für die vorliegende Untersuchung zu liefern. Die angestrebte rechtsdogmatische Aufarbeitung der Patientenmitwirkung nötigt nämlich neben der Auseinandersetzung mit dem Rechtsverhältnis zwischen Mediziner und Patient, aus dem sich allein etwaige Patientenpflichten und/ oder -obliegenheiten ergeben können, auch zu einer Beschäftigung mit der Theorie von den Rechtssätzen.

II. Patientenmitwirkung als Compliance und Non-Compliance Ob die Patiententeilhabe über die Compliance sowie Non-Compliance in rechtlich zulänglicher Weise bewältigt werden kann, beurteilt sich nach Sinngehalt und Herkunft dieser abstrakten Termini. Unter Compliance versteht man die Befolgung (zahn)ärztlicher Anweisungen, mithin den Grad der Übereinstimmung des menschlichen Verhaltens bei der Einnahme von Arzneimitteln, der Befolgung einer Diät oder der Änderung des Lebensstils mit einer gesundheitlichen Anordnung30. In wortgetreuer Übersetzung bedeutet Compliance Einwilligung, Willfährigkeit oder Erfüllung. ___________ Anwendung des Mitverschuldens in das gerichtliche Ermessen stellt, entwickelt er demgegenüber einen zwingenden Lösungsweg. Dieser liegt für den Fall, dass ein Patient seine Verhaltenspflichten verletzt, in der pVV: Mit der Arzthaftung entstünde dem Mediziner seinerseits ein Vermögensschaden, den er wiederum im Verhältnis zum Patienten über einen eigenen Anspruch aus pVV geltend machen könne (S. 165 f.). Darüber gelangt er zur Rechtsfolge von § 254 BGB, sodass ein Patientenfehlverhalten allein Einfluss auf die etwaige (Zahn)Arzthaftung hat. 28 So ziehen etwa Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 78 Rn. 3, die §§ 60 ff. SGB I als Rechtsgrundlage für die Patientenpflichten gegenüber dem (Zahn)Arzt heran, obwohl diese ausschließlich im Sozialversicherungsverhältnis, also zwischen Kassenpatient und Krankenkasse, Anwendung finden. 29 Vgl. Conti, S. 154 ff. 30 Haynes/ Taylor/ Sackett, S. 8. Ähnlich Friesewinkel in: Weber/ Gundert-Remy/ Schrey, S. 13 f.: „Unter Compliance verstehen wir die Willfährigkeit des Patienten, das

20

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

Das altbekannte Phänomen, dass Patienten vor allem (zahn)ärztliche Anordnungen über eine Medikamenteneinnahme nicht befolgen31, gewann mit dem Einsetzen wissenschaftlicher Forschungen zu dessen Ursachen32 und auf der Suche nach Strategien zur Verbesserung der Kooperationsbereitschaft des Patienten ab 1970 an Aktualität. Im Laufe der medizinsoziologischen und -psychologischen Untersuchungen wurde der angelsächsische Begriff von der Compliance als terminologisches Novum für das zentrale, keinesfalls neue Problem geprägt. Da sich die begriffliche Neuerung noch in den 70er Jahren als Schlagwort im Englischen entwickelte, hielt sie auch in der deutschen Forschung Einzug. Sowohl die Compliance als auch der terminologische Gegensatz der Non-Compliance, also ein die (zahn)ärztlichen Bestrebungen Infrage stellendes Verhalten, sind mittlerweile feste Bestandteile der medizinischen Fachliteratur33 und zeigen ihr Gewicht in gesundheitspolitischen Diskussionen. Denn eine mangelnde Patientenmitwirkung wie der Nichtgebrauch oder gar die Entsorgung verordneter Medikamente, wirkt nicht nur negativ auf das (Zahn)Arzt-Patienten-Verhältnis, sondern mit finanziellen Kosten für künftig oftmals gebotene Folgebehandlungen auch auf das gesamte Gesundheitssystem ein. Beide Begriffe haben zudem die Rechtswissenschaft vereinnahmt34, wobei deren Inhalt nicht in einem einheitlichen Sinne verstanden wird. So übernehmen Katzenmeier35 und Göben36 die ursprünglich von Haynes/ Taylor/ Sa___________ zu tun, was der Arzt ihm empfiehlt. Diese Bereitschaft reicht von der Kooperation bis zur preußischen Habt-Acht-Stellung. In der Prophylaxe reicht der Begriff darüber hinaus und betrifft auch den Gesunden, der ärztliche Ratschläge befolgt, um nicht krank zu werden.“ 31 Schon Hippokrates stellte fest: „… sie nehmen die verhaßten Heiltränke, weder Arzneien noch andere der Behandlung dienende Mittel nicht ein und sterben. Und solch Geschehnis wird dann dem Arzt in die Schuhe geschoben.“ (zitiert nach: Mayer/ Steinegg-Schonack, Kapitel 14, S. 22). 32 Zu den vielfältigen Ursachen vermitteln Steiner/ Vetter, SchwRM 1994, S. 889, 890 ff., durch die Analyse von 185 Publikationen zum Thema Compliance einen kompakten Überblick. Insofern liegen negative Einflussfaktoren in psychischen Erkrankungen, komplexen Therapiegeschehen (insbesondere Langzeittherapien sowie Änderung von Lebensgewohnheiten), ungenügenden und schlecht organisierten Nachkontrollen mit langen Intervallen wie auch in Kommunikationsproblemen zwischen (Zahn)Arzt und Patient. Keine klaren Korrelationen konnte für demographische Faktoren wie Alter, Geschlecht, Bildung und Sozialstatus festgestellt werden. 33 Vgl. dazu Fürniß/ Scheuermann/ Bergdolt/ Topf/ Wiesemann/ Nüssel in: Lang/ Arnold, S. 51. 34 Vgl. Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 78; Katzenmeier, S. 60 f.; Buddee, S. 157, 168; Göben, S. 45 und Conti, S. 85. 35 Katzenmeier, S. 60. 36 Göben, S. 45.

A. Meinungsstand

21

ckett37 für den medizinischen Bereich geprägte Definition der Compliance und bezeichnen damit den Grad der Kongruenz der Lebensgewohnheiten eines Patienten mit der (zahn)ärztlichen Anordnung. Dabei meine und betone Compliance eine Selbstverantwortung des Patienten bei der Durchführung von gebotenen therapeutischen Maßnahmen38. Uhlenbruck/ Kern39 und Conti40 verstehen darunter weitergehend nicht nur die Befolgung medizinischer Verhaltensanweisungen, sondern jede für den Behandlungserfolg notwendige Patientenkooperation: Dazu zählten die gemeinsame Anamneseerhebung, die Teilhabe an der Behandlung und das Befolgen medizinischer Anordnungen. Falls der Rechtscharakter der Patienten-Compliance in der Literatur erwähnt wird, erschöpft sich dies häufig in der Anmerkung, es handele sich um eine vertragliche Nebenpflicht41 oder aber eine Obliegenheit42. Wird in der Compliance als Grundbaustein des Behandlungserfolges eine echte Rechtspflicht gesehen, so soll sie nicht einklagbar und erzwingbar sein43. Sofern die Patientenmitarbeit aber als Nebenpflicht eingestuft werde und deshalb bei Missachtung unmittelbar sanktioniert werden könne, würde das Selbstbestimmungsrecht relativiert. So favorisiert Göben44 die Anerkennung der Compliance als Obliegenheit. Resümierend stellt sich die Erfassung der Patiententeilhabe als Compliance für den Bereich der Rechtswissenschaft allein als terminologische Neuerung dar, die wegen des Fortbestehens der zuvor angeführten Probleme keinen weiteren Zugewinn bringt. Die Frage nach der Rechtsnatur einschließlich einer erforderlichen Abgrenzung zwischen den in Betracht kommenden rechtlichen Kategorien der Verhaltensgebote, also der Rechtspflicht und Obliegenheit, sowie zu den außerrechtlichen Normen wird nur verlagert, nicht jedoch geklärt. Folgender Bemerkung zur Compliance durch Luban-Plozza/ Knaak/ Dickhaut45 muss daher vollends zugestimmt werden: „Die Vorliebe für Fremdwörter gipfelt darin, letztere für umso wissenschaftlicher zu halten, je fremdartiger sie sind, und wirkt sich so mitunter selbstauflösend aus. Dies

___________ 37

Haynes/ Taylor/ Sackett, S. 8. Katzenmeier, S. 61. 39 Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 78 Rn. 1. 40 Conti, S. 85. 41 Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 78 Rn. 2 sowie Conti, S. 86, 134. 42 Göben, S. 46 ff. 43 Conti, S. 86, 134 wie auch Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 78 Rn. 5. 44 Göben, S. 48 f. 45 Luban-Plozza/ Knaak/ Dickhaut, S. 13. 38

22

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt gilt besonders, wenn die Begriffsschöpfung bereits als Erkenntnis angesehen wird und im Laufe der Zeit enttäuscht, weil ein greifbarer Inhalt fehlt.“

Beachtenswert erscheint insbesondere, dass der originär für den medizinischen Forschungsbereich geprägte Terminus der Compliance lediglich ein faktisches, wünschenswertes Patientenverhalten bezüglich der (zahn)ärztlichen Anordnungen und Empfehlungen für die Therapiephase erfasst, ohne aber eine Aussage über die Rechtsnatur zu treffen. Folglich bietet eine Rekurrierung auf die Compliance, die ohnehin nur einen Ausschnitt der möglicherweise rechtlich relevanten Mitwirkungsverantwortung des Patienten inkorporiert, für eine juristische Auseinandersetzung keinen erkennbaren Vorteil und sichtlichen Erkenntniszuwachs. Unklar bleibt vielmehr, ob dem Patienten von der Rechtsordnung überhaupt eine Verpflichtung zur Teilhabe an medizinischen Präventions- und Versorgungsmaßnahmen auferlegt wird, worin gegebenenfalls ihr Rechtsgrund liegt und wie sie rechtlich strukturiert sind. Um diese Aspekte nicht über eine wissenschaftlich anmutende Terminologie zu verschleiern, sollte auf die Begriffe der Compliance und Non-Compliance im Arztrecht jedenfalls im Kontext der Patientenpflichten und -lasten verzichtet werden, was in der vorliegenden Arbeit auch geschieht.

III. Fortgang der Untersuchung Beide Wege, die durch die Literatur bisher beschritten und soeben aufgezeigt worden sind, überzeugen nicht. Infolgedessen wird nach einer eigenen Methodik verfahren: Dabei lautet die entscheidende Frage, ob der Patient aus einer rechtlichen Perspektive zur Mitwirkung herangezogen werden kann. Dies richtet sich nach dem Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Mediziner, das demnach vorrangig zu qualifizieren ist. Um die daraus ableitbaren Verhaltensgebote in ein System der Rechtssätze einordnen zu können, ist in einem zweiten Schritt die Auseinandersetzung mit den Pflichten und Lasten vonnöten. Dabei geht es hauptsächlich um das Herausarbeiten des dogmatischen Unterschiedes zwischen den rechtlichen Normen der Pflichten und Lasten sowie den außerrechtlichen Geboten des eigenen Interesses. Mittels dieses theoretischen Ansatzes lassen sich sodann die einzelnen Teilhabeakte des Patienten in einer fallgruppenbezogenen Prüfung dem entsprechenden Normentypus zuweisen. Anlass für eine Patientenmitwirkung, die aus der Beziehung zum (Zahn)Arzt resultiert, können ganz unterschiedliche Situationen sein. Zunächst kommt die Behandlung in Betracht, daneben aber auch der Umgang mit einem vom Mediziner verursachten Gesundheitsschaden und das Verhalten während eines Arzthaftungsprozesses. Die verschiedenen Rechtskontakte, die im (Zahn)Arzt-

A. Meinungsstand

23

Patienten-Verhältnis bestehen können und rechtliche Grundlage für die Mitwirkungsverantwortung des Patienten sind, so etwa der Behandlungsvertrag für die medizinische Versorgung oder das gesetzliche Schuld- und Prozessrechtsverhältnis infolge eines (zahn)ärztlichen Behandlungsfehlers, zwingen zu einer gesonderten Betrachtung. Diese vollzieht sich dreistufig, wobei der Schwerpunkt eindeutig auf dem ersten Abschnitt liegt. Daher geht es zunächst um die Pflichten- und Lastenstellung des Patienten bei einer medizinischen Versorgung. Eine solche kann etwa im pünktlichen Erscheinen zum verabredeten Behandlungstermin, dem Hinweis auf anamnestische Auffälligkeiten oder therapeutische Besonderheiten, der Mitwirkung am (Zahn)Arzt-Patienten-Gespräch, der Billigung medizinisch indizierter Eingriffe oder dem Befolgen (zahn)ärztlicher Anweisungen liegen. Für den Fall, dass sich derartige Verhaltensgebote aus dem Behandlungsverhältnis ergeben, ließe sich die momentan überwiegend vorherrschende, inaktive Patientenrolle im Interesse einer ausgewogenen partnerschaftlichen (Zahn)Arzt-Patienten-Beziehung neu konzipieren. Der Behandelte wäre unter dieser Prämisse nämlich nicht mehr einseitig berechtigt, wie es augenblicklich unter Berufung auf die eigenen Rechte und Pflichten des Gegenübers leicht möglich ist46. In Abhängigkeit davon, ob der rechtlich statuierte Teilhabeakt als Verhaltensanforderung oder -erwartung ausgestaltet ist, zeitigt die Missachtung einer entsprechenden Pflicht oder Last unterschiedliche Folgen. Indem die Patientenpflicht eingefordert werden kann und die Nichtbeachtung einer Patientenlast rechtsnachteilig wirkt, liegt die Bedeutung hinsichtlich der Klassifizierung der Mitwirkungserfordernisse auf Seiten des Patienten nicht im formalen Bereich. Ein weiterer Abschnitt beschäftigt sich damit, ob und mit welchem Verbindlichkeitsgrad der infolge eines Behandlungsfehlers gesundheitsgeschädigte Patient einen Beitrag leisten muss. Denkbar erscheinen zunächst Andeutungen gegenüber dem (Zahn)Arzt bei einem spürbar veränderten Beschwerdebild als Basis für eine möglichst frühzeitige Aufdeckung des (zahn)ärztlichen Fehlverhaltens, Diskretion im Umgang mit dem Behandlungsfehler, wenn sich der (Zahn)Arzt um eine Wiedergutmachung der verwirklichten Gesundheitsbeeinträchtigung oder eine anderweitige Schadenskompensation ernstlich bemüht, sowie die Unterstützung von schadensmindernden oder -abwendenden Maßnahmen.

___________ 46

Teils findet sich die Forderung, die Patientenrechte und Medizinerpflichten auch durch Patientenpflichten anzureichern, vgl. Laufs, NJW 1999, S. 2717, 2718; Hennies, ArztR 2000, S. 116, 117; Hanau in: FS für Baumgärtel, S. 121.

24

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

Abschließend wird die Mitwirkung eines klagenden Patienten im Rahmen eines Arzthaftungsprozesses geklärt, worunter die Beweislastverteilung, die Befreiung des verklagten (Zahn)Arztes von seiner Schweigepflicht wie auch die Mitwirkung an nötigen Untersuchungen zwecks Erstellung eines Sachverständigengutachtens fallen.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung Dreh- und Angelpunkt dieses Abschnittes ist die Frage, ob und inwieweit ein Patient an der eigenen medizinischen Behandlung mitzuwirken hat. Muss er beispielsweise zum verabredeten Behandlungstermin erscheinen, auf anamnestische Besonderheiten oder ansteckende Krankheiten hinweisen, die Auswahl einer Therapie befördern, sich am Aufklärungsgespräch beteiligen, diagnostische oder therapeutische Maßnahmen nach einer erteilten Einwilligung dulden, den medizinischen Anordnungen zur Arzneimitteleinnahme gehorchen, verordnete Hilfsmittel tragen oder eine Diätanweisung und ein Rauchverbot befolgen? Was passiert, wenn er dies gerade nicht tut? Die Folgewirkungen einer mangelnden Patientenmitarbeit hängen vom Verbindlichkeitsgrad des Verhaltensgebotes ab, der rechtlicher oder außerrechtlicher Art sein kann. Rechtliche Handlungsvorgaben folgen einzig aus dem Behandlungsverhältnis, das zugleich auch den Typ des jeweiligen Rechtssatzes bestimmt. Wegen der Verzahnungen zwischen der Rechtsbeziehung, dem Rechtscharakter der Patientenmitwirkung und den Rechtsfolgen im Fall ihrer Missachtung lassen sich die aufgeworfenen Fragen nicht vorschnell beantworten. Vielmehr bedarf es des angedeuteten methodischen Vorgehens, weshalb vorrangig die Rechtsbeziehung von (Zahn)Arzt und Patient zu untersuchen ist und darauf die Mitwirkungserfordernisse des Patienten dogmatisch zu erfassen sind. Da etwaige Patientenpflichten und -lasten allein aus dem Behandlungsverhältnis herrühren können47, spielt dessen rechtliche Qualifizierung und inhaltliche Ausgestaltung eine besondere Rolle. Für den Privatpatienten – also denjenigen, der entweder unversichert, privatversichert oder auf Kostenerstattungsbasis freiwillig sozialversichert ist oder als Gesetzlichversicherter auf seinen ___________ 47 Vgl. auch Kothe, AcP 185, S. 105, 152 ff.; Wiethölter, 105 f. Als Rechtsgrundlage werden sporadisch auch die §§ 60 ff. SGB I (so Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 78 Rn. 3) oder der Partnerschaftsgedanke (dafür Hanau in: FS für Baumgärtel, S. 121, 136 sowie Katzenmeier, S. 59) herangezogen, was jedoch nicht überzeugen kann.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

25

Sozialversicherungsschutz verzichtet – bereitet dies keine besonderen Schwierigkeiten. In diesem Fall schließen Mediziner und Patient den sogenannten Behandlungsvertrag. Ob auch bei der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung eines Kassenpatienten ein solcher Behandlungsvertrag zustande kommt, ist nach wie vor umstritten. Folglich müssen die Behandlungsverhältnisse vom Privat- und Kassenpatienten gesondert untersucht werden, was auf den ambulanten Bereich beschränkt werden soll. Anschließend wird die Dogmatik der rechtlichen Verhaltensnormen dargelegt, worauf letztlich die fallgruppenbezogene Prüfung der Teilhabeerfordernisse des Privat- und Kassenpatienten gründet. Zu den rechtlichen Verhaltensnormen, die über ein vertragliches Schuldverhältnis gebündelt werden, zählen die Pflichten und Lasten. Diese Kategorisierung ist das Ergebnis eines eigenen Ansatzes. Ausgehend vom vertraglichen Schuldverhältnis werden die Pflichten und Lasten zunächst inhaltlich ausgeformt und gegeneinander abgegrenzt, ehe sie für das Behandlungsverhältnis wegen der arztrechtlichen Besonderheiten zu spezifizieren sind. Anhand dieser Rechtstheorie werden auserwählte Mitwirkungsakte eines Patienten bei seiner medizinischen Behandlung auf ihren Rechtscharakter untersucht und davon ausgehend die Rechtsfolgen für den Fall ihrer Vernachlässigung aufgezeigt. Maßgeblich für die Herleitung und Einordnung der rechtlich gefassten Mitwirkungserfordernisse eines Patienten ist neben der Art des Behandlungsverhältnisses auch dessen inhaltliche Gestaltung, die Aufschluss über die Reichweite der Patiententeilhabe gibt. Sie kann je nach Gattung der zugrunde liegenden Rechtsbeziehung einen unterschiedlichen Ausgangspunkt haben, sodass relevant ist, ob durch den (Zahn)Arzt-Patienten-Kontakt eine privatrechtliche Vertragsbeziehung begründet wird oder ein gesetzliches, dem öffentlichen oder bürgerlichen Recht zugehöriges Schuldverhältnis entsteht. Für den Kassenpatienten, der ebenso wie der Vertrags(zahn)arzt in ein komplexes Leistungserbringungssystem des Krankenversicherers eingebunden ist48, werden die aufgezeigten rechtlichen Alternativen in voller Bandbreite vertreten. Anders als beim Privatpatienten kann demnach nicht ohne weiteres vom Abschluss des Behandlungsvertrages ausgegangen werden, was eine Unterscheidung zwischen Privat- und Kassenpatienten erforderlich macht49. Dabei richtet sich die Zuordnung nicht ausschließlich nach dem krankenversicherungsrechtlichen Schutz. ___________ 48

Siehe dazu im 1. Kapitel A. Eine solche Differenzierung findet sich jedenfalls nicht in der arztrechtlichen Literatur, die umfassend von einem privatrechtlichen Behandlungsvertrag ausgeht. Vgl. statt vieler Hart, Jura 2000, S. 14, 15, Fuchs, ArztR 1996, S. 319; Funke, S. 20; Göben, S. 4; Rehborn, S. 32; Tiemann, Das Recht in der Arztpraxis, S. 139. 49

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

26

Als Privatpatient gilt nämlich derjenige, der gegenüber dem (Zahn)Arzt zur Honorarzahlung verpflichtet ist. Dies trifft typischerweise für unversicherte sowie privatversicherte Personen zu, aber auch für Sozialversicherte, die ausnahmsweise auf Kostenerstattungsbasis mit der Krankenkasse abrechnen dürfen oder sich außerhalb des Sozialversicherungsschutzes bewegen oder zugunsten einer privatmedizinischen Versorgung darauf verzichten50. Ein Kassenpatient hingegen realisiert mit der Inanspruchnahme einer vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung seinen darauf gerichteten Anspruch gegen die Krankenkasse51. Vorrangig soll der Behandlungsvertrag als rechtlicher Rahmen einer privat(zahn)ärztlichen Versorgung nach der Art sowie seinem zeitlichen und inhaltlichen Geltungsbereich untersucht werden. Wegen des ihm zugeschriebenen Modellcharakters52 wird damit dem juristischen, nicht aber statistischen Normalfall Rechnung getragen, denn mittlerweile ist die Bevölkerungsmehrheit zwangsweise Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Ausführungen zur einst klassischen Privatbehandlung erleichtern aber die Überlegungen zur rechtlichen Qualifizierung eines vertrags(zahn)ärztlichen Behandlungsverhältnisses, die nämlich nach wie vor Schwierigkeiten bereitet.

I. Privatrechtlicher Behandlungsvertrag beim Privatpatienten Bei der Behandlung eines Privatpatienten durch den niedergelassenen, frei praktizierenden (Zahn)Arzt stehen sich die Parteien als privatautonome Vertragspartner gegenüber und schließen einen Kontrakt, der üblicherweise als Behandlungs- oder (Zahn)Arztvertrag bezeichnet wird53. Jenes Rechtsverhält___________ 50

Fraglich ist, ob ein Vertrags(zahn)arzt die in seiner Praxis vorgehaltenen Leistungen aus wirtschaftlichen Erwägungen den gesetzlich Krankenversicherten ausschließlich als privat(zahn)ärztliche Behandlungsmaßnahme anbieten darf. Zur Problematik LSG Nordrhein-Westfalen MedR 1999, 238 sowie Schiller/ Steinhilper, MedR 2001, S. 29 ff. 51 A.A. Funke, S. 2, die als Kassenpatienten denjenigen versteht, für den ein Sozialversicherungs- oder Sozialhilfeträger bzw. eine Versorgungsbehörde die (zahn)ärztlichen Behandlungskosten übernimmt. Demnach fallen wohl auch die sozialversicherten Patienten, für die ausnahmsweise das Kostenerstattungsprinzip gilt, darunter. 52 Deutsch/ Spickhoff, Rn. 87 sowie Laufs, Arztrecht, Rn. 87. 53 Ein solcher Vertrag fehlt nur in Ausnahmefällen, etwa bei der Erstversorgung eines bewusstlosen Patienten. Die medizinische Betreuung erfolgt dann als Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 677 ff. BGB, die in dieser Sonderkonstellation dem Behandlungsvertrag weitgehend angenähert ist: Der behandelnde (Zahn)Arzt erhält nicht nur Aufwendungsersatz, sondern volle Vergütung gemäß § 683 iVm § 1835 Abs. 3 BGB, weshalb auch die Anwendung der Haftungsprivilegierung aus § 680 BGB unangemessen erscheint. Folglich wird mitunter ein faktisches Vertragsverhältnis angenommen, so Luig in: Gitter/ Huhn/ Siegbert/ Luig/ Reich/ Tempel/ Weyers, S. 223, 228 und Deutsch/ Spickhoff, Rn. 83 f.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

27

nis, aus dem sich ein Bündel von Rechten und Pflichten für wie gegen die Vertragsparteien ergibt, gehört zum Schuldverhältnis im weiteren Sinn54. Für den Behandlungsvertrag ist daher das zweite Buch des BGB mit seinem „Recht der Schuldverhältnisse“ maßgeblich, darin aber nicht explizit geregelt. Als Schuldverhältnis weist der Behandlungsvertrag einige Eigentümlichkeiten auf, die im Folgenden ebenso wie eine mögliche Beeinflussung der (Zahn)Arzt-PatientenBeziehung durch den Krankenversicherungsschutz aufgezeigt und geklärt werden sollen.

1. Behandlungsvertrag als Schuldverhältnis Formaljuristisch schuldet der (Zahn)Arzt die medizinische Betreuung zur Gesundheitserhaltung oder Heilung einer Erkrankung nach dem jeweils geltenden Standard wissenschaftlicher Erkenntnisse und der Patient die Honorarzahlung. Diese Umreißung genügt dem (Zahn)Arzt-Patienten-Kontakt indes nicht, denn er ist „weit mehr als eine juristische Vertragsbeziehung“55. Da der Patient teils intime Informationen zu offenbaren hat und üblicherweise sein Körper in Augenschein genommen wird, ist sein privater Lebensbereich im erheblichen Maße tangiert: „In den Vertrag wird der gesamte Persönlichkeitsbereich beider Parteien einbezogen: Der Patient muss sich dem Arzt in vollem Umfange anvertrauen, und der Arzt muss seine gesamte Persönlichkeit für den kranken Menschen einsetzen; hier geht es nicht allein um wirtschaftliche Leistungen ..., sondern um die gesamte durch Krankheit und Tod bedrohte Existenz.“56

Entscheidend für eine effiziente Zusammenarbeit ist gegenseitiges Vertrauen, das prägend für die Behandlungsbeziehung ist und zugleich in ihr wurzelt57. Zur Aufgabe des Rechts zählt daher, die Bedingungen für das Entstehen und Fortbestehen des nötigen Vertrauens zu schaffen. Dieses Vertrauensmoment erlangt bei der inhaltlichen Gestaltung des Behandlungsvertrages ebenso Bedeutung wie das verfassungsrechtlich abgesicherte Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Über das Selbstbestimmungsrecht kann der Patient eine medizinische Versorgung auch entgegen ihrer eigentlichen Indikation beschränken. Ge___________ 54

Im Gegensatz zum Schuldverhältnis im engeren Sinn stellt das Schuldverhältnis im weiteren Sinn ein komplexes Gebilde mit einer Vielzahl von Forderungen, Ansprüchen und Pflichten dar, vgl. nur Gernhuber, S. 7 ff. und Medicus, Schuldrecht I, Rn. 1 ff., 8. 55 Schmidt, in: Ponsold, S. 1, 2 und sodann BVerfG NJW 1979, 1925 ff., 1930. 56 Hollmann, ArztR 1977, S. 69, 70. 57 In dieser Weise Schlund, JR 1978, S. 313, 314; Fischer, GesW 1981, S. 539, 541; Lehrl/ Jeske/ Fischer, AiK 1982, S. 90 ff.; August, PA 1981, S. 3513, 3514.

28

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

rade diese Besonderheiten und die zeitliche Geltungsspanne des Behandlungsvertrages wirken sich auf die Existenz etwaiger Patientenpflichten oder -lasten aus, sodass diese Punkte kurz erörtert werden müssen.

a) Rechtliche Einordnung des Behandlungsvertrages Die fehlende Kodifizierung des Behandlungskontrakts im BGB wirkt wegen der im Schuldrecht geltenden Vertragsformfreiheit nach §§ 241; 305 BGB nicht hinderlich. Möglicherweise entspricht aber die faktische Struktur des Behandlungsvertrages einem im 8. Abschnitt vom Zweiten Buch des BGB geregelten Schuldverhältnis. Literatur58 wie Rechtsprechung59 klassifizieren die Behandlungsbeziehung in Abgrenzung zum Werkvertrag60 überwiegend als Dienstvertrag iSd § 611 BGB, weil ein erstrebter Heilungserfolg nicht allein von der ärztlichen Kunst, sondern zugleich von der körperlichen und seelischen Verfassung des Patienten abhinge und der Arzt dies bloß schwerlich beeinflussen könne und daher nicht versprechen dürfe61. Aufgrund der Komplexität und Verschiedenheit des menschlichen Organismus sowie seiner weitreichenden Unkontrollierbarkeit durch unvorhersehbare Krankheitsverläufe und nie mit absoluter Sicherheit auszuschließende Risiken kann ein Behandlungserfolg trotz der enormen Fortschritte in der medizinischen Wissenschaft nicht garantiert werden. Daher wird der Arzt im Allgemeinen nicht für die Heilung einstehen, sondern sich rechtserheblich lediglich zur sorgfältigen, sachgemäßen und optimalen Behandlung lege artis verpflichten wollen62. Für gleichwohl ausbleibende Genesungen haftet der Mediziner nicht. Nur in Ausnahmefällen findet das Werkvertragsrecht Anwendung, etwa wenn der Charakter der ärztlichen Maßnahme eine Erfolgsgarantie zulässt oder die vom Arzt zu erbringende technische Leistung gegenüber der eigentlichen Dienstleistung überwiegt: Dies gilt für die Anfertigung von Pro___________ 58 Vgl. Weyers/ Mirtsching, JuS 1980, S. 317, 318 f.; Demberg, Jura 1987, S. 337; Schaffer, VersR 1993, S. 1458; Giesen, Rn. 7; Kern in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, 335 Rn. 2; Müller/ Glöge in: MüKo, vor § 611 Rn. 44 und Kraft in: Soergel, vor § 611 Rn. 104. 59 BGHZ 63, 306, 309; 76, 259, 261; 97, 273, 277; BGH NJW 1990, 761; OLG Düsseldorf NJW 1975, 595; OLG Koblenz, NJW-RR 1994, 52. 60 Laut Luig in: Gitter/ Huhn/ Siegbert/ Luig/ Reich/ Tempel/ Weyers, S. 223, 226, müsse hingegen je nach Konfliktsituation der Parteien eine darauf zugeschnittene Lösung gefunden werden müsse, was sowohl die Regeln über den Dienstvertrag als auch das Werkvertragsrecht leisten könne. 61 So BGH NJW 1975, 305, 306. 62 Weissauer-Hirsch, S. 184 f.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

29

thesen, Korsetts und Schuheinlagen63, eine Röntgenaufnahme (ausgenommen ihre Auswertung durch den Radiologen)64 und die Tätigkeit von Laborärzten etwa bei Harnuntersuchungen oder Blutgruppenbestimmungen65, nicht hingegen für Operationen66. Auch eine zahnärztliche Behandlung unterliegt grundsätzlich dem Dienstvertragsrecht67. Eine Sonderstellung nehmen zahnprothetische Maßnahmen68 ein, bei denen zwischen der Anfertigung einer Zahnprothetik als bloß handwerklich-technische Erstellung, die dem Werkvertragsrecht unterfällt, und der zahnmedizinisch-technischen Tätigkeit in Form der Planung sowie funktionsgerechten Eingliederung unterschieden wird.

b) Abschluss des Behandlungsvertrages Der Behandlungsvertrag kommt auf dem üblichen Weg durch korrespondierende, rechtswirksame69, auf Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtete Willenserklärungen sowie dem Konsens der Vertragsparteien über die essentialia negotii zustande. Parteien des Behandlungsvertrages sind im Normalfall der Patient und der behandelnde (Zahn)Arzt. Besonderheiten gelten beim Abschluss des Behandlungsvertrages für einen minderjährigen Patienten70 sowie bei einer (zahn)ärztlichen Praxiskooperation71. ___________ 63 Vgl. AG Krefeld NJW 1967, 1512, das für die Verordnung loser Schuheinlagen einen Werkvertrag annimmt und OLG Karlsruhe ArztR 1996, 33, das für Anfertigung und Anpassung einer Beinprothese zwischen der technischen Anfertigung (Werkvertrag) und der prothetischen Behandlung (Dienstvertrag mit werkvertraglichen Elementen) unterscheidet. 64 Buddee, S. 172. A.A. Lange, in: Heim, S. 139, der einen Dienstvertrag annimmt. 65 So Glanzmann in: RGRK, § 631 Rn. 166; Blank, Rn. 147. 66 In diesem Sinne Roesch, VersR 1979, S. 12, 13; Müller/ Grab, JuS 1985, S. 352 Fn. 2; Jung, S. 121; Glanzmann in: RGRK, § 631 Rn. 166. Für einen Werkvertrag dagegen Jakobs, NJW 1975, S. 1437, 1438, denn der Chirurg verspreche einen lege artis durchgeführten operativen Eingriff und damit letztlich einen technischen Erfolg. 67 Oexmann/ Georg, Rn. 1 ff. sowie Tiemann, Das Recht in der Zahnarztpraxis, S. 128 f. A.A. Barnikel, NJW 1975, S. 592; Jakobs, NJW 1975, S. 1437, 1440, die den Zahnarztvertrag allgemein als Werkvertrag einstufen. 68 Grundlegend BGHZ 63, 306, 309. Ebenso OLG Koblenz VersR 1993, 1486 sowie OLG Köln MedR 1994, 198. 69 Zu möglicherweise sittenwidrigen, mithin nichtigen Behandlungsverträgen vgl. Uhlenbruck/ Laufs in: Laufs/ Uhlenbruck, § 45, Rn. 35 ff. 70 Da sich regelmäßig die sorgeberechtigten Eltern mit ihrem Kind in die Sprechstunde begeben, schließen sie den Behandlungsvertrag mit dem (Zahn)Arzt. Dabei ist stets nach den konkreten Umständen des Einzelfalles zu prüfen, ob sie als gesetzliche

30

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

In Anbetracht des nötigen Vertrauensverhältnisses besteht zugunsten des Patienten eine freie (Zahn)Arztwahl und grundsätzlich kein Kontrahierungszwang des (Zahn)Arztes. Beides gewährleistet die Vertragsabschlussfreiheit als Ausprägung der Privatautonomie. Eine Vertragsabschlusspflicht seitens des Mediziners soll ausnahmsweise bei dauerhaften Kontakten im Rahmen der hausärztlichen Betreuung anzunehmen sein72, nicht jedoch bei der Versorgung medizinischer Notfälle73. Mitunter wird auch eine allgemeine Berufspflicht zur Übernahme erbetener Behandlungen angenommen74, worauf sich das Verbot einer unsachlichen, willkürlichen Abweisung behandlungsbedürftiger Kranker gründen soll75, und in Anbetracht des (zahn)ärztlichen Honorarinteresses eine Quasi-Abschlusspflicht konzipiert. Da in der Regel keine schriftliche noch ausdrücklich mündliche Vereinbarung zwischen dem Mediziner und Patienten getroffen wird, bleibt die Frage, ab wann der Behandlungskontrakt als geschlossen gelten kann und infolgedessen eine gegenseitige Rechte-, Pflichten- und Lastenstellung begründet ist. Regelmäßig sucht ein Patient einen per Praxisschild ausgewiesenen (Zahn)Arzt wegen einer Erkrankung oder aus Präventionsgründen auf und bittet entweder um eine Terminvereinbarung, sofortige Behandlung oder bestellt je nach Bedarf einen Hausbesuch. Welchen Handlungen dabei der Erklärungswert eines Angebotes und der Annahme zukommt, entscheidet die beiderseitige Interessenlage. Jedenfalls stellt die Niederlassung eines Mediziners noch kein Ange___________ Vertreter des Kindes gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB auftreten und ihr Kind deshalb selbst Vertragspartei wird oder ob sie in Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht im eigenen Namen und auf eigene Rechnung rechtsgeschäftlich tätig werden. Im letzteren Fall muss wiederum differenziert werden, ob ein echter Vertrag zugunsten des Kindes iSd § 328 BGB vorliegt oder der Minderjährige bloß von der Schutzwirkung des elterlichen Behandlungsvertrages erfasst wird. Eingehend dazu Uhlenbruck, ArztR 1976, S. 341 ff. 71 Während bei der Praxisgemeinschaft die gemeinsame Nutzung der Praxisräumlichkeiten, Einrichtungen und Apparate sowie die Auslastung des nicht (zahn)ärztlichen Personals im Vordergrund steht und der Behandlungsvertrag daher zwischen dem behandelnden Mediziner und seinem Patienten zustande kommt, ist bei der Behandlung durch den (Zahn)Arzt einer Gemeinschaftspraxis als fachliche Kooperationseinheit die Gesellschaft selbst Vertragspartner. 72 So Luig in: Gitter/ Huhn/ Siegbert/ Luig/ Reich/ Tempel/ Weyers, S. 223, 230. Ähnlich Deutsch/ Spickhoff, Rn. 80. 73 A.A. Conti, S. 12, der für Notfallsituationen die Kontrahierungspflicht als ungeschriebenen Rechtssatz des Privatrechts postuliert. Dies verkennt aber, dass professionelle medizinische Hilfe in Notfällen nicht vom Abschluss eines Behandlungsvertrages abhängt, sondern vielmals schon aus § 323 c StGB folgt. 74 Luig in: Gitter/ Huhn/ Siegbert/ Luig/ Reich/ Tempel/ Weyers, S. 223, 230 sowie Laufs, Arztrecht, Rn. 102. 75 Zur Abweisung HIV-infizierter Patienten und Anhängern extremer politischer Parteien vgl. Eberbach, AIFO 1987, S. 281, 282 f. sowie Hecker, MedR 2001, S. 224 ff.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

31

bot seinerseits dar76, da andernfalls der Vertrag bereits infolge des Behandlungsbegehrens zustande käme und eine solche Bindungswirkung durch den Mediziner unter Berücksichtigung seiner möglicherweise bereits ausgeschöpften Kapazitäten sowie des über § 627 Abs. 2 BGB beschränkten Kündigungsrechts nicht gewollt ist. Rechtstechnisch lässt sich der Hinweis eines Mediziners auf dessen Niederlassung also nur als invitatio ad offerendum erfassen. Demzufolge richtet der Patient mit seiner Bitte um einen Behandlungstermin oder eine kurzfristige Konsultation, nicht dagegen mit dem Betreten der Praxis ein Angebot an den Mediziner. Dass der Patient den (Zahn)Arzt bis dahin angesichts der üblichen Terminierung durch das Hilfspersonal normalerweise noch nicht gesehen hat, steht dem nicht entgegen und höhlt das (Zahn)Arztwahlrecht nicht aus. Die eingegangene Verbindung kann seitens des Patienten jederzeit und voraussetzungslos nach § 627 Abs. 1 BGB beseitigt werden. Die Annahmeerklärung liegt in der Zusage einer kurz- oder langfristigen Eintaktung in den Arbeitsablauf, zumeist durch die Sprechstundenhilfe als Vertreterin des (Zahn)Arztes nach § 164 Abs. 1 BGB. Folglich wird der Behandlungsvertrag in dem frühen Moment der Terminvergabe bzw. Behandlungszusage geschlossen. Zu beachten ist die Beschränkung des Vertragsverhältnisses auf die jeweils zu behandelnde Krankheit oder den Beratungsbedarf. Auch die hausärztliche Betreuung begründet keine Dauerrechtsbeziehung, sodass für jede neuerliche Inanspruchnahme wiederum ein Kontrakt zu schließen ist77. Überweist der erstbehandelnde Mediziner an einen Fach(zahn)arzt zwecks Durchführung besonderer Diagnosemaßnahmen oder Weiterbehandlung, kommt auch in der Sekundärbeziehung stillschweigend ein neuer eigenständiger Behandlungsvertrag zustande78, denn der Spezialist ist mangels Einflussnahme durch den überweisenden (Zahn)Arzt nicht dessen Erfüllungsgehilfe79. Das gilt ebenso, wenn der hinzugezogene Kollege nicht direkt vom Patienten aufgesucht wird, wie bei der Bewertung einer Probe durch den Pathologen. Hier kommt der Vertrag mit dem Zusenden der Körperausscheidungen oder Gewebeproben zustande80. ___________ 76 Bösche, ÄM 1956, S. 263; Stern, SozVers 1976, S. 206, 207; Hecker, MedR 2001, S. 224. 77 Laufs, Arztrecht, Rn. 67, Fn. 111 sowie Luig, in: Gitter/ Huhn/ Siegbert/ Luig/ Reich/ Tempel/ Weyers, S. 223, 230. A.A. Hart, Jura 2000, S. 14, 15, der im Hausarztvertrag ein auf Dauer angelegtes Schuldverhältnis sieht. 78 Rehborn, S. 37 ff.; Uhlenbruck in: Laufs/ Uhlenbruck, § 46 Rn. 14; Kern in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, 335 Rn. 28. 79 BGH MedR 1999, 561; Westermann, NJW 1974, S. 577, 580. A.A. Kohlhaas, DMW 1971, S. 132. 80 Rehborn, S. 38 und Kern in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, 335 Rn. 29.

32

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

c) Inhalt des Behandlungsvertrages unter Maßgabe des Patientenselbstbestimmungsrechts Normalerweise finden zwischen (Zahn)Arzt und Patient keine langwierigen Verhandlungen über einen möglichen Vertragsinhalt statt. Das Übliche soll gelten, soweit keine gesetzlichen Regeln eingreifen81. Gegenstand des Behandlungsvertrages ist eine medizinische Versorgung im Krankheitsfall oder zu dessen Prävention. Im Zeitpunkt der Einschaltung des Mediziners schildert der Patient seine Beschwerden und deren Symptomatik, die einen Diagnoseverdacht begründen, den es abzusichern gilt. Ob ein Krankheitsbild vorliegt und welche Behandlungen indiziert sind, lässt sich in Anbetracht des hochkomplexen individuellen Sachverhaltes wie auch der Vielfalt von Krankheiten und den dazu korrespondierenden medizinischen Behandlungsmaßnahmen zumeist nicht von vornherein eindeutig bestimmen. Mithin verkörpert der auf die Diagnose, Therapie und Nachsorge bezogene Behandlungsvertrag zuerst ein notwendigerweise offenes Schuldverhältnis82, wodurch der Mediziner zur umfassenden Anamnese, sachgemäßen Untersuchung der Beschwerden, Erhebung von Befunden und ihrer nosologischen Auswertung verpflichtet ist83. Letzteres, also die Zuordnung der Beschwerden zu einem bekannten Krankheitsbild, konkretisiert die jeweilige (Zahn)Arzt-Patienten-Beziehung. Will der Patient aber nur eine medizinische Zweitmeinung einholen, beschränkt sich der Vertrag auf eine Diagnosestellung. Letztlich hängt die Reichweite einer Behandlung vom Patientenwillen ab. Das Selbstbestimmungsrecht überlässt dem Patienten die volle Entscheidungsbefugnis über seinen Körper84, also vor allem das ob und wie einer (zahn)ärztlichen Behandlung. Ein Kranker kann folglich ein medizinisches Vorgehen jederzeit ablehnen und der (Zahn)Arzt muss dieses Veto selbst bei großer Unvernunft respektieren85. Das gilt gleichermaßen, wenn der Patient die Heilung einer lebensgefährlichen Erkrankung oder eine Linderung beim unheilbaren Krankheitsverlauf durch intensivmedizinische Betreuung zurückweist und damit seine Körperintegrität infolge einer autonomen Entscheidung preisgibt. Gerechtfertigt wird dies durch die Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts als ___________ 81 Luig in: Gitter/ Huhn/ Siegbert/ Luig/ Reich/ Tempel/ Weyers, S. 223, 227: „Wer sich in die Behandlung eines Arztes begibt, unterwirft sich gleichsam der üblichen Regelung dieses Vertragsverhältnisses.“ 82 In dieser Weise Niemann, S. 86. 83 Neuefeind, S. 21 sowie Funke, S. 22. 84 RGSt 25, 375, 381 ff.; BGHZ 29, 176; BGH NJW 1977, 338; 1992, 743; BGH VersR 1992, 2353; OLG München VersR 1993, 1529. 85 BGHZ 90, 103, 106; BGH VersR 1974, 752, 753; BGH NJW 1980, 2751, 2753.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

33

Ausfluss des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG86 oder Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG87. In das privatrechtliche (Zahn)Arzt-Patienten-Verhältnis wirkt es vermittelt über auslegungsbedürftige Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe hinein. Aus dem Behandlungsvertrag ergeben sich vielfältige Rechte und Pflichten beider Seiten. Ein Mediziner ist zur kunstgerechten Behandlung, Aufklärung, Anlegung und Führung einer korrekten medizinischen Dokumentation durch schriftliche Aufzeichnungen wie auch zur Verschwiegenheit verpflichtet. Ferner muss er die geschuldete Dienstleistung prinzipiell persönlich erbringen, womit die urlaubs- oder krankheitsbedingte Vertretung durch einen Kollegen oder die Hinzuziehung von Hilfskräften im nötigen Umfang nicht versagt wird. Erfordern medizinische Maßnahmen eine Beteiligung des Patienten, muss der Mediziner ihn dazu anleiten und motivieren, die Folgen entgegengesetzten Verhaltens aufzeigen und versuchen, umständehalber vorhandene psychische Sperren gegen (zahn)ärztlich angeratene Schritte zu beseitigen88. Bei alledem darf das Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht unterlaufen werden, sodass sich das medizinische Vorgehen bei einer eigenverantwortlichen Patientenentscheidung daran auszurichten hat. Falls sich der Patient hingegen unbewusst oder nicht willentlich etwa durch Vergessen einer Aufklärung oder Verhaltensanweisung gesundheitlich gefährdet, muss der Mediziner wiederum einschreiten. Das bedeutet zugleich, dass eine rechtlich abverlangte Patientenmitwirkung stets am Selbstbestimmungsrecht zu messen ist. Auch wenn sich der Patient auf eine Therapie bereits eingelassen hat, ist sein Selbstbestimmungsrecht nicht beschränkt. Daher kann er von einem Behandlungskonzept jederzeit Abstand nehmen, sei es aufgrund einer bewussten Entscheidung oder aber aus eigener Nachlässigkeit. Eine Heilung oder Linderung des Leidens beansprucht den Patienten nämlich umfassend und vor allem vollzeitlich, beispielsweise über die ständige Konsultation eines (Zahn)Arztes, eine dosis- und zeitgerechte Medikamenteneinnahme oder die Umstellung von Ernährungs- und Lebensgewohnheiten. Vor einer solchen Verkürzung der persönlichen Entfaltung schützt das Selbstbestimmungsrecht den Patienten89. ___________ 86 So bereits BVerfGE 52, 131, 174 f.; 89, 120, 130, wonach der Kranke durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG das Selbstbestimmungsrecht über seine leiblich-seelische Integrität habe, also nicht nur die Unversehrtheit der körperlichen Substanz des Menschen, sondern auch die darauf bezogene Willenssphäre des Einzelnen geschützt sei. Vgl. im übrigen Lorenz in: Isensee/ Kirchhof, § 128 Rn. 3, 64 f.; Stern, S. 641 f.; Francke, S. 104 f.; Hartwig, S. 97 und Heide, S. 191 ff. 87 Dafür Hanika, MedR 1999, S. 149, 157; Weißauer, in: Lang/ Arnold, S. 113, 115. 88 BGH NJW 1986, 2367. 89 Daraus erklärt sich der Unterschied zum Arbeitsrecht, wo die allgemeine Handlungsfreiheit des Arbeitnehmers mit Abschluss des Arbeitsvertrages beschränkt wird.

34

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

d) Beendigung des Behandlungsvertrages Theoretisch findet der Behandlungsvertrag mit Zeitablauf, Zweckerreichung oder durch Kündigung sein Ende. Das automatische Auslaufen eines Vertrages infolge eines vereinbarten Zeitraums dürfte selten sein, denn Art, Dauer sowie Umfang der Behandlung lassen sich kaum von Anfang an präzise abschätzen. Hingegen ist das Behandlungsziel mit der Genesung oder schlimmstenfalls dem Tod des Patienten erreicht. Eine konkludente, einverständliche Aufhebung des Behandlungsvertrages wird bei der Überweisung an einen Spezialisten zur Weiterbehandlung und der Einweisung ins Krankenhaus angenommen, nicht jedoch bei der Inanspruchnahme von Teilleistungen wie Labor- oder Gewebeuntersuchungen90. Jede Partei kann den Behandlungsvertrag gemäß § 627 Abs. 1 BGB ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist für beendet erklären. Dabei stellt § 627 Abs. 2 BGB sicher, dass der behandelnde (Zahn)Arzt die Kündigung nicht zur Unzeit ausspricht, also in einem Stadium, in welchem der Patient dringend einer medizinischen, speziell seiner Hilfe bedarf. Wenngleich auch eine unzeitige Kündigung den Kontrakt rechtswirksam auflöst, ist sie mit einer Schadensersatzpflicht verbunden. Liegt allerdings ein wichtiger, das Vertrauensverhältnis erschütternder Grund91 vor, so kann der Arzt auch ohne Therapieübernahme durch einen Kollegen die Weiterbehandlung mittels Kündigung sanktionslos beenden.

2. Einfluss der Krankenversicherung auf das (Zahn)Arzt-Patienten-Verhältnis Ehe die Darstellung der privat(zahn)ärztlichen Behandlungsbeziehung abgeschlossen werden kann, ist kurz zu ergründen, ob und inwieweit eine bestehende Krankenversicherung das Rechtsverhältnis von (Zahn)Arzt und Privatpatient beeinflusst oder gar modifiziert.

___________ Allerdings müssen die Weisungen des Arbeitgebers nur bis zum Ende des jeweiligen Arbeitstages beachtet und ausgeführt werden, sodass sich ein berufstätiger Mensch jenseits seiner abhängigen Beschäftigung frei und selbstbestimmt entfalten kann. Ein vergleichbarer Spielraum für die persönliche Entfaltung bleibt dem Patienten nicht, weil der Behandlungsplan ihn meist völlig vereinnahmt. 90 Uhlenbruck in: Laufs/ Uhlenbruck, § 46 Rn. 14. 91 Zu den hohen Anforderungen wie etwa eine fortgesetzte Verleumdung durch den Patienten vgl. Neuefeind, S. 30 und Deutsch/ Spickhoff, Rn. 99.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

35

Mehrheitlich sind auch die Privatpatienten krankenversichert, wobei es regelmäßig um private und nur selten sozialversicherungsrechtliche Absicherungen gehen wird. Ein Mitglied der gesetzlichen Krankenkasse erlangt den Status des Privatpatienten, wenn es als Freiwilligversicherter nach § 13 Abs. 2 SGB V Kostenerstattung gewählt hat oder als Pflichtversicherter eben keine vertrags(zahn)ärztliche Versorgung beansprucht und sich somit außerhalb des Versicherungsschutzes bewegt. In diesen Konstellationen kann unabhängig von der Art des Krankenversicherungsschutzes keine direkte medizinische Versorgung vom Versicherer, sondern lediglich die Erstattung der Behandlungskosten verlangt werden. Mithin müssen sich die Versicherten selbst eine medizinische Betreuung über den Abschluss eines darauf gerichteten Vertrages beschaffen. Aus dieser Rechtsbeziehung sind allein der (Zahn)Arzt und Patient berechtigt und verpflichtet. Zu einer Überformung durch das Versicherungsverhältnis kommt es nicht, da Schuldverhältnisse nur relativ, also inter partes wirken. Daher müssen die verschiedenen Rechtsbeziehungen eines Privatpatienten, der Behandlungsvertrag einerseits und das Versicherungsverhältnis andererseits, als mögliche Grundlage für die Patientenpflichten und -lasten strikt auseinander gehalten werden. Obwohl der Krankenversicherungsschutz in rechtlicher Hinsicht keinen Einfluss auf das (Zahn)Arzt-Patienten-Verhältnis nimmt, besteht dennoch eine mittelbare faktische Rückwirkung. Sofern der Versicherte beruhend auf dem Krankenversicherungsverhältnis rechtsverbindlich zu einer behandlungsbezogenen Mitarbeit herangezogen wird, liegt darin eine Determinante für die Kooperation zwischen (Zahn)Arzt und Patient. Schuldet der Patient beispielsweise seinem behandelnden (Zahn)Arzt und dem Krankenversicherer die konsequente Medikamenteneinnahme, so wird dieser Rechtssatz über die doppelte Sanktionsandrohung verstärkt und erlangt dadurch einen höheren Bedeutungsgehalt.

II. Rechtsverhältnis zwischen Vertrags(zahn)arzt und Kassenpatient An dieser Stelle sei nochmals erwähnt, dass weder der Kranke, der auf den Sozialversicherungsschutz verzichtet oder eine davon nicht erfasste Behandlung begehrt, noch ein auf Kostenerstattungsbasis abrechnender Freiwilligversicherter zu den Kassenpatienten zählt. Demzufolge geht es um den Patienten, der die medizinische Versorgung unmittelbar von seiner Krankenkasse beansprucht. Der Gesetzgeber hat die Rechtsbeziehung zwischen Vertrags(zahn)arzt und Kassenpatienten nicht spezialgesetzlich normiert und damit den nötigen Spielraum für nach wie vor bestehende Meinungsverschiedenheiten bezüglich

36

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

ihrer Qualifizierung gelassen92. Es ist nicht nachvollziehbar, dass auch in jüngerer Zeit keine legislative Entscheidung zur Beendigung der Debatte getroffen wurde. Vielmehr enthält § 74 Abs. 4 SGB V nunmehr den streitauslösenden § 368 d Abs. 4 RVO93. Danach ist der Vertrags(zahn)arzt mit Übernahme der Behandlung dem Versicherten gegenüber zur Sorgfalt nach den Vorschriften des bürgerlichen Vertragsrechts verpflichtet. Hinsichtlich der rechtlichen Erfassung des vertrags(zahn)ärztlichen Behandlungsverhältnisses werden grundsätzlich zwei Auffassungen vertreten, die sich vorwiegend zwischen dem zivil- und sozialrechtlichen Schrifttum polarisieren und § 76 Abs. 4 SGB V entweder die Klarstellung entnehmen, dass ein privatrechtlicher Behandlungsvertrag geschlossen wird94 oder darin eine Lückenfüllung erblicken, weil eine Vertragsbeziehung gerade nicht zustande komme95. Möglicherweise hat der Gesetzgeber bereits im Jahre 1955 mit der Einführung von § 368 d RVO eine Leitentscheidung zugunsten der einen oder anderen Auslegungsalternative getroffen96. In der Begründung dazu heißt es: „Abs. 4 stellt gegenüber Zweifeln in der Rechtsprechung klar, dass durch die Übernahme der Behandlung der Kassenarzt dem Versicherten gegenüber in gleicher Weise zur Sorgfalt verpflichtet wird, wie gegenüber dem in anspruchnehmenden Privatpatienten.“97

Die gesetzgeberische Intervention zielte also primär auf eine Klarstellung des Haftungsmaßstabes für den Vertrags(zahn)arzt gegenüber dem Kassenpatienten, deren Notwendigkeit unter Berücksichtigung der historischen Ausgangslage nachvollziehbar wird. Basierend auf dem Naturalleistungsprinzip waren die Krankenkassen seit Anbeginn ihrer Existenz zur Gewährung freier Krankenfürsorge verpflichtet. Dieser Aufgabe wurde nicht immer in der heutigen Form des komplexen Vertrags(zahn)arztrechts nachgekommen. ___________ 92 Zum Streitstand: Natter, S. 17-56; Peter, S. 46-74 und Schmid, Passivlegitimation, S. 68-77. Eine umfassende Auseinandersetzung mit der Problematik findet sich bei Erhard, Die Rechtsnatur des kassenärztlichen Behandlungsverhältnisses, sowie Buddee, Der Arztvertrag nach dem SGB V. 93 Gesetz über das Kassenarztrecht in der Fassung vom 17.08.1955 (BGBl I 1955, S. 513, 515). 94 Dafür etwa Schütte, SozVers 1997, S. 143, 146; Peters, S. 47 und Eichenhofer, Rn. 373. 95 So Krauskopf, SozVers 1968, S. 300, 301; Schnapp/ Düring, NJW 1989, S. 2913, 2916. 96 Vgl. dazu Erhard, S. 109 ff. 97 BT-Drucks. 1/3904, S. 20.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

37

Zunächst dominierte eine Dreieckskonstellation zwischen Kassen(zahn)arzt, Versicherten und Krankenkasse. Die Sozialversicherungsträger erfüllten ihre öffentlich-rechtliche Verpflichtung gegenüber den Versicherten durch den Abschluss privatrechtlicher Verträge mit den einzelnen Medizinern, den sogenannten Einzeldienstverträgen. Danach schuldete der (Zahn)Arzt die Behandlung der Versicherten und die Kasse die Entrichtung eines angemessenen Honorars. Wegen des Charakters des Einzeldienstvertrages als Kontrakt zugunsten Dritter iSd § 328 BGB konnten die Versicherten eine fachgerechte medizinische Versorgung unmittelbar vom Kassen(zahn)arzt beanspruchen, sodass sie mit dem vertraglichen Behandlungs- und Sorgfaltsanspruch einem Privatpatienten gleichgestellt waren98. Durch den Übergang zur kollektivrechtlichen Ausgestaltung der Beziehung zwischen den Ärzten und Krankenkassen Anfang 193099 erledigte sich diese einzelbezogene Vertragskonstruktion. Sie ist auch mit der heutigen Fünfecksbeziehung unvereinbar100, denn zwischen Vertrags(zahn)arzt und Krankenkasse besteht seither keine unmittelbare Rechtsbeziehung. Gleichwohl wurde die Ansicht, das kassen(zahn)ärztliche Behandlungsverhältnis stelle einen Vertrag zugunsten Dritter gemäß § 328 BGB dar, bis Mitte der 50-er Jahre des vorigen Jahrhunderts beharrlich vertreten, denn einige gesetzliche Vorschriften knüpften weiterhin rein formal an den Einzeldienstvertrag an. Erst deren Modifizierung und die Schaffung des § 368 d Abs. 4 RVO durch das Kassenarztgesetz vom 17. August 1955101 löste die Kontroverse um die Erfassung des Rechtsverhältnisses aus. Man könnte mei___________ 98 Vgl. dazu RGZ 165, 91, 106; Heinemann, LZ 1925, Sp. 244, 248 ff.; Stachelhaus, S. 29 ff. und die Darstellung bei Klette, S. 30 ff. 99 Infolge der Auseinandersetzungen zwischen Ärzteschaft und Krankenkassen aufgrund der finanziellen Abhängigkeit der einzelvertraglich gebundenen Ärzte von den Krankenkassen, mit der Gründung des „Verbandes der Ärzte Deutschlands“ im Jahre 1900 (Hartmannbund/ Leipziger Verband) und der Abwendung eines ärztlichen Generalstreiks durch das „Berliner Abkommen“ vom 23.12.1913, erfolgte durch Notverordnung vom 08.12.1931 (RGBl I 1931, S. 699, 718) ein Zwangszusammenschluss der Kassenärzte zu regional gegliederten Kassenärztlichen Vereinigungen, an deren Stelle mit Verordnung vom 02.08.1933 (RGBl I S. 567) die Kassenärztliche Vereinigung Deutschlands als Körperschaften des öffentlichen Rechts trat. Mit der Zwischenschaltung der Kassenärztlichen Vereinigung endet die unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen Arzt und Krankenkasse. So stellte bereits § 1 lit.c Zulassungsordnung vom 17.05.1934 (RGBl I 1934, S. 399) in der Fassung der Verordnungen vom 23.10.1934 (RGBl I 1934, S. 1066) und 08.08.1937 (RGBl I 1937, S. 973) auf das Recht und die Pflicht des zugelassenen Arztes zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Deutschlands ab. Anders aber § 1 Zulassungsordnung für Zahnärzte vom 27.07.1933 (RGBl I 1933, S. 541), der weiter am Abschluss eines Einzeldienstvertrages festhielt. 100 So aber noch BGH NJW 1980, 1452, 1453; BGHZ 97, 273, 276; Albrecht, DVZ 1955, S. 238, 239 f. sowie Hollmann, S. 20 f. 101 BGBl I 1955, S. 513 ff.

38

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

nen, der Gesetzgeber habe dem Kassenpatienten über § 368 d Abs. 4 RVO die frühere vertragliche Gläubigerstellung gesetzlich einräumen wollen102. Ein derartiges Verständnis hat sich aber nicht durchgesetzt, weshalb die isolierte Betrachtung von § 76 Abs. 4 SGB V unergiebig ist und die Diskussion um das vertrags(zahn)ärztliche Behandlungsverhältnis in den Gesamtzusammenhang des Leistungserbringungsrechts gestellt wird. Die Rechtsbeziehung zwischen Vertrags(zahn)arzt und Kassenpatient wird entweder als gesetzliches, öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis mit mehr oder minder großen zivilrechtlichen Einschlüssen103 oder privatrechtlicher Vertrag104 eingestuft. Durch die gegensätzliche Stellungnahme zweier Bundesgerichte, nämlich des BSG zugunsten der öffentlich-rechtlichen Sichtweise und des BGH, der einer zivilrechtlichen Ausrichtung den Vorzug gibt, kann keine dieser Auffassungen als unbedeutende Minderansicht von vornherein unberücksichtigt bleiben. Für eine eigene Positionierung sollen daher beide Meinungen sowie die daran geübte Kritik dargestellt und einer eigenen Würdigung unterzogen werden.

1. Qualifizierung als öffentlich-rechtliches Versorgungsverhältnis Das sozialrechtliche Schrifttum hat sich frühzeitig mit den Eigenheiten der vertrags(zahn)ärztlichen Behandlungsbeziehung, speziell mit ihrer öffentlichrechtlichen Dimension beschäftigt105. Intensiver wurde diese Richtung erst mit der Novellierung der §§ 368 ff. RVO verfolgt, wobei Haueisen106 mit seinem prägnanten Aufsatz einen wesentlichen Anschub geleistet haben dürfte. ___________ 102 In dieser Weise Eberhardt, AcP 171, S. 289, 303 ff., der mit Blick auf die geschichtliche Entwicklung eine an der Grundstruktur der Drittberechtigung orientierte Auslegung von § 76 Abs. 4 SGB V favorisiert. Denn die über § 328 BGB vermittelte Rechtsstellung des Kassenpatienten habe über Jahrzehnte hindurch den gewollten vertraglichen Sorgfaltsanspruch begründet, deren Brüchigkeit der Gesetzgeber mit dem Absterben des Einzeldienstvertrages durch Kodifizierung des § 368 d Abs. 4 RVO auffangen wollte. Nach Krause, SGb 1982, S. 425, 429, hat diese Sichtweise eine überschießende Tendenz, die im Gesetzeszweck keine Verankerung finde. Zudem sei unklar, welche Rechte und Pflichten der Vertrag zugunsten Dritter überhaupt statuiere. 103 Beispielhaft Eberhardt, AcP 171, S. 289, 296 und Krause, SGb 1982, S. 425. 104 Statt vieler Albrecht, DVZ 1955, S. 238, 239 f.; Stern, SoVers 1976, S. 206; Schmitt, SGb 1987, S. 265, 267. 105 Vgl. Flügge, Das Recht des Arztes; Richter, Die Einrichtung der kassenärztlichen Selbstverwaltung; Niggemann, Strukturwandel in den rechtlichen Beziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen. 106 Haueisen, NJW 1956, S. 1745 f. und schon zuvor Beyer, S. 28, 31.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

39

a) Darstellung der Meinung Der Umkehrschluss zu § 76 Abs. 4 SGB V ergebe, dass eine vertrags(zahn)ärztliche Rechtsbeziehung öffentlich-rechtlicher Natur sei107. Infolge der sozialrechtlichen Vorgaben für eine Behandlung bedürfe es keiner privatautonomen Ausgestaltung des (Zahn)Arzt-Patienten-Kontakts einschließlich gegenseitiger Rechte und Pflichten, sodass ein Vertragsschluss der Behandlungsparteien entbehrlich sei108. „Maßgebende Grundlage der stattfindenden Behandlung ist nicht ein zwischen Patient und Arzt geschlossener zivilrechtlicher Vertrag, sondern die öffentlich-rechtliche gesetzliche Regelung über die kassenärztliche Versorgung. Die Sorgfaltspflicht des Arztes nach den Vorschriften des Bürgerlichen Vertragsrechts gilt unabhängig von Absprachen zwischen Patient und Arzt, weil sie ausdrücklich gesetzlich bestimmt ist. Diese Bestimmung wäre überflüssig, wenn maßgebliche Rechtsgrundlage des Behandlungsverhältnisses zwischen Versicherten und Kassenarzt ein privatrechtlicher Vertrag wäre.“109 Auch wenn der Kassenpatient beim Gang zum Vertrags(zahn)arzt rein äußerlich nicht anders handele als ein Privatpatient, müsse dieses Verhalten maßgeblich vor dem Hintergrund des Vertrags(zahn)arztrechts ausgelegt werden. Mit der Konsultation eines vertrags(zahn)ärztlich tätigen Mediziners begehre der Kassenpatient eine kostenfreie medizinische Betreuung, die ihm seine Krankenkasse schulde. Deshalb lege er bei Behandlungsbeginn die heute gängige Krankenversichertenkarte vor. Der Kassenpatient gehe davon aus, die begehrten medizinischen Leistungen bereits vorab über seine Sozialversicherungsbeiträge erkauft zu haben110. Folglich fehle ihm das Erklärungsbewusstsein für einen Vertragsschluss mit dem Mediziner111. Auch der Vertrags(zahn)arzt wolle keine vertragliche Bindung eingehen, sondern lediglich die öffent___________ 107

Vgl. dazu Krauskopf, SozVers 1968, S. 300 f.; Meydam, BKK 1984, S. 340, 341 und speziell für das (zahn)ärztliche Behandlungsverhältnis Schimmelpfeng-Schütte, NJW 1981, S. 2505, 2506. 108 BSGE 33, 158, 160 f.; 59, 172, 177; Haueisen, NJW 1956, S. 1745, 1746; Krauskopf, SozVers 1968, S. 300; Eberhardt, AcP 171, S. 289, 296 f.; Anm. Schnorr von Carolsfeld, SGb 1977, S. 214; Krause, SGb 1982, S. 425, 430 ff.; Baltzer, JuS 1982, S. 651, 653; Schulin/ Düe, JuS 1984, S. 926; Schnapp/ Düring, NJW 1989, S. 2913, 2916 f.; Isensee, VSSR 1995, S. 321, 330 f.; Schmidt-De Caluwe, VSSR 1998, S. 207, 224 ff; Schnapp, NZS 2001, S. 337 ff.; Bley/ Kreikebohm/ Marschner, Rn. 680; Tiemann/ Tiemann, S. 33 ff., 288; Waltermann, Rn. 198. 109 BSGE 59, 172, 177. 110 Eberhardt, AcP 171, S. 289, 297 sowie Anm. Meydam, SGb 1977, S. 27, 28. 111 Krause, SGb 1982, S. 425, 430; Waltermann, Rn. 198; Eberhardt, AcP 171, S. 289, 297 sowie Erhard, S. 93 ff.

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

40

lich-rechtliche Pflicht aus § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V erfüllen112. Denn kraft seiner Zulassung sei er gegenüber der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung gemäß den §§ 75 Abs. 2; 81 Abs. 5 SGB V zur Teilnahme an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung verpflichtet.

b) Kritik Allgemein wird die mit dieser Meinung einhergehende Differenzierung zwischen Privat- und Kassenpatienten kritisiert. Nur noch die Behandlung des Privatpatienten würde auf der Grundlage eines Kontrakts nach § 611 BGB erfolgen, die des Kassenpatienten hingegen auf dem Sozialversicherungsrecht beruhen. Da heutzutage die meisten Patienten gesetzlich krankenversichert sind, wäre der Abschluss eines Behandlungsvertrages rechtstatsächlich die Ausnahme. Den Beteiligten sei ihre Integration in das Leistungssystem der Krankenkassen allenfalls an dritter Stelle bewusst, weil es während des (Zahn)Arzt-Patienten-Gespräches ebenso wie bei Privatpatienten vorrangig um die Diagnosestellung und Anordnung von Therapiemaßnahmen gehe113. Die sozialrechtliche Überlagerung des vertrags(zahn)ärztlichen Behandlungsverhältnisses verdränge daher den Vertrag nicht114. Auf eine dominierende öffentlich-rechtliche Ausformung der Behandlungsbeziehung habe der Gesetzgeber verzichtet, indem er den Krankenkassen eine entsprechende Einflussnahme absichtlich versagte115.

c) Spezielle Ansätze zur Qualifizierung des Rechtsverhältnisses Bis zu dem Punkt, dass eine medizinische Versorgung durch den Vertrags(zahn)arzt nur einen im SGB V geregelten öffentlich-rechtlichen Anspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse vollziehe und daher keine Vertragsvereinbarung zwischen den Behandlungsparteien nötig sei, gehen die Meinungen dieser Richtung größtenteils konform. Die Ansichten scheiden sich aber bezüglich der Frage, wie man das Rechtsverhältnis vom Vertrags(zahn)arzt und Kassenpatient eigentlich qualifizieren müsse. Dabei bietet sich ein breit gefächertes

___________ 112

Die Grundlage für diese, im sozialrechtlichen Schrifttum typische Argumentation legte Haueisen, NJW 1956, S. 1745 f. 113 Buddee, S. 140. 114 Schindera, S. 71 sowie Schneider, Rn. 1161. 115 Schütte, SozVers 1997, S. 143, 147 f.; Siewert, S. 107.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

41

Spektrum an Ansichten, die schwierig zu systematisieren sind116. Einige dieser Ansätze werden nachfolgend vorgestellt.

aa) Haftungsrechtliche Gleichstellung und Kritik Nach dem Wortlaut von § 76 Abs. 4 SGB V haftet der Vertrags(zahn)arzt für etwaige Sorgfaltspflichtverletzungen bei der Versorgung eines sozialversicherten Patienten nicht allein nach Maßgabe des § 823 Abs. 1 BGB, denn daneben sollen die Grundsätze der bürgerlichen Vertragshaftung eingreifen. Da die Vorschrift funktionell auf eine Festschreibung des vertrags(zahn)ärztlichen Haftungsmaßstabes beschränkt sei117, berühre sie die öffentlich-rechtliche Behandlungspflicht nicht118. Darüber hinaus soll das gesamte Behandlungsverhältnis einschließlich der darin niedergelegten Pflichten dem öffentlichen Recht zuzuordnen sein119. Jeder Versuch, die Rechte und Pflichten beider Seiten entsprechend dem Behandlungsvertrag zu konkretisieren, sei verfehlt. Der nur haftungsrechtlichen Gleichstellung von Privat- und Kassenpatienten wird die Missachtung der Haftungssymmetrie zwischen den Behandlungsparteien vorgeworfen. Eine einseitige Vertragshaftung des Mediziners werde als ungerecht empfunden. An eine Schadensersatzpflicht des Patienten sei etwa bei der Nichtwahrnehmung eines vereinbarten Behandlungstermins sowie einer Schädigung des Mediziners im häuslichen Verantwortungsbereich des Patienten oder infolge von Ansteckung zu denken120. Daher müsste der Kassenpatient ebenso nach dem Vertragsrecht zu beurteilende Sorgfalts- und Schutzpflichten haben121. Im Übrigen könne eine Behandlung nicht bloß als Erfüllungsakt eines öffentlich-rechtlichen Anspruches aufgefasst werden, weil der Patient den Eingriff in seine Lebensgüter gestatten müsse und dies systematisch dem Privatrecht anheimfalle122. Schon der Wortlaut des § 76 Abs. 4 SGB V spreche für eine umfassende Rechtsfolgenverweisung auf das Zivilrecht123.

___________ 116

Zum Versuch einer Zusammenstellung aller Meinungen siehe Buddee, S. 21-34. Krause, SGb 1982, S. 425, 430 sowie Erhard, S. 103. 118 Hertwig, S. 295. 119 Krauskopf in: Laufs/ Uhlenbruck, § 25 Rn. 7. 120 In dieser Weise Eberhardt, AcP 171, S. 289, 309 f. 121 Eberhardt, AcP 171, S. 289, 303. 122 Eichenhofer, Rn. 373. 123 Schulin/ Düe, JuS 1984, S. 920, 924; Eberhardt, AcP 171, S. 289, 300. 117

42

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

bb) Gesetzliches Sorgfaltspflichtverhältnis und Kritik Unter einer weniger restriktiven Auslegung des § 76 Abs. 4 SGB V wird das Behandlungsverhältnis in zwei Ebenen zerlegt. Während sich seine Entstehung nach dem öffentlichen Recht richten soll, sei die Durchführung dem Zivilrecht zuzuordnen124. Weil die Behandlungsbeziehung höchst individuell geprägt sei und beiderseitiges Vertrauen erfordere, agiere der Vertrags(zahn)arzt trotz Vollziehung sozialversicherungsrechtlicher Leistungsansprüche wie ein Privater gegenüber Privaten. Insofern entstehe mit der Behandlungsübernahme ein gesetzliches Sorgfaltspflichtverhältnis privatrechtlicher Natur, aus dem Rechte und Pflichten des Mediziners und Patienten vergleichbar einem Behandlungsvertrag resultierten125. Dabei handele sich um eine zivilrechtliche Enklave im ansonsten öffentlich-rechtlichen Leistungserbringungsrecht126. Diese Aufspaltung sei im System der gesetzlichen Krankenversicherung angelegt127 und „gebe dem Privatrecht, was des Privatrechts ist, dem öffentlichen Recht, was des öffentlichen Rechts ist“128. Zwar orientiere sich die Rechtsbeziehung von Vertrags(zahn)arzt und Kassenpatient am Zivilrecht, bleibe aber dennoch in ein „subtil organisiertes öffentlich-rechtliches System von Ansprüchen und Pflichten nach dem SGB V“ eingebettet129. Kritik wird regelmäßig an der Verquickung vom öffentlichen und bürgerlichen Recht geübt. Jedenfalls führe das gesetzliche Sorgfaltspflichtverhältnis einen Bruch mit dem Vertrags(zahn)arztrecht herbei130 wie auch dessen Annahme rein fiktiv sei131. Es müsse hinterfragt werden, ob § 76 Abs. 4 SGB V ___________ 124 Besonders komprimiert formuliert dies Kreßel/ Wollenschläger, S. 175 Rn. 265: „Die Beziehungen zwischen Vertragsarzt und Patienten sind öffentlich-rechtlicher Natur; die Rechte und Pflichten aus diesem Rechtsverhältnis sind nach der besonderen gesetzlichen Anordnung in § 76 Abs. 4 SGB V privatrechtlich.“ Ähnlich auch Bley/ Kreikebohm/ Marschner, Rn. 680; Waltermann, Rn. 198 sowie Clemens in: Schulin, Krankenversicherungsrecht, § 36 Rn. 39. 125 Letztlich handelt es sich hierbei um eine Modifizierung des Ansatzes von Siebeck, S. 25 f.; im wesentlichen gleichlautend ders., WzS 1960, S. 101 und ders., DOK 1962, S. 169, 176. Für den Fall eines Behandlungsfehlers fingierte er wegen § 368 d Abs. 4 RVO einen Dienstvertrag. Ein vergleichbares Sorgfaltspflichtverhältnis wird nunmehr für alle, also auch störungsfrei verlaufene Behandlungen angenommen, vgl. Eberhardt, AcP 171, S. 289, 301; Bley/ Kreikebohm/ Marschner, Rn. 680; Waltermann, Rn. 198; Luxenburger, S. 140 ff.; Schmitt, Die Handlungsfähigkeit im Sozialrecht, S. 47 f. 126 So insbesondere Tiemann, MedR 1983, S. 176, 182 Fn. 61. 127 Knispel, NJW 1986, S. 1525, 1527. 128 Eberhardt, AcP 171, S. 289, S. 308. 129 Laufs, Arztrecht, Rn. 40. 130 So Anm. Schnorr von Carolsfeld, SGb 1977, S. 214 und Baltzer, JuS 1982, S. 651. 131 Schmidt-De Caluwe, VSSR 1998, S. 207, 224 wie auch Erhard, S. 102 ff.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

43

wirklich im Sinne dieser Zweigleisigkeit ausgelegt werden könne132. Die sozialrechtliche Regelungsdichte sei ein Argument für die Anordnung eines Sorgfaltspflichtverhältnisses, ohne aber ein privatrechtliches Vertragsverhältnis zwingend auszuschließen133.

cc) Öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehung und Kritik Im Anschluss an Hertwig134 konzipiert auch Schmidt-De Caluwe135 ein sozialrechtliches Sonderschuldverhältnis kraft Gesetzes. Das Naturalleistungsprinzip binde jeden Vertrags(zahn)arzt in die Leistungserbringung der Krankenkasse über die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung in doppelter Hinsicht ein. Verfahrensrechtlich konkretisiere der Vertrags(zahn)arzt mit seiner diagnostischen und therapeutischen Entscheidung den Versichertenanspruch aus § 27 Abs. 1 SGB V136; materiellrechtlich sei er durch die Erfüllungshandlung in die medizinische Versorgung eines Kassenpatienten einbezogen. Letzteres folge aus dem Gedanken der Substitution137, wonach der Vertrags(zahn)arzt im Moment der Behandlungsübernahme an die Stelle der Krankenkasse trete und Dritterfüller der öffentlich-rechtlichen Versorgungsverpflichtung werde. Eine Haftung der Krankenkasse für Behandlungsfehler als logische Konsequenz verhindere § 76 Abs. 4 SGB V, weil der Mediziner zugleich auch eigenverantwortlich tätig werde. Mangels gesetzlicher Normierung umfasse das sozialrechtliche Sonderschuldverhältnis alle Schutz- und Haftungsregelungen des privaten Vertragsrechts, soweit einschlägige öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstünden138. Auch hier könnte in der Kumulierung vom öffentlichen und bürgerlichen Recht ein kritischer Akzent gesehen werden. Allerdings ist der Rückgriff auf privatrechtliche Haftungsnormen im Rahmen öffentlich-rechtlicher Schuldver___________ 132

Hertwig, S. 297 sowie Erhard, S. 102 ff. Buddee, S. 87. 134 Hertwig, S. 295 ff. 135 Schmidt-De Caluwe, VSSR 1998, S. 207, 224 ff. 136 Nach Ansicht von Schmidt-De Caluwe, VSSR 1998, S. 207, 226 f., ersetzt der Vertrags(zahn)arzt mit seiner Entscheidung den üblichen Leistungsbescheid eines Antragsverfahrens und agiere daher hoheitlich. Ebenso Wahl, S. 87 sowie Simons, S. 589. 137 Erstmals zum Begriff der Substitution wohl Kühne/ Peters, § 368 Anm. 3 a. 138 Schmidt-De Caluwe, VSSR 1998, S. 207, 230. Ähnlich Hertwig, S. 297, wonach sich potentielle Verhaltenspflichten des Versicherten gegenüber dem Vertrags(zahn)arzt aufgrund der Diagonalität der Rechtsbeziehung nur insofern ergeben könnten, als sie aus dem Verwaltungsrechtsverhältnis zur Krankenkasse ableitbar seien. Dies hindere aber eine Analogie zum Zivilrecht nicht (S. 71 ff., 102 ff.). 133

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

44

hältnisse durchaus anerkannt. Daher spricht Klückmann139 von einer konsequenten öffentlich-rechtlichen Qualifizierung des Behandlungsverhältnisses im Sachleistungsbereich mit recht überzeugenden Gründen. Einer derartigen Stringenz dieses Ansatzes steht jedoch die Zusammenführung mehrerer Ebenen von Rechtsbeziehungen als gesetzliches Sonderschuldverhältnis entgegen. Denn von der öffentlich-rechtlichen Leistungserbringung des Vertrags(zahn)arztes als Erfüllung des Krankenbehandlungsanspruches ist das Vertrauensverhältnis vom Vertrags(zahn)arzt und Kassenpatienten, das durch die Einbringung elementarer Rechtsgüter wie das Persönlichkeitsrecht und die Körperintegrität nicht öffentlich-rechtlich ausgestaltet sei140, zu unterscheiden. Daneben dürfte die Krankenkasse ihre Pflichten nicht auf den Mediziner übertragen, denn kraft Gesetzes müssen beide Seiten bei der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung zusammenwirken141. Unklar bleibt zumindest der rechtliche Status des Vertrags(zahn)arztes im Rahmen der medizinischen Behandlung eines Kassenpatienten142.

2. Zuordnung als privatrechtliches Vertragsverhältnis Andere gehen von einem Behandlungsvertrag aus143, der wegen § 76 Abs. 4 SGB V mit der Aufnahme einer (zahn)ärztlichen Versorgung nach den allgemeinen Regeln zustande komme144 und bei dem sich die Medizinerpflicht zur ___________ 139

Klückmann in: Hauck/ Haines, SGB V, § 76 Rn. 30 a. Tiemann, MedR 1983, S. 176, 182. 141 Natter, S. 101 f. 142 Vgl. nur BVerfGE 11, 30 ff., das trotz Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben auf eine Freiberuflichkeit des Vertrags(zahn)arztes abstellt sowie BSGE 73, 271, 278, 281, das von einer Beleihung des Vertrags(zahn)arztes ausgeht. Im Zwischenbereich finden sich vielfältige Meinungen. 143 In dieser Weise BGHZ 47, 75, 78 f.; 76, 259, 261; 100, 363, 367; 142, 126; BGH VersR 1992, 1263; BGH NJW 2000, 3429, 3430; AG Nordhorn NJW 2000, 1799; Tiemann, NJW 1985, S. 2169; Natter, NJW 1986, S. 1529, 1530; Schmitt, SGb 1987, S. 265, 267; Schmeling, ZfS 1989, S. 257; 266 f.; Heinze, SGb 1990, S. 173; Schimmelpfeng-Schütte, MedR 2002, S. 286, 288; Jung, S. 132; Luig, in: Gitter/ Huhn/ Siegbert/ Luig/ Reich/ Tempel/ Weyers, S. 223, 227, 229, 240; Geiß/Greiner, A 9 ff.; Giesen, Rn. 5; Frahm/ Nixdorf, Rn. 1; Neuefeind, S. 19; Katzenmeier, S. 97 f.; Natter, S. 131; Rieger, Lexikon des Arztrecht, Rn. 214, 940; Glöge in: MüKo, § 611 Rn. 49; Weidenkaff in:Palandt/ Putzo, Einf v § 611 Rn. 18. Ebenso aus dem sozialrechtlichen Schrifttum: Stern, SozVers 1968, S. 113; ders., SozVers 1976, S. 206, 208; Schulin, VSSR 1994, S. 357, 362 f.; Schütte, SozVers 1997, S. 143, 146, 148; Schindera, S. 70; Schneider, Rn. 1158, 1164; Eichenhofer, Rn. 373 f. und Höfler in: Kasseler Kommentar, § 15 SGB V Rn. 23. 144 Siewert, ZfS 1980, S. 161, 162; Steffen/ Dressler, Rn. 48; Gehrlein, Rn. 7; Deutsch/ Spickhoff, Rn. 67. 140

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

45

fachgerechten Behandlung und die Teilhabeerfordernisse des Patienten synallagmatisch gegenüberständen.

a) Argumentationslinie Der besonderen, vom Versicherungsstatus unabhängigen Individualbeziehung mit höchstpersönlichem Charakter könne nur über den Abschluss eines Behandlungsvertrages hinreichend Rechnung getragen werden145, wenngleich das Vertragsverhältnis in gewisser Weise öffentlich-rechtlich überformt sei146 wie durch das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V sowie dem Honoraranspruch gegenüber der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung anstelle des Patienten147. Trotz wachsender Bindungen in diesem Sinne gingen dirigistische Einflüsse des Vertrags(zahn)arztrechts nicht so weit, dass die privatautonome Behandlungsgestaltung obsolet wäre148 oder für einen Vertragsschluss kein Spielraum verbliebe149. Das vertrags(zahn)ärztliche Behandlungsverhältnis unterscheide sich demnach nicht grundlegend von der Rechtsbeziehung im Rahmen einer privatmedizinischen Versorgung, weshalb eine Differenzierung zwischen Privat- und Kassenpatienten nicht nötig sei150. Mitunter stützt sich diese Auffassung auf eine einschränkende Interpretation des Naturalleistungsprin___________ 145

Vgl. nur Jung, S. 132: „Wegen des ... Vertrauensverhältnisses zum Patienten, das ohne Anerkennung eines zivilrechtlichen Arztvertrages zwischen Kassenarzt und Kassenpatient keine rechtliche Gestalt bekäme – weder Krankenkasse noch Kassenärztliche Vereinigung können beispielsweise die ärztliche Aufklärungspflicht ihrem konkreten Umfang nach erfüllen – ist die Einordnung dieser Patienten - Arzt - Beziehung als Arztvertrag dringend geboten.“ Ebenso Stern, SozVers 1968, S. 113; ders., SozVers 1976, S. 206, 208; Schindera, S. 69 f., 81. 146 Laut Schnapp/ Düring, NJW 1989, S. 2913, 2917, sei dies unserer Rechtsordnung unter Anführung einiger Beispiele nicht fremd. 147 Einige exemplarische Erklärungsansätze zur dogmatischen Einordnung des abgespaltenen Vergütungsanspruches: Teilweise wird vom Abschluss eines Vertrages zu Lasten der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung oder mittelbar der Krankenkasse ausgegangen, der entweder über eine gesetzliche Verpflichtungsermächtigung wie bei Schindera, S. 179 ff. oder mit Hennies, ÄM 1960, S. 2335, 2337; Stern, SozVers 1968, S. 111, 113; 1976, S. 206, 209, über die Zustimmung durch Aushändigung der Krankenscheine und heutzutage der Krankenversichertenkarte legitimiert wird. Andere diskutieren den Aspekt der Kostentragung durch Dritte, vgl. hierzu Schneider, Rn. 1164 sowie Jung, S. 131 f. Hingegen sehen Funke, S. 20 und Kossow in: Arbeitsgemeinschaft Rechtsanwälte im Medizinrecht, S. 27, 29, in der Vorlage der Krankenversichertenkarte ein Quasi-Zahlungsmittel. 148 So Schulin, VSSR 1994, S. 357, 363; Schindera, S. 72 und Buddee, S. 136 ff. Für die zahnärztliche Behandlung ebenso Pohl, ZM 1966, S. 265, 268. 149 Schneider, MedR 1993, S. 83, 92 wie auch Buddee, S. 56 f., 65, 83. 150 Muschallik, ZM 1996, S. 2394 sowie Jung, S. 131.

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

46

zips, wonach die Krankenkasse nur dienstbereite (Zahn)Ärzte zu vermitteln habe und nicht selbst die Krankenbehandlung schulde151.

b) Kritik Wenig überzeugend sei, aus reinem Traditionsbewusstsein und zur Erzeugung eines einheitlichen Patientenstatus am hergebrachten Modell des privatrechtlichen Behandlungsvertrages festzuhalten. Die sozialrechtliche Determinierung einer vertrags(zahn)ärztlichen Behandlungsbeziehung zehre die Privatautonomie auf, sodass Vertrags(zahn)arzt und Kassenpatient in ihrem unmittelbaren Kontakt quasi „entrechtlicht“ seien152. Gesetzlich vorgesehene Gestaltungsalternativen wie die Therapiefreiheit oder freie (Zahn)Arztwahl symbolisierten sicherten lediglich grundrechtliche Freiheiten153. Vor allem spreche § 76 Abs. 4 SGB V als andernfalls überflüssige Regelung gegen einen Behandlungsvertrag154. Auch die Begründung, dass ein Behandlungsverhältnis wegen seiner Privatheit und Affinität zu Physis und Psyche kraft Natur der Sache originär oder genuin zivilrechtlich einzustufen sei155, überzeuge durch die Pauschalität nicht156. Das restriktive Verständnis vom Naturalleistungsprinzip laufe dem Gesetz zuwider, denn nach den §§ 70 Abs. 1 Satz 1; 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben die Krankenkassen die medizinische Versorgung als Dienstleistung zur Verfügung zu stellen und folglich dafür zu sorgen, dass der Versicherte die Leistung erhält, ohne sie sich selbst per Behandlungsvertrag beschaffen zu müssen157.

___________ 151

In dieser Weise Natter, S. 132 ff. und Schneider, Rn. 1161. So Tiemann, MedR 1983, S. 176, 181 und ähnlich auch Kilian, AcP 180, S. 47, 75 Fn. 109; Krause, SGb 1982, S. 425, 430; Schnapp/ Düring, NJW 1989, S. 2913, 2916 f.; Schnapp, NZS 2001, S. 337, 339 f.; Spellbrink, S. 31 ff. Selbst Schindera, S. 73, der für einen privatrechtlichen Behandlungsvertrag plädiert, weist auf Beschränkungen der Vertragsfreiheit durch öffentlich-rechtliche Normierungen hin. 153 Schmidt-De Caluwe, VSSR 1998, S. 207, 221. 154 BSGE 59, 172, 177; Schnapp/ Düring, NJW 1989, S. 2913, 2916; Erhard, S. 97. 155 Tiemann, NJW 1985, S. 2169 und Schulin, VSSR 1994, S. 357, 363. 156 Natter, NJW 1986, S. 1529, 1530, bezeichnet dies als Flucht in Schlagworte. Ähnlich Katzenmeier, S. 97. 157 Zacher/ Friedrich-Marczyk, S. 29. A.A. Buddee, S. 136: „Aus der Leistungsverschaffungspflicht der Krankenkasse folgt vielmehr, daß ein Vertrag entbehrlich, aber nicht ausgeschlossen ist.“ 152

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

47

3. Zweck und Inhalt eines eigenen Lösungsversuches Da eine im Verhältnis zum behandelnden (Zahn)Arzt bestehende, rechtlich gefasste Patientenmitarbeit allein aus dem Behandlungsvertrag herrührt, muss die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung dogmatisch qualifiziert werden. Bislang findet sich eine Vielfalt von Ansätzen, die alle einer Kritik nicht standhalten können158. Jedenfalls legitimiert § 76 Abs. 4 SGB V, der ausdrücklich den Haftungsmaßstab zulasten des Vertrags(zahn)arztes festlegt, nicht den überwiegend vertretenen Rückgriff auf das bürgerliche Vertragsrecht für die Bestimmung der Teilhabeverantwortung eines Kassenpatienten. Sie muss ebenso wie die gesamte Rechtsbeziehung infolge eines Widerstreits zwischen dem Leistungserbringungsrecht und dem Vertrauensverhältnis im Grenzbereich des öffentlichen und privaten Rechts lokalisiert werden. Ein eigener Lösungsversuch soll sich wohlwissend um die Hürden einer tragfähigen, konsequenten Argumentationslinie daran versuchen, ohne aber zusätzliche Verwirrung in der Weite des bereits bestehenden Meinungsspektrums stiften zu wollen. Es wirft allerdings kein gutes Licht, wenn eine derart bedeutsame Lebensbeziehung rechtlich nicht bewältigt werden könnte und infolgedessen ein nicht näher spezifizierbares Rechtsgebilde die Erörterungen um die Patientenpflichten und -lasten dominieren würde. In Anbetracht des vertrauensvollen Zusammenwirkens der Behandlungsparteien, das identisch mit einem privat(zahn)ärztlichen Kontakt ist, erschiene die Negation jeglicher Rechtsbeziehung nicht nachvollziehbar159. Vielmehr bedarf es gerade der rechtlichen Absicherung und Ausgestaltung, wofür ausschließlich bipolare Betrachtungen des Verhältnisses von Vertrags(zahn)arzt und Kassenpatient nicht genügen. Eine Berücksichtigung des polygonalen Leistungserbringungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung ist aber nicht mit einer Verquickung der sich auf verschiedenen Ebenen vollziehenden Rechtsbeziehungen zu verwechseln: So erfüllt jeder Vertrags(zahn)arzt mit der medizinischen Versorgung eines Kassenpatienten dessen Krankenbehandlungsanspruch gegen die Krankenkasse und zugleich auch die eigene Pflicht gegenüber der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung. Demzufolge bestehen weitere, über die vertrags(zahn)ärztliche Betreuungssituation hinausgehende Rechtsverhältnisse zwischen Vertrags(zahn)arzt, Kassen(zahn)ärztlicher Vereinigung, Krankenkasse und Kassenpatient, die allesamt ausgeblendet bleiben sollen. Für die ___________ 158

Ebenso Schmitt, Leistungserbringung durch Dritte, S. 158, 161: „Letztlich ist es wohl auch kaum möglich, insoweit zu einem wirklich überzeugend begründetem Ergebnis zu gelangen ...“. 159 Zumindest Zweifel an einer unmittelbaren Rechtsbeziehung zwischen Vertrags(zahn)arzt und Kassenpatient äußert Haueisen, NJW 1956, S. 1745, 1746.

48

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

eigentliche Problemklärung sind mehrere eng miteinander zusammenhängende Überlegungen anzustellen. Im Wege einer hermeneutischen Einkreisung erfolgt aufgrund einer Analyse des beziehungsgestaltenden Inhalts (1.) eine Zuordnung zum öffentlichen oder privaten Recht (2.), worauf die Diskussion um das Format des Rechtskontakts (3.) und die Funktion des § 76 Abs. 4 SGB V nach dem dargebotenen Lösungsversuch (4.) aufbaut. 1. Bei einer vertrags(zahn)ärztlichen Behandlung geht es um Früherkennung, Heilung oder Linderung von Gesundheitsbeschwerden. Der diesbezügliche Anspruch des Versicherten ist nur dem Grunde nach normiert160 und bedarf daher einer Konkretisierung für den Einzelfall, was grundsätzlich zum Aufgabenfeld des Vertrags(zahn)arztes gehört161. Indem der Vertrags(zahn)arzt bestimmte Maßnahmen des Leistungskataloges veranlasst, legt er die Reichweite der kassenseitigen Einstandspflicht fest162. Dem dadurch ermöglichten „unberechtigten Zugriff auf den Geldschrank der Krankenkasse“ soll einerseits die generell vorgezeichnete Behandlungs- und Verordnungsweise und andererseits die Wirtschaftlichkeitsprüfung vorbeugen. Eine kieferorthopädische oder zahnprothetische Versorgung erfordert sogar eine Bewilligung des Behandlungs- bzw. Heil- und Kostenplans gemäß den §§ 29 Abs. 3 Satz 2; 87 Abs. 1 a Satz 4 SGB V durch die Krankenkasse. Auch die vertrags(zahn)ärztlich vorgenommene, individuelle Anpassung des Versichertenanspruches betrifft nur das Sozialversicherungsverhältnis, sodass sich der Kassenpatient bei einer Versagung oder Beschränkung der medizinischen Versorgung an seinen Krankenversicherer wenden muss. Die Festlegung des Behandlungsumfanges vollzieht sich somit auf einer anderen Stufe und eben nicht im Rahmen des vertrags(zahn)ärztlichen Behandlungsverhältnisses. Das trifft gleichsam für den gegen die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung gerichteten Honoraranspruch zu. Hingegen muss die Umsetzung und Ausführung einer medizinischen Versorgung mangels sozialrechtlicher Vorgaben abgesichert werden. Eine Behandlung setzt Vertrauen voraus, auf dessen Grundlage sich beide Seiten öffnen und ___________ 160 In Anbetracht der medizinisch-wissenschaftlichen Komplexität der Regelungsmaterie und der im Fluss befindlichen medizinischen Erkenntnisse ist § 27 SGB V als subjektives, öffentlich-rechtliches Rahmenrecht ausgestaltet, so BSGE 73, 271, 280. 161 Vgl. BSGE 73, 271, 278 ff. sowie SG Düsseldorf MedR 2005, 426, 428. 162 Bislang ungeklärt scheint, ob der Vertrags(zahn)arzt den Behandlungsanspruch nur konkretisiert oder zugleich eine die Krankenkasse bindende Entscheidung trifft. Im ersten Sinn BSGE 65, 94, 97, BSG NJW 1989, 2350 f.; Schnapp, NZS 2001, S. 337, 339 f.; Krause in: FS für Wannagat, S. 239, 251. Nach anderer Ansicht gestalte der Vertrags(zahn)arzt das Leistungsverhältnis zwischen Krankenkasse und Versicherten mit rechtlicher Bindungswirkung, so Schmidt-De Caluwe, VSSR 1998, S. 207, 227; Neumann in: Schnapp, Sozialversicherungsrecht II, S. 43, 64 ff.; Sodan in: Schnapp, Sozialversicherungsrecht III, S. 185, 201 f.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

49

aufeinander einlassen können. Damit verbunden ist eine erhöhte Einwirkungsund Schädigungsmöglichkeit des Gegenübers, was über die Statuierung von Schutz-, Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten zu kompensieren ist. Auf diese Weise kann dem wechselseitigen Schutzbedarf genügt und eine Basis für den (Zahn)Arzt-Patienten-Kontakt geschaffen werden. Somit beinhaltet das vertrags(zahn)ärztliche Behandlungsverhältnis überwiegend Nebenpflichten und Obliegenheiten, zumal die öffentlich-rechtlich geregelte Vergütung und der im Verhältnis zur Krankenkasse bestehende, gesetzlich ausgestaltete Behandlungsanspruch ausgespart bleiben können. 2. Das vertrags(zahn)ärztliche Behandlungsverhältnis ist sodann dem öffentlichen oder bürgerlichen Recht zuzuordnen. Dabei geht von den Rechtsbeziehungen im System des Vertrags(zahn)rechts, die vornehmlich öffentlich-rechtlich ausgestaltet sind, keine präjudizielle Wirkung aus, denn die Rechtsnatur ist wegen der Relativität von Forderungsbeziehungen jeweils separat zu untersuchen. Die im SGB V unterbliebene Regelung des vertrags(zahn)ärztlichen Behandlungsverhältnisses könnte aber als Indiz für eine zivilrechtliche Präformierung der Behandlungsbeziehung gewertet werden. Dies folgt letztlich auch aus dem Vertrauensaspekt, der in Anbetracht körperlicher Untersuchungen und teils intimer Auskünfte die Zusammenarbeit von Vertrags(zahn)arzt und Kassenpatient prägt und die Einsichtsfähigkeit des Kassenpatienten bei der Befolgung medizinischer Anordnungen befördert. Insofern unterscheidet sich eine öffentlich-rechtlich durchnormierte Behandlung nicht grundlegend von einer privat(zahn)ärztlichen Versorgung, weshalb auch die Beziehung eines Kassenpatienten zum Vertrags(zahn)arzt dem Zivilrecht zuzuordnen ist. Die individuellen Interessen, vor allem der erhöhte Schutzbedarf beider Seiten anlässlich der Konsultation lassen sich auf diese Weise hinreichend wahren. 3. Es verbleibt die Frage, über welches privatrechtliche Rechtsinstitut das Behandlungsverhältnis, das durch die Besonderheiten der gesetzlichen Krankenversicherung weder die bereits öffentlich-rechtlich geregelte (zahn)ärztliche Behandlung als solche näher gestaltet noch die Honorarzahlung zulasten des Kassenpatienten beinhaltet, sondern sich ausschließlich auf gegenseitige Nebenpflichten konzentriert, erfasst werden kann. Denkbar wäre ein Vertrag sui generis oder eine Sonderverbindung. Die Sonderverbindung als Schutzpflichtverhältnis mit ausschließlich sekundären Pflichten163, die ehemals als Rechtsfortbildung über § 242 BGB ge___________ 163

Zur bereits 1897 beginnenden Vorgeschichte des Begriffes der Sonderverbindung vgl. Krebs, S. 3 f. Spätestens im Anschluss an Canaris, JZ 1965, S. 475 ff., hat sich der

50

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

rechtfertigt wurde164, fand mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts165 über § 311 Abs. 2 BGB eine gesetzliche Legitimation. Ob der Gesetzgeber damit eine umfassende Normierung der Sonderverbindung beabsichtigte, ist noch unklar166. Das Problem der Anerkennung dieses Rechtsinstituts muss hier nicht geklärt werden, wenn die rechtliche Erfassung des (Zahn)Arzt-Patienten-Kontaktes als Sonderverbindung bereits aus anderen Gründen scheitert. Eine Sonderverbindung wird unabhängig vom Willen der Beteiligten durch die tatsächliche Eröffnung der eigenen Integritäts- und Interessensphäre als Reaktion auf die gleichgerichtete, fremde Veranlassung begründet167. Die Begegnung von Mediziner und Patient verkörpert eine solche Nähebeziehung, denn auf beiden Seiten besteht eine erhöhte Schutzbedürftigkeit. Dennoch bedarf es des Rückgriffs auf dieses Rechtsinstitut nicht, sofern der Vertrags(zahn)arzt und Kassenpatient regelmäßig einen Behandlungsvertrag schließen168. Da dieser Behandlungsvertrag unter Berücksichtigung seines potentiellen Inhalts keine im Gesetz vorgesehene Form aufweist, könnte lediglich ein Vertrag sui generis169 angenommen werden. Obwohl ein Vertrag grundsätzlich auf eine Leistung ausgerichtet ist, werden auch Schuldverhältnisse ohne leistungs___________ Begriff der Sonderverbindung als Gesamtheit der Verhältnisse, in denen Schutzpflichten bestehen, durchgesetzt. 164 Da ein vertraglicher Schadensersatzanspruch einen wirksamen Kontrakt voraussetzt und die §§ 823 ff. BGB nicht alle schutzwürdigen Fälle erfassen können, bestand ein Bedürfnis zur Rechtsfortbildung, insbesondere für den vorvertraglichen Bereich. Die gesteigerte Pflichtenbindung sollte ihren Grund entweder in dem rechtsgeschäftlichsozialen Kontakt mit einer erhöhten Einwirkungsmöglichkeit auf die Rechtsgüter der Gegenseite (vgl. dazu Larenz, MDR 1954, S. 515, 518; Gerhard, JuS 1970, S. 597, 598 f.; Jost, S. 258 ff.; Esser/ Schmidt, Schuldrecht I/2, S. 139) oder in dem gewährten und in Anspruch genommenen Vertrauen (siehe Ballerstedt, AcP 151, S. 501, 506 f.; Canaris, JZ 1965, S. 475, 478 f.; ders., Vertrauenshaftung, S. 424 ff., 428 ff., 431 ff., 439 ff.; Bohrer, S. 78 ff., 267 ff.) haben. Daneben existieren eine Vielzahl weiterer Begründungsversuche, vgl. beispielhaft Picker, AcP 183, S. 369, 460 ff., ders., JZ 1987, S. 1041, 1058; Köndgen, S. 156 ff., 280; Krebs, S. 613 ff.; 633 f. 165 Vom 26.11.2001 (BGBl I 2001, S. 3138 ff.). 166 So hat schon BGH NJW 1996, 2724 f., eine schuldrechtliche Sonderbeziehung unabhängig von der Ausrichtung auf einen Vertragsschluss angenommen, als sich ein vermeintlich einstandspflichtiger Haftpflichtversicherer auf eine Schadensmeldung hin für die Bearbeitung des Falles zuständig erklärt hat. 167 Canaris, JZ 1965, S. 475, 479 sowie Esser/ Schmidt, Schuldrecht I/2, S. 139. 168 Anders die auf Canaris, JZ 1965, S. 475, 479, zurückgehende Lehre vom „einheitlichen gesetzlichen Schuldverhältnis“ im Sinne eines den Vertrag vorbereitenden, begleitenden und überdauernden Schuldverhältnisses bezüglich der Nebenpflichten, vgl. beispielhaft Hartwieg, JuS 1973, S. 733, 737 und Conti, S. 18 ff. Kritisch Stoll, AcP 176, S. 145, 150 f.; Larenz, S. 122 f. sowie Gernhuber, S. 27 f. 169 In dieser Weise auch Hennies, ÄM 1960, S. 2335, 2336.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

51

bezogene Primärpflichten anerkannt170. Für vertragliche Schuldverhältnisse folgt das schon aus der Privatautonomie171. Entscheidend ist somit, ob der Kassenpatient und der Vertrags(zahn)arzt den Willen zur rechtsgeschäftlichen Gestaltung ihres vertrags(zahn)ärztlichen Behandlungsverhältnisses haben. Allein die Tatsache, dass sich bei lebensnaher Betrachtung wohl beide keine Gedanken über einen Vertragsschluss machen, impliziert keineswegs das Fehlen eines rechtsgeschäftlichen Willens, denn in aller Regel ist selbst dem Privatpatienten nicht bewusst, dass er einen Vertrag schließt172. Sowohl der Vertrags(zahn)arzt als auch der Kassenpatient gehen zumindest laienhaft davon aus, dass sie im Rahmen der medizinischen Versorgung einander zum Schutz und gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet sind und daher eine eigenständige, rechtlich erhebliche Beziehung unterhalten. Indem der Kassenpatient einen Mediziner unter Vorlage der Krankenversichertenkarte aufsucht und dieser die Behandlung übernimmt, geben beide konstitutive, übereinstimmende Willenserklärungen zur rechtsgeschäftlichen Gestaltung und Durchführung medizinischer Präventiv- und Heilmaßnahmen iSd § 27 SGB V ab, die letztlich auf die Begründung eines Schutzverhältnisses gerichtet sind173. Folglich schließen der Vertrags(zahn)arzt und Kassenpatient ein Vertrag sui generis iSd §§ 241; 305 BGB, der die beiderseitige Verantwortung im Sinne von Medizinerpflichten und Mitwirkungserfordernissen des Patienten verdeutlicht174. Zugleich wird eine hinreichende Flexibilität dieser Rechtsbeziehung in der Weise erreicht, dass die Parteien in concreto einen umfassenderen Inhalt vereinbaren können175. ___________ 170

Vgl. Heinrichs in: Palandt, Einl. v. § 241 Rn. 8. Auch wenn § 241 Abs. 2 BGB anders als der ursprüngliche Entwurf nicht explizit erwähnt, dass Schutzpflichten ebenfalls in Rechtsbeziehungen ohne Leistungs- und Unterlassungspflichten bestehen können, soll sich dies nunmehr über den Verweis in § 311 Abs. 2 BGB ergeben. 171 So hindert die unentgeltliche Behandlung unter Kollegen oder Freunden nicht die Annahme eines Vertrages, vgl. BGH VersR 1977, 819. 172 Jung, S. 131; Welser in: Tomandl, S. 101, 113 ff. 173 Ebenso Behrends, S. 333 ff., 349, nach dessen Ansicht nur ein zusätzlicher Behandlungsvertrag dem gesteigerten Bedürfnis nach Neben-, Schutz- und Fürsorgepflichten gerecht werde, da diese gerade in einem engen Vertrauensverhältnis von entscheidender Bedeutung seien. A.A. Henke, JZ 1980, S. 369, 371, wonach sich die Restbedeutung des Behandlungsvertrages für den Bereich des Vertrags(zahn)arztrechts in der Haftungsgrundlage als Anknüpfungspunkt für die Haftpflichtversicherung erschöpfe. 174 Katzenmeier, S. 98 sowie Deutsch/ Spickhoff, Rn. 18. 175 Ein Pflichtenzuwachs in Form einer Honorarvereinbarung ist jedenfalls nicht ohne weiteres denkbar: Beim Begehren von Behandlungsmaßnahmen, die der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nicht umfasst, wird der sozialversicherte Patient zum Privatpatienten; bei Zuzahlungen zu Verbandsmitteln, Medikamenten oder einer Krankenhausbehandlung ist die Krankenkasse Anspruchsgläubigerin und die entsprechende Stelle lediglich zur Einziehung über § 43 b SGB V ermächtigt. Nur für Eigenbe-

52

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

4. Schließlich verbleibt die Auseinandersetzung mit der Bedeutung des § 76 Abs. 4 SGB V, der bei der Annahme eines zivilrechtlichen, die Nebenpflichten einbeziehenden Vertrages überflüssig erscheinen könnte. Daher findet sich auch die Forderung, diese Vorschrift wegen der damit verbundenen Verwirrungen zu streichen176. Nach der hier vertretenen Auffassung hat die Norm durchaus ihren Sinn, der in der Regelung des Schadensregresses beim vom (Zahn)Arzt zu vertretenden Behandlungsfehler zu sehen ist. Die Pflicht des Vertrags(zahn)arztes zur fach- und sorgfaltsgerechten medizinischen Betreuung hat nämlich einen Doppelcharakter, indem sie mit der öffentlich-rechtlichen Dimension gegenüber der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung und mit einer privatrechtlichen Natur im Verhältnis zum Kassenpatienten besteht177. Damit der Mediziner nicht mehrfach haftet, begründet § 76 Abs. 4 SGB V ein zivilrechtliches Haftungsregime und demnach eine funktional vorrangige Behandlungsfehlerhaftung gegenüber dem Kassenpatienten178. Daneben wird ein weiterer, hoheitlicher Schadensersatzanspruch des Sozialversicherungsträgers gegen den Vertrags(zahn)arzt ausgeschlossen179. Die Krankenkasse kann also ihre iatrogenen Vermögensnachteile in Form zusätzlicher Aufwendungen wegen einer nunmehr länger dauernden Krankheit, einer aufwendigeren Therapie oder der Notwendigkeit einer stationären Behandlung nur im Rahmen des privatrechtlichen Schadensersatzanspruches, der gemäß § 116 SGB X kraft Gesetzes auf sie übergeht, geltend machen180. Aus dieser zivilrechtlichen Haftungskonzentration über § 76 Abs. 4 SGB V könnte das bisher nicht erfolgte Einschreiten des Gesetzgebers im Sinne einer Streichung der Norm folgen. Gleichermaßen würde überzeugen, dass die Aufrechterhaltung von § 76 Abs. 4 SGB V für den sensiblen Bereich der Haftung des Mediziners wegen der uneinheitlichen Qualifizierung des vertrags(zahn)ärztlichen Behandlungsverhältnisses vonnöten ist – hat doch der Gesetzgeber mit dem vormaligen § 368 d ___________ teiligungen bei kieferorthopädischen Behandlungen oder zahnprothetischen Maßnahmen, bei denen der behandelnde Vertragszahnarzt einen zivilrechtlichen Vergütungsanspruch gegen seinen Patienten hat, ähnelt der Behandlungskontrakt einem Dienstvertrag. 176 Buddee, Der Arztvertrag nach dem SGB V, S. 181. 177 A.A. Tiemann, ArztR 1985, S. 291, 294, dies., NJW 1985, S. 2169, 2170 f., denn die Behandlung lege artis stelle keine spezifisch vertrags(zahn)ärztliche Pflicht dar. 178 Im Ansatz wohl schon Plagemann, NJW 1984, S. 1377, 1378, wonach § 76 Abs. 4 SGB V eine insgesamt privatrechtliche Behandlungsfehlerhaftung zum Ausdruck bringe, mithin eine weitere besondere öffentlich-rechtliche Haftpflicht gegenüber der Krankenkasse ausschließe. 179 Anders dagegen BSGE 55, 144 ff., mit seiner vereinzelt gebliebenen Entscheidung und zustimmend Meydam, BKK 1984, S. 340, 341. Wie hier Tiemann, ArztR 1985, S. 291, 293 f. 180 Ebenso schleswig-holsteinisches LSG (08.05.1990 - Az.: L 6 Ka 4/89), n.v.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

53

Abs. 4 RVO eine Klarstellung zugunsten der privatrechtlichen (Zahn)Arzthaftung bezweckt. Aus alledem folgt, dass für die Diskussion um das Rechtsverhältnis vom Vertrags(zahn)arzt und Kassenpatienten weder der krankenversicherungsrechtlich abgesteckte Leistungsrahmen unberücksichtigt bleiben kann noch einzelne Relationen des Leistungserbringungsrechts miteinander vermengt werden dürfen. Die einzelnen Rechtsbeziehungen im System des Vertrags(zahn)arztrechts sind zwingend separat zu betrachten. Realisiert ein Kassenpatient seinen Anspruch iSd § 27 SGB V, kommt mit dem Vertrags(zahn)arzt ein Rechtsverhältnis zustande, das über einen Vertrag sui generis gegenseitige Sorgfalts-, Schutz- und Rücksichtnahmepflichten statuiert. Mithin führt der eigene Ansatz einen Ausgleich zwischen der überwiegend öffentlich-rechtlichen und zivilrechtlichen Position herbei und beachtet insbesondere, dass insbesondere eine zusätzliche vertragliche Absicherung des Behandlungsanspruches, der bereits im Krankenversicherungsverhältnis begründet ist, nicht erforderlich ist.

III. Zwischenergebnis Rechtlich wird die Konsultation eines (Zahn)Arztes durch den Patienten über ein Schuldverhältnis, dem sogenannten Behandlungsvertrag formiert, der beim Privatpatienten in der Regel einen Dienstvertrag iSd §§ 611; 627 BGB und beim Kassenpatienten einen inhaltlich weniger umfassenden Vertrag sui generis darstellt. Eine erfolgreiche Behandlung im Krankheitsfall oder zur Feststellung von Gesundheitsrisiken ist ohne den Willen des Patienten, wieder gesund bzw. nicht krank werden zu wollen, sein Vertrauen in die Erforderlichkeit der Medizinalmaßnahmen und der Mitarbeit ausgeschlossen. Demnach muss der Genesungs- bzw. Präventionsprozess zum gemeinsamen Anliegen erklärt werden, weshalb das (Zahn)Arzt-Patienten-Verhältnis auch als Partnerschaft bezeichnet wird181. Eine solche Gegenseitigkeit kann aus der hier allein maßgeblichen rechtlichen Perspektive nur bejaht werden, wenn dem Patienten ein eigener Verantwortungsbereich übertragen und er aufgrund der Behandlungsbeziehung nicht nur einseitig berechtigt ist. Ob und inwieweit davon auszugehen ist, soll nachfolgend untersucht werden. ___________ 181

Beispielhaft für eine Vielzahl unterschiedlicher Formulierungen – Behandlungsund Entscheidungspartnerschaft: Francke/ Hart, S. 1, 9 und Katzenmeier, S. 57; partnerschaftliche Zusammenarbeit: Hansis/ Hansis, S. 7 sowie therapeutisches Arbeitsbündnis: Mader in: Lang/ Arnold, S. 168, 169; Luban-Plozza/ Knaak/ Dickhaut, S. 10.

54

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

Um die Teilhabeerfordernisse des Patienten in rechtstheoretisch begründeter Weise aus dem Behandlungsvertrag ableiten und deren Rechtsnatur bestimmen zu können, müssen zunächst die dogmatischen Grundlagen geklärt werden. Den Ausgangspunkt bilden die rechtlichen Verhaltensnormen, die sich aus dem privat- und vertrags(zahn)ärztlichen Behandlungsvertrag ergeben. Da sich die Patientenmitwirkung unter Berücksichtigung des derzeitigen Meinungsstandes in der Literatur offensichtlich im Grenzbereich zwischen den Pflichten und Obliegenheiten bewegt, kommt es insbesondere auf eine Abgrenzung dieser Kategorien an. Entscheidend ist daher, was Pflichten und Obliegenheiten eigentlich sind und wodurch sie sich unterscheiden. Erstaunlicherweise gibt es nach wie vor keine allgemein anerkannten Definitionen. Infolgedessen wird meist nicht einheitlich beantwortet, ob eine gesetzlich geregelte oder vertraglich vereinbarte Verhaltensnorm nun eine Pflicht oder Obliegenheit statuiert. Gerade der Untersuchungsgegenstand, nämlich die Frage nach den Patientenpflichten, erfordert aber ein klares Begriffsverständnis und ein eindeutiges Unterscheidungsmerkmal. Da insofern eine eigene Positionierung unumgänglich ist, wird die eigene Dogmatik der Pflichten und Lasten entwickelt. Ausgehend von dieser Dogmatik der Pflichten und Lasten sind einzelne Teilhabeerfordernisse des Privat- und Kassenpatienten zu erörtern. Üblicherweise ergeben sie sich erst aus der Situation und damit durch Auslegung des Behandlungsvertrages. Denn (Zahn)Arzt und Patient sprechen nicht explizit über die gegenseitigen Rechte und Pflichten oder Lasten, weshalb der Behandlungsvertrag entweder über die §§ 133; 157 BGB kraft konkludenter Vereinbarung oder ergänzend nach § 242 BGB derart auszulegen ist. Letztlich hängen Art und Umfang der Patientenpflichten und -lasten von den jeweiligen Vereinbarungen im Einzelfall ab. Einige bedeutsame Teilhabeakte, die ein Behandlungsvertrag stets beinhaltet sollen eingehend untersucht werden.

IV. Dogmatik der Pflichten und Lasten im Behandlungsverhältnis Die Dogmatik der Pflichten und Lasten soll zunächst allgemeingültig für das vertragliche Schuldverhältnis entwickelt und anschließend speziell auf den Behandlungsvertrag zugeschnitten werden. Prinzipiell ist das vertragliche Schuldverhältnis auf einen Leistungsvollzug gerichtet wie etwa die privat(zahn)ärztliche, nicht aber die vertrags(zahn)ärztliche Behandlungsbeziehung. Die relativen Rechte und Pflichten für und gegen die Vertragsparteien als Ausfluss des Schuldverhältnisses sichern aber nicht ausschließlich das Erreichen des eigentlichen Vertragsziels, sondern sollen zugleich die Beeinträchtigung der Rechtsgüter des Gegenübers vermeiden. Daher koordinieren die diversen Verhaltensgebote und -verbote das Handeln von Schuldner und Gläubiger und grenzen

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

55

deren Risikosphären zueinander ab. Umfang und Ausmaß dieser Rechtssätze hängen von der Intensität des rechtsgeschäftlich-sozialen Kontakts ab.

1. Rechtspflichten und Obliegenheiten Als Rechtsnormen zielen Pflichten und Obliegenheiten auf eine Verhaltensbeeinflussung bei den Adressaten, was aber auf unterschiedliche Art und Weise geschieht. So wird dem Beschwerten jeweils ein bestimmtes Tun oder Unterlassen mit gestufter Durchsetzungskraft und verschiedenen Sanktionsmöglichkeiten oktroyiert. Welche Gemeinsamkeiten eine bestimmte Menge von Rechtssätzen aufweisen muss, um unter den einen oder anderen Typus zu fallen, soll herausgearbeitet werden. Primär erfordert dies eine Vorstellung von der inhaltlichen Dimension der Rechtspflichten und Obliegenheiten wie auch ihrer wesentlichen Unterscheidungsmerkmale.

a) Terminologie Mitunter werden die Begrifflichkeiten der Rechtspflichten und Obliegenheiten genutzt, ohne zuvor klarzustellen, was darunter eigentlich zu verstehen ist. Gerade die Definition der Obliegenheit bereitet nach wie vor Schwierigkeiten. Rechtspflichten sind individuelle Verhaltensnormen, die dem Beschwerten von der Rechtsordnung im Interesse eines anderen auferlegt werden, deren Befolgung somit nicht im Belieben des Verpflichteten steht, deshalb grundsätzlich gerichtlich durchsetzbar und vollstreckbar sind und bei ihrer Nichtbeachtung bestimmte Rechtsfolgen, insbesondere Schadensersatzansprüche auslösen182. Für das vertragliche Schuldverhältnis gliedern sich die Rechtspflichten in Leistungs- und Nebenpflichten: Während die Leistungspflichten das planmäßige Erreichen des primären Obligationenzweckes verfolgen, zielen Nebenpflichten auf die Wahrung der Rechte und sonstigen Rechtsgüter des Vertragspartners183. Die grundsätzlich einklagbaren Leistungspflichten184 können wiederum ___________ 182 So Köhler, § 17 Rn. 44. Nach Ansicht von Looschelders, S. 225 f., ist dagegen allein die Unbedingtheit der Verhaltensanforderung das konstitutive Element einer Rechtspflicht, sodass es auf die Erzwingbarkeit, Korrespondenz mit einem Erfüllungsanspruch oder Verknüpfung mit einer bestimmten Sanktion gerade nicht ankommt. 183 Teilweise wird auch zwischen Hauptleistungs- und (selbständigen und unselbständigen) Nebenpflichten unterschieden, vgl. beispielhaft Hochloch in: Erman, § 242 Rn. 64 ff. Dagegen wählt Fikentscher, Rn. 31 f., einen weiten Leistungsbegriff, der alle

56

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

in Haupt- und Nebenleistungspflichten aufgespaltet werden: Dabei sind Hauptleistungspflichten auf den Austausch der das Schuldverhältnis kennzeichnenden Leistungen gerichtet und verleihen der Obligationenbeziehung in Abhebung von einem anderen Schuldtypus ihr Gepräge. Dennoch vermögen sie das Gläubigerinteresse vielmals nicht umfassend und dauerhaft zu befriedigen, sodass darüber hinaus Nebenleistungspflichten geläufig sind. Diese dienen der Vorbereitung, Sicherung und Durchführung der Hauptleistung wie beispielweise durch eine Auskunftserteilung oder die Vornahme bzw. das Unterlassen bestimmter Handlungen, um letztlich den Leistungserfolg nicht zu gefährden. Hingegen gewährleistet die Beachtung der Nebenpflichten185, dass der Vertragspartner nicht in seinen Rechts-, Sach- oder Vermögensgütern verletzt wird. Damit konkretisiert sich das allgemeine deliktische Gebot des neminem laedere zur Obligationenpflicht des partem non laedere186. Umfang und Inhalt der Nebenpflichten hängen mithin vom Vertragszweck, den Anforderungen eines redlichen Geschäftsverkehrs und der Verkehrssitte ab, sodass sie als Schutz-, Fürsorge-, Sorgfalts-, Rücksichtnahme-, Aufklärungs- oder Warnpflichten in Erscheinung treten können. Angesichts dieser Vielfalt vermochten sich Systematisierungsversuche bislang nicht durchzusetzen187. Eine Gemeinsamkeit der Nebenpflichten besteht aber darin, dass sie prinzipiell nicht isoliert einklagbar sind188 und keine Primäransprüche begründen, sondern bei ihrer Missachtung lediglich sekundäre Schadensersatzansprüche auslösen189. Der besonderen Bedeutung der Nebenpflichten hat der Gesetzgeber mittlerweile durch § 241 Abs. 2 BGB Rechnung getragen.

___________ Liefer-, Obhuts-, Schutz- und sonstige Verhaltenspflichten einbezieht und nur Obliegenheiten ausgrenzt. 184 Neben der Hauptleistungspflicht können Nebenleistungspflichten entweder zusammen mit der Hauptleistungspflicht oder separat eingeklagt werden, vgl. hierzu statt vieler Stürner, JZ 1976, S. 384, 388. 185 Gernhuber, S. 23, sieht im Begriff der Nebenpflichten die Gefahr der Provokation von Missverständnissen. Ansonsten ist die verwendete Terminologie in diesem Bereich weitläufig – Schutzpflichten: Stoll, S. 27; Verhaltenspflichten: Larenz, S. 10.; Loyalitätspflichten: Conti, S. 23. 186 Dieser Gedanke findet sich bei Esser/ Schmidt, Schuldrecht I/2, S. 109. 187 Roth in: MüKo, § 242 Rn. 151. 188 Typischerweise lässt sich der materielle Anspruch auf ein Tun oder Unterlassen nicht hinreichend konkret als Klageantrag und korrespondierend dazu als Urteilstenor fassen, sodass den Anforderungen des Prozessrechts nicht genügt werden kann; dazu Stürner, JZ 1976, S. 384 ff.; Motzer, JZ 1983, S. 884, 886; Gernhuber, S. 25. Deshalb halten Esser/ Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 109 f. sowie Larenz, S. 11, die Beschreitung des Klageweges nur in Ausnahmefällen für möglich. 189 Beispielhaft Lorenz/ Riehm, Rn. 354.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

57

Der Begriff der Obliegenheiten stammt ursprünglich aus dem Privatversicherungsrecht. Die einen sehen darin eine Bereicherung der allgemeinen Zivilrechtsdogmatik190, andere halten ihn dagegen für wertlos und überflüssig oder sind skeptisch eingestellt191. Trotz oder wegen ihrer Bedeutung haben die Obliegenheiten keine Legaldefinition erfahren192. Rechtsprechung und Literatur tun sich schwer, eine einheitliche Terminologie mit der erforderlichen Rechtsklarheit und Beständigkeit zu entwickeln. Infolgedessen ist bis heute unklar, bei welcher Art von Rechtssätzen eine Obliegenheit bejaht werden kann193. Üblicherweise findet sich folgende oder eine ähnliche Definition: „Obliegenheiten sind Verhaltensanforderungen, deren Nichtbeachtung lediglich einen Rechtsverlust oder sonstige Rechtsnachteile nach sich zieht.“194

In dem aus ihrer Missachtung folgenden Nachteil dergestalt, dass ein Obliegenheitsbelasteter bereits erworbene günstige Rechtspositionen verliert oder sich auf Rechte, die sonst entstehen würden, nicht berufen kann, liegt das einzig anerkannte Merkmal einer Obliegenheit. Andererseits soll ihre Einhaltung im Gegensatz zu den Rechtspflichten nicht über Erfüllungsansprüche von hoher Hand zu erzwingen sein wie auch aus der Vornahme bzw. dem Unterlassen der gebotenen Handlung keine Schadensersatzansprüche folgen195. In die Diskussion um das Wesen der Obliegenheit wird zudem das Interesse an ihrer Beachtung einbezogen: Sie soll entweder allein wegen der Belange des Belasteten bestehen196, eigens zugunsten des Obliegenheitsberechtigten, wobei die Erfüllung aber primär im eigenen Interesse erfolge197, oder den Bedürfnissen beider Seiten dienen198. Normalerweise werden diese Kriterien mehr oder minder zufällig miteinander kombiniert. Jedenfalls vereinigen sich unter dem Obliegen___________ 190

Ballerstedt, ZHR 1958, S. 78, 83 f., 86. Esser, AcP 154, S. 49, 51 sowie Olzen in: Staudinger, § 241 Rn. 122. 192 Sieg, BB 1970, S. 106, 109. 193 Infolge der Unsicherheiten über die wesentlichen Merkmale einer Obliegenheit, ist die Qualifikation als „Obliegenheitstatbestand“ bei kaum einer zivilrechtlichen Vorschrift unbestritten, vgl. die Zusammenstellung bei Henß, S. 17 f., Fn. 21. 194 Köhler, § 17 Rn. 45. 195 Vgl. dafür Sieg, VersR 1992, S. 1, 3; Deutsch, Unerlaubte Handlungen, Rn. 161; Dubischar, S. 48; Larenz/ Wolf, § 13 Rn. 36; Medicus, BGB AT, Rn. 889; Fikentscher, Rn. 56; Tilch/ Arloth, Stichwort: Obliegenheit sowie Westermann in: Erman, Einl. zu § 241 Rn. 24. 196 Bruck/ Möller, § 6 Anm. 5. Ähnlich auch Olzen in: Staudinger, § 241Rn. 131. 197 Wieling, AcP 176, S. 334, 348 und Hartwig, S. 259. 198 Schmidt, Obliegenheiten, S. 104, 314 f.; Larenz/ Wolf, § 13 Rn. 36; Fikentscher, Rn. 32, 56; Teichmann in: Soergel, vor § 241 Rn. 7; Wegmann, S. 40. 191

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

58

heitsbegriff solche Rechtsnormen, die durch eine identische Rechtsfolgentechnik in Form eines schlichten Rechtsnachteils gekennzeichnet sind.

b) Dogmatische Unterscheidung Während die Erfüllung einer Rechtspflicht eingeklagt und gegebenenfalls vollstreckt oder ersatzweise Schadensersatz begehrt werden kann, führt die Nichtbeachtung von Obliegenheiten zum Verlust einer vorteilhaften Rechtsposition. Trotz dieses verschiedenartigen Verbindlichkeitsgrades ist fraglich, ob die Obliegenheiten dogmatisch nicht einen Unterfall der Rechtspflichten bilden. Darüber wird nach wie vor gestritten, sodass auch die Frage nach dem wesentlichen Unterscheidungskriterium zwischen Rechtspflichten und Obliegenheiten keinesfalls einheitlich beantwortet wird. Die dazu vertretenen Ansichten sollen kurz wiedergegeben werden, um eine Basis für die eigene Positionierung zu schaffen.

aa) Obliegenheiten als Teil oder Gegensatz der Rechtspflichten Die Uneinigkeiten im Zuge der Begriffsbestimmung der Obliegenheiten setzen sich fort, wenn es um ihren Rechtscharakter geht. Teils wird die Relevanz dieser Auseinandersetzung verneint199, was jedenfalls für diese Arbeit nicht gelten kann. Sensibilisiert durch die Darstellung des Meinungsstandes hinsichtlich der Patientenmithilfe muss gerade die Unterscheidbarkeit der Rechtspflichten und Obliegenheiten feststehen, weil nur dann eine theoretisch begründete Zuweisung einzelner Mitwirkungserfordernisse möglich erscheint. Insofern muss die Rechtsform der Obliegenheit als wesentliche Vorfrage geklärt werden: „Die Diskussion um den Pflichtencharakter der Obliegenheit ist ein wichtiges Moment in der allgemeinen Diskussion um die Bedeutung der Obliegenheiten.“200

Die in diesem Zusammenhang vertretenen Ansichten sollen danach systematisiert werden, ob die Obliegenheiten als echte Rechtspflichten anerkannt werden oder nicht. Dabei dreht sich die Kontroverse vielfach um die versiche___________ 199

Dafür Weyers in: Gitter/ Huhn/ Siegbert/ Luig/ Reich/ Tempel/ Weyers, S. 429, 460: „Da die Theorien, wie so häufig, in wirklich akut werdenden praktischen Fällen fast durchweg mit verschiedener Begründung zu demselben Ergebnis kommen, ist die grundsätzliche Auseinandersetzung nur begrenzt sinnvoll.“ 200 Henß, S. 69.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

59

rungsrechtlichen Obliegenheiten, erlangt aber nicht nur dort Bedeutung. Auf etwaige, bloß für das Privatversicherungsrecht geltende Besonderheiten wird beim Aufzeigen der verschiedenen Ansichten und der daran geübten Kritik gesondert hingewiesen.

(1) Obliegenheiten als Rechtspflicht Die Vertreter dieser Auffassung verstehen Obliegenheiten entweder als echte Rechtspflichten (Verbindlichkeitstheorie) oder Pflichten minderer Intensität (Rechtszwangtheorie). Die Einstufung der Obliegenheiten als echte Rechtspflichten findet ihren Ausgangspunkt im Versicherungsrecht201, soll aber nicht auf dieses Terrain beschränkt sein202. Vor allem dort werde deutlich, dass der Gesetzgeber den Obliegenheitsbegriff häufig konform mit dem einer Rechtspflicht gebraucht habe und daher keine inhaltlich-strukturelle Unterscheidung treffen wollte203. Zumindest zwinge die Terminologie im VVG nicht zu der Prämisse, beiden Rechtsnormen einen unterschiedlichen Regelungsgehalt geben zu müssen204. Denn die Obliegenheit verkörpere ähnlich wie die Rechtspflicht ein von der redlichen Rechtsgemeinschaft erwartetes Verhalten mit einer spezifischen Steuerungsfunktion205. Demnach schlösse eine Obliegenheitswidrigkeit einen Schadensersatzanspruch auch nicht von vornherein aus206, vielmehr seien die Verletzungsfolgen auf adäquate Sanktionen ausgerichtet207. Die Obliegenheiten würden ihren Charakter als Rechtspflichten daneben nicht aufgrund ihrer mangelnden Klagbarkeit verlieren, wie eine Parallele zu den Nebenpflichten zeige208. Die Erfassung der Obliegenheit als Verbindlichkeit ermögliche ihre klare dogmatische Eingliederung in die gesamte Rechtsordnung209. ___________ 201 Schon Ritter, LZ 1914, Sp. 354 ff., verstand Obliegenheiten als Verbindlichkeiten im bürgerlich-rechtlichen Sinne, wenngleich von besonderer Art und Kraft. Im übrigen Prölss in: Prölss/ Martin, § 6 VVG Rn. 30; Hartwig, S. 259 ff.; Weyers, Rn. 319 ff. 202 Fikentscher, Rn. 56. 203 Siehe die angeführten Beispiele bei Hartwig, S. 253 und S. 259 f.: „Vieles spricht dafür, daß der Gesetzgeber mit dieser Wortwahl schon damals lediglich auf die im VVG immanente Eigendynamik hinweisen wollte, ohne jedoch bewußt das Ideal der Einheit des Privatrechts in diesem Bereich durchbrechen zu wollen.“ 204 Hartwig, S. 257, 261. 205 Zumindest für versicherungsrechtliche Obliegenheiten Hartwig, S. 257 f. 206 AG Garmisch-Partenkirchen VersR 1969, 147, 148 und Wegmann, S. 43. 207 Hartwig, S. 258. 208 Hartwig, S. 256; Koenig, S. 139, Fn. 3. 209 Wegmann, S. 42.

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

60

Kritisch eingewandt wird die mangelnde Anerkennung der Obliegenheiten als eigenständiges Rechtsinstitut210 und die Vernachlässigung des unterschiedlichen Verbindlichkeitsgrades, denn die Wahrung der Verhaltenserwartung stehe dem Obliegenheitsbelasteten anders als einem Verpflichteten frei211. Im Übrigen sei Schadensersatz bei der Missachtung von Obliegenheiten gerade nicht anerkannt212. Andere sehen in den Obliegenheiten Pflichten minderer Intensität213, die im Verletzungsfall nur abgeschwächte Sanktionen auslösten. Grundlegend für diesen Ansatz ist die Untersuchung von Schmidt214 aus dem Jahre 1953, in der er den versicherungsrechtlichen Terminus der Obliegenheit in das allgemeine Zivilrecht transponiert, um bestimmte Erscheinungen zu erklären, die zuvor meist unter dem Stichwort „Verschulden gegen sich selbst“215 erörtert wurden. Dabei konstruiert er eine eigene Tatbestandssystematik der funktionellen und teleologischen Anreizungs- und Nötigungstatbestände216: Basierend auf einem Funktionszusammenhang zwischen Tatbestand und Rechtsfolge unterscheidet Schmidt danach, ob die vorteilhafte Rechtsfolge (Anreizungstatbestand) oder nachteilige Sanktion (Nötigungstatbestand) nur aus der Bedingungsrelation von Tatbestand und Rechtsfolge (funktionell) resultiere oder zielgerichtet zum Zwecke einer verhaltensbeeinflussenden Wirkung (teleologisch) eingesetzt werde. Zu Pflichten im weitverstandenen Sinn zählt er alle Nötigungstatbestände, wobei er die funktionellen als Lasten bezeichnet und unter die teleologischen die Verbindlichkeiten und Obliegenheiten fasst. Innerhalb der letzten Kategorie soll der Grad des Rechtszwanges die Abgrenzung dominieren: So nötige eine drohende Rechtsfolge den Normadressaten, die rechtlichen Verhaltensregeln zu beachten, wobei die Klagemöglichkeit und der Schadensersatzanspruch bei einer Verbindlichkeit starken Rechtszwang erzeuge, hinsichtlich der Obliegenheit mit dem nur partiellen Verlust einer günstigen Rechtsposition eine unter Vergleichsgesichtspunkten geringere Zwangsintensität wirke. Dem-

___________ 210

So aber Liebelt-Westphal, S. 64. Im Ergebnis ebenso Wieling, AcP 176, S. 334, 347 f. 212 Schmidt-Hollburg, S. 10. 213 In dieser Weise Schmidt, Obliegenheiten, S. 104, 314 f; Ballerstedt, ZHR 1958, S. 78, 80 ff.; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 567; ders., Unerlaubte Handlungen, Rn. 161; Göben, S. 34, 113; Fikentscher, Rn. 56; Tilch/Arloth, Stichwort: Obliegenheit; Teichmann in: Soergel, vor § 241 Rn. 7. 214 Schmidt, Obliegenheiten. 215 Diese Terminologie prägte Zitelmann, S. 151 ff., 166. 216 Vgl. die gute Zusammenfassung der Tatbestandssystematik bei Henß, S. 24 ff. 211

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

61

nach seien Obliegenheiten Pflichten minderer Intensität, von denen ein mittelbarer Rechtszwang durch den Verlust eines Rechtsvorteils ausgehe217. Kritik wird an der Vorgehensweise, von der angedrohten Rechtsfolge einen Rückschluss auf die Rechtsnatur der Obliegenheiten zu ziehen, geübt218. Darüber hinaus könne nicht von einer minderen Zwangsintensität gesprochen werden, denn einerseits träfe der Rechtsnachteil den Obliegenheitsbelasteten praktisch oftmals härter als eine Schadensersatzpflicht219, auf der anderen Seite erreichten beide Sanktionsmechanismen dasselbe Ergebnis, nämlich dass der Vertragspartner vermögensrechtlich so gestellt wird, wie er ohne Verstoß gegen das normierte Verhaltensgebot stehen würde220.

(2) Obliegenheiten als eigene rechtliche Kategorie Sofern Obliegenheiten nicht als Rechtspflichten gedeutet werden221, fragt sich, wie sie dann rechtlich einzuordnen sind. Im Versicherungsrecht wurde längere Zeit die Voraussetzungstheorie vertreten222, wonach die Beachtung einer Obliegenheit Bedingung für die Leistungspflicht sei, also die Entstehung oder Erhaltung der Rechte des Versicherungsnehmers initiiere. Die Rechtsordnung erlege dem Obliegenheitsbelasteten ein bestimmtes Verhalten auf, da ein anderes Handeln die Gefahrenlage verschiebe und neben dem Ersatzpflichtigen auch die Gefahrengemeinschaft unberechtigt geschädigt würde. Mithin sollen die Obliegenheiten keine rechtliche Verpflichtung begründen, sondern lediglich Verhaltensregelungen darstellen, deren Einhaltung die Voraussetzung für die erfolgreiche Inanspruchnahme einer Rechtsposition sei. Diese originär im Versicherungsrecht vertretene Meinung basiert im Wesentlichen auf der Vorstellung, dass es sich bei den Obliegenheiten um nicht erzwingbare Verhaltenserwartungen handele, deren Verletzung keine Sekundärverpflichtungen auslö-

___________ 217

So Schmidt, Obliegenheiten, S. 315 und folgend Göben, S. 34; Schaer, S. 46 f. Esser, AcP 154 , S. 49, 51; Ballerstedt, ZHR 1958, S. 78, 80; Hartwig, S. 256 und Wegmann, S. 41. 219 So Wieling, AcP 176, S. 334, 336 und Looschelders, S. 227. A.A. SchmidtHollburg, S. 12. 220 Hartwig, S. 257. 221 Zutreffend Larenz, S. 540, Fn. 2; Henß, S. 97 ff.; Köbler, Stichwort: Obliegenheit und Kramer in: MüKo, Einl. zu §§ 241 ff. Rn. 50. 222 Vgl. RGZ 58, 342, 346; 62, 190, 192; 97, 279, 281; 133, 117, 122; BGHZ 1, 159, 168; 24, 378, 382; Thea, MDR 1970, S. 474, 476; Hübner, VersR 1978, S. 981; Schäfer, VersR 1978, S. 4, 12 und Bach in: Bach/ Moser, §§ 9, 10 MB-KK Rn. 1. 218

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

62

se223, sodass sie durchaus vom Versicherungsrecht gelöst und verallgemeinert werden kann. Kritisiert wird auch hier das Herangehen, indem die Argumentationsgrundlage über das eigens gelegte Verständnis von Rechtspflichten und Obliegenheiten erst geschaffen werde. Sowohl der sprachlichen Fassung einzelner Verhaltensnormen wie auch der Begründung zum VVG224 sei zu entnehmen, dass der Gesetzgeber Pflichten und Obliegenheiten nicht als unterschiedliche Ordnungskategorien auffassen wollte225. Daneben bleibe mit der bloßen Beschreibung der Wirkung einer Obliegenheit deren Rechtsnatur und damit auch die Einordnung in das System der Rechtsordnung unklar226.

(3) Vermittelnde Ansichten Andere erkennen eine allgemeingültige Rechtsform der Obliegenheiten nicht an und favorisieren eine einzelbezogene Prüfung. Nach einer Ansicht können Obliegenheiten als Voraussetzung für die Leistung des Berechtigten, aber auch als echte Rechtspflichten formiert sein227. Teilweise wird auch zwischen Rechtspflichten und Verhaltenslasten differenziert228. „In der Tat besteht zu einer einheitlichen Behandlung der ganz verschiedenen Verhaltensregeln, die man unabhängig vom theoretischen Ausgangspunkt mit einem inzwischen eingebürgerten Ausdruck unschädlich als Obliegenheiten bezeichnen kann, keinerlei Anlaß.“229

bb) Abgrenzung der Obliegenheit von der Rechtspflicht Nahezu unabhängig von der Rechtsnatur der Obliegenheiten wird ihre Abgrenzung von den Rechtspflichten über generelle Merkmale erörtert. Auf die ___________ 223

Thea, MDR 1970, S. 474, 476. Vgl. etwa die Amtliche Begründung zum VVG, S. 26, 46 ff., 71, wo die Pflicht zur Prämienzahlung als die wichtigste Obliegenheit bezeichnet wird. 225 Hartwig, S. 255. 226 Wegmann, S. 39 f.; Liebelt-Westphal, S. 64. Vgl. auch Hartwig, S. 255, der die Hauptleistungspflicht des Versicherten, nämlich die Prämienzahlung wegen §§ 38; 39 VVG als Voraussetzung für den Erhalt oder die Fortdauer der Leistungspflicht seitens des Versicherers anführt. 227 Oberbach, S. 23 ff., 40 ff. 228 Hartwig, S. 260 f. 229 Weyers in: Gitter/ Huhn/ Siegbert/ Luig/ Reich/ Tempel, S. 429, 460. 224

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

63

dazu vertretenen, unterschiedlichen Ansätze soll vor der Unterbreitung eines eigenen Lösungsvorschlages kurz eingegangen werden. Teils wird für die Zuordnung zur Rechtspflicht oder Obliegenheit die unterschiedliche Interessenlage herangezogen: Die Erfüllung der Rechtspflicht liege im Interesse des Berechtigten, die der Obliegenheit entspreche hingegen dem Interesse des Belasteten230. Andere sehen die wesentliche Verschiedenartigkeit zwischen beiden Rechtskategorien in den Rechtsfolgen, denn eine Pflichtverletzung begründe eine Schuldnerstellung, eine Obliegenheitsverletzung beschränke aber nur die eingeräumte Rechtsposition231. Nach einer weiteren Ansicht bildet die Unbedingtheit des Sollens232 im Sinne der Nichtberücksichtigung persönlicher Wertvorstellungen und Zwecksetzungen das entscheidende Abgrenzungskriterium. Durch ein unbedingtes, also kategorisches Sollen sei die Rechtspflicht im Gegensatz zur Obliegenheit gekennzeichnet233. Demnach stellten Pflichten kategorische und Obliegenheiten bloß hypothetische Verhaltensanweisungen dar: „Es begründet nämlich auch aus rechtlicher Sicht einen grundlegenden (qualitativen) Unterschied, ob ein bestimmtes Verhalten unbedingt (kategorisch) geboten bzw. verboten ist oder ob es dem Normadressaten lediglich für den Fall vorgeschrieben bzw. untersagt ist, daß er die sonst eintretenden rechtlichen Nachteile vermeiden will.“ 234

Nach einem anderen Ansatz basiert die Abgrenzung auf dem Anspruch235. So korrespondiere der Rechtspflicht ein Anspruch, was nicht auch für Obliegenheiten gelte236. Letzteren käme im Schuldverhältnis auf Gläubigerseite die Funktion von vertragszielbezogenen Nebenpflichten zugunsten des Schuldners zu237. In ähnlicher Weise werden unter Obliegenheiten solche Verhaltensregeln verstanden, die nicht befolgt werden müssten, weil dem Interesse des Berech___________ 230

Bruck/ Möller, § 6 Anm. 5. Esser/ Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 114. 232 So Looschelders, S. 225 f. Im Ergebnis ähnlich Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 32 und Köbler, Stichwort: Obliegenheit. 233 Looschelders, S. 225 f., 229. 234 Looschelders, S. 208 f. Ebenso Larenz/ Wolf, § 13 Rn. 36. 235 Dafür Henß, S. 82 ff.; wohl auch Koller, Rn. 101 f. und Hartwig, S. 260 f. 236 Diesen Pflichtbegriff entwickelt Henß, S. 82 ff., bezugnehmend auf das methodische Gesamtkonzept von Schapp (vgl. dazu Schapp, Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung und auch ders., Hauptprobleme der juristischen Methodenlehre). 237 Henß, S. 101 f., 109 f., 117. 231

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

64

tigten an einem regelkonformen Verhalten über den angedrohten Rechtsnachteil bei dessen Nichtbeachtung Rechnung getragen werde238. Daher sollten alle Verhaltensnormen, an deren Missachtung das Gesetz keinerlei solche Rechtsfolge knüpft, im Zweifel den Rechtspflichten zugerechnet werden239. Der Korrelation von Pflicht und Anspruch folgend nutzt auch Hartwig240 das Kriterium des Anspruches für seine Abgrenzung zwischen Pflichten und Verhaltenslasten. Vom rechtlichen Sollen im Sinne einer Pflicht sei auszugehen, wenn das Unterlassen des verlangten Verhaltens geeignet sei, den Rechtskreis eines anderen zu beeinträchtigen. Soweit dies nicht der Fall sei, fehle eine entsprechende Schuldigkeit, sodass allenfalls Verhaltenslasten angenommen werden könnten.

2. Eigener Ansatz: Pflichten und Lasten im zivilrechtlichen Schuldverhältnis Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass sich vor allem die Obliegenheiten nur schwerlich umreißen lassen. So ist neben der Definition unklar, ob sie überhaupt ein einheitlich gewachsenes Rechtsinstitut bilden oder aber ein Teil der Rechtspflichten sind. Da das vertragliche Schuldverhältnis und insbesondere das Thema dieser Arbeit zu einer peniblen Abgrenzung der Risikosphären der Kontraktsparteien nötigen, zwingt der weitere Untersuchungsfortgang zu einer Positionierung innerhalb dieser Dogmatik. Eine solche soll mit der Differenzierung zwischen den Pflichten und Lasten und der Einordnung der Obliegenheiten in dieses System getroffen werden. Daneben darf die Vorgehensweise bei der Ableitung der Pflichten und Lasten aus dem Schuldverhältnis nicht unberücksichtigt bleiben.

a) Unterscheidung zwischen Pflichten und Lasten Infolge der Unterscheidung zwischen den Pflichten und Lasten werden zwei Kategorien für normative Rechtsnormen mit einem differenten Verbindlichkeitsgrad gebildet, was bereits die gewählte Terminologie verdeutlicht. Damit der Gegensatz der Pflichten und Lasten umfassend herausgearbeitet wird, müssen beide Normtypen zunächst begrifflich fixiert (1.), darauf aufbauend ein theoretischer Abgrenzungsmodus der Pflichten und Lasten zueinander sowie ge___________ 238

Koller, Rn. 101 f. Conti, S. 29, geht daher vom Überwiegen der Verhaltenspflichten aus, da der Gesetzgeber in den seltensten Fällen mit einer Norm der Interessenlage des Berechtigten gleich gut Rechnung trage wie bei der Annahme der Verletzung einer Verhaltenspflicht. 240 Hartwig, S. 260 f. 239

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

65

genüber den außerrechtlichen Geboten des eigenen Interesses aufgezeigt (2.) und sodann die Obliegenheiten in das System integriert werden (3.). 1. Den Ausgangspunkt bildet der Pflichtbegriff mit der Beschreibung dessen, was eine Rechtspflicht ist und welche Merkmale sie wesensimmanent ausmachen. Nach dem ethischen Verständnis handelt es sich um eine innere Forderung, die vom Menschen als unbedingtes Sollen aufgefasst und letztlich aus freiem Selbstzwang erfüllt wird241. Für eine psychologische Betrachtungsweise ist hingegen die von der Norm tatsächlich ausgehende Zwangswirkung kennzeichnend242. Maßgeblich muss aber ein rechtlicher Pflichtbegriff sein, den es zu entwickeln gilt: Danach zeichnet sich die Pflicht im Sinne einer Rechtspflicht durch eine von der Rechtsordnung aufgestellte Verhaltensanforderung in Form des Ge- oder Verbotes aus. Während bei gesetzlich normierten Pflichten nicht zwangsweise einem Dritten ein darauf gerichteter Anspruch eingeräumt ist243, steht ein solcher naturgemäß den rechtsgeschäftlichen Pflichten gegenüber. Das ergibt sich schon aus der Legaldefinition des Anspruches in § 194 BGB als ein Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen fordern zu können. Folglich korreliert ein subjektiver Anspruch mit der entsprechenden Verhaltenspflicht, sodass es sich um Komplementärbegriffe handelt244. Dies gilt ebenso für die nicht einklagbare Nebenpflicht, der nämlich ein unklagbarer Anspruch gegenübersteht245. Für diese forensisch irrelevanten, gleichwohl aber erfüllbaren Ansprüche hält die Rechtsordnung gerichtlichen Rechtsschutz nicht für erforderlich246. Infolgedessen ist eine Pflicht ein normativ bestimmtes, von der Rechtsordnung als gesollt bezeichnetes Tun oder Unterlassen worauf der Begünstigte einen Anspruch hat247. Der verpflichtende Charakter besteht darin, dass ein Tun oder Unterlassen durch einen anderen gefordert und notfalls grundsätzlich auch von hoher Hand durch Klage und Vollstreckung erzwungen werden kann.

___________ 241

Der ethische Pflichtbegriff geht zurück auf Kant, vgl. etwa Kant, S. 86. So Schmidt, Obliegenheiten, S. 21 ff. 243 Köhler, Rn. 44; Brox/ Walker, Rn. 615; Larenz/ Wolf, § 13 Rn. 32 f. sowie Engisch, S. 17 f., weisen darauf hin, dass Rechtspflichten nicht stets einem subjektiven Recht entsprechen wie bei § 1940 BGB, den Straßenverkehrsvorschriften, den Regelungen zum Schutz der Reinhaltung der Gewässer oder zur Abwehr von Seuchen. 244 So schon Heck, S. 1 und Schwab, Rn. 177. Speziell für das Arztrecht Teichmann, FArzt 2000, S. 630 ff.; Kluth in: Rechtsgutachten, S. 6 Fn. 4. 245 Vgl. dazu die Argumentation bei Henß, S. 85 ff. 246 Lenzen, NJW 1967, S. 1260 f. 247 Ähnlich auch Medicus, Rn. 59; Hartwig, S.260; Henß, S. 20, 84 ff.; Köbler, Stichwort: Pflicht; Bierling S. 171 sowie Schapp, Ethische Pflicht, S. 28. 242

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

66

Andere rechtlich normierte Verhaltensvorgaben, die keine den Pflichten vergleichbare Verbindlichkeit aufweisen, sollen in der Kategorie der Lasten zusammengefasst werden. Dabei handelt es sich um einen Begriff, der vor allem im Zivilprozessrecht gebräuchlich ist und dort eine Prozesslage bezeichnet, in der eine Partei durch ihr Verhalten einen eigenen prozessualen Nachteil abwenden kann, ohne dazu verpflichtet zu sein248. Löst man den Terminus der Lasten von seiner ursprünglich prozessualen Komponente, so kann und soll darunter eine Verhaltenserwartung verstanden werden, die nicht geschuldet wird und daher nicht einzufordern ist, deren Außerachtlassung aber zur Verkürzung der Rechtsposition des Belasteten führt249. Nicht jede Missachtung bedingt aber unweigerlich eine Sanktion, die mitunter an weitere qualifizierte Voraussetzungen geknüpft ist250. Da allein der Belastete entscheidet, ob er die Verhaltensnorm befolgt oder eine Verkürzung seines Rechtskreises in Kauf nimmt, sind die Lasten als Gegenbegriff zu den Pflichten aufzufassen251. 2. Obwohl die Abgrenzungskriterien zwischen den Pflichten und Lasten angesichts der vorangegangenen Ausführungen nahezu offenkundig sind, müssen sie dennoch festgehalten werden. Als Rechtssätze bilden die Pflichten und Lasten eine Untergruppe der sozialen Normen, die für ein geordnetes gesellschaftliches Leben sorgen. Denn Menschen richten sich überwiegend nach vorgegebenen Mustern, die eine überindividuelle und zeitlich stabile Geltungskraft aufweisen und dadurch eine Verhaltenssicherheit für die soziale Interaktion erzeugen. Sofern gewisse Verhaltensstrukturen rechtlich anerkannt sind, nehmen sie als soziale Normen die Gestalt von Rechtsgeboten oder -verboten an. Trotz der inhaltlichen Unterschiede zählen Pflichten und Lasten zu den rechtlichen Verhaltensnormen. Dabei korreliert die Pflicht mit einem kongruenten Anspruch, sodass ein bestimmtes Verhalten eingefordert, gegebenenfalls eingeklagt und zwangsweise durchgesetzt werden kann. Mithin sind ___________ 248

Zur Definition der prozessualen Last Brehm in: Stein/ Jonas, vor § 1 Rn. 209 f. A.A. Larenz/ Wolf, § 13 Rn. 39, die wohl den Lasten einen rechtlichen Charakter überhaupt absprechen. 250 Dies resultiert aus der Parallelüberlegung zur Pflichtverletzung, die nicht per se schadensersatzpflichtig macht. Unter welchen Bedingungen die Nichtbeachtung einer Last den Rechtskreis des Beschwerten nachteilig beeinflusst, hängt von der gesetzlichen Regelung ab: So löst etwa die Nichtannahme einer vertraglich vereinbarten Ware oder Leistung nur dann die Konsequenzen der §§ 300; 304; 615 BGB aus, wenn die Sache untergegangen ist und der Schuldner tatsächlich leistungsbereit war, die Aufbewahrung zusätzliche Kosten verursacht hat oder der Schuldner seinen Verdienstausfall nicht anderweitig kompensieren konnte. Ähnlich setzt Göben, S. 113 ff., eine Obliegenheitswidrigkeit und -verschulden voraus. 251 So bereits Esser/ Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 114 sowie Schmidt, Obliegenheiten, S. 89 ff. 249

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

67

Pflichten als geschuldete Verhaltensanforderungen gerade über ein rechtliches Sollen gekennzeichnet, was für Lasten nicht gleichermaßen gilt. Lasten statuieren nämlich nur eine Verhaltenserwartung, die den berechtigten Belangen des Vertragspartners insoweit genügt, als infolge ihrer Missachtung dem Normadressaten ein Rechtsnachteil droht. Der Belastete gestaltet also durch sein Verhalten die eigene Rechtssphäre. Mithin lassen sich die Pflichten sowie Lasten über das Forderungsrecht voneinander unterscheiden, das bei den Pflichten, nicht aber den Lasten gegeben ist252. Weil die Lasten im Verhältnis zu den Pflichten einen geringeren Verbindlichkeitsgrad gegenüber dem Vertragspartner aufweisen, stellt sich die Frage nach ihrer Unterscheidung von den außerrechtlichen Verhaltensnormen253, die als Gebote des eigenen Interesses bezeichnet werden sollen254. Als Verhaltensanregungen wahren sie eigene Belange und ähneln darin den Lasten, ohne jedoch einen rechtlichen Anknüpfungspunkt zu haben und bei ihrer Vernachlässigung eine Rechtssanktion auslösen zu können. Insofern kann sich die Grenzziehung zwischen den rechtlichen und außerrechtlichen Geboten am drohenden Rechtsnachteil für den Fall der Nichtbeachtung orientieren. Ist ein solcher gegeben, handelt es sich um eine Last, andernfalls um ein Gebot im eigenen Interesse. Die hier gefundenen Ergebnisse lassen sich wie folgt darstellen: soziale Normen rechtliche Normen Pflichten = Verhaltensanforderung in Korrelation eines Anspruches

Lasten = Verhaltenserwartung mit drohendem Rechtsnachteil

Anspruch

außerrechtliche Normen Gebote im eigenen Interesse = Verhaltensanregung zur Wahrung eigener Interessen

Rechtsnachteil

___________ 252

In dieser Weise auch Hartwig, S. 260. Diese brisante Frage wurde seit jeher zu beantworten versucht, vgl. beispielhaft für die Vielzahl der unterschiedlichen Ansätze: Durkheim, De la division du traivail social; Ehrlich, Grundlegung der Soziologie des Rechts; Geiger, Debat med Uppsala om moral og ret. 254 Ähnlich auch Deutsch/ Spickhoff, Rn. 97. A.A. offensichtlich Heinrichs in: Palandt, § 254 Rn. 1, der Obliegenheiten als Gebote im eigenen Interesse benennt. 253

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

68

3. Trotz einer fehlenden allgemeingültigen Definition lassen sich die Obliegenheiten wegen der anerkannten Rechtsfolgentechnik für den Fall einer Obliegenheitswidrigkeit als einheitliches Rechtsinstitut auffassen, dessen Einordnung in das System der Pflichten und Lasten nicht nur möglich, sondern sogar nötig ist255. Das Wesensmerkmal einer Obliegenheit liegt im drohenden Rechtsnachteil, der gleichzeitig auch den Interessen des Obliegenheitsbegünstigten Rechnung trägt. Da ein obliegenheitsgemäßes Verhalten nicht beansprucht werden kann, entscheidet allein der Obliegenheitsbeschwerte, ob er dementsprechend agiert oder aber eine Verkürzung seines Rechtskreises hinzunehmen bereit ist. Obgleich eine solche Entscheidungsalternativität besteht, gelten Obliegenheiten als lästig256. Denn letztlich verlangen sie, wenn auch in Form einer freien Verhaltenserwartung ein bestimmtes Tun oder Unterlassen. Somit vereinnahmen die Obliegenheiten einen Teilbereich der Lasten257, sodass es sich nicht um eine rein terminologische Ersetzung handelt258.

b) Ableitung der Pflichten und Lasten Die aus dem vertraglichen Schuldverhältnis herrührenden Pflichten und Lasten haben ihren Geltungsgrund in der rechtsgeschäftlichen Vereinbarung und sind bisweilen über eine gesetzliche Normierung abgesichert. Eine derartige Vorprägung des Schuldverhältnisses wie in den Fällen der gesetzlich geregelten Vertragstypen entlastet die Parteien beim Abstecken des vertraglichen Rahmens einschließlich der gegenseitigen Rechte, Pflichten und Lasten, ohne dass ergänzende Abreden ausgeschlossen sind. Da der Gesetzgeber in den §§ 433 ff. BGB nur wenige Vertragsformen ausgestaltet hat, kommt Vertragsabsprachen bei der Ableitung der Verhaltensnormen eine besondere Bedeutung zu. Nicht selten sind sie jedoch unergiebig, weil die Parteien klärungsbedürftige Punkte nicht besprochen oder aber übersehen haben. Eine solche Vertragslücke muss ___________ 255

Dagegen verzichtet Conti, S. 26 ff., 30, im Rahmen seiner Arbeit auf die Verwendung des Obliegenheitsbegriffes wegen dessen Unschärfe, dem Fehlen einer klaren und durchgesetzten Definition sowie der Schwierigkeiten der Abgrenzung der Obliegenheiten von den Rechtspflichten, ohne diesen aber grundsätzlich in Frage stellen zu wollen. Mangels eines Abgrenzungsversuches zwischen den Rechtspflichten und Obliegenheiten vermengt er beide Begriffe zur Pflicht, wobei ihr genauer Inhalt auch im Ergebnis unklar bleibt. 256 So Esser/ Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 115. 257 Ähnlich auch Esser/ Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 115; Kramer in: MüKo, Einl. vor § 241 Rn. 50. A.A. Fikentscher, Rn. 56. 258 Nach Ansicht von Hanau, AcP 165, S. 220, 239, wäre wohl auch dies legitim, weil der Ausdruck der Last besser zum Ausdruck bringe, dass es sich bei der Obliegenheit gerade nicht um eine Rechtspflicht handelt.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

69

unter Heranziehung des Gebotes von Treu und Glauben in der Weise geschlossen werden, was redliche Vertragsparteien bei Kenntnis der Sachlage vereinbart hätten. Diese ergänzende Vertragsauslegung wird vor allem für die Statuierung von Nebenpflichten und Obliegenheiten bemüht, denn der Vielgestaltigkeit aller Lebenssachverhalte kann weder die planvolle Voraussicht des Gesetzgebers noch die Vertragsgestaltung der Parteien vollends genügen259. Obwohl die Nebenpflichten mittlerweile in § 241 Abs. 2 BGB eigens erwähnt sind, richtet sich ihre inhaltliche Ausformung weiterhin nach § 242 BGB260.

3. Übertragung der Dogmatik auf das Behandlungsverhältnis In dem eigenen Ansatz von den Pflichten und Lasten liegt die dogmatische Basis für die Beantwortung der Frage, ob es überhaupt Patientenpflichten gibt oder die Teilhabeerfordernisse lediglich Lasten oder gar nur außerrechtliche Gebote darstellen. Dies hängt vor allem davon ab, wie sich die rechtlichen und außerrechtlichen Verhaltensregeln bezogen auf das Behandlungsverhältnis voneinander unterscheiden. Mit anderen Worten muss geklärt werden, unter welchen Bedingungen während des (Zahn)Arzt-Patienten-Kontakts von einer Pflicht oder Last gesprochen werden kann oder lediglich Gebote im eigenen Interesse anzunehmen sind. Daneben geht es aus Gründen der Klarstellung um die Ableitung der Patientenpflichten und -lasten aus dem Behandlungsvertrag, weil diese bei der fallgruppenbezogenen Prüfung oftmals mit den Erörterungen um den Charakter des jeweiligen Patientenbeitrages verquickt ist.

a) Pflichten, Lasten und Gebote im eigenen Interesse Die notwendige Harmonisierung zwischen der Therapiefreiheit des (Zahn)Arztes auf der einen Seite und dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten andererseits beeinflusst die Abgrenzung der Pflichten und Lasten sowie der Lasten und Gebote im eigenen Interesse. Als Verhaltensanforderung korrespondiert die Pflicht mit einem kongruenten Anspruch. Es fragt sich daher, wann dem Mediziner ein Anspruch auf Verantwortungsübernahme und Beteiligung seines Patienten eingeräumt ist und ___________ 259 Esser/ Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 109. Anders Conti, S. 26, wonach Nebenpflichten grundsätzlich ausdrücklich vertraglich vereinbart werden. 260 In diesem Sinne Ehmann/ Sutschet, S. 70 f.; Schmidt-Räntsch, Rn. 453 und Lorenz/ Riehm, Rn. 356.

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

70

folglich eine Patientenpflicht besteht. Dabei bricht das soeben erwähnte Spannungsfeld zwischen dem (zahn)ärztlichen Ethos einer Hilfeleistung und dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten auf, das Brüggemeier261 folgendermaßen formuliert und zu erfassen versucht: „Das Spannungsverhältnis zwischen dem von den Ärzten vertretenen und von ihnen kompetent verwalteten Primat der Heilung (salus aegroti suprema lex) und dem von den Juristen vertretenen Primat der Selbstbestimmung (voluntas aegroti suprema lex) ist gerade im Interesse einer wohlverstandenen Arzt-Patienten-Kooperation nicht länger einseitig aufzulösen, sondern als Spannungsverhältnis aus- und durchzuhalten. Insofern hat Wiethölter schon 1962 die epigrammatische Formel geprägt: salus et voluntas aegroti suprema lex.“

Auch wenn diese paradigmatische Auflösung des Regelungskonfliktes nicht klärt, unter welchen Voraussetzungen der (Zahn)Arzt eine Patientenmitarbeit fordern kann, bietet sie eine Orientierung. Beide Interessen müssen nämlich unter Beachtung der Rechtsordnung möglichst weitreichend zur Geltung kommen. Hierbei ist zu beachten, dass das Selbstbestimmungsrecht Verfassungsrang hat. Nicht bloß die Gesellschaft, sondern auch das Grundgesetz misst der physischen und psychischen Gesundheit höchste Priorität bei. Das Selbstbestimmungsrecht weist dem Patienten die alleinige Entscheidungsgewalt über seine Integrität zu. So legt der Patient fest, ob und inwieweit er sich einer Behandlung unterzieht und gemeinsam mit dem (Zahn)Arzt kooperiert. Dem untergeordnet ist das Bedürfnis des Mediziners nach seiner ideellen Selbstverwirklichung, die ohnehin zunehmend vom Streben nach einer gesicherten Existenz verdrängt wird. Zum Schutz dieser Belange ist es nicht geboten und darüber hinaus rechtlich nicht möglich, einem Patienten die Mitarbeit zwingend zu gebieten und dem Mediziner diesbezüglich ein Forderungsrecht einzuräumen. Trotz der Unabdingbarkeit einer faktischen Patiententeilhabe kann demnach von einem rechtlichen Sollen nicht ausgegangen werden, wenn der notwendige Patientenbeitrag einen Körperlichkeitsbezug aufweist, außer es sind ausnahmsweise vergleichbar hochrangige Interessen auf Seiten des Mediziners, letztlich also dessen Körperintegrität betroffen. Mithin steht das Selbstbestimmungsrecht des Patienten grundsätzlich der Annahme eines Anspruches und damit der Auferlegung einer Pflicht entgegen262. Der Patient kann sich nämlich jederzeit von einer Behandlung lossagen, sei es aufgrund einer bewussten Entscheidung oder aber aus eigener Nachlässigkeit, zumal das Selbstbestimmungs___________ 261

Brüggemeier, Rn. 622. Ähnlich auch Seger, SDSRV Bd. 42, S. 35, 37. Ebenso Göben, S. 48. A.A. aber Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 78 Rn. 2, 8 und ähnlich Conti, S. 134, nach deren Ansicht die Patientenmitwirkung eine vertragliche Nebenpflicht darstellt, die ihrerseits durch das Selbstbestimmungsrecht begrenzt sein soll. 262

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

71

recht mit dem Einlassen auf einen Therapieplan nicht beschränkt wird. Berühren bestimmte Beteiligungsformen das Selbstbestimmungsrecht nicht, können sie dem Patienten zum Schutz der Vermögenssphäre oder Dispositionsfreiheit des Mediziners als Pflicht auferlegt sein263. Daher gibt es durchaus Patientenpflichten, obgleich sie eher selten sein dürften264. Hingegen verkörpert die Last eine Verhaltenserwartungen, deren Außerachtlassung die Rechtsposition des Normadressaten verkürzt und von dem Lastenbegünstigten wegen des hinreichenden Schutzes seiner Belange nicht eingefordert werden kann. Mithin liegen Patientenlasten insbesondere vor, wenn der (Zahn)Arzt ein berechtigtes Interesse an der Teilhabe des Patienten vorzubringen vermag und zugleich das Selbstbestimmungsrecht berührt ist265. Teilweise kann der (Zahn)Arzt seine Pflichten ohne Mitarbeit des Patienten nicht erfüllen und nur selten das erstrebte Behandlungsziel im Alleingang erreichen. Weigert sich ein Patient stringent, im nötigen Umfang an den Präventivmaßnahmen oder Heilungsbemühungen mitzuwirken, vollbringt das medizinische Engagement über kurz oder lang keinen Nutzen. Darüber hinaus drohen dem Mediziner das Unterlaufen eines haftungsauslösenden Behandlungsfehlers sowie die Schädigung seiner Reputation. Dagegen kann er sich allenfalls wehren, wenn das jeweilige Teilhabeerfordernis zur rechtlichen Verhaltensnorm erstarkt ist. Jedoch darf das Selbstbestimmungsrecht nicht relativiert werden. Diesen Interessenwiderstreit gleicht eine Last aus, denn dem Patienten steht die Beachtung einer Verhaltenserwartung mangels Verpflichtungscharakter anheim und die Position des Mediziners wird über den angedrohten Rechtsnachteil, meistens in Form eines sanktionslosen Behandlungsabbruchs gemäß § 627 BGB gewahrt266. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, ob die Patientenmitarbeit möglich und zumutbar ist. ___________ 263

Vgl. insoweit auch für das Werkvertragsrecht Peters in: Staudinger, § 642 Rn. 20. Dieses Ergebnis findet sich für die Mitwirkung eines Werkbestellers in § 642 BGB umgesetzt. Demnach kann der Unternehmer eine angemessene Entschädigung verlangen, wenn die vertragsgemäße Werkherstellung an der erforderlichen, aber fehlenden Mitwirkung des Bestellers, wie beispielsweise dem Maßnehmen zwecks Anfertigung eines Anzuges, scheitert und der Besteller dadurch in Annahmeverzug gerät. Dabei soll es sich nach überwiegender Ansicht um eine Obliegenheit handeln, die nach eigener Dogmatik den Lasten zuzuordnen ist, so etwa BGHZ 11, 80, 86; 50, 175, 178; BGH NJW 1984, 1080; Fikentscher, Rn. 895; Busche in: MüKo, § 642 Rn. 4, 21 und Peters in: Staudinger, § 642 Rn. 17; a.A. Schwenker in: Erman, § 642 Rn. 2 und Glanzmann in: RGRK, § 631 Rn. 46, 94. 265 Für die vergleichbare Mitwirkung eines Werkbestellers ebenso Peters in: Staudinger, § 642 Rn. 18. 266 In Argumentation und Ergebnis für die Mitwirkung eines Bestellers im Werkvertragsrecht ähnlich Peters in: Staudinger, § 642 Rn. 17 ff. 264

72

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

Auf der Stufe der außerrechtlichen Verhaltensnormen beinhalten die Gebote im eigenen Interesse für das (Zahn)Arzt-Patienten-Verhältnis Verhaltensanregungen, die ausschließlich zum Schutz der Patientenbelange bestehen und an deren Beachtung der Mediziner kein oder zumindest kein rechtlich legitimes Interesse hat. Obgleich diese Handlungsrichtlinien eine Folge der allgemeinen Werteordnung sind und gerade nicht dem Behandlungsvertrag entspringen, rücken sie automatisch immer mit in den Blick, wenn die Patiententeilhabe im Grenzbereich der rechtlichen und außerrechtlichen Verhaltensnormen auszuloten ist. Denn erst dadurch lässt sich die Pflichten- und Lastenstellung des Patienten sachgerecht untersuchen und umfänglich abstecken. Aus diesem Grund ist die Berücksichtigung der Gebote des eigenen Interesses bei den Erörterungen zur Rechtsnatur einzelner Mitwirkungserfordernisse gerechtfertigt. Die Strukturmerkmale der Pflichten, Lasten und Gebote im eigenen Interesse als rechtliche und außerrechtliche Ausformung der Mitwirkungsverantwortung des Patienten können überblicksartig wie folgt zusammengefasst werden: Mitwirkungsverantwortung des Patienten rechtliche Normen Pflichten

außerrechtliche Normen

Lasten

= Verhaltensanforderung ohne Bezug zum Selbstbestimmungsrecht oder aufgrund überragender Medizinerinteressen

Gebote im Eigeninteresse

= Verhaltenserwartung mit drohendem Rechtsnachteil, wenn Selbstbestimmungsrecht und berechtigte Medizinerinteressen betroffen

Anspruch

= Verhaltensanregung zum Schutz des Patienten ohne berechtigte Interessen des (Zahn)Arztes

Rechtsnachteil

b) Ableitung der Patientenpflichten und -lasten Die Ableitung der Patientenpflichten sowie -lasten aus dem Behandlungsvertrag erweist sich nicht als besonders schwierig, falls sie ausdrücklich oder konkludent zum Gegenstand der vertraglichen Parteiabsprache gemacht werden, wie es für eine sorgfältige und fachgerechte Medizinalversorgung gegen Zahlung des Honorars bei einer privat(zahn)ärztlichen Behandlung der Fall ist. Ob dies der Fall ist, kann nur für den jeweiligen Einzelfall entschieden werden. Meist ergibt sich das Erfordernis einer Patiententeilhabe aber erst aus bestimmten Behandlungssituationen, die beim Vertragsschluss nicht voraussehbar

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

73

und mithin nicht regelungsfähig sind. Obschon der Behandlungsvertrag als zunächst offenes Schuldverhältnis stetig konkretisiert wird, mangelt es weitgehend an einem ausdrücklich vertraglich vereinbarten Rechte-, Pflichten- und Lastenprogramm für wie gegen den Patienten und (Zahn)Arzt. Der insoweit offene Behandlungsvertrag muss daher gemäß § 242 BGB ergänzend ausgelegt werden. Dabei wird die rechtsgeschäftliche Lücke durch eine Abwägung der gegenseitigen Interessen unter Einbeziehung aller objektiven und individuellen Faktoren geschlossen, ohne den vertraglich vorgegebenen Rahmen zu überschreiten. Entscheidend ist dabei, welche Regelung von redlichen Parteien ausgehandelt worden wäre, wenn sie die eingeschlagene Richtung ihrer Rechtsbeziehung oder deren unvollständige Ausgestaltung Bedacht hätten. Diese Vorgehensweise gewährleistet einen interessengerechten Ausgleich der Belange beider Seiten. Patientenpflichten und -lasten, die sich möglicherweise aus § 254 BGB oder dem allgemeinen Gebot des neminem laedere ergeben, werden daher vollständig durch den Behandlungsvertrag absorbiert267. Bedeutung erlangen sie aber beim Umgang mit einem (zahn)ärztlichen Behandlungsfehler, womit sich der zweite Abschnitt dieses Kapitels beschäftigt.

c) Rechtsfolgen bei der Missachtung von Pflichten und Lasten durch den Patienten An dieser Stelle werden die potentiellen Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung bzw. der Nichtbeachtung einer Last durch den Patienten aufgezeigt, um ihre Dimension für die folgende Untersuchung der einzelnen Mitwirkungserfordernisse abzustecken. Verletzt der Patient schuldhaft seine Pflicht, wodurch der Mediziner adäquat kausal in seiner Rechtssphäre tangiert wird und infolgedessen einen Vermögensschaden erleidet, greifen alternativ die Schadensersatzansprüche der §§ 280 Abs. 1; 823 Abs. 1, 2 BGB. Zusätzlich kann Schmerzensgeld nach § 253 Abs. 2 BGB beansprucht werden, falls es zu einer Gesundheitsbeeinträchtigung gekommen ist. Eine bewusste Vereitelung des Vertrauensverhältnisses berechtigt den Mediziner zum sanktionslosen Abbruch der Behandlung268. Für die privat(zahn)ärztliche Versorgung folgt das Kündigungsrecht ___________ 267

Die Norm des § 254 BGB regelt das Mitverschulden und setzt daher einen (zahn)ärztlichen Behandlungsfehler voraus, sodass sie im Zuge der fehlerfreien medizinischen Versorgung m.E. keine Anwendung findet. So jetzt auch Schellenberger, VersR 2005, S. 1620, 1622. 268 Nach Ansicht von Conti, S. 171, erlangt die sofortige Kündigung des Behandlungsverhältnisses infolge einer mangelnden Patientenmitwirkung nur theoretische Be-

74

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

aus § 627 BGB und ergibt sich beim vertrags(zahn)ärztlichen Tätigwerden aus der Analogie zu den §§ 626; 627 BGB und §§ 13 Abs. 7 BMV-Ä; 4 Abs. 7 BMV-Z269. Das Recht des Mediziners, das Behandlungsverhältnis folgenlos zu beenden, stellt die entscheidende Sanktion einer missachteten Last dar. Sie kommt jedoch nicht bei jeder Vernachlässigung zum Zuge, da mitunter weitere Voraussetzungen vorliegen müssen. So kann sich der Mediziner gegen den Willen seines Patienten nur beim Vorliegen eines wichtigen Grundes von der Behandlungsbeziehung lösen, ohne selbst nach § 627 Abs. 2 Satz 2 BGB schadensersatzpflichtig zu werden. Wenngleich eine abgebrochene Behandlung normalerweise alsbald von einem anderen (Zahn)Arzt fortgesetzt wird, besteht wegen eventuell längerfristiger Terminvergaben und wiederholt durchzuführender Untersuchungen doch eine gewisse Zäsur. Deshalb soll ein (Zahn)Arzt die laufende Behandlung nicht grundlos kündigen können, etwa wenn sich der Patient krankheitsbedingt nicht beteiligen konnte oder einmalig einen Mitwirkungsakt unterlassen hat. Wurde der Patient hingegen wiederholt über die Notwendigkeit einer Verantwortungsübernahme unterrichtet und reagiert darauf nicht, ist dem Mediziner eine Weiterbehandlung unzumutbar. Gerechtfertigt ist die Kündigung folglich bei einem qualifizierten Verstoß gegen die vertraglich abgeleiteten Verhaltenslasten durch den Patienten. Schleicht sich ein Behandlungsfehler durch eine mangelnde oder unzureichende Patientenkooperation ein, wird die Schadensersatzpflicht des (Zahn)Arztes über das Mitverschulden nach § 254 BGB eingeschränkt oder ausgeschlossen. Mangels eines rechtlichen Verbotes zur Selbstschädigung wird das Verschulden in § 254 BGB270 in einem weiteren, uneigentlichen Sinn als Verstoß gegen die Sorgfalt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Abwendung eigenen Schadens anwendet271, verstanden. Andererseits kann ein grobes Patientenfehlverhalten auch die haftungsausfüllende Kausalität im Rahmen der (Zahn)Arzthaftung beseitigen, sodass eingetretene Gesundheitsschädigungen nur dem Patienten zugerechnet werden. Dafür genügt aber nicht, dass ___________ deutung, weil der (Zahn)Arzt seinen kranken Patienten aus berufsethischen Gründen nicht im Stich lassen wird. 269 Da die vertrags(zahn)ärztliche Behandlung in Form eines Vertrages sui generis erfolgt, sind mangels gesetzlicher Regelungen passende Normen heranzuziehen. 270 Deshalb schiene es sinnvoll, anstelle des pflichtbezogenen Verschuldensbegriffes den der Verursachung zu verwenden. Dadurch entbehrten sich zugleich die gekünstelten Versuche, Obliegenheiten aus § 254 BGB als Rechtspflichten einzustufen. 271 RGZ 100, 42, 44; BGHZ 9, 316, 319; 74, 25, 28; Kuckuk in: Erman, § 254 Rn. 20; Mertens in: Soergel, § 254 Rn. 2, 23 sowie Oetker in: MüKo, § 254 Rn. 29 f. Kritisch dazu Looschelders, S. 190 ff.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

75

ein dem Patienten zu machender Vorwurf gewichtiger als der Behandlungsfehler ist. Müssen sich beide Seiten ein grobes Fehlverhalten eingestehen, ist eine Beweislastumkehr zulasten des Mediziners im Rahmen des haftungsbegründenden Ursachenzusammenhanges nicht geboten, sodass der Patient gemäß der originären Beweislastverteilung die Kausalität des Behandlungsfehlers für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen hat272. Grundsätzlich verbleibt dem Patienten also der Schaden, der auch bei einer fehlerfreien Behandlung nicht zu vermeiden ist.

V. Mitwirkungserfordernisse des Privatpatienten Nach den vorangegangenen Ausführungen beinhaltet der Behandlungsvertrag durchaus Pflichten und Lasten des Patienten, die überwiegend im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung abzuleiten sind. Denn bisher existiert kein kraft gesetzlicher Regelung standardisierter Behandlungsvertrag. Da nicht überschaubar ist, in welchen Konstellationen überhaupt die ausfüllungsbedürftige rechtsgeschäftliche Lücke besteht und wie sie zu schließen ist, werden jeweils einzelne Teilhabeerfordernisse des Patienten daraufhin untersucht. Um gleichwohl eine geordnete Darstellung zu erreichen, wird der typische Ablauf einer Behandlung zugrunde gelegt. Die folgende Abbildung soll einen gewissen Anhaltspunkt geben, auch wenn die tatsächlichen Geschehnisse stark vereinfacht wiedergegeben werden273: Ausführung durch andere eingehende Anamnese und Befunderhebung

Diagnosestellung

Therapieplan

Unterrichtung und Absprache mit dem Patienten

eigene Ausführung

Während die Konsultation des Mediziners eine Initiative des Patienten erfordert, geht diese einseitige Aktivität mit der Behandlungsaufnahme in eine Verantwortungsgemeinschaft von (Zahn)Arzt und Patient über. Erst wenn die beklagten Beschwerden einem bekannten Krankheitsbild zugeordnet sind, also eine Diagnose erstellt wurde, kann der (Zahn)Arzt gezielt heilen. Das setzt wiederum eine Anamnese und befunderhebende Untersuchungen voraus, zumal ___________ 272 273

In dieser Weise KG Berlin AHR A II/ 1 c, 74/1, 4. Darstellung weitgehend übernommen von Bliesener in: Ehlich, S. 143, 159.

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

76

sich etwa 80 % der Diagnosen darüber zutreffend ermitteln lassen274. Steht die Erkrankung oder eine Schadensanlage fest, wird dem Patienten die Diagnose mitgeteilt und ein Behandlungsvorschlag unterbreitet. Während der anschließenden Therapie werden medizinisch indizierte Maßnahmen zur Verhütung oder Heilung einer Krankheit unter Anwendung des gegenwärtig geltenden, wissenschaftlichen Erkenntnisstandards durchgeführt. Bezogen auf diese Behandlungsphasen sind vielfältige Mitwirkungserfordernisse seitens des Patienten denkbar. Dazu zählen beispielsweise die Wahrnehmung eines vereinbarten Behandlungstermins, die Vermeidung von Schädigungen im Rahmen des Aufsuchens einer (Zahn)Arztpraxis, die Mitteilung von Informationen insbesondere bei der Anamnese, die Mitwirkung an der Behandlungskonkretisierung und Aufklärung, die Teilhabe an der Behandlungsdurchführung angefangen bei einer Einwilligungserteilung und der Duldung von Behandlungsmaßnahmen bis hin zur Beteiligung an Eingriffs- oder Therapiemaßnahmen und letztlich die Zahlung des Honorars. Innerhalb dieser Hauptgruppen werden weitere Untergliederungen vorgenommen. Dabei wird stets eine Vorstellung vom Inhalt und Umfang der zumindest aus tatsächlicher Sicht erforderlichen Patientenmithilfe vermittelt, ehe es um deren rechtliche Erfassung geht. Für die Annahme eines Rechtssatzes ist entscheidend, ob ihn die Parteien bei Kenntnis der Sachlage vertraglich vereinbart hätten. Demnach kommt die ergänzende Auslegung des Behandlungsvertrages immer dann in Betracht, wenn schützenswerte Interessen des Mediziners im Raum stehen und er deshalb eigentlich auf eine Vertragsabsprache bestehen würde. Somit müssen vorrangig die Belange des (Zahn)Arztes herausgestellt werden, um eine ausfüllungsbedürftige Lücke des Behandlungsvertrages gegebenenfalls bejahen zu können. Darauf aufbauend vollzieht sich die Ergänzung des Behandlungsvertrages über eine Gewichtung der beiderseitigen Interessen, sodass entweder eine Pflicht oder aber Last anzunehmen ist. Eventuell bereits vorhandene Meinungen werden in die Überlegungen einbezogen. Abschließend sollen jeweils die Sanktionen im Fall der Verletzung der rechtlich statuierten Verhaltensnorm aufgezeigt werden.

1. Wahrnehmung eines vereinbarten Behandlungstermins Immer wieder kommt es vor, dass Patienten Behandlungstermine verabreden und letztlich nicht pünktlich oder überhaupt nicht erscheinen. Sofern der Patient aufgrund der Terminierung fest in den organisatorischen Ablauf des behan___________ 274

Wilke in: Reimer, S. 1, 2 wie auch Haferlach, S. 19.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

77

delnden Mediziners eingeplant ist und der (Zahn)Arzt keine Möglichkeit hat, andere behandlungsbedürftige Kranke in der durch das Nichterscheinen eines bestellten Patienten verursachten Auszeit zu versorgen, stellt sich ihm die Frage, inwieweit er seinen Honorarausfall vom säumigen Patienten ersetzt verlangen kann. Die Vergütung von privatmedizinisch erbrachten Dienstleistungen wird nach den Gebührenordnungen für Ärzte/ Zahnärzte (GOÄ/ GOZ) berechnet. Bis zum 31. Dezember 1982 konnte ein Arzt für sein unnützes Warten die Verweilgebühr gemäß der Regelung Nr. 24, 2 c, Abschnitt A III der GOÄ 1965275 in Rechnung stellen, deren letzter Satz lautete: „Die Verweilgebühr darf auch für den Zeitverlust berechnet werden, der dadurch entsteht, dass ein Kranker nicht zu der mit dem Arzt vereinbarten Zeit erscheint.“

Für Zahnärzte galt diese Vorschrift wegen des Verweises von § 6 Satz 1 GOZ 1965276 auf die GOÄ 1965 über diesen Zeitpunkt hinaus, bis zum Inkrafttreten der geänderten GOZ am 1. Januar 1988277, deren § 6 Abs. 1 sich nunmehr auf die GOÄ in der jeweils geltenden Fassung bezieht. Obwohl heutzutage die Mehrzahl der (Zahn)Arztpraxen nach dem Bestellsystem arbeiten, mithin dem Patienten auf dessen Wunsch eine nach Tag und Uhrzeit terminierte Konsultationsmöglichkeit zwecks Verkürzung der Wartezeiten und Ausschöpfung der Behandlungskapazitäten mitgeteilt wird, fehlt der jetzigen GOÄ278 eine vergleichbare Regelung. Denn die Verweilgebühr in Nr. 56 im Abschnitt B IV erfasst nur diejenigen Fälle, in denen ein Arzt wegen der Beschaffenheit des Krankheitsfalles in tätiger Bereitschaft und Beobachtung mehr als 30 Minuten beim Patienten ausharren muss, ohne selbst berechenbare Leistungen zu erbringen279. Nicht darunter subsumierbar ist das Warten auf einen Patienten, der nicht oder nicht vereinbarungsgemäß erscheint, da vergeblicher Zeitaufwand keine (zahn)ärztliche Leistung im Sinne der GOÄ darstellt280. Das bedeutet nicht, dass einem Mediziner seither keinerlei Ansprüche zustehen, wenn der Patient einen Termin versäumt, ohne ihn rechtzeitig abgesagt zu haben, oder nicht pünktlich kommt. Da allein die Missachtung eines Rechtsge___________ 275

GOÄ in der Fassung vom 18.03.1965 (BGBl I 1965, S. 89 ff.). GOZ in der Fassung vom 18.03.1965 (BGBl I 1965, S. 123 ff.). 277 GOZ in der Fassung vom 22.10.1987 (BGBl I 1987, S. 2316 ff.), zuletzt geändert am 04.12.2001 (BGBl I 2001, S. 3320 ff.). 278 GOÄ in der Fassung vom 09.02.1996 (BGBl I 1996, S. 210 ff.), zuletzt geändert am 04.12.2001 (BGBl I 2001, S. 3320 ff.). 279 Darunter ist beispielsweise eine medizinisch indizierte Anwesenheit des Arztes im Rahmen eines Hausbesuches zwecks Beobachtung des Krankheitsverlaufes oder die Begleitung des Patienten im Notarztwagen zu fassen. 280 Vgl. Brück, Nr. 56 Rn. 4. 276

78

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

botes eine rechtliche Sanktion nach sich ziehen kann, müsste einem Patienten die Wahrnehmung eines Behandlungstermins in Form der Pflicht oder Last auferlegt sein. Auch wenn der Behandlungsvertrag vielmals im Moment der persönlichen oder telefonischen Terminabsprache konkludent geschlossen wird und der Mediziner aus eigenem Schutzinteresse die Vereinbarung einer Patientenpflicht oder -last favorisieren würde, mangelt es daran meist. Erforderlich ist nämlich eine dementsprechende Willensübereinstimmung, sodass einseitig oktroyierte Verhaltensgebote keine kontraktsgestaltende Wirkung zu erzielen vermögen. Letzteres betrifft vor allem den schlichten Hinweis auf einem Bestellzettel, den üblicherweise die Sprechstundenhilfe infolge der Terminabrede aushändigt und wodurch der Patient zum pünktlichen Erscheinen angehalten wird oder seine Verhinderung rechtzeitig mitteilen soll281. Dennoch kann sich aus dem Behandlungskontrakt ein Rechtssatz ergeben, sofern ihn redliche Vertragsparteien unter Bedacht auf die beiderseitigen Interessen normalerweise vereinbart hätten.

a) Erscheinen zum vereinbarten Behandlungstermin Fixiert auf das (zahn)ärztlichen Honorarinteresse konzentrieren sich Literatur und Rechtsprechung bislang ausnahmslos auf das Problem, ob dem Mediziner durch das Nichterscheinen eines bestellten Patienten ein Ersatzanspruch für seinen dadurch bedingten Verdienstausfall zusteht, falls in dem Zeitraum kein anderer Patient medizinisch versorgt werden konnte. Ausgeblendet von dieser Diskussion, die in der Begründung wie auch im Ergebnis extrem uneinheitlich ist, bleibt die Feststellung des Rechtscharakters der Patiententeilhabe. Indirekt steckt dies jedoch in der Bejahung eines Ersatzanspruches, weil das Auffinden der einschlägigen Rechtsgrundlage eine entsprechende gedankliche Vorarbeit erfordert. Denn wie schon erwähnt, vermag nur die Vernachlässigung eines rechtlich gebotenen Handelns eine von der Rechtsordnung vorgesehene Sanktion auszulösen. Deshalb werden zunächst die im Zusammenhang mit der Rechtsfolgenwirkung vertretenen Meinungen aufgezeigt, um in einem zweiten Schritt daraus die Rechtsnatur des Erscheinens zum vereinbarten Behandlungstermin deduzieren und selbst Position beziehen zu können. Für die eigene Stellungnahme wird ein entgegengesetztes Vorgehen gewählt, indem ausgehend von einer vertraglichen Lücke eine Verhaltensnorm aus dem Behandlungskon___________ 281 Beispielhaft: „Um Ihnen unnötige Wartezeiten zu ersparen und Sie in Ruhe behandeln zu können, wird unsere Praxis nach dem Bestellsystem geführt. Deshalb bitten wir Sie, Ihren Termin pünktlich einzuhalten. Reservierte, aber nicht spätestens 24 Stunden vorher freigegebene Termine werden daher in Rechnung gestellt.“

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

79

trakt abgeleitet, rechtsdogmatisch der Pflicht oder Last zugewiesen und erst hieraus die rechtliche Konsequenz geschlussfolgert wird.

aa) Darstellung der Meinungen in der Literatur Als mögliche, gegen einen säumigen Patienten gerichtete Anspruchsgrundlagen für das Begehren des (Zahn)Arztes werden in der Lehre die §§ 304; 326 Abs. 2; 615 Satz 1 BGB angeführt. Allen gemein ist, dass sie einen wirksamen Behandlungsvertrag und eine einseitige Leistungsstörung, nämlich Annahmeverzug oder Unmöglichkeit, voraussetzen. Nach dem schuldrechtlichen Prinzip der Alternativität von Unmöglichkeit und Annahmeverzug schließen sich die Anwendungsbereiche von § 326 Abs. 2 BGB und § 615 Satz 1 BGB gegenseitig aus, weshalb in der arztrechtlichen Literatur auf die eine oder andere Norm abgestellt wird282. Bei einer nicht mehr erbringbaren, also unmöglichen Dienstleistung würde der Annahmeverzug wegen § 297 BGB gar nicht erst beginnen oder aber enden. Dies ist vor allem für Fixschulden283 relevant, die unmöglich werden, wenn die Leistung während eines bestimmten Zeitraumes nicht erbracht wird und sie auch nicht nachholbar ist. Entscheidend für die Abgrenzung ist demnach, ob die Terminvereinbarung mit dem (Zahn)Arzt ein Fixgeschäft darstellt und das Nichterscheinen eines Patienten die medizinische Versorgung unmöglich macht oder angesichts ihrer Nachholbarkeit durch das Säumnis nur einen Annahmeverzug begründet wird. Selbst Befürworter der Unmöglichkeit bei einer Terminsäumnis vertiefen die Problematik nicht, sodass in die folgenden Ausführungen teilweise eigene Überlegungen einfließen.

(1) Unmöglichkeit der Behandlung bei Terminsäumnis Gelegentlich wird für den Honoraranspruch des (Zahn)Arztes gegen seinen säumigen Patienten § 326 Abs. 2 BGB herangezogen284, was zugleich die Bejahung einer künftig nicht mehr möglichen Behandlung impliziert. Das Zeit___________ 282 Anders aber Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 78 Rn. 13 und § 82 Rn. 21, wonach sich der Honoraranspruch des (Zahn)Arztes aus § 324 Abs. 1 Satz 1 a.F. BGB oder § 615 Satz 1 BGB ergeben soll. 283 Ein Fixgeschäft liegt vor, wenn die Leistung bloß zu einem genau festgelegten Zeitpunkt erfolgen kann und der Gläubiger nach dessen Ablauf an der Erfüllung nicht interessiert ist. Je nachdem, ob der Leistungszweck später überhaupt nicht mehr oder nur noch eingeschränkt verwirklicht werden kann, ist ein absolutes oder relatives Fixgeschäft anzunehmen, vgl. Ernst in: MüKo, § 275 Rn. 45 ff. 284 Dafür Schmatz/ Goetz/ Matzke, Einl., S. 20; dies., (2. Aufl.), S. 33; Rieger, Lexikon des Arztrechts, Rn. 224; Narr, Rn. 1024 f. sowie Jung, S. 161.

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

80

fenster, das beispielsweise zur Einsetzung einer Prothetik oder Durchführung der Computertomographie eigens freigehalten wurde, ist mit dem Ausbleiben des bestellten Patienten zwar ungenutzt geblieben, in tatsächlicher Hinsicht könnte jedoch ein neuer Termin vergeben werden. Falls diese spätere (zahn)ärztliche Versorgung nicht als aliud zu werten ist, die terminierte Behandlung also nachholbar wäre, schiede Unmöglichkeit durch Zeitablauf aus285. Die Frage der Nachholbarkeit einer zeitlich fixierten Behandlung als Dienstleistung höherer Art hat die Literatur bisher nicht vertieft, sodass womöglich eine Parallele zum Arbeitsrecht hilfreich ist. Erbringt der Arbeitnehmer seine geschuldete Arbeitsleistung nicht innerhalb der regulären Arbeitszeit, können versäumte Stunden oder Tage grundsätzlich nicht durch einen gesonderten Einsatz nachgeholt werden. Denn der Arbeitnehmer hat im Rahmen des Arbeitsvertrages als Dauerschuldverhältnis stetig Teilleistungen zu erfüllen, die ein Nacharbeiten nur per Überstunden ermöglichen, was wiederum mit den gesetzlichen Arbeitszeitbestimmungen kollidieren kann. Ferner ist die Betriebsorganisation darauf insbesondere nicht ausgelegt, wenn der Arbeitnehmer auf das Zusammenwirken mit anderen Kollegen oder die Laufzeit von Maschinen angewiesen ist. Aus diesen Gründen versteht man die Arbeitsleistung überwiegend als absolute Fixschuld286, wobei sich infolge der zunehmend flexiblen Arbeitszeitsysteme eine veränderte Sichtweise abzeichnet287. Vor allem für geistige Tätigkeiten werden oftmals keine zeitlichen Vorgaben gemacht, was eine Nacharbeit ohne weiteres zulässt288. Der Umstand, dass zu einer bestimmten Zeit nicht gearbeitet wurde, führt somit nur dann zur Unmöglichkeit, wenn die Erbringung der Arbeitsleistung an einen festen betrieblichen Rhythmus gebunden ist. Fraglich ist, inwieweit eine (zahn)ärztliche Versorgung aufgrund der Terminabsprache gleichsam ein absolutes Fixgeschäft darstellt. Maßgebend ist das Kriterium der Nachholbarkeit unter Beachtung der Interessen der Parteien, die häufig an einer verspäteten Durchführung des Vertrages mehr interessiert sind als an den Unmöglichkeitsfolgen289. Mit dem Bestellsystem bezwecken (Zahn)Ärzte eine konstante Verteilung ihrer Patienten über die gesamte Sprechstunde ___________ 285

So Pohl, ZM 1966, S. 265; Natter, MedR 1985, S. 258 Fn. 11; Göben, S. 104. Söllner, AcP 167, S. 132, 139; Heinrich, Jura 1996, S. 235, 236; Fabricius, S. 98 ff.; Richardi in: Staudinger, § 611 Rn. 414. 287 In dieser Weise auch Preis in: Erfurter Kommentar, § 611 BGB Rn. 839. 288 Linck in: Schaub, § 49 Rn. 5. 289 Daher ist bei der Bejahung eines absoluten Fixgeschäftes, wozu etwa eine zeitlich gebundene Massenveranstaltung zählt, eine gewisse Zurückhaltung geboten, so Ernst in: MüKo, § 275 Rn. 47. 286

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

81

sowie eine optimale Auslastung apparativer Kapazitäten. Trotzdem werden sie nicht jede Stunde oder Minute ihrer Sprechzeit belegen können, sodass terminierte Behandlungen wegen des verbleibenden Freiraums nicht strikt zeitgebunden sind wie etwa die Anstellung eines Verkäufers, dessen Beschäftigung nach Ladenschluss nicht sinnvoll scheint. Vielmehr kann die (zahn)ärztliche Versorgung ohne Änderung ihres Charakters zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen290, da die Situation eher mit einem, auf Gleitzeitbasis tätigen Arbeitnehmer zu vergleichen ist. Demnach berührt das Ausbleiben eines Patienten zur vereinbarten Zeit nicht den Bestand der Behandlungsbeziehung, sondern löst allenfalls einen Vergütungsanspruch für die versäumte medizinische Leistung aus. Unabhängig von der hier vertretenen Meinung, dass eine medizinische Versorgung keinen Fixschuldcharakter aufweist und sie demzufolge mit Ablauf der verabredeten Behandlungszeit nicht unmöglich wird, käme § 326 Abs. 2 BGB neben der Spezialnorm des § 615 Satz 1 BGB ohnehin nicht zum Zuge291. Denn ansonsten wäre § 615 Satz 1 BGB im Arbeits- und Medizinrecht nie anwendbar, weil die Arbeitsleistung bzw. Behandlung in dem Moment, wo sie aufgrund einer unterbliebenen Annahme durch den Arbeitgeber bzw. Patienten nicht erfüllt werden kann, unmöglich würde und automatisch § 326 Abs. 2 BGB anwendbar wäre292. Zumindest über die Regelung des Betriebsrisikos in § 615 Satz 3 BGB hat der Gesetzgeber jüngst klargestellt293, dass im Fall einer Unmöglichkeit der Arbeitsleistung § 615 Satz 1 BGB anwendbar sein soll. Im Gegensatz zu § 326 Abs. 2 Satz 1 BGB ist für den Entgeltanspruch gemäß den §§ 611; 615 Satz 1 BGB ein Verschulden des Dienstberechtigten unbeachtlich, sodass säumige Patienten sämtliche Störungen aus ihrer Sphäre wie beispielsweise das Verunglücken auf dem Weg zur Behandlung zu tragen haben.

(2) Honoraranspruch nach § 615 Satz 1 BGB Vornehmlich dreht sich die Diskussion um § 615 Satz 1 BGB, der dem Mediziner eventuell die für die versäumte Behandlung vereinbarte Vergütung si___________ 290 Im Ergebnis ebenso LG München MedR 1986, 45 f.; AG Calw NJW 1994, 3015; Pohl, ZM 1966, S. 265; Natter, MedR 1985, S. 258, Fn. 11; Göben, S. 104. 291 Statt vieler Heinrich, Jura 1996, S. 235, 236 und Reichold, § 8 Rn. 46. A.A. wohl Belling in: Erman, § 615 Rn. 1. 292 Aus diesem dogmatischen Dilemma versuchen zahlreiche Lösungsansätze einen Ausweg aufzuzeigen, einen kurzen Überblick bietet Henssler in: MüKo, § 615 Rn. 4 ff. 293 Eingefügt durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl I 2001, S. 3138 ff.).

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

82

chert, ohne ihn zur Nachleistung zu verpflichten und insofern die strenge Verknüpfung zwischen Dienstleistung und Entgelt löst. Als Gefahrtragungsregel erhält die Norm den Entgeltanspruch aufrecht, wenn die Leistungserbringung gerade an der fehlenden Mitwirkung des Dienstberechtigten scheitert. Die medizinische Versorgung vollzieht sich regelmäßig im Rahmen eines Dienstvertrages und kann ohne Erscheinen des Patienten nicht beginnen. Jedoch kommt der Patient durch das Fernbleiben zum vereinbarten Termin allenfalls dann mit der Annahme einer medizinischen Betreuung in Verzug, wenn die Konsultationszeit gerade für ihn freigehalten und der Behandlungsvertrag nicht gemäß § 627 BGB gekündigt wurde. Obwohl Meier294 schon 1921 den zahnärztlichen Honoraranspruch gegen den säumigen Patienten auf § 615 Satz 1 BGB stützte, sind die Einzelheiten seiner Anspruchsvoraussetzungen für das (Zahn)Arzt-Patienten-Verhältnis trotz der seither vergangenen Jahrzehnte ebenso wenig im Detail geklärt wie die Auswirkungen einer Kündigung. Soll § 615 BGB als dispositive Vorschrift abbedungen werden, ist eine ausdrückliche und zweifelsfreie Absprache der Parteien über eine Nachleistung ohne gesonderte Vergütung erforderlich295.

(a) Annahmeverzug des Patienten iSd §§ 293 ff. BGB Der Gläubiger einer Leistung kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Eine (zahn)ärztliche Versorgung erfordert zwingend das Erscheinen des Patienten als Gläubiger einer medizinischen Behandlung. Dennoch bestehen Zweifel, ob beim Fernbleiben des bestellten Patienten generell von einem Annahmeverzug ausgegangen werden kann, was nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 293 ff. BGB zu beurteilen ist. Jedenfalls sind die §§ 294; 295 BGB nicht einschlägig, weil es üblicherweise an einem tatsächlichen oder wörtlichen Angebot des Mediziners fehlt296. Der Eintritt des Annahmeverzuges hängt daher allein von der Anwendbarkeit des § 296 BGB ab, wonach die vom Gläubiger vorzunehmende Mitwirkungshandlung kalendermäßig bestimmbar sein muss. Ob das angesichts der Terminvereinbarung zutrifft, ist umstritten: Während die einen der Terminabrede nach Tag und Uhrzeit eine kalendermäßige Bestimmung beimessen (1.), sehen andere darin die Sicherung eines zeitgemäßen Behandlungsablaufes, sodass der Patient durch die Säumnis nicht in Annahmeverzug gerate (2). ___________ 294

Meier, Handbuch der zahnärztlichen Rechtskunde, S. 52. Wertenbruch, MedR 1991, S. 167, 169. 296 A.A. wohl Rehborn, S. 49, der von einem tatsächlichen Leistungsangebot des (Zahn)Arztes ausgeht, wenn für den Patienten objektiv erkennbar ist, dass eine für ihn reservierte Behandlungszeit anderweitig voraussichtlich nicht genutzt werden kann. 295

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

83

1. Sofern der (Zahn)Arzt für eine gründliche und störungsfreie Untersuchung oder Beratung extra eine konkrete Zeitspanne freihält, wird die Terminbestimmung als Nebenabrede des Behandlungsvertrages verstanden, woraus der Erfüllungs- und Mitwirkungszeitpunkt folge, auf den sich beide Parteien einrichten und verlassen würden297. Angesichts allgemeiner Zeitverknappung erscheine es nicht sinnvoll und mit der beiderseitigen Interessenlage nicht kompatibel, einen vereinbarten Behandlungstermin als unverbindliche Mitteilung der Arbeitsplanung des (Zahn)Arztes anzusehen298. Durchaus nicht seltene, zeitliche Behandlungsverzögerungen änderten den Charakter einer Terminvereinbarung nicht, sondern begründeten umständehalber den Verzug des (Zahn)Arztes299. Funktionsfähigkeit und Effektivität des Bestellsystems hingen von der Existenz eines Ersatzanspruches bei Terminsäumnis ab300, was über eine Anwendbarkeit des § 296 BGB zu erreichen sei. Andernfalls würde die Nachlässigkeit der Patienten befördert und der Mediziner geradezu genötigt, mehrere Patienten für einen Termin zu bestellen, um so die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass zumindest einer rechtzeitig oder überhaupt erscheint301. 2. Andere sehen in der Terminabsprache grundsätzlich eine unverbindliche, nicht kalendermäßig bestimmte Mitteilung an den Patienten, dass er zum angegebenen Zeitpunkt voraussichtlich behandelt werde302. Beide Seiten würden die Konsultation für verschiebbar halten, wenn trotz eines Termins stets längere Wartezeiten auftreten, die Behandlung nach der Reihenfolge des Eintreffens erfolgt oder ein Zeitfenster angesichts der allgemeinen Säumnisquote mehrfach vergeben wird303. Eine pünktliche Behandlung mit der Konsequenz des § 296 BGB müsse separat vereinbart werden, was durch einen Hinweis auf dem Bestellzettel, der Einbestellung außerhalb der üblichen Sprechstunde oder einen

___________ 297 In dieser Weise Pohl, ZM 1966, S. 265; Uhlenbruck, RÄBl 1984, S. 496; Wertenbruch, MedR 1991, S. 167, 168; Muschallik, ZM 1996, S. 2394 wie auch Großfuß-Bürk, S. 20 f. 298 Muschallik, ZM 1996, S. 2394 und Großfuß-Bürk, S. 21. 299 Vgl. AG Burgdorf MedR 1985, 129 sowie AG Köln ZM 1990, 2228, wonach der (Zahn)Arzt dem Patienten bei einer Behandlungsverzögerung von mehr als 30 Minuten auf Schadensersatz haftet, falls nicht ein Notfall vorliegt oder über die Abweichung von der vereinbarten Behandlungszeit informiert wurde. Anders AG Würzburg (16.12.1993 - 17 C 2165/93), n.v. 300 Tadsen, ZM 1975, S. 231. 301 Muschallik, ZM 1996, S. 2394. 302 Dafür Natter, MedR 1985, S. 258, 259; Göben, S. 105 und Schaub in: MüKo, § 612 Rn. 202. 303 AG Dieburg NJW-RR 1998, 1520.

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

84

erheblichen Planungs- und Zeitaufwand für die (zahn)ärztliche Maßnahme zum Ausdruck kommen könne304. Schon die Art der Einstufung einer Terminabsprache stellt die erste Weiche für oder gegen einen zivilrechtlichen Anspruch des (Zahn)Arztes wegen seines Zeitverlustes bei Nichteinhaltung eines Behandlungstermins durch den Patienten aus § 615 BGB und hängt von der jeweiligen Sichtweise ab. Diese für den Mediziner unbefriedigende Lage versucht folgender Vorschlag abzumildern: „... ist der Zahnarzt gut beraten, die verbindliche Vereinbarung eines Behandlungstermins unter Hinweis darauf, dass für den Fall der Nichteinhaltung des Termins eines Entschädigung in Höhe des Honorars für die für den Termin vorgesehenen Leistungen vereinbart wird, schriftlich zu fixieren.“305

(b) Grenze: Kündigungsrecht des Patienten Der Anspruch aus § 615 Satz 1 BGB setzt weiter einen bestehenden Behandlungsvertrag voraus. Da der Patient das Vertragsverhältnis jederzeit nach § 627 Abs. 1 BGB kündigen kann, bestimmt er nach der Gesetzeslage quasi über den Ersatzanspruch des (Zahn)Arztes aus § 615 Satz 1 BGB. So wird der Patient, der eine juristische Sekunde vor dem terminierten Behandlungsbeginn seine Kündigung erklärt, vom Vergütungsanspruch freigestellt, während ein nicht erschienener Patient zahlungspflichtig bleibt306. Einen Höhepunkt findet dieses Desaster im rechtskundigen Patienten, der den Behandlungsvertrag in kurzfristiger Erinnerung an den Termin ohne Einhaltungsmöglichkeit fernmündlich kündigt, um seiner Vergütungspflicht nach § 615 Satz 1 BGB zu entgehen307. Informiert der Patient den (Zahn)Arzt hingegen über seine Verhinderung und bittet um einen neuen Termin, liegt darin keine Kündigung, weil der Patient gerade die Fortführung der Behandlung wünscht. Zwar könnte der (Zahn)Arzt diesen Wunsch, vor allem bei einer derart späten Benachrichtigung, die jegliche Umdisponierung zugunsten anderer Kranker unmöglich macht, ablehnen und auf sein Recht aus § 615 Satz 1 BGB bestehen. Der Patient würde dann wohl erklären, unter diesen Umständen keinen Wert auf eine Weiterbehandlung zu legen und damit das Vertragsverhältnis beenden. Die für den Me___________ 304

Natter, MedR 1985, S. 258, 259 sowie Göben, S. 104 f. Ähnlich Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 78 Rn. 14. 305 Muschallik, ZM 1996, S. 2394, 2395 und ähnlich Tiemann, Das Recht in der Arztpraxis, S. 200. Kürzlich dazu AG Fulda ZM 2002, 1820. 306 Vgl. dazu LG München MedR 1986, 45 f.; AG Ludwigsburg (18.09.1992 - 4 C 1021/92), n.v. 307 Diese Argumentation findet sich bei Natter, MedR 1985, S. 258, 260 f.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

85

diziner missliche Situation wurde vielfach zu revidieren versucht, indem eine Kündigung mit dem Nichterscheinen zum Termin gleichgesetzt (1.), der Wertungswiderspruch zwischen § 615 BGB und § 627 BGB überbrückt (2.) oder eine Kündigungsfristvereinbarung favorisiert wird (3.). 1. Teils wird schon im schlichten Ausbleiben des Patienten zur verabredeten Zeit eine stillschweigende Kündigung erblickt, wenn die Behandlung nach der Terminsäumnis nicht fortgesetzt werden soll308. Andere lehnen das aus dogmatischen Gründen ab, denn das Nichterscheinen des Patienten zum Behandlungstermin, für das vielfältige Ursachen denkbar seien, bringe einen Willen zur Vertragsbeendigung nicht hinreichend erkennbar zum Ausdruck309. Das Fernbleiben könne nur dann als konkludente Kündigung gewertet werden, wenn darin ein eindeutiger Erklärungsgehalt enthalten sei, wie nach einem vorangegangenen Streit zwischen den Behandlungsparteien. Im Übrigen entfalte eine Kündigung vor ihrer Ausübung keine Rechtswirkungen und beende das Vertragsverhältnis wegen der Empfangsbedürftigkeit der Willenserklärung erst im Moment ihres Zuganges310. 2. Eine andere Auffassung strebt nach einer Auflösung der Kollisionslage, die aus der gegensätzlichen Schutzrichtung der §§ 615; 627 BGB herrührt und sich zwischen dem (zahn)ärztlichen Vergütungsanspruch und dem Kündigungsrecht des Patienten vollzieht311. Anvisiert wird nicht die einseitige Unterordnung einer Norm, sondern eine Anpassung des § 627 BGB an die flexiblere Regelung von § 615 BGB. Folglich soll das Kündigungsrecht des Patienten iSd § 627 Abs. 1 BGB bei einer verbindlichen Terminfestlegung eingeschränkt sein und bloß nach § 626 Abs. 1 BGB unter der Voraussetzung eines wichtigen Grundes bestehen. Die teleologische Restriktion des § 627 BGB sei erforderlich, da der historische Gesetzgeber die Folgewirkung eines jederzeitigen Kündigungsrechts nicht überschaut habe312. ___________ 308

Schmatz/ Goetz/ Matzke, Einl., S. 32; Buddee, S. 169 sowie Funke, S. 122. AG Ludwigsburg (18.09.1992 – 4 C 1021/92), n.v. Im Ergebnis ebenso Pohl, ZM 1966, S. 265, 266 sowie Muschallik, ZM 1996, 2394, 2395. 310 Mit dieser Argumentation lehnen Uhlenbruck, MedR 1985, S. 45, 46; Wertenbruch, MedR 1991, S. 167, 169 f. und Narr, Rn. 1026, den von der Jurisdiktion ins Spiel gebrachten Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens, eine Rechtsfigur aus dem Schadensrecht, ab. Nach Ansicht der Rechtsprechung steht das Kündigungsrecht des Patienten dem (zahn)ärztlichen Vergütungsanspruch prinzipiell entgegen, weil dieser auf rechtmäßige Weise hätte beseitigt werden können, vgl. dazu nur LG München II NJW 1984, 671. 311 So Natter, MedR 1985, S. 258, 261 f. und dem sich anschließend Göben, S. 106 f. 312 Näheres dazu bei Natter, MedR 1985, S, 258, 261 f. 309

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

86

3. Da sich die Ansicht, der Patient habe die Kündigung rechtzeitig und nicht zur Unzeit zu erklären313, nicht allgemein durchsetzen konnte, suchen andere die Lösung in einer Kündigungsfristvereinbarung314. „Um allen Eventualitäten eines Zivilprozesses zu entgehen, kann dem Arzt nur geraten werden, mit seinem Patienten eine Kündigungsfrist (etwa 24 Stunden) zu vereinbaren.“315

Vor allem Zahnärzte dringen wegen der oft zeitintensiven Behandlungen bei einer Terminvergabe auf eine zusätzliche Vereinbarung etwa mit folgendem Wortlaut: „Sie kommen zur Zahnbehandlung in eine Praxis, die nach dem Bestellsystem geführt wird. Dies bedeutet, dass die vereinbarte Zeit ausschließlich für Sie reserviert ist und Ihnen hierdurch i.d.R. die andernorts vielfach üblichen Wartezeiten erspart bleiben. Dies bedeutet, dass Sie, wenn Sie vereinbarte Termine nicht einhalten können, diese spätestens 48 Stunden vorher absagen müssen, damit wir die für Sie vorgesehene Zeit noch anderweitig verplanen können. Bei Präparationsterminen im Zusammenhang mit Kronen- oder Zahnersatzarbeiten bitten wir sogar um eventuelle Absage spätestens fünf Arbeitstage im Voraus. Diese Vereinbarung dient nicht nur der Vermeidung von Wartezeiten in einem organisatorischen Sinne, sondern begründet zugleich beiderseitige vertragliche Pflichten. So kann Ihnen, wenn Sie den Termin nicht rechtzeitig absagen, die vorgesehene Arbeit und die Vergütung bzw. die ungenutzte Zeit gemäß § 615 BGB in Rechnung gestellt werden, es sei denn, an dem Säumnis des Termins trifft Sie kein Verschulden. Es wird vereinbart, dass ansonsten Annahmeverzug dadurch eintritt, dass der vereinbarte Termin nicht fristgerecht abgesagt und eingehalten wird.“316

Überwiegend ist eine solche Vereinbarung durch den (Zahn)Arzt vorformuliert, was wegen des dispositiven Charakters von § 627 Abs. 1 BGB prinzipiell möglich ist. Deren Zulässigkeit wird unter dem jetzigen Maßstab der §§ 305 ff. BGB317, insbesondere als unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unterschiedlich beurteilt318. Entscheidend ist, ob der Mediziner mit ___________ 313

In dieser Weise Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 78 Rn. 14 sowie Kern in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, 335 Rn. 60. 314 Vgl. statt vieler ausführlich Wertenbruch, MedR 1994, S. 394 ff. 315 Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 78 Rn. 14. 316 So beispielsweise im Fall des AG Viersen GesR 2006, 220 f. 317 Das AGBG in der Fassung vom 29.06.2000 (BGBl I 2000, S. 946 ff.) wurde durch das am 01.01.2002 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 (BGBl I 2001, S. 3138 ff.) weitestgehend ohne inhaltliche Veränderung in das BGB inkorporiert. 318 Vgl. nur LG Berlin MedR 2006, 63 f. und AG Viersen GesR 2006, 220 f.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

87

dieser formularmäßigen Vertragsgestaltung einseitig eigene Interessen auf Kosten seines Patienten durchzusetzen versucht. Der BGH hat diese Frage bisher nicht beantworten müssen und als obiter dictum bewusst offen gelassen319. Nach der gesetzgeberischen Intention nötigt das erforderliche Vertrauen bei der Erbringung höherer Dienste durch einen besonders qualifizierten Dienstverpflichteten zu einem jederzeitigen Kündigungsrecht nach § 627 BGB320. Infolgedessen liege es nach einer Auffassung nahe, Architekten, (Zahn)Ärzten und Steuerberatern den formularmäßigen Ausschluss und die Beschränkung von § 627 BGB generell zu versagen321. Andere kommen mit dem Hinweis auf das separat und weiterhin eingreifende Kündigungsrecht aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB, womit ein etwaiger Vertrauensverlust geltend gemacht werden könne, zu einem anderen Ergebnis322. Speziell für den Behandlungsvertrag stelle eine formularmäßige Kündigungsfristvereinbarung von 24 Stunden keine unangemessene Benachteiligung dar, wenn § 626 BGB ausgenommen bleibt323 und dem Patienten für sein Nichterscheinen eine Entlastungsmöglichkeit eingeräumt ist324. Dem (Zahn)Arzt ginge es neben der Vermeidung eines Verdienstausfalls auch um die Deckung seiner Betriebskosten, die bei einer medizinischen Fachpraxis mehrere hundert Euro pro Stunde betragen. Hingegen könne der Patient bei Geltung einer solchen Kündigungsfrist vom Moment der Terminvereinbarung bis zum Behandlungsvortag den Vertrag ohne Angabe von Gründen beenden oder den Mediziner informieren, falls sich bei ihm zwischenzeitlich Zweifel bezüglich der geplanten Behandlung einstellen. Liege ein wichtiger Grund wie eine plötzliche Erkrankung oder ein akuter Vertrauensverlust vor, stünde das Kündigungsrecht nach § 626 BGB bereit. Daher würde eine 24stündige Kündigungsfrist vornehmlich Patienten treffen, die aus eigener Nachlässigkeit die persönli___________ 319

So kam BGHZ 106, 341, 346, zumindest für Eheanbahnungsverträge mit dem völligen Ausschluss des Kündigungsrechts zu einem Verstoß gegen § 9 Abs. 2 AGBG. Speziell für das Behandlungsverhältnis AG Bremen NJW-RR 1996, 818 f.; AG Fulda ZM 2002, 1820; AG Viersen GesR 2006, 220 f. und LG Berlin MedR 2006, 63 f. 320 Protokolle des Reichsjustizamtes, S. 475, zitiert nach Jakobs/ Schubert, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse II, S. 822. 321 Schlosser, NJW 1980, S. 273, 274 f. und im Ergebnis auch Anm. Wertenbruch, MedR 1992, S. 349. 322 Neumann in: Staudinger, § 627 Rn. 20 und Putzo in: Palandt/ Putzo, § 627 Rn. 5. 323 Vgl. insbesondere Wertenbruch, MedR 1994, S. 394, 396 f. Anders wohl noch Anm. Wertenbruch, MedR 1992, S. 349. 324 In dieser Weise kürzlich LG Berlin MedR 2006, 63 f. A.A. das obiter dictum des AG Viersen GesR 2006, 220, 221.

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

88

che Verhinderung nicht rechtzeitig mitteilen oder sich kurzfristig entschließen, etwas anderes zu unternehmen325. Bestellte Patienten, die am Behandlungstag wegen des schönen Wetters lieber ins Schwimmbad gehen, habe der Gesetzgeber vor einer Kostenpflicht nicht schützen wollen326. Allerdings werde ein Patient dann unangemessen benachteiligt, wenn reservierte, aber nicht spätestens 24 Stunden vorher abgesagte Termine unabhängig von einem Verschulden in Rechnung gestellt werden, denn das Verschulden sei wesentlicher Grundgedanke für eine Leistungsverpflichtung ohne Gegenleistung327. Für die Zulässigkeit einer formularmäßigen Abbedingung spreche zudem § 621 Nr. 5 BGB, wonach bei einem die Erwerbstätigkeit des Dienstverpflichteten erheblich in Anspruch nehmenden Dienstverhältnis eine Kündigungsfrist einzuhalten ist328.

(3) Rechtsfolge von § 615 BGB Angesichts der vielfältigen Weichenstellungen in Bezug auf den Ersatzanspruch des (Zahn)Arztes für seinen Honorarausfall infolge des Fernbleibens eines bestellten Patienten nach § 615 Satz 1 BGB ist mehr als zweifelhaft, ob ein solcher nun besteht oder nicht. Sofern eine Ersatzpflicht des Patienten bejaht wird329, ist wiederum ihr Umfang streitig. Dabei geht es um die Frage, ob der Mediziner auf die Verweilgebühr der Nr. 56 GOÄ als vereinbarte Vergütung iSd § 615 Satz 1 BGB beschränkt ist330 oder sein Honorar gemessen an einer hypothetisch erbrachten Leistung abzüglich ersparter Aufwendungen berechnen darf331. Nur wenn die konkrete Medizinalversorgung noch nicht feststand und daher eine Kalkulationsgrundlage fehlt, weichen auch die Vertreter der letztgenannten Ansicht auf die Verweilgebühr als Mindestersatzsumme aus. Jedenfalls muss sich der (Zahn)Arzt über § 615 Satz 2 BGB das anrechnen lassen, was er durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu er___________ 325

Wertenbruch, MedR 1994, S. 394, 397. So die Argumentation von Wertenbruch, MedR 1994, S. 394, 397. 327 In dieser Weise LG Berlin MedR 2006, 63 f. A.A. AG Viersen GesR 2006, 220, 221 in seinem obiter dictum. 328 So zumindest AG Bremen NJW-RR 1996, 818 f. Kritisch indes LG Berlin MedR 2006, 63. 329 Dafür Pohl, ZM 1966, S. 265; Tiemann, ZArzt 1984, S. 76; Wertenbruch, MedR 1991, S. 167, 170; Laufs, Arztrecht, Rn. 68; Scholz, S. 21; Narr, Rn. 1024 f. sowie Deutsch/Spickhoff, Rn. 97. 330 Vgl. Funke, S. 124. 331 In dieser Weise Pohl, ZM 1966, 265; Natter, MedR 1985, S. 258, 260; Muschallik, ZM 1996, S. 2394, 2395; Tiemann, Das Recht der Arztpraxis, S. 199 f.; dies., Das Recht in der Zahnarztpraxis, S. 187; Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 82 Rn. 22; Kiesecker in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, 5410 Rn. 6 und Nentwig, 4, S. 48. 326

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

89

zielen böswillig unterlässt. Wird er also während der Behandlungsauszeit von einem anderen Patienten konsultiert, den er ansonsten zu keiner Zeit in den Behandlungsablauf, auch nicht nach Ende der Sprechstunde hätte einschieben können oder wollen, reduziert sich der Ersatzanspruch gerade um dieses erwirtschaftete Honorar.

bb) Darstellung der Rechtsprechung Die zur Problematik des Nichterscheinens eines Patienten zum Behandlungstermin ergangenen, meist unterinstanzlichen Urteile zeichnen sich durch eine völlige Widersprüchlichkeit zueinander und teils auch in sich selbst aus. Daher verwundert nicht, dass ein über die Terminsäumnis verärgerter (Zahn)Arzt mit Blick auf das Prozess- und Kostenrisiko nur selten den Rechtsweg beschreitet332. Wohl auch deshalb ist die Zahl der gerichtlichen Entscheidungen überschaubar. Dennoch fehlt eine überblicksartige Zusammenstellung dieser Rechtsprechungsfälle als Grundlage für eine wünschenswerte Harmonisierung. Nachfolgend soll diesbezüglich ein Versuch unternommen werden, wobei die Systematisierung wegen der vielmals komplexen Entscheidungsgründe nur durch eine Zuordnung zur Gruppe der Klageabweisung oder -stattgabe erfolgen kann. Innerhalb dessen wird eine chronologisch ausgerichtete Darstellung gewählt, weil sich dadurch möglicherweise eine Entwicklungslinie abzeichnen lässt. Da den Urteilen regelmäßig nicht zu entnehmen ist, ob die beklagte Partei Privat- oder Kassenpatient ist und Spekulationen darüber nicht weiterführen333, wird an dieser Stelle eine möglichst umfassende Rechtsprechungsübersicht geboten. Ist die Argumentation jedoch offensichtlich auf einen Kassenpatienten zugeschnitten, bleiben diese Urteile hier ausgeblendet.

(1) Fälle der Klageabweisung Die wohl häufigste Begründung für die Abweisung einer (zahn)ärztlichen Klage gegen den säumigen Patienten auf Erstattung des Honorarausfalls liegt ___________ 332

Hingegen sieht Natter, MedR 1985, S. 258, den Grund für die Seltenheit der Klagen in der Möglichkeit des Ausgleichs eines Einkommensverlustes durch die Behandlung anderer Patienten. 333 Der Rückgriff auf die nur für Privatpatienten anwendbare GOÄ/ GOZ seitens der Gerichte könnte als Indiz gewertet werden. Nicht ganz eindeutig ist jedoch, ob dies umfassend beherzigt und nicht auch die Ableitung einer Verweilgebühr zugunsten des Vertrags(zahn)arztes aus der GOÄ/ GOZ in Erwägung gezogen wurde.

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

90

in der Verneinung eines Annahmeverzuges, weil die vorherige Terminabsprache lediglich einen zeitgerechten Behandlungsablauf sichere, oder beruht auf Erwägungen zum Kündigungsrecht. In den frühen Entscheidungen der 80-er Jahre des vorigen Jahrhunderts liegt der Schwerpunkt meist noch auf der Verweilgebühr. In dem vom LG München II334 entschiedenen Fall hatte der klagende Zahnarzt für den beklagten Patienten an zwei Terminen eine Behandlungsdauer von insgesamt drei Stunden eingeplant und für diese Zeitphase keine anderen Patienten bestellt. Klage und Berufung auf Vergütung in Höhe von 800,00 DM wurden unter Zuerkennung einer nach der derzeit geltenden GOZ 1965 iVm GOÄ 1965 berechneten Verweilgebühr von 75,00 DM abgewiesen. Ein Anspruch gemäß § 615 Satz 1 BGB wurde offenbar mangels Annahmeverzuges des Patienten abgelehnt, da die Terminabsprache nur den zeitgemäßen Behandlungsablauf sichere und es daher an einer Zeitbestimmung für die zahnärztliche Leistung fehle. Wolle der Zahnarzt das nach der GOZ vorgesehene Honorar verdienen, müsse er die Behandlung zu einem anderen Zeitpunkt nachholen. Ein Schadensersatzanspruch komme nicht in Betracht, denn der Patient könne den Behandlungsvertrag jederzeit, auch unmittelbar vor der Behandlung mit sofortiger Wirkung kündigen, ohne sich dadurch schadensersatzpflichtig zu machen. Für das Fernbleiben vom Patienten müsse dies entsprechend gelten, sodass das Nichterscheinen einer Kündigung gleichstehe. Der Zahnarzt trage folglich das Risiko, die erwartete Vergütung nicht zu verdienen335. Durch Urteil des AG Waldbröl336 wurde die Klage eines Zahnarztes gegen die säumige Patientin auf Zahlung einer Verweilgebühr nach Nr. 24 a GOÄ in Höhe von 30,00 DM für einen 45minütig angesetzten Behandlungstermin abgewiesen. Da der Zahnarzt über mehrere Behandlungsstühle verfüge, habe er sich sehr wahrscheinlich sogleich dem nächsten Patienten zugewandt und daher nicht verweilt. Im Übrigen sei es nicht üblich und widerspreche der Verkehrssitte, wenn ein Zahnarzt im Falle des Fernbleibens eines Patienten eine Gebühr berechnet. Der Mediziner müsse einen nicht eingehaltenen Behandlungstermin vielmehr als Ausgleich für die Wartezeiten seiner Patienten in Kauf nehmen. Eine Anwendbarkeit des § 615 Satz 1 BGB wird nicht erörtert.

___________ 334

Berufungsurteil vom 08.11.1983 - Az.: 2 S 1327/ 83 (NJW 1984, 671). Wegen des eindeutigen Gesetzeswortlauts von § 615 BGB kritisch Uhlenbruck, MedR 1986, S. 46. 336 Urteil vom 15. 04.1988 - Az.: 6 C 4/88 (NJW 1989, 777). 335

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

91

Bezugnehmend auf die Entscheidung des LG München lehnt das AG München337 alle denkbaren Anspruchsgrundlagen für die vom klagenden Zahnarzt begehrte Verweilgebühr in Höhe von 60,00 DM ab. Die geltende Gebührenordnung regle diesen Fall nicht mehr. Eine vertraglich vereinbarte Schadenspauschale sei nicht schlüssig vorgetragen, weil der auf dem Behandlungsbogen abgedruckte Hinweis, dass ein Nichterscheinen eine finanzielle Folgewirkung auslöse, als einseitige Information nicht genüge. Die Forderung lasse sich auch nicht auf § 615 Satz 1 BGB stützen, denn eine Terminvereinbarung diene ausschließlich dem geordneten Behandlungsablauf. Ein auf pVV gründender Schadensersatzanspruch scheitere an der jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit des Patienten, die wertungsmäßig einem Nichterscheinen gleichzustellen sei. Das LG Heilbronn338 verneinte einen Anspruch des Arztes auf Vergütung seiner Ausfallszeit für eine mangels Erscheinen des Patienten nicht erfolgte, terminierte Kernspintomographie. Ein Anspruch aus § 615 Satz 1 BGB sei schon deshalb nicht gegeben, weil die Terminabsprache den Behandlungsbeginn grundsätzlich nicht in einer verzugsbegründenden Weise festlege und nur einer reibungslosen Abwicklung des Arbeitsablaufs frei praktizierender Ärzte diene. Die GOÄ vergüte tatsächlich erbrachte Leistungen und sehe keine Regelung für das Warten auf einen Patienten vor. Der Grund dafür liege in dem Kündigungsrecht, dessen Ausübung in Frage gestellt sei, falls der Patient mit teils erheblichen Ersatzansprüchen rechnen müsse. Als obiter dictum konstatiert das Gericht, dass ein Arzt, der für eine knappe Stunde eine Vergütung von über 1000,00 DM verlangt, höchsten Ansprüchen an die Organisation seiner Praxis genügen und daher überlappend einbestellen müsse. Die Klage eines Zahnarztes auf Honorarersatz in Höhe von 4620,00 DM für die an einem Nachmittag geplanten, wegen des Nichterscheinens der beklagten Patientin nicht ausgeführten zahnprothetischen Arbeiten hat das LG Dortmund339 abgewiesen. Die Patientin erklärte infolge eines Anrufs ihres Zahnarztes kurz nach dem geplanten Behandlungsbeginn, sie werde gar nicht mehr zu ihm kommen. Darin sei selbst dann eine Kündigung zu erblicken, wenn die Patientin zu einem späteren Zeitpunkt erneut eine Terminvereinbarung angestrebt habe. An der Vertragsbeendigung scheitere der prinzipiell bestehende Anspruch des § 615 Satz 1 BGB. Hingegen war die vom Ausgangsgericht340 gemäß der GOZ iVm GOÄ zugesprochene Verweilgebühr von 75,00 DM nicht ___________ 337

Urteil vom 13.08.1990 - Az.: 1141 C 19971/90 (NJW 1990, 2939). Berufungsurteil vom 10.10.1991 - Az.: 6 S 330/91 (NZS 1993, 424). 339 Berufungsurteil vom 12.11.1992 - Az.: 17 S 175/92 (MedR 1993, 394 f.). 340 AG Dortmund MedR 1992, 348 f. 338

92

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

Gegenstand des Berufungsverfahrens, sodass sich Ausführungen zur Berechtigung des Zuspruchs erübrigten341. Das AG Andernach342 wies die Klage eines Krankengymnasten auf Ersatz von 21,90 DM ab. Der beklagte Patient erschien zwar zur vereinbarten Behandlung, lehnte diese jedoch durch den beim Kläger beschäftigten Therapeuten ab und verließ daraufhin die Praxis. Ansprüche aus §§ 611; 612; 615 BGB sowie pVV scheiterten an der deutlich zum Ausdruck gebrachten Kündigung des Patienten. Der Hinweis in der Praxis, dass nicht eingehaltene Termine berechnet würden, sei als Aushang nicht wirksam in den Vertrag einbezogen und verstoße im Übrigen gegen § 11 Nr. 5 b, 6 AGBG (jetzt § 309 Nr. 5 b, 6 BGB). Das AG Calw343 hat einen zahnärztlichen Ersatzanspruch gegen den zum vereinbarten, eineinhalbstündigen Behandlungstermin nicht erschienenen Patienten in Höhe von 865,22 DM versagt. Mit dem Versäumen des Termins entstünde der Anspruch aus § 615 Satz 1 BGB grundsätzlich nicht, da die Terminabsprache im Zweifel nur einen zeitgemäßen Behandlungsablauf sichere. Insofern müsse der Zahnarzt, wolle er die in der GOZ vorgesehene Vergütung verdienen, die Leistung später erbringen. Inkonsequenterweise spricht das Gericht gleichwohl vom Annahmeverzug, wofür der Kläger eine Verweilgebühr beanspruchen könne. Nicht gegeben sei ein Schadensersatzanspruch, weil das Ausbleiben des Patienten zur vereinbarten Zeit die Wirkung einer Kündigung habe. Denn wenn ein Patient rechtlich in der Lage sei, das Vertragsverhältnis jederzeit, auch unmittelbar vor dem eigentlichen Behandlungsbeginn zu kündigen, ohne mit Schadensersatzforderungen seines Zahnarztes rechnen zu müssen, gelte dies auch für den Fall, dass die Behandlung wegen des Nichterscheinens eines bestellten Patienten nicht vollzogen wird. In dem vom AG Kenzingen344 zu beurteilenden Fall hatte die Patientin ein mit „wichtige Mitteilung!“ betiteltes Formular, das ihr vor der Vereinbarung eines Behandlungstermins vorgelegt wurde und worin es hieß, der Arzt werde einen Ersatzanspruch nach der GOÄ geltend machen, wenn sie den Termin versäumen sollte, unterschrieben. Als sie dann nicht vereinbarungsgemäß erschien, forderte der Mediziner wie angekündigt ein Entgelt. Die Klage wurde ___________ 341 Die Ableitung einer Verweilgebühr aus der GOZ iVm GOÄ für den im August 1991 versäumten Behandlungstermin erscheint nach eigener Auffassung zweifelhaft, da die derzeit gültige GOZ nicht mehr auf die GOÄ 1965 verwiesen hat und die GOÄ in der jeweils geltenden Fassung ab 01.01.1983 keine Verweilgebühr für das Nichterscheinen zur mit dem Arzt vereinbarten Zeit kannte. Vgl. dazu Meurer, S. 257. 342 Urteil vom 11.08.1993 - Az.: 6 C 377/ 93 (NJW-RR 1994, 121). 343 Urteil vom 16.11.1993 - Az.: 4 C 762/93 (NJW 1994, 3015). 344 Urteil vom 22.03.1994 - Az.: C 533/93 (MDR 1994, 553 f).

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

93

abgewiesen, weil das Gebührenverzeichnis nach der geltenden Rechtslage keine Kompensationsregelung mehr enthalte und das von der Beklagten unterzeichnete Schriftstück keinen zusätzlichen Vertrag darstelle, sondern einen bloßen Hinweis auf die vermeintliche Ersatzpflicht nach der GOÄ. Übrigens komme der Terminabsprache keine bindende Wirkung iSd § 615 Satz 1 iVm § 296 BGB zu. Durch Urteil des AG Rastatt345 wurde die Klage eines Zahnarztes in Höhe seines Honorarausfalls von 314,40 DM für einen nicht wahrgenommenen Behandlungstermin abgewiesen. Zweifel bestünden bereits an der Anwendbarkeit des § 615 BGB bei der Erbringung von Diensten höherer Art wegen der jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit nach § 627 BGB, infolgedessen der Dienstverpflichtete nicht mit der Einhaltung vereinbarter Termine rechnen könne. Zu der Frage, ob § 615 BGB in diesen Fällen zwecks Vermeidung eines Wertungswiderspruchs mit § 627 BGB einschränkend zu interpretieren sei, bezieht das Gericht nicht abschließend Stellung. Denn konkret fehle es schon am Annahmeverzug des Patienten, da weder in der Terminvereinbarung noch der telefonischen Erinnerung durch das Praxispersonal eine Bestimmung der Leistungszeit iSd § 296 BGB zu sehen sei. Die im Geschäftsleben üblichen Terminabsprachen würden regelmäßig bloß die zeitlichen Planungen koordinieren helfen, ohne daran einschneidende Rechtsfolgen zu knüpfen. Die Anwendung des § 615 BGB setze insofern eine ausdrückliche Vereinbarung voraus, dass der Patient bei seinem Nichterscheinen das volle Honorar zu zahlen habe. Die Gebührenordnung bestimme die Vergütungssumme, ohne eine Erstattungsgrundlage für nicht erbrachte Leistungen zu enthalten. Bezüglich eines Anspruches aus pVV könne nicht ohne weiteres von einem Schaden ausgegangen werden, weil die Ausübung anderer erforderlicher Tätigkeiten wie das Studium von Fachliteratur während des ausgefallenen Termins nicht fernliegend sei. Das AG Dieburg346 hat eine Klage aus abgetretenem Recht hinsichtlich erbrachter und weiterer, mangels Wahrnehmung des Behandlungstermins nur geplanter zahnmedizinischer Leistungen insoweit abgewiesen, als die Leistungen nicht vollzogen waren. Die Voraussetzungen des § 615 Satz 1 BGB lägen nicht vor, weil ein Behandlungstermin lediglich die reibungslose Abwicklung des Arbeitsablaufs eines niedergelassenen Arztes sichere. Der Ausfall oder die Verschiebung eines Termins löse ebenso wenig einen Vergütungsanspruch aus, wie der Patient bei Wartezeiten vom Arzt Ersatz fordern könne. Für eine kalendermäßig bestimmte Leistung fehlten übereinstimmende Willenserklärungen, denn das Risiko einer rechtsverbindlichen Terminabsprache wäre aus ___________ 345 346

Urteil vom 12.01.1995 - Az.: 1 C 391/94 (NJW-RR 1996, 817 f.). Urteil vom 04.02.1998 - Az.: 21 C 831/97 (NJW-RR 1998, 1520).

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

94

Sicht des Patienten wegen des Honoraranspruches in oft beträchtlicher Höhe selbst bei unverschuldeter Verhinderung so groß und unkalkulierbar, dass er sich darauf nicht einlassen könnte und würde. In einem weiteren Fall hat das AG München347 erneut patientenfreundlich entschieden, indem es die zahnärztliche Klage für die nicht eingehaltenen Behandlungstermine seitens der Beklagten und ihres Sohnes über 330,38 DM abgewiesen hat. Einer Anwendung von § 615 Satz 1 BGB stehe entgegen, dass der Mediziner durch das Kündigungsrecht des Patienten mit der Einhaltung vereinbarter Termine nicht rechnen könne. Die einmalige, möglicherweise auf eigener Nachlässigkeit beruhende Terminsäumnis gelte zwar nicht als Kündigung, die vielmehr zu erklären sei. Dennoch dürfe der nichterschienene Patient nicht schlechter stehen, als wenn er den Behandlungsvertrag gekündigt hätte. Jedoch wird der Beklagten aufgrund des an sie gerichteten Hinweises, dass später als 24 Stunden vor Behandlungsbeginn abgesagte Termine nicht kostenkompensierend zu nutzen sind und mithin berechnet werden, eine aus dem Behandlungsvertrag abgeleitete Mitwirkungspflicht zur rechtzeitige Terminabsage auferlegt. Daher soll prinzipiell ein Schadensersatzanspruch aus pVV bestehen, der im Ergebnis mangels eines Anknüpfungspunktes für die Berechnung des entgangenen Gewinns abgelehnt wurde.

(2) Fälle einer stattgegebenen Klage Sofern die Gerichte der Klage eines Mediziners auf Honorarersatz wegen des Nichterscheinens eines bestellten Patienten stattgeben, stützen sie sich regelmäßig auf den Anspruch aus § 615 Satz 1 BGB und in neuerer Zeit zunehmend auf das mittlerweile gesetzlich anerkannte Rechtsinstitut der pVV. Das AG Osnabrück348 hat dem klagenden Krankengymnasten für eine vom Patienten versäumte krankengymnastische Behandlung eine Vergütung gemäß § 615 Satz 1 BGB im Umfang der sonst erbrachten Dienstleistung zugesprochen. In dem durch das AG Tiergarten349 zu beurteilenden Fall begehrte die klagende Zahnärztin, die mit ihrem Patienten einen Termin für die Anfertigung einer Prothetik für Ober- und Unterkiefer vereinbart und sich dafür einen ganzen Vormittag ohne Einbestellung weiterer Patienten freigehalten hatte, den partiel___________ 347

Urteil vom 11.11.1998 - Az.: 212 C 19976/98 (VuR 1998, 421 ff.). Urteil vom 13.05.1987 - Az.: 7 C 322/87 K (NJW 1987, 2935). 349 Urteil vom 13.04.1989 - Az.: 3 C 646/88 (ZM 1990, 640). 348

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

95

len Ersatz ihres Verdienstausfalls von 2085,00 DM in Höhe von 700,00 DM. Dieser nach dem Kostenplan der Krankenkasse als Selbstbeteiligung ausgewiesene Betrag wurde ihr nach § 615 Satz 1 BGB als „Schadensersatzanspruch“ in der beantragten Höhe zugesprochen. Das AG Ludwigsburg350 hat dem klagenden Zahnarzt gemäß den §§ 611; 615 Satz 1; 293; 295 BGB für einen vereinbarten und von der Beklagten versäumten Behandlungstermin eine Vergütung von 1079,68 DM zugesprochen und damit der Klage teilweise stattgegeben. Im vorliegenden Fall könne dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall die Terminvereinbarung eine Bestimmung der Leistungszeit iSd § 296 darstelle, da mit der telefonischen Aufforderung der Zahnarzthelferin kurz nach dem geplanten Behandlungsbeginn ein wörtliches Angebot des Klägers gemäß § 295 BGB gegeben sei. Der Ersatzanspruch bestehe jedoch nur während des Annahmeverzuges, der mit der Erklärung der Patientin im Terminzeitraum, sie werde die Praxis nicht mehr betreten, als Kündigung ende. Laut § 627 Abs. 1 BGB könne der Patient das Vertragsverhältnis jederzeit, also auch unmittelbar vor Behandlungsbeginn oder zwischendurch kündigen. Im Fernbleiben liege aber keine Kündigung, die vielmehr deutlich erkennbar zum Ausdruck gebracht werden müsse. Das rechtmäßige Alternativverhalten einer Kündigung könne dem (Zahn)Arzt nicht entgegengehalten werden, weil diese Rechtsfigur nur im Schadensrecht anerkannt und auf den vertraglichen Erfüllungsanspruch des § 615 BGB nicht anwendbar sei351. Bis zur Kündigung habe der Kläger einen Anspruch auf dasjenige Entgelt, das er bei der Behandlung verdient hätte. Das LG Konstanz352 gab der Klage eines Kieferorthopäden auf Zahlung von 1679,69 DM durch die beklagten Eltern seiner minderjährigen Patientin für die während des Ersttermins ausgeführten sowie die im zweiten und dritten Termin zu erbringenden, wegen des Nichterscheinens jedoch nicht geleisteten Dienste gestützt auf § 615 Satz 1 BGB statt. Nach Auffassung der Kammer sei die Frage, ob dem Mediziner generell ein Vergütungsanspruch zustehe, nicht schematisch zu beantworten. Die Praxis des Klägers sei aber derart organisiert, dass mit längeren Terminvorläufen gearbeitet und jeder Patient für eine bestimmte Zeit einbestellt werde. Paralleltermine würden nicht vergeben, da die zahnärztliche Versorgung mitunter mehrere Stunden beanspruche. Daher könnte das Fernbleiben eines bestellten Patienten nicht durch die Behandlung anderer Patienten kompensiert werden, weshalb ein säumiger Patient in Annahmeverzug ___________ 350

Urteil vom 18.09.1992 - Az.: 4 C 1021/ 92 (n.v.). A.A. Natter, MedR 1985, S. 258, 261, der in § 615 BGB die Reaktion des Gesetzes auf Leistungsstörungen vergleichbar einem Schadensersatzanspruch sieht. 352 Berufungsurteil vom 27.05.1994 - Az.: 1 S 237/93 (NJW 1994, 3015 f.). 351

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

96

nach § 296 BGB gerate. Der streitige Beklagtenvortrag, den Termin fünf Stunden vor Behandlungsbeginn abgesagt zu haben, ändere daran nichts. Wegen der Kurzfristigkeit wäre eine anderweitige Terminvergabe nicht möglich. Auch das AG Bad Homburg353 gab der Klage eines Zahnarztes auf Zahlung des Entgeltes von 50,00 DM aus § 615 Satz 1 BGB statt. Der Beklagte sei mit der Annahme der Zahnarztleistung in Verzug geraten, als er zu dem vereinbarten Termin ohne Ankündigung nicht erschien. Die vorgesehene Behandlung hätte unter Abzug ersparter Aufwendungen diesen Wert erreicht. Durch Zeugen konnte die Verbindlichkeit des Termins und die in diesem Zeitraum unterbliebene Versorgung anderer Patienten bewiesen werden, da in der Praxis des Klägers grundsätzlich Termine vereinbart würden. Durch Urteil des AG Heilbronn354 wurde dem Arzt der geforderte Betrag von 1287,00 DM für die nicht durchgeführte kernspintomographische Untersuchung der Brust- und Halswirbelsäule teilweise zugesprochen. Die Klage wurde lediglich insoweit abgewiesen, als eine zweite Terminvereinbarung nicht bewiesen werden konnte. Im Übrigen seien die Ausfallzeit und der Kostenpunkt in der genannten Größenordnung glaubhaft. Jedermann wisse, dass ein Kernspintomograph als außerordentlich kompliziertes und teures Gerät möglichst intensiv genutzt werden müsse, um seine Anschaffungs- und Unterhaltungskosten einzubringen. Könne oder wolle der Patient den Termin nicht wahrnehmen, müsse er dies rechtzeitig mitteilen. Das AG Bremen355 hat der Klage eines Zahnarztes, womit er seinen Ausfallschaden über 2280,00 DM für zwei nicht eingehaltene, mit jeweils dreistündiger Behandlungszeit angesetzte Termine geltend macht, teilweise stattgegeben. Dem Kläger stehe ein Ersatzanspruch gemäß den §§ 611; 615 Satz 1 BGB in Höhe von 1140,00 DM wegen des Nichterscheinens zum ersten Termin zu, während die Vereinbarung eines Folgetermins als nicht bewiesen gelte. Der Patient sei ohne wörtliches oder tatsächliches Angebot seitens des Zahnarztes in Annahmeverzug geraten, weil die Terminvereinbarung im konkreten Fall nicht ausschließlich einem gesicherten Behandlungsablauf diene und mithin eine kalendermäßige Bestimmung iSd § 296 BGB darstelle. Bei der Mehrfachvergabe eines Termins solle § 296 BGB jedoch nicht eingreifen. Mit der Terminabsage kurz vor Behandlungsbeginn habe der Patient die Vertragsbeziehung nicht wirksam beenden können, weil die formularmäßig vereinbarte 24stündige Kündigungsfrist nicht gewahrt gewesen sei. Für die Einhaltung der Kündigungsfrist ___________ 353

Urteil vom 15.06.1994 - Az.: 2 C 3838/93 (MDR 1994, 888). Urteil vom 13.10.1994 - Az.: 2 C 1964/94 (n.v.). 355 Urteil vom 02.06.1995 - Az.: 24 C 72/1995 (NJW-RR 1996, 818 f.). 354

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

97

trage der beklagte Patient die Beweislast. Der Nachweis, dass der Zahnarzt zu einem früheren Zeitpunkt nicht erreichbar war, wurde vom Patienten nicht erbracht. Das LG Hannover356 erkannte einem Zahnarzt, der für das mehrfache Fernbleiben seiner Patientin zu umfangreichen und daher zeitintensiven zahnprothetischen Maßnahmen einen Honorarersatz von 2098,51 DM begehrte, einen Schadensersatzanspruch über 700,00 DM zu. Zwar dienten Terminabreden im Allgemeinen nur dem geregelten Praxisablauf und lösten bei ihrer Nichteinhaltung keine Schadensersatz- oder Vergütungsansprüche aus. Die Beklagte habe aber ihre vertragliche Nebenpflicht, den Behandlungstermin einzuhalten, rechtzeitig abzusagen oder verlegen zu lassen, verletzt. Diese Mitwirkungs- und Sorgfaltspflicht treffe den Patienten, wenn über eine längere Zeitspanne ausschließlich er medizinisch betreut werden soll und deshalb ein fester Termin vereinbart wird. Der Schaden könne nicht nach dem hypothetisch zu erzielenden Gewinn bemessen werden, sondern richte sich nach dem durchschnittlichen Kostenfaktor einer Praxisstunde. Hingegen sei der Anspruch nach § 615 Satz 1 BGB unpassend, da er ein fehlendes Verschulden nicht berücksichtige und mit dem Kündigungsrecht des Patienten kollidiere. Das AG Ludwigshafen357 entsprach dem Begehren des Therapeuten insoweit, als die beklagte Patientin für ihr Nichterscheinen zum Massagetermin gemäß § 615 Satz 1 BGB zur Zahlung von 90,00 DM358 verurteilt wurde. Denn Massagepraxen würden typischerweise individuelle Behandlungszeiten vergeben, sodass eine kalendermäßige Leistungszeitbestimmung iSd § 296 BGB anzunehmen sei und säumige Bestellte ohne separate Aufforderung in Annahmeverzug geraten. Die von der Patientin vorab des zweiten Termins erklärte Kündigung beende aber den Behandlungsvertrag, sodass die Klage insoweit abgewiesen wurde. Das AG Fulda359 hat dem klagenden Zahnarzt einen Schadensersatzanspruch in Höhe der vereinbarten Vergütung unter Anrechnung der ersparten Aufwendungen aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung gegen den Beklagten zugebilligt, weil ein für den Sohn vereinbarter Behandlungstermin nicht wahrgenommen wurde und die Auszeit vom Zahnarzt nicht anderweitig genutzt werden konnte. ___________ 356

Berufungsurteil vom 11.06.1998 - Az.: 19 S 34/97 (NJW 2000, 1799 f.). Urteil vom 03.04.2001 - Az.: 2 C 356/00 (MedR 2002, 423 ff.). 358 In Ermangelung einer Gebührenordnung für nichtärztliche Therapeuten und einer ausdrücklichen Parteivereinbarung hatte das Gericht die Vergütungshöhe zu klären. 359 Urteil vom 16.05.2002 - Az.: 34 C 120/02/D (ZM 2002, 1820). 357

98

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

Das AG Meldorf360 hielt die Klage eines Arztes, der für eine am Fernbleiben der Patientin gescheiterten ambulanten Operation eine Rechnung in Höhe von 1850,13 DM stellte, für begründet. Der Anspruch des Arztes auf Zahlung der vereinbarten Vergütung ergebe sich aus den §§ 611; 615 Satz 1 BGB. Mit ihrem Nichterscheinen zum anberaumten Operationstermin sei die beklagte Patientin in Annahmeverzug gemäß den §§ 293; 296 BGB geraten, da die Terminabsprache durch Reservierung des Operationssaales nebst dem erforderlichen Personal als kalendermäßige Bestimmung zu werten sei.

cc) Rechtsnatur der Patientenmitwirkung Den Ansichten von Lehre und Rechtsprechung zum Vergütungsersatzanspruch des Mediziners gegen seinen säumigen Patienten lässt sich die Rechtsnatur dieser Patientenmitwirkung bei der Wahrnahme eines vereinbarten Behandlungstermins zumindest indirekt entnehmen. Während der Schadensersatzanspruch aus pVV gedanklich eine echte Pflichtverletzung voraussetzt, genügt für eine Bejahung von § 615 Satz 1 BGB die Vernachlässigung der Obliegenheit zur Annahme der Dienste. Daher soll der Patient entweder vertraglich verpflichtet sein, den vereinbarten Termin einzuhalten oder rechtzeitig abzusagen361, oder ihm die Beachtung der Terminabsprache obliegen362. Argumente für die eine oder andere Sichtweise finden sich allerdings nicht. Dass sich die Meinungsverschiedenheiten primär darum ranken, ob und unter welchen Bedingungen ein vereinbarter Konsultationszeitpunkt als kalendermäßige Bestimmung iSd § 296 BGB anzusehen ist und wann von einer Kündigung des Behandlungsvertrages durch den Patienten auszugehen ist, ohne zuvor die Existenz einer Patientenpflicht oder -last geklärt zu haben, erscheint allerdings wenig einleuchtend.

___________ 360 Urteil vom 06.11.2002 - Az.: 83 C 1404/02 (MedR 2004, 274 f.), zwischenzeitlich bestätigt durch LG Itzehoe (Urteil vom 06.05.2003 – 1 S 264/03), n.v. 361 So AG München VuR 1998, 421, 423; AG Reutlingen (17.06.1998 - 1 C 373/98), n.v.; LG Hannover NJW 2000, 1799; AG Tettnang MedR 2002, 155, 156 und jüngst OLG Stuttgart MedR 2007, 546 sowie Scholz, S. 21 und Conti, S. 62 f. Nicht explizit, aber aus dem angenommenen Schadensersatzanspruch des Mediziners für einen versäumten Behandlungstermin ableitbar bei Uhlenbruck, RÄBl 1984, S. 496; Wertenbruch, MedR 1994, S. 394, 397; Funke, S. 125; Meurer, S. 62; Brück, Nr. 56 Rn. 4 und Schaub in: MüKo, § 612 Rn. 202. 362 Dafür Natter, MedR 1985, S. 285, 261 sowie Göben, S. 55, 105.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

99

dd) Eigene Sichtweise Dem Grundkonzept dieser Arbeit folgend setzt die eigene Stellungnahme am Rechtsgrund an. Sofern diese Mitwirkungsverantwortung des Patienten Ausfluss des Behandlungsvertrages ist, also entweder vertraglich vereinbart wurde oder aus der ergänzenden Vertragsauslegung resultiert, wird sie in einem zweiten Schritt inhaltlich bestimmt und unter Berücksichtigung der dogmatischen Basis dem einschlägigen Normentypus zugewiesen. Von dem Rechtscharakter hängt wiederum die Folgewirkung im Fall ihrer Missachtung ab. Ob die Wahrnehmung eines Behandlungstermins vom Patienten vertraglich verlangt wird, richtet sich nach der beiderseitigen Interessenlage. Besteht ein gewichtiger Schutzbedarf auf Seiten des Mediziners, dem sich der redliche Patient nicht verschließen kann, haben bzw. hätten die Parteien bei Bedacht auf die Situation diesbezüglich eine vertragliche Übereinkunft getroffen. Nutzt der Mediziner für seine Praxisorganisation das Bestellsystem, will er damit normalerweise die Patienten konstant über die gesamte Sprechstunde verteilen. Von vornherein ausgeschlossen ist dies bei allgemeinmedizinischen und chirurgischen Praxen, da es dort mehrheitlich um eine Behandlung von Akut- und Notfallpatienten geht. Wird das Bestellsystem strikt gehandhabt, indem ein Zeitfenster trotz bekannter Säumnisquote nicht mehrfach verteilt wird und die Behandlungsreihenfolge vom Patienteneintreffen losgelöst ist, gibt die Terminvereinbarung den Konsultationszeitpunkt nach Tag und Uhrzeit, allerdings nicht minutiös exakt vor363. Daran orientiert sich der (Zahn)Arzt und plant einen bestellten Patienten fest in seinen Arbeitsablauf ein. Beansprucht eine Beratung oder Behandlung einen größeren Zeitabschnitt, wird der geordnete Ablauf regelmäßig durch das Nichterscheinen anderer Patienten gesichert. Bleibt dann jedoch der bestellte Patient fern, kann der Mediziner seine Kapazitäten weder kostendeckend noch gewinnbringend ausnutzen. Wegen der hohen Praxiskosten ist dem (Zahn)Arzt an einer verlässlichen Disponierung seines Sprechstundenverlaufes und einer Ausschöpfung der Kapazitäten gelegen. Zudem möchte auch der Patient nicht allzu lange warten. Bedingt durch die heutige Schnelllebigkeit sowie Leistungsorientiertheit unserer Gesellschaft werden Zeit und Geld zunehmend gleichgesetzt, sodass beide Seiten gleichermaßen von ihrem Gegenüber einen verantwortungsvollen Umgang mit dem kostbaren Gut der Zeit erwarten. Demnach ist der Behandlungsvertrag in diesem Punkt ___________ 363

Auch bei einer bestmöglichen Vorausplanung kann es zu Verzögerungen im Sprechstundenverlauf kommen, zumal sich Behandlungen durch Komplikationen zeitlich hinauszögern können und Notfälle nie gänzlich auszuschließen sind. Unter welchen Voraussetzungen hingegen von einem Verzug des (Zahn)Arztes gesprochen werden kann, vgl. Fn. 299. Zu den denkbaren Medizinerpflichten infolge einer Terminabsprache findet sich ein Ansatz bei Wertenbruch, MedR 1991, S. 167, 171 ff.

100

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

ergänzungsbedürftig, falls es an einer Absprache fehlt364. Weil die Beachtung einer Terminvereinbarung jedenfalls rechtlich geboten ist, soll sie nunmehr als Pflicht oder Last eingestuft werden.

(1) Patientenpflicht oder -last Lehre und Rechtsprechung gebieten dem Patienten das Erscheinen zum Behandlungstermin. Ob dem zu folgen ist, soll anhand der dogmatischen Grundlegung von den Pflichten, Lasten und Geboten des Eigeninteresses geprüft werden. Während die Pflicht als Verhaltensanforderung mit einem Anspruch korreliert, versteht sich die Last als Verhaltenserwartung zwecks Abwehr eines eigenen Rechtsnachteils. Die Scheidelinie markiert hauptsächlich das Selbstbestimmungsrecht, wonach der Patient autonom über seinen Körper einschließlich der Aufnahme, Art und Reichweite einer medizinischen Versorgungsmaßnahme entscheidet. Dies gilt auch, wenn der Patient einen Termin vereinbart und damit seine grundsätzliche Behandlungsbereitschaft zum Ausdruck bringt, später aber zu dem Entschluss kommt, sich der Konsultation doch nicht stellen zu wollen. Die Initiative zur Konsultation eines (Zahn)Arztes muss vom Patienten ausgehen und stellt den quasi ersten Schritt für präventive oder kurative Maßnahmen dar. Auch eine Terminvereinbarung berührt das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, sodass er entscheidet, ob der (Zahn)Arzt zur verabredeten Zeit aufgesucht wird. Da der Mediziner kein dementsprechendes Verhalten fordern kann, scheitert eine Erscheinenspflicht am fehlenden Anspruch auf Einhaltung eines Behandlungstermins. Mit Blick auf die schutzwürdigen Belange des Mediziners, also einer möglichst kostendeckenden und darüber hinaus gewinnbringenden Ausschöpfung seiner technischen, zeitlichen wie personellen Mittel, könnte eine Erscheinenslast nahe liegen. Andererseits verhindert aber eine Wahrnehmung des Termins den (zahn)ärztlichen Verdienstausfall nicht automatisch, was am Beispiel der terminierten Computertomographie verdeutlicht werden soll: Kommt der Patient zur besagten Zeit, hört sich die Aufklärung an und lehnt die Untersuchung sodann wegen ihrer Risiken oder schon in der Röhre liegend aus Platzangst ab365, entsteht mit der mangelnden Ausnutzung der Kapazitäten eine ähnliche ___________ 364

Eine derartige Vereinbarung dürfte überwiegend nicht anzunehmen sein, zumal die Parteien über den Inhalt des Behandlungsvertrages meist nicht einmal sprechen und ein einseitiger Hinweis auf dem Bestellzettel nicht genügt. 365 Vgl. dazu AG Stuttgart (28.02.1995 - 10 C 14161/94), n.v., mit der Verweigerung einer Untersuchung nach dem Beratungsgespräch, in dem die Patientin über ihre „Mitwirkungspflichten“ bei der Benutzung des Gerätes informiert wurde, sich dazu aber auf-

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

101

Situation wie beim säumigen Patienten. Würde also eine Erscheinenslast angenommen, müsste sich dies konsequenterweise bei den Erörterungen im Zusammenhang mit der Einwilligungserteilung und -widerruf fortsetzen. Dies hätte aber eine unzulässige Relativierung des Selbstbestimmungsrechts zur Folge, die durch das gewinnwirtschaftliche Streben und die Planungsfreiheit des Mediziners nicht gerechtfertigt wird. Man denke etwa an folgende Situation: Ein termingerecht erschienener Patient sitzt im Behandlungszimmer und in diesem Moment stellen sich Bedenken gegen den Eingriff ein. Könnte der Mediziner nunmehr berechtigterweise auf einen Ausgleichsanspruch hinweisen, wäre der Patient in seiner Entscheidungsbefugnis nicht mehr völlig frei und mithin das Selbstbestimmungsrecht beeinträchtigt. Der hinreichende Schutz der (zahn)ärztlichen Belange zwingt dazu aber nicht, denn ihnen kann durch eine rechtzeitige Terminabsage vollends genügt werden. Da diese Teilhabeverantwortung für den Patienten weniger einschneidend ist, führt die Interessenabwägung gerade nicht zu einer Erscheinenslast. Das termingerechte Aufsuchen der Praxis durch den Patienten ist allerdings Gegenstand einer außerrechtlichen Norm, denn mit diesem Verhalten wird infolge der Terminvereinbarung allgemein gerechnet. Außerdem dürfte es meist sinnvoll sein, sich einer Gesundheitsberatung zu stellen oder einer indizierten Untersuchung bzw. Therapie zu unterziehen. Wie bereits angedeutet, kann der Dispositionsfreiheit des (Zahn)Arztes über einen inhaltlich andersartigen Rechtssatz genügt werden, wobei an eine Vorverlegung auf den Zeitpunkt einer Terminabsage zu denken ist. Die Mitteilung eines Patienten, dass ein Behandlungstermin nicht wahrgenommen werden könne, vermag die Planungshoheit eines (Zahn)Arztes zu schützen, ohne das Selbstbestimmungsrecht zu berühren. Wird ein Mediziner zeitnah über eine absehbare Terminverhinderung seitens des bestellten Patienten informiert, kann er seinen Zeitplan umgestalten und andere Kranke behandeln oder Fortbildungs- und Abrechnungsarbeiten erledigen. Dabei kommt es entscheidend auf eine Rechtzeitigkeit der Terminabsage an, da es wenig hilfreich sein dürfte, eine Benachrichtigung kurz vor dem geplanten Behandlungsbeginn zu erhalten, wenn dem Patienten die Nichteinhaltung des Termins schon Stunden, Tage oder sogar Wochen zuvor bekannt ist. Zudem ist der wenige Minuten beanspruchende Anruf im Mobilzeitalter nahezu von überall und jederzeit ohne große Mühe möglich. Daher würden die Parteien bei Einbeziehung der Wahrscheinlichkeit einer Patientensäumnis in die Vertragsgestaltung eine Pflicht des Patienten zur frühzeitigen Absage oder Bitte um Verlegung des Termins ver___________ grund ihrer physischen und psychischen Verfassung außerstande sah. Das Gericht lehnte die Klage des Arztes aus § 615 Satz 1 BGB ab.

102

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

einbaren366. Auf diese Weise kann nämlich dem Selbstbestimmungsrecht und der Planungsfreiheit des Mediziners Rechnung getragen werden, weil der Patient trotz Terminabsprache frei über die Behandlungsaufnahme entscheidet und der (Zahn)Arzt die materiellen Nachteile einer Säumnis nicht einseitig zu tragen hat.

(2) Rechtsfolge der Nichtwahrnehmung eines Behandlungstermins In Anbetracht des Stellenwertes, den § 615 Satz 1 BGB in der Diskussion um die Nichteinhaltung eines Behandlungstermins einnimmt, wäre primär an einen daraus resultierenden Vergütungsanspruch zu denken. Dies würde jedoch einen Rechtssatz voraussetzen, der dem Patienten die Annahme einer medizinischen Versorgung abverlangt. Bezugnehmend auf die vorangegangenen Überlegungen ist der Patient gerade nicht zum Erscheinen in der Praxis und daran anschließend zur Hinnahme einer Beratung, Untersuchung oder Therapie verpflichtet oder mit einer äquivalenten Verhaltensnorm belastet. Infolgedessen greift § 615 Satz 1 BGB nicht, weswegen ihm für die (Zahn)Arzt-PatientenBeziehung keine Bedeutung zukommt. Dass dies nicht als Verlust zu werten ist, ergibt sich schon aus den erheblichen Problemen, die mit seiner Anwendbarkeit im Bereich des Behandlungsverhältnisses verbunden sind. Der Schwerpunkt liegt auf den Rechtsfolgen, die aus der Nichtabmeldung eines Termins herrühren. Sagt der Patient schuldhaft einen vereinbarten Behandlungstermin nicht rechtzeitig ab, liegt darin eine Vertragsverletzung367, für die bis vor kurzem das nicht eigens normierte Rechtsinstitut der pVV eingegriffen hätte und die infolge der Schuldrechtsnovellierung jetzt über § 280 Abs. 1 BGB zu sanktionieren ist. Als zentrale Schadensersatznorm des Schuldrechts sowie Kodifikation der pVV368 greift § 280 Abs. 1 BGB bei einer vom Schuldner zu vertretenden Pflichtverletzung, die zum Schaden geführt hat. Diese Vor___________ 366

Ähnlich für eine ausdrückliche Vereinbarung AG Viersen GesR 2006, 220, 221. In diese Richtung tendiert bereits Uhlenbruck, MedR 1986, S. 45, 46: „Hat also der Patient z.B. wegen einer längeren Untersuchung Urlaub genommen und kündigt der Arzt kurzfristig trotz Terminvereinbarung den Arztvertrag, ohne dass der Patient imstande ist, sich rechtzeitig einen anderen Behandlungstermin bei einem anderen Arzt zu verschaffen, so kann er vom Arzt den Schaden (nach § 627 Abs. 2 Satz 2 BGB) ersetzt verlangen. Es will weder dem verständigen Laien noch dem Juristen einleuchten, warum dies beim Nichterscheinen des Patienten für den Arzt anders sein soll ... Versäumt aber der Patient schuldhaft den verabredeten Behandlungs- oder Untersuchungstermin, so ist über die gesetzliche Regelung in § 615 BGB hinaus die Frage schuldhafter Vertragsverletzung zu prüfen.“ So nunmehr auch OLG Stuttgart MedR 2007, 546 ff. 368 Vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 92. 367

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

103

aussetzungen bedürfen der Spezifizierung für den (zahn)ärztlichen Schadensersatzanspruch infolge einer unterbliebenen Benachrichtigung über die persönliche Verhinderung oder den spontanen Unwillen, zur vereinbarten Behandlungszeit zu erscheinen. Informiert der Patient seinen behandelnden (Zahn)Arzt nicht rechtzeitig über das Nichterscheinen zur verabredeten Zeit, bleibt er objektiv hinter dem schuldrechtlichen Pflichtenprogramm zurück, sodass eine Pflichtverletzung gegeben ist369. Das einzig relevante Problem liegt dabei in der Rechtzeitigkeit der Terminabsage, deren Bestimmung von den Gesamtumständen abhängt. Da ein freigewordenes Zeitfenster regelmäßig bis zu 24 Stunden vorher neu vergeben wird, muss eine entsprechende Mitteilung an den (Zahn)Arzt grundsätzlich in diesem Zeitrahmen erfolgen. Davon ausgenommen sind Praxen mit Akut- und Spontanpatienten, die mithin eine hinreichende Ausweichmöglichkeit schaffen. Somit genügt in Abhängigkeit von der jeweiligen Praxisorganisation auch eine kurzfristigere Abmeldung, die aber wenigstens eine halbe Stunde vor der vereinbarten Zeit erfolgen sollte. Ebenso erschiene die Geltung einer 24stündigen Terminfreigabefrist für unvorhersehbare, spontan eintretende Verhinderungen wie eine plötzliche Erkrankung, betriebliche Unabkömmlichkeit, einen Verkehrsunfall auf dem Weg zum (Zahn)Arzt oder andere Sondersituationen unbillig. Mehr als eine umgehende Mitteilung vermag der Patient hier nicht zu leisten, was sich andererseits nicht nachteilig auswirken darf, falls er dementsprechend handelt. Das Patientenverschulden bemisst sich nach § 276 BGB und beruht bei einer nicht rechtzeitigen Terminabsage meist auf eigenen Unzulänglichkeiten, vor allem der Vergesslichkeit. Ausnahmsweise knüpft das Verschuldenserfordernis nicht an die unterbliebene Mitteilung an, sondern ergibt sich schon aus der vorgelagerten Terminvereinbarung, deren Einhaltung aus objektiver Sicht scheitern muss. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein zwar behandlungswilliger, aber schlaftablettenabhängiger Patient einen frühmorgendlichen Termin für eine Kontrolluntersuchung ausmacht. Im Hinblick auf den Schaden des Mediziners370 als Verschlechterung der eigenen Vermögenssphäre ist die Bemessensgrundlage fraglich. Dabei kommt das Zugrundelegen eines durchschnittlichen Stundensatzes unter Berücksichtigung der individuellen Praxiskosten oder das voraussichtlich erwirtschaftete Entgelt abzüglich ersparter Aufwendungen in Betracht. Da die konkret gebotenen Behandlungsschritte im Vorfeld üblicherweise nicht genau feststehen und ___________ 369 370

So nun auch OLG Stuttgart MedR 2007, 546, 548. Vgl. dazu jetzt auch OLG Stuttgart MedR 2007, 546, 548 f.

104

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

in einem durch Terminsäumnis entstandenen zeitlichen Freiraum anfallende Abrechnungen und Büroarbeiten erledigt werden können, erscheint die abstrakte Schadensberechnung vorzugswürdig. Dann nämlich muss die anderweitige Zeitnutzung, wozu der (Zahn)Arzt über § 254 Abs. 2 BGB angehalten ist, nicht monetär bewertet werden. Dagegen wirkt das für eine zwischenzeitlich durchgeführte medizinische Versorgung eines anderen Patienten verdiente Honorar schadensabwendend oder zumindest schadensmindernd, wenn dieser Patient ohne Ausbleiben des bestellten Patienten auch nicht nach Ende der Sprechzeit behandelt worden wäre. Abschließend soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit das jederzeitige Kündigungsrecht eines Patienten gemäß § 627 Abs. 1 BGB den Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB beeinflusst. Im schlichten Fernbleiben eines Patienten zur verabredeten Zeit kann wegen der vielfältigen Gründe kein eindeutiger Wille für eine Vertragsbeendigung gesehen werden, sodass eine konkludent erklärte Kündigung ausscheidet. Näher zu beleuchten ist allerdings ein Patientenvortrag in der Weise, dass der Verdienstausfall des (Zahn)Arztes ebenfalls durch ein rechtmäßiges Verhalten, nämlich einer Kündigung des Vertragsverhältnisses kurz vor Behandlungsbeginn hätte herbeigeführt werden können. Erwiese sich der Einwand als schlüssig, wäre der Schadensersatzanspruch über die Rechtsfigur des rechtmäßigen Alternativverhaltens ausgeschlossen. In Anbetracht des Selbstbestimmungsrechts und des Vertrauensverhältnisses muss der Patient das Behandlungsverhältnis fristungebunden kündigen können, sodass es auch kurz vor der Untersuchung oder Beratung sowie währenddessen beendet werden kann. Dem Vorschlag, § 627 Abs. 1 BGB derart zu reduzieren, dass seitens eines Patienten nicht zur Unzeit gekündigt werden darf371, kann mit Rücksicht auf das verfassungsrechtlich abgesicherte Selbstbestimmungsrechts nicht gefolgt werden. Selbst die unzeitige Kündigung eines Mediziners beendet nämlich das Vertragsverhältnis und löst bloß einen Schadensersatzanspruch nach § 627 Abs. 2 Satz 2 BGB aus. Obwohl der Patient den Behandlungskontrakt in kurzfristiger Erinnerung an die Terminvereinbarung durchaus rechtswirksam beseitigen kann und aus der Kündigung selbst keine Ersatzansprüche resultieren, verbietet dies den Rückgriff auf die Kompensationsmöglichkeit von § 280 Abs. 1 BGB nicht. Denn alleiniger Anknüpfungspunkt des Schadensersatzanspruches ist die unterlassene ___________ 371 In dieser Weise Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 78 Rn. 14 sowie Kern in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, 335 Rn. 60.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

105

Terminabsage als Pflichtverletzung zu einem Zeitpunkt, wo der Behandlungsvertrag noch bestand, und deren Rechtsfolgen durch die nachträgliche Kündigung des Vertragsverhältnisses nicht erlöschen: „Die Möglichkeit, einen ärztlichen Behandlungsvertrag ohne Einhaltung von Kündigungsfristen und ohne Begründung kündigen zu können, kann nicht dazu führen, schuldhafte Versäumnisse des Patienten, die sich als Vertragsverletzung darstellen, in vollem Umfang dem behandelnden Arzt anzulasten.“372

Folglich kann der Patient gegen den Schadensersatzanspruch des behandelnden Mediziners nicht einwenden, der Verdienstausfall wäre auch dann eingetreten, wenn er den Behandlungsvertrag unmittelbar vor Beginn der Behandlung gekündigt hätte, weil diese Behauptung in sich unschlüssig ist. Denn eine später vollzogene Vertragsbeendigung beseitigt eine vorab geschehene Vertragsverletzung nicht.

(3) Zwischenergebnis Nach eigener Ansicht ist der Patient infolge der Verabredung eines konkreten Behandlungszeitpunktes mit einer vertraglichen Nebenpflicht beschwert373. Diese Verhaltensnorm beinhaltet mit Rücksicht auf das Selbstbestimmungsrecht nicht das Patientenerscheinen, sondern die möglichst frühzeitige Benachrichtigung des (Zahn)Arztes, dass der Termin nicht wahrgenommen werde. Andernfalls kann der Mediziner Schadensersatz geltend machen, es sei denn, dem Patienten ist eine Pflichtverletzung nicht vorwerfbar. Mit diesem Ansatzpunkt erübrigen sich alle Schwierigkeiten, denen sich Lehre sowie Rechtsprechung stellen müssen. Zugleich wird die nötige Handlungssicherheit für Patienten geschaffen, denn jede Terminabsprache fordert eine Mitteilung, wenn und sobald ein Nichterscheinen zur vereinbarten Zeit absehbar ist. Verschiedenheiten in der Praxisorganisation sind allenfalls auf der Rechtsfolgenseite unter dem Aspekt einer Rechtzeitigkeit der Terminabsage sowie der Schadensminderung bedeutsam. Bislang wurde vom Erscheinen des Patienten in der (Zahn)Arztpraxis ausgegangen, sodass nunmehr kurz die umgekehrte Situation eines Hausbesuches ___________ 372

Uhlenbruck, MedR 1986, S. 45, 46. Ähnlich Conti, S. 62 f., wonach sich der Patient, der grundsätzlich frei über das ob und wie einer Behandlung entscheidet, im Moment einer Terminabsprache mit dem Mediziner zum zeitgerechten Erscheinen verpflichte. Daher müsse er, falls er an ihrer Einhaltung gehindert sei, wegen der Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme frühzeitig darauf hinweisen. 373

106

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

beleuchtet werden soll. Gemäß den soeben ermittelten Erkenntnissen trifft den Kranken keine Anwesenheitspflicht oder -last mit der Folge, dass er zur vereinbarten Zeit nicht zu Hause sein oder den Arzt hereinlassen muss. Schon der Erstkontakt mit dem Mediziner tangiert nämlich das Selbstbestimmungsrecht, das mit dem Bestellen eines Hausbesuches nicht verwirkt wird. Das ärztliche Interesse wird durch die Verpflichtung des Patienten, alsbald über den Wegfall der Erforderlichkeit oder Willigkeit für den Hausbesuch zu informieren, gewahrt. Macht sich der Arzt vergeblich auf den Weg, weil der Hausbesuch mittlerweile unerwünscht ist und der Patient dies nicht mitgeteilt hat, kann er unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB seine Fahrkosten und die entgangene, abstrakt zu berechnende Verdienstmöglichkeit als Schadensposten ersetzt verlangen. Die Bedeutung dieser Fallgruppe dürfte jedoch gering sein, weil ein Hausbesuch ohne gesteigerte Behandlungsbedürftigkeit nicht durchgeführt wird und der Patient mithin regelmäßig an einer medizinischen Versorgung interessiert ist.

b) Pünktliches Erscheinen zum Behandlungstermin In die Fallgruppe der Wahrnehmung eines vereinbarten Behandlungstermins fällt neben dem Fernbleiben auch das verspätete Erscheinen des Patienten, wobei dem letztgenannten Aspekt kaum Beachtung geschenkt wird. Da sich Patient und (Zahn)Arzt an der Terminvereinbarung ausrichten, erwarten sie in diesem Zusammenhang von ihrem Gegenüber Loyalität. Dies nötigt zu einer vertraglichen Absicherung, die überwiegend über eine ergänzende Vertragsauslegung zu erreichen ist. Die Überlegungen zum verspäteten Erscheinen eines Patienten finden in der Realität einen Ausgangspunkt: So kann die geplante medizinische Versorgung regelmäßig noch erfolgen, wenn der Patient mit einer unerheblichen Verzögerung von etwa 10 bis 15 Minuten374 in der Praxis erscheint. Dadurch wird der ohnehin nicht minutiös planbare Arbeitsrhythmus des Mediziners nicht merklich gestört. Das gilt indes nicht für Verspätungen, die eine Spanne von 15 Minuten überschreiten, oder beim Aufsuchen der (Zahn)Arztpraxis zu einem völlig anderen Zeitpunkt. Vor allem das erheblich verspätete Erscheinen des Pati___________ 374 In Anlehnung an Natter, MedR 1985, S. 258, 259, der diesen Zeitrahmen bei einer Terminabrede als hinnehmbar bezeichnet. Der Blick auf die Rechtsprechung zu einer durch den (Zahn)Arzt selbst verursachten Behandlungsverzögerung (vgl. AG Burgdorf MedR 1985, 129; AG Köln ZM 1990, 2228), wonach die Haftungssituation erst bei einer halbstündigen Überschreitung des Behandlungsbeginns greift, rechtfertigt nicht die Annahme einer großzügigeren Zeitspanne, da der Patient sein Erscheinen zeitlich genauer kalkulieren kann als der (Zahn)Arzt den eigentlichen Behandlungsbeginn.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

107

enten stellt sich aus der Perspektive des Mediziners als Säumnis dar, weshalb es nicht als schlichte Verspätung gewertet werden kann. Dagegen ist anstelle einer Terminsäumnis eine Unpünktlichkeit anzunehmen, wenn der (Zahn)Arztbesuch von einem objektiven Betrachter als Reaktion auf den vereinbarten Termin aufgefasst wird. Ein Zeitmoment lässt sich dafür nicht pauschal angeben, da es einzelfallbezogen, in Abhängigkeit von der geplanten Konsultationsdauer zu ermitteln ist. Während ein zweistündig verzögertes Kommen zur kurzen Kontrolluntersuchung als Ausbleiben einzustufen ist, sieht das für einen umfassenden Eingriff wie eine ambulante Operation, für die sich der Mediziner einen ganzen Tag freigehalten hat, anders aus. Ob und gegebenenfalls welcher Rechtssatz einen Patienten im Zusammenhang mit dem zeitgerechten Einhalten eines Behandlungstermins beschwert, soll untersucht werden. Mit dem argumentum a maiore ad minus folgt aus der fehlenden Erscheinenspflicht und -last, dass eine pünktliche Terminwahrnehmung nicht gefordert oder erwartet werden kann375. Jedoch legt die Interessenabwägung eine Pflicht des Patienten nahe, die eine Benachrichtigung der Praxis über das verspätete, voraussichtlich das akademische Viertel überschreitende Eintreffen abverlangt. Obwohl diese Mitteilung regelmäßig kurzfristig erfolgt, da etwa auf dem Weg zum (Zahn)Arzt aufgrund eines gerade ereigneten Verkehrsunfalls eine Straße vollständig gesperrt ist, überfordert sie den Patienten im Zeitalter der Mobiltelefone nicht und schützt daneben die (zahn)ärztliche Dispositionsfreiheit. Denn erst durch das Wissen um die Verspätung kann sich der (Zahn)Arzt auf die veränderte Situation einstellen und zwischenzeitlich andere Patienten behandeln oder notwendige Arbeiten verrichten. Bei gravierenden Verschiebungen der Behandlungsabfolge wird er in Absprache mit dem Patienten einen neuen Termin vergeben. Angesichts dieser Interessenlage ist der Patient vertraglich verpflichtet, eine absehbare Verspätung von mehr als 15 Minuten anzukündigen. Üblicherweise verspäten sich Patienten jedoch zwischen 5 und 15 Minuten, wofür die Informationspflicht noch nicht greift. Aus diesem Grund dürfte diesem Teilhabeerfordernis in der Rechtswirklichkeit eine eher untergeordnete Bedeutung zukommen

___________ 375

A.A. Uhlenbruck, in: Laufs/ Uhlenbruck (2. Aufl.), § 78 Rn. 13, der das pünktliche Patientenerscheinen als vertragliche Mitwirkungspflicht klassifiziert. Die mittlerweile erschienene 3. Auflage geht darauf allerdings nicht mehr ein.

108

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

2. Vermeidung von Schädigungen im Rahmen des Aufsuchens einer (Zahn)Arztpraxis bzw. beim ärztlichen Hausbesuch Patienten können beiläufig einer medizinischen Versorgung durch abrupte, gleichwohl beherrschbare Bewegungen die körperliche Integrität oder Vermögenssphäre des (Zahn)Arztes beeinträchtigen. Vielfach sind die für eine zahnärztliche Behandlung vorbereiteten, auf dem Trägerarm des Zahnarztstuhls liegenden Instrumentarien zu Boden und teils auch zu Bruch gegangen und HNOFachärzte während des Arbeitens im Rachenraum gebissen worden. Ähnliche hyperreaktive Abwehrhandlungen aus Angst, Unannehmlichkeit und Schmerz finden sich über alle Fachrichtungen verstreut. Manchmal geht ein Patient auch unachtsam mit den in der (Zahn)Arztpraxis befindlichen Gegenständen um, wie bei einem unüberlegten Abstellversuch seiner Krücken an einem kostbaren Kunstobjekt, das dadurch wertmäßig gemindert wird. Darüber hinaus kann ein Mediziner im häuslichen Herrschaftsbereich des Patienten infolge desolater Zustände geschädigt werden, etwa wenn er mangels intakter Treppenhausbeleuchtung stürzt und sich ein Bein bricht. Da niemand einen anderen schädigen darf, hat auch der Patient den personen- und vermögensrechtlichen Status des Mediziners zu schützen. Im Rahmen einer Behandlung öffnen sich (Zahn)Arzt und Patient im besonderen Maße, was eine erhöhte Schutzbedürftigkeit beider Parteien bedingt und wie in anderen Schuldverhältnissen über gegenseitige Schutz-, Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten abgesichert ist. Für das Behandlungsverhältnis gelten also keine Besonderheiten. Demnach besteht eine Patientenpflicht, wonach die eventuell den Vertragspartner schädigenden Risiken im Zuge eines (Zahn)Arzt- oder Hausbesuches zu vermeiden und abzuwenden sind376. Zumindest für den ärztlichen Hausbesuch folgt dieses Ergebnis partiell aus der gesetzlich geregelten Fürsorgepflicht des § 618 Abs. 1 BGB377. Die Norm bezweckt den Schutz vor Gefahren, die einem Dienstverpflichteten beim Tätigwerden im fremden Herrschaftsbereich an Gesundheit und Leben drohen, und ist anwendbar, wenn eine Dienstleistung in den Räumlichkeiten des Dienstberechtigten erbracht wird378. Letztlich hat der Patient alle Gefahren in den vom (Zahn)Arzt während des Hausbesuches bestimmungsgemäß aufgesuchten Räumen, also vor allem Zugänge und sanitäre Örtlichkeiten, auszuschließen379. ___________ 376

Tiemann, Das Recht in der Arztpraxis, S. 140. So für den kassenärztlichen Hausbesuch Eberhardt, AcP 171, S. 289, 310. 378 Belling in: Erman, § 618 Rn. 1, 9. 379 In Übertragung der allgemeinen Ausführungen von Belling in: Erman, § 618 Rn. 10, auf die (Zahn)Arzt-Patienten-Beziehung. 377

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

109

Dabei handelt es sich um eine vertragliche Nebenpflicht, die der Gesetzgeber wegen ihres essentiellen Charakters für den Dienstvertrag zur Entlastung der Vertragsparteien bei der Ausgestaltung ihrer Rechtsbeziehung als dispositives Verhaltensgebot normiert hat. Der Patient ist daher verpflichtet, beim Aufsuchen einer (Zahn)Arztpraxis oder während eines Hausbesuches die Rechtsgüter des (Zahn)Arztes möglichst zu wahren380. Diese Schutzpflicht zugunsten des Mediziners ergibt sich aus dem Behandlungsvertrag und findet für den ärztlichen Hausbesuch in § 618 Abs. 1 BGB eine spezielle gesetzliche Regelung. Verhält sich der Patient nicht getreu dieser Schutzpflicht, macht er sich schadensersatzpflichtig gemäß den §§ 280 Abs. 1; 823 Abs. 1, 2 BGB.

3. Informationen und Hinweise durch den Patienten in den Stadien der Diagnostik und Therapie Es gehört zwar zum Aufgabenbereich des Mediziners, sich vom Zustand und Leiden des Patienten ein eigenes Bild zu machen381, jedoch sind wichtige Basisinformationen mitunter nicht oder nicht zuverlässig über Untersuchungen zu gewinnen. So sind für die Diagnosestellung und Therapiewahl neben den akuten Beschwerden auch die seelische Verfassung des Behandlungsbedürftigen, frühere Erkrankungen, Medikamentenunverträglichkeiten oder Allergieneigungen bedeutsam. Während der Behandlung kann auf eine Zustandsverschlechterung ohne Befundkorrelat schnell reagiert werden, wenn der Patient das mitteilt. Dies verdeutlicht, dass vielmals erst durch eine Auskunftserteilung des Patienten eine effiziente (zahn)ärztliche Versorgung möglich ist382. Angesichts dieser Ausgangslage ist ein vertraglicher Regelungsbedarf offenkundig. Unklar ist jedoch, ob eine Informationspflicht oder -last anzunehmen ist. Dies soll vordergründig geklärt werden, bevor der Mitteilungsumfang in den einzelnen Behandlungsstadien aufgezeigt und dadurch der Inhalt etwaiger Patientenpflichten und -lasten anschaulich wird.

___________ 380 381

Ähnlich wohl Stern, SozVers 1968, S. 111. Franzki in: Heim, S. 19, 21 und Uhlenbruck/ Kern, in: Laufs/ Uhlenbruck, § 80

Rn. 3. 382

Erleichtert werden könnte dies mit der Einführung einer elektronischen Patientenkarte, wodurch der behandelnde Mediziner über etwaige Allergien oder vormalige Therapien seines Patienten informiert und Doppeluntersuchungen vermieden werden sollen.

110

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

a) Rechtsnatur der Patientenmitwirkung Das Problem der informativen Beteiligung eines Patienten an der Behandlung findet entgegen einiger anderer Mitwirkungserfordernisse in der Rechtswissenschaft durchaus Beachtung. Deshalb sollen die von Lehre und Rechtsprechung vertretenen Ansichten zum Rechtscharakter dieser Patientenmitarbeit in die Erörterungen einbezogen werden, obwohl sie nahezu mit dem allgemeinen Meinungsspektrum korrespondieren383. Darauf gründend erfolgt die eigene Positionierung gemäß der Dogmatik von den Pflichten, Lasten und Geboten des eigenen Interesses.

aa) Ansichten von Lehre und Rechtsprechung Wie bereits angedeutet, ranken sich die bislang vertretenen Auffassungen um die Informationspflicht einerseits und eine Mitteilungsobliegenheit auf der anderen Seite. Diese Zweiteilung liegt der folgenden Darstellung zugrunde.

(1) Vertragliche Auskunfts- und Aufklärungspflicht des Patienten Nach einer Auffassung soll der Patient zur Offenbarung behandlungsrelevanter Tatsachen verpflichtet sein384, wobei er die entsprechenden Angaben entweder von sich aus oder erst auf Nachfrage mitteilen müsse. Demnach wird innerhalb der Informationspflicht zwischen der Auskunfts- und Aufklärungspflicht unterschieden385. So erstrecke sich die nur auf Anfrage entstehende Auskunftspflicht auf solche Mitteilungen, an denen der Auskunftsberechtigte sein künftiges Handeln auszurichten gedenkt. Hingegen erfasse die spontane Aufklärungspflicht in der Vergangenheit liegende Fakten. Diese inhaltliche Abgrenzung klärt aber nicht, wann und unter welchen Voraussetzungen den Patienten die jeweilige Pflicht trifft. Da der (Zahn)Arzt aufgrund seines Wissensvorsprunges infolge Ausbildung und beruflicher Erfahrung verpflichtet ist, den Patienten vor jedem Diagnoseoder Therapieeingriff anamnestisch zu befragen386, treffe den Patienten zumin___________ 383

Vgl. dazu A. I. in diesem Kapitel. Dafür Kohlhaas, DMW 1970, S. 1896 f.; Conti, S. 120 ff.; Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 80 sowie Kern in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, 335 Rn. 65. 385 Siehe dazu insbesondere Kleuser, S. 47 sowie Conti, S. 93, 120 ff. 386 So Kohlhaas, DMW 1970, S. 1896; Conti, S. 121 f.; Göben, S. 49 und Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 80 Rn. 1 sowie im Ergebnis OLG Köln NJW384

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

111

dest eine Auskunftspflicht387. Somit habe der Patient die Fragen des behandelnden (Zahn)Arztes vollständig und gewissenhaft zu beantworten388, falls ihm die besondere Bedeutung der Informationen erklärt worden sei. Sehe er sich dazu außerstande, habe er dies verständlich zu machen. Sodann müsse der Mediziner weiter nachbohren und eventuell leichtere Formulierungen benutzen, um die benötigten Informationen zu erhalten. „Grundsätzlich ist festzustellen, dass im Rahmen der Anamnese, Untersuchung und Diagnostik den Arzt die Verpflichtung trifft, den Patienten nach Vorerkrankungen und Unverträglichkeiten zu fragen. Der Patient verletzt jedoch seine Nebenpflichten aus dem Arztvertrag, wenn er dem Arzt bewusst oder fahrlässig wichtige Vorerkrankungen und Unverträglichkeiten verschweigt. Beruht das Verschweigen auf der Erkrankung selbst oder ist sie eine Folge des Zustandes oder Alters des Patienten, so liegt keine Vertragsverletzung vor.“389

Die einschneidendere Aufklärungspflicht soll gemeinhin auf solche Umstände beschränkt sein, über die sich der (Zahn)Arzt selbst nur schwer oder überhaupt keine Kenntnis verschaffen könne390. Dazu zähle die Medikamentenüberempfindlichkeit391, eine seltene Blutgerinnungsstörung, die schon beim leichten Anstoßen zu einer auffallenden Hämatombildung am Körper führt392, und die Verweigerung einer Bluttransfusion aus religiösem Grund393. Darüber hinaus wird vereinzelt ein Austausch über alle entscheidungserheblichen Informationen favorisiert, weil ansonsten auch die (zahn)ärztliche Aufklärungspflicht hinsichtlich wirtschaftlicher Belange leicht verneint werden könnte, zumal der Patient selbst die Möglichkeit habe, die versicherungsrechtliche Kos___________ RR 1992, 986. Zum praktischen Vorgehen in dieser Weise frühzeitig, um 100 v. Chr., Rufus von Ephesos: „Zuerst gehe ich davon aus, die Fragen an den Kranken selbst zu richten; denn daraus kann man erfahren, wieweit der Patient geistig krank oder gesund ist, ferner seine Kraft und Schwäche, schließlich welcher Art von Krankheit an welcher Stelle er leidet ...“ (zitiert nach Haferlach, S. 19). 387 Kohlhaas, DMW 1970, S. 1896 f. und wohl auch Giesen, JZ 1987, S. 282, 289. 388 Conti, S. 124. Ähnlich Deneke, DÄBl 1964, S. 2091, 2094 f. sowie Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 80 Rn. 1. 389 Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 80 Rn. 4. 390 In diesem Sinn wohl Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 80 Rn. 1 und Fn. 2. Ähnlich Hanau, in: FS für Baumgärtel, S. 121, 134 f. 391 Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 80 Rn. 1. 392 Vgl. dazu die Fallabhandlung bei Kohlhaas, DMW 1970, S. 1896 f. 393 Dabei denkt Conti, S. 123 Fn. 629, an die Pflicht eines Zeugen Jehovas, auf die religiös motivierte Ablehnung einer Bluttransfusion auch vor relativ risikolosen operativen Eingriffen hinweisen zu müssen, um dem (Zahn)Arzt frühzeitig die Behandlungsablehnung zu ermöglichen – sei es nur, um sich im Komplikationsfall vor den unangenehmen Folgen einer eventuellen strafrechtlichen Untersuchung oder Presseberichten zu schützen.

112

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

tenübernahme abzuklären394. Dabei hänge das Ausmaß einer Aufklärungspflicht des Patienten von seiner sozialen und individuellen Schutzbedürftigkeit, der Gefährdung des festgelegten Vertragszweckes und der Höhe des Risikos für die Rechtsgüter des Vertragspartners ab. Im Zusammenhang mit der Patientenaufklärungspflicht unterliegt die Problematik der ungefragten Offenbarung einer ansteckenden, schwerwiegenden Erkrankung wie Aids395 oder Hepatitis396 einer besonderen Diskussion. Überwiegend wird eine Aufklärungspflicht angenommen, wonach der Patient eine HIV-Infektion unaufgefordert mitzuteilen habe. Denn die an sich geringe Ansteckungsgefahr für die Behandlungsseite könne durch das Ergreifen zusätzlicher Schutzmaßnahmen wie das Tragen von Handschuhen und der Anwendung gesteigerter Sorgfalt bei serologischen Laborarbeiten und dem Umgang mit Nadeln weiter minimiert werden397. Bei medizinischen Tätigkeiten drohten nämlich trotz Einhaltung grundlegender Sicherheitsvorkehrungen ansteckungsgeeignete Eigenverletzungen an Operationsbestecken oder Injektionsnadeln, weshalb das Wissen um die Infektiösität eine erhöhte Vorsicht auslöse398. Ein Hinweis auf die Erkrankung sei dem Patienten zur Wahrung der Interessen des Gegenübers auch zumutbar399. Eine derartige vertragliche Schutzpflicht greife nicht zu weit in das Persönlichkeitsrecht des Patienten ein, zumal die Unterlassung des Hinweises mit Strafe bedroht sei und der Patient daher nicht befugt wäre, eine infektiöse Krankheit zu verschweigen400. Nach der Gegenposition müsse der Patient eine ihm bekannte HIV-Infektion nicht mitteilen. Diese Auffassung findet sich indes nicht sehr zahlreich vertreten401. Zur Begründung wird angeführt, dass das Bekanntwerden einer derartigen Krankheit die Intimsphäre des Patienten stark beeinträchtige, während die Ansteckungsgefahr für das medizinische Personal bei strikter Anwendung des Hygienestandards zu vernachlässigen sei402. Das medizinische Personal müsse ___________ 394

Conti, S. 121 ff., 140. Abkürzung für acquired immune deficinecy syndrome als erworbenes Immundefektsyndrom, vgl. Pschyrembel, Stichwort: Aids. 396 Leberentzündung durch Virusinfektion, ausführlich dazu Pschyrembel, Stichwort: Hepatitis, akute. 397 Schlund, AIFO 1986, S. 564; Eberbach, AIFO 1987, S. 281, 286; ders., MedR 1987, S. 267, 271; ders., ZRP 1987, S. 395, 398; ders., NJW 1987, S. 1470, 1472; Heberer/ Mößbauer, MedR 2004, S. 138, 138 f; Conti, S. 123 und Großfuß-Bürk, S. 99. 398 Eberbach, ZRP 1987, S. 395, 397 f.; Großfuß-Bürk, S. 99. Ähnlich Conti, S. 123. 399 Eberbach, AIFO 1987, S. 281, 286 und Conti, S. 123. 400 Eberbach, AIFO 1987, S. 281, 286. 401 So wohl nur Bruns, MDR 1987, S. 353, 354 ff. 402 Vgl. Bruns, MDR 1987, S. 353, 354 ff. 395

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

113

sich immer so verhalten, als ob es selbst oder jeder Patient infiziert wäre, weil sich Aids mittlerweile über die einst typischen Risikogruppen hinaus ausgebreitet habe. Zudem würde die Offenbarungspflicht mangels Beweisbarkeit, dass sich der behandelnde (Zahn)Arzt oder sein Hilfspersonal bei einem bestimmten Patienten angesteckt habe, keine praktische Bedeutung erlangen. Der notwendige Nachweis, dass keine anderen HIV-positiven Patienten behandelt und sämtliche Schutzvorkehrungen ausnahmslos eingehalten wurden und sexuelle Kontakte mit infizierten Personen nicht bestanden, ließe sich nicht führen.

(2) Mitteilungsobliegenheit des Patienten Andere erblicken in den für (Zahn)Ärzte relevanten Patientenhinweisen etwa über frühere Erkrankungen und Eingriffe, bekannte Allergieneigungen oder andere Unverträglichkeiten, momentane Beschwerden oder eine Schwangerschaft eine Obliegenheit403. Der Patient desavouiere das Vertrauen des (Zahn)Arztes in die Gefahrlosigkeit seines Vorgehens, wenn ihm eine Sachlage bekannt sei und sich daraus selbst für den medizinischen Laien eine besonders hohe Schadensneigung ergebe, dem Mediziner dies trotz fachlichen Wissensvorsprunges aber nicht erkennbar sei404. Daher setze die Informationsobliegenheit bestimmte Umstände und ein spezielles Patientenwissen voraus405. Bei einem schutzwürdigen Interesse des Mediziners oder einer strafrechtlichen Sanktionierung könne auch eine Nebenpflicht vorliegen406. Davon sei auszugehen, wenn der Patient an einer schweren, die Allgemeinheit gefährdenden Krankheit leidet.

bb) Eigene Positionierung Wie die Parteien diese Patientenmitwirkung vertraglich geregelt haben bzw. hätten, hängt von der Art und Gewichtigkeit der betroffenen Schutzinteressen ab. Die Abwägung der gegenseitigen Belange ergibt, ob eine Pflicht oder Last anzunehmen ist. Aus der Sicht des Mediziners besteht ein Bedarf an Hinweisen und Informationen durch den Patienten, wenn er die Sachlage selbst nicht ermitteln oder erkennen kann. Eine weitergehende Teilhabe kann wegen der (zahn)ärztlichen Diagnose- und Behandlungspflicht nicht gefordert oder erwar___________ 403

Dafür Deutsch/ Spickhoff, Rn. 97; Geiß/ Greiner, A 98; Göben, S. 49 ff. und wohl Bappert, AuP 1980, S. 155, 156. 404 Göben, S. 49. 405 In dieser Weise Göben, S. 51. 406 Deutsch/ Spickhoff, Rn. 97 sowie Göben, S. 51.

114

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

tet werden. Dies bedeutet, dass Patientenpflichten sowie -lasten gegeben sein können und darüber hinaus auch außerrechtliche Gebote des eigenen Interesses bestehen. Entgegen den gegenwärtigen Meinungen dürfte die faktisch erforderliche Informationsweitergabe durch den Patienten nicht in einem einheitlichen Sinne formiert sein, sondern ein Konglomerat aus mehreren Normenkategorien bilden. Eine Patientenpflicht ist dann gegeben, wenn der Mediziner das normgemäße Handeln beanspruchen kann. Da der Patient in Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts über Art, Inhalt und Reichweite einer medizinischen Behandlung allein befindet, mithin auch die Angabe dafür wichtiger Informationen grundsätzlich seiner Entschlusssphäre zuzuweisen ist, dürfte ein solcher Rechtssatz selten sein. Davon auszugehen ist aber bei der Offenbarung einer gefährlichen, infektiösen Krankheit wie dem HIV- oder Hepatitis-Leiden, weil auf beiden Seiten ausnahmsweise Grundrechte betroffen sind und sich die Kollisionslage zugunsten des (Zahn)Arztes auflöst. Für den Mediziner und sein Umfeld besteht das Risiko der Infizierung mit einer Krankheit, die mitunter nicht heilbar ist. Obwohl die Ansteckungsgefahr wegen der beschränkten Übertragungswege407 eigentlich gering ist – so wurden bis 1987 weltweit 7, davon 4 wissenschaftlich gesicherte HIV-Infektionen beim medizinischen Personal infolge einer Nadelstichverletzung bekannt408 und einer deutlich höheren Hepatitis-Ansteckungsgefahr409 – kann sie durch das Wissen um die Krankheit weiter reduziert werden. Sodann würde nämlich der hygienische Höchststandard angewendet und mit Blut oder anderen Körperflüssigkeiten besonders konzentriert und achtsam gearbeitet410. Die Wahrung von Leben und Gesundheit hat angesichts der Unersetzlichkeit dieser Rechtsgüter höchste Priorität. Im Übrigen ist der Eingriff in die Intimsphäre des Patienten durch die (zahn)ärztliche Schweigepflicht beschränkt. Diskriminierung und Ausgrenzung aus der Gesellschaft als häufige Folge einer Offenheit des Betroffenen drohen daher nicht. In der Abwägung führt das zu einem Zurück___________ 407 Infektionswege von Aids: Blut und andere Körperflüssigkeiten und bei Hepatitis je nach Typ: Blut, Urin, Stuhl. Zu potentiellen Schutzmaßnahmen in einer (Zahn)Arztpraxis, vgl.: http://www.jjws.de/infektion.htlm. 408 Fakten übernommen von Goebel, DÄBl 1987, S. 763 f. 409 Laut obiter dictum des BGH GesR 2003, 209, ist das medizinische Personal in besonderer Weise einem Infektionsrisiko ausgesetzt. Goebel, DÄBl 1987, S. 763, 764, beziffert das Risiko einer Infizierung mit Hepatitis B nach einer Nadelstich- oder Schnittverletzung mit 19-27 %. 410 Ein Übertragungsrisiko besteht vor allem bei der Verletzung an kontaminierten Kanülen, Lanzetten oder Skalpellen sowie infolge des Eindringens von Blut über Hautdefekte oder Blutspritzern in Auge, Nase oder Mund.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

115

treten der informationellen Selbstbestimmung411. Mithin ist der Patient verpflichtet, auf die Körperintegrität seines (Zahn)Arztes und des Hilfspersonals Rücksicht zu nehmen. Er muss mithin nicht nur eine dementsprechende Frage wahrheitsgemäß beantworten, sondern die Erkrankung auch von sich aus unaufgefordert bekannt geben. Verletzt der Patient diese Pflicht, ist das Vertrauensverhältnis zum (Zahn)Arzt erschüttert, sodass Letztgenannter eine weitere Behandlung ablehnen und das Vertragsverhältnis kündigen darf412. Erkrankt der Mediziner nachweisbar infolge einer unterlassenen Mitteilung, besteht zu seinen Gunsten der vertragliche neben dem deliktischen Schadensersatzanspruch gemäß den §§ 280 Abs. 1; 823 Abs. 1 BGB. Zusätzlich kann er über § 253 Abs. 2 BGB Schmerzensgeld begehren. Von einer Informationslast ist auszugehen, wenn der Mediziner ein berechtigtes Interesse an der Mitteilung medizinischer Daten durch den Patienten hat. Auch wenn diese Patiententeilhabe den Behandlungsablauf gewiss vereinfacht, ist das nicht ausnahmslos der Fall413. Denn grundsätzlich ist es Aufgabe des (Zahn)Arztes, sich von den gegenwärtigen Symptomen und jeweiligen Besonderheiten des Patienten einen eigenen Eindruck zu verschaffen, die nötigen Befunde zu erheben und die gebotenen Maßnahmen einzuleiten. Diese vertragliche Hauptpflicht gründet auf der typischerweise durch die Ausbildung und Berufserfahrung bestehende Überlegenheit des (Zahn)Arztes gegenüber einem weniger informierten, durch Krankheit kompromittierten Patienten. Falls der Mediziner die behandlungsrelevanten Daten wegen eines Verdachtsmoments ohne Patientenunterstützung leicht eruieren kann, besteht indes keine Last, zumal sie die (zahn)ärztliche Sorgfaltspflicht nicht verringern würde414. Verfügt der Patient aber über einen Wissensvorsprung, der vom (Zahn)Arzt nicht oder nur erschwert kompensiert werden kann, entspricht die Annahme einer Last der beiderseitigen Interessenlage415. Wenn sich nämlich ein Pati___________ 411 Dieses Ergebnis findet sich infolge ähnlicher Argumentation auch bei Heberer/ Mößbauer, MedR 2004, S. 138, 138 f. 412 Eberbach, NJW 1987, S. 1470, 1472. 413 Ebenso auch Hager in: Staudinger, § 823 I 41. 414 Vgl. dazu OLG Nürnberg AHR A II/ 1 b, 212/1, 4 und OLG Oldenburg AHR II/ 1 c, 60/1, 2. 415 Im Ansatzpunkt identisch, jedoch mit der Schlussfolgerung einer Patientenpflicht Kohlhaas, DMW 1970, S. 1896, 1897: „Nicht aber kann es ihm (dem Mediziner) angelastet werden, wenn ihm ein Patient aus Nachlässigkeit ein Symptom verschweigt, das immerhin nicht alltäglich ist.“

116

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

ent der nötigen Mitarbeit verschließt, kann eine sachgerechte Behandlung möglicherweise nicht eingeleitet werden. Ferner droht dem (Zahn)Arzt das Unterlaufen eines Diagnose- oder Behandlungsfehlers. Dem Patienten ist es andererseits leicht möglich, seine Beschwerden zu schildern und die benötigten Hinweise zu erteilen. Aus diesem Grund obliegt dem Patienten eine Informationslast416. Bestimmte Mitteilungen können insofern vom Patienten nicht gefordert werden, sollten freilich zur Vermeidung eines eigenen Rechtsnachteils erteilt werden. Demzufolge ist der Patient gehalten, sich entweder auf Nachfrage oder eigeninitiiert gegenüber dem Mediziner öffnen. Die nur auf Anfrage entstehende Auskunftslast bezieht sich auf sämtliche behandlungsrelevanten Fakten, die einem (Zahn)Arzt trotz eigener Pflichterfüllung nicht zugänglich sind, wie die Anamnese hinsichtlich früherer Krankheiten, bereits durchgeführter Operationen, bestimmten Unverträglichkeiten sowie familiären Dispositionen. Über die Aufklärungslast ist auf atypische Umstände wie einen längeren Aufenthalt im Malariagefährdungsgebiet beim Aufsuchen des Hausarztes mit grippalen Symptomen hinzuweisen. Allerdings dürfte die Aufklärungslast keine allzu große Relevanz haben, weil der Patient selten von sich aus überschauen wird, was er unaufgefordert bekannt geben müsste. Von den faktischen Auswirkungen der Vernachlässigung dieser Patientenlast hängen die Rechtsfolgen ab. So können unvollständige Auskünfte eine Behandlung gänzlich verhindern oder eine Schädigung des Patienten durch falsche, unzureichende oder verspätet einsetzende medizinische Maßnahmen verursachen. Missachtet der Patient bewusst oder wiederholt die Informationslast, obgleich Erkrankung und Alter ein normgemäßes Handeln zulassen, ist der Mediziner zu einem Behandlungsabbruch gemäß § 627 Abs. 2 Satz 1 BGB berechtigt. Bei einem medizinischen Notfall muss die Erstversorgung jedoch im Rahmen des Möglichen geleistet werden. Haftet der Mediziner für einen groben Diagnose- oder Behandlungsfehler, greift auf prozessualer Ebene gegebenenfalls die Beweislastumkehr zugunsten des Patienten nicht; zudem kann materiell-rechtlich ein mitwirkendes Patientenverschulden gemäß § 254 BGB eingewandt werden. Die Abgrenzung der rechtlich verlangten von der außerrechtlich erwarteten Patiententeilhabe rechtfertigt die Einbeziehung der Gebote des eigenen Interesses in die Betrachtungen. Versteht man darunter primär den Patienten schützende Verhaltensanregungen, fallen darunter sämtliche Informationen, auch wenn sie für den Mediziner erkennbar oder ermittelbar sind. Da der Patient letztlich für sich und sein physisches sowie psychisches Befinden allein ver___________ 416

Ebenfalls von einer Mitwirkungslast ausgehend KG Berlin MedR 1999, 226, 227.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

117

antwortlich bleibt, erscheint eine Beteiligung in diesem umfassenden Sinne ratsam. Der (Zahn)Arzt kann dann nämlich unverzüglich die nötigen und geeigneten medizinischen Versorgungsschritte einleiten.

b) Mitteilungsumfang während einzelner Behandlungsstadien Um eine genauere Vorstellung vom Inhalt der Patientenpflichten und -lasten vermitteln zu können, sollen diese nunmehr für die Phase der Anamnese, Diagnostik und Therapie unter Heranziehung forensisch beurteilter Fälle ausgefüllt werden. Allerdings ist die Rechtsprechung in diesem Bereich durchaus rar, was angesichts des Übergewichtes der Lasten und der damit verbundenen Rechtsfolgen nicht erstaunt. Nur wenn ein (zahn)ärztlicher Behandlungsfehler auf einer unterbliebenen Mitteilung des Patienten beruht oder dadurch befördert wurde, findet eventuell eine Auseinandersetzung vor Gericht statt, wobei meist auch der Einwand des Mitverschuldens erhoben wird. Bricht der (Zahn)Arzt die medizinische Versorgung berechtigt oder unberechtigt ab, dürfte normalerweise kein Bedürfnis für eine gerichtliche Klärung bestehen, weil die Behandlungsbeziehung durch das zerrüttete Vertrauensverhältnis ohnehin nicht fortsetzbar wäre und deshalb rein pragmatisch ein (Zahn)Arztwechsel erfolgt.

aa) Patientenlasten während der Anamnese Der aus dem Griechischen stammende Terminus Anamnese bedeutet in wörtlicher Übersetzung Erinnerung und meint im Behandlungsverlauf speziell die des Patienten an vormalige Erkrankungen und Ereignisse. In heutzutage übliche Anamneseerhebungen fließen Art, Beginn und Verlauf der aktuellen Beschwerden und ihre potentiellen Einflussfaktoren wie familiäre Krankheitshäufungen, bestimmte Lebensgewohnheiten, Vorerkrankungen, frühere Operationen und sonstige Besonderheiten wie Medikamentenunverträglichkeiten oder Allergieneigungen ein. Denn diese Daten sind unverzichtbarer Bestandteil einer korrekten Diagnostik und Voraussetzung für eine erfolgversprechende Therapie. Ermittelt werden sie im (Zahn)Arzt-Patienten-Gespräch417, wobei der Pa-

___________ 417

Trotz essentieller Bedeutung des (Zahn)Arzt-Patienten-Gespräches für eine solide vertrauensvolle Beziehung als auch eine wirksame medizinische Behandlung ist dieser neuralgische Punkt nicht Teil der medizinischen Ausbildung und daher vielfach Gegenstand von Leitfäden für (Zahn)Ärzte, vgl. hierzu nur Geisler, Arzt und Patient – Begegnung im Gespräch; Gordon/ Edwards, Patientenkonferenz; Haferlach, Das ArztPatienten-Gespräch; Reimer, Ärztliche Gesprächsführung.

118

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

tient zielgerichtet befragt und die Relevanz der Fakten für die klinische Beurteilung aufgezeigt wird. Schon die Dimension der anamnestisch zu eruierenden Tatsachen, die zu großen Teilen nur der Patient kennt, verdeutlicht, wie gewichtig dessen Auskunftsbereitschaft ist. Obwohl der Behandlungsbedürftige regelmäßig die Rolle des medizinischen Laien einnimmt, verfügt er im Anamnesestadium über einen informativen Wissensvorsprung, der über medizinische Kenntnisse und berufliche Erfahrungen eines (Zahn)Arztes nicht auszugleichen ist. Deshalb bestehen in dieser frühen Behandlungsphase weitreichende Patientenlasten. Will der Patient einem Rechtsnachteil entgehen, muss er sich seinem behandelnden (Zahn)Arzt vollends anvertrauen und teils intime Angaben machen. Der Mediziner seinerseits hat eine Beachtung dieser Mitteilungslasten zu ermöglichen und befördern, indem er auf die Wesentlichkeit der Tatsachen hinweist und geeignete Fragen stellt418. Ob den Patienten konkret eine Auskunfts- oder Aufklärungslast trifft, hängt wiederum vom Maß der Pflichtenstellung des Mediziners ab. So kann eine Aufklärungslast nicht angenommen werden, wenn eigens der (Zahn)Arzt zur Befragung des Patienten angehalten ist419. Dies gilt für alle der Eigen-, Medikamenten- sowie Sozialanamnese unterfallenden Informationen, die in Ergänzung der Befunderhebungen typischerweise Gegenstand (zahn)ärztlicher Erkundigungen sind. Denn nur eine gründliche Anamnese kann vor unliebsamen Überraschungen während einer Behandlung schützen. Weil die standardisierte Patientenbefragung aktuelle und vormalige Erkrankungen oder Operationen und die regelmäßige Einnahme bestimmter Medikamente einschließt, mithin sich der (Zahn)Arzt danach präzise und verständlich erkundigen muss420, hat der Patient bei der Behandlung einer unfallbedingten Fußverletzung nicht von sich aus über den Unfallhergang421 oder darüber aufzuklären, dass früher eine Thrombose auftrat und er deshalb jetzt einen Stützstrumpf trägt422. Die Aufklä___________ 418

Ähnlich Schellenberger, VersR 2005, S. 1620 und Bappert, S. 84. A.A. Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 80 Rn. 1, deren Prämisse aber schon im Grundsatz auf einer Pflichtenstellung des Patienten liegt und sich daher auch bei der Offenbarung von Informationen fortsetzt. 420 So Conti, S. 124 f., im Hinblick auf die Medikamentenanamnese. 421 Das OLG München VersR 1992, 1266, hat das Verschweigen eines traumatischen Geschehens trotz Nachfrage des Arztes, der eine Beinvenenthrombose unter anderem deshalb verkannte, über ein Mitverschulden von ¼ sanktioniert. 422 Entnommen OLG Köln AHR A II/ 1 a, 158/9, 14, nach dessen Ansicht es Sache des Arztes sei, den Patienten nach Vorerkrankungen zu befragen, vor allem auch nach Thrombosen, wenn sich nach dem Krankheitsgeschehen der Verdacht aufdränge, es könne sich eine solche entwickeln. Dem Patienten sei es nicht vorwerfbar, wenn er eine bereits durchlittene Thrombose nicht von sich aus für erwähnenswert halte. 419

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

119

rungspflicht erfasst auch nicht den Hinweis auf einen unvollständigen Impfschutz, die Einnahme von Blutverdünnungsmittel423, das Bestehen einer chronischen Herzkrankheit424 oder eine nicht ungewöhnliche Unverträglichkeit wie die Überempfindlichkeit auf Penizillin425. Auf entsprechende Fragen des (Zahn)Arztes obliegt dem Patienten jedoch, vollständig und gewissenhaft zu antworten, bzw. wenn er deren Sinn nicht verstanden hat, dies zu artikulieren. Sind bestimmte Umstände nicht offensichtlich oder stellen einen atypischen Sonderfall dar, erstreckt sich die Anamnese darauf gewöhnlich nicht. So muss sich der Mediziner nicht nach einem zurückliegenden Auslandsaufenthalt erkundigen, sofern das Beschwerdebild nicht zweifelsfrei einer sogenannten Tropenkrankheit zuzuordnen ist426, oder nach einer Alkoholabhängigkeit427, einer Veranlagung zur Kapselbildung428 und einer überaus seltenen Blutgerinnungsstörung429 fragen und die Implantation eines mit Kochsalz gefüllten Silikonballs in den Magen zwecks Gewichtsreduktion bei einem stark übergewichtigen Patienten mit Bauchschmerzen in seine Überlegungen einbeziehen430. In diesen Konstellationen kommt die Aufklärungslast zum Zuge, weil diese Daten für die diagnostische Abklärung und therapeutische Versorgung bedeutsam sind. Begründen aber gewisse Anhaltspunkte einen diesbezüglichen Verdacht, ist wiederum der Mediziner verpflichtet, diesen Fakten durch Anfrage beim Patienten nachzugehen431. ___________ 423 Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 80 Rn. 1, gehen die in diesem Zusammenhang wohl sogar von einer Aufklärungspflicht aus. 424 Wie Fn. 423. Anders liegt der Fall indes, wenn eine werdende Mutter den Geburtshelfer über Komplikationen bei vorangegangenen Geburten nicht informiert (OLG Dresden (20.09.2001 - 4 U 1598/95), n.v.) oder der Patient eine bekannte Herzerkrankung im Anamneseborgen präoperativ nicht angibt (OLG Koblenz GesR 2006, 519 f.). 425 Wie hier LG Köln MDR 1962, 899 f., für eine tödlich endende, allergische Überempfindlichkeit nach Einspritzung eines Pyramidon-Derivats. 426 Dafür OLG Bamberg AHR A II/ 1 b, 81 ff., das dem Hausarzt, der wegen der Symptomähnlichkeit einer Malaria- und Grippeerkrankung fälschlicherweise letztere diagnostizierte, die fehlende Erkundigung nach einem Auslandsaufenthalt des Patienten nicht vorwarf, selbst wenn er von dessen Tätigkeit als Co-Pilot gewusst haben sollte. 427 Vgl. OLG Koblenz MedR 1998, 421 f. und die dort geschilderte Eigenschädigung des alkoholabhängigen, wegen einer Fraktur des rechten Außenknöchels stationär behandelten Patienten im Delirium. 428 Vgl. das obiter dictum des OLG Köln VersR 1998, 1510. 429 Siehe dazu den geschilderten Fall von Kohlhaas, DMW 1970, S. 1896 f. 430 OLG Köln NJW-RR 1992, 986, rechnete dem Patienten ein Mitverschulden in Höhe von 2/5 an, da er weder die verabredeten Kontrolluntersuchungen eingehalten noch bei der Krankenhausaufnahme auf die Ballonimplantation hingewiesen hatte. 431 In dem vom OLG Koblenz (Fn. 427) zu beurteilenden Fall hatte der Arzt beim Einsetzen eines vermuteten Deliriums den Patienten nach einem regelmäßigen Alkohol-

120

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

bb) Patientenpflichten und -lasten im Zuge von Behandlungsmaßnahmen Die medizinische Versorgung im Krankheitsfall oder zur Feststellung von Gesundheitsrisiken lässt sich regelmäßig in Diagnose-, Untersuchungs- und Therapiemaßnahmen aufgliedern. Welche Patientenpflichten oder -lasten in dieser inhomogenen Phase bestehen, ist Gegenstand der folgenden Ausführungen. Leidet der Patient an einer ihm bekannten, äußerlich nicht erkennbaren Infektionskrankheit, trifft den Patienten zumindest ab Behandlungsbeginn die Pflicht, seinen (Zahn)Arzt darüber zu informieren, so er nicht schon anamnestisch dazu befragt wurde. Denn im Moment der Behandlungsaufnahme setzen sich der Mediziner, seine Hilfskräfte und indirekt auch andere Behandlungsbedürftige der möglichen Ansteckungsgefahr aus. Das Ergreifen zusätzlicher Sicherungsvorkehrungen wie die Isolation des Patienten während der Wartezeit, das Tragen von Handschuhen bei Untersuchungen und Eingriffen, die gründliche antiseptische Sterilisation verwendeter Instrumentarien sowie die besondere Achtsamkeit beim Kontakt mit Patientenseren erfordert den unaufgeforderten Hinweis auf die Krankheit. Das medizinische Personal riskiert nämlich bei jeder Blutentnahme, Wundversorgung oder Operation eine Selbstverletzung und damit die eigene Infizierung, deren Wahrscheinlichkeit proportional zur Nichtanwendung des hygienischen Höchstmasses steigt. Diese Patientenpflicht greift neben der viel diskutierten HIV-Infektion und HepatitisErkrankung für vergleichbar schwere, übertragbare Krankheiten432. Auch in der Behandlungsphase gibt es reaktive Auskunfts- und aktive Aufklärungslasten mit ähnlichen Differenzierungskriterien, wie sie für die Anamneseerhebung herausgearbeitet wurden. Somit sichert die Auskunftslast, dass der (Zahn)Arzt alle medizinisch bedeutsamen, ohne Patientenangaben nicht zugänglichen Informationen erhält. Sie gebietet dem Patienten, auf Fragen etwa nach einer bestehenden Schwangerschaft vor einer Röntgenuntersuchung oder einer tatsächlichen Befolgung (zahn)ärztlicher Anordnungen sachlich korrekt und umfassend zu reagieren. ___________ konsum gefragt, was dieser verneinte. Implizit auch OLG Bamberg (Fn. 426), sodass sich der Hausarzt, wenn ihm die längeren Frachtflugeinsätze des Patienten in Afrika bekannt gewesen wären, nach dem letzten Afrikaaufenthalt und einer Malariaprävention durch Einnahme von Resochin-Tabletten hätte erkundigen müssen. 432 Ebenso Schlund, AIFO 1986, S. 564; Eberbach, AIFO 1987, S. 281, 286; ders., MedR 1987, S. 267, 271; ders., ZRP 1987, S. 395, 398; ders., NJW 1987, S. 1470, 1472; Heberer/ Mößbauer, MedR 2004, S. 138, 138 f; Conti, S. 123 sowie GroßfußBürk, S. 99.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

121

Die Aufklärungslast erfordert die spontane Bekanntgabe aller Fakten oder Kontraindikationen, die für das medizinische Vorgehen relevant sind. Dies setzt allerdings voraus, dass sich diese Bedeutsamkeit dem Patienten als medizinischen Laien geradezu aufdrängt. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn der Patient trotz gegenteiliger Aufforderung zur Blutentnahme nicht nüchtern erscheint, vor der geplanten Operation wegen einer Erkältung eigenständig Medikamente einnimmt oder der Hausarzt trotz fach(zahn)ärztlicher Behandlung zwischenzeitlich Penizillin injiziert hat. Hingegen kann vom Patienten nicht erwartet werden, dass er auf starke Kopfschmerzen nach einer Spinalanästhesie hinweist, wenn er über dieses Risiko nicht belehrt wurde433, dass bei einer Unterkühlungsbehandlung auf der Wachstation einer chirurgischen Universitätsklinik infolge eines narkotischen Zwischenfalles, der zu einer dauernden Hirnleistungsminderung der Patientin geführt hat, erneut über die bereits präoperativ bekannt gegebene Kälteallergie informiert wird434, dass der zuvor an den Geburtshelfer gerichtete Hinweis hinsichtlich einer Hypersensibilität auf ein bei Entbindungen häufig appliziertes Anästhetikum während des Geburtsvorganges wiederholt wird435, dass gegen die Verwendung eines anderen als den sonst eingesetzten Bestrahlungstubus protestiert436 oder ein langjährig zurückliegender Drogenabusus mit Hepatitiserkrankung im Zuge der Auswertung eines HIV-Tests wegen einer Schwangerschaft mitgeteilt wird437.

4. Mitwirkung an der Behandlungskonkretisierung Normalerweise stehen mit Abschluss des Behandlungsvertrages als zunächst offenes, auf den Erhalt der Gesundheit oder eine Heilung gerichtetes Schuldverhältnis die einzelnen, vom (Zahn)Arzt zu erbringenden Leistungen noch nicht fest. Diese sind vielmehr vom Beginn bis zum Abschluss einer medizinischen Versorgung stetig zu konkretisieren. Denn von den Beschwerden des Patienten hängt ab, welche Befunde zu erheben sind; die nosologische Zuordnung der Erkrankung gibt das Therapiekonzept vor. Wegen der Vielzahl an Behand___________ 433 Im Fall des OLG Stuttgart VersR 1995, 1353 ff., hatte der Patient sogar die Krankenschwestern über sein Leiden informiert, die allerdings auf alsbaldige, spontane Besserung vertrösteten. 434 Vgl. BGH VersR 1974, 804, 808. 435 Siehe Falldarstellung bei Roesch, ZfV 1981, S. 476, 478 f. 436 Laut BGH VersR 1958, 512, 513, durfte sich der Patient darauf verlassen, dass diese Besonderheit bei der Gestaltung der Behandlung beachtet werde. 437 Nach Auffassung des OLG Nürnberg AHR A II/ 1 b, 212/1, 4, darf die Patientin auf die Bestätigung oder Widerlegung der Erkrankung durch die angeordnete Untersuchung vertrauen.

122

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

lungsvarianten sind dabei jeweils Weichenstellungen für eine der alternativ in Betracht kommenden Vorgehensweisen erforderlich. Obwohl die Therapiefreiheit des (Zahn)Arztes prinzipiell anerkannt ist, gilt sie nicht grenzenlos und vor allem nicht unbeschränkt. Das Selbstbestimmungsrecht verlangt nämlich die Beteiligung des Patienten. Entdeckt etwa der behandelnde Zahnarzt bei einer Kontrolluntersuchung eine nicht zweifelsfrei deutbare Auffälligkeit, die sich längerfristig als Karies herausstellen könnte, und rät zur röntgenologischen Abklärung oder dem Abwarten des nächsten Termins, obliegt die Entscheidung dem Patienten. Interessant ist, dass eine solche Verantwortungsübernahme in der Realität häufig nicht gewünscht wird: So gaben in einer Befragung unter Hypertonikern438 78 % an, der Arzt solle die Entscheidung über die durchzuführende Behandlung treffen, in 47 % der Fälle „using all that’s known about the medicine“ und lediglich 31 % begehrten „but strongly consider patient’s opinion“ 439. Bei einer anderen Studie440 stellten 68 % der Befragten auf den Konsens einer gemeinsamen Beratung, 21,4 % auf die ärztliche Initiative und 10,5 % auf den eigenen Entschluss ab. Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob die Mitbestimmung diametral zur Befugnis rechtlich verlangt wird. Da der Patient regelmäßig ein medizinischer Laie ist, kann er an dem Entscheidungsprozess nur dann verantwortlich mitwirken, wenn er vorab in die Lage versetzt wurde, die einschlägigen Behandlungsvorschläge nachzuvollziehen. Diese Beurteilungsgrundlage schafft die Patientenaufklärung durch die Vermittlung dessen, was die Diagnose erbracht hat und daher nun zu untersuchen oder behandeln ist, welche Zukunftsprognose und Gefahren die Erkrankung einerseits und die Therapie zum anderen bieten und wie der Vorschlag des (Zahn)Arztes lautet. Meist endet das Aufklärungsgespräch mit der Festlegung eines Behandlungsplans. Inwieweit der Patient seine Aufklärung befördern und das weitere (zahn)ärztliche Vorgehen auswählen muss441, soll nachfolgend untersucht werden. ___________ 438

Personen, deren Blutdruck chronisch erhöht ist, vgl. Duden, Stichwort: Hyperto-

niker. 439

Strull/ Lo/ Charles, JAMA 1984, S. 2990 ff. Mazur/ Hickam, JGIM 1997, S. 114 ff. 441 Erst infolge der Verständigung über mögliche Behandlungsmaßnahmen ist der Mediziner zu einer bestimmten Leistungserbringung verpflichtet, wozu es noch einer Einwilligung des Patienten bedarf. Also stellt die Behandlungskonkretisierung eine Vorstufe für die Einwilligungserteilung dar, was praktisch oft zusammenfällt. Ebenso Röver, S. 62: „Die rechtsgeschäftliche Behandlungsentscheidung des Patienten konkretisiert die Behandlungspflicht des Arztes, wohingegen die Einwilligung den Eingriff gestattet.“ 440

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

123

a) Mitwirkung bei der Aufklärung Die Aufklärung gemäß dem Informationsbedürfnis und -wunsch eines Patienten zählt zum Aufgabenbereich des (Zahn)Arztes442, sodass für eine Patientenpflicht oder -last scheinbar kein Raum verbleibt. Dennoch versuchte die Rechtsprechung frühzeitig, den Behandelten im Rahmen seiner Möglichkeiten zur Beteiligung und Mitverantwortlichkeit am (Zahn)Arzt-Patienten-Gespräch aufzurufen: „Dem Arzt kann nicht die ganze Last des Arzt-Patienten-Verhältnisses auferlegt werden. Es bedarf vielmehr der Mitwirkung des Patienten – nicht nur der in passiver Haltung erteilten bloßen Einwilligung in ärztlicherseits gebotene Behandlungsvorschläge. Verlangt werden muss soweit möglich, der auch von Seiten des Patienten mitverantwortlich geführte Dialog ...“.443 Anders stellt sich aber die Lebenswirklichkeit dar, wo der (Zahn)Arzt vielmals alle medizinischen Fakten in einer für Patienten unverständlichen Weise aneinander reiht und sie wegen des eigenen Zeitdrucks nicht wirklich Einfluss nehmen lässt444. Damit kann der Aufklärungspflicht, die einige Mediziner fortwährend als lästige, vom Recht diktierte Formalie ansehen, nicht genügt werden. Erforderlich ist ein echter Dialog. Ob und welche Gesprächsbereitschaft dem Patienten diesbezüglich rechtlich geboten ist, hängt von der Interessenlage ab. Zum einen setzt die Erforschung des nötigen Aufklärungsmaßes durch den (Zahn)Arzt gewisse Rückfragen beim Patienten voraus, andererseits kann eine unzureichende Aufklärung leicht auf einem Patientenfehlverhalten beruhen. So verkennt der Mediziner das Aufklärungsbedürfnis, wenn der Patient durch seine selbstsichere, aktive Beteiligung den falschen Eindruck hervorruft, dass ihm die medizinische Seite des Sachverhaltes nicht unvertraut und das Eingriffsrisiko bekannt oder gleichgültig sei445 oder er das verordnete Medikament zu gebrauchen verstehe446. Fühlt sich der Patient unzureichend informiert und fragt trotz Wissenslücken nicht nach, ist dem Aufklärungswunsch nicht genügt447. ___________ 442 Bappert, AuP 1980, S. 155, 157; Weißauer/ Opderbecke, MedR 1992, S. 307, 312; Geiß/ Greiner, A 100; Göben, S. 71 f. sowie Katzenmeier, S. 372 f. 443 Vgl. etwa die Grundsatzentscheidung des BVerfG NJW 1979, 1925, 1930 ff. Ähnlich Weißauer/ Opderbecke, MedR 1992, S. 307, 312; Laufs, SaarlÄBl 1998, S. 17, 20 und kürzlich Giebel/ Wienke/ Sauerborn/ Edelmann/ Menningen/ Dievenich, NJW 2001, S. 863, 867 sowie Katzenmeier, S. 58, 372 f. 444 Laufs, NJW 1998, S. 1750, 1756. 445 Vgl. BGH MDR 1976, 304. 446 OLG Düsseldorf AHRS II 1400/111. 447 In dieser Weise BGH NJW 1973, 556, 557 f.; 1976, 363, 364; 2002, 227 und OLG Brandenburg MedR 1998, 470, 471.

124

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

Sofern der Patient seinen Informationsbedarf und/ oder -wunsch verschleiert, scheitert die Erfüllung der Aufklärungspflicht gerade an ihm. Unter diesen Umständen wäre eine (Zahn)Arzthaftung wegen der Aufklärungspflichtverletzung unbillig, weswegen die Patientenmitarbeit vertraglich abgesichert ist. Das gilt nicht, soweit der Mediziner seiner Pflicht ohne Unterstützung durch den Patienten vollends erfüllen kann. Fraglich ist, in welcher Weise sich der Patient an der eigenen Aufklärung zu beteiligen hat. Für die Zuordnung zur Pflicht oder Last muss primär das Selbstbestimmungsrecht beachtet werden, womit der Patient den Rahmen der Behandlung absteckt. Angesichts dieser Dispositionsbefugnis darf er sich der Gewissheit über seinen Gesundheitszustand und den Heilungschancen vollends oder partiell verschließen. Da der (Zahn)Arzt nicht befugt ist, die Aufklärung gegen den Willen des Patienten auszuführen, und erst recht keinen Anspruch auf die entsprechende Mitwirkung hat, scheidet eine Pflicht aus448. Allerdings verlangt eine Teilhabelast vom Patienten, dass er gestellte Fragen wahrheitsgemäß und umfassend beantwortet, den Wunsch nach einer gesteigerten Aufklärung klarstellt und sich sonst adäquat verhält, also beim Mediziner keinen unzutreffenden Eindruck über den Informationsbedarf erzeugt449. Je nach Bildungsstand und Erfahrungsschatz können Erkundigungen erwartet werden, außer sie erfordern ein medizinisches Sonderwissen oder lassen sich nicht einfach schlussfolgern. Fehlt aus Patientensicht jeglicher Anhaltspunkt für einen bestimmten Risikokomplex, ist eine unterbliebene Nachfrage nicht vorwerfbar450. Von einem persönlichen Wissensvorsprung gegenüber einem Facharzt für Chirurgie kann auch bei einer Tierärztin mit Verdacht auf eine eventuelle Sehnenverletzung nicht ausgegangen werden451. Aus dieser Einschränkung folgt die allgemein restriktive Handhabung einer Patientenmitwirkung im Zuge der Auf-

___________ 448 A.A. Conti, S. 125 f., der Fragepflichten annimmt, wenn der Patient über die Basisaufklärung hinausgehende Informationen wünscht. 449 Ebenso OLG Köln VersR 1989, 707 f.; OLG Saarbrücken VersR 1994, 1427, 1428; Bappert, AuP 1980, S. 155, 157; dies., S. 84; Geiß/ Greiner, A 99 f. und Hanika, MedR 1999, S. 149, 159. Ähnlich BGH MDR 1976, 304 und Weißauer/ Opderbecke, MedR 1992, S. 307, 312. Speziell zur Hinweislast eines ausländischen Patienten in Bezug auf das fehlende Sprachverständnis für die Aufklärung, vgl. OLG München VersR 1979, 848 f.; OLG Karlsruhe MedR 2003, 104, 105 sowie Muschener, S. 93 f. 450 Vgl. dazu OLG Stuttgart VersR 1987, 515, 518, wo es um eine verwirklichte Rückenmarksschädigung infolge der Operation einer Aortenisthmusstenose ging. 451 OLG Stuttgart VersR 2002, 1563.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

125

klärung452. Nach der hier vertretenen Ansicht verbleibt für die Last gleichwohl der aufgezeigte Anwendungsbereich453. Missachtet der Patient die vertraglich normierte Teilhabelast und resultiert einzig daraus die unzureichende Aufklärung, ist ihm die Berufung auf eine (Zahn)Arzthaftung unter dem Billigkeitsaspekt des venire contra factum proprium abgeschnitten454. Legt der Patient selbst den Grundstein für die Aufklärungspflichtverletzung, kann sie ihm andererseits nicht wieder zum Vorteil gereichen.

b) Festlegung des (zahn)ärztlichen Vorgehens Durch das Selbstbestimmungsrecht ist allein der Patient berechtigt und infolge seiner Aufklärung meist erst befähigt, künftige Behandlungsschritte festzulegen455. Diese Befugnis sagt aber nichts über eine korrespondierende Pflicht oder Last. Eine solche ergäbe sich aus dem Behandlungsvertrag, falls die beiderseitigen Interessen eine solche Patientenentscheidung erfordern. Wählt der Patient keine Vorgehensweise, können weitere Diagnose- oder Therapiemaßnahmen nicht ergriffen werden. Dem (Zahn)Arzt würde allenfalls seine Verdienstmöglichkeit genommen, nicht hingegen die Erfüllung obligater Pflichten erschwert oder verhindert. Denn die (zahn)ärztliche Pflicht zur sach- und fachgerechten Behandlung wird ähnlich wie bei einer verweigerten Einwilligung beschränkt456, wenn dem Patienten ein aus medizinischer Sicht vernünftiger Umgang mit der Körperintegrität eindringlich aufgezeigt wurde457. Mangels schutzwürdigen Interesses des Mediziners an der Festlegung eines Therapiekonzeptes statuiert der Behandlungsvertrag keine derartige Patientenpflicht oder -last. Freilich erwartet der (Zahn)Arzt infolge seiner Konsultation, dass ___________ 452 So etwa BGH VersR 1976, 293, 294; 1979, 720, 721; NJW 1997, 1635 f.; OLG Stuttgart VersR 1987, 515, 516; OLG Düsseldorf VersR 2000, 1019, 1021. 453 Dafür auch Laufs, RPG 1997, S. 3, 11: „Obliegenheiten sind dem Medizinrecht keineswegs fremd. Wir kennen die Patienten- und Probandenobliegenheiten bei den klinischen Studien. Sie bestehen und sind zu entfalten auch im Zusammenhang mit der Selbstbestimmungsaufklärung.“ Ähnlich auch Ohly, S. 378. 454 Im Ergebnis ebenso Martis/ Winkhart, S. 674. 455 Indes darf eine kontraindizierte Behandlung trotz eines nachhaltigen Wunsches des Patienten nicht vorgenommen werden, vgl. dazu OLG Düsseldorf VersR 2002, 611, 612 und OLG Karlsruhe MedR 2003, 104, 106. 456 In diesem Sinne wohl auch OLG Düsseldorf VersR 2004, 515, 516. 457 Ähnlich Deutsch/ Spickhoff, Rn. 581. Erhöhte Anforderungen an die (zahn)ärztliche Aufklärungspflicht zur Überwindung eines entgegenstehenden Patientenwillens stellen BGH VersR 1954, 89; Weißauer, Mtlg. LVA OMF 1981, S. 486, 487; Deutsch, NJW 1982, S. 2585, 2586 sowie Kern/ Laufs, S. 127.

126

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

sich der Patient für das weitere Vorgehen entscheidet. Hierbei handelt es sich aber lediglich um ein außerrechtliches Gebot des eigenen Interesses. Mit einem Erst-Recht-Schluss hat der Patient nicht auf die Erforderlichkeit weiterer oder anderer Untersuchungen hinzuweisen. Deshalb ist eine Schwangere, die sich aufgrund ihrer anamnestischen Vorgeschichte einer engmaschigen Missbildungsdiagnostik in einem Krankenhaus unterzogen hatte und deren behandelnder Gynäkologin daraufhin eine Wiederholung nach 14 Tagen empfohlen wurde, nicht gehalten, nach Ablauf dieser Zeit auf eine erneute Überweisung zu bestehen458. Eine schwangere Patientin muss auch nicht den Befund erfragen, um die gesetzliche Frist für einen Schwangerschaftsabbruch aus embryopathischer Indikation einzuhalten; vor allem wenn ihr ein Ergebnis bereits mitgeteilt wurde und sie nicht wusste, dass während der Amniozentese zwei Untersuchungen durchgeführt werden459. Von einem Patienten mit einer länger anhaltenden Weichteilschwellung im Bereich der Schläfe, die, wie sich später herausstellt, durch einen Tumor verursacht wird, ist ebenso wenig das Anraten einer kernspintomographischen Untersuchung zu erwarten460. Denn neben der fachgerechten Behandlung gehört eine Beratung des Patienten über die Notwendigkeit bestimmter Maßnahmen sowie die Wiederholung eines Tests zum (zahn)ärztlichen Aufgabenbereich461. Einen Beitrag dazu vermag der Patient mangels eigener Sachkunde nicht zu leisten. Obgleich der Patient an der Behandlungskonkretisierung aus rechtlicher Sicht nicht mitwirken muss, kann ihm ein Aufpassen und Mitdenken durchaus nützen462, weshalb es sich um ein außerrechtliches Gebot des eigenen Interesses handelt.

5. Duldung medizinisch indizierter Behandlungsmaßnahmen Von der Duldung vital gebotener Behandlungen im Sinne einer (zahn)ärztlichen Heilgewalt ohne oder gegen den Patientenwillen ist die öffentlich-rechtliche Zwangsbehandlung aus Gründen des Gemeinschaftsschutzes abzugrenzen463. Traurige Brisanz erreichte die medizinische Eingriffsduldung erstmals während der Zeit des Nationalsozialismus mit seiner autoritär und kollektivis___________ 458 BGH VersR 1997, 449 f.; für die vorsorgliche Durchführung der Amniozentese OLG Zweibrücken MedR 2000, 233, 235. 459 OLG Saarbrücken ZfL 2005, 20 ff. 460 OLG Stuttgart VersR 2000, 1545 ff. 461 So auch BGH AHR A II/ 4, 316/ 23, 26; BGH AHRS I 1400/ 15; OLG Braunschweig VersR 1998, 459, 460 und KG Berlin GesR 2005, 251, 252. 462 Bappert, AuP 1980, S. 155, 157. 463 Näheres zur Zwangsbehandlung im 3. Teil dieser Arbeit.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

127

tisch ausgerichteten Gesundheitspolitik, die eine veränderte Rechtsstellung der (Zahn)Ärzte und des Patienten bedingte464. Unter Aufhebung des freien Verfügungsrechts über den eigenen Körper, der im Zuge der Entindividualisierung dem Verantwortungsbereich des Staates einverleibt und daher als Eigentum des Volkes angesehen wurde, war die Durchführung übergeordneter, (zahn)ärztlicher Zwangsmaßnahmen möglich. Dennoch setzte nicht unmittelbar nach 1945 der zu erwartende Pendelausschlag in Richtung einer dominierenden Anerkennung des personalen Eigenwertes ein465. Mittlerweile ist aber einhellige Ansicht, dass die Rechtsordnung ein privat(zahn)ärztliches Behandlungsrecht gegen einen ausdrücklichen oder gemutmaßten Patientenwillen unabhängig von der medizinischen Indikation sowie der Motivation für die Behandlungsablehnung nicht kennt466. Trotzdem erklärte das Präsidium des Deutschen Ärztetages 1974 diese Prämisse im Zusammenhang mit der Diskussion um die Zwangsernährung von Häftlingen, vermutlich wegen der historischen Erfahrungen, zum berufsethischen Grundsatz: „Das Präsidium des Deutschen Ärztetages bekennt sich unverändert zu der Aufgabe des Arztes, das menschliche Leben mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu erhalten und zu retten. Diese Verpflichtung des Arztes muss dort ihre Grenze finden, wo ein eindeutiger, auf freier Willensbildung beruhender Entschluß des einzelnen Menschen vorliegt, die ärztliche Behandlung abzulehnen und sich ihr sogar zu widersetzen. Kein Arzt darf zu einer derartigen Zwangsbehandlung verpflichtet werden.“467

Demnach bestimmt nicht die Indikation, sondern der Wille des Patienten die Reichweite einer medizinischen Behandlung. Entscheidet sich der Patient bei klarem Bewusstsein und in Kenntnis der Konsequenzen gegen eine bestimmte Untersuchung oder einen Eingriff, hat der (Zahn)Arzt dies zu akzeptieren. Einem bekennenden Zeugen Jehovas468, der eine letztendlich lebensrettende Blut___________ 464

Vgl. Göbbels, S. 13: „Noch knapp vor der nationalsozialistischen Ära wäre im Gegenteil die etwaige Behauptung einer allgemeinen Duldungspflicht, oder darüber hinaus gar eines Duldungszwanges gegenüber ärztlichen Eingriffen vielleicht als absurd belächelt, sicher aber eine Diskussion darüber bei der damaligen Einstellung, wenn nicht als unmöglich, so doch zumindest als praktisch wertlos abgelehnt worden.“ 465 Beispielhaft Goldbach, UChir 1951, S. 129 ff. sowie Hübner,UChir 1951, S. 134 ff. Anders hingegen die aus dem Jahre 1950 stammende, auf das Patientenselbstbestimmungsrecht abstellende Untersuchung von Göbbels, Die Duldung ärztlicher Eingriffe als Pflicht. 466 Statt vieler nur BVerfGE 52, 131, 178; Bender, MedR 1999, S. 260, 261; Göbbels, S. 12 f.; Uhlenbruck/ Laufs in: Laufs/ Uhlenbruck, § 52 Rn. 9 und § 58 Rn. 6; Deutsch/ Spickhoff, Rn. 581. 467 Nachzulesen bei Jachertz, DÄBl 1974, S. 3659, 3661. 468 In Anbetracht ihres Glaubens lehnen sie jegliche Blutübertragung ab, was entweder ausdrücklich vertraglich festgeschrieben oder für den Fall der Bewusstlosigkeit über

128

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

transfusion verweigert, darf also nicht einfach Blut appliziert werden469; die Einleitung einer indizierten Chemotherapie ist ohne Einwilligung des Krebspatienten nicht durchführbar und eine mit Zustimmung entnommene Blutprobe kann nicht auch für einen heimlichen HIV-Test genutzt werden. Da selbst eine vital gebotene Medizinalversorgung erst über eine Einwilligung des Patienten gerechtfertigt wird, verlagert sich das Problem der Patiententeilhabe auf diesen Aspekt. Eine Duldungspflicht oder -last besteht jedenfalls nicht. Hingegen müssen Eltern eine medizinische Versorgung ihres einwilligungsunfähigen Kindes dulden, wenn das Kindeswohl durch die elterliche Behandlungsablehnung unmittelbar beeinträchtigt oder gefährdet scheint. Lehnen Eltern als Zeugen Jehovas eine lebensrettende Blutübertragung ab470, verabreichen ihrem Kind als Anhänger der natürlichen Heilung nicht die verordneten zytostatischen Medikamente oder verweigern als Gegner der Chirurgie die gebotene Operation trotz entzündeten Blinddarms, missbrauchen sie das Personensorgerecht. Dies ist den Eltern eingeräumt, um das Kind schützen und seine Interessen fördern zu können, nicht jedoch zur Durchsetzung eines eigenen Selbstverständnisses. In solchen Fällen kann die Behandlungszustimmung der Eltern in einem familiengerichtlichen Verfahren nach § 1666 Abs. 1, 3 BGB ersetzt werden, sodass sie Untersuchungs- und Eingriffsmaßnahmen beim Kind entgegen ihrem Willen hinzunehmen haben. Ermöglicht die Eilbedürftigkeit des medizinisch gebotenen Handelns keine Einschaltung des Vormundschaftsgerichtes, darf der erklärte elterliche Willen dennoch ignoriert werden, was entweder über § 1666 BGB471 oder unter Notstandsaspekten472 gerechtfertigt ist. ___________ das Mitführen einer antizipierten Behandlungsanweisung erklärt wird und wie folgt lautet: „Ich, ..., erkläre hiermit mein limitiertes Einverständnis, als Patient nach den Regeln der ärztlichen Kunst versorgt zu werden. Die Limitierung ergibt sich aus den von mir im voraus verfügten folgenden Anweisungen, die auf meiner unumstößlichen Entscheidung beruhen. Ich ordne an, dass mir keine Bluttransfusionen (von Vollblut, roten Blutkörperchen, weißen Blutkörperchen, Blutplättchen oder Blutplasma) gegeben werden. Diese Verfügung gilt unter allen Umständen, selbst wenn Ärzte zur Erhaltung meines Lebens oder Gesundheit die Gabe von Blut für erforderlich halten sollten. Mit blutfreien Plasmaexpandern (wie Dextran, Kochsalzlösungen, Ringer-Laktat-Lösung oder Hydroxyäthylstärke) und anderen blutfreien Behandlungsmethoden bin ich einverstanden.“ 469 A.A. Weißauer, MedR 1987, S. 273, 274; ders. in: Häring, S. 134, 141, der dem Mediziner die Vornahme einer Bluttransfusion zur Rettung des Patienten erlaubt und zugleich eine Informationspflicht gegenüber dem Patienten ablehnt. Die darin liegende Manipulation der Krankengeschichte scheint m.E. mit § 14 TFG (vom 01.07.1998, BGBl I 1998, S. 1752 f.), wodurch der Arzt zur Dokumentation einer Bluttransfusion verpflichtet ist, nicht vereinbar. 470 Diesbezüglich lesenswert ist der Aufsatz von Bender, MedR 1999, S. 260 ff. 471 So Deutsch/ Spickhoff, Rn. 582. 472 In dieser Weise Rehborn, S. 81; Hampel in: Heim, S. 59, 61.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

129

Obwohl es dabei um eine familienrechtliche Duldungspflicht zulasten der Eltern geht, sollte an dieser Stelle kurz darauf hingewiesen werden.

6. Kooperation bei der Behandlungsdurchführung Lässt sich der Patient auf eine Behandlung ein, erfordert ihre Durchführung in den allermeisten Fällen seine Beteiligung. Nicht selten scheitert sie eigens an den Patienten mit ihren höchst verschiedenen Eigenschaften, Ängsten, Sitten und Vorstellungen. Inwieweit dem Patienten die Mitwirkung rechtlich geboten ist, ergibt sich wiederum aus einer zweistufigen Interessenermittlung und -gewichtung. Denn einerseits ist die Patiententeilhabe nur dann Bestandteil des Behandlungsvertrages, wenn der Mediziner ein schützenswertes Interesse daran hat, und andererseits bestimmen die Belange beider Seiten die Zuordnung zur Pflicht oder Last. Wegen der Weitläufigkeit der Fallgruppe erscheint eine weitere Untergliederung unabdingbar. Dabei ist neben der Schaffung unentbehrlicher Behandlungsvoraussetzungen auch die Aktivteilhabe des Patienten in Form der Medikamenteneinnahme, einer Beachtung des Beipackzettels, der Einhaltung von Konsultationen zur Kontrolle oder Weiterbehandlung und der Befolgung medizinischer Verhaltensanweisungen zu berücksichtigen.

a) Schaffung der Behandlungsvoraussetzungen Vorab der Umsetzung medizinischer Maßnahmen sind ihre unabdingbaren Voraussetzungen zu schaffen, die sowohl rechtlicher als auch faktischer Art sein können. Dazu zählt zunächst die Erteilung der Einwilligung durch den Patienten, weil jeder invasive Eingriff trotz Heilungsabsicht ansonsten rechtswidrig ist. Bei einer ambulant anberaumten Operation unter Vollnarkose müssen ferner die Ergebnisse der Voruntersuchungen wie ein EKG und die Laborwerte beigebracht werden.

aa) Rechtliche Vorbedingung: Einwilligung Auch infolge einer indizierten und lege artis ausgeführten Heilbehandlung kann der (Zahn)Arzt straf- und/ oder zivilrechtlich belangt werden, sofern weder der Patient noch sein gesetzlicher Vertreter der Vornahme zugestimmt hat oder sie gegen einen ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen umgesetzt wur-

130

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

de473. Der Vollzug von Diagnose- oder Therapiemaßnahmen im Einklang mit der Rechtsordnung setzt somit eine Einwilligung des Patienten474 voraus, womit er auf einen absoluten Integritätsschutz verzichtet. Daher handelt es sich bei der Einwilligungserteilung um eine rechtliche Vorbedingung für die Behandlungsdurchführung475. Unklar ist aber, ob der Patient die Einwilligung erteilen muss und welche Bindungswirkung von einer bereits erteilten Einwilligung ausgeht.

(1) Erteilung einer Einwilligung Üblicherweise trifft der Patient mit der Gestattung einer medizinischen Maßnahme eine rationale, rein sachbezogene Entscheidung. Die dazu erforderliche Urteils- und Einsichtsfähigkeit erzeugt die Aufklärung im Verlauf der Behandlung, sodass eine vorzeitige Bindung des Patienten etwa ab Konsultation des (Zahn)Arztes ausscheiden muss. Zu diesem Zeitpunkt steht weder die Erkrankung noch das notwendige diagnostische oder therapeutische Vorgehen fest. Ohne diese Fakten kann der Patient einem Behandlungsgeschehen jedoch nicht verantwortlich zustimmen oder es ablehnen. Der Patient könnte aber rechtlich insofern beschwert sein, als er seine Einwilligung zu jeder während einer laufenden Behandlung anstehenden Medizinalmaßnahme zu erteilen hat. Falls redliche Parteien diesen Rechtssatz in ihre Vertragsgestaltung einbeziehen würden, wäre davon auszugehen. Dies setzt ein schützenswertes Interesse des Mediziners an einer derartigen Patiententeilhabe voraus. Lehnt der Patient einen Behandlungsschritt ab, obwohl ihm seine Dringlichkeit und die Konsequenzen unmissverständlich aufgezeigt wurden476, ___________ 473 Je nach dogmatischem Begründungsansatz für das Erfordernis einer Einwilligung wird im medizinischen Eingriff eine objektive Körperverletzung gesehen (vgl. st. Rspr. seit RGSt 25, 375, 380 und BGHZ 29, 46, 49; BGH JZ 1985, 236, 237; OLG Düsseldorf VersR 1989, 191) oder auf die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts abgestellt (dafür Laufs, NJW 1974, S. 2025, 2029; Honsell, ZSchwR 1990, S. 135, 146 und Eberhardt, S. 54). 474 Überwiegend wird die Einwilligung als Willensäußerung oder -bestätigung verstanden, vgl. statt vieler BGHZ 29, 33; 34, 355, 359 ff.; 67, 48, 50 f.; Deutsch/ Spickhoff, Rn. 564; Luig in: Gitter/ Huhn/ Siegbert/ Luig/ Reich/ Tempel/ Weyers, S. 223, 234; Schenke, S. 23 ff. A.A. Zitelmann, AcP 99, S. 1, 48, 53; Kohte, AcP 185, S. 105, 122, 156; Dunz, S. 33; Mayer, S. 26 ff., 41 ff.; Schöllhammer, S. 41 ff., die eine echte Willenserklärung annehmen. 475 Im Ansatz ebenso Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 78 Rn. 9. 476 Vgl. dazu BGH VersR 1954, 89. Hinsichtlich der Anforderungen an die (zahn)ärztliche Pflicht unterschiedlich weitgehend Tempel, NJW 1980, S. 609, 614; Weißauer,

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

131

ist der (Zahn)Arzt zur Durchführung dieses unerwünschten Eingriffes nicht befugt und deshalb nicht verpflichtet477. Zumindest in diesem Punkt dirigiert eine Einwilligung das Ausmaß der Medizinerpflichten. Dem (Zahn)Arzt droht daher im Fall einer verweigerten Behandlungszustimmung ebenso wenig eine Pflichtverletzung wie bei einem unterbliebenen Hinweis des Patienten auf eine bekannte Medikamentenunverträglichkeit. Andererseits erscheint die Behandlungsfortsetzung nicht ineffizient, falls sich der Patient im Übrigen kooperativ zeigt. Letztlich kann dem (Zahn)Arzt die Einwilligungserteilung gleichgültig sein, sofern man ein etwaiges Verdienstinteresse unbeachtet lässt. Das (zahn)ärztliche Gewinnstreben begründet aber kein berechtigtes Interesse. Mithin enthält der Behandlungsvertrag keine Patientenpflicht oder -last zur Einwilligungserteilung478. Dies folgt auch aus dem Recht des Patienten zum jederzeitigen Behandlungsabbruch nach § 627 Abs. 1 BGB, sodass ihm auch die Verweigerung eines Teilausschnitts der Behandlung möglich sein muss479. Allerdings ist die Zustimmungserteilung außerrechtlich geboten, weil die (zahn)ärztlich vorgeschlagene Vorgehensweise trotz ihrer Risiken nützlich sein wird und der Mediziner mit diesem rationalen Verhalten rechnet. Auch die Eltern sind vertraglich nicht verpflichtet, die medizinische Versorgung ihres einwilligungsunfähigen Kindes zu erlauben480. Als gesetzliche Vertreter üben sie das Selbstbestimmungsrecht aus, solange es dem Kindeswohl entspricht. Treffen die Eltern aber eine überwiegend als unvernünftig angesehene Behandlungsentscheidung, indem sie eine vital gebotene Bluttransfusion oder eine Routineoperation infolge sektierischer Haltung ablehnen481 oder eine rituelle Beschneidung unter unsterilen Bedingungen im häuslichen Bereich ___________ Mtlg. LVA OMF 1981, S. 486, 487; Deutsch, NJW 1982, S. 2585, 2586 und Kern/ Laufs, S. 127. 477 Ebenso OLG Düsseldorf VersR 1997, 1402 f.; Schimanski, SozVers 1977, S. 314, 317 und Hager in: Staudinger, § 823 I 41. Ähnlich Sadegh-Zadeh, S. 343, der über eine Wertelogik die Unvereinbarkeit einer Gesundheitsmaximierung durch den (Zahn)Arzt mit dem Axiom der Persönlichkeitsrespektierung herausstellt und der zweiten Grundannahme den Vorrang zuerkennt. 478 In dieser Weise Rieger, Lexikon des Arztrechts, Rn. 81; Röver, S. 43, Fn. 108. Schwer nachvollziehbar und in sich widersprüchlich erscheinen die Ausführungen von Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 78 Rn. 8 f. und § 79 Rn. 1. 479 Daher wird auch vom „Recht zur Unvernunft“ oder der „Freiheit zur Krankheit“ gesprochen, so etwa BVerfG NJW 1998, 1774; BGHZ 90, 103, 105 f.; Tempel, NJW 1980, S. 609, 614 und Giesen, JZ 1987, S. 282, 286. 480 Die Rechtstellung der Eltern und ihres behandlungsbedürftigen, minderjährigen Kindes im Verhältnis zum (Zahn)Arzt folgt aus der Art und den Vertragsparteien des Kontraktsverhältnisses, vgl. dazu in Kurzform Fn. 70 des hiesigen Kapitels. 481 Vgl. BayObLG NJW 1976, 2017 f.; OLG Celle NJW 1995, 792 und LG Meschede NJW 1997, 2962.

132

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

vornehmen lassen482, missbrauchen sie das Personensorgerecht. Dann ist das Familienrecht heranzuziehen, das zwar keine Pflicht im Verhältnis zum (Zahn)Arzt begründet, aber die vertragliche Statuierung einer Zustimmungspflicht überflüssig macht483.

(2) Widerruf der Einwilligung Stimmt der Patient zunächst einem invasiven Eingriff zu und schätzt später die Heilungschancen oder Risiken anders ein, kommt es auf die Widerrufbarkeit einer erteilten Einwilligung an. Fraglich ist somit, ob sich der Patient von der Einwilligung jederzeit lösen kann oder aber daran gebunden ist. Ausgehend von folgender Passage soll dies kurz erörtert werden. „Hat der Patient jedoch einmal in das gemeinsam besprochene Behandlungsprogramm eingewilligt, kann die Verweigerung der Duldung eine schuldhafte Vertragsverletzung darstellen; der Arzt behält unter diesen Umständen seinen Anspruch auf das Honorar.“484

Diese Aussage impliziert eine von der Einwilligung ausgehende Bindungswirkung zulasten des Patienten, was indes abzulehnen ist. Neben dem Selbstbestimmungsrecht bedingt die Behandlungsbeziehung als wechselseitiges Vertrauensverhältnis, sich jederzeit von einer Behandlung insgesamt oder hinsichtlich einzelner Maßnahmen lossagen zu können. Das Kündigungsrecht iSd § 627 Abs. 1 BGB wird demnach durch die Widerruflichkeit einer Einwilligung ergänzt. Mitunter wird vertreten, dass eine Einwilligung bis zum Eingriffsbeginn frei widerruflich sein soll485. Unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Motive für das Kündigungsrecht aus § 626 BGB und der Wirkung einer Einwilligungsrücknahme ist der Widerruf allerdings über diesen Zeitpunkt hinaus, also auch während der Behandlung zulässig486. Der Gesetzgeber hat mit dem jederzeitigen Kündigungsrecht die Nachrangigkeit des Behandlungsvollzugs zum Ausdruck gebracht487, sodass ein Patient auf das Geschäftsinteresse des (Zahn)Arztes keine Rücksicht nehmen muss. Da ein Widerruf die Einwilligung nur ex nunc beseitigt, werden vorab ausgeführte Versorgungs___________ 482

Dazu jüngst LG Frankenthal MedR 2005, 243 ff. Vgl. die weitgehend parallelen Ausführungen in diesem Kapitel unter V. 5. 484 So Conti, S. 129 und fast identisch Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 78 Rn. 9. 485 Dafür Rehborn, S. 256 und Hager in: Staudinger, § 823 I 110. 486 Im Ergebnis ebenso Forkel, JZ 1974, S. 593, 595; Canaris, AcP 184, S. 201, 233 f.; Anm. Wertenbruch, MedR 1992, S. 349 sowie Schöllhammer, S. 58. 487 Vgl. dazu Wertenbruch, MedR 1994, S. 394, 397. 483

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

133

schritte nicht nachträglich rechtswidrig und somit die Interessen des (Zahn)Arztes nicht tangiert. Aufgrund dieser Interessenlage ist eine zeitlich unbefristete Rücknahme der Behandlungszustimmung möglich und der Patient nicht an die bereits erteilte Einwilligung gebunden. Aus der eventuell leichten Wandelbarkeit einer Willensentscheidung je nach Stimmung des Patienten oder Beeinflussung durch Familie, Freunde und Medien ergibt sich nichts Gegenteiliges, denn in dieser Situation greift gleichsam das Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Der Patient ist daher auch nach der einmal erteilten Einwilligung keinesfalls gehalten, eine medizinische Maßnahme gegen seinen Willen über sich ergehen zu lassen488. Möglicherweise folgt aus einem anderen Ansatzpunkt dennoch eine vertraglich abgesicherte Patiententeilhabe. So wird der (Zahn)Arzt bei einem geplanten Eingriff häufig bestimmte Vorbereitungen treffen und eine Behandlungszeit freihalten müssen. Wegen dieser Dispositionen ist der (Zahn)Arzt schutzwürdig, sodass ihn der Patient bei einem zwischenzeitlichen Sinneswandel zu benachrichtigen hat489. Da eine solche Mitteilung keine sonderliche Mühe bereitet und dem (Zahn)Arzt eine anderweitige Ausnutzung der Geräte und seiner Zeit gestattet, ist der Behandlungsvertrag in diesem Sinne auszulegen. Demnach ist der Patient verpflichtet, seinen (Zahn)Arzt unverzüglich zu informieren, wenn er einen geplanten Eingriff abzulehnen gedenkt. Auf diese Weise widerruft der Patient zugleich eine bereits erteilte Einwilligung. Versäumt er das, greift der Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB, falls seine Voraussetzungen, vor allem die schuldhaft verzögerte Bekanntgabe der Willensänderung gegeben und zu beweisen sind490. ___________ 488 Im Ergebnis ebenso Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 78 Rn. 2, 5, 8 und § 79 Rn. 1: Nach deren Meinung treffe den Patienten eine vertragliche Duldungspflicht in Form der passiven Mitwirkung, die wiederum durch das Selbstbestimmungsrecht begrenzt sei, sodass eine unerwünschte Behandlung jederzeit verweigert werden könne, wobei je nach Einzelfallumständen eine schuldhafte Vertragsverletzung vorläge. Kritisch anzumerken ist, dass weder die Art und Weise der Ableitung einer Duldungspflicht aus dem Behandlungsvertrag noch eine Gründe für die Annahme einer Rechtspflicht offengelegt werden. Zudem erscheint der Ansatz widersprüchlich, denn obwohl den Patienten unerwünschte Eingriffe gerade nicht hinzunehmen hat, soll in der irrational motivierten, aber selbstbestimmten Ablehnung eine Vertragsverletzung liegen. 489 So wird zum Beispiel der Patient im Bereich der Organtransplantation während seiner Wartezeit auf ein Spenderorgan in angemessenen Zeitabständen befragt, ob er an der erteilten Einwilligung festhalten will. Die Aufnahme in die Warteliste hängt nämlich von der Zustimmung des Patienten auf der Grundlage der Aufklärung über die Risiken und Erfolgsaussichten einer Transplantation sowie ihre längerfristigen medizinischen, sozialen und psychischen Auswirkungen, insbesondere der Notwendigkeit einer lebenslangen Einnahme von Immunsuppressiva und regelmäßigen Kontrolluntersuchungen ab. 490 Dahin tendierend auch Röver, S. 61 f.

134

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

bb) Faktische Voraussetzungen Mitunter erfordert eine medizinische Maßnahme schon in ihrem Vorfeld die Beteiligung des Patienten. Sollen beispielsweise in einer ambulanten Operation die Schraubenverbindungen zur Fixierung eines mittlerweile ausgeheilten Beinbruchs entfernt, Krampfadern gezogen oder Weisheitszähne extrahiert werden, führt der Chirurg nötige Voruntersuchungen wie ein Ruhe-EKG und die Blutanalyse normalerweise nicht selbst durch491. Vielmehr schickt er den Patienten diesbezüglich zum Hausarzt. Werden die Untersuchungsresultate nicht vorgelegt, scheitert daran die Operation. Selbiges gilt für eine unmittelbare Nahrungsaufnahme vor dem geplanten Eingriff. Das Bereiten der faktischen Grundlage für eine Behandlung durch den Patienten wird regelmäßig bloß bei komplexeren Eingriffen erforderlich sein, die wiederum eine Planung des (Zahn)Arztes erfordern. Aus rechtlicher Sicht bedarf es wegen dieser (zahn)ärztlichen Dispositionen einer Mitwirkung des Patienten, wobei aber nicht auf die Herbeiführung der Behandlungsvoraussetzungen abzustellen ist. Mit Blick auf das Selbstbestimmungsrecht muss sich ein Patient notwendigen Voruntersuchungen nicht stellen und ermittelte Untersuchungsergebnisse oder andere Unterlagen nicht beibringen. Allerdings ist der behandelnde (Zahn)Arzt zum Schutz des Dispositionsinteresses darüber zu unterrichten, wenn der beabsichtigte Eingriff deshalb hinfällig wird. Will oder kann der Patient den Weg für eine besprochene, meist auch terminierte Behandlung nicht bereiten, hat er dies unverzüglich kundzutun492. Dabei handelt es sich um eine Informationspflicht, deren schuldhafte Verletzung den Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB eröffnet.

b) Aktivmitarbeit während der Behandlung Die moderne Medizin ist in vielfältiger Weise auf eine Mitarbeit des Patienten bei Diagnose- und Therapiemaßnahmen angewiesen. Sie kann in einfachen Handgriffen wie der Abgabe einer Urin- oder Stuhlprobe, dem tiefen Ein- und Ausatmen beim Abhorchen, dem Mitbringen früherer Röntgenaufnahmen oder einem postoperativen Reinigen des Auges liegen. Mit dem täglichen Anziehen eines die Narbenkontraktion verhindernden Kompressionsanzuges nach schwe___________ 491

Vgl. dazu den Fall des OLG Koblenz GesR 2006, 519 f. So wurde dem Chirurgen für eine 2 ½stündig terminierte Operation, zu der ein Patient ohne die erforderlichen Unterlagen und Voruntersuchungsergebnisse erschien, Schadensersatz aus pVV in Höhe von 500,00 DM zugebilligt, vgl. AG München NJW 1994, 3014 f. 492

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

135

ren Verbrennungen, der Bestimmung des Gerinnungsparameters per Thromboplastinzeit493, wenn wegen einer Embolie oder eines Herzklappenersatzes Blutverdünnungsmittel eingenommen werden, der Blutzuckermessung und Insulininjektion infolge von Diabetes mellitus494 und der im häuslichen Bereich durchgeführten Hämodialyse495 vollzieht der Patient die Behandlung quasi selbst. Vor allem chronische Krankheiten zwingen den Patienten zu einem häufig langwierigen Lernprozess im Umgang mit den neuen Gegebenheiten. So sind für die Beherrschung eines Diabetes das Einhalten der Medikation und eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten erforderlich. Bei der portalen Hypertension496 muss vorzugsweise weiche Kost gegessen und auf Alkohol verzichtet werden. Auch in der Kieferorthopädie ist ohne das regelmäßige Tragen der Zahnspange und dem Weiterdrehen der Schrauben an aktiven Platten gemäß den zahnärztlichen Anweisungen ein Behandlungserfolg undenkbar497. Selbstverständlich erstreckt sich der Patientenbeitrag bloß auf bewusst steuerbare Verhaltensweisen und nicht Reflexe oder Instinktreaktionen. In der Zahnmedizin gilt deshalb das plötzliche Wegdrehen des Kopfes bei einer Injektion, eine Aspiration bei der Wurzelbehandlung oder die Schluck- und Zungenbewegung nicht als unterbliebene Mitwirkung498, wohl aber eine schlechte, unregelmäßige Mundhygiene499. Da ein sauberer Zahn laut zahnmedizinischem Lehrsatz nicht kariös wird, mahnen Zahnärzte gelegentlich zu einer intensiveren Zahnpflege500. Dazu sind sie aber nicht verpflichtet, da jedermann wisse, dass und wie man Zähne putzt501.

___________ 493 Bestimmung der zeitlichen Blutgerinnungsdauer per Synthese mittels eines sogenannten Quick-Wertes. 494 Erkrankung der Inselzellen der Bauchspeicheldrüse mit der Folge einer mangelhaften Kohlenhydratverwertung, die sich im erhöhten Blutzuckergehalt äußert, vgl. Pschyrembel, Stichwort: Diabetes mellitus. 495 Darunter ist ein Verfahren zur Ausschaltung der im Stoffwechsel anfallenden Schlacksubstanzen und Fremdstoffe bei akuter oder chronischer Niereninsuffizienz zu verstehen, vgl. Rieger, Lexikon des Arztrechts, Rn. 755. Findet die Dialyse zu Hause statt, führen sämtliche, in einer zentralen Dialysestation vom Pflegepersonal wahrgenommenen Aufgaben der Patient und sein Partner aus. 496 Pfortaderstauung durch Krampfadern in der Speiseröhre. 497 Vgl. zu den Einzelheiten Oexmann/ Georg, Rn. 408, 537 und OLG Karlsruhe AHRS I 2697/2. 498 Günther, Rn. 506. 499 Dazu OG Appenzell-Ausserrhoden SJZ 1981, 372 f.; LG Berlin (24.01.1991 - 20 O 357/89), n.v. und jüngst OLG Düsseldorf MedR 2007, 433 ff. Ferner Oexmann/ Georg, Rn. 166, 408. 500 Vgl. LG Berlin (24.01.1991 - 20 U 357/89), n.v. 501 So LG Duisburg MedR 2007, 434 f.

136

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

Die angeführten Beispiele verdeutlichen, wie mannigfaltig die Patientenaktivität bei der Behandlung ausfallen kann. Obwohl je nach Krankheitsbild und anstehender Therapie ein unterschiedlicher Beitrag des Patienten nötig ist, wird eine davon abstrahierte juristische Betrachtung angestrebt. Lediglich die Einnahme verordneter Medikamente, das Einhalten von Kontrollkonsultationen und das Beachten (zahn)ärztlicher Anordnungen werden gesondert betrachtet. Zwar gelten auch hierfür die allgemeinen Erwägungen, jedoch sind solche Patientenbeiträge bei nahezu allen Erkrankungen zu leisten und deshalb besonders bedeutsam.

aa) Allgemeine Erwägungen Aus unterschiedlichsten Gründen sperren sich Patienten gegenüber der eigentlich unabdingbaren Verantwortungsübernahme ihrerseits. Insbesondere bei eigenständig geführten Therapien unter einer bloß sporadischen medizinischen Kontrolle fehlt es nicht selten an der Patientenmitwirkung502, was die durchaus vorteilhaften Effekte der aktiven Einbeziehung eines Patienten in seine Behandlung konterkariert. Denn wissenschaftliche Studien belegen, dass ein Patient bei eigener Aktivität das Krankheitsgeschehen als weniger einschneidend empfindet und schneller genest503. Gerade die Praxis dürfte an der rechtlichen Klärung der Patiententeilhabe interessiert sein, zumal eine solche Pflicht bzw. Last zugleich unerwünschte Sekundärerscheinungen eindämmen würde. So kann eine unterlassene Medikamenteneinnahme beispielsweise zu einer verzögerten Genesung oder dem Auftreten von Rezidiven führen und infolgedessen eine volkswirtschaftliche Schädigung durch eine verlängerte Krankheitsdauer mit zusätzlichen Behandlungskosten und anfallenden Arbeitsausfallszeiten verursachen und darüber hinaus einen Fehlschluss bei klinischen Erhebungen über Nebenwirkungen, Gegenanzeigen und Kontraindikationen bestimmter Arzneimittel auslösen. ___________ 502 So beschränkt sich der ärztliche Beitrag bei Heimdialyse- und Diabetespatienten auf die Instruktion und Überwachung der gefahrlosen und ordnungsgemäßen Therapiedurchführung sowie ihres Verlaufes, vgl. dazu Rieger, NJW 1979, S. 582, 585 f.; Göben, S. 54 sowie Kamps, S. 172. 503 Dafür beispielhaft die Studie von Dr. Kavanaugh der Medizinischen Universität Wisconsin, die eine Gruppe von Kindern mit schweren Verbrennungen, die eine normale pflegerische Versorgung erhielten, mit einer Einheit, deren Mitglieder die Verbände selbst zu wechseln lernten, verglich und herausfand, dass diejenigen Kinder, die sich aktiv beteiligten, weniger Medikamente benötigten und bei ihnen seltener Komplikationen auftraten – entnommen Siegel, S. 80. Vgl. zudem die paradigmatisch untermauerten Ausführungen bei Seger, SDSRV Bd. 42, S. 35, 41.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

137

Größtenteils kann das erstrebte Behandlungsergebnis nicht durch einen Alleingang des (Zahn)Arztes erreicht werden, was auch dem Patienten bewusst ist. Somit gehen beide Seiten stillschweigend von einer Patientenmitarbeit im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren aus. Hierbei dürfte es sich normalerweise nur um eine rudimentäre Parteiübereinkunft handeln, die über die §§ 133; 157; 242 BGB auszulegen ist. Denn in dem frühen Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist die Behandlungsrichtung meist nicht absehbar und daher auch der Patientenbeitrag noch nicht zu konkretisieren. Nachfolgend soll es hauptsächlich um den Verbindlichkeitsgrad dieses Teilhabeerfordernisses gehen, woraus sodann die Rechtsfolgen im Fall einer Missachtung des rechtlichen Verhaltensgebotes oder -verbotes abzuleiten sind. Eine Pflicht setzt einen Komplementäranspruch voraus, aufgrund dessen der Gegenpart das rechtlich normierte Handeln einzufordern berechtigt ist. Der Mediziner vermag aber die Aktivbeteiligung eines Patienten nicht zu beanspruchen, denn gemäß dem Selbstbestimmungsrecht verfügt allein der Patient über seine Körperintegrität und bestimmt folglich auch den eigenen Behandlungsbeitrag. Der Patient muss sich eben nicht auf die Behandlung einlassen oder kooperativ zeigen504. Umständehalber gebietet aber eine Last die aktive Patientenmitarbeit, was von der rechtlichen Schutzbedürftigkeit des (Zahn)Arztes in Abwägung mit den Patientenbelangen abhängt. Während es dem Patienten um eine möglichst weitreichende Entscheidungs- und Handlungsautonomie geht, will der (Zahn)Arzt seine Kapazitäten nicht für eine Behandlung verschwenden, die mangels Kooperationsbereitschaft des Patienten absehbar scheitern wird. Auch in diesem Fall besteht aber der Honoraranspruch des (Zahn)Arztes, da er an die Dienstleistungserbringung und eben nicht den Eintritt des Heilungserfolges anknüpft. Gleichwohl ist dem (Zahn)Arzt eine sanktionslose Beendigung des Behandlungsverhältnisses zuzugestehen. Aus der gegenseitigen Interessenlage folgt daher eine Beteiligungslast505, die dem Patienten eine freie Entscheidung ___________ 504 Ebenso auch Schellenberger, VersR 2005, S. 1620, 1621. A.A. Conti, S. 133 f.; Jung, S. 161 und Luig in: Gitter/ Huhn/ Siegbert/ Luig/ Reich/ Tempel/ Weyers, S. 223, 235, die von einer vertraglichen Nebenpflicht ausgehen. Uhlenbruck in: Laufs/ Uhlenbruck (2. Aufl.), § 78 Rn. 6, nimmt sogar eine Hauptpflicht an, wenn der Patient die Therapie selbst durchführt und seine Mitwirkung daher notwendiger Teil des Therapiekonzepts ist – in der 3. Auflage sprechen Uhlenbruck/ Kern hingegen nur noch von einer gesteigerten Form der Compliance. 505 Im Sinne einer Mitwirkungsobliegenheit an den (zahn)ärztlichen Heilungsbemühungen ebenso OLG Köln VersR 1998, 1510; Deutsch, VersR 1983, S. 993, 996; Deutsch/ Spickhoff, Rn. 348; Katzenmeier, MedR 1998, S. 167; ders., Arzthaftung, S. 372; Giesen, Rn. 48, 141; Geiß/ Greiner, A 98. Wie hier auch Keller, SozVers 1999, S. 281, 283, 285.

138

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

für oder gegen seine Mitwirkung zur Wahrung und Wiedererlangung der Gesundheit belässt. So kann eine Aktivbeteiligung nicht gefordert werden, ihre Vernachlässigung jedoch mit einem Rechtsnachteil zum Schutz der legitimen Medizinerbelange verbunden sein. Hinsichtlich der Rechtsfolgen ist zu beachten, dass sich ein (Zahn)Arzt dann nicht auf die Missachtung der Beteiligungslast berufen kann, wenn er selbst seine Pflicht zur Sicherungsaufklärung verletzt hat. Ein medizinischer Laie, in dessen Rolle sich der Patient überwiegend befindet, kennt nämlich die notwendigen Mitwirkungserfordernisse nicht von sich aus und vermag ihre Bedeutung nicht einzuschätzen. Aus diesem Grund muss der (Zahn)Arzt die konkrete Unterstützung aufzeigen, deren Wichtigkeit erläutern und zur Verantwortungsübernahme animieren506. So kann dem Patienten, der über einen bestehenden Knochenbruch nicht unterrichtet wurde und daher von einer Distorsion des Sprunggelenkes ausging, die unterbliebene Ruhigstellung des Fußes entgegen ärztlichen Rates nicht vorgeworfen werden507. Ebenso hat ein Patient die Folgen einer zu langen Infrarot-Bestrahlung, die in einer Kabine eigenständig vorzunehmen ist, nicht zu verantworten, wenn er in Funktionsweise und Handhabung des Bestrahlungsgerätes nicht hinreichend eingewiesen wurde508. Hat ein Patient die vorgesehene Nachuntersuchung nicht abgewartet und das Krankenhaus verlassen, ohne über die Folgen seiner Handlungsweisen belehrt worden zu sein, ist der (Zahn)Arzt sogar verpflichtet, ihn erneut zu bestellen und über die Erforderlichkeit und Dringlichkeit gebotener Therapiemaßnahmen aufzuklären509. Auch wenn der Patient durch seinen (Zahn)Arzt ausreichend aufgeklärt und kontinuierlich angeleitet wurde, dennoch aber nicht mitwirkt, bedingt dies nicht automatisch einen Rechtsnachteil. Teilweise ist das Hinzutreten weiterer, sogenannter qualifizierter Voraussetzungen erforderlich. Der Behandlungsabbruch seitens des Mediziners gemäß § 627 Abs. 2 Satz 2 BGB verlangt nämlich einen wichtigen Grund. Ein wichtiger Grund ist jedenfalls bei einer bewusst verweigerten Teilhabe des Patienten oder der wiederholten Nichtbeachtung (zahn)ärztlicher Anweisungen trotz mehrfacher anders lautender Aufforderungen anzunehmen. Dann ist dem (Zahn)Arzt eine fortgesetzte Behandlung, die ledig___________ 506

Statt vieler BGH VersR 1997, 449, 450; LG Memmingen VersR 1981, 585; Conti, S. 89; Giesen, Rn. 141; Katzenmeier, S. 326 f.; Weißauer in: Lang/ Arnold, S. 113, 115. Anders speziell für die Mundhygiene LG Duisburg MedR 2007, 434, 435, da jedermann wisse, dass und wie man Zähne putzen sollte. 507 OLG Frankfurt AHRS II 1400/100. 508 OLG Karlsruhe MDR 2003, 1233. 509 BGH VersR 1991, 308, 309 f.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

139

lich in Zusammenarbeit mit dem Patienten erfolgreich verlaufen könnte, nicht zumutbar510. Darüber hinaus ist denkbar, dass der Patient infolge seines Fehlverhaltens einen Gesundheitsschaden erleidet. Nimmt der Patient das verordnete Medikament nicht ein und versäumt auch der Arzt eine Krankenhauseinweisung, liegt nebenbei ein Behandlungsfehler vor. Der Patient hat die Folgen dann insofern zu tragen, als die (Zahn)Arzthaftung durch sein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB ganz entfällt oder in Höhe des Verursachungsanteils herabgesetzt wird. Mithin trägt der Patient die Konsequenzen aus der Missachtung der Sorgfalt, die ein ordentlicher, verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt511. Schlägt eine objektiv fehlerhafte Behandlung allein deshalb fehl, weil der Patient in einer ihm bekannten Weise nicht mitwirkt, haftet der (Zahn)Arzt überhaupt nicht. Ansonsten sind die gesundheitlichen Schäden nach ihren Verursachungsanteilen abzugrenzen. In prozessualer Hinsicht droht die Wiederherstellung der originären Beweislastverteilung, wenn die Nachlässigkeit des Patienten mit einem annähernd gleichgewichtigen, groben Behandlungsfehler kumuliert. Dies bedeutet, dass eine Beweislastumkehr zulasten des (Zahn)Arztes nicht eintritt und der Patient die Kausalität des Behandlungsfehlers für den Körperschaden substantiiert vorzutragen und zu beweisen hat. Davon ist etwa auszugehen, wenn der Patient die Klinik gegen ärztlichen Rat verlässt512, trotz dringlicher Belehrung ein Krankenhaus nicht aufsucht513 oder Pflegeanweisungen missachtet514. Lesenswert sind insoweit die Ausführungen des Kammergerichts Berlin515 zu einer unterbliebenen Patientenmitwirkung trotz mehrfacher, ärztlicher und pflegerischer Anweisungen: „So hat er z.B. nach den Eintragungen (in den Tageskurven der Behandlungsunterlagen) den Arm bzw. Hand nur selten hochgelagert, war trotz eingehender Unterweisung oft außerhalb seines Zimmers unterwegs, hat die Schiene nicht kontinuierlich getragen, hat das Hochhängen des Arms verweigert, hat sich die Schiene selbst ent-

___________ 510

So http://www.br-omline.de/umwelt-gesundheit/thema/patientenrecht/pflicht.xml: „Ein Behandlungsabbruch ist möglich, wenn der Patient jegliche Mitwirkung verweigert. Wenn zum Beispiel ein Patient mit einer chronischen Krankheit sich weigert, abzunehmen oder mehr Sport zu treiben, dann muss der Arzt die Medikamente nicht unbedingt weiter verschreiben.“ 511 Regelmäßig wird so das Verschulden iSd § 254 BGB definiert: RGZ 100, 42, 44; BGHZ 9, 316, 319; 74, 25, 28; Lange, § 10 IX 1 a; Kuckuk in: Erman, § 254 Rn. 20; Mertens in: Soergel, § 254 Rn. 2, 23 sowie Oetker in: MüKo, § 254 Rn. 30. Kritisch dazu Looschelders, S. 190 f. 512 Vgl. BGH MDR 1982, 132. 513 Vgl. OLG Braunschweig VersR 1998, 459. 514 Vgl. KG Berlin OLGR 2006, 12, 13. 515 Urteil vom 30.04.1990 – 20 U 1833/89 (AHR A II/ 1 c, 74/1, 4).

140

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

fernt und hat den Arm nicht hochgehängt. Ferner war er trotz Bettruheanordnung wiederholt unterwegs, ging spazieren, lief auf der Station herum und war auch zeitweilig aus der Sicht des Behandlungspersonals verschwunden. ... Hat demnach ein Patient aber selbst durch klare und dauernde Mißachtung ärztlicher Weisungen grob gegen ... die Behandlung verstoßen und einen groben Behandlungsfehler sich selbst gegenüber schuldhaft begangen, der allgemein geeignet ist – ebenso wie der dem Arzt zur Last fallende – einen Schaden der eingetretenen Art zu verursachen, so entfällt die oben dargelegte Beweislastumkehr, weil sich die gegenseitigen Fehler – einerseits ein grober Behandlungsfehler des Arztes und andererseits in bezug auf den Behandlungszweck ein etwa gleichwertiges Fehlverhalten des Patienten durch Mißachtung ärztlicher oder pflegerischer Anordnungen – gleichsam neutralisieren und es weder geboten noch billig wäre, den Arzt in einem solchen Fall als beweisbelastet anzusehen. Das aber führt wieder zu der grundsätzlichen Beweislastverteilung, bei der der Patient um Erfolg (mit seiner Klage) zu haben, beweisen muß, daß der Behandlungsfehler ursächlich für die eingetretenen Folgen geworden ist.“

bb) Verordnung von Medikamenten Einen beträchtlichen Teil der medizinischen Behandlung füllt die medikamentöse Therapie aus, deren Effektivität mit einem adäquaten Einnahmeverhalten kongruiert und zusätzlich von der Beachtung der Packungsbeilage abhängen kann. Im Folgenden geht es um die Existenz dementsprechender, vertraglicher Patientenpflichten oder -lasten.

(1) Medikamenteneinnahme Schon aus der Medizingeschichte ist das Problem der unzuverlässigen Einnahme verordneter Arzneimittel durch den Patienten nicht unbekannt516. Entweder wird eine Therapie vollständig abgebrochen, eine vorübergehende Auszeit als „drug holiday“ genommen, unter- bzw. überdosierte Mengen verabreicht oder das Medikament nicht zeitgerecht geschluckt517, ohne dass die Folgen bedacht sind. So kann die Nichteinnahme von Immunsupressiva zu einer ___________ 516 Vgl. nur die Allgemeinen-Spital-Gesetze des Senkenbergischen Instituts zu Frankfurt am Mayn von 1770: „Jeder soll seyne vom Spital-Medico verordneten Arzeneyen zu gehöriger Zeit und Ordnung wohl gebrauchen und sich unterstehen, etwas von Arzeneyen wegzuschütten, oder heimlich zu verstecken.“ (zitiert nach Medical Tribune Nr. 13 vom 28.03.1980, S. 14). 517 Um dem vorzubeugen, sollten vor einem Arzneimitteleinsatz stets die nichtpharmakologischen Alternativen (vollwertige Ernährung oder Diät, Salzrestriktion, ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Mobilisation, menschliche Zuwendung) erschöpft bzw. beim Medikamenteneinsatz eine reduzierte Simplizität (zeitlich und umfänglich minimale Dosierungspläne sowie Hilfestellungen über Kalender oder Tagesrationsschachteln) angestrebt werden.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

141

Abstoßungsreaktion des transplantierten Spenderorgans führen, ein die medikamentöse Behandlung verweigernder Hypertoniepatient an Herz- oder Nierenversagen sterben oder eine nicht gesetzte Insulininjektion bei einer Diabetes-Erkrankung einen anaphylaktischen Schock provozieren. Obgleich sich die undisziplinierte Medikamenteneinnahme oftmals gravierend rächt, kann sie der Mediziner nicht erzwingen. Die pharmakologische Therapie zielt auf eine Beeinflussung der Körperfunktionen und -vorgänge und beeinträchtigt angesichts etwaiger Nebenwirkungen das Lebensgefühl, weshalb der Patient über die Einnahme oder Nichteinnahme verordneter Arzneimittel selbst entscheiden muss518. Somit steht das Selbstbestimmungsrecht der Annahme einer Patientenpflicht, wonach die Einnahme verordneter Medikamente rechtlich geboten ist, entgegen519. Verhält sich der Patient aber nicht in diesem Sinne, kann die Behandlungsfortsetzung für den Mediziner unzumutbar sein. Aus dem Behandlungsvertrag ergibt sich daher eine Mitwirkungslast des Patienten520. Der (Zahn)Arzt muss jedoch eindringlich auf die Erforderlichkeit der Medikamenteneinnahme, die Art und Weise der Arzneimittelverabreichung sowie die gesundheitlichen Folgewirkungen einer Unterlassung hinweisen. Nimmt der Patient seine Medikamente trotz mehrfacher Instruktion und dem Hinweis auf das Kooperationserfordernis gar nicht oder immer wieder unregelmäßig ein, braucht der Mediziner nicht weiter zu insistieren521. Vielmehr ___________ 518 BGH (15.03.2005 - VI ZR 289/03), VersR 2005, 834, 835: „In Anbetracht möglicher Gefäßveränderungen mit den schweren Folgen eines Hirninfarkts bzw. Schlaganfalls bei der Einnahme des Antikonzeptionsmittels „Cyclosa“ durch eine starke Raucherin musste die Gynäkologin ihre Patientin über das erhebliche Risiko aufklären. Nur dann hätte die Klägerin ihr Selbstbestimmungsrecht ausüben und sich entweder dafür entscheiden können, das Medikament einzunehmen und das Rauchen einzustellen, oder wenn sie sich als Raucherin nicht in der Lage sah, das Rauchen aufzugeben, auf die Einnahme des Medikamentes wegen des bestehenden Risikos zu verzichten.“ 519 So wohl auch Hart, MedR 2003, S. 603, 609 und Koyuncu, GesR 2005, S. 289, 294. A.A. aber Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 78 Rn. 10; Conti, S. 133 f. 520 Ebenso Göben, S. 59. Abstrakt Grunsky, JuS 1989, S. 593, 598. 521 Vgl. dazu den Fall eines unkonventionellen, ärztlichen Vorgehens bei Huhn/ Rönsberg, S. 11 ff.: Anläßlich einer Grippe wurde bei einem 52jährigen Kraftfahrer eine Hypertonie diagnostiziert, die neben der medikamentösen Bluthochdrucksenkung die Ausschaltung von Risikofaktoren wie Übergewicht und Rauchen erfordert. Die Mitarbeit des Patienten erschöpfte sich aber im Erscheinen zu den Terminen, mehr nolens als volens. Nach der Probe mehrerer Standardmedikamente erklärte er den nunmehrigen Einsatz von Knoblauchkapseln. Der Arzt ging dabei in besonderer Weise auf seinen Patienten ein: „Das finde ich ausgezeichnet, dass sie sich so aktiv mit Ihrer Krankheit auseinandersetzen. Ihren Vorschlag sollte man unbedingt ausprobieren. Zuweilen zeigt der Knoblauch Erstaunliches, vor allem, wenn man ihn ausreichend dosiert! Ich gebe Ihnen leihweise ein Blutdruck-Meßgerät mit, damit Sie den Erfolg selbst prüfen können. Und Sie steigern einfach solange die Menge der Knoblauchtabletten, bis sich der Blutdruck

142

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

kann er das Behandlungsverhältnis aufgrund der qualifizierten Missachtung der Teilhabelast beenden, es sei denn, der Patient ist intellektuell oder psychisch nicht in der Lage, die wesentlichen Fakten zu erfassen oder die Arznei dosisund zeitgerecht einzunehmen.

(2) Beachtung der Packungsbeilage Nach § 11 AMG522 sind in der Bundesrepublik Deutschland vertriebene Fertigarzneimittel mit der sogenannten Gebrauchsinformation versehen, die in erster Linie dem Patienten die wesentlichen Fakten zur sachgerechten Medikamentenanwendung vermitteln soll523. Daraus könnte geschlussfolgert werden, dass vor Beginn jeder medikamentösen Therapie der Beipackzettel studierend zu Rate zu ziehen ist. Ein solches Verhaltensgebot obliegt dem Patienten möglicherweise gegenüber dem Mediziner und im Verhältnis zum Arzneimittelhersteller, der mit der Packungsbeilage die ihm auferlegte Aufklärungspflicht erfüllt. Aus systematischen Gründen soll jedoch nur die Existenz einer Patientenpflicht oder -last gegenüber dem (Zahn)Arzt untersucht werden, denn schließlich geht es in diesem Abschnitt um die aus dem Behandlungsvertrag abzuleitende Mitwirkungsverantwortung des Patienten. Dadurch werden parallele Überlegungen für die Beziehung zwischen Pharmaindustrie und Patient von vornherein ausgeklammert524. ___________ zuverlässig unter 150/90 bewegt.“ Bei 12 Tabletten täglich soll der Patient aufgegeben haben. Seither sei er zwar kein Musterschüler, zeige sich aber doch weitaus kooperativer. Obgleich die (zahn)ärztliche Vorgehensweise auf der Meta-Ebene zur Einsicht des Patienten geführt und dessen Beteiligung verbessert hat, kann zu ihr nicht geraten werden. Gerät der Patient nämlich während des eher paradoxen Manövers in eine hypertone Krise, haftet der behandelnde Arzt wegen des Ratens zu einer unwirksamen Therapie und wird nicht dadurch entlastet, dass der Patient die wirksamen Medikamente ohnehin nicht eingenommen hätte. 522 in der Fassung vom 11.12.1998 (BGBl I 1998, S. 3586 ff.), zuletzt geändert am 21.08.2002 (BGBl I 2002, S. 3352 ff.). 523 Siehe dazu BT-Drucks. 10/5732, S. 31 f.: „Die Erfahrung hat gezeigt, daß die Packungsbeilage als gleichzeitiges Informationsmedium für Arzt und Patient ungeeignet ist. Die Einführung einer besonderen Fachinformation (§ 11 a AMG) ist daher geboten. Die Packungsbeilage soll nach der Einführung der Fachinformation in erster Linie für den Patienten bestimmt sein, ohne daß ihre Informationen gegenüber dem bisherigen Stand verkürzt oder Risiken verschwiegen oder verharmlost werden.“ 524 So statuiert § 85 AMG gegenüber dem Arzneimittelproduzenten Aufmerksamkeits- und Sorgfaltslasten im Zusammenhang mit dem Medikamentengebrauch, deren Missachtung die Gefährdungshaftung des § 84 AMG einschränkt. Kloesel/ Cyran, § 85, führt etwa folgende Beispiele an: Beachtung der Hinweise in der Packungsbeilage, Vermeidung einer körperlichen Überbeanspruchung, Verzicht auf einen gleichzeitigen Konsum bestimmter Genussmittel, Sensibilisierung für körperliche, im Beipackzettel

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

143

Eine Pflicht des Patienten, die Packungsbeilage zur Kenntnis zu nehmen, besteht nicht. Denn das Selbstbestimmungsrecht schützt auch insoweit, als der Patient bezüglich behandlungsrelevanter Fakten uninformiert oder davon unbehelligt bleiben möchte525. Da allein der Patient seinen Wissensbedarf und Informationswunsch bestimmt, kann ihm eine Gewissheit über alle potentiellen Nebenwirkungen des Medikamentes und seiner konkreten Anwendungsgebiete nicht über eine obligatorische Beipackzettellektüre aufgezwungen werden526. Inwieweit der Behandlungsvertrag eine inhaltlich vergleichbare Last beinhaltet, hängt einerseits von der Reichweite der (zahn)ärztlichen Pflicht im Zuge der Medikamentenverordnung einschließlich des verbleibenden Spielraumes für die Patiententeilhabe ab und hängt darüber hinaus von dem Medizinerinteresse an der Beachtung einer Gebrauchsinformation durch den Patienten ab. Ist eine medikamentöse Therapie erforderlich, wählt der (Zahn)Arzt zunächst ein zur Behandlung geeignetes, auf die Befindlichkeiten des Erkrankten abgestimmtes Präparat aus und verschreibt es sodann. Der (Zahn)Arzt muss folglich nicht nur die Zusammensetzung und Wirkungsweise des Medikamentes kennen, sondern auch die organischen Nebenwirkungen einkalkulieren und Kontraindikationen berücksichtigen527, was über die vielfältigen Informationsmaterialien für Fachkreise528 erleichtert wird. Letztlich ist dies Ausfluss der klassischen Rezeptpflicht nach § 48 AMG, wodurch der medizinische Laie vor Schädigungen infolge unkontrollierten Gebrauchs bewahrt werden soll. Deshalb verdrängt die Arzneimittelinformation des Herstellers auch die (zahn)ärztliche, auf die individuellen Belange des Patienten zugeschnittene Verantwor___________ erwähnte Warnhinweise wie das Absetzen des Präparats bei auftretenden Kopfschmerzen oder der Konsultation eines Arztes bei hinzukommenden Magenbeschwerden. 525 Vgl. dazu als mögliche Begründung Weisbach, DÄBl 1986, S. 2212, 2213: „Das Lesen dieser Nebenwirkungen und Gefahren erfordert von den Patienten schon ein großes Maß an Mut, um nach dem Studium dieser Angaben weiterhin dem Medikament die Treue zu halten.“ 526 Von einer Pflicht zur Beachtung der Hinweise des Arzneimittelherstellers gehen dennoch aus LG Dortmund MedR 2000, 331 ff. sowie Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 78 Rn. 11; Rieger, Lexikon des Arztrechts, Rn. 1832; Waibl, S. 179 f. und wohl Kern, LMK 2005, II, 60 f. 527 LG Köln MDR 1962, 899 f.; Rieger, DAZ 1981, S. 703, 705; ders., Lexikon des Arztrechts, Rn. 1832; Laufs, Arztrecht, Rn. 165, 507 sowie Mertens in: MüKo, § 823 Rn. 386, 424. 528 Das AMG zielt auf eine umfassende Information aller am Verkehr mit Arzneimitteln Beteiligter, die speziell für die Fachkreise über gesonderte Informationen wie der sogenannten Roten Liste, den Beipackzetteln von Medikamentenmustern sowie direkt im Beratungsgespräch mit einem Pharmavertreter sichergestellt werden.

144

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

tung nicht529, zumal die Packungsbeilage für viele Patienten in weiten Teilen unverständlich ist530. Das gilt zweifelsohne, wenn der Patient die Packungsbeilage wie bei einer staatlich veranlassten Impfung oder stationär ausgeführten Medikation gar nicht einsehen kann531. Auch sonst muss der (Zahn)Arzt seinen Patienten über die Dosierung und mögliche Wechsel- oder Nebenwirkungen informieren532 und das konkrete Nutzen-Risiko-Profil darlegen, sodass weder auf das bloße Lesen des Beipackzettels verwiesen noch blindlings darauf vertraut werden darf533. Mitzuteilen sind vor allem schwerwiegende Nebenwirkungen wie etwa das erhöhte Risiko für eine Raucherin, durch die Einnahme eines Antikonzeptionsmittels an Gefäßveränderungen mit der Folge eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls erkranken zu können, wenn der Zigarettenkonsum nicht eingestellt wird534. Unter Berücksichtigung des (zahn)ärztlichen Pflichtenumfanges bei der Verschreibung eines Medikamentes fragt sich nun, ob und inwiefern sich der Patient dabei einzubringen hat. Wenngleich die Packungsbeilage teils schwierig zu verstehen ist, richtet sie sich doch an den Patienten. Da der Mediziner die detailreichen Arzneimittelinformationen nicht umfassend vermitteln kann, sichert erst das Zusammenwirken von (Zahn)Arzt und Patient einen sachgerechten ___________ 529

Wie hier auch BGH VersR 2005, 834, 835 und Stöhr, GesR 2006, S. 145, 147. A.A. noch LG Dortmund MedR 2000, 331, 332, wonach die Risikoaufklärung im Grundsatz über die Packungsbeilage des Pharmaherstellers erfolge (vgl. dazu Fn. 533). 530 Vgl. dazu die sprachwissenschaftlichen Untersuchungen von Hoffmann, PharmaZ 1981, S. 2691 ff.; Fuchs/ Hippius/ Schaefer, PatR 2004, S. 79 ff. und Tonscheidt, S. 68. 531 Vgl. OLG Oldenburg VersR 1986, 69 ff.; BGHZ 126, 386, 392; Deutsch, VersR 1998, S. 1053, 1056. 532 Ebenso BGH NJW 1982, 697 f.; BGH VersR 2005, 834, 835; OLG Köln VersR 1992, 1231 ff.; Roesch, ZfV 1971, S. 476, 479; Kamps, MedR 1995, S. 268; Laufs in: Laufs/ Uhlenbruck, § 62 Rn. 8 ff.; Rieger, Lexikon des Arztrechts, Rn. 1832 und Schlund in: FS für Deutsch, S. 757, 769. 533 So nun auch BGH VersR 2005, 834, 835 und außerdem im Internet unter http://www.albrechtwienke.de/ärztlicheaufklärung.html. A.A. LG Dortmund MedR 2000, 331, 332: „Bei der Verordnung von Medikamenten hat die Risikoaufklärung jedoch nicht ohne weiteres durch den behandelnden Arzt zu erfolgen. Hat der Pharmahersteller dem Medikament gemäß § 11 AMG eine Gebrauchsinformation beigefügt, die von der in § 11 a AMG geregelten Fachinformation zu unterscheiden ist, erfolgt die Risikoaufklärung des Patienten durch den Beipackzettel. Die in § 10 Abs. 1 AMG enthaltende Verpflichtung, die Angaben in der Packungsbeilage in verständlichem Deutsch abzufassen, wäre entbehrlich, wenn Mediziner Adressaten der Gebrauchsinformation wären. Bei der Verordnung von Medikamenten ist der Arzt damit grundsätzlich nur dann zur Risikoaufklärung verpflichtet, soweit nicht bereits vom Pharmahersteller her eine Aufklärung erfolgt. … Es mag sein, dass der Beipackzettel in bestimmten Einzelfällen unter Umständen nur flüchtige Hinweise oder lediglich Teilinformationen enthält. Dann ist der Patient auf ergänzende Informationen seines Arztes angewiesen.“ 534 Dazu jüngst BGH VersR 2005, 834 ff.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

145

Arzneimittelumgang und die adäquate Reaktion auf Komplikationen535. Der Mediziner hat dabei das Medikament auf das Leiden und offensichtliche Kontraindikationen im Großen und Ganzen abzustimmen und der Patient die Packungsbeilage ergänzend durchzusehen536. „Das Verhältnis zwischen ärztlicher Aufklärung und Packungsbeilage ist durch ein wechselseitiges Zusammenspiel gekennzeichnet: Der Arzt führt eine Grundaufklärung durch, in der er die Wesentlichen, auf den individuellen Patienten bezogenen Aspekte und Risiken der Behandlung darstellt, und darf den Patienten anschließend zur weitergehenden Aufklärung und Information auf die Packungsbeilage verweisen.“537

Auf diese Weise wird eine hohe Sicherheit erzeugt538. Somit ist der (Zahn)Arzt durchaus daran interessiert, dass sein Patient den Beipackzettel, insbesondere die Gegenanzeigen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten unter dem Augenmerk der Anwendbarkeit und Eigenverträglichkeit des verordneten Präparates zur Kenntnis nimmt. Da der Patient hiermit nicht überbeansprucht wird, ergibt die Interessengewichtung eine vertragliche Patientenlast zur Beachtung des Packungsbeilage539, womit die Verordnung nicht in Zweifel gezogen, wohl aber geprüft wird. So veranlasst die andere Konsistenz des verordneten Medikamentes gegenüber der zuvor verwendeten Meladinine-Lösung die Hinzuziehung des Beipackzettels, vor allem wenn die Verschreibung von einem insoweit nicht spezialisierten Arzt gewünscht wird540. Mithin trifft den Patienten bei der Verordnung pharmakologischer Mittel die Last, die Instruktionen seines (Zahn)Arztes zur Zielrichtung, Dosierung sowie sonstigen Besonderheiten mit dem Beipackzettel abzugleichen und bei bestehenden Unklarheiten oder auftretenden Komplikationen gegebenenfalls Rück___________ 535

Ähnlich Koyuncu, GesR 2005, S. 289, 292 f. Während die (zahn)ärztliche Aufklärungspflicht den einzelnen Patienten zentriere, habe die Packungsbeilage das abstrakte Arzneimittelmodell im Blick, so Koyuncu, GesR 2005, S. 289, 292 f., 295. 537 Siehe unter http://www.albrechtwienke.de/ärztlicheaufklärung.html. 538 Vgl. dazu den Fall des LG Itzehoe FamRZ 1969, 90 f., in dem ein Apotheker das Rezept falsch las und anstelle des Kontrazeptivums Eugynon eine Dose des Magenpräparates Enzynorm mit 50 Tabletten aushändigte. Beim Lesen der Packungsbeilage kamen der Patientin keine Bedenken, es könne sich um das falsche Medikament handeln, was das Gericht zur damaligen Zeit mit einem Mitverschulden iHv 50 % sanktionierte. 539 Ebenso Koyuncu, GesR 2005, S. 289, 294 f. und wohl Rieger, DAZ 1981, S. 703, 705; Keller, SozVers 1999, S. 281, 283, 285; Hart, MedR 2003, S. 603, 605. Kritisch indes Stöhr, GesR 2006, S. 145, 148 f. 540 Entnommen OLG Düsseldorf AHRS II 1400/ 111. 536

146

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

sprache zu nehmen541. Tut er dies nicht, muss er bei einem qualifizierten Verstoß mit einem Behandlungsabbruch rechnen und im Schadensfall den Einwand des Mitverschuldens nach § 254 Abs. 2 BGB gegen sich gelten lassen.

cc) Einhalten von Kontrollkonsultationen zur Weiterbehandlung An dieser Stelle geht es nicht um die erneute Diskussion der Wahrnahme eines Behandlungstermins, sondern die Patiententeilhabe bezogen auf die Fortsetzung einer laufenden Behandlung. Möglicherweise muss der Patient zu einer verabredeten Kontrolluntersuchung oder nötigen Weiterbehandlung erscheinen. In der Rechtsprechung finden sich diesbezüglich einige Fälle, die auszugsweise wiedergegeben werden sollen. Daraus ergibt sich zugleich eine Tendenz für die rechtliche Erfassung der Patientenmitwirkung, zu der anschließend im Sinne einer Pflicht oder Last Stellung bezogen wird. So verneinte das OLG Celle542 eine Arzthaftung bei der fachgerechten Sterilisation eines Mannes, der auf das Erfordernis spermiakontrollierender Nachuntersuchungen in festen Abständen zur Sicherung der Kinderlosigkeit hingewiesen worden war. Der Patient, der die ersten Termine einhielt, nicht aber den letzten ein Jahr nach dem Eingriff, zeugte ein Kind. Ähnlich argumentativ stellte der BGH543 auf ein Mitverschulden des Patienten ab, weil er die Kontrolle nach der Sterilisation versäumte und sodann vom Vaterglück ereilt wurde. Auch ihm hatte der Arzt mitgeteilt, dass sich der Eingriffserfolg erst sechs Wochen nach der Sterilisation über ein Spermiogramm feststellen lasse und bis dahin vorsichtshalber vom Fortbestand der Zeugungsfähigkeit ausgegangen werden müsse. Das Gericht sah es als Aufgabe des Patienten, durch seine Mitwirkung für die rechtzeitige Feststellung einer missglückten Sterilisation zu sorgen. Dem Arzt wurde indes vorgeworfen, dass er sich nicht hinreichend um das Ergebnis einer postoperativ veranlassten Gewebeuntersuchung bemüht hatte. Hingegen hat der BGH544 einer Patientin das Versäumen des Untersuchungstermins nach einem medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruch nicht angelastet. Von einem medizinischen Laien könnten auch dann keine Überlegungen zum Fehlschlag der Unterbrechung erwartet werden, wenn die ___________ 541

Anders wohl Martis/ Winkhart, S. 672. Urteil vom 24.11.1983 - Az.: 1 W 29/83 (MedR 1984, 233). 543 Urteil vom 30.06.1992 - Az.: VI ZR 337/91 (NJW 1992, 2961 f.). 544 Urteil vom 25.06.1985 - Az.: VI ZR 270/83 (VersR 1985, 1068 ff.). 542

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

147

Regelblutung vier Wochen nach der Operation nicht wieder einsetzt. Etwaige der Patientin vorzuwerfende Nachlässigkeiten bezögen sich nach der vermeintlich gelungenen Abtreibung ausschließlich auf die eigene gesundheitliche Nachsorge und Abwehr gynäkologischer Komplikationen. Infolgedessen hätte die Ärztin, der aufgrund des histologischen Befundes die hohe Wahrscheinlichkeit einer missglückten Schwangerschaftsunterbrechung bekannt war, ihre Patientin ausdrücklich darüber unterrichten und separat einbestellen müssen. Die Einhaltung der gesetzlich vorgesehenen Frist für die Abtreibung, woran die Eingriffswiederholung letztlich scheiterte, wäre so sicherzustellen gewesen. In einer ähnlichen Konstellation sieht das OLG Zweibrücken545 bei einer fortbestehenden Amenorrhöe ein Mitverschulden im knapp viermonatigen Abwarten des erneuten Aufsuchens der Gynäkologin, die bei der vorangegangenen Untersuchung eine Schwangerschaft übersah und zur weiteren Einnahme der Ovulationshemmer riet. Wegen der nunmehr vorangeschrittenen Schwangerschaft bis zur 23. Woche kam es zur Geburt des schwer Trisomie 21546 geschädigten Kindes. Selbst wenn die behandelnde Ärztin eine Beobachtungsphase von ungefähr 3 Monaten genannt haben sollte, hätte die Patientin nach Ansicht der Gerichts durch die weiterhin ausbleibende Menstruationsblutung allen Anlass gehabt, diesen Zeitraum gerade nicht auszuschöpfen. Die behandelnde Gynäkologin überwies eine schwangere Patientin, die bereits ein während der Geburt verstorbenes Kind mit spina bifida547 zur Welt gebracht hatte, zum Ultraschall. Trotz unauffälligen Befundes wurde eine engmaschige Missbildungsdiagnostik empfohlen, die allerdings nicht erfolgte. Als die spina-bifida-Belastung des Kindes festgestellt wurde, war eine Schwangerschaftsunterbrechung nicht mehr möglich. Obwohl die Gynäkologin ihrer Patientin den Arztbrief auszugsweise vorgelesen hatte, erkannte der BGH548 im Unterbleiben der angeratenen Untersuchung wegen des Wissens- und Informationsvorsprunges der Ärztin kein Mitverschulden der Patientin549. Weil Arztbriefe vertrauliche Informationen von Arzt zu Arzt leiten, müsse der Patient ih___________ 545

Urteil vom 15.12.1998 - Az.: 5 U 10/96 (MedR 2000, 233 ff.). Krankheitsbegriff für eine Genommutation, bei der neben dem diploiden Chromosomensatz das Chromosom 21 in einem Tripel vorliegt, vgl. Pschyrembel, Stichwort: Down-Syndrom. 547 Spina bifida meint eine angeborene Spaltbildung der Wirbelsäule mit unterschiedlichem Schweregrad an Deformationen, vgl. Pschyrembel, Stichwort: Spina bifida. 548 Urteil vom 17.12.1996 - Az.: VI ZR 133/95 (VersR 1997, 449 f.). 549 Ähnlich OLG Saarbrücken ZfL 2005, 20 ff, wo die Patientin die Durchführung zwei verschiedener Untersuchungen während der Amniozentese nicht kannte und daher nach Erhalt eines Ergebnisses nicht auch den anderen Befund erfragen musste. 546

148

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

ren Inhalt nicht erfragen, sodass ihn auch keine Nachforschungsobliegenheit treffe. Nach der vom BGH bestätigten Ansicht des OLG Stuttgart550 begründet eine versäumte Weiterbehandlung keinen Mitverschuldenseinwand, sofern der Patient nicht auf die Fristgebundenheit eines notwendigen Eingriffes aufmerksam gemacht wird. Einem Patienten mit Unterschenkelfraktur unter Beteiligung des Sprunggelenkes wurde nach erfolglos verlaufener konservativer Behandlung eine Osteosynthese551 vorgeschlagen, die spätestens 10 bis 12 Wochen nach dem Unfall hätte erfolgen müssen. Der Patient verweigerte die Operation und verließ die Klinik gegen ärztlichen Rat. Nun leidet er infolge einer schmerzhaften Versteifung des rechten Sprunggelenkes an einer Gehbehinderung. Das OLG Frankfurt552 rechnete einem Patienten für seine mangelnde Mitwirkung bei der Behandlung ein hälftiges Mitverschulden an. Eine Harnleiterschiene, die ihm während der Operation eines Nierenkelchrezidivs gesetzt wurde und nach längstens 10 Tagen hätte entfernt werden müssen, konnte dem Patienten erst 1½ Jahre nach dem Eingriff unter organischer Schädigung gezogen werden. Neben einer Belehrung des Patienten über die Notwendigkeit der alsbaldigen Herausnahme der Schiene bei seiner Entlassung, wurde auch der Hausarzt davon unterrichtet und die urologische Ambulanz der Klinik um diesbezügliche Einbestellung des Patienten gebeten. Da streitig blieb, ob der Patient zur Durchführung der Restitutionsmaßnahme tatsächlich bestellt bzw. an den Termin erinnert wurde, hafte die Klinik unter dem Aspekt des Organisationsverschuldens. Gleichzeitig sei dem Patienten die Nichteinhaltung der Frist vorzuwerfen wie auch, dass er sich nicht selbst mit Fragen an die Klinik wandte. Beim Ziehen der Fäden hätte er nämlich laienhaft klarstellen können, dass zum Abschluss der Operation noch nicht alles veranlasst worden sei. Obgleich ein Patient mit verstecktem Eiterherd in der linken Hand weder ausdrücklich noch unter dem gebotenen Nachdruck auf die Folgen des Nichterscheinens zum nächsten Behandlungstermin, wo eine Schnittentlastung durchgeführt werden sollte, hingewiesen wurde, nahm das OLG München553 ein gleichwertiges Mitverschulden an. Das Fortbestehen erheblicher Schmerzen habe ihn deutlich früher zu einer klinischen Versorgung veranlassen müssen. ___________ 550 Urteil vom 28.12.1984 - Az.: 1 U 136/82 (MedR 1985, 175 f.) sowie BGH MedR 1987, 42. 551 Gemeint ist damit eine operative Vereinigung der Knochenbruchenden durch mechanische Hilfsmittel wie Marknägel, vgl. Duden, Stichwort: Osteosynthese. 552 Urteil vom 02.10.1986 - Az.: 1 U 211/85 (MedR 1987, 187 ff.). 553 Urteil vom 14.04.1988 - Az.: 1 U 5487/87 (VersR 1988, 1156).

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

149

Da der Patient erst 3 Tage nach dem vereinbarten Termin wieder beim behandelnden Arzt vorsprach, war die Amputation eines Fingers nicht mehr zu verhindern. Anders konstatiert das OLG Düsseldorf554 das Mitverschulden bei der Nichtbefolgung einer ärztlichen Weisung zur Wiedervorstellung in der Praxis durch den Patienten. Davon soll auszugehen sein, wenn der Arzt das Erfordernis einer weiteren Konsultation hinreichend deutlich gemacht habe oder der Patient ohnehin von sich aus darüber im Klaren sei. Folglich wurde den Eltern der minderjährigen Patientin, die über die Bedeutung einer noch ausstehenden diagnostischen Abklärung unaufgeklärt blieben, das Fernbleiben zu vermeintlichen Kontrollen nicht als mitursächlicher Schadensbeitrag angerechnet. Am Unfalltag stellte der konsultierte Chirurg bei ihrer fünfjährigen Tochter, die durch den Sturz vom Baum eine dislozierte Mehrfachfraktur am Ellenbogen erlitt, nach dem Röntgen nur eine Subluxation mit Verdacht auf eine condyläre Fissur fest, die mit einer Gipslonguette ruhig gestellt wurde. Durch die deutlich verspätet gestellte Diagnose musste der Bruch operativ behandelt werden und sich die Patientin dafür in stationäre Betreuung begeben. In diesem Sinne entschied auch das KG Berlin555, als der behandelnde Arzt das traumatisierte Handgelenk nach einem Sturz nicht röntge und deshalb ein Kahnbeinbruch verkannte. Da der Patient weder nochmals einbestellt noch auf die Notwendigkeit einer diagnostischen Abklärung bei Beschwerderesistenz hingewiesen wurde, sei ihm die unterbliebene Aufklärung des Behandlungsgeschehens und mithin die Verschlechterung der Heilungschancen nicht vorwerfbar. Nach Ansicht des OLG Bremen556 trägt der Patient den Behandlungsmisserfolg aufgrund seiner unzureichenden Kooperation selbst, der konkret in starken Verwachsungen in der Nase und einem Verlust des Riechvermögens lag. Für die Nachbehandlung eines Septumeingriffes zur Begradigung der Nasenscheidewand wäre sein wöchentlich zwei- bis dreimaliges Erscheinen in der Praxis der behandelnden HNO-Ärztin über eine Dauer von gut einem Monat nötig gewesen, um vorhandene Brocken entfernen und die Nasenschleimhäute einsalben zu können. Der darüber unterrichtete Patient kam jedoch nur äußerst sporadisch. Das OLG Stuttgart557 lehnt eine Mitverantwortung der Patientin für die Einschränkung ihrer Gesamtbeweglichkeit eines Fingers ab, da der Arzt bei der ___________ 554

Urteil vom 08.07.1993 - Az.: 8 U 35/92 (AHRS II 1400/ 102). Urteil vom 07.03.2005 - Az.: 20 U 398/01 (GesR 2005, 251 f.). 556 Urteil vom 14.12.1993 - Az.: 3 U 89/93 (AHRS II 1400/ 103). 557 Urteil vom 09.04.2002 - Az.: 1 [14] U 84/01 (VersR 2002, 1563 ff.). 555

150

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

Kontrolluntersuchung einer Schnittverletzung am Grundgelenk des linken Mittelfingers trotz ersichtlicher und geschilderter Beschwerden nichts unternahm und seine Patientin vorbehaltlos entließ. Mangels ausdrücklicher oder jedenfalls offenkundiger Anweisung, bei einem unveränderten Zustand wiederholt medizinisch vorstellig werden zu müssen, könne eine baldige Konsultation bei einer Kontinuität des Beschwerdebildes nicht verlangt werden. Aus der Rechtsprechungsübersicht geht hervor, dass versäumte Kontrolluntersuchungen und nicht fortgesetzte Behandlungen zumindest in den forensisch betrachteten Fällen überwiegend mit einem (zahn)ärztlichen Behandlungs- oder Aufklärungsfehler kumulieren. Daher wird die Patientenmitwirkung meist unter dem Aspekt des Mitverschuldens im Rahmen der (Zahn)Arzthaftung betrachtet. Voraussetzung dafür ist jedoch ein rechtliches Verhaltensgebot zulasten des Patienten. Kraft Selbstbestimmungsrecht disponiert der Patient über die Vornahme und Ausgestaltung einer Behandlung, worunter auch die Entscheidung über deren Fortsetzung fällt. Auch wenn der (Zahn)Arzt bereits tätig geworden ist, kann er von einem Patienten nicht das Erscheinen zur Kontrolle oder zwecks weiterführender Maßnahmen verlangen. Das fehlende Forderungsrecht des (Zahn)Arztes steht der Annahme einer Patientenpflicht entgegen558. Wird ein Patient nicht wieder vorstellig, liegt darin mangels eines eindeutig erkennbaren Willens zur Beendigung des Behandlungsverhältnisses keine Kündigung. Vielmehr ist der (Zahn)Arzt weiterhin zur sachgerechten medizinischen Versorgung verpflichtet, was durch die mangelnde Mitwirkung des Patienten erschwert sein dürfte. Damit auch der (Zahn)Arzt das Behandlungsverhältnis jederzeit folgenlos beenden kann, ist eine Teilhabelast des Patienten559, gegebenenfalls infolge ergänzender Vertragsauslegung anzunehmen. Sucht ein Patient den behandelnden (Zahn)Arzt trotz Verschlechterung seiner Befindlichkeit nicht erneut auf, nimmt die vereinbarte Kontrolluntersuchung nicht wahr oder ermöglicht die nötige Behandlungsfortführung nicht, droht ihm ein Rechtsnachteil insoweit, als der (Zahn)Arzt das Behandlungsverhältnis beenden kann und für gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht haftet. ___________ 558

A.A. Conti, S. 133 f., der anscheinend zwischen der einverständlichen Terminvereinbarung und einer einseitigen (zahn)ärztlichen Anordnung unterscheidet. Dabei soll das regelmäßige Erscheinen zu vereinbarten Kontrollkonsultationen der vertraglichen Nebenpflicht unterfallen, obgleich es dem Patienten wegen des unantastbaren Selbstbestimmungsrechts freistehe, zu dem vom Arzt mitgeteilten Termin zu kommen oder nicht. 559 Dahingehend BGH AHR II/5, 57, 67 und Göben, S. 55 ff.; Muschener, S. 27.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

151

Wurde also eine Zahnprothetik unter Beachtung der zahnmedizinischen Sorgfalt eingesetzt, drückt aber dennoch, muss der Patient mit dieser Unannehmlichkeit leben, falls er Nacharbeiten nicht zulässt. Dies setzt freilich voraus, dass der Patient über die Erforderlichkeit und Art seiner Beteiligung in gebotener und eindrücklicher Weise belehrt wurde. Sofern also eine engmaschige Kontrolle erforderlich oder ein Verdacht weiter abzuklären ist, muss der Patient darauf klar und unmissverständlich hingewiesen werden560. Ist auch dem Mediziner ein Aufklärungs- oder Behandlungsfehler unterlaufen, reduziert sich der Schadensersatzanspruch des Patienten nach § 254 Abs. 2 BGB in Höhe des eigenen Mitverschuldensanteils.

dd) Beachtung (zahn)ärztlicher Anordnungen Macht man sich bewusst, dass 30 bis 50 % der Patienten, bei den Hypertonikern gar bis zu 80 % die Anordnungen ihres (Zahn)Arztes nicht befolgen561, und bedenkt, dass eine Lebensstiländerung samt Ernährungsumstellung, Stressmanagement und Ausdauertraining arteriosklerotische Veränderungen an den Herzkranzgefässen innerhalb eines Jahres rückgängig machen kann562, scheint die rechtliche Klärung dieser Form der Patiententeilhabe mehr als dringlich. Der Mediziner kann zum Beispiel den Verzicht auf eine zuckerhaltige Ernährung oder fettreiche Kost, ein Zähneputzen nach der Nahrungsaufnahme, ausreichende Bewegung an der frischen Luft oder aber das Vermeiden körperlicher Anstrengungen anordnen. Wegen des Selbstbestimmungsrechts muss der Patient dem nicht nachkommen, sodass eine diesbezügliche Pflicht ausscheidet563. Befolgt ein Patient die medizinischen Verhaltensanweisungen nicht und tritt dadurch eine Zustandsverschlechterung ein oder bleibt die Genesung aus, wird der vermeintliche Behandlungsmisserfolg vorwiegend unreflektiert dem behandelnden (Zahn)Arzt angelastet. Die Beachtung (zahn)ärztlicher Anordnungen wahrt also nicht nur die eigene Gesundheit, sondern schützt darüber hinaus den (Zahn)Arzt und dessen Reputation. Muss eine Herzarrhythmie mit Marcu___________ 560

Vgl. nur KG Berlin GesR 2005, 251 f. und OLG München OLGR 2006, 90. So zumindest Schmädel, ÄP 1980, S. 1359. 562 Vgl. dazu Ornish/ Brown/ Scherwitz/ Billings/ Armstrong/ Ports/ McLanahan/ Kirkeeide/ Brand/ Gould, Lancet 1990, S. 129, 131 ff. 563 Anders dagegen Conti, S. 133 f.; Luig in: Gitter/ Huhn/ Siegbert/ Luig/ Reich/ Tempel/ Weyers, S. 223, 235 und Uhlenbruck/ Kern in: Laufs/ Uhlenbruck, § 78 Rn. 5, 10 und § 81 Rn. 11. 561

152

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

mar behandelt werden, lässt sich die richtige Dosierung nur mit Hilfe des Patienten festlegen, weil der Blutspiegel über einen kontinuierlichen Obst- und Gemüseverzehr konstant zu halten ist, was oftmals nicht gewährleistet werden kann. Verwirklicht sich bei einer Unterdosierung von Marcumar das Schlaganfallrisiko oder treten durch eine zu hohe Dosierung Blutungen im Magen-/ Darmtrakt oder im Gehirn auf, trägt der Arzt dafür scheinbar die Verantwortung. Daher ist der (Zahn)Arzt an der Befolgung seiner Anweisungen interessiert. Da der Patient zur Vermeidung eigener Rechtsnachteile gehalten ist, alle medizinisch indizierten Anordnungen zu beachten, trifft ihn insoweit eine Mitwirkungslast564. Dies gilt auch für die dauerhafte Änderung eines eingefahrenen Lebensstils. So rät der Arzt zur Einhaltung einer diätischen Ernährung, zur Nikotin- und Alkoholabstinenz, zum kontinuierlichen Körpertraining und Stressabbau, wenn der Patient an einer progressiven Leberzirrhose leidet oder ein weiterer Herzinfarkt bzw. Schlaganfall droht565. Auch wenn derartige Anordnungen in Anbetracht der menschlichen Natur oft leichtfertig übergangen oder einfach verdrängt werden566, kann der (Zahn)Arzt bei einer beharrlichen Nichtbefolgung seiner Verordnungen durch den Patienten die Behandlungsbeziehung gemäß § 627 Abs. 2 BGB beenden, falls er über die Erforderlichkeit der Mitarbeit belehrt und darauf wiederholt hingewiesen hat. Beachtet der Patient die medizinischen Hinweise nicht, dürfte dies regelmäßig nachteilig für die eigene Gesundheit sein. Der Patient kann dafür aber keine finanzielle Kompensation verlangen, es sei denn, der Körperschaden ist ganz oder teilweise dem (Zahn)Arzt zuzurechnen567. Davon ist bei einem hinzutre___________ 564 Ebenso Göben, S. 57 und Deutsch/ Spickhoff, Rn. 349; ähnlich BGHZ 96, 98, 100; BGH MedR 1997, 319, 320; Hager in: Staudinger, § 823 I 41. 565 Der Umstand, dass ein Patient mit mittlerem Allgemeinzustand in Maßen Alkohol und Tabak konsumiert oder ein ernährungsphysiologisch zweifelhaftes Essverhalten pflegt, bleibt hier unter dem Aspekt sozialer Üblichkeit unberücksichtigt. 566 In ihrer Untersuchung beobachteten Gillum/ Barsky, JAMA 1974, S. 1563 ff., dass therapeutische Anweisungen zur Änderung eines etablierten Lebensstils signifikant weniger erfüllt wurden als verordnete Medikamenteneinnahmen. Demnach wurde eher eine Behandlung mit Einschränkungen für die Berufstätigkeit hingenommen als Anordnungen, die in die persönlichen Lebensgewohnheiten wie Diätvorschriften oder Änderungen der Trink- und Rauchgewohnheiten eingreifen. 567 Dazu jüngst LG München (02.08.2005 - 1M O 3821/03), n.v., wo es um die Angleichung deutlich asymmetrischer Brüste über eine einseitige Reduktionsplastik ging. Nunmehr zeigt die Brustwarze der operierten Brust gegenüber der anderen Brust leicht nach oben, weil die Stichnaht etwa einen Monat nach dem Eingriff auf einer Länge von 3 cm aufgegangen war und die Sekundärheilung zu einer Verbreiterung der Brustbasis mit konsekutivem Absacken des Brustdrüsenkörpers geführt hat. Das sei dem Frauenarzt aber nicht anzulasten, zumal die Wundheilungsstörung wahrscheinlich auf starkes Rauchen nach der Operation zurückgehe. Vor dem Eingriff wurde die junge Patientin als starke Raucherin darüber informiert, dass sie den Nikotinkonsum einzustellen habe.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

153

tenden Diagnose- oder Therapiefehler und unterbliebenen Schutz- oder Warnhinweisen auszugehen. Da dem Patienten der Ernst und die Entwicklung seines Leidens üblicherweise ebenso wenig bekannt ist wie die Dringlichkeit einer Behandlung oder der zustandsangepassten Lebensweise, muss der Mediziner darüber eingehend informieren568. Andernfalls ist dem Patienten eine Selbstgefährdung gar nicht bewusst. Ein prominentes Beispiel ungenügender Patientenführung ist wohl der Krankheitsverlauf von Jean-Paul Sartre, bei dem offenbar niemals ein ernsthafter Versuch zur Drosselung seines immensen Verbrauchs an Alkohol, Zigaretten, Kaffee und Aufputschmitteln unternommen wurde569. Mangelt es daran, greift das Sanktionspotential nicht und die Rechtssphäre des Patienten wird nicht verkürzt. Ignoriert der Patient die Überweisung an einen Spezialisten oder in ein Krankenhaus, liegt darin nicht stets ein Mitverschulden iSd § 254 Abs. 2 BGB: Stellt der Notarzt wegen eines kompletten Gefäßverschlusses eine Klinikeinweisung aus, ohne die zeitliche Dringlichkeit klarzustellen, ist dem Patienten nicht vorwerfbar, wenn er nicht noch am Abend, sondern erst am folgenden Morgen in das Krankenhaus geht und das betroffene Bein deshalb amputiert werden muss570. Lehnt ein Patient mit atypischen Herzinfarktsymptomen die stationäre Behandlung ab, ohne über eventuelle Folgen belehrt zu werden, und verstirbt wenig später, kann den Erben bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen kein Mitverschulden entgegen gehalten werden571. Dagegen haftet ein Hausarzt nicht für die ¾jährig verzögerte Diagnose bei einer offenen Lungentuberkulose, sofern sein Patient der Aufforderung zur Konsultation eines Facharztes nicht nachgekommen ist572. Dies gilt auch, wenn ein unter akuten Herzbeschwerden leidender Patient ein ihm vorgeschlagenes Belastungs-EKG ohne triftigen Grund nicht ausführen lässt und später einem Herzinfarkt erliegt573. In Anbetracht des Selbstbestimmungsrechts darf der behandelnde Arzt den Patienten nämlich nicht zur gebotenen Untersuchung zwingen.

___________ 568 Vgl. OLG Köln VersR 1992, 1231 ff. und Gordon/ Edwards, S. 31, die darauf hinweisen, dass bis zu 50 % der Patienten beim Verlassen einer Klinik oder (Zahn)Arztpraxis nur sehr bedingt oder gar nicht wissen, wie sie sich im Interesse ihrer Gesundheit zu verhalten haben. 569 Niedergeschrieben wurde sein über 10 Jahre währender, körperlicher und geistiger Verfall aufgrund einer schweren und schlecht kontrollierten Hypertonie und rezidivierender Schlaganfälle von der Lebensgefährtin, vgl. Simone de Beauvoir, Die Zeremonie des Abschieds. 570 BGH NJW 1986, 2367 und in allgemeiner Form Bappert, S. 83. 571 OLG Celle VersR 1985, 346. 572 OLG Braunschweig VersR 1980, 853. 573 OLG München (06.06.2002 - 1 U 5857/01), n.v.

154

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

Bei einer Gemengelage, bestehend aus einem (zahn)ärztlichen Behandlungsoder Aufklärungsfehler und der mangelnden Patientenmitwirkung, vermindert sich die Medizinerhaftung in der Höhe um den vom Patienten zu verantwortenden Beitrag. Raucht also ein Patient weiter, obwohl er über die Schädlichkeit des Nikotinkonsums für die Heilung einer arteriellen Verschlusskrankheit aufgeklärt wurde, und gerät die Gangrän-Erkrankung574 dadurch und wegen einer grob fehlerhaften Behandlung außer Kontrolle, steht einer vollen Haftung des Arztes die Nichtbeachtung der ärztlichen Verhaltensanweisung entgegen575. Der Patient muss sich den Einwand des Mitverschuldens gemäß § 254 Abs. 2 BGB gefallen lassen. Daneben kann auch die Beweislastumkehr infolge eines groben Behandlungsfehlers ausgeschlossen sein, sodass wiederum der Patient die Kausalität des (zahn)ärztlichen Fehlverhaltens für den erlittenen Gesundheitsschaden substantiiert darzulegen und notfalls zu beweisen hat. Die Wiederherstellung der originären Beweislastverteilung kommt indes nur bei einer etwa gleichwertigen Verletzung der Medizinerpflicht und Patientenlast in Betracht, wenn also die Unklarheiten hinsichtlich des Ursachenzusammenhanges wesentlich von der Missachtung medizinischer Anordnungen abhängen576.

7. Zahlung des (zahn)ärztlichen Honorars Normalerweise sprechen die Parteien nicht gesondert über das (Zahn)Arzthonorar, das aber mit Blick auf die Üblichkeit der Vergütung professionell erbrachter Dienstleistungen stillschweigend vereinbart ist und im übrigen über die vom Gesetzgeber geschaffenen, nicht dispositiven Gebührenordnungen für Ärzte und Zahnärzte ausgestaltet wird. Die Gebührenordnung legt den Rahmen der Vergütung in Form von Gebühren577, Entschädigungen578 und Auslagenersatz579 fest, der im Einzelfall unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten, des ___________ 574 Eine Form der ischämischen Nekrose mit Autolyse des Gewebes und Verfärbung durch Hämoglobinabbau, mithin ein fressendes Geschwür, vgl. weitergehend Pschyrembel, Stichwort: Gangrän. 575 OLG Köln NJW 1997, 3099, hat für das Verhalten des Patienten einen Mitverschuldensanteil von ¼ angesetzt. 576 Vgl. dazu BGH MDR 2002, 1120 f.; KG Berlin VersR 1991, 928 f.; OLG Köln VersR 1997, 1102, 1103; OLG Braunschweig VersR 1998, 459, 461. 577 Gebühren iSd § 4 GOÄ/ GOZ sind Vergütungen für (zahn)ärztlichen Leistungen, die in den Abschnitten B-P der Anlage zur GOÄ/ GOZ aufgeführt sind. Zugleich werden damit die allgemeinen Praxiskosten, etwa für die gemieteten Räumlichkeiten, das Personal sowie alle medizinischen Instrumente und Geräte mit abgegolten. 578 Zu den Entschädigungen zählen das Wegegeld bei (Zahn)Arztbesuchen nach § 8 GOÄ/ GOZ sowie die Reiseentschädigung gemäß § 9 GOÄ. 579 Auslagen gemäß § 10 GOÄ bzw. § 9 GOZ umfassen die nicht über die Gebühren mit abgegoltenen Aufwendungen aus Anlass einer medizinischen Tätigkeit.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

155

Zeitaufwandes für die einzelnen Leistungen und der Bedingungen ihrer Ausführungen nach billigem Ermessen zu konkretisieren ist. Da es beim Vollzug des Behandlungsverhältnisses um die sachgerechte medizinische Versorgung des Patienten gegen Honorarzahlung geht, verknüpft der Behandlungsvertrag von (Zahn)Arzt und Patient beide Verhaltensanforderungen zu den synallagmatischen, vertragstypischen Hauptpflichten. Somit schuldet der Patient die Begleichung des nach der Gebührenordnung bemessenen Entgelts580, unabhängig vom Eintritt der erstrebten Leidenslinderung. Hat indes der (Zahn)Arzt infolge eigenen Fehlverhaltens eine Gesundheitsschädigung zu verantworten, kann die Honorarforderung mit dem Schadensersatzanspruch des Patienten aufgerechnet werden. Der Vergütungsanspruch wird nach § 12 Abs. 1 GOÄ bzw. § 10 Abs. 1 GOZ mit Ausstellung einer transparenten, den Mindestinhalt aufweisenden Rechnung fällig, denn erst dies ermöglicht dem Zahlungspflichtigen eine Überprüfung581. Mittlerweile ist die Honorarabrechnung und Forderungseinziehung über Verrechnungsstellen vielfach gängig. Dieser Vorgehensweise liegt die Abtretung des Vergütungsanspruches oder die Erteilung einer Überweisungsermächtigung zugrunde, was beides ohne Einwilligung des Patienten grundsätzlich nichtig ist582. Die Rechnung kann ohne Kenntnis der Erkrankungen und durchgeführten medizinischen Maßnahmen nicht erstellt werden, wodurch die Intimsphäre des Patienten berührt wird. Für die Annahme einer konkludenten Zustimmung zur Weitergabe der Behandlungsunterlagen genügt freilich nicht, dass ein Patient das Entgelt bereits früher nach Kontaktierung durch die Einzugsstelle anstandslos zahlte583, oder sich im Wartezimmer ein Aushang fin___________ 580 Grundsätzlich ist der behandelte Patient als Vertragspartner des (Zahn)Arztes der alleinige Honorarschuldner. Eine Ausnahme bildet die medizinische Versorgung eines Minderjährigen, deren Kosten ausschließlich die Eltern aufgrund der Vertragsgestaltung oder über die §§ 1601 ff. in aller Regel gemeinsam tragen, und der verheiratete Patient, bei dem unter den Voraussetzungen des § 1357 Abs. 1 BGB als zusätzlicher Schuldner der Ehegatte hinzutreten kann. 581 Neuerdings werden (Zahn)Arztrechnungen verstärkt durch die private Krankenversicherung geprüft. Ihre ablehnende Argumentation kann der Patient dem Mediziner als eigene weiterreichen. Kommt es dadurch zu einer Honorarklage, wird der Patient den Versicherer im Wege der Streitverkündigung gemäß den §§ 72 ff. ZPO in den Prozess einbeziehen, um eine Bindungswirkung des Urteils auch ihm gegenüber zu erreichen. Meist unterstützen private Krankenversicherungen den verklagten Patienten, indem ihm ein versierter fachkundiger Rechtsanwalt zur Seite gestellt und er im Fall des Unterliegens von den Behandlungs-, Gerichts- und Anwaltskosten entlastet wird, vgl. Schmidt in: Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht, S. 100, 111 f. 582 BGH NJW 1996, 775. 583 BGH NJW 1992, 2348.

156

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

det584. Da der Patient über den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten entscheidet, kann der (Zahn)Arzt eine Schweigepflichtentbindung für die Bemessung und Beitreibung des Honorars durch Dritte nicht beanspruchen. Der Patient ist daher nicht verpflichtet, seine Erlaubnis zur Forderungsabtretung zu erteilen. Für die Annahme einer Patientenlast fehlt indes ein schutzwürdiges Medizinerinteresse, denn die Vergütung kann auch selbst berechnet und eingefordert werden. Daher ist die Übertragung dieser Aufgaben auf eine gesonderte Stelle nicht zwingend und befreit den (Zahn)Arzt allenfalls von einer unliebsamen Arbeit.

VI. Mitwirkungserfordernisse des Kassenpatienten Vielfach ist der Vertrags(zahn)arzt bei der medizinischen Versorgung eines Kassenpatienten ähnlich wie sein niedergelassener Kollege auf die Mitarbeit des von ihm Behandelten angewiesen. Das Maß der Mitwirkungsverantwortung des Kassenpatienten im Rahmen einer Behandlung nach den §§ 20 ff. SGB V soll weitgehend parallel zu den fallgruppenbezogenen Betrachtungen für den Privatpatienten untersucht werden. Dabei sind die zuvor gewonnenen Erkenntnisse durch den verbliebenen inhaltlichen Unterschied der Behandlungsverträge als Rechtsgrund für eine Teilhabeverantwortung der Patienten nicht vollständig und vor allem undiskutiert übertragbar. Auch der Vertrags(zahn)arzt und Kassenpatient schließen zwar nach eigener Meinung einen privatrechtlich zu beurteilenden Behandlungsvertrag, der allerdings nicht den §§ 611 ff. BGB wie beim Privatpatienten unterfällt. Weil die sozialrechtlichen Determinanten einer vertraglichen Absicherung nicht bedürfen, umfasst der Vertrag sui generis bei der Behandlung eines Kassenpatienten nur die Umsetzung der medizinischen Versorgung iSd §§ 20 ff. SGB V und gewährleistet ansonsten vor allem wechselseitigen Schutz, Loyalität und Rücksichtnahme. Für den vertrags(zahn)ärztlichen Behandlungsvertrag enthält das BGB keine Vorgaben, sodass Patientenpflichten und -lasten ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart oder aufgrund ihrer Situationsgebundenheit hauptsächlich im Zuge der ergänzenden Vertragsauslegung ermittelt werden müssen. In jedem Falle dürfte die Auslegung im Vordergrund stehen, wobei die schutzwürdigen Belange beider Seiten abzuwägen sind.

___________ 584

OLG Düsseldorf NJW 1994, 2421.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

157

1. Vorlage der Krankenversicherungskarte Grundsätzlich muss der Kassenpatient seine Krankenversicherungskarte dem Vertrags(zahn)arzt nach § 15 Abs. 2 SGB V im jeweiligen Quartal vor der ersten Behandlungsaufnahme oder -fortsetzung vorzeigen und darf sie nur ausnahmsweise in dringenden Fällen gemäß § 13 Abs. 5 SGB V nachreichen. Zum einen weist er dadurch seine Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen im Rahmen einer vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung unter gleichzeitiger Freistellung von anfallenden, notwendigen Behandlungskosten nach, andererseits wird der Vertrags(zahn)arzt erst auf diese Weise zur Honorarabrechnung mit der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung legitimiert. Fraglich ist, inwieweit das in § 15 Abs. 2 SGB V begründete Gebot zur Vorlage der Versichertenkarte eine vertragliche Entsprechung findet und welche Folgen die Nichtbeachtung dieser Verhaltensnorm und die Vorlage einer Versichertenkarte trotz fehlender Berechtigung auslösen. Angesichts der Ausweis- und Legitimationsfunktion ist ein Vertrags(zahn)arzt auf die Aushändigung der Krankenversichertenkarte angewiesen, weil er nur infolgedessen seinen Vergütungsanspruch gegenüber der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung geltend machen kann. Diese an den Kassenpatienten gerichtete Verhaltensnorm ist öffentlich-rechtlich nicht hinreichend ausgestaltet, sodass eine vertragliche Vereinbarung notwendig wird. Die sozialrechtlichen Regelungen im Zusammenhang mit dem Nichtvorzeigen der Versichertenkarte, die weitgehend in § 18 Abs. 8 Nr. 1, Abs. 9 BMV-Ä und den §§ 4 Abs. 5 lit. a; 8 Abs. 4 BMV-Z zu finden sind, erzeugen keine Bindungswirkung zulasten der Parteien des Behandlungsverhältnisses, sondern weisen auf die Möglichkeit einer Direktliquidation in dieser Zwei-Personen-Beziehung hin585. Denn die Bundesmantel- und Gesamtverträge statuieren lediglich relatives, also auf die Vertragspartner beschränktes Recht586. Durch den gesonderten Abrech___________ 585 In dieser Weise AG Köln NJW 1990, 2939 f.; Eberhardt, AcP 171, S. 289, 317. A.A. wohl AG Köln NJW 1995, 789 f. 586 Der eigentliche inter-partes-Geltungsbereich der Bundesmantelverträge, die zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Kassen(zahn)ärztlichen Bundesvereinigung geschlossen werden, wird über die §§ 82 Abs. 1 Satz 2; 83 Abs. 1 Satz 1 SGB V jedoch auf die einzelnen Krankenkassen erstreckt und ist gegenüber den Vertrags(zahn)ärzten gemäß § 95 Abs. 3 Satz 2 SGB V sowie wegen der mittelbar normativen Ausweitung iSd § 81 Abs. 3 Nr. 1 SGB V anwendbar. Vergleichbare Regelungen finden sich für den Kassenpatienten weder im SGB V noch in den Satzungen der Krankenkassen, sodass die öffentlich-rechtlichen Verträge einem sozialversicherten Patienten keine Pflichten oder Lasten auferlegen können, so auch SG Düsseldorf MedR 2005, 426, 428; zur indirekten Wirkung Krauskopf in: Krauskopf, § 82 SGB V Rn. 4.

158

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

nungsmodus bei einer vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung muss der Mediziner indes wissen, ob er einen Privat- oder Kassenpatienten behandelt, was mit der Vorlage einer Krankenversicherungskarte leicht klargestellt werden kann. Der Kassenpatient ist daher kraft des Behandlungsvertrages verpflichtet, seine Krankenversichertenkarte vor der quartalsbezogen ersten Behandlungsmaßnahme vorzuzeigen587. Welche rechtlichen Konsequenzen aus einer Pflichtverletzung resultieren können, ist Gegenstand der folgenden Überlegungen. Dabei kann es vorkommen, dass die Verhaltensanforderung vom Kassenpatienten ignoriert wird oder der Behandelte trotz eines beendeten oder nie existenten Versicherungsverhältnisses im Besitz einer Krankenversicherungskarte ist und darüber eine vertrags(zahn)ärztliche Beratung oder Versorgung bezogen hat.

a) Versäumte Aushändigung der Krankenversicherungskarte Lässt sich ein Kassenpatient vertrag(zahn)ärztlich behandeln, ohne seine Krankenversicherungskarte im Quartal vorgelegt zu haben, erhält der Vertrags(zahn)arzt seine Vergütung von der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung nur bei einem gewissen Engagement. Den erforderlichen Behandlungsnachweis sendet die Krankenkasse gemäß § 19 Abs. 3 Satz 3 BMV-Ä bzw. § 8 Abs. 6 BMV-Z nämlich nur, nachdem der Kassenpatient zur Vorlage seiner Versichertenkarte erfolglos schriftlich aufgefordert wurde. Aufgrund dieser Abrechnungserschwerung und etwaiger Zweifel, ob Krankenversicherungsschutz überhaupt besteht, ist im Moment des Vertragsschlusses noch nicht absehbar, ob die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung die medizinische Versorgung bezahlen wird. In solchen Fällen sprechen die Behandlungsparteien über einen direkt gegen den Patienten gerichteten Entgeltanspruch und vereinbaren ihn auflösend bedingt durch das Nachreichen der Versichertenkarte588. Die Befolgung dieser Verhaltensanforderung lässt die Honorarzahlungspflicht des Patienten entfallen. Andernfalls muss er die Vergütung wie ein Privatpatient auf vertraglicher Basis selbst begleichen. Ergänzend oder auch vordergründig spielt ferner der Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB eine Rolle, der eine schuldhafte Pflichtverletzung und einen dadurch entstandenen Schaden erfordert. Weist der Kassenpatient vorsätzlich oder fahrlässig seine Kassenmitgliedschaft im Quartal nicht ___________ 587 Ebenso AG Köln NJW 1990, 2939 f.; Eberhardt, AcP 171, S. 289, 319; Michael in: Bundesministerium der Justiz, S. 1049, 1066, 1097. 588 So auch Krause, SGb 1982, S. 425, 431.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

159

durch Vorlage der Krankenversicherungskarte nach, vereitelt er die Honorarabrechnung auf vertrags(zahn)ärztlicher Basis. Infolgedessen erleidet der Vertrags(zahn)arzt eine finanzielle Einbuße in Höhe dessen, was von der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung als Vergütung gezahlt worden wäre, zuzüglich Mahnkosten und sonstiger Auslagen. Wird die Versichertenkarte während des Kalendervierteljahres vorgelegt und damit eine Beteiligung am Vergütungsverfahren der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung ermöglicht, liegt hingegen kein Schaden vor. Ob der Vertrags(zahn)arzt jedoch vor Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches jede Möglichkeit zur Teilnahme am Verteilungsverfahren der Gesamtvergütung ausschöpfen muss, erscheint fraglich. So könnte er den nötigen Behandlungsnachweis unmittelbar bei der Krankenkasse anfordern, wodurch die Schadensersatzpflicht des Kassenpatienten überwiegend abzuwenden sein dürfte. Auch wenn die Bundesmantelverträge kein derartiges Rangverhältnis zwischen den §§ 18 Abs. 8 Nr. 1 BMV-Ä bzw. §§ 4 Abs. 5 lit. a; 8 Abs. 4 BMV-Z und den §§ 19 Abs. 3 Satz 3 BMV-Ä bzw. § 8 Abs. 6 BMV-Z vorsehen, hängt dies maßgeblich von § 254 BGB ab. Danach obliegt dem Geschädigten unter anderem eine Schadensabwendung, weshalb der Vertrags(zahn)arzt zuerst den Kassenpatienten erinnern muss, seine Versichertenkarte vorzulegen. Kommt der Kassenpatient dieser Mahnung nicht nach, hat sich ein Mediziner nachrangig an die Krankenkasse zu wenden. Eine Mitverursachung des Schadens durch den Vertrags(zahn)arzt scheidet folglich erst dann aus, wenn die Krankenkasse trotz Anfrage keinen Behandlungsnachweis übermittelt589. Dieser Prozedere führt dazu, dass Kassenpatienten wegen der versäumten Vorlage der Versichertenkarte wohl selten schadensersatzpflichtig sind. Das verstärkt wiederum die Notwendigkeit eines separat vereinbarten, gegen den Kassenpatienten gerichteten Honoraranspruches.

b) Vorlage der Versichertenkarte trotz Nichtberechtigung Übergibt ein nicht gesetzlich krankenversicherter Patient vor der Behandlung eine Versichertenkarte, wie sie normalerweise nur der wirklich Krankenversicherte besitzt, spricht alles für eine sozialrechtliche Ausrichtung der medizinischen Versorgung. Im Vertrauen darauf macht sich der Vertrags(zahn)arzt regelmäßig keine Gedanken über später eventuell auftretende Abrechnungsprobleme mit der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung und der Nützlichkeit eines vertraglichen vereinbarten Honoraranspruches. ___________ 589 Vergleichbar AG Köln NJW 1995, 2939 f. und Eberhardt, AcP 171, S. 289, 319. Anders aber AG Köln NJW 1995, 789 f.

160

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

Mit Aushändigung eines zu Unrecht ausgestellten Behandlungsausweises setzt die Krankenkasse einen zurechenbaren Rechtsschein, sodass sie dem Vertrags(zahn)arzt gemäß § 19 Abs. 8 BMV-Ä bzw. § 8 Abs. 7 BMV-Z gegen Abtretung der Ersatzansprüche in Höhe der angefallenen Kosten haftet, wenn kein offensichtlicher, also erkennbarer Missbrauch vorliegt. Im Ergebnis zahlt doch der Patient die Vergütung, die entweder sein (Zahn)Arzt direkt einfordert oder vermittelt über die zunächst haftungsrechtlich einstehende Krankenkasse geltend gemacht wird. Das Verlangen des Vertrags(zahn)arztes kann auf eine condictio indebiti iSd §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1; 818 Abs. 2 BGB gestützt werden, da für die Leistungsgewährung ein Rechtsgrund fehlt. Dieser Anspruch wäre auch dann gegeben, wenn der Patient redlich war und auf den Krankenversicherungsschutz vertraute. Kennt er indes seine Nichtberechtigung treten als weitere Anspruchsgrundlagen § 311 Abs. 2 Nr.1 BGB; § 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB und § 826 BGB hinzu. Die Höhe des Wert- oder Schadensersatzes bestimmt sich danach, was für die Behandlung auf Basis der Gebührenordnung für (Zahn)Ärzte abgerechnet werden kann, denn schließlich geht es um eine privat(zahn)ärztliche Versorgung.

2. Zahlung der Praxisgebühr Mit Wirkung zum 1. Januar 2004 wurde die sogenannte Praxisgebühr eingeführt590, die ihre rechtliche Grundlage in § 28 Abs. 4 SGB V findet. Danach müssen Versicherte ab vollendetem 18. Lebensjahr vor der ersten (zahn)ärztlichen oder psychotherapeutischen Behandlung im Kalendervierteljahr eine Zuzahlung von 10,00 € an den Leistungserbringer, also einen Vertrags(zahn)arzt oder Vertragspsychotherapeuten entrichten591. Über diese Kostenbeteiligung sollen einerseits Mehrfachkonsultationen ohne Überweisung vermieden und zum anderen die Finanzsituation der gesetzlichen Krankenversicherung konsolidiert werden592. Für Vorsorgeleistungen wie Schutzimpfungen gemäß § 23 Abs. 9 SGB V, Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten nach § 25 SGB V, zahnärztliche Kontrollen iSd § 55 Abs. 1 Satz 4, 5 SGB V und für die Schwangerenbetreuung nach § 196 Abs. 1 RVO fällt nach § 28 Abs. 4 ___________ 590 Vgl. das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 (BGBl I 2003, S. 2190 ff.). 591 Zur Frage einer etwaigen Verfassungswidrigkeit ausführlich Linke, NZS 2004, S. 186 ff. Dabei ist vor allem auch die soziale Abfederung der Praxisgebühr zu beachten, denn gemäß § 62 Satz 1, 2 SGB V darf die Summe sämtlicher Zuzahlungen 2 %, bei chronisch Kranken 1 % des Bruttoeinkommens nicht überschreiten. 592 BT-Drucks. 15/1525, S. 83.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

161

Satz 2 SGB V keine Praxisgebühr an593. Auf diese Weise will der Gesetzgeber sicherstellen, dass präventive Maßnahmen nicht angesichts der finanziellen Belastung des Versicherten unterbleiben. Die Praxisgebühr, die laut gesetzlicher Vorgabe der §§ 28 Abs. 4; 61 Satz 2 SGB V derzeit 10,00 € beträgt, muss jeder volljährige Versicherte vor der ersten Behandlung im Quartal an den Vertrags(zahn)arzt zahlen594, außer er kann eine Überweisung vorlegen. Die Beträge dürfen die Leistungserbringer gemäß § 43 b Abs. 2 SGB V einbehalten, wobei sie auf deren Honoraranspruch angerechnet werden595. Da die Krankenkasse ihre Vertrags(zahn)ärzte nicht unmittelbar, sondern vermittelt über die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung vergütet596, handelt es sich bei der Praxisgebühr eigentlich um eine Leistung an die Krankenkasse. Dennoch ist auch der Vertrags(zahn)arzt an dieser Zuzahlung interessiert, zumal sie Teil seines Arbeitslohnes ist und er darauf wegen § 18 Abs. 1 Satz 2 BMV-Ä bzw. § 8 a Abs. 2 BMV-Z nicht verzichten darf. Da allerdings auch tatsächlich nicht erhaltene Beträge auf fiktiver Basis berücksichtigt werden597 und darüber hinaus die Geltendmachung einer verweigerten Praxisgebühr durch die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung im sozialgerichtlichen Klageverfahren nicht prozessökonomisch erscheint598, ist eine zusätzliche, privatrechtliche Zahlungsvereinbarung zwischen Vertrags(zahn)arzt und Kassenpatient unabdingbar. Demzufolge besteht eine doppelte Pflicht des Kassenpatienten zur Zahlung der Praxisgebühr, nämlich sowohl gegenüber der Krankenkasse nach § 28 Abs. 4 SGB V als auch im Verhältnis zum Vertrags(zahn)arzt. Übergibt der Kassenpatient vor seiner Behandlung keine 10,00 €, kann eine ___________ 593 Sofern jedoch bei einer Vorsorgeuntersuchung zusätzliche andere Leistungen wie etwa eine Zahnfüllung erbracht werden, ist die Praxisgebühr aus Gleichheitsgründen zu zahlen; in diesem Sinne Höfler in: Kasseler Kommentar, § 28 SGB V Rn. 35. Anders hingegen der Gesundheitsausschuss, vgl. BT-Drucks. 15/1600, S. 10. 594 Dass die Erstbehandlung von der Entrichtung der Praxisgebühr abhängig gemacht werden kann, ergibt sich aus § 28 Abs. 4 SGB V iVm § 13 Abs. 7 BMV-Ä bzw. § 8 a Abs. 10 BMV-Z. 595 Problematisch ist, ob dies ebenfalls gilt, wenn die Praxisgebühr ohne Verschulden des Vertrags(zahn)arztes, etwa bei akuter Behandlungsbedürftigkeit, vor der (zahn)ärztlichen Versorgung nicht entrichtet wurde oder später nicht eingezogen werden konnte. Wenn § 43 b Abs. 2 Satz 2 SGB V von einbehaltenen Zuzahlungen spricht, sind aber nur solche gemeint, die unter Beachtung der Rechtsvorschriften durch die Leistungsträger hätten eingezogen werden müssen. In Notfällen darf die Zuzahlung gemäß § 18 Abs. 3 BMV-Ä bzw. § 8 a Abs. 7 BMV-Z nach der Inanspruchnahme verlangt werden, womit eine Uneinbringlichkeit riskiert wird. In derartigen Fällen wäre es unbillig, den Leistungserbringer das Insolvenzrisiko seines sozialversicherten Patienten aufzuerlegen; ähnlich Höfler in: Kasseler Kommentar, § 43 b SGB V Rn. 13. 596 Siehe dazu die kurzen Ausführungen unter F VIII. 597 Höfler in: Kasseler Kommentar, § 43 b SGB V Rn. 13. 598 Vgl. dazu Anm. Kazemi, MedR 2005, S. 426 f.

162

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

medizinische Versorgung über § 273 Abs. 1 BGB verweigert werden, denn die Zuzahlung wird sofort fällig599. Davon ausgenommen sind gemäß § 18 Abs. 3 BMV-Ä bzw. § 8 a Abs. 7 BMV-Z Situationen akuter Behandlungsbedürftigkeit, wo die Zuzahlung nach der Konsultation erhoben werden kann und innerhalb von 10 Tagen zu leisten ist.

3. Wahrnehmung eines vereinbarten Behandlungstermins Zunehmend kann im Fernbleiben und der Unpünktlichkeit eines Kassenpatienten zur terminierten, fest in den Sprechstundenablauf eingeplanten Behandlung keine Ausnahmeerscheinung mehr gesehen werden. Deshalb interessiert, wer den Honorarausfall des Vertrags(zahn)arztes zu tragen hat. Da lediglich tatsächlich entstandene Behandlungskosten auf die Sozialversicherungsgemeinschaft übergeleitet werden, tritt sie nicht auch für eine persönlich zu verantwortende Nachlässigkeit des Einzelnen wie bei einem versäumten Behandlungstermin ein600. Erscheint der Kassenpatient zum vereinbarten Termin nicht, kann sich der Vertrags(zahn)arzt wegen der Störung seines Arbeitsablaufes möglicherweise allein an den Bummelanten halten. Somit ist zu klären, ob und gegebenenfalls welche Handhabe ihm gegen den säumigen Patienten zusteht. Das Ausbleiben oder zeitlich verzögerte Erscheinen zum Behandlungstermin kann rechtlich nur sanktioniert werden, wenn dem Kassenpatienten im Zusammenhang mit der Wahrnahme eines Termins die Teilhabe vertraglich geboten ist.

a) Erscheinen zur vereinbarten Zeit Ähnlich wie beim Privatpatienten erörtern Rechtsprechung und Lehre nicht die Pflicht oder Last des Kassenpatienten im Zusammenhang mit der Wahrnehmung eines Behandlungstermins, sondern konzentrieren sich auf die rechtliche Ableitung eines Ersatzanspruches, falls der Mediziner in der Auszeit keinen anderen Patienten versorgt hat. Auch wenn diese praxisorientierte Problemlösung zumindest mittelbar die Rechtsnatur der Patientenmitwirkung vorgibt, geht es bei der eigenen Positionierung vordergründig um die dogmatisch begründete Erfassung der Teilhabe des Kassenpatienten. ___________ 599

Diese Rechtsfolge findet sich zudem in § 13 Abs. 7 Satz 1 BMV-Ä und § 8 a Abs. 10 BMV-Z, was jedoch wegen der relativen Geltung der Bundesmantelverträge nicht zulasten des Kassenpatienten wirken kann; vgl. dazu nochmals Fn. 586. 600 Vgl. BSGE 31, 33, 36 sowie LSG Hamburg Breithaupt 1969, 924; LSG Hessen Breithaupt 1973, 863.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

163

aa) Meinungsstand von Lehre und Rechtsprechung Ganz überwiegend wird im Arztrecht nicht zwischen Privat- und Kassenpatienten unterschieden, sodass Erörterungen in Abhängigkeit vom Patientenstatus entsprechend rar sind. Für die Wahrnahme eines Behandlungstermins gerade durch den Kassenpatienten finden sie sich jedoch vereinzelt, wobei einige Besonderheiten gegenüber dem Privatpatienten herausgearbeitet werden. Sofern als Anspruchsgrundlage für den Honorarausfall des Vertrags(zahn)arztes wiederum auf § 615 Satz 1 BGB abgestellt wird, stellt sich neben den bereits erwähnten Schwierigkeiten das Problem der Einschlägigkeit dieser Vorschrift. Die verschiedenartige Deutung der sozialrechtlichen Behandlungsbeziehung als gesetzliches, öffentlich-rechtliches oder privatrechtliches Schuldverhältnis soll darauf keinen Einfluss haben, da der Anwendungsbereich des § 615 Satz 1 BGB jedenfalls über § 76 Abs. 4 SGB V eröffnet sei601. Allerdings hält § 615 Satz 1 BGB den Entgeltanspruch trotz Nichterbringung der geschuldeten Leistung bei einem Annahmeverzug des Dienstberechtigten lediglich aufrecht. Der Kassenpatient ist aber nicht Honorarschuldner; vielmehr begleicht die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung alle notwendigen Behandlungskosten. Obwohl die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung für eine Terminsäumnis nicht einsteht und die Behandlungsparteien normalerweise keine Liquidation vereinbaren, soll § 615 Satz 1 BGB dennoch als Anspruchsgrundlage anwendbar sein. Begründet wird das entweder mit einer stets gegebenen Honorarabsprache602, ihrer stillschweigenden Vereinbarung603 oder der Vereitelung einer Teilnahme an der öffentlich-rechtlichen Honorarverteilung604. Diese Auffassungen implizieren wie schon beim Privatpatienten jeweils eine Last des Kassenpatienten, zum Termin zu erscheinen. Ein besonderes Augenmerk gilt den folgenden Rechtsprechungsfällen, die womöglich eine neue Richtung ankündigen: Das LG Hannover605 hat der Klage eines Vertragszahnarztes über 2098,51 DM für das Nichterscheinen der Kassenpatientin zu mehreren Behandlungsterminen teilweise stattgegeben, indem es auf der Grundlage eines durchschnittlichen Kostenfaktors von 200,00 DM je Praxisstunde Schadensersatz ___________ 601 Vgl. Haus, S. 112; Nentwig, S. 47 f.; Rehborn, S. 49 sowie Tiemann, Das Recht in der Arztpraxis, S. 199. 602 In diesem Sinne Buddee, S. 167. 603 Dafür Tadsen, ZM 1975, S. 231, 232. Kritisch hingegen Pohl, ZM 1966, S. 265, 267 und AG Aurich ZM 1975, 213. 604 So Kiesecker in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, 5410 Rn. 6. 605 Berufungsurteil vom 11.06.1998 - Az.: 19 S 34/97 (NJW 2000, 1799 f.).

164

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

in Höhe von 700,00 DM zusprach. Bei terminierten Maßnahmen mit einer längeren Behandlungsdauer treffe den Kassenpatienten eine Mitwirkungsund Sorgfaltspflicht. Demnach sei die beklagte Kassenpatientin zur Beachtung des Termins verpflichtet gewesen, falls sie ihn nicht rechtzeitig abgesagt habe. Ähnlich verneinte das AG Tettnang606 beim Nichterscheinen eines Kassenpatienten zur geplanten Entfernung des Weisheitszahnes den Anspruch aus § 615 Satz 1 BGB in Höhe 310,03 DM, verurteilte jedoch den Kassenpatienten zur Zahlung von 160,00 DM aus pVV unter einer abstrakter Schadensberechnung. Mangels eines gegen den Kassenpatienten gerichteten Honoraranspruches finde § 615 BGB keine Anwendung, denn der Entgeltanspruch könne gerade nicht aufrechterhalten werden. Der Patient sei beim Ausbleiben zum vereinbarten Termin aber verpflichtet, diesen rechtzeitig abzusagen. Komme er dem schuldhaft nicht nach, hafte er für den Schaden des Mediziners, der im entgangenen Roherlös liege. Unklar bleibt, ob die Annahme einer Patientenpflicht im Zuge einer Terminabsprache als Sonderweg für den Kassenpatienten zu werten ist, um den Rückgriff auf § 615 Satz 1 BGB zu vermeiden, oder in einem allgemeingültigen Sinne verstanden werden darf. Würde für den Privatpatienten jedoch weiter § 615 Satz 1 BGB herangezogen, stünde ein Kassenpatient mit seiner verschuldensabhängigen Schadensersatzpflicht besser als der Privatpatient607. Denn nach § 615 Satz 1 BGB wäre der Patient auch ersatzpflichtig, wenn er die Terminsäumnis nicht verschuldet hat.

bb) Eigene Sichtweise Die eigene Ansicht zu den Pflichten und Lasten des Privatpatienten bei der Wahrnahme eines Termins müsste bei einer punktuellen Deckungsgleichheit der Behandlungsverträge an dieser Stelle aufgegriffen werden. Das Rechtsverhältnis des Vertrags(zahn)arztes und Kassenpatienten entspricht dem privatmedizinischen Behandlungsvertrag, wenn die Dispositionsfreiheit des Vertrags(zahn)arztes nicht sozialrechtlich geschützt oder präformiert ist. Dann müsste sie als berechtigtes Interesse nämlich vertraglich abgesichert werden, sodass auch der Kassenpatient zwecks verlässlicher Planung des Sprechstundenverlau___________ 606

Urteil vom 22.05.1999 - Az.: 7 C 719/98 (MedR 2002, 155 f.). Aus Gleichstellungsgründen bejahen Wertenbruch, MedR 1991, S. 167, 170 und Kiesecker in: Rieger, Lexikon des Arztrechts, 5410 Rn. 6, daher die Anwendung des § 615 Satz 1 BGB auch zum Nachteil des Kassenpatienten. 607

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

165

fes verpflichtet wäre, einen vereinbarten Termin abzusagen, sofern er nicht kommen kann oder will. Da Krankenkassensatzungen das Beachten von Behandlungsterminen nicht gebieten608 und demzufolge der nahtlose Behandlungsvollzug durch den Vertrags(zahn)arzt öffentlich-rechtlich nicht geregelt ist, unterscheidet sich die Vertragsgestaltung beim Privat- und Kassenpatienten hinsichtlich der Terminvereinbarungen nicht. Daher muss auch ein Kassenpatient rechtzeitig mitteilen, dass er zum vereinbarten Termin nicht kommen wird. Auf diese Weise wird dem Planungsinteresse des Vertrags(zahn)arztes umfassend genügt, sodass für eine Erscheinenslast kein Raum bleibt und eine Erscheinenspflicht ohnehin am Selbstbestimmungsrecht scheitert. Sagt der Kassenpatient den vereinbarten Behandlungstermin schuldhaft nicht rechtzeitig ab, kann der Vertrags(zahn)arzt seinen Verweilschaden nach § 280 Abs. 1 BGB ersetzt verlangen. Die abstrakte Schadensberechnung orientiert sich an den individuellen Praxiskosten unter Anrechnung des Honorars, das für eine zwischenzeitlich ausgeführte, anderweitige Behandlung erzielt oder vom Vertrags(zahn)arzt böswillig zu verdienen unterlassen wurde. Die eigene Ansicht führt automatisch zu einer Gleichstellung des Privat- und Kassenpatienten. Beiläufig wird die Anwendung des für das Behandlungsverhältnis höchst problematischen § 615 Satz 1 BGB entbehrlich. Seine Dimension für den (Zahn)Arzt-Patienten-Kontakt würde sich erst bei der Ausführung einer medizinischen Versorgung vollends entfalten und dort dieselbe Teilhabelast erzwingen wie bei der Wahrnahme eines vereinbarten Konsultationstermins, nämlich nicht nur zu erscheinen, sondern sich auch der Behandlung zu stellen und dabei gegebenenfalls zu kooperieren. Dadurch wäre freilich eine autonome Patientenentscheidung nicht gewährleistet und mithin das Selbstbestimmungsrecht beeinträchtigt.

b) Verspätetes Erscheinen zum Behandlungstermin Wie soeben deduziert, wirkt sich der Patientenstatus punktuell auf den Inhalt der Behandlungsverträge nicht aus, sodass die Ausführungen zum zeitlich verzögerten Erscheinen ebenfalls eins zu eins vom Privat- auf den Kassenpatienten übertragen werden können. Auch den Kassenpatienten trifft daher die Pflicht, eine voraussichtlich mehr als 15minütige Verspätung dem Vertrags(zahn)arzt alsbald bekannt zu geben. Dies ermöglicht dem Vertrags(zahn)arzt eine sinnvolle Nutzung seiner Zeit und schützt somit das Planungsinteresse, ohne den Kassenpatienten über Gebühr zu belasten. Denn normalerweise ver___________ 608

In diese Richtung geht der Vorschlag von Martens, DMW 1974, S. 311 f.

166

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

ursacht ein Anruf in der Praxis keine große Mühe, was gewiss für schon lange absehbare Verspätungen und im Zeitalter der Mobiltelefone auch bei kurzfristigen Zwischenfällen gilt.

4. Vermeidung von Schädigungen im Rahmen des Aufsuchens einer Vertrags(zahn)arztpraxis bzw. beim Hausbesuch Der Vertrags(zahn)arzt kann beim Aufsuchen seiner Praxis durch den Kassenpatienten sowie beim umgekehrten Hausbesuch auf vielfältige Weise in der Rechtssphäre tangiert werden. So wird eine Schädigung entweder durch übersteigerte Abwehrreaktionen des Patienten während einer diagnostischen Untersuchung oder therapeutischen Maßnahme oder infolge desolater Zustände des häuslichen Herrschaftsbereiches ausgelöst. Ob der Kassenpatient gehalten ist, eine Verletzung der Rechtsgüter seines Vertrags(zahn)arztes zu vermeiden, soll kurz geprüft werden. Das vertrags(zahn)ärztliche Behandlungsverhältnis ist schwerpunktmäßig gerade auf die Absicherung wechselseitiger Schutzbelange während der Durchführung einer Behandlung ausgerichtet. Mithin müssen sich beide Parteien so verhalten, dass keine Schäden an den Rechts-, Sach- und Vermögensgütern ihres Gegenübers entstehen. Das gilt auch für den Kassenpatienten uneingeschränkt, da das Selbstbestimmungsrecht durch das Gebot zur Rücksichtnahme und zum sorgfältigen Umgang mit den gegnerischen Interessen nicht berührt ist. Insoweit ist von einer vertraglichen Nebenpflicht auszugehen, weshalb sich der Kassenpatient ebenfalls am Grundsatz des partem non laedere zu orientieren hat. Da die Ableitung dieser Patientenpflicht aus dem Behandlungsvertrag keine sonderliche Schwierigkeit bereitet, bedarf es daneben nicht des Rückgriffes auf § 618 Abs. 1 BGB. Die dienstvertragliche Regelung könnte ohnehin nur analog und im Übrigen nur für den Bereich des Hausbesuches herangezogen werden, was jedoch keinen Zugewinn brächte. Missachtet der Kassenpatient schuldhaft seine vertragliche Pflicht zum Schutz der Personen- und Vermögensgüter des Vertrags(zahn)arztes beim Aufsuchen der Praxis oder im Zuge des Hausbesuches, greift der Schadensersatzanspruch des § 280 Abs. 1 BGB ein.

5. Hinweise und Informationen durch den Kassenpatienten Häufig ist der Vertrags(zahn)arzt ebenso wie der niedergelassene Mediziner auf die Beteiligung seines Kassenpatienten angewiesen. Die rechtlichen Mit-

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

167

wirkungserfordernisse des Privat- und Kassenpatienten stimmen insoweit überein, wie deren Behandlungsverhältnisse gleichlaufend sind. Folglich wäre das schon eruierte Pflichten- und Lastenkonglomerat für die Offenbarung behandlungsrelevanter Fakten durch den Privatpatienten übertragbar, wenn für das vertrags(zahn)ärztliche Behandlungsverhältnis ein vergleichbarer Bedarf an Auskunftsbereitschaft des Kassenpatienten besteht. Davon ist mangels sozialrechtlicher Sonderheiten und wegen des identischen Schutzinteresses seitens des Vertrags(zahn)arztes auszugehen. Unter welchen Bedingungen eine Informationspflicht oder -last anzunehmen ist, wird daher nochmals aufgezeigt. Nur ausnahmsweise besteht eine Pflicht des Kassenpatienten, seinen Vertrags(zahn)arzt auf Anfrage oder sogar unaufgefordert über behandlungswesentliche Dinge informieren zu müssen. In aller Regel kann der Vertrags(zahn)arzt solche Mitteilungen nicht beanspruchen, weil der Kassenpatient über die Preisgabe personenbezogener Daten selbst entscheidet. Droht jedoch dem Mediziner infolge einer ihm nicht zurechenbaren, vom Kassenpatienten leicht zu beseitigenden Unkenntnis eine Beeinträchtigung eigener hochrangiger Rechtsgüter, ist der Interessenwiderstreit nach dem Prinzip des schonenden Ausgleichs aufzulösen. Eine beiderseitige Grundrechtsakzentuierung ist anzunehmen, wenn ein Patient an einer ansteckenden Erkrankung mit schwerer Verlaufsform wie bei der Aids- oder Hepatitisinfektion leidet. Sodann fallen die Gesundheitsgefährdung des Mediziners, aber auch seine Personalverantwortung und das Ansteckungsrisiko für andere Patienten ins Gewicht. Weitgehend beherrschbar ist diese Situation, wenn alle Schutzmaßnahmen angewendet werden. Die Bekanntgabe der Erkrankung schafft ein Bewusstsein für das unbedingte Einhalten des hygienischen Höchststandards und lässt Instruktionen an die Hilfskräfte zu, sodass weite Kreise über präventive Vorkehrungen geschützt und die Krankheitsausweitung vermieden werden kann. Andererseits tangiert die Information das Persönlichkeitsrecht des Patienten. Durch die vertrags(zahn)ärztliche Schweigepflicht, worüber der um die Krankheit wissende Personenkreis beschränkt ist609, droht keine Stigmatisierung des Betroffenen. Der Eingriff in die Intimsphäre ist damit auf das nötige Maß begrenzt. Eine Abwägung aller Belange ergibt folglich das Überwiegen der vertrags(zahn)ärztlichen Schutzinteressen, sodass eine vertragliche Informationspflicht des Kassenpatienten anzunehmen ist. ___________ 609 Zur Problematik, wem gegenüber die Schweigepflicht durchbrochen werden darf vgl. Heberer/ Mößbauer, MedR 2004, S. 138, 139 f.

168

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

Der Kassenpatient ist also vertraglich verpflichtet, eine Infektionskrankheit auf Nachfrage wahrheitsgetreu anzugeben und darauf auch schon von sich aus hinzuweisen. Verletzt er diese Pflicht und damit das Vertrauensverhältnis vorwerfbar, ist der Vertrags(zahn)arzt berechtigt, die Behandlung in Analogie zu den §§ 626; 627 BGB und dem § 13 Abs. 7 BMV-Ä bzw. § 4 Abs. 7 BMV-Z zu beenden. Hat sich der Vertrags(zahn)arzt bewiesenermaßen selbst infiziert, kann er gemäß den §§ 280 Abs. 1; 253 Abs. 2 oder den §§ 823; 253 Abs. 2 BGB Schadensersatz und Schmerzengeld verlangen. Grenzt man die Verantwortungsbereiche beider Behandlungsparteien zueinander ab, beschwert den Kassenpatienten insoweit eine Mitteilungslast, als dem Vertrags(zahn)arzt wesentliche Fakten trotz Erfüllung seiner Diagnose- sowie Behandlungspflicht unbekannt bleiben. Grundsätzlich muss sich der Mediziner von den symptomatischen Beschwerden und jeweiligen Besonderheiten seines Patienten einen eigenen Eindruck verschaffen, nötige Befunde erheben oder absichern und indizierte Heilmaßnahmen einleiten. Mitunter sind behandlungserhebliche Tatsachen aber nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen zu ermitteln oder nicht naheliegend, sodass einem Vertrags(zahn)arzt leicht ein Diagnose- und Behandlungsfehler unterlaufen kann. Eine Zusammenarbeit mit dem Kassenpatienten beugt dem vor und folgt aus der reaktiven Auskunftsund spontanen Aufklärungslast. Die Auskunftslast greift hauptsächlich im Zuge der Anamneseerhebung, worüber sich der Vertrags(zahn)arzt die nötige Informationsgrundlage für die diagnostische Abklärung verschafft. Dabei obliegt es dem Kassenpatienten, die Fragen sachlich korrekt und vollständig zu beantworten und das eventuelle Nichtverstehen der Frage anzumerken. Die Aufklärungslast erfasst eine unaufgeforderte Bekanntgabe anamnestisch bedeutsamer Daten, die aufgrund ihres atypischen Charakters prinzipiell nicht erhoben werden, und während einer Behandlung solche Umstände, deren Kenntnis für den Mediziner essentiell ist und der Patient dies weiß oder wissen müsste610. Die Nichtbefolgung der Informationslast bedingt nicht immer einen Rechtsnachteil, denn sein Eintritt hängt teilweise vom Vorliegen weiterer Voraussetzungen ab. In diesem Sinne berechtigt eine einmalige oder unbewusste Vorenthaltung behandlungsrelevanter Tatsachen nicht zur Beendigung der Vertragsbeziehung analog zu den §§ 626; 627 BGB und § 13 Abs. 7 BMV-Ä bzw. § 4 Abs. 7 BMV-Z. Erst eine wiederholte oder willentliche Missachtung der Last gestattet den unsanktionierten Rückgriff auf das Kündigungsrecht. Werden durch unzureichende Informationen des Kassenpatienten falsche oder verspätet ___________ 610

b).

Vgl. die konkreten Beispiele für Auskunfts- und Aufklärungslasten unter B. V. 3.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

169

medizinische Maßnahmen eingeleitet und ist dies gleichsam als Behandlungsfehler zu werten, verkürzt sich die Haftung des Vertrags(zahn)arztes um den Verursachungsanteil des Kassenpatienten nach § 254 Abs. 2 BGB. Eine kurze Anmerkung verdienen die Gebote im eigenen Interesse, die das dargestellte Konglomerat an Auskunfts- und Aufklärungspflichten bzw. -lasten ergänzen, als außerrechtliche Normen aber nicht dem Behandlungsvertrag entspringen. Sie regen zur Mitteilung sämtlicher, den medizinischen Versorgungsablauf vereinfachender Informationen an. Zu dieser umfassenden, rechtlich jedoch nicht gebotenen Mitwirkung kann nur geraten werden, da auch der Kassenpatient die Verantwortung für sich und sein Befinden allein trägt.

6. Aktivkooperation im Rahmen der Behandlungsdurchführung Je nach Krankheitsgeschehen und Art der Therapie ist ein unterschiedlicher Patientenbeitrag geboten, sodass sich der Umfang dieser Fallgruppe schwerlich exemplarisch abstecken lässt. Aus juristischer Sicht kann diese Weitläufigkeit bewältigt werden, indem erst die Schaffung der rechtlichen und faktischen Behandlungsvoraussetzungen durch den Kassenpatienten und sodann seine aktive Mitarbeit bei der Behandlung betrachtet wird. Nicht verwundern darf, dass weder hier noch vorab eine Beteiligung an der Behandlungskonkretisierung diskutiert wurde, denn diese vollzieht sich nicht innerhalb der vertrags(zahn)ärztlichen Behandlungsbeziehung, sondern im Verhältnis zur Krankenkasse. Maßgebend für die Zulässigkeit einer medizinischen Versorgung ist der Leistungskatalog der Krankenkasse, in dessen Rahmen sich Vertrags(zahn)arzt und Kassenpatient zu bewegen haben. Kommen danach mehrere vergleichbare Vorgehensweisen in Betracht, kann auch der Kassenpatient wählen. Das Wahlrecht realisiert er gegenüber dem Vertrags(zahn)arzt über die Einwilligungserteilung oder -verweigerung, weswegen der Festlegung eines Behandlungskonzeptes selbst bei einer Sachleistungsalternativität keine eigenständige Bedeutung zukommt.

a) Schaffung ihrer Voraussetzungen An dieser Stelle geht es darum, ob der Kassenpatient im Vorfeld einer konkreten medizinischen Maßnahme ihre zwingenden Vorbedingungen herbeizuführen hat. Als rechtliche Voraussetzung stellt sich die willens- und einsichtsgeleitete Einwilligung des Patienten dar, weil einzig sie den medizinischen Eingriff legitimiert und damit den Vertrags(zahn)arzt vor einer straf- und/ oder zivilrechtlichen Belangung schützt. Aus diesem Grund gibt es keine, das Selbst-

170

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

bestimmungsrecht verdrängende (zahn)ärztliche Fürsorge, was sich ansonsten in einer Duldungspflicht oder -last niederschlagen würde. Ausnahmsweise besteht zulasten der Eltern eine, allerdings familienrechtliche Duldungspflicht, wenn sie eine indizierte Behandlung in nicht tolerierbarer Weise ablehnen und damit ihr Kind unmittelbar gefährden. In tatsächlicher Hinsicht ist für die Behandlungsumsetzung etwa erforderlich, dass ein Patient zur geplanten Blutentnahme nüchtern kommt oder sich vor der Operation gemäß den pflegerischen Anweisungen wäscht.

aa) Rechtliche Vorbedingung: Einwilligung Obwohl der Vertrags(zahn)arzt nur zur Umsetzung einer von der Krankenkasse geschuldeten Medizinalversorgung eingeschaltet ist und sich ein behandlungsbedürftiger Kassenpatient freiwillig in seine Hände begibt, bedarf auch ihr Vollzug der Rechtfertigung. Das erreicht die Einwilligung als Behandlungszustimmung, die bewusst und rational allein bei Kenntnis der gesundheitlichen Prognose und wesentlichen Gefahren des angeratenen Eingriffes infolge einer Aufklärung getroffen werden kann. Die Erörterungen zur Mitwirkungsverantwortung des Kassenpatienten umfassen daher die Unterstützung der eigenen Aufklärung und die Erteilung oder Rücknahme der Einwilligung.

(1) Mitwirkung an der eigenen Aufklärung Die Aufklärung im Sinne der Vermittlung medizinischer Basisinformationen zugunsten des Patienten ist Aufgabe des Mediziners. Gleichwohl erfordert die beiderseitige Interessenlage eine verrechtlichte Beteiligung des Patienten, wenn sie für die Erfüllung der Aufklärungspflicht unabdingbar oder deren Verletzung sonst für den Vertrags(zahn)arzt unvermeidbar ist. So kann der Kassenpatient ein gezieltes Erforschen seines Aufklärungsbedürfnisses boykottieren oder es unterlassen darauf hinzuweisen, dass ihm die medizinischen Informationen nicht genügen. Der Behandlungsvertrag verlangt daher vom Kassenpatienten, einerseits wahrheitsgetreu zu antworten und anderseits den Wunsch nach einer erweiterten Basisaufklärung kundzutun. Hierbei ist in Anbetracht des Selbstbestimmungsrechts von einer Teilhabelast auszugehen. Demnach hat der Patient zur Vermeidung eines rechtlichen Nachteils einen geeigneten, ihm möglichen und zumutbaren Beitrag zu seiner Aufklärung zu leisten. Da der Kassenpatient normalerweise medizinischer Laie ist, dürfte freilich eine besondere Eigeninitiative wie Rückfragen oder Erkundigungen nur in Betracht kommen, wenn sie durch einfache Schlussfolgerungen oder ein persönliches Sonderwissen nahe liegt.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

171

Führt die Vernachlässigung der Unterstützungslast zu einer unzureichenden Aufklärung, ist dem Kassenpatienten die Berufung auf eine haftungsbegründende Pflichtverletzung abgeschnitten. Falls auch den Vertrags(zahn)arzt ein Vorwurf trifft, kann dem Kassenpatienten im Rahmen der Medizinerhaftung eine Mitverursachung gemäß § 254 Abs. 2 BGB entgegen gehalten werden.

(2) Erteilung und Widerruf einer Einwilligung Fast jede medizinische Maßnahme wirkt trotz ihrer eigentlich kurativen Intention invasiv, weswegen sie zum Schutz des Vertrags(zahn)arztes rechtlich legitimiert sein muss. Ein Kassenpatient gibt seine Körperintegrität über die Erteilung einer Einwilligung frei, die vor jedem Eingriff einzuholen ist und währenddessen fortbestehen muss. Verweigert der Kassenpatient nach der Aufklärung einen bestimmten Eingriff, erstreckt sich das Behandlungsverhältnis nicht auf dessen Umsetzung. Somit dirigiert der Kassenpatient über die Erteilung seiner Einwilligung zusätzlich die Reichweite der Medizinerpflichten, weshalb eine Pflichtverletzung bei einer Behandlungsablehnung gerade nicht droht. Aus diesem Grund gibt es weder eine Pflicht noch eine Last des Kassenpatienten, seine Einwilligung zu erteilen Sofern die medizinische Versorgung in Abwägung mit ihren Risiken durchaus nützlich ist, rechnet die Allgemeinheit mit einer Zustimmung, was ein Gebot des eigenen Interesses mit allenfalls außerrechtlichen Sanktionen wie einen sozialen Tadel nach sich zieht. Der Widerruf einer bereits erteilten Einwilligung vor oder während des Eingriffes begrenzt die Behandlungspflicht eines Vertrags(zahn)arztes ebenfalls. Da ein Widerruf im Übrigen nur ex nunc wirkt und vorher ausgeführte Behandlungsschritte nicht nachträglich rechtswidrig macht, besteht kein gesteigertes Schutzinteresse des Mediziners, dass eine einmal erteilte Einwilligung bindend ist. Vielmehr kann der Kassenpatient die Behandlungszustimmung jederzeit widerrufen, was er dem Vertrags(zahn)arzt umgehend mitzuteilen hat. Falls nämlich der Kassenpatient die Einwilligung zu einem Eingriff erteilt hat, der zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden soll, disponiert der Vertrags(zahn)arzt entsprechend. Seine frühzeitige Benachrichtigung über die Eingriffsverweigerung wahrt das Planungsinteresse. Eine Verletzung dieser Kassenpatientenpflicht löst gegebenenfalls einen Anspruch des Vertrags(zahn)arztes auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB aus.

172

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

bb) Faktische Voraussetzungen Mitunter können tatsächlich nötige Behandlungsvoraussetzungen nur durch den Kassenpatienten geschaffen werden, wenn er beispielsweise die Ergebnisse von Voruntersuchungen beizubringen, die Beinprothese für geplante Anpassungsmaßnahmen anzulegen oder auf eine Nahrungszufuhr vor einer anberaumten Operation zu verzichten hat. Solche Teilhabeakte berühren jedenfalls marginal das Selbstbestimmungsrecht, sodass eine Pflicht des Kassenpatienten ausscheidet. Die gegenseitigen Interessen bedingen auch keine Handlungslast, wohl aber eine Informationspflicht. Denn bei der frühzeitigen Mitteilung über auftretende Hindernisse für eine Eingriffsumsetzung kann der Vertrags(zahn)arzt seinen Sprechstundenablauf neu kalkulieren, wodurch die Dispositionsfreiheit geschützt wird. Hinsichtlich der geplanten Behandlung ist der Vertrags(zahn)arzt dagegen nicht schutzwürdig. Will oder kann sich der Kassenpatient nicht gemäß der eigentlichen Behandlungsplanung medizinisch versorgen lassen, muss er den Vertrags(zahn)arzt unverzüglich darauf hinweisen. Verletzt er diese vertragliche Pflicht, greift die Schadensersatzpflicht des § 280 Abs. 1 BGB.

b) Aktive Unterstützung der Behandlungsmaßnahmen Ganz überwiegend erfordert eine erfolgversprechende Behandlung die Patientenbeteiligung, die von einfachen Handgriffen bis zum Selbstvollzug der Therapie reichen kann. Bislang ist unklar, ob und inwiefern der Kassenpatient dies aus rechtlicher Sicht zu leisten hat. Da der Behandlungsvertrag beide Seiten gerade vor Schädigungen im Zuge der Umsetzung einer medizinischen Versorgung schützt, bezieht er auch die aktive Mitarbeit des Kassenpatienten ein. Die Zuordnung zur Pflicht oder Last hängt von den berührten Interessen ab. Einer Mitwirkungspflicht steht das Selbstbestimmungsrecht entgegen, das durch ein komplementäres Forderungsrecht des Vertrags(zahn)arztes unzulässig eingeschränkt würde. Insofern kann vom Kassenpatienten die dosis- und zeitgerechte Einnahme verordneter Medikamente, ein Erscheinen zur Weiterbehandlung und eine Befolgung medizinischer Anweisungen nicht verlangt, wohl aber erwartet werden. Genest er nämlich mangels eigenen Beitrages nicht, rechnet die Allgemeinheit diesen vermeintlichen Behandlungsmisserfolg dem Vertrags(zahn)arzt zu. Außerdem macht die Fortführung einer Behandlung keinen Sinn, wenn der Kassenpatient seine Mitwirkung konsequent verweigert. Deshalb haben bzw. würden Vertrags(zahn)arzt und Kassenpatient eine entsprechende Beteiligungslast vereinbaren, sodass das vertrags(zahn)ärztliche Behandlungsverhältnis in diesem Sinne auszulegen ist611.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

173

Da der Kassenpatient über die Bedeutung seiner Verantwortungsübernahme zu instruieren und nachhaltig zur Mitwirkung anzuhalten ist, liegt nicht in jeder Missachtung der Beteiligungslast ein wichtiger Grund analog zu den §§ 626; 627 BGB bzw. ein begründeter Fall iSd § 13 Abs. 7 BMV-Ä bzw. § 4 Abs. 7 BMV-Z. Vielmehr erfordert die Kündigung des Behandlungsvertrages eine qualifizierte Vernachlässigung in Form einer bewusst verweigerten oder wiederholt unzureichenden Patiententeilhabe trotz mehrfacher Aufforderung. Lässt sich das erstrebte Behandlungsziel nur über eine Bündnisgemeinschaft erreichen und ignoriert der Kassenpatient das wohlweislich, ist dem Vertrags(zahn)arzt eine Behandlungsfortsetzung nicht zumutbar. Außerdem trägt der Kassenpatient etwaige gesundheitliche Folgen gemäß der Verursachungsquote nach § 254 Abs. 2 BGB, wenn auch dem Vertrags(zahn)arzt ein Behandlungsfehler unterlaufen ist. Bei annähernd gleichgewichtigen Fehlverhalten beider Seiten tritt die Beweislastumkehr aufgrund eines groben Behandlungsfehlers zulasten des Mediziners nicht ein; vielmehr greift die originäre Beweislastverteilung. Danach hat der Patient die Ursächlichkeit eines vertrags(zahn)ärztlichen Versäumnisses für seine Körperschädigung schlüssig zu behaupten und notfalls zu beweisen.

7. Beitrag zur Wahrung des Wirtschaftlichkeitsgebotes und Einhaltung des vertrags(zahn)ärztlichen Budgetlimits Schon seit längerer Zeit dreht sich die gesundheitspolitische Diskussion um die Sicherung der Finanzierbarkeit des gesetzlichen Krankenversicherungssystems. Unterschiedliche Reglementierungen versuchen eine Kostendrosselung zu erreichen. So steht die gesamte Leistungsgewährung unter dem Primat der Wirtschaftlichkeit, sodass ein Kassenpatient nach § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V bloß notwendige und wirtschaftliche Behandlungen beanspruchen kann. Inwieweit ihm jenseits des Versicherungsverhältnisses ein verantwortlicher Umgang mit den gemeinschaftlich geleisteten Finanzressourcen rechtlich auferlegt ist, soll hier erarbeitet werden. Gemäß § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V ist der Vertrags(zahn)arzt dem Wirtschaftlichkeitsgebot unterworfen, das ihm die Anwendung von Untersuchungen und die Verordnung von Therapien, die das Maß einer ausreichenden, zweckmäßigen oder notwendigen Leistung überschreiten, verbietet. Führt der

___________ 611

Zum genauen Inhalt dieser Beteiligungslast, vgl. auch E. VI. 3.

174

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

Vertrags(zahn)arzt dennoch unwirtschaftliche Behandlungen aus612, muss er mit ermessensabhängigen Honorarkürzungen rechnen. Mithin trägt der Vertrags(zahn)arzt die Konsequenzen, wenn er dem Wunsch des Patienten nach einer nicht gebotenen oder sinnlosen Versorgung entspricht. Spiegelt jedoch der Kassenpatient falsche Tatsachen zur Erlangung einer ineffizienten Behandlung vor, müsste gerechterweise er selbst für die Mittelverschwendung einstehen. Darunter fällt beispielsweise die Absicht, das häusliche Arzneimitteldepot vorsorglich aufzustocken oder daraus anderweitigen Vorteil zu ziehen613. Das Sozialrecht greift diesbezüglich nicht, sodass ein vertraglicher Regelungsbedarf besteht und die Parteien bei Bedacht auf diese Konstellationen eine Mitverantwortung des Patienten vereinbart hätten. Demnach ist der Kassenpatient zum Schutz der Vermögenssphäre des Vertrags(zahn)arztes verpflichtet, das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Weiß der Kassenpatient, dass eine beabsichtigte Behandlung nicht notwendig ist und lässt diese dennoch ausführen, macht er sich schadensersatzpflichtig, vorausgesetzt dem Vertrags(zahn)arzt ist die Unwirtschaftlichkeit seines Handelns nicht erkennbar und bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung wurde ein Abzug vorgenommen. Da medizinische Laien äußerst selten die Erforderlichkeit einer Behandlung einschätzen können, dürfte dieser Pflicht des Kassenpatienten eine eher geringe Bedeutung zukommen und die Verletzung nur schwer nachweisbar sein. Aus vorerwähnten Gründen ist der Kassenpatient außerdem verpflichtet, seinen Vertrags(zahn)arzt bei der Einhaltung des Budgetlimits zu unterstützen. Denn sobald die zugewiesene Mittelhöchstgrenze für Arznei-, Verbands- sowie Heilmittel überschritten ist, bekommt der Vertrags(zahn)arzt die Verordnungen nicht erstattet. Daher ist der Vertrags(zahn)arzt bestrebt, mit dem Kassenpatienten verantwortungsbewusst zusammenzuarbeiten und der Behandlungsvertrag in diesem Sinne auszulegen. Dies bedeutet letztlich, dass ein Kassenpatient die Verschreibung von Medikamenten, Verbandsmaterialien oder Bandagen ablehnen muss, falls er ihren Einsatz nicht beabsichtigt oder noch genügend mit diesen Dingen ausgestattet ist. Auch diese Patientenpflicht ist mit der Sanktion des ___________ 612 Eine Kontrolle durch besondere Prüfungsgremien der Krankenkassen findet nach der Methode des pauschalen statistischen Kostenvergleiches statt, wodurch die Masse der Verfahren sachgerecht abgewickelt werden kann. Dabei werden die pro Patient aufgewendeten Kosten eines Vertrags(zahn)arztes im Quartal mit den durchschnittlichen Kosten anderer Mediziner der Fachgruppe verglichen. Bei einer Überschreitung des Vergleichswertes um mehr als 40-60 % wird die Unwirtschaftlichkeit vermutet, die aber durch Praxisbesonderheiten entkräftet werden kann. Problematisch an diesem Kontrollmechanismus ist dessen geringe Aussagekraft über die Wirtschaftlichkeit des (zahn)ärztlichen Handelns – denn es fällt gerade nicht ins Gewicht, was der Vertrags(zahn)arzt tagtäglich in seiner Praxis treibt, solange er im Strom seiner Fachkollegen schwimmt. 613 Vgl. dazu den Fall von BGH NJW 2004, 454 ff., wobei es hier jedoch um die strafrechtliche Beurteilung geht.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

175

§ 280 Abs. 1 BGB belegt, wobei sich die Nachweisführung bezogen auf die Anspruchsvoraussetzungen rein tatsächlich schwierig gestalten dürfte.

8. Honorarzahlung Der vertrags(zahn)ärztliche Entgeltanspruch berechnet sich weder nach den Gebührenordnungen, wie sie für die Abrechnung einer privatmedizinischen Behandlung gelten, noch richtet er sich unmittelbar gegen den Kassenpatienten. Vielmehr erhält der Vertrags(zahn)arzt sein Honorar aufgrund eines sehr komplexen Vergütungssystems von der zuständigen Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung. Daher statuiert der Behandlungsvertrag grundsätzlich keine Honorarzahlungspflicht. Letztlich wirkt der über die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung abzurechnende Honoraranspruch des Mediziners gegen die Krankenkassen614, die für alle vertrags(zahn)ärztlich erbrachten Leistungen eine vereinbarte Gesamtvergütung entrichten. Deren Auszahlung an die einzelnen Vertrags(zahn)ärzte gemäß einem Verteilungsmodus unterfällt dem Aufgabenbereich der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen. Die Grundlage dafür bietet eine Auflistung der erbrachten Behandlungen jedes Vertrags(zahn)arztes nach den im Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufgeführten, über den Bundesmantelvertrag genormten Punktzahlen. Aus der Summe aller abgerechneten Punkte wird durch eine Verhältnisgleichung zur Gesamtvergütungshöhe ein konkreter Punktwert ermittelt. Vereinfacht betrachtet ergibt sich der Umfang des vom Vertrags(zahn)arzt zu beanspruchenden Entgeltes aus der Anzahl seiner erarbeiteten Punkte multipliziert mit dem maßgeblichen Punktwert. Das soeben aufgezeigte Vergütungssystem bedingt regelmäßig eine Abkoppelung des vertrags(zahn)ärztlichen Honoraranspruches vom Behandlungsvertrag, sodass der Mediziner auch nicht hilfsweise gegen seinen Patienten vorgehen kann. Etwas anderes gilt für die als Sachleistung gewährte kieferorthopädische Behandlung und den Zahnersatz615, an deren Kosten der Kassenpatient finanziell beteiligt ist. Aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 29 Abs. 2 Satz 1 SGB V leistet ein Kassenpatient seinen Eigenanteil direkt an den Vertrags___________ 614

BSG NJW 1990, 2957 f. Nach der Neuregelung des Zahnersatzes in den §§ 55 ff. SGB V gewährt die Krankenkasse seit 01.01.2005 Festzuschüsse, die nach Abschluss der Behandlung, also Eingliederung des Zahnersatzes in den Mundraum, über die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung an den Vertrags(zahn)arzt gezahlt werden. Gleichwohl soll die Versorgung mit Zahnersatz weiterhin eine Sachleistung darstellen, so BT-Drucks. 15/3681, S. 4; BSG SozR 4-5555, § 12 Nr. 1 sowie Wagner in: Krauskopf, § 55 SGB V Rn. 23. A.A. Höfler in: Kasseler Kommentar, § 55 SGB V Rn. 64. 615

176

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

zahnarzt, ohne dass ein sekundärer Anspruch gegen die Kassenzahnärztliche Vereinigung besteht616. Daher muss der Vertrags(zahn)arzt den Kostenanteil unmittelbar vom Kassenpatienten einfordern und notfalls gerichtlich geltend machen, denn § 43b SGB V greift insoweit nicht617. Das berechtigte Begehren des Vertragszahnarztes, die erbrachten Leistungen anteilig vom Kassenpatienten vergütet zu bekommen, ist sozialrechtlich nicht geschützt. Deshalb wird die im SGB V niedergelegte Vergütungspflicht überwiegend ausdrücklich in den Behandlungsvertrag einbezogen. Sämtliche Sachleistungen iSd §§ 20 ff. SGB V mit Ausnahme einer kieferorthopädischen Versorgung, bei der ein Kassenpatient seinen Kostenanteil dem Vertrags(zahn)arzt direkt schuldet, werden somit allein von der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung vergütet. Einen Kassenpatienten trifft folglich nur ausnahmsweise eine Hauptleistungspflicht im Sinne der Honorarzahlung. Deshalb hat er auch selten Einblick in die von ihm verursachten Behandlungskosten. Die Zukunft der gesetzlichen Krankenversicherung wird allerdings entscheidend von einer Eigenverantwortlichkeit der Kassenpatienten auf der Basis einer realen Preisvorstellung abhängen618, sodass hier durchaus Veränderungen wie zunehmende Eigenbeteiligungen zu erwarten sind.

VII. Vergleichende Zusammenfassung Mit der Mitwirkungsverantwortung des Privat- und Kassenpatienten, die sich aus dem Behandlungsvertrag ergibt und somit im Verhältnis zum Mediziner besteht, haben sich bislang nur wenige beschäftigt. Obwohl es nahezu offenkundig ist, dass der Behandlungserfolg vielmals von der Teilhabe des Patienten abhängt, wird diese Problematik von der rechtswissenschaftlichen Lehre kaum beachtet. Falls darauf überhaupt eingegangen wird, finden sich meist nur beispielhafte Aufzählungen einzelner Teilhabeerfordernisse. Inwieweit dabei von echten Patientenpflichten auszugehen ist und worin diese ihre rechtliche Grundlage haben, bleibt weitestgehend unklar. Gelegentlich wird versucht, die Patientenmitwirkung unter dem Aspekt der Compliance zu fassen. Dieser Be___________ 616 Da sich nunmehr keine den §§ 30 Abs. 2 Satz 1; Abs. 3 Satz 9 aF SGB V vergleichbare gesetzliche Regelung findet, wird ein gegen den Kassenpatienten gerichteter, privatrechtlicher Vergütungsanspruch angenommen, siehe Höfler in: Kasseler Kommentar, § 55 SGB V Rn. 64. 617 Vgl. Höfler in: Kasseler Kommentar, § 29 SGB V Rn. 14 sowie Mrozynski in: Wannagat, § 43 b SGB V Rn. 10. 618 Zur Thematik Schelsky, VSSR 1978, S. 151 ff.; Merten, NZS 1996, S. 593, 597 f. wie auch Pitschas in: Häfner, S. 169, 177, 193 f.

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

177

griff wurde von der Medizinsoziologie geprägt und meint den Grad, in dem Patienten medizinische Therapieanweisungen tatsächlich einhalten. Da allgemein bekannt ist, dass Patienten oft nicht nachhaltig mit dem (Zahn)Arzt zusammenarbeiten, ist die Compliance mittlerweile ein fester Bestandteil in der medizinischen Fachliteratur und hat dort sicherlich ihre Berechtigung. Eine Übertragung des Begriffs auf die Rechtswissenschaft erscheint allerdings weder geboten noch sinnvoll. Selbst wenn nämlich darunter jede für den Behandlungserfolg notwendige Patientenkooperation verstanden wird, bleibt offen, ob der Patient nun in diesem Sinne verpflichtet ist. Die Grundlage für die rechtlichen Verhaltensnormen, also die Pflichten und Lasten, bildet der Vertrag im (Zahn)Arzt-Patienten-Verhältnis, der unabhängig vom Status des Behandelten nach allgemeinen Regeln geschlossen wird. Nach einhelliger Auffassung handelt es sich bei dem Behandlungsverhältnis um einen Dienstvertrag iSd §§ 611 ff. BGB. Insbesondere das zivilrechtliche Schrifttum unterscheidet dabei nicht zwischen Privat- und Kassenpatienten, was jedoch erforderlich ist. Sofern nämlich die Eigenheiten des Krankenversicherungsschutzes berücksichtigt werden, ist äußerst umstritten, was für ein Rechtsverhältnis zwischen Kassenpatient und Vertrags(zahn)arzt zustande kommt. Während der Privatpatient lediglich die Kosten einer erfolgten Behandlung von der privaten Krankenversicherung erstattet bekommt, kann der Pflichtversicherte aufgrund der gesetzlichen Krankenversicherung eine kostenfreie Behandlung beanspruchen. Da die Krankenkassen medizinische Maßnahmen nicht selbst durchführen können und nur ausnahmsweise dürfen, schalten sie zur Erfüllung sogenannte Vertrags(zahn)ärzte ein. Auf diese Weise entsteht ein komplexes Leistungserbringungssystem, in das auch der Kassenpatient integriert ist. So ist der Behandlungsanspruch bereits im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgestaltet und der Vertragsarzt erhält seine Vergütung von der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung. Aus diesem Grund treffen Vertrags(zahn)arzt und Kassenpatient diesbezüglich keine Vereinbarungen. Dennoch müssen sich beide auf die Behandlung einlassen, sodass sie zum Schutz ihrer Rechts- und Vermögensgüter während der Behandlung nach eigener Ansicht einen Vertrag sui generis gemäß den §§ 241; 305 BGB schließen. Von einem Vertrag sui generis ist deshalb ausgehen, weil er eben keine Hauptleistungspflichten enthält. Obwohl der Vertrag sui generis in Teilbereichen durchaus deckungsgleich mit dem Behandlungsvertrag des Privatpatienten iSd §§ 611 ff. BGB ist, wurden die einzelnen Mitwirkungserfordernisse für Privat- und Kassenpatienten getrennt untersucht. Nach dem derzeitigen Meinungsstand soll es sich entweder um Nebenpflichten oder aber Obliegenheiten handeln. Allerdings ist nicht ersichtlich, worauf die Zuordnung zu der einen oder anderen Normenkategorie

178

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

gestützt wird. Da der Untersuchungsgegenstand offensichtlich eine Abgrenzung zwischen Pflichten und Obliegenheiten erfordert, war zunächst zu klären, was Pflichten und Obliegenheiten eigentlich sind und wodurch sie sich unterscheiden. Erstaunlicherweise gibt es nach wie vor keine allgemein anerkannten Definitionen. Darüber hinaus ist äußerst umstritten, ob Obliegenheiten als ein Teil der Pflichten anzusehen sind oder ein eigenständiges Rechtsinstitut darstellen. An diesem Punkt setzt die eigens entwickelte Dogmatik von den Pflichten und Lasten an, worin zugleich die dogmatische Grundkonzeption der vorliegenden Arbeit liegt. Demnach sind Pflichten rechtliche Verhaltensgebote oder -verbote, die mit einem Anspruch korrelieren und deshalb eingefordert und gerichtlich durchgesetzt werden können. Im Gegensatz dazu haben die Lasten einen geringeren Verbindlichkeitsgrad. Das normierte Verhalten kann nämlich mangels eines Anspruches nicht eingefordert werden; seine Missachtung verkürzt aber die Rechtsposition des Belasteten. Insofern wird die Einhaltung einer Last nicht geschuldet, aber rechtlich erwartet. Entscheidend für die Annahme von Patientenpflichten im Verhältnis zum (Zahn)Arzt ist folglich, ob die Mitwirkung gefordert werden kann, dem Gegenüber also ein entsprechender Anspruch eingeräumt ist. Dabei ist zwingend das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, das Verfassungsrang hat, zu beachten. Das Selbstbestimmungsrecht überlässt dem Patienten die volle Entscheidungsbefugnis über seinen Körper, insbesondere das Ob und Wie der medizinischen Behandlung. Mithin ist neben der physischen und psychischen Integrität auch die Willensfreiheit des Einzelnen geschützt. So kann der Patient bewusst lebensrettende Maßnahmen ablehnen, obwohl damit gerade die Gesundheit wiederhergestellt werden soll. Trotzdem muss der (Zahn)Arzt dies akzeptieren und ist beispielsweise nicht berechtigt, einem Zeugen Jehovas gegen seinen Willen eine Bluttransfusion zu verabreichen. Somit kann im Umkehrschluss eine bestimmte Beteiligung des Patienten eher selten beansprucht werden. Vielmehr entscheidet der Patient letztverbindlich, ob und gegebenenfalls inwieweit er sich einer Behandlung unterzieht und daran beteiligt. Aus diesem Grund wird der Patient eine bestimmte Mitwirkung nur dann als Pflicht übernehmen, wenn sie entweder nicht in seine Körperintegrität eingreift wie das rechtzeitige Absagen eines Behandlungstermins oder hochrangige Schutzgüter des Mediziners betroffen sind wie bei einer HIV-Infektion, die der Patient unaufgefordert bekannt zu geben hat. Auch jenseits dieser eher engen Fallgruppen für die Annahme von Patientenpflichten ist der (Zahn)Arzt daran interessiert, dass sein Patient mitarbeitet. Das gilt insbesondere dann, wenn das Behandlungsziel andernfalls nicht zu erreichen ist oder der (Zahn)Arzt ohne die erforderliche Patientenmitwirkung eigene Pflichten nicht sachgerecht erfüllen kann und deshalb ein Behandlungsfehler droht, letztlich also die (zahn)ärztliche Reputation beeinträchtigt werden könnte. In diesen Konstellationen sind Teilhabelasten an-

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung

179

zunehmen, womit zugleich den berechtigten Belangen des (Zahn)Arztes genügt und das Selbstbestimmungsrecht gewahrt wird. Denn dem Patienten steht es damit frei, ob er beispielsweise an der Anamneseerhebung mitwirkt, zu einer Kontrolluntersuchung erscheint oder das verordnete Medikament einnimmt. Tut er das jedoch nicht, obwohl ihm sein (Zahn)Arzt die Notwendigkeit eigener Mitwirkung erläutert und zur Verantwortungsübernahme motiviert hat, kann der (Zahn)Arzt den Behandlungsvertrag jederzeit kündigen. Um die Teilhabeerfordernisse des Patienten möglichst weitgehend erfassen zu können, werden diese fallgruppenbezogen diskutiert. Dabei geht es vordergründig darum, ob und gegebenenfalls in welcher Weise der Behandlungsvertrag dem Patienten die Mitwirkung gebietet. Die einzelnen Patientenpflichten und -lasten sind überwiegend durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu ermitteln, weil der (Zahn)Arzt und Patient über den Vertragsinhalt typischerweise nicht sprechen. Dies gilt indes nicht, wenn die gegenseitigen Rechte, Pflichten und Lasten abschließend privatautonom geregelt wurden. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Patient seine Entscheidungsgewalt über die eigene Körperintegrität in Anbetracht des Selbstbestimmungsrechts nicht vollständig aufgeben und mithin nur im begrenzten Umfang echte Mitwirkungspflichten übernehmen kann. Infolgedessen ermöglichen die ermittelten Patientenpflichten und -lasten in Abwägung des Selbstbestimmungsrechts mit den berechtigten Schutzinteressen des Mediziners eine Standarisierung, die am höchstmöglichen Punkt einer ausgewogenen, rechtlich gefassten Mitwirkungsverantwortung des Patienten ansetzt. Sowohl dem Privat- als auch Kassenpatienten obliegen im Verhältnis zum (Zahn)Arzt weitaus mehr Lasten als Pflichten. Allerdings weichen die Pflichten und Lasten des Privat- und Kassenpatienten im Ergebnis nur marginal voneinander ab. So trifft die Honorarzahlungspflicht nur den Privatpatienten, während allein der Kassenpatient verpflichtet ist, dem Vertrags(zahn)arzt seine Krankenversichertenkarte vorzulegen und neuerdings die Praxisgebühr zu entrichten. Im Übrigen ergeben sich aus den jeweiligen Behandlungsverträgen identische Pflichten und Lasten, was die nachfolgende tabellarische Darstellung als Zusammenfassung verdeutlicht.

Pflichten

x § 280 I BGB

x Schutz der (zahn)ärztlichen Dispositionsfreiheit durch: - rechtzeitige Terminabsage - Mitteilung über verspätetes Erscheinen zum Termin - frühzeitige Bekanntgabe eines Einwilligungswiderrufs - alsbaldige Unterrichtung über faktische Hemmnisse

x Beitrag zur Einhaltung des Budgetlimits x § 280 I BGB und Wahrung des Wirtschaftlichkeitsgebots

x Vermeidung finanzieller oder körperlicher x §§ 280 I; 823 I, II Schädigungen des Mediziners beim Praxis- iVm § 253 II BGB und Hausbesuch

x § 280 I BGB

x § 280 I BGB

x Vorlage der Krankenversichertenkarte x Schutz der (zahn)ärztlichen Dispositionsfreiheit durch: - rechtzeitige Terminabsage - Mitteilung über verspätetes Erscheinen zum Termin - frühzeitige Bekanntgabe eines Einwilligungswiderrufs - alsbaldige Unterrichtung über faktische Hemmnisse

x Klage

Sanktionen

x ggf. Zahlung eines Eigenanteils

Normeninhalt

Kassenpatient

x Hinweis auf schwerwiegende, anstecken- x §§ 280; 823; 253 II x Hinweis auf schwerwiegende, ansteckende x §§ 280; 823; 253 II de Erkrankung BGB bei Ansteckung Erkrankung BGB bei Ansteckung x § 627 II BGB x Behandlungsabbruch ana §§ 626, 627 BGB und §§ 13 VII BMV-Ä bzw. § 4 VII BMV-Z

x Vermeidung finanzieller oder körperlicher x §§ 280 I; 823 I, II Schädigungen des (Zahn)Arztes beim Pra- iVm § 253 II BGB xis- und Hausbesuch

x Klage

Sanktionen

x Zahlung des Honorars

Normeninhalt

Privatpatient

180 1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

Lasten

Gebote im Eigeninteresse

keine rechtlichen Konsequenzen

allumfassende Teilhabe an Präventionsmaßnahmen und Heilungsbemühungen des (Zahn)Arztes wie

- Weitergabe jeglicher Information - Teilhabe an der Beratung zum weiteren Behandlungsablauf - Einwilligungserteilung

x § 627 II BGB bei x aktive Beteiligung an der Behandlungsgesteigertem Verstoß durchführung und dabei: x § 254 BGB - Ermöglichung einer Behandlungsfortx Beweislast trotz setzung und Kontrolluntersuchung groben Behandlungs- - Beachtung medizinischer Anordnungen fehlers bei eigenem, - Kenntnisnahme der Packungsbeilage gleichgewichtigem - dosis- und zeitgerechte MedikamentenFehlverhalten einnahme

x aktive Beteiligung an der Behandlungsdurchführung und dabei: - Ermöglichung einer Behandlungsfortsetzung und Kontrolluntersuchung - Beachtung medizinischer Anordnungen - Kenntnisnahme der Packungsbeilage - dosis- und zeitgerechte Medikamenteneinnahme

- Weitergabe jeglicher Information - Teilhabe an der Beratung zum weiteren Behandlungsablauf - Einwilligungserteilung

allumfassende Teilhabe an Präventionsmaßnahmen und Heilungsbemühungen des (Zahn)Arztes wie

x Mitwirkung an der Eruierung des eigenen Aufklärungswunsches und -bedürfnisses

xkeine Berufung auf Aufklärungspflichtverletzung

x Mitwirkung an der Eruierung des eigenen Aufklärungswunsches und -bedürfnisses

x Hinweis auf behandlungsrelevante Tatsachen bei Informationsvorsprung des Patienten ohne oder mit erschwerter Erkenntnismöglichkeit des (Zahn)Arztes

x § 627 II BGB bei gesteigertem Verstoß x § 254 BGB x keine Beweislastumkehr bei eigenem Beitrag zum groben Behandlungsfehler

x Hinweis auf behandlungsrelevante Tatsachen bei Informationsvorsprung des Patienten ohne oder mit erschwerter Erkenntnismöglichkeit des (Zahn)Arztes

keine rechtlichen Konsequenzen

x Behandlungsabbruch bei gesteigerter Nichtbeachtung ana §§ 626; 627 BGB bzw. §§ 13 BMV-Ä; 4 BMV-Z x § 254 BGB x keine Beweislastumkehr

x keine Berufung auf Aufklärungspflichtverletzung

x Behandlungsabbruch bei gesteigerter Nichtbeachtung ana §§ 626; 627 BGB bzw. §§ 13 BMV-Ä; 4 BMV-Z x § 254 BGB x keine Beweislastumkehr

B. Patientenmitwirkung bei der medizinischen Versorgung 181

182

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

C. Patientenmitwirkung infolge eines (zahn)ärztlichen Behandlungsfehlers Nachfolgend soll geklärt werden, wie ein gesundheitsgeschädigter Patient mit einem vom (Zahn)Arzt zu verantwortenden Behandlungsfehler umzugehen hat, der nicht durch sofort einzuleitende Gegenmaßnahmen wie bei einer Verödung des operativ versehentlich angeschnittenen Blutgefäßes oder der vital indizierten Serumapplikation nach einer inkompatiblen Bluttransfusion abgewendet werden konnte619. Ein Behandlungsfehler ist anzunehmen, wenn der (Zahn)Arzt die nach dem Standard der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung gebotene Sorgfalt vernachlässigt, indem ein Eingriff unsachgemäß ausgeführt wird oder eine erforderliche Medizinalmaßnahme unterbleibt. Infolge eines Behandlungsfehlers treten beim Patienten oftmals gesundheitliche Beeinträchtigungen auf, wie etwa offene Druckstellen im Mundinnenraum bei einer nicht korrekt eingepassten Zahnprothetik, Durchblutungsstörungen durch einen zu fest angelegten Gips, eine Organschädigung beim Verbleiben von Operationsutensilien wie Tupfer, Instrumentarien oder Abdecktücher im Patientenleib oder die geistige Retardierung, wenn ein Hirntumor trotz eindeutiger Symptome langfristig verkannt wurde. Fraglich ist, ob und gegebenenfalls inwieweit der Patient einen solchen Körperschaden abwenden oder mindern muss. Auf eine Unterscheidung zwischen Privat- und Kassenpatienten kann dabei verzichtet werden, weil die Rechtsgrundlage für die Pflichten und Lasten beider Patientengruppen identisch ist. Wird ein Patient im Rahmen einer medizinischen Versorgung weitergehend geschädigt, kann er mit dem Behandlungsfehler ganz unterschiedlich umgehen. Möglicherweise muss er dem (zahn)ärztlichen Fehlverhalten diskret begegnen und schadensabwendende oder -mindernde Maßnahmen ergreifen. Für derartige rechtliche Verhaltensnormen bedarf es einer Rechtsgrundlage, die es vorrangig zu ermitteln gilt. Sodann können die einzelnen Teilhabeerfordernisse beruhend auf der Dogmatik von den Pflichten und Lasten eingehend untersucht werden.

I. Rechtsgrundlage Normalerweise beschränkt sich der im Vorfeld einer Behandlung geschlossene Vertrag auf die fach- und sachgerechte Ausführung einer medizinischen ___________ 619 Zur (zahn)ärztlichen Restitutionspflicht oder -recht vgl. die Ausführungen von Uhlenbruck in: FS für Weißauer, S. 150, 153 ff., 160.

C. Patientenmitwirkung infolge eines Behandlungsfehlers

183

Beratung oder Versorgung, weil die Schädigungsmöglichkeit nicht einkalkuliert wird und mithin in die Gestaltung der Vertragsbeziehung nicht einfließt. Prinzipiell werden daher keine Vereinbarungen über den Umgang mit einem (zahn)ärztlichen Fehlverhalten getroffen, sodass der Behandlungsvertrag diesbezüglich nicht ergiebig ist und insoweit keine Patientenpflichten und -lasten statuiert. Allerdings entsteht infolge der Schädigungssituation ein gesondertes Schuldverhältnis kraft Gesetzes, das primär den Kompensationsbestrebungen gemäß den §§ 280 Abs. 1; 823 Abs. 1, 2 iVm §§ 249 ff. BGB Rechnung trägt und sich für den Privat- und Kassenpatienten weder im Rechtsgrund noch der Gestalt unterscheidet. Neben einer Absicherung des finanziellen Ausgleichs bezweckt die Rechtsbeziehung, die berechtigten Belange des Geschädigten und Schädigers zu schützen. Naturgemäß geht es dem Schädiger um eine Beseitigung oder Reduzierung seiner Einstandspflicht, was über eine Abwendung oder jedenfalls Minderung des Schadens möglich ist und meist eine Mitwirkung des Geschädigten erfordert. Die Reichweite beider Verantwortungsbereiche folgt allein aus dem Gesetz, weil das Schuldverhältnis eben nicht durch privatautonome Vereinbarungen determiniert ist. Einen Anhaltspunkt für die Teilhabeverantwortung des Geschädigten liefert vor allem § 254 BGB620. Entscheidend ist dabei, ob dieser Vorschrift direkt konkrete Verhaltensregeln in Form schadenshindernder oder -mindernder Pflichten und Lasten zu entnehmen sind. Auf die vielfältigen dogmatischen Einordnungsversuche dieser Norm als Ausprägung des Gebotes von Treu und Glauben621, Präzisierung des Verbotes venire contra factum proprium622 und Ausdruck des Sachzuständigkeitsprinzips623 und Verantwortungsgrundsatzes624 braucht nicht eingegangen zu werden. Als Generalklausel weist § 254 BGB dem Geschädigten die Folgen der Nichtbeachtung der Sorgfalt, die ein ordentlicher und verständiger Dritter in ___________ 620 Schwierigkeiten bereitet eine allgemeingültige und konsequente Abgrenzung der Tatbestandsalternativen von § 254 BGB, die hier mit einer Unterscheidung zwischen der Mitverantwortung bei der Schadensentstehung (Abs. 1) sowie der fehlenden Aktivität bei der Abwendung oder Minderung eines verwirklichten, aber noch beeinflussbaren Schadens (Abs. 2) vorgeschlagen werden soll. Ähnlich Henke, JuS 1991, S. 265, 266; kritisch hingegen Göben, S. 25. 621 Dafür BGHZ 34, 355, 363 f.; 36, 329, 342; 50, 112, 115; 56, 163, 169; BGH NJW 1980 1518 f.; 1982, 168 sowie Großfuß-Bürk, S. 43. 622 So Henke, JuS 1988, S. 753; Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 563 sowie Alff in: RGRK, § 254 Rn. 1. 623 In dieser Weise Gernhuber, AcP 152, S. 69, 77, 83; Rother, S. 87; Wester, S. 14 ff.; Göben, S. 2 sowie Esser/ Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 112 und Schuldrecht I/2, S. 274. 624 Dafür BGHZ 52, 166, 168; Belling/ Riesenhuber, ZZP 1995, S. 455, 459; Larenz, S. 540 f.; Looschelders, S. 126 f.; Schiemann in: Staudinger, § 254 Rn. 4.

184

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, zu. Das macht jedoch nur Sinn, wenn § 254 BGB unmittelbar ein bestimmtes Handeln auferlegt625. Für die inhaltliche Ausrichtung dieser Verhaltensnormen ist indes § 242 BGB heranzuziehen. Daher kann einem Patienten in der Rolle des Geschädigten eine Mitwirkung auf der Grundlage eines Schuldverhältnisses iSd § 241 Abs. 1 BGB rechtlich abverlangt werden, wobei die konkrete Art und Weise der Beteilung meist durch Auslegung zu ermitteln ist.

II. Mitwirkungspflichten und -lasten Wegen der Ähnlichkeit des gesetzlichen mit einem vertraglichen Schuldverhältnis ist für die Pflichten und Lasten auf dasselbe terminologische und dogmatische Verständnis abzustellen, wie es im vorherigen Abschnitt für Vertragsbeziehungen entwickelt und auf den Behandlungskontrakt abgestimmt wurde. Unter Zugrundelegung dieser Dogmatik werden die einzelnen Mitwirkungserfordernisse erörtert, wozu aus rechtlicher Sicht ein diskreter Umgang mit dem Behandlungsfehler oder eine Unterstützung von Schadensminderungsmaßnahmen zählen könnte. Ein materieller Schaden lässt sich mindern, wenn die gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch eine Nachbehandlung oder auch Operation beseitigt oder gelindert werden und der Geschädigte eine zustandsangepasste Erwerbstätigkeit aufnimmt.

1. Anwendung von Diskretion Interessant erscheint zunächst die Frage, ob von dem Patienten ein verantwortungsvoller, vor allem fairer Umgang mit einem Behandlungsfehler rechtlich verlangt werden kann. Hat ein (Zahn)Arzt im Zuge einer Behandlung vorwerfbar versagt, ist ihm zum Schutz seiner Reputation daran gelegen, dass der Sachverhalt nicht medienwirksam in Szene gesetzt wird. Laut § 241 Abs. 2 BGB haben die Parteien beim Vollzug ihres Schuldverhältnisses auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils Rücksicht zu nehmen. Insofern könnte dem geschädigten Patienten eine derartige Diskretion durchaus rechtlich geboten sein, was unter Heranziehung der Zweckrichtung, Verkehrssitte und Redlichkeit des Geschäftsverkehrs zu prüfen ist. Solange der (Zahn)Arzt eine Schadenskompensation anstrebt und somit im Rahmen der Rechtsbeziehung redlich agiert, hat auch ein Patient die Herbei___________ 625

Ebenso Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 568 sowie Göben, S. 33.

C. Patientenmitwirkung infolge eines Behandlungsfehlers

185

führung des primären Leistungserfolges zu befördern und dabei respektvoll mit den gegnerischen Belangen umzugehen. Denn jedem kann ein Fehler unterlaufen, der sich in anderen Branchen meist nicht vergleichbar dramatisch auswirkt wie in der Medizin mit der sensiblen Reaktion des menschlichen Körpers auf ein falsches oder unsachgemäßes Vorgehen. Der medizinische Fortschritt und eine progressive Spezialisierung erhöhen zunehmend das Risiko von Behandlungsfehlern. Das sollten Patienten in ihre Überlegungen einbeziehen, bevor sie anderen Patienten vom Fehlverhalten des (Zahn)Arztes berichten oder sich an die Öffentlichkeit wenden. Durch seine Schweigepflicht kann sich der (Zahn)Arzt gegen einseitige, existenzgefährdende Darstellungen nicht wehren, was unter Abwägung der gegenseitigen Interessen über eine Rücksichtnahmepflicht des Patienten auszugleichen ist626. Verhält sich aber der Mediziner seinerseits illoyal, indem er einen Behandlungsfehler konsequent negiert oder sich anderweitig einer Schadensersatzpflicht zu entziehen versucht, ist sein Vertrauen auf die Redlichkeit des Patienten nicht schutzwürdig und deshalb auch keine Diskretionspflicht anzunehmen. Demzufolge darf der Patient bei einem an ihm unterlaufenen Behandlungsfehler seine Sicht der Dinge nur als ultimo ratio der allgemeinen Öffentlichkeit bekannt machen. Ist das Vorliegen eines Behandlungsfehlers zwischen den Parteien nämlich streitig, muss ein Geschädigter zuerst eine Auseinandersetzung mit dem Mediziner unter Ausschöpfung rechtlicher Mittel suchen. Bis zum Abschluss dessen ist der Patient zur Verschwiegenheit verpflichtet.

2. Maßnahmen zur Schadensabwendung bzw. -minderung Art und Reichweite der Patientenmitarbeit bei der Abwendung und Begrenzung eines vom (Zahn)Arzt zugefügten und zu verantwortenden Gesundheitsschadens ergeben sich aus den §§ 254 Abs. 2 Satz 1; 242 BGB. Nach seinem Wortlaut grenzt § 254 BGB die Verantwortungsbereiche insofern ab, als der Geschädigte die Folgen zu tragen hat, die ihm aus der Missachtung der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten erwachsen. Da das Schadensrecht keine schrankenlose Individualität garantiert, statuiert die Norm indirekt Verhaltensregeln rechtlicher Art zur Schadensabwendung und -minderung. Diese sind unter Beachtung des Gebotes von Treu und Glauben iSd § 242 BGB durch Abwägung der berechtigten Interessen für den jeweiligen Einzelfall zu ermitteln.

___________ 626 In diesem Sinne Teichmann, FArzt 2000, S. 630, 633; ähnlich Hanau in: FS für Baumgärtel, S. 121, 134 f.

186

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

Wegen des Selbstbestimmungsrechts kann der behandelnde (Zahn)Arzt vom gesundheitsgeschädigten Patienten nicht verlangen, dass er sich einer restitutio ad integrum in Form einer Nachbehandlung unterzieht oder sonstigen Maßnahmen stellt. Also ergeben sich aus § 254 BGB keine Pflichten, sondern in Übereinstimmung mit der wohl überwiegenden Ansicht lediglich Lasten627. Demnach obliegt dem Patienten, eine iatrogene Gesundheitsbeeinträchtigung und auch Schadensausweitung abzuwehren628. Auf diese Weise wird ein eigensinniges sowie rücksichtsloses Ausnutzen der Ersatzpflicht verhindert und dem Schädigerinteresse hinreichend genügt, sodass bei anderen Teilhabeerfordernissen wie der Beachtung der Kostenüblichkeit oder der Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit gleichsam von einer Last auszugehen ist. Demnach wird vom Patienten erwartet, dass er alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zwecks Abmilderung oder Vermeidung der Ausuferung eines eingetretenen Körperschadens und seiner Folgewirkungen ergreift. Ob er sein Einverständnis zur medizinischen Sekundärversorgung erklären und daran mitwirken oder sich wieder in das Arbeitsleben eingliedern sollte, hängt maßgeblich von der Zumutbarkeit ab. In objektiver Hinsicht wird der unbestimmte Rechtsbegriff durch die Parallelüberlegung, wie sich ein verständiger Dritter ohne Kompensationsmöglichkeit in der Situation des Geschädigten verhalten würde, handhabbar629. Je nach gesellschaftlichem Wertewandel und dem Fortschritt der medizinischen Wissenschaft verändert sich der Maßstab, sodass Eingriffe zulässig werden können, die vormals als risikoreich und deshalb unzumutbar galten630, oder es ergibt sich umgekehrt eine Unzumutbarkeit, wenn die Behandlung bisher unbekannte oder unbeachtete Risiken in sich birgt. Für die subjektive Zumutbarkeit kommt es ausschließlich auf individuelle Kriterien an, sodass sie hier vollends ausgeklammert bleiben muss.

___________ 627

Von einer Obliegenheit ausgehend Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 567; ders., Unerlaubte Handlungen, Rn. 159 ff; Larenz/ Wolf, § 13 Rn. 38; Looschelders, S. 224; Großfuß-Bürk, S. 43; Tilch/ Arloth, Stichwort: Mitverschulden, Sp. 2; Schiemann in: Staudinger, § 254 Rn. 31; Oetker in: MüKo, § 254 Rn. 3. A.A. mit unterschiedlichen Begründungsansätzen Mayer-Falk, S. 4 ff.; Gottschalk, S. 29 ff.; Sommermeyer, S. 19 f. sowie Schwab, Rn. 179. 628 Ähnlich BGH VersR 1985, 1068, 1070; Katzenmeier, MedR 1998, S. 167; ders., Arzthaftung, S. 372 und Geiß/ Greiner, A 98. 629 So bereits RGZ 60, 147, 149 sowie Göbbels, S. 48. 630 Siehe dazu RGZ 139, 131 ff., das im Jahre 1932 erstmals die Zumutbarkeit einer Operation unter Vollnarkose aufgrund ihres schwindenden Mortalitätsrisikos anerkannte, sofern ein ansonsten bedrohlicher Leidensverlauf sicher zu erwarten sei und die Operation als einziges Gegenmittel verbleibe.

C. Patientenmitwirkung infolge eines Behandlungsfehlers

187

a) Sofortige Mitteilung der Beschwerden Erfahrungsgemäß unterläuft dem (Zahn)Arzt ein Behandlungsfehler unbemerkt, sodass sich beim Patienten eine Gesundheitsbeeinträchtigung einstellen und ihr erst ab dem Moment der Erkenntnis gegengesteuert werden kann. Nicht selten bemerkt der Patient eine Zustandsverschlechterung über neu hinzutretende Symptome oder veränderte Beschwerden ehe eine spiegelbildliche Außenwirkung auftritt. Liegen die Ursachen dafür in einer Fehlbehandlung wie der Falsch- oder Untermedikation, könnte dies zügig korrigiert und mithin eine etwaige Ersatzpflicht gering gehalten werden. Dies erfordert wiederum, dass ein Patient frühzeitig auf bemerkte Komplikationen, mutierte Symptome und sonstige Probleme hinweist. Die sofortige Mitteilung anderer Beschwerden ist einem Patienten auch zumutbar, denn auf diese Weise wird zugleich den eigenen Gesundheitsbelangen genügt. Ferner ist der (Zahn)Arzt bei derartigen Informationen wiederum verpflichtet, je nach Indikation abklärend zu untersuchen oder eine ergriffene Therapie zu überdenken, wodurch ein Behandlungsfehler erkannt und in den Auswirkungen begrenzt werden kann. Dass die Symptome und der Krankheitsverlauf das medizinische Vorgehen dirigieren, ist jedem Patienten bewusst. Diese Interessenlage rechtfertigt die Annahme einer Hinweislast bei einem einseitigen Informationsvorsprung des Patienten. Sie ergibt sich aus § 254 Abs. 2 BGB und überlagert im Fall eines Behandlungsfehlers die vertragliche Offenbarungslast.

b) (Zahn)Ärztliche Nachbehandlung Häufig bedingt ein Behandlungsfehler eine erneute medizinische Versorgung, um die Gesundheit wiederherzustellen oder wenigstens eine Linderung der Beschwerden zu erreichen. Unter welchen Voraussetzungen ein Patient der Nachbehandlung zustimmen, sich daran beteiligen oder den Aspekt der Kostenüblichkeit beachten muss, um keinen rechtlichen Nachteil zu erleiden, scheint weitestgehend geklärt zu sein.

aa) Durchführung und Aktivkooperation Möchte ein Patient die über § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB angedrohte Verkürzung seiner Rechtssphäre vermeiden, hat er sich der medizinischen Maßnahme mit schadensabwendendem oder -minderndem Charakter zu stellen, darin einzuwilligen und die Anordnungen des Mediziners zu befolgen, sofern keine weniger einschneidenden Behandlungsalternativen existieren und es sich um einen erfolgversprechenden, gefahrlosen, nicht besonders schmerzhaften Sekun-

188

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

däreingriff handelt und der Schädiger einen Kostenvorschuss gewährt631. Beurteilen Sachverständige die Erfolgsaussichten oder Risiken einer Restitutionsbehandlung nach geltendem medizinisch-wissenschaftlichen Standard unterschiedlich, geht das insofern zulasten des schädigenden Mediziners, als sich der Patient ihr nicht zu unterziehen braucht632. Auch im Übrigen sind den einzelnen Zumutbarkeitskriterien enge Grenzen gezogen, die kurz skizziert werden sollen: Die Anforderungen an eine positive Prognose für den Zweiteingriff können nicht in der Übernahme einer Erfolgsgarantie bestehen, weil unvorhersehbare Komplikationen selbst bei einfachen Routineeingriffen nicht auszuschließen sind. Trotzdem wird ein hoher Maßstab angelegt, denn die Heilung oder Besserung des Gesundheitsleidens infolge der medizinischen Behandlung muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Aussicht stehen. Daher genügt eine Erfolgaussicht von etwa 50 %633 oder die Prognose einer weitgehenden Wiederherstellung634 nicht. Ein absolut ungefährlicher (zahn)ärztlicher Eingriff liegt durch niemals gänzlich auszuschließende, regelwidrige Komplikationen und unkalkulierbare Zwischenfälle regelmäßig nicht vor635. Deshalb ist das Merkmal der Gefahrlosigkeit auf dem höchsten Auslegungsniveau in dem Sinne zu verstehen, dass sich typische und wahrscheinliche Risiken gerade nicht auf wesentliche Körperfunktionen oder aber das Leben erstrecken dürfen. Eine Beurteilung der Ungefährlichkeit hängt folglich hauptsächlich von der medizinischen Indikation und daneben von der Behandlungsdauer, dem Alter und der Adaptionsfähigkeit des Patienten ab636. Dieselbe Medizinalmaßnahme kann mithin in Abhängigkeit von ihrer Zweckrichtung entweder als gefahrlos oder riskant eingestuft werden: So bestehen hohe Anforderungen, wenn bloß die Wiederherstel___________ 631 Geprägt wurde diese gängige und anerkannte Formel vom Reichsgericht, vgl. RGZ 40, 147; 83, 15; 129, 398, 139, 131, 133. Später wurde das Kriterium der Kostensicherstellung seitens des Schädigers hinzugefügt vom LG Köln AHRS 1400/4. 632 Göben, S. 86. 633 Vgl. OLG Oldenburg AHRS 1400/23, wonach eine Refertilisationsoperation mit einer Erfolgsaussicht von 50 % bei einem irrtümlich beidseitig sterilisierten Mann nicht als schadensmindernd einzustufen sei. 634 So OLG Koblenz VersR 1989, 629 f., das in der Verweigerung einer Restitutionsoperation nach einer missglückten Oberschenkelosteotomie, die laut Sachverständigenauskunft eine weitgehende Wiederherstellung bewirken würde, keinen Grund für eine Schmerzensgeldkürzung sah. 635 Conti, S. 144 f., hält daher das Kriterium der Gefahrlosigkeit für unbrauchbar, ohne jedoch ein allgemeingültiges Äquivalent an dessen Stelle zu setzen. Eine relative Ungefährlichkeit als Ausgangspunkt favorisiert hingegen Göben, S. 85. 636 Anders in: Heim, Haftpflichtfragen im ärztlichen Alltag, S. 105.

C. Patientenmitwirkung infolge eines Behandlungsfehlers

189

lung oder Steigerung der Erwerbsfähigkeit im Raum steht; soll dagegen eine lebensbedrohliche Situation beherrscht oder eine drohende Verschlimmerung abgewehrt werden, ist die Hürde der Ungefährlichkeit leichter überwindbar637. Auch der Begriff der Schmerzen beinhaltet keinen eindeutigen Gradmesser, der eine universale Anwendbarkeit auf den Einzelfall zuließe. Da Schmerzen bei gleicher Intensität von jedem individuell verschieden empfunden werden, lassen sie sich nicht normen und hängen daher von der Natur des Leidens sowie der Konstitution des Patienten. In concreto ist somit zu prüfen, ob die mit dem Sekundäreingriff verbundenen Unannehmlichkeiten trotz Verabreichung von Medikamenten eine hohe Heftigkeit erreichen oder sich bei geringerer Intensität über einen längeren Zeitraum erstrecken. Wie schon bei der Gefährlichkeit richtet sich der jeweilige Grenzwert nach der Indikation und Intention der anvisierten Behandlung. Zusätzlich muss die Übernahme der anfallenden Behandlungskosten seitens des Schädigers sichergestellt werden. Unklar ist, ob das für Privat- und Kassenpatienten gleichermaßen gilt. Während ein Privatpatient das (Zahn)Arzthonorar selbst zahlt, gewährt das vertrags(zahn)ärztliche Leistungserbringungssystem auch dem iatrogen geschädigten Kassenpatienten einen unentgeltlichen Heileingriff638. Zumindest für den Privatpatienten scheint eine Vorschussgewährung in Höhe der veranschlagten Behandlungskosten angesichts seiner Zahlungspflicht essentiell, zumal er auch bei einer bestehenden privaten Krankenversicherung dafür allenfalls sekundär Ersatz bekommt. Für einen Kassenpatienten gilt dies ebenso, wenn er sich infolge der Gesundheitsschädigung berechtigterweise privatmedizinisch versorgen lässt und deshalb selbst zahlungspflichtig ist. Besteht eine annähernde Kostenäquivalenz zwischen der hypothetischen vertrags- und ausgeführten privat(zahn)ärztlichen Behandlung, stehen Schadensminderungserwägungen nicht entgegen639. Denn aus der Sicht des Mediziners, der für die Folgen einer zurechenbar verursachten Nachbehandlungsnotwendigkeit haftet, ist es irrelevant, ob er einen Vorschuss an den Patienten leistet oder die Auslagen der Krankenkasse wegen § 116 Abs. 1 SGB X begleicht. Verursacht eine Privatbehandlung aber deutliche Mehrkosten und besteht für deren Inanspruchnahme kein sachlicher Grund640, muss der Kassen___________ 637

Ebenso schon RGZ 139, 131, 134. BGH VersR 1991, 478, 479 und BSGE 55, 144, 148 f. 639 Im Ergebnis ähnlich OLG Hamm AHRS II 1400/105. Zu beachten ist aber BGH VersR 2004, 1080 f., wonach ein Kassenpatient grundsätzlich keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten einer privat(zahn)ärztlichen Behandlung hat, es sei denn, die Umstände des Einzelfalles rechtfertigen eine solche. 640 Vgl. OLG Düsseldorf VersR 1962, 1100; BGH VersR 1964, 257 f.; VersR 1970, 129 ff., wonach die gewählte Privatbehandlung entweder dem Lebenszuschnitt des Ge638

190

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

patient die vergleichbar optimale vertrags(zahn)ärztliche Versorgung nutzen. Insofern sind die Kosten für eine privat(zahn)ärztliche Behandlung immer dann zu erstatten, wenn das Leistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung dem Geschädigten bloß unzureichende Möglichkeiten zur Schadensbehebung bietet oder die Inanspruchnahme aufgrund besonderer Umstände nicht zuzumuten ist641. Lässt sich eine Gesundheitsbeeinträchtigung durch einen gefahrlosen, nicht besonders schmerzhaften Sekundäreingriff beseitigen oder lindern, kann eine Unterstützungslast gleichwohl an der subjektiven Zumutbarkeit scheitern. Denn wegen des grundrechtlich verankerten, weitgehenden Freiheitsschutzes zugunsten des Einzelnen darf die günstige Heilungsprognose nicht prinzipiell höher bewertet werden als eine Verweigerungshaltung aus weltanschaulichen Gründen oder die nachvollziehbare Furcht vor dem Eingriff. In Fällen einer berechtigten Ablehnung wird der Patient trotz der eigentlich möglichen Schadensabwendung oder -minderung nicht zur Mitwirkung herangezogen und damit sein Verhaltensspielraum erheblich erweitert. Sofern alle Voraussetzungen für eine Unterstützungslast vorliegen, hat sich der Patient einer Nachbehandlung zu stellen. Um sie überhaupt und zudem effektiv ausführen zu können, ist eine Erteilung der Einwilligung seitens des Patienten sowie eine aktive Mitarbeit durch die Wahrnahme von Kontrollen, der Einnahme verordneter Medikamente oder dem Befolgen (zahn)ärztlicher Verhaltensanweisungen erforderlich. Vor allem hinsichtlich der Behandlungszustimmung geht die Patientenmitwirkung infolge des Behandlungsfehlers weiter als bei einer sonstigen Medizinalversorgung, was den Besonderheiten des Schädigungsverhältnisses geschuldet ist642. Ein Patient könnte ohne diese Verantwortlichkeit leicht die Ersatzpflicht ausnutzen. Allerdings darf unter Beachtung des Rechtsgedankens von § 249 Satz 2 BGB und der Vertrauensbeziehung nicht erwartet werden, dass sich der Patient abermals in die Hände des (Zahn)Arztes begibt, der den Behandlungsmisserfolg verschuldet hat643. Dennoch bleibt es ihm unbenommen, sich wiederum an den Schädiger zu wenden. ___________ schädigten oder der besonderen Verletzungsschwere entsprechen müsse und gerade nicht auf die Ersatzpflicht spekuliert werde. 641 So kürzlich BGH NJW 2004, 3324. 642 Anders als während der Behandlungsbeziehung, wo die Einwilligungserteilung nur ein Gebot des eigenen Interesses darstellt, obliegt dem Patienten bei der Abwehr eines eigenen Gesundheitsschadens infolge eines Behandlungsfehlers wegen der veränderten Interessenlage – der (Zahn)Arzt wird hier zur Kompensation eines eigentlich abwendbaren Schadens herangezogen – eine inhaltsgleiche Last. 643 Ebenso LG Köln AHRS I 1400/4; Uhlenbruck in: FS für Weißauer, S. 150, 161 ff., Buddee, S. 172 und Schellenberger, VersR 2005, S. 1620, 1622.

C. Patientenmitwirkung infolge eines Behandlungsfehlers

191

Lehnt der Patient einen medizinischen Restitutionseingriff ab, obwohl ihn die Unterstützungslast trifft, verringert sich sein Schadens- und Schmerzensgeldanspruch über § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB insoweit, als ihm selbst eine Fortdauer des Körperschadens zuzurechnen ist. Der Patient trägt daher die gesundheitlichen Nachteile, die höchstwahrscheinlich durch die Ausführung einer zumutbaren Behandlung abzuwenden gewesen wären. Mithin haftet der Mediziner nur für solche Folge, die auch bei einer umfassenden Patiententeilhabe verblieben wären. Die einzelfallbezogene Quotelung gestattet es, der jeweiligen Schadenssituation und beiderseitigen Verantwortung in angemessener und fürsorglicher Weise zu entsprechen. Denn mit § 254 BGB wird kein festes Programm skizziert, weil es dem historischen Gesetzgeber ratsam schien, „dem Richter möglichste Freiheit bei der Beurtheilung des konkreten Falles zu lassen“ 644.

(1) Kasuistik zumutbarer und unzumutbarer Behandlungsmaßnahmen Da die Zumutbarkeit einer bestimmten medizinischen Maßnahme nach objektiven und subjektiven Kriterien beurteilt wird, gibt es kein allgemeingültiges Verzeichnis. Bei Weißauer645 findet sich jedoch eine Aufzählung nicht absolut ausgeschlossener, daher wohl objektiv zumutbarer Eingriffe, die mit einer Magenspülung, der Verlegung einer Sehne oder einer Stumpfverbesserung bisweilen an der Grenze der Vertretbarkeit liegen oder überschreiten, wenn die Entfernung störender Knochenteile oder die Amputation verseifter Fingerglieder angenommen wird646. Zumutbar sind vielmehr solche Eingriffe, die ein vernünftiger Mensch im eigenen Interesse gewöhnlich ausführen lässt, also nicht besonders belastend wirken und eine günstige Prognose für die Leidensbehebung oder -linderung haben647. Dazu zählen die physiotherapeutische Behandlung, das Tragen kompensatorischer Hilfsmittel wie eine Prothese, Bandage oder Brille, eine Kurteilnahme oder das Beachten (zahn)ärztlicher Anordnungen in Form einer Diät und Medikamenteneinnahme, wenn die Nebenwirkungen den erwarteten Nut___________ 644 Motive zum BGB II 23 f. (abgedruckt bei Mugdan, Die gesamten Materialien zum BGB, S. 13). 645 Weißauer, Mtlg. LVA OMF 1981, S. 486, 490. 646 Im Sozialrecht wurde zunächst eine extensive Duldungslast angenommen, vgl. beispielhaft für eine Fingeramputation RG JW 1912, 336; RVA EuM RVA 33, 17 f.; Dempewolf, SozVers 1955, S. 185, 185 f. Anders bereits OVA Freiburg Breithaupt 1946-1949, Nr. 82 und später BSG SGb 1982, 313 f. 647 Ähnlich Hübner, UChir 1951, S. 134 f.

192

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

zen unterschreiten und sonst nicht besonders schwer wiegen. Auch Unbequemlichkeiten im Alltag wie bei einer Ernährungsumstellung648, der Ausführung gymnastischer Übungen649 oder einer medico-mechanischen Therapie bis zu 5 Monaten650 müssen hingenommen werden. Droht jedoch eine anderweitige Schädigung, ist die Grenze zur Unzumutbarkeit überschritten: So kann der lebenslange Einsatz einer Augenklappe zur Korrektur des Doppelbildsehens aufgrund der erhöhten Beanspruchung des unabgedeckten Auges nicht erwartet werden651. Auch wenn gegenwärtig Spätschäden einer Röntgenuntersuchung durch die damit verbundene Strahlendosis nicht völlig auszuschließen sind652, ist die indizierte röntgenologische Abklärung zumutbar653. Anderen nuklearmedizinischen Diagnoseverfahren hat sich der Patient zu stellen, sofern die Strahlenbelastung nach dem Stand medizinischer Erkenntnisse als unbedeutend, also nicht gesundheitsgefährdend eingestuft wird. Als ungefährlich und damit zumutbar sind jedenfalls Elektrokardiogramme und Ultraschalluntersuchungen anzusehen. Auch einfache medizinische Maßnahmen wie Blutentnahmen, Einspritzungen oder Transfusionen sind zumutbar. Den Ausgangspunkt für die Kasuistik unzumutbarer Behandlungsmaßnahmen bildet wiederum die Zusammenstellung von Weißauer654, die unter anderem eine Hirnkammerlüftung, Rückenmarkpunktion und die versteifende Operation vom rechten Ellenbogengelenk unter Resektion des Speichenköpfchens zur Wiederherstellung der Drehbeweglichkeit des Unterarms anführt. Zusätzlich reihen sich die Oberschenkelnachamputation und die Einsetzung einer Hüftgelenksprothese zur Verminderung eines Erwerbsschadens in diese Kette ein655. Wegen erheblicher, postoperativer Schmerzen von bis zu 6 Tagen und der Gefahr einer Überlastung benachbarter Gelenke ist die Versteifung eines ___________ 648 OLG Hamm VersR 1960, 105, für die frühzeitige Eindämmung einer erheblichen Gewichtszunahme mit der Folge von Kreislaufstörungen und Herzbeschwerden. 649 Oetker in MüKo, § 254 Rn. 79. 650 So BGH VersR 1961, 1125. 651 In diesem Sinne BGH NJW 1989, 2250 f., für die Wiederherstellung der Fahrtüchtigkeit eines Landwirts, weil die Verstärkung der Schielstellung des verletzen Auges, seine Lähmungszunahme und die Verkleinerung der binokularen Zone des doppelbildfreien Sehens drohe. Anders wäre hingegen für das nur sporadische Tragen der Augenklappe zu entscheiden. 652 So treten bei einer Million Röntgenschirmbildaufnahmen des Brustkorbes 10 strahlenindizierte Leukämie- und Krebserkrankungen als Spätfolgen auf, vgl. Maier in: Maydell/ Ruland, 7 Fn. 238; Vetter, SGb 1978, S. 223, 224; ders., SGb 1979, S. 254 ff. 653 Dafür Burdenski, BlStSozArbR 1974, S. 273, 275; Frik, SGb 1979, S. 254, 255. 654 Weißauer, Mtlg. LVA OMF 1981, S. 486, 490. 655 BGHZ 10, 18, 19 und OLG Oldenburg NJW 1978 , 1200 f.

C. Patientenmitwirkung infolge eines Behandlungsfehlers

193

Fußgelenks unzumutbar656. Selbiges gilt für eine operative, palliativ begründete Beseitigung von Nervenläsionen mit längerer Fixierung im Beckenbeingipsverband657.

(2) Duldung einer Operation Gelegentlich kann ein Behandlungsfehler durch eine Operation revidiert oder in seinen Auswirkungen merklich gemindert werden, sodass § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB auch eine Last zur Duldung eines operativen Eingriffes, also der Einwilligungserteilung zu entnehmen ist, sofern sie vom Geschädigten nach den Gesamtumständen unter Berücksichtigung seiner individuellen Dispositionen erwartet werden kann. Demnach muss eine Operation nach dem jeweiligen Standard der medizinischen Wissenschaft einfach, gefahrlos und ohne erhebliche Schmerzen durchführbar sein und sichere Aussicht auf Heilung oder deutliche Besserung bieten658. Manche halten einen operativen Zweiteingriff durch den vom Geschädigten gewählten Chirurgen prinzipiell für zumutbar, da sich der Patient unter Abwägung der Vor- und Nachteile bereits für die Erstoperation entschieden hatte659. Ausgeschlossen ist eine Duldungslast jedenfalls dann, wenn eine konservative Behandlungsmethode mit einer nahezu gleichen Erfolgsprognose zur Verfügung steht oder eine Operation nicht einfach, relativ risikolos und weitgehend schmerzfrei ist660. Andererseits beseitigt das Erfordernis der Teil- oder Vollnarkotisierung nicht die Zumutbarkeit, außer es stehen individuelle Gründe entgegen661.

___________ 656 BGH NJW 1994, 1592. A.A. OLG Oldenburg VersR 1986, 1220, für die Arthrodese nach einem Fersenbeintrümmerbruch zur deutlichen Schmerzlinderung und Vermeidung einer posttraumatischen Arthrose. 657 OLG München VersR 1960, 952 f. 658 In der Vergangenheit wurde die Reichweite der sogenannten Operationsduldungslast wegen ideologischer Prämissen unterschiedlich beurteilt, vgl. für die Phasen vor, während und nach dem Nationalsozialismus beispielhaft Endemann, S. 355 ff.; Dersch, ArbVers 1936, S. 1 ff., 17 ff. und Schieckel, SozSich 1960, S. 324 ff. 659 Conti, S. 145. 660 Dies gilt etwa für die Arthrodese des Lisfrancischen Fußgelenks (BGH AHR I/2, 36, 37 f.), eine Distraktionsspondylodese der unteren Lendenwirbelsäule (OLG Hamm VersR 1992, 1120 f.) und die versteifende Operation des rechten Ellenbogengelenks mit Resektion des Speichenköpfchens (OLG Düsseldorf VersR 1975, 1031 f.). 661 Seit RGZ 139, 131 ff.

194

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

(3) Sonderfall: Unerwünschter Nachwuchs Der medizinisch-technische Fortschritt setzt eine Fülle von Steuerungsmöglichkeiten, die den Bereich der Familienplanung mit der gezielten Herbeiführung oder Vermeidung einer Schwangerschaft längst erreicht und auch vereinnahmt haben. Trotzdem kann sich Nachwuchs unerwartet und unerwünschter Weise ankündigen, wofür nicht zuletzt, wenngleich wohl eher selten, ein Arzt verantwortlich sein wird. Eine derartige Konstellation ist gegeben, wenn entweder die Sterilisation eines Ehepartners wegen der Nichtanwendung der erforderlichen ärztlichen Sorgfalt missglückt und in Unwissenheit der fortbestehenden Zeugungsfähigkeit oder Fruchtbarkeit die Empfängnisverhütung darauf ausgerichtet wird, andere kontrazeptive Maßnahmen an einer falschen oder ungenügenden Beratung bzw. ihrer lokal ungenauen Einsetzung scheitern oder der Schwangerschaftsabbruch infolge einer nicht sachgemäßen Ausräumung vom Uterus ohne histologische Anschlussuntersuchung fehlschlägt oder mangels hinreichender Diagnostik vereitelt wird. Durchkreuzt ein solcher Behandlungsfehler die Familienplanungen, stellt sich das Problem der Arzthaftung für den Unterhaltsschaden des ansonsten nicht gezeugten und geborenen Kindes. Erst auf dieser Einstandspflicht des Mediziners vermögen etwaige elterliche Schadensminderungslasten zu gründen, weil sie allenfalls durch das Abwendungs- oder Minderungsinteresse hinsichtlich eines haftungsrelevanten Schadens über § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB gerechtfertigt sind. Regelmäßig basiert die Arzthaftung wegen eines Behandlungsfehlers auf der nunmehr in § 280 Abs. 1 BGB geregelten pVV und parallel dazu greift das Deliktsrecht mit den §§ 823 ff. BGB662. Das gilt bei der Geburt eines ungewollten, eventuell sogar behinderten Kindes gleichermaßen663. Schwierig gestaltet sich ___________ 662

Durch das am 01.08.2002 in Kraft getretene Schadensänderungsgesetz vom 19.07.2002 (BGBl I 2002, S. 2674 ff.) dürfte sich die vormals überragende Bedeutung der §§ 823 ff. BGB wegen des nur über § 847 aF BGB gewährten Schmerzensgeldes für den Bereich der Arzthaftung weitgehend erledigt haben. Denn jetzt schafft § 253 Abs. 2 BGB einen übergreifenden und vor allem vom Haftungsgrund der unerlaubten Handlung losgelösten Schmerzensgeldanspruch. 663 Nach überwiegender Ansicht verstößt ein Behandlungsvertrag, der auf die Sterilisation, den Gebrauch eines Kontrazeptivums oder die Ausführung eines rechtmäßigen oder straffreien Schwangerschaftsabbruchs gemäß den §§ 218 ff. StGB gerichtet ist, weder gegen ein gesetzliches Verbot noch gegen die guten Sitten und ist daher rechtswirksam (so BVerfG NJW 1993, 1751, 1763). Obwohl eine Schwangerschaft ein natürlicher Vorgang ist, wird sie aufgrund ihrer typischen Begleiterscheinungen als physische Beeinträchtigung der weiblichen Integrität klassifiziert, mithin einer Körper- und Gesundheitsverletzung iSd § 823 Abs. 1 BGB gleichgestellt. Teilweise wird die Ersatzfähigkeit des Unterhaltsschadens für das unerwünschte Kind dennoch mangels haftungsausfüllender Kausalität negiert, vgl. OLG Köln VersR 1997, 1006 f.; Mertens in: Müko, § 823 Rn. 80. Besondere Bedeutung erlangt deshalb die Frage, ob die Familienplanung

C. Patientenmitwirkung infolge eines Behandlungsfehlers

195

dagegen die Ersatzfähigkeit der daraus folgenden finanziellen Nachteile für die Eltern, insbesondere ihrer Unterhaltspflichten gegenüber dem eigenen Kind664. Obwohl es hier nicht um eine erschöpfende Darstellung der Diskussion in diesem Zusammenhang gehen kann, soll zumindest ein flüchtiger Blick auf deren jüngste Entwicklung geworfen und dadurch die Vorfrage einer etwaigen Arzthaftung geklärt werden. Nach neuerer Rechtsprechung steht der Arzt für den durchschnittlichen Unterhaltsbedarf ein, sofern es bei der Behandlung gerade um die Familienplanung geht, mithin der Behandlungsvertrag die Vermeidung einer materiellen Belastung der Eltern anvisiert665. Typischerweise ist davon bei einem ärztlich zu verantwortenden Versagen des Verhütungsmittels und dem verschuldeten Fehlschlagen einer Sterilisation im Zuge der abgeschlossenen Familienplanung auszugehen, nicht aber im Fall einer rein medizinisch begründeten Kappung der Eileiter666. Eine erfolglose oder vereitelte Abtreibung kommt als Anknüpfungspunkt bloß in Betracht, wenn sie rechtmäßig ist. Die vom BVerfG667 postulierten strengen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs finden sich in den §§ 218 ff. StGB umgesetzt. Angesichts dieser Regelungen fallen die kriminologisch und medizinisch-sozial indizierte Schwangerschaftsunterbrechung gemäß § 218 a Abs. 2, 3 StGB eindeutig darunter. Aus systematischen Erwägungen und wegen der Hochrangigkeit des Lebensschutzes in der Verfassung gilt das wohl nicht für die nur straffreie Notlagenindikation des § 218 a Abs. 1 StGB668. Unter Zugrundelegung der Recht___________ in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts fällt (dafür: Giesen, FamRZ 1970, S. 565, 569; Schiemann, JuS 1980, S. 709, 711; dagegen: BGHZ 86, 240, 249; OLG Düsseldorf NJW 1992, 1566, 1567; OLG Köln VersR 1997, 1006 f. und Göben, S. 63 f.). 664 Zwar liegt nach der Differenzhypothese kein Schaden im Rechtssinne vor, jedoch hat die Rechtsprechung diese Frage unter Wertungsgesichtspunkten nicht einheitlich beantwortet (bejahend: RGZ 108, 86 ff.; LG Limburg NJW 1969, 1575; BGH NJW 1980, 1450 ff.; 1984, 2002 ff.; 1992, 2961 ff.; 1995, 2407, 2409; 1998, 519, 522; 2002, 2636 ff.; BVerfG NJW 1998, 519 ff.; verneinend: LG München VersR 1970, 488; OLG Bamberg JZ 1978, 529 f.; BVerfGE 88, 203, 296). Vgl. auch die jüngeren Darstellungen von Picker AcP 195, S. 483 ff.; Zimmermann, JZ 1997, S. 131 ff. sowie Müller, NJW 2003, S. 697 ff. 665 Ein Gegenbeispiel bietet BGHZ 143, 389 ff., wo eine Schwangerschaft bei den Vorbereitungsuntersuchungen für eine Operation übersehen wurde. 666 So OLG Zweibrücken VersR 1997, 1009 f. und OLG Schleswig NJW-RR 2001, 1391 f. Hingegen spricht sich Deutsch, VersR 1995, S. 609, 611, für eine Erweiterung des engen Schutzbereiches aus, da auch in solchen Fällen auf die Wirksamkeit der Sterilisation vertraut werde. 667 BVerfG NJW 1993, 1751 ff. 668 In diesem Sinne letztmalig BGHZ 129, 178 ff., für einen fehlgeschlagenen Schwangerschaftsabbruch, der wegen eines „Überlastungssyndroms“ von der werdenden Mutter gewünscht wurde.

196

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

sprechung existieren also durchaus Konstellationen, in denen der Arzt durch ein zurechenbares Fehlverhalten bei einer Schwangerschaftsbeendigung oder Empfängnisregulierung für den Unterhaltsschaden des planwidrig geborenen Kindes aufkommen muss669. In einem zweiten Schritt ist nunmehr zu untersuchen, ob und gegebenenfalls welche Lasten die Eltern bei einer unerwünscht einsetzenden und fortwährenden Schwangerschaft treffen. Zunächst könnte an eine Abtreibung gedacht werden. Jedenfalls von einer Frau, bei der oder deren Mann eine Sterilisation fehlschlug oder das verwendete Verhütungsmittel keine Sicherheit bot, kann nicht erwartet werden, dass sie sich für eine gesetzlich mögliche Unterbrechung entscheidet und dadurch den Schädigerinteressen nachkommt670. Die Vernichtung werdenden Lebens stellt nämlich keine selbstverständliche Alternative zur Empfängnisverhütung oder vorausschauenden Familienplanung dar. Somit muss eine persönliche Gewissensentscheidung, die zugunsten der ethisch wünschenswerten Schwangerschaftsfortsetzung ausfällt, respektiert werden. Die Argumentation verlagert sich im Fall der Wiederholung eines zunächst gescheiterten Abbruchs, weil mit der Umsetzung des Ersteingriffes eine grundsätzliche Abtreibungsbereitschaft signalisiert und die psychischen Belastungen und medizinischen Risiken bereits in Kauf genommen wurden. Teilweise wird von einer Abtreibungslast ausgegangen, damit der Arzt bei einer Reversibilität seines Versagens nicht widersprüchlich und arglistig infolge eines spontanen Sinneswandels an der Schadensersatzpflicht festgehalten werden kann, obwohl eine erneute interruptio zumutbar, also medizinisch möglich, psychisch verkraftbar und rechtlich erlaubt ist671. Wird aber eine weitere, nur noch über einen Bauchschnitt durchführbare Abtreibung für zumutbar gehalten, setzt die untere Zumutbarkeitsgrenze doch recht niedrig an672. Auf einen Widerspruch zur hohen Schwelle der Operationslast, wo ein zögernder oder ängstlicher Patient weitgehend freigestellt wird, weist eine andere Auffassung hin673, der letztlich zuzustimmen ist. Eine Last, die einen Zweiteingriff nach einem missglück___________ 669 Jüngst OLG Saarbrücken ZfL 2005, 20, 23: „Der Arzt haftet in den Fällen eines aus ärztlichem Verschulden verhinderten Schwangerschaftsabbruches aus embryopathischer Indikation auf Schadensersatz wegen der Unterhaltsbelastung der Eltern durch das Kind.“ 670 So BGHZ 76, 249, 257; BGH NJW 1984, 1452, 1454 und auch Anm. Giesen, JZ 1985, S. 334, 335 f. 671 Als obiter dictum BGH NJW 1985, 671, 673 sowie wohl Deutsch, NJW 1985, S. 674 und Conti, S. 150. 672 In dieser Weise OLG Braunschweig AHRS 1400/24. 673 Göben, S. 69.

C. Patientenmitwirkung infolge eines Behandlungsfehlers

197

ten Abbruchsversuch gebietet, würde den verfassungsrechtlich gebotenen, hochrangigen Schutz des menschlichen Lebens konterkarieren. Dies ist selbst dann anzunehmen, wenn es um die eher seltenen Situationen einer rechtmäßigen interruptio, also bei einer kriminologischen oder medizinisch-sozialen Indikation geht. Mit Blick auf die grundgesetzliche Werteordnung darf das stark reglementierte Abtreibungsrecht der werdenden Mutter nicht zu einer komplementären Last, schon gar nicht aus reinen Finanzinteressen des Mediziners transformiert werden. Entscheidet sich die Frau, eventuell unter dem Eindruck des gescheiterten Ersteingriffes und der Möglichkeit einer finanziellen Neutralisation ihrer Unterhaltsaufwendungen, trotz Gefährdung ihrer physischen oder psychischen Gesundheit für die Schwangerschaftsfortsetzung, ist die Courage beim Überwiegen des kindlichen Lebensschutzes gegenüber ihren eigenen Risiken begrüßenswert und durch den eigenen, wirksamen Grundrechtsverzicht sowieso allseits zu tolerieren674. Zweifelsohne dürfte die praktische Relevanz dieser Lebenssachverhalte gering sein, denn eine schwangere Frau wird sich nur selten zur Austragung eines schwerst missgebildeten Kindes oder vom Fötus ihrer sexuellen Peinigung entschließen und folglich im eigenen Interesse eine Abtreibungswiederholung anstreben. Die Rechtsordnung gebietet das aber nicht. Natürlich müssen diejenigen, die unerwünscht in den Elternstatus erhoben worden sind, ihr Kind nicht unmittelbar nach der Geburt zur Adoption freigeben675. Aus juristischer Perspektive ist dafür entscheidend, dass ein Ersatzbegehren nicht an das meist positiv reflektierte Dasein ihres Kindes in personam anknüpft, sondern ausschließlich die aufgebürdeten Unterhaltspflichten ausgleichen soll. Auch wenn die finanziellen Belastungen infolge einer planwidrigen Geburt über die Adoption zu beseitigen wären, scheitert die Annahme einer adoptionsrechtlichen Freigabelast an der Unzumutbarkeit676. Dafür spricht neben dem Kindeswohl, das grundsätzlich auf ein Aufwachsen in seiner Ur___________ 674

Im Ergebnis ebenso Schiemann in: Staudinger, § 254 Rn. 88 und Anm. Giesen, JZ 1985, S. 334, 336. Siehe auch Stürner, FamRZ 1985, S. 753 ff., 758 f.: „Das Unbehagen an der schadensliquidierenden Mutter, die ihre Moral nur sehr partiell entdeckt und aktualisiert, sollte eher als Indiz für die grundsätzliche Schwäche der praktizierten Schadensersatzlösung begriffen werden, denn als Anlass zur Konstruktion von Tötungsobliegenheiten genommen werden.“ 675 So auch BGHZ 76, 249, 257; 76, 259, 264; LG Itzehoe FamRZ 1969, 90 f. und Schiemann in: Staudinger, § 254 Rn. 88. A.A. offensichtlich Diederichsen, VersR 1981, S. 693, 695. 676 In der Begründung anders Schiemann in: Staudinger, § 254 Rn. 88, der aufgrund der Verknüpfung zwischen der personalen Beziehung auf der einen und Geldvorteilen auf der anderen Seite die Sittenwidrigkeit heranzieht. Da die Diskussion um die Schadensabwehr- und -minderungslasten aber vom Kriterium der Zumutbarkeit beherrscht wird, erscheint der Rückgriff auf das Argument der Sittenwidrigkeit überschießend.

198

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

sprungsfamilie gerichtet ist, das elterliche Interesse, die Entwicklung des eigenen Nachwuchses, zu dem erste Bindungen schon während der Schwangerschaft entstehen, zu verfolgen und zu fördern. Folglich obliegen den Eltern eines ungeplanten, wegen ärztlichen Versagens empfangenen und geborenen Kindes keine Schadensminderungslasten, sodass ihre Unterhaltsaufwendungen unter allen Umständen zu ersetzen sind.

bb) Beachtung der Kostenüblichkeit Damit der schädigende (Zahn)Arzt im Zuge einer notwendigen Nachbehandlung des Geschädigten nicht durch eine schrankenlose Ausnutzung des erlittenen Schadens zu unrecht finanziell belastet wird, trifft den Patienten bei der Wahl und Ausführung einer Restitutionsmaßnahme die Last, den Rahmen angemessener Aufwendungen einzuhalten. Er ist weder befugt, exzessive Kosten zu verursachen677, noch darf er offensichtlich übersteigerte, (zahn)ärztliche Verordnungen ungeprüft hinnehmen678. Aus der Würdigung aller Gesamtumstände, besonders der Art und Schwere der erlittenen Verletzungen und den Möglichkeiten zur optimalen Versorgung folgt, inwieweit ausnahmsweise eine andernorts, gar im Ausland arbeitende Koryphäe konsultiert werden darf679. Im Normalfall gebietet die Schadensminderungslast iSd § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB, ___________ 677

Dazu BGHZ 63, 295, 299, für die operative Beseitigung einer etwa 2,5 cm langen, lappenförmigen, vor der rechten Ohrmuschel schräg verlaufenden Unfallnarbe in Höhe von 2590,00 DM. Zwar müsse ein Verletzter nicht schon deshalb auf eine Wiederherstellung seiner Gesundheit verzichten, weil die erforderlichen Kosten den als Schmerzensgeld in solchen Fällen angemessenen Betrag ganz enorm übersteigen, jedoch gehen die wirtschaftlichen Belange des Schadensersatzschuldners bei unbedeutenden Verletzungen einem Beseitigungsinteresse des Verletzten nach dem Gebot von Treu und Glauben vor. 678 Vgl. LG Düsseldorf, VersR 1966, 95 f., für die hausärztliche Verordnung von zwei Kuraufenthalten in Meran und Arosa bei relativ lapidaren Unfallfolgen wie Schürfund Schnittwunden, Blutergüssen und einer Knieverletzung, die ohne besondere ärztliche Maßnahmen rasch und komplikationslos ausheilen. Auch wenn das Gericht von einer Vernachlässigung der Pflicht des Patienten, einen Spezialarzt zu Rate zu ziehen, spricht, erlegt es ihm wohl eine Kontrollobliegenheit auf. 679 Ausnahmsweise zulässig ist die Hinzuziehung einer ausländischen Kapazität zur Hauttransplantation bei schwerster Handverbrennungen einer US-Staatsbürgerin mit Aufenthalt in Deutschland durch einen empfohlenen amerikanischen Spezialisten in New York, nachdem die stationäre und ambulante Behandlung in der Hautklinik eines deutschen Universitätsklinikums keinen Erfolg brachte (BGH NJW 1969, 2281 f.) und zur optimalen Behandlung eines neunjährigen Kindes mit schwersten Hirnschäden, die nach ärztlicher Auffassung nur in Tel Aviv durch Anwendung einer in der Bundesrepublik noch nicht praktizierten Methode möglich ist (OLG Hamburg NZV 1988, 105).

C. Patientenmitwirkung infolge eines Behandlungsfehlers

199

dass ein im näheren Wohnumfeld praktizierender (Zahn)Arzt einzuschalten ist680. Überzieht ein Patient den im Einzelfall angemessenen Kostenrahmen, verringern sich die ersatzfähigen Aufwendungen auf diejenige Summe, die bei einer Befolgung der Last angefallen wäre.

c) Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit Droht dem infolge eines Behandlungsfehlers gesundheitsgeschädigten Patienten ein Verdienstausfall, hat er dadurch zur Schadensminderung beizutragen, dass er in den Grenzen der Zumutbarkeit die ihm verbliebene Arbeitskraft so nutzbringend wie möglich verwertet681. Im Vordergrund steht eine Wiederaufnahme der bisher ausgeübten Tätigkeit oder einer anderen, der geminderten Erwerbsfähigkeit angepassten und angemessenen Beschäftigung. Die gegenwärtige, angespannte Arbeitsmarktlage dürfte es einem Geschädigten durchaus schwer machen, überhaupt ein neues, vergleichbares Einsatzfeld zu finden. In welcher Weise er dazu beitragen sollte, richtet sich nach den Grundsätzen, die zur allgemeinen Erwerbslast über § 254 Abs. 2 BGB entwickelt wurden. Inwiefern der Geschädigte wieder auf seiner alten Arbeitsstelle tätig werden kann oder einer anderen Erwerbstätigkeit nachzugehen hat, bestimmt sich nach dem konkreten Lebenssachverhalt und dem Maß des Zumutbaren. Im Einzelnen spielen dafür die Schwere der Schadensfolgen, die Persönlichkeit und das Alter des Verletzten, seine Intelligenz und der Bildungsstand einschließlich beruflicher Fähigkeiten sowie die psychische und physische Adaptionsfähigkeit eine Rolle682. Wesentliche wirtschaftliche oder gesundheitliche Risiken, die bei einer Schadensselbsttragung vielleicht eingegangen würden, braucht der Geschädigte nicht auf sich zu nehmen683. Im Zeitalter zunehmender gesellschaftlicher Flexibilität und Mobilität können jedoch gewisse Anstrengungen erwartet werden, wie beispielsweise die Annahme einer im näheren Wohnumfeld, nur per Auto zu erreichenden Arbeitsstelle684 und prinzipiell ein Umzug685. Zwingt ___________ 680

Oetker in: Müko, § 254 Rn. 80 und implizit auch OLG Köln VersR 1985, 1166. BGH VersR 1983, 488, 489, BGH NJW 1991, 1412; 1995, 652, 653; Schiemann in: Staudinger, § 254 Rn. 84; Conti, S. 141. 682 Kuckuk in: Erman, § 254 Rn. 63. 683 Vgl. BGH BB 1974, 63, wonach einem Landarzt, der bis zum Schadensfall lediglich Kollegen vertrat, die Eröffnung einer eigenen Arztpraxis wegen der erheblichen finanziellen Konsequenzen nicht zugemutet wurde. Selbiges gilt nach Ansicht des OLG Oldenburg VersR 1982, 175 f., für die Einstellung einer Ersatzkraft in einem familiengeführten Malerbetrieb. 684 BGH NJW 1998, 3706, für den Einsatz und die Anschaffung eines Fahrzeugs auf Kosten des Schädigers zwecks Erreichung einer ansonsten zumutbaren Arbeitsstelle. 681

200

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

der Gesundheitszustand zum Ausweichen auf eine ähnliche Tätigkeit, muss sie in ihrem Anforderungsprofil, der Vergütung und der sozialen Wertschätzung dem zuvor ausgeübten Beruf weitgehend entsprechen686. Daher kommt prinzipiell auch ein Wechsel von der Selbständigkeit zum Anstellungsverhältnis in Betracht, sofern damit kein spürbarer sozialer Abstieg verbunden ist. Ist zur beruflichen Wiedereingliederung eine Umschulungsmaßnahme nötig, muss der Geschädigte sich ihr stellen, wenn sie allgemein zumutbar ist, der Mediziner oder die dahinter stehende Versicherung sämtliche Kosten als schadensbedingte Aufwendungen gemäß § 251 Abs. 1 BGB trägt und mit einiger Wahrscheinlichkeit von einer nachfolgenden Anstellung ausgegangen werden kann687. Auf eine offensichtlich erfolglose Fortbildung wie bei einer Umschulung auf ein Tätigkeitsfeld ohne Perspektive braucht sich der Geschädigte aber nicht einlassen, da der Erwerbsschaden hiermit nicht zu mindern ist688. Die Belastungen für die private Lebensführung, die wegen des persönlichen Einsatzes und der individuellen Anstrengungen mit jedem Bildungsakt einhergehen, sind dann nicht hinnehmbar. Das gilt ebenso, falls bei der neuen Arbeit erhebliche Beschwerden auftreten oder sich die Gesundheitsbeeinträchtigungen gar verschlimmern würden689. Eine zeitweilige Trennung von der Familie für die Umschulung in einer Heil- und Schulungsstätte für Schwerbehinderte ist hingegen zumutbar690. Hat der Geschädigte im Rahmen der Schadensminderungslast eine Erwerbstätigkeit auszuüben, wird das erwirtschaftete oder mögliche Arbeitsentgelt in voller Höhe auf den bestehenden Kompensationsanspruch für den erlittenen Verdienstausfall angerechnet. Besteht keine Erwerbslast ist die Vergütung für eine gleichwohl geleistete Arbeit nicht als schadensmindernder Posten abzugsfähig. Ebenso reduziert ein umschulungsbedingter Mehrverdienst nicht den ge-

___________ 685 Eine Ausnahme besteht bei einer besonderen regionalen Bindung, für die verschiedene Gründe in Betracht kommen können, wie notwendige persönliche Beziehungen wegen einer notwendigen Betreuung durch fortwirkende Unfallfolgen (BGH VersR 1962, 1100 f.) oder der Besitz eines Grundstückes mit Haus und örtlich gebundenem landwirtschaftlichem Unternehmen (BGH VersR 1967, 75, 77). 686 BGH VersR 1986, 1113, 1115 und OLG Hamm VersR 1992, 1120 f. 687 So bereits RGZ 160, 119, 121 f.; Looschelders, S. 476. 688 Wie hier Göben, S. 91 und Looschelders, S. 476 f. Weitergehend Oetker in: MüKo, § 254 Rn. 87, der eine Umschulungslast unabhängig von ihrer Perspektive favorisiert, weil es Sache des Schädigers sei, ob er die Fehlinvestition eingehen wolle. 689 BGH VersR 1961, 1018 f. und OLG Frankfurt NZV 1996, 454. 690 BGHZ 10, 18, 20.

C. Patientenmitwirkung infolge eines Behandlungsfehlers

201

gen den (Zahn)Arzt gerichteten Gesamtschadensersatzanspruch über einen Vorteilsausgleich691.

d) Durchführung eines Schlichtungsverfahrens vor Klageerhebung Ist das Vorliegen eines Behandlungsfehlers zwischen (Zahn)Arzt und Patient streitig, muss für dessen Klärung und die Schadensregulierung meist ein vermittelnder Dritter wie die Schlichtungsstelle oder das Gericht eingeschaltet werden. Eine vergleichende Betrachtung der Kosten, die eine außergerichtliche Erörterung der Arzthaftungsansprüche vor einer Schlichtungsstelle der (Zahn)Ärztekammer und die gerichtliche Entscheidung verursachen und der Mediziner als Schädiger gemäß § 251 Abs. 1 BGB zu tragen hat, eröffnet das Problem einer eventuell aus Schadensminderungserwägungen existenten Rangfolge zwischen dem Schlichtungs- und Gerichtsverfahren692. Während bei einer Klage üblicherweise Gerichts- und Anwaltsgebühren anfallen, löst das Schlichtungsverfahren keinerlei Kosten aus. Allein daraus folgt aber keine Patientenlast zur vorrangigen Ausschöpfung der außergerichtlichen Möglichkeiten, da dem Patienten dieses Vorgehen unter Abwägung mit den gegnerischen Belangen zumutbar sein muss. Neben der Kostengröße ist auf Seiten des Mediziners der Schutz seines Ansehens zu berücksichtigen, dem durch ein standesaufsichtliche Schlichtungsverfahren genügt wird. Gelegentlich nutzt es der Patient, um ein kostenloses Gutachten einzuholen und damit eine bestehende Beweisnot zu beseitigen oder das Prozessrisiko abschätzen zu können. Vor allem wegen der fehlenden Verbindlichkeit der Entscheidung, aber auch durch die Schriftlichkeit des Verfahrens ohne laufende Informationen für die Beteiligten und Diskussion von Einwendungen erscheint eine direkte gerichtliche Auseinandersetzung effektiver, zumal sich der Haftpflichtversicherer des (Zahn)Arztes nicht selten sträubt, den Schaden zumindest der Höhe nach zu begleichen. Eine gerichtliche Klärung ist dann trotz Entscheidung der Schlichtungsstelle nicht zu vermeiden, wobei wegen dessen Dauer von etwa 10 bis 15 Monaten zunehmend Aufklärungsschwierigkeiten, letztlich also Beweisnachteile drohen. Der verfassungsrechtlich garantierte, effektive Rechtsschutz wäre daher erheblich ___________ 691

Müller-Laube, JZ 1991, S. 162, 167 und Schiemann in: Staudinger, § 254 Rn. 85. Davon zu trennen ist die Frage, ob das Durchlaufen eines Schlichtungsverfahrens Vorbedingung für die Gewährung von Prozesskostenhilfe iSd § 114 ZPO ist (bejahend: OLG Oldenburg (04.09.1984 - 6 W 81/84), n.v.; LG Aurich NJW 1986, 792; LG Dortmund MedR 1987, 195; verneinend: OLG Oldenburg MedR 1988, 274; OLG Düsseldorf MedR 1989, 200 ff.; Anm. Matthies, NJW 1986, S. 792 f.; Anm. Giesen, JZ 1988, S. 255 ff.; Stegers, AnwBl 1989, S. 137, 139). 692

202

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

eingeschränkt, wenn man eine Last zur vorrangigen Inanspruchnahme außergerichtlicher Vermittlungs- und Regulierungsverfahren annähme. Der Patient kann folglich zwischen der Anrufung einer Schlichtungsstelle und der Klageerhebung frei wählen.

D. Patientenmitwirkung im Rahmen eines Arzthaftungsprozesses Die Reaktionsmöglichkeiten des Patienten auf eine (zahn)ärztliche Pflichtverletzung sind vielfältig: So kann er eine außergerichtliche Einigung unter Einschaltung von Mediatoren herbeiführen, sich zur Schadensregulierung an die Schlichtungsstelle der (Zahn)Ärztekammer wenden, Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld vor dem zuständigen Gericht erheben oder gar Strafanzeige gegen den (Zahn)Arzt erstatten. Für die folgenden Betrachtungen wird der Arzthaftungsprozess herausgegriffen und dabei die Patiententeilhabe für das bipolare Verhältnis zum (Zahn)Arzt untersucht. Der Patient nimmt als Kläger die Rolle einer Prozesspartei ein, die sich für Privat- und Kassenpatienten nicht unterscheidet. Auch im Laufe eines Arzthaftungsprozesses kann sich die Frage nach der Patientenmitwirkung stellen, die etwa in der Entbindung von der Schweigepflicht oder einer Zustimmung zur Untersuchung zwecks Anfertigung eines Sachverständigengutachtens liegen kann. Verweigert der geschädigte Patient in einem von ihm angestrengten Gerichtsverfahren die Befreiung des (Zahn)Arztes oder des Hilfspersonals von ihrer Schweigepflicht oder aber eine Begutachtung seines Gesundheitszustandes durch einen Experten, wird dem weitgehend beweispflichtigen Mediziner die Möglichkeit der Beweisführung genommen bzw. wesentlich erschwert. Inwieweit die Teilhabe des Patienten deshalb rechtlich geboten ist, gilt es jetzt aufzuzeigen.

I. Rechtsgrundlage Jeder Zivilprozess begründet mit der Zustellung einer Klageschrift zwischen den Beteiligten und dem Gericht wie auch den Parteien zueinander ein Rechtsverhältnis, das mit einer streitigen Entscheidung oder unstreitigen Regelung endet. Diese sogenannte Prozessrechtsbeziehung verkörpert kein Schuldverhältnis iSd § 241 Abs. 1 BGB, denn es ist öffentlich-rechtlicher Natur und beschränkt sich auf prozessuale Rechte und Pflichten der Parteien693. Insgesamt ___________ 693 Musielak, Grundkurs ZPO, Rn. 152; Rosenberg/ Schwab/ Gottwald, S. 8 f.; Schellhammer, Rn. 1270.

D. Patientenmitwirkung im Arzthaftungsprozess

203

bürdet es weniger Pflichten als Lasten auf, wie die Behauptungs-, Beweis-, Anwesenheits- oder Verhandlungslast. Eine Partei muss daher keine Anträge stellen, Tatsachen behaupten oder bestreiten, Beweise anbieten oder mündlich verhandeln, sollte dies aber zur Prozessförderung und im eigenen Interesse der antragsgemäßen Entscheidung tun. Da die Einzelvorschriften der ZPO nicht alle denkbaren Fälle nötiger Mitwirkungserfordernisse einer Partei erfassen und im Prozessrecht eine dem § 242 BGB vergleichbare Generalklausel fehlt, ist nach überwiegender Ansicht der Grundsatz von Treu und Glauben analog anzuwenden694. Danach sind die Parteien gehalten, auf die berechtigten Belange ihres Gegners Rücksicht zu nehmen. Aus dem Zweck der Rechtsbeziehung, der Verkehrssitte sowie der Redlichkeit folgt, wann ein legitimes Schutzinteresse anzunehmen ist. Art, Reichweite und Folgewirkung der Lasten gründen somit im Prozessrechtsverhältnis und sind überwiegend im Wege der Auslegung durch Abwägung der beiderseitigen Belange zu ermitteln.

II. Mitwirkungslasten Wie bereits angedeutet, obliegen dem Patienten im Rahmen eines Arzthaftungsprozesses bloß Lasten, also mit einem Rechtsnachteil verbundene Verhaltenserwartungen. Solche könnten sich auf die Darlegungs- und Beweisverteilung, eine Befreiung des beklagten (Zahn)Arztes von seiner Schweigepflicht und die Zustimmung zur medizinischen Begutachtung erstrecken.

1. Darlegungs- und Beweislast Ob ein (Zahn)Arzt für sein Fehlverhalten tatsächlich einzustehen hat, hängt vielmals vom Beweisrecht ab. Grundsätzlich hat jede Partei die für sie günstigen Tatsachen substantiiert darzulegen und zu beweisen sowie ungünstige Fakten wegen § 138 Abs. 3 ZPO zu bestreiten. Kann die beweisbelastete Partei für eine vorgebrachte, vom Gegner bestrittene Tatsache den Nachweis nicht zur Überzeugung des Gerichts führen, gilt der Beweis zum eigenen Nachteil als nicht erbracht. In diesem Sinne trägt der Anspruchsteller prinzipiell die Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen und der Beklagte für Einreden und Einwendungen. ___________ 694 BGHZ 20, 198; 40, 203; 43, 289; 57, 108; 69, 37; 112, 345; BGH NJW 1991, 1176; 1995, 533.

204

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

Ein klagender Patient hat also die Pflichtverletzung des Mediziners und den daraus resultierenden Schaden vorzutragen und notfalls auch zu beweisen695. Soll der (Zahn)Arzt entweder keine Verhaltensanweisungen erteilt oder über die Bedeutung ihrer Beachtung nicht belehrt haben, muss der Patient dieses Fehlverhalten beweisen. Sofern der Patient nicht mitgewirkt hat, aber auch ein (zahn)ärztlicher Behandlungsfehler unterlaufen ist, hat er zu beweisen, dass der erlittene Gesundheitsschaden auch bei eigener Beteiligung eingetreten wäre. Diese für den Patienten häufig schwierigen Hürden reduzieren freilich zwei Rechtsinstitute, nämlich der Anscheinsbeweis und die aus Billigkeitserwägungen anerkannte Beweislastumkehr bei einem Dokumentationsmangel, einer Beweismittelbeeinträchtigung durch den (Zahn)Arzt oder einem groben Behandlungsfehler. Besondere praktische Bedeutung kommt dabei dem zunächst vom Patienten zu beweisenden groben Behandlungsfehler zu, wenn also der (Zahn)Arzt die Sorgfalt im besonders hohen Maße missachtet hat und dies schlechterdings nicht unterlaufen darf696. Übersieht ein Chirurg etwa die Warnzeichen des Blutdruckabfalls nach der Blinddarmoperation und verstirbt der Patient an inneren Blutungen, hat der Mediziner aufgrund seiner groben Sorgfaltspflichtverletzung zu beweisen, dass eine Rettung auch zum erstmöglichen Erkennungszeitpunkt ausgeschieden wäre und seine Unachtsamkeit für den Tod eben nicht ursächlich war. Lässt sich andererseits kein grober Behandlungsfehler feststellen und ist die Kausalität für den erlittenen Gesundheitsschaden durch den Patienten nicht beweisbar, droht die kostenpflichtige Klageabweisung. Prozesstaktisch berufen sich Patienten deswegen meist auf eine unwirksame Einwilligung infolge einer unzureichenden Aufklärung697, da der Gegenbeweis vom Mediziner zu führen ist698. Der (Zahn)Arzt hat darüber hinaus die objektive Zumutbarkeit für eine Abwendung und Minderung der beim Patienten eingetretenen Gesundheitsschädigung zu beweisen, wobei der Patient eine etwaige subjektive Unzumutbarkeit darlegen kann. ___________ 695

Für diese h.M. statt vieler nur BVerfGE 52, 138, 158; BGHZ 61, 118 sowie Stoll, AcP 176, S. 145, 156. 696 Vgl. dazu kürzlich BGH GesR 2004, 290. 697 Fehlt es tatsächlich an einer Einwilligung, kann der Mediziner im Gegenzug auf die hypothetische Einwilligung abstellen. Dann hat wiederum der Patient darzulegen, dass er sich bei vollständiger Aufklärung in einem echten Entscheidungskonflikt befunden hätte, was dieser hilfsweisen Rechtfertigung der Behandlung entgegenstehen würde. 698 Im Ergebnis ist die Ausweitung der Aufklärungspflichten, um Schadensersatz für potentielle, nicht beweisbare Behandlungsfehler zu erlangen, ein rechtspolitisch fragwürdiges Mittel. Ob und wie diese Funktionalisierung der Aufklärung zu bekämpfen ist, kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht geklärt werden. Vgl. zur Missbrauchsgefahr der Aufklärungsrüge BGH NJW 1984, 1399; Tempel, NJW 1980, S. 609, 610; Hübner, NJW 1989, S. 5, 7 und Laufs/ Uhlenbruck in: Laufs/ Uhlenbruck, § 39 Rn. 8.

D. Patientenmitwirkung im Arzthaftungsprozess

205

2. Entbindung von der Schweigepflicht Die für das Behandlungsverhältnis notwendige Offenheit wird ein Patient nur aufbringen, wenn er mit dem vertraulichen Umgang seiner Informationen durch den (Zahn)Arzt rechnen kann. Aus diesem Grund ist die Ärzteschaft zur Verschwiegenheit verpflichtet699, was als vertragliche Pflicht in § 9 MBO, mit § 203 StGB und den §§ 53 Abs. 1 Nr. 3; 53 a StPO gleich mehrfach normiert ist. Mithin ist ein Mediziner zur Offenbarung von Fakten, die mit der Behandlung im Zusammenhang stehen grundsätzlich nicht berechtigt. Eine Ausnahme besteht bei der gesonderten gesetzlichen Anordnung700 oder einer Schweigepflichtentbindung durch den Patienten701. Wird ein (Zahn)Arzt in einen Zivilprozess verwickelt, ist er zur Wahrung seiner Rechte darauf angewiesen, dem Gericht gegenüber Angaben hinsichtlich des Krankheitsverlaufes machen zu dürfen und im Fall einer ihm obliegenden Beweislast auf das Zeugnis seiner Gehilfen oder anderer (Zahn)Ärzte zurückgreifen zu können. Beides ist solange nicht möglich, wie die Schweigepflicht fortbesteht und vom Patienten gar nicht oder nicht im erforderlichen Umfang aufgehoben wird. Für einen beklagten (Zahn)Arzt hätte dies insofern fatale Folgewirkungen, als das Prozessrechtsverhältnis dem Patienten ein solches Handeln nicht gebieten würde. Sofern schon in der Klageerhebung eine konkludente Befreiung von der Schweigepflicht erblickt wird702, erzielt das Problem keine eigenständige Bedeutung. Dem ist die Rechtsprechung bisher zu Recht nicht gefolgt703, denn eine Freigabe der Persönlichkeitssphäre setzt die Kenntnis ihrer Bedeutung und Reichweite voraus. Im Moment der Klageerhebung ist aber weder die gegnerische Reaktion noch die Prozessentwicklung absehbar, sodass ein automatisch erteilter Verzicht auf die Schweigepflicht einer General- oder Blankobefreiung gleichkäme. Daran ist ein Patient nicht interessiert, der vielmehr auf die jeweilige Situation adäquat reagieren und seine Entscheidung darauf zugeschnitten treffen möchte. Gegebenenfalls nimmt er lieber einen Beweisnachteil in Kauf, als seine persönlichen Daten vollends vor Gericht ausbreiten zu lassen. ___________ 699

Lenckner in: Göppinger, S. 159 ff. Vgl. die §§ 294; 295 Abs. 1, 1a SGB V; §§ 6, 7 IfSG; §§ 15-18 SchKG; § 3 Abs. 2 Nr. 2 FeuerbestG. 701 Die Entbindungserklärung ist kein Rechtsgeschäft und setzt einen freiwilligen Entschluss des Patienten voraus, sodass sie auch vom urteils- und einsichtsfähigen Minderjährigen abgegeben werden kann. 702 In dieser Weise Deutsch/ Spickhoff, Rn. 481. 703 Vgl. nur BGH AHRS I 6445/6. 700

206

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

Im Rahmen des Prozessrechtsverhältnisses haben beide Seiten aufeinander Rücksicht zu nehmen, sodass die berechtigten Belange des (Zahn)Arztes nicht ausgeblendet bleiben können. Beharrt der Patient auf die Schweigepflicht, beeinträchtigt er die Beweisführung des Mediziners und bringt ihn damit meist in Beweisnot. Die darin liegende Beweisvereitelung704 verstößt unabhängig davon, ob der Patient den von der Rechtsordnung eingeräumten Schutzbereich gezielt ausnutzt oder nicht, gegen das Gebot von Treu und Glauben. Dem steht die Erfahrung, dass Mediziner in der Rolle eines Zeugen oder Sachverständigen nicht ganz selten mit besonderem Nachdruck zur Wahrheit angehalten werden müssen, nicht entgegen. Das Gericht beurteilt die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen nach § 286 ZPO im Wege der freien Beweiswürdigung, sodass sich der Patient nicht selbst über die Verweigerung einer Schweigepflichtentbindung schützen braucht. Mithin ergibt die Auslegung gemäß § 242 BGB analog eine Last, wonach der Patient den beklagten (Zahn)Arzt und andere, der Schweigepflicht unterfallende Zeugen vom Aussagehindernis zu befreien hat705. Eine Missachtung dieser Last wird über eine Beweiserleichterung oder Beweislastumkehr sanktioniert706. Selbiges gilt, wenn der Patient den beklagten Mediziner oder Zeugen von der Schweigepflicht verspätet befreit und sich der Aussagende aufgrund des größeren zeitlichen Abstandes nicht mehr oder nicht genau erinnern kann. Denn in solchen Fällen wird ein Mediziner ebenfalls in Beweisnot gebracht707. Davon ist auszugehen, wenn ein Zeuge mangels Schweigepflichtentbindung erst etwa sieben Jahre nach einem Beklagtenvortrag und elf Jahre nach dem streitigen Vorfall vernommen werden kann und dessen Erinnerung zwischenzeitlich verständlicher Weise verblasst ist708. Demnach obliegt dem Patienten im Rahmen eines Arzthaftungsprozesses, den Beklagten und die von ihm als Zeugen benannten Mediziner oder Hilfskräfte in dem für die Beweisführung nötigen Umfang von ihrer Schweigepflicht zu befreien und zwar möglichst zeitnah. Andernfalls droht ihm ein beweisrechtlicher Nachteil.

___________ 704

Dazu statt vieler Musielak, Grundkurs ZPO, Rn. 469, 471. Weißauer, Mtlg. LVA OMF 1981, S. 486, 488 und Deutsch/ Spickhoff, Rn. 477. 706 Kern/ Laufs, S. 174 sowie Deutsch/ Spickhoff, Rn. 416. 707 BGH AHRS I 6445/6; Kern/ Laufs, S. 174. 708 Vgl. den Fall und die Begründung von BGH AHRS I 6445/6. 705

D. Patientenmitwirkung im Arzthaftungsprozess

207

3. Billigung einer medizinischen Untersuchung als Grundlage für ein Sachverständigengutachten Regelmäßig wird ein Arzthaftungsprozess ohne sachverständige Beurteilung in Form eines Privatgutachtens oder durch richterliche Anordnung nicht geführt werden können. Denn erst dadurch lassen sich das Vorliegen eines Behandlungsfehlers und seine Kausalität für die eingetretene Körperschädigung klären und eine objektive Zumutbarkeit konkreter Schadensminderungsmaßnahmen evaluieren. Der üblicherweise beweisbelastete (Zahn)Arzt kann seine Haftung nur abwehren, wenn sich der Patient kooperativ zeigt und die Anfertigung eines Sachverständigengutachtens gestattet. Dieses Verhalten ist wegen des Selbstbestimmungsrechts nicht zu fordern. Sperrt sich ein Patient jedoch, behindert er zurechenbar die Beweisführung des (Zahn)Arztes. Folglich fehlt zwar eine Kooperationspflicht, nicht dagegen eine aus § 242 BGB analog abgeleitete Prozesslast. Mithin sollte der Patient seine Einwilligung zur Untersuchung erteilen und in erforderlicher Weise mitwirken, falls dies zumutbar und die behauptete Tatsache ansonsten nicht hinreichend nachzuweisen ist709. Maßgeblich für die Existenz einer Last ist demnach die Zumutbarkeit, die insbesondere von der Gefahrlosigkeit und weitgehenden Schmerzfreiheit der Untersuchung abhängt. Erfüllt ein beantragtes Sachverständigengutachten diese Bedingungen nicht, handelt es sich um ein unzulässiges Beweismittel710, das gerade keine Beteiligungslast zu statuieren vermag. Die Verweigerung einer zumutbaren Begutachtung löst die typischen Folgen der Beweisvereitelung aus: Entweder tritt eine Beweislastumkehr ein und der Patient wird für die nicht aufklärbare Behauptung eines Behandlungsfehlers und seiner Ursächlichkeit für den erlittenen Körperschaden trotz eines groben Behandlungsfehlers beweisfällig711 oder das Gericht zieht im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO entsprechende Schlüsse zuungunsten des Klägers712.

___________ 709

Im Ergebnis ebenso Conti, S. 155 f. OLG Düsseldorf VersR 1985, 458, für ein Sachverständigengutachten zur Widerlegung des behaupteten ärztlichen Kunstfehlers beim Sterilisationseingriff, das nur mittels Operation mit lebens- und gesundheitsgefährlichen Risiken erstattet werden kann. 711 So OLG Köln AHRS I 6445/8. 712 Prinzipiell Musielak, Grundkurs ZPO, Rn. 471 und konkret Conti, S. 156. 710

208

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

E. Zwischenergebnis und Kodifikationsüberlegungen 1. Im Ergebnis der Ausführungen des zweiten Kapitels ist festzuhalten, dass Privat- und Kassenpatienten gegenüber dem Mediziner wesentlich mehr Lasten als Pflichten haben. Diese Patientenpflichten und -lasten ergeben sich für die medizinische Behandlung, dem Umgang mit einem (zahn)ärztlichen Behandlungsfehler und während eines Arzthaftungsprozesses aus dem jeweiligen vertraglichen bzw. gesetzlichen Schuldverhältnis. Von diesen rechtlichen Grundlagen ausgehend wurde die Patientenmitwirkung systematisch und durch die Entwicklung der Theorie von den Pflichten und Lasten zugleich dogmatisch untersucht. a) Obwohl es nahezu offenkundig ist, dass eine Behandlung ohne Mitwirkung des Patienten häufig nicht oder jedenfalls nicht erfolgreich durchgeführt werden kann, hat die Problematik der Patiententeilhabe in rechtswissenschaftlicher Hinsicht bislang kaum Beachtung gefunden. Dies verwundert umso mehr, als gerade in jüngster Vergangenheit die Kodifizierung von Patientenrechten intensiv debattiert wurde und es einem allgemeinen Rechtsgedanken entspricht, dass niemandem bloß vorteilhafte Rechtspositionen eingeräumt sind. Gleichwohl wird eine Regelungseinheit der Patientenrechte und -pflichten nur vereinzelt gefordert. Sofern sich in der Literatur kurze Abschnitte zur Patientenmitwirkung finden und auch deren Rechtsnatur erwähnt wird, soll es sich entweder um Nebenpflichten oder Obliegenheiten handeln. Meist ist jedoch nicht ersichtlich, worauf die Zuordnung zur einen oder anderen Normenkategorie gestützt wird und worin die Patiententeilhabe letztlich ihre Rechtsgrundlage hat. Teils wird auch versucht, die Patientenmitwirkung unter dem Aspekt der Compliance zu fassen. Dieser Begriff wurde von der Medizinsoziologie geprägt und meint den Grad, in dem Patienten (zahn)ärztliche Therapieanweisungen tatsächlich einhalten. Da allgemein bekannt ist, dass Patienten oft nicht nachhaltig mitwirken, ist die Compliance mittlerweile ein fester Bestandteil in der medizinischen Fachliteratur und hat dort sicherlich ihre Berechtigung. Eine Übertragung des Begriffes auf die Rechtswissenschaft erscheint indes weder geboten noch sinnvoll. Selbst wenn nämlich darunter jede für den Behandlungserfolg notwendige Patientenkooperation verstanden wird, bleibt offen, ob der Patient zum vereinbarten Behandlungstermin erscheinen, anamnestische Auffälligkeiten mitteilen, diagnostische Eingriffe dulden oder ärztliche Anordnungen beachten muss. b) Als wesentliche Vorfrage war daher zu klären, was Pflichten und Obliegenheiten eigentlich sind und wodurch sie sich unterscheiden. Erstaunlicherweise gibt es nach wie vor keine allgemein anerkannten Definitionen. Infolgedessen wird meist nicht einheitlich beantwortet, ob eine gesetzlich geregelte oder vertraglich vereinbarte Verhaltensnorm nun eine Pflicht oder Obliegenheit

E. Zwischenergebnis und Kodifikationsüberlegungen

209

statuiert. Der Untersuchungsgegenstand erfordert in Anbetracht des gegenwärtigen Meinungsstandes zur Patiententeilhabe, wonach entweder Nebenpflichten oder Obliegenheiten anzunehmen wären, eine Abgrenzung zwischen den Pflichten und Obliegenheiten. Dabei kommt es neben einem klaren Begriffsverständnis auch darauf an, ob die Obliegenheiten als ein Teil der Pflichten anzusehen sind oder dazu im Gegensatz stehen. An diesem Punkt setzt die eigens entwickelte Dogmatik der Pflichten und Lasten an, womit letztlich zwei Kategorien für Teilhabeakte geschaffen werden und worin die wesentliche Prämisse der Arbeit liegt. Demnach sind Pflichten echte Verhaltensanforderungen, die mit einem Anspruch korrelieren und deshalb eingefordert und gerichtlich durchgesetzt werden können. Für das vertragliche Schuldverhältnis gliedern sich die Pflichten in Hauptleistungs-, Nebenleistungs- und Nebenpflichten. Im Gegensatz dazu haben die Lasten einen geringeren Verbindlichkeitsgrad, denn das normierte Verhalten kann nämlich mangels eines Anspruches nicht eingefordert werden, seine Missachtung verkürzt aber die Rechtsposition des Belasteten. Insofern wird die Einhaltung einer Last nicht geschuldet, wohl aber rechtlich erwartet. In die Rubrik der Lasten gehören unter anderem die Obliegenheiten. Entscheidend für die Annahme von Patientenpflichten ist somit, ob die Mitwirkung tatsächlich gefordert werden kann, dem Gegenüber also ein entsprechender Anspruch eingeräumt ist. Dabei ist zwingend das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, das Verfassungsrang hat, zu beachten. Das Selbstbestimmungsrecht überlässt einem Patienten die volle Entscheidungsbefugnis über seinen Körper, insbesondere das Ob und Wie der medizinischen Behandlung. Mithin ist neben der physischen und psychischen Integrität auch die Willensfreiheit des Einzelnen geschützt. So kann der Patient bewusst lebensrettende Maßnahmen ablehnen, obwohl damit gerade die Gesundheit wiederhergestellt werden soll. Trotzdem muss der (Zahn)Arzt diese Patientenentscheidung akzeptieren und ist beispielsweise nicht berechtigt, einem Zeugen Jehovas gegen seinen Willen eine Bluttransfusion zu verabreichen. Dies führt im Umkehrschluss dazu, dass eine bestimmte Beteiligung des Patienten eher selten beansprucht werden kann. Vielmehr entscheidet der Patient letztverbindlich, ob und gegebenenfalls inwieweit er sich einer Behandlung unterzieht und daran beteiligt. Andererseits kann dem Patienten über die Auferlegung von Lasten ausreichend verdeutlicht werden, dass seine Mitwirkung für den Therapieerfolg unabdingbar ist und deshalb rechtlich zumindest erwartet wird. c) Die Patientenpflichten und -lasten gegenüber dem (Zahn)Arzt finden ihre rechtliche Grundlage für die Phase der medizinischen Versorgung in einem Behandlungsvertrag, beim Umgang mit einem (zahn)ärztlichen Behandlungs-

210

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

fehler in einem gesetzlichen Schuldverhältnis und während eines Arzthaftungsprozesses in einem Prozessrechtsverhältnis. aa) Ein deutlicher Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der Ermittlung der Pflichten und Lasten eines Privat- und Kassenpatienten im Zuge der medizinischen Versorgung. Nach einhelliger Ansicht stellt der Behandlungsvertrag einen Dienstvertrag nach § 611 BGB dar. Insbesondere das zivilrechtliche Schrifttum unterscheidet dabei nicht zwischen dem Privat- und Kassenpatienten. Sofern aber die Eigenheiten des gesetzlichen Krankenversicherungsschutzes berücksichtigt werden, ist äußerst umstritten, was für ein Rechtsverhältnis zwischen Kassenpatient und Vertrags(zahn)arzt zustande kommt. Während ein Privatpatient nur die Behandlungskosten von seiner privaten Krankenversicherung erstattet bekommt, kann der Pflichtversicherte von der gesetzlichen Krankenversicherung eine kostenfreie Behandlung beanspruchen. Da die Krankenkassen medizinische Maßnahmen nicht selbst durchführen können, schalten sie sogenannte Vertrags(zahn)ärzte ein. Auf diese Weise entsteht ein sehr komplexes Leistungserbringungssystem, in das auch der Kassenpatient integriert ist. Da der Behandlungsanspruch des Kassenpatienten bereits im SGB V ausgestaltet ist und der Vertrags(zahn)arzt die Vergütung von der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung erhält, treffen der Vertrags(zahn)arzt und Kassenpatient diesbezüglich keine Vereinbarungen. Dennoch müssen sich beide Seiten auf die Behandlung einlassen, sodass sie zum Schutz ihrer Rechts- und Vermögensgüter während der Behandlung nach eigener Ansicht einen Vertrag sui generis gemäß den §§ 305, 241 BGB schließen. Von einem Vertrag sui generis ist deshalb ausgehen, weil er eben keine Hauptleistungspflichten enthält. Obwohl der Vertrag sui generis in Teilbereichen durchaus deckungsgleich mit dem Behandlungsvertrag des Privatpatienten iSd § 611 BGB ist, wurden die einzelnen Mitwirkungserfordernisse für Privat- und Kassenpatienten getrennt untersucht. Auf diese Weise lassen sich die Unterschiede darstellen, wenngleich die Pflichten und Lasten des Privat- und Kassenpatienten letztlich nur marginal voneinander abweichen. So trifft die Honorarzahlungspflicht nur den Privatpatienten; allein der Kassenpatient ist zur Vorlage seiner Krankenversicherungskarte und neuerdings zur Entrichtung der Praxisgebühr verpflichtet. Im Übrigen ergeben sich aus den jeweiligen Behandlungsverträgen identische Pflichten und Lasten. Normalerweise wird der Vertragsinhalt nicht langwierig ausgehandelt, sodass die Patientenpflichten und -lasten regelmäßig unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage durch Auslegung zu ermitteln sind. Denn niemand wird sich zu einem bestimmten Handeln verpflichten, wenn gewichtige eigene Belange entgegenstehen. Gewichtig in diesem Sinne ist das Selbstbestimmungsrecht, wovon der Patient möglichst weitgehend Gebrauch machen möchte. Aus diesem Grund wird er sich zu einer bestimmten

E. Zwischenergebnis und Kodifikationsüberlegungen

211

Mitwirkung nur dann verpflichten, wenn sie entweder nicht in die Körperintegrität eingreift – wie das rechtzeitige Absagen eines Behandlungstermins – oder hochrangige Schutzgüter des Mediziners betroffen sind wie bei einer HIVInfektion, die der Patient unaufgefordert bekannt zu geben hat. Auch jenseits dieser eher engen Fallgruppen für die Annahme von Patientenpflichten ist der (Zahn)Arzt an der Mitarbeit seines Patienten interessiert, vor allem wenn das Behandlungsziel andernfalls nicht zu erreichen ist oder eigene Pflichten nicht sachgerecht erfüllt werden können und deshalb ein Behandlungsfehler droht. In diesen Konstellationen sind Teilhabelasten anzunehmen, womit zugleich den berechtigten Medizinerbelangen genügt und das Selbstbestimmungsrecht gewahrt wird. Denn dem Patienten steht es frei, ob er beispielsweise an der Anamneseerhebung mitwirkt, zu einer Kontrolluntersuchung erscheint oder das verordnete Medikament einnimmt. Tut er das jedoch nicht, obwohl ihm sein (Zahn)Arzt die Notwendigkeit der eigenen Mitwirkung erläutert und zur Verantwortungsübernahme motiviert hat, kann der (Zahn)Arzt den Behandlungsvertrag jederzeit kündigen. Unterläuft dem (Zahn)Arzt auch dadurch, dass sich der Patient nicht in entsprechender Weise beteiligt, ein Behandlungsfehler, verkürzt sich seine Haftung um den Anteil des Mitverschuldens gemäß § 254 Abs. 2 BGB. Davon ist etwa auszugehen, wenn der Arzt eine Beinvenenthrombose unter anderem deshalb verkennt, weil der Patient ein Trauma nicht angegeben hat, als er danach befragt wurde. bb) Weitere Patientenpflichten und -lasten ergeben sich infolge des (zahn)ärztlichen Behandlungsfehlers. Wird ein Patient im Rahmen der medizinischen Versorgung schuldhaft in seiner Gesundheit geschädigt, entsteht kraft Gesetzes ein Schuldverhältnis, das primär auf Kompensation ausgerichtet ist. Neben der Absicherung der finanziellen Ausgleichsleistung bezweckt die Rechtsbeziehung zusätzlich, die berechtigten Belange des Geschädigten und Schädigers zu schützen. Da insoweit die Rechtsgrundlage für die Patientenmitwirkung identisch ist, konnte auf eine Unterscheidung zwischen Privat- und Kassenpatienten verzichtet werden. Beide sind gleichermaßen verpflichtet, mit einem Behandlungsfehler diskret umzugehen, solange der (Zahn)Arzt um eine Schadenswiedergutmachung bemüht ist. Diese Rücksichtnahmepflicht des Patienten ist komplementär zur Schweigepflicht des Mediziners geboten, weil andernfalls einseitige, öffentlich-wirksame Darstellungen möglich wären. Viel bedeutsamer dürften aber die Schadensminderungs- bzw. -abwendungslasten sein, die einem geschädigten Patienten die sofortige Mitteilung von Beschwerden, die Einwilligung und Teilhabe an einer Nachbehandlung und die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit gebieten. Diese relativ weitreichende Mitwirkungsverantwortung des Patienten wird durch die objektive und subjektive Zumutbarkeit relativiert. Demnach hat sich der Patient einem möglicherweise operativen Zweiteingriff nur zu stellen, wenn keine weniger einschneidenden Behand-

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

212

lungsalternativen existieren und es sich um einen erfolgversprechenden, gefahrlosen, nicht besonders schmerzhaften Sekundäreingriff handelt und der (Zahn)Arzt bzw. sein Haftpflichtversicherer einen Kostenvorschuss gewährt. Aus Gründen der Schadensminderung ist der Patient indes nicht gehalten, die Schlichtungsstelle der (Zahn)Ärztekammer vor Klageerhebung anzurufen. cc) Auch während eines Arzthaftungsprozesses besteht zwischen dem klagenden Patienten und dem verklagten (Zahn)Arzt ein gesetzliches Schuldverhältnis, das mit Zustellung der Klageschrift zustande kommt und die Parteien zu gegenseitiger Rücksicht auf die berechtigten Belange anhält. Grundsätzlich hat der Patient einen Behandlungsfehler und den daraus resultierenden Schaden darzulegen und notfalls zu beweisen. Nur im Fall eines groben Behandlungsfehlers kommt es zu einer Beleistlastumkehr hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität, sodass die Nichterweislichkeit der Ursächlichkeit eines (zahn)ärztlichen Fehlverhaltens für den Gesundheitsschaden zulasten des Mediziners geht. Entbindet der Patient seinen (Zahn)Arzt nicht von seiner Schweigepflicht oder verweigert eine medizinische Begutachtung, trägt er die beweisrechtlichen Nachteile. d) Die wesentlichen Untersuchungsergebnisse des zweiten Kapitels lassen sich stark verkürzt wie folgt darstellen:

Mitwirkungsverantwortung des Patienten gegenüber dem Mediziner bezüglich der medizinischen Versorgung

eines Behandlungsfehlers

des Arzthaftungsprozesses

Rechtsgrund

Behandlungsvertrag, meist iVm §§ 241 Abs. 2; 242 BGB

gesetzliches Schuldverhältnis und § 254 Abs. 2 BGB

öffentlich-rechtliches Prozessrechtsverhältnis und § 242 BGB analog

Unterscheidungen

zwischen Privat- und Kassenpatient

keine

keine

E. Zwischenergebnis und Kodifikationsüberlegungen

Pflichten

Lasten

x Honorarzahlung bzw. Vorlage der Versichertenkarte x Absage eines vereinbarten Termins x Hinweis auf bekannte Infektionskrankheiten x keine Schädigung des Mediziners

x Anwendung von Diskretion

keine

x Hinweis auf behandlungsrelevante Fakten x Beitrag zur vollständigen, eigenen Aufklärung x aktive Beteiligung an einer Behandlung, z.B. Beachtung (zahn)ärztlicher Anordnungen

x Mitteilung der Beschwerden x Einwilligung/ Mitwirkung an zumutbarer Nachbehandlung x Kostenverantwortung x Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit

x Beweiserbringung x Schweigepflichtentbindung von (Zahn)Arzt und Hilfskräften x Billigung einer zumutbaren Untersuchung zur Begutachtung

213

2. Wenngleich die Patientenpflichten und -lasten bislang kaum einer rechtstheoretischen Diskussion unterlagen, sind sie keinesfalls bedeutungslos. Vielmehr lassen sich die Verantwortungsbereiche des Patienten und (Zahn)Arztes erst darüber abgrenzen. Vor allem für die besonders bedeutsame Phase der medizinischen Behandlung muss wohl als erschwerend angesehen werden, dass die Patientenpflichten und -lasten überwiegend unter Auslegungsgesichtspunkten aus dem Behandlungsvertrag abzuleiten und deshalb für den juristischen Laien nicht oder zumindest schwerlich überschaubar sind. Rein pragmatisch wäre daher eine klare, eindrückliche und transparente Auflistung gewiss hilfreich. a) Eine deklaratorische Kodifizierung wird für die Patientenrechte erörtert. Auf diese Weise soll ein Rechtsbewusstsein geschaffen und vorhandene, aber verborgene Grundansprüche gesichert werden713. Trotz der zwischenzeitlich von der Bundesärztekammer verfassten „Patienten-Charta“ und den von der Gesundheitsministerkonferenz bekannt gegebenen „Patientenrechte in Deutschland heute“ wird ein Patientenschutzgesetz favorisiert. Dabei müssten unbedingt auch die Patientenpflichten und -lasten berücksichtigt werden, zumal eine ___________ 713

Hanika, MedR 1999, S. 149 und zuvor bereits Pichler, S. 32 f. und nunmehr auch die Präambel der „Patientenrechte in Deutschland heute“ (abrufbar unter: http.//www. Patientenunterstuetzung.de/Grundsaetzliches/patientenrechte_in_deutschland.htm).

214

1. Teil, 2. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber (Zahn)Arzt

einseitige Normierung der Patientenrechte schnell den Eindruck vermitteln kann, dass Patienten bei einer Behandlung eben nicht mitwirken müssen714. Eine umfassende Kodifikation der Patientenrechte, -pflichten und -lasten für jede mögliche Situation dürfte allerdings nicht realisierbar sein. Schon 1794 scheiterte mit dem Preußischen Allgemeinen Landrecht der Versuch, jedem Einzelfall über eine abschließende rechtliche Würdigung gerecht zu werden. Im Einklang mit der heutigen abstrakten Gesetzestechnik kann es also nicht um einen abschließenden Katalog genau definierter Rechte, Pflichten und Lasten gehen. Dies wäre wegen der vielfältig zu bedenkenden Varianten unzweckmäßig und durch den Umfang des Gesetzes ohnehin nicht ratsam. Demzufolge können die Patientenrechte, -pflichten und -lasten nur in abstrakter und auslegungsbedürftiger Weise niedergelegt werden. Da die ausführliche Normierung einzelner Patientenpflichten oder -lasten zu einem Bedeutungsverlust nicht oder pauschal geregelter Rechtssätze führen kann, sollte allgemein der Rahmen über eindrückliche Faustregeln abgesteckt werden – zugestandenermaßen eine schwierige Aufgabe715. b) Andererseits könnte das (Zahn)Arzt-Patienten-Verhältnis einschließlich der Patientenmitwirkung durch die Einfügung eines Abschnittes mit dem Titel „Behandlungsvertrag“ in den besonderen Teil des BGB umfassend ausgestaltet werden716. Die Grundkonzeption der §§ 433 ff. BGB, wo besonders bedeutsame Vertragstypen speziell geregelt sind, steht dem nicht entgegen. Das Behandlungsverhältnis mit seiner heutigen Bedeutung für die Mehrzahl der Menschen ließe sich ohne weiteres integrieren. Ein einsehbarer Rechtstext könnte zunächst den jahrzehntelangen Streit über die Rechtsnatur des Kontaktes zwischen Vertrags(zahn)arzt und Kassenpatient beilegen und andererseits Rechtssicherheit auch hinsichtlich der Patiententeilhabe erzeugen. Da es gegenwärtig keinen gesetzlich standardisierten Behandlungsvertrag gibt und die Parteien selten ausdrückliche Vereinbarungen treffen, sind die Patientenpflichten und -lasten meist durch Vertragsauslegung zu ermitteln. Vor allem die ergänzende Vertragsauslegung sieht sich immer wieder der Kritik ausgesetzt, dass die Risi___________ 714 Im Ergebnis ebenso Laufs, NJW 1999, S. 2712, 2718 sowie Schulze, SÄBl 2001, S. 536. Anders aber Waneck, der bei der Tagung der österreichischen Juristenkommission zum Thema Patientenrechte im Parlament den Vorschlag einer zeitgleichen Regelung der Patientenrechte und -pflichten ausdrücklich ablehnte, da es Aufgabe der Politik wäre, sich auf die Seite des Schwächeren zu stellen, der im (Zahn)Arzt-Patienten-Verhältnis der Behandelte sei, vgl. Parlamentskorrespondenz vom 20.11.2000, Nr. 682 (abrufbar im Internet unter: http://www.palinkon.gy.at/pd/pk(2000/PK0682.thm). 715 Daher von einer Kodifizierung abratend Steffen, MedR 2002, S. 190, 191 f. 716 So auch Jung, S. 164. Dabei könnte auf den Entwurf aus dem Jahre 1982 zurückgegriffen werden, vgl. Deutsch/ Geiger in: Bundesministerium für Justiz, S. 1049 ff.

E. Zwischenergebnis und Kodifikationsüberlegungen

215

koverteilung in Austauschbeziehungen für die jeweilige Situation bis zur Befriedigung des eigenen Rechtsempfindens gebogen werde717. Um dies zu vermeiden und eventuell richterrechtliche Vorgaben für das Behandlungsverhältnis umzusetzen, sollte der Gesetzgeber nunmehr tätig werden.

___________ 717

Dazu Wiegand in: FS für Gagnèr, S. 547, 550 ff.

3. Kapitel

Pflichten und Lasten des privat- und sozialversicherten Patienten gegenüber dem Krankenversicherer im Kontext eines Versicherungsfalles Bereits das vorangegangene Kapitel hat gezeigt, dass der Rechtsgrund für die Patientenmitwirkung im Rahmen einer Behandlung ganz verschieden sein kann. Möglicherweise gebietet auch das Krankenversicherungsverhältnis eine solche Teilhabe. Nachdem die Pflichten und Lasten des Privat- und Kassenpatienten im Verhältnis zum (Zahn)Arzt herausgearbeitet wurden, soll es nunmehr darum gehen, ob und gegebenenfalls in welcher Weise der Patient aufgrund des Krankenversicherungsschutzes gehalten ist, sich einer medizinischen Behandlung zu unterziehen und daran mitzuwirken. Letztlich wird zu klären sein, ob krankenversicherte Patienten eine Erkrankung durch gesundheitsbewusste Lebensführung vermeiden, dem Krankenversicherer notwendige Auskünfte erteilen oder im Krankheitsfall frühzeitig einen Mediziner aufsuchen und die Genesung durch Beachtung medizinischer Anordnungen befördern müssen. Derartige Vorgaben rechtlicher Art vermag nur das Krankenversicherungsverhältnis zu machen. In Anbetracht des dualen Krankenversicherungssystems mit der Sozialversicherung auf der einen und der privaten Krankenversicherung auf der anderen Seite muss daher zwingend zwischen privat- und sozialversicherten Patienten unterschieden werden. Die Zuordnung zur Gruppe der privat- und sozialversicherten Patienten hängt dabei von der Art des Krankenversicherungsschutzes ab. Daher gelten diejenigen, die eine private Krankenversicherung haben, als privatversicherte Patienten und alle Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung als sozialversicherte Patienten. Freiwilligversicherte der gesetzlichen Krankenversicherung, die vergleichbar einem privatversicherten Patienten nur die Behandlungskosten erstattet bekommen und deswegen im Verhältnis zum (Zahn)Arzt den Privatpatienten zuzuordnen sind, gehören also ebenfalls zur Gruppe der sozialversicherten Patienten. Trotz der unterschiedlichen Ausrichtung kollektivieren sowohl die gesetzliche als auch die private Krankenversicherung allgemeine Gesundheitsrisiken, die für den Einzelnen nicht abschätzbar, in der Gesamtheit jedoch kalkulierbar

A. Teilhabeverantwortung des privatversicherten Patienten

217

sind. Während die private Krankenversicherung die individuellen Gefahren im vertraglich vereinbarten Umfang übernimmt, zielt die gesetzliche Krankenversicherung vorrangig auf die Verwirklichung von sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit. Dennoch sind beide Schutzsysteme gleichermaßen auf einen verantwortungsbewussten Umgang aller Versicherten mit dem versicherten Risiko angewiesen, um langfristig leistungsfähig zu bleiben. So sind die Grenzen für die Einstandspflicht der Versichertengemeinschaft offensichtlich erreicht, wenn sich jemand bewusst krank macht. Deshalb sind die Reichweite des Versicherungsschutzes und mithin auch die Teilhabe des privat- und sozialversicherten Patienten eingehend geregelt. Da die Pflichten und Lasten des privatund sozialversicherten Patienten somit Gegenstand vertraglicher Vereinbarungen oder gesetzlicher Normierungen sind, müssen sie anders für die Behandlungsbeziehung mit dem Mediziner nicht erst aufwendig ermittelt werden. Der Schwerpunkt von diesem Kapitel liegt folglich auf der Erfassung der rechtlichen Verhaltensregeln gemäß der eigenen Dogmatik von den Pflichten und Lasten. Das im zweiten Kapitel dieser Untersuchung entwickelte terminologische und theoretische Verständnis von den Pflichten und Lasten muss dabei auf die versicherungsrechtlichen Eigenheiten abgestimmt werden. Auf dieser Basis werden die einzelnen Mitwirkungserfordernisse in einem fallgruppenbezogenem Vorgehen jeweils für den privat- und sozialversicherten Patienten nach ihrer Rechtsnatur klassifiziert. Abschließend sollen die rechtlichen Verhaltensvorgaben, die sich im Zusammenhang mit der Leistungsgewährung durch den Krankenversicherer an den privat- und sozialversicherten Patienten richten, einer vergleichenden Zusammenfassung unterzogen werden.

A. Teilhabeverantwortung des privatversicherten Patienten Die Teilhabeverantwortung eines privatversicherten Patienten hängt von der Gestaltung des Krankenversicherungsverhältnisses als dessen Rechtsgrundlage ab. Etwaige Patientenpflichten und -lasten im Verhältnis zum Krankenversicherer ergeben sich daher aus dem Versicherungsvertrag, der weder im VVG noch im BGB explizit geregelt ist. Mit dem Versicherungsvertrag überträgt der Versicherte bestimmte Gefahrensituationen auf den Versicherer und zahlt dafür eine Prämie. Nach den allgemeinen Vorschriften des BGB kommt auch der Versicherungsvertrag durch übereinstimmende, auf die Übernahme des Krankheitsrisikos gerichtete Willenserklärungen des Versicherten und des Versicherers zustande. Normalerweise gibt ein Versicherungswilliger mit dem Einreichen des ausgefüllten Antragsvordrucks ein Angebot nach § 145 BGB ab. Laut der vom Bundesaufsichtsamt für Versicherungswesen erstellten Richtlinie zur

218

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

inhaltlichen Gestaltung der Vordrucke ist der Antrag 6 Wochen bindend. Diese Frist beginnt mit Entgegennahme eines ausgefüllten Formulars durch den Versicherungsvermittler und im Fall der unmittelbaren Antragstellung bei der Versicherungsgesellschaft mit Ablauf der Widerrufsfrist von § 8 Abs. 4 VVG1. Währenddessen führt das Versicherungsunternehmen eine Prüfung und Risikobeurteilung durch und nimmt ein Angebot mit dem gewünschten Inhalt an, lehnt es bei Vorerkrankungen ab oder bietet einen inhaltlich veränderten Vertrag an. Praktisch wird die Annahme gemäß § 147 BGB mit der Zusendung eines Versicherungsscheins erklärt, weil der Versicherer nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VVG zur Aushändigung einer Urkunde über die Rechtsbeziehung verpflichtet ist. Weicht der vom Versicherer ausgestellte Versicherungsschein vom Antrag ab, kann er unter den Voraussetzungen des § 5 VVG als vom Versicherten genehmigt gelten. Obwohl der Umfang des Versicherungsschutzes im Belieben der Parteien steht, sind die Krankenversicherungen mittlerweile durchgängig nach Tarifstufen standardisiert. Beim Vollzug des Versicherungsvertrages sind beide Seiten im besonderen Maße aufeinander angewiesen. Zur Auslegung der eigens normierten Pflichten und Lasten ist der Grundsatz von Treu und Glauben sowie die Verkehrssitte heranzuziehen2. Die Rechtsnatur der schriftlich niedergelegten Verhaltensnormen richtet sich danach, ob die jeweilige Handlung gefordert werden kann oder ihre Missachtung bloß einen rechtlichen Nachteil bedingt. Maßgebend ist insoweit das begriffliche und dogmatische Verständnis von den Pflichten und Lasten3. In diese beiden Kategorien sind die speziellen versicherungsrechtlichen Normarten wie die primären Risikobeschreibungen und sekundären Risikobeschränkungen zu integrieren. Letztlich bietet diese Dogmatik die Grundlage für die Untersuchung der einzelnen Mitwirkungserfordernisse des privatversicherten Patienten.

I. Dogmatik der Pflichten und Lasten im zivilrechtlichen Versicherungsverhältnis Da der Versicherer auf vertraglicher Basis bestimmte Risiken übernimmt und für eine vom Versicherten zurechenbar verwirklichte Gefahr nicht einstehen will, regelt das Versicherungsverhältnis sehr genau, in welchen Situationen kein Versicherungsschutz gewährt wird. Um die Risikoübernahme und die Prämienzahlung in einem Gleichgewicht zu halten, gibt es stets Leistungsaus___________ 1

Merkens/ Birgelen, S. 233. Bach, VersR 1979, S. 792 ff. und Deutsch, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 14 ff. 3 Vgl. dazu die Ausführungen im 2. Kapitel B. IV. 2. 2

A. Teilhabeverantwortung des privatversicherten Patienten

219

schlüsse und vielfältige Verhaltensgebote und -verbote. Verschiedene Regularien wie die primären Risikobeschreibungen4, sekundären Risikobeschränkungen und Obliegenheiten erreichen, dass Versicherte infolge der Absicherung des eigenen Risikos nicht sorglos handeln. Diese speziell versicherungsrechtlichen Kategorien sind den Pflichten und Lasten zuzuordnen. Nach dem eigenen Ansatz ist unter einer Pflicht eine Verhaltensanforderung, die mit einem Anspruch korreliert und daher grundsätzlich eingefordert werden kann, zu verstehen. Lasten haben hingegen einen geringeren Verbindlichkeitsgrad, indem ihre Missachtung lediglich einen Rechtsnachteil bedingt. Die Einhaltung einer Last wird zwar rechtlich nicht geschuldet, wohl aber erwartet. Wie die versicherungsrechtlichen Normen in das Ordnungssystem der Pflichten und Lasten aufzunehmen sind, wird möglicherweise schon durch die Definition, jedenfalls aber die dogmatische Unterscheidung zwischen den primären Risikobeschreibungen und sekundären Risikobeschränkungen vorgegeben. Daher ist unter anderem zu klären, was primäre Risikobeschreibungen und sekundäre Risikobeschränkungen eigentlich sind und wodurch sie sich unterscheiden. Zusätzlich soll kurz aufgezeigt werden, wie die Pflichten und Lasten aus dem Versicherungsvertrag abzuleiten sind und welche Rechtsfolgen deren Nichtbeachtung hat.

1. Terminologische und dogmatische Ausdifferenzierung Ausgehend von dem eigenen dogmatischen Ansatz der Pflichten und Lasten sollen die versicherungsrechtlichen Verhaltensnormen in diese Kategorien eingeordnet werden. Dies setzt jedoch zunächst eine Auseinandersetzung mit dem primären Risikobeschreibungen und sekundären Risikobeschränkungen voraus.

a) Primäre Risikobeschreibungen und sekundäre Risikobeschränkungen Primäre Risikobeschreibungen und sekundäre Risikobeschränkungen geben die Reichweite des Versicherungsschutzes und damit zugleich den beim Versicherten verbliebenen Verantwortungsbereich vor. So stecken primäre Risikobeschreibungen den übernommenen Gefahrbereich ab, indem das versicherte Risiko, die Versicherungsdauer und der geschützte Personenkreis festgelegt ___________ 4 In der Weise auch Hansen, S. 75, 156; Schütte, S. 2; Wegmann, S. 23. Beispielhaft für die mannigfaltige Terminologie: primäre Risikobeschränkung: Simoneit, S. 4; Risikobegrenzung: OLG Köln r+s 1991, 31, 32; Wilke, S. 11; objektive Risikobegrenzung: LG Berlin VersR 1968, 547, 548; LG Frankfurt aM VersR 1990, 155; Sieg, BB 1970, S. 106; primäre Leistungsbestimmung: Baumann, VersR 1991, S. 490, 492.

220

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

werden. Alle anderen Bestimmungen, die wiederum den eigentlich gewährten Versicherungsschutz für bestimmte Konstellationen verkürzen, gehören zu den sekundären Risikobeschränkungen, die als Risikoausschluss oder Obliegenheiten erscheinen können5. Während primäre Risikobeschreibungen den Tatbestand umschreiben, der eine Leistungspflicht des Versicherers auslöst, und damit spezielle handlungs- oder umstandsbezogene Situationen vom Versicherungsschutz ausnehmen, befreien sekundäre Risikobeschränkungen die Versichertengemeinschaft von ihrer prinzipiellen Einstandspflicht, soweit das gesetzlich vorgesehen ist oder zulässigerweise vertraglich vereinbart wurde. Dennoch bleibt unklar, über welche Kriterien die einzelnen Verhaltensnormen voneinander abzugrenzen sind.

aa) Abgrenzung zwischen primärer Risikobeschreibung und sekundärer Risikobeschränkung Für die Abgrenzung der primären Risikobeschreibungen von den sekundären Risikobeschränkungen wird mitunter am Wortlaut der Regelung angesetzt und damit alle positiv umschriebenen Leistungsmerkmale den primären Risikobeschreibungen bzw. die negativ gefassten Ausschlüsse den sekundären Risikobeschränkungen zugerechnet6. Andere halten hingegen die ratio einer Vorschrift für maßgebend, sodass die entsprechende Verhaltensnorm nach ihrem Wortlaut und Sinn dahingehend auszulegen sei, ob die versicherte Gefahr nur umschrieben oder das übernommene Risiko wiederum eingeschränkt werde7. Da die Einstandspflicht eines Versicherers üblicherweise sowohl positiv als auch negativ formuliert werden kann und die gewählte Regelungstechnik durchaus von Praktikabilitätserwägungen abhängt, dürfte allein der Wortlaut einer Norm nicht ausschlaggebend für die Annahme einer primären Risikobeschreibung oder sekundären Risikobeschränkung sein.

bb) Abgrenzung innerhalb sekundärer Risikobeschränkungen Sekundäre Risikobeschränkungen reduzieren die Einstandspflicht des Versicherers, wenn er zwar eine Gefahr grundsätzlich übernommen hat, deren Verwirklichung in gewissen Konstellationen aber nicht absichern möchte. Möglich ist dies über sogenannte Risikoausschlüsse und Obliegenheiten. In beiden Fäl___________ 5

So auch Schmidt-Hollburg, S. 24 und Bach in: Bach/ Moser, Einl., Rn. 56. Bergeest, S. 60 sowie Kollhosser in: Prölss/ Martin, § 29 VVG Rn. 3. 7 Dafür Liebelt-Westphal, S. 51 f. und Wegmann, S. 29 f. 6

A. Teilhabeverantwortung des privatversicherten Patienten

221

len steht dem Versicherten frei, ob er sich normgemäß verhält. Tut er dies allerdings nicht, muss er mit leistungsrechtlichen Nachteilen rechnen. Unter welchen Voraussetzungen der Versicherungsschutz entfällt, hängt davon ab, ob das Verhaltensgebot bzw. -verbot einen Risikoausschluss oder eine Obliegenheit darstellt. Ein Risikoausschluss klammert einen bestimmten Gefahrumstand gemäß § 158 Abs. 2 BGB auflösend bedingt von der eigentlich gewährten Absicherung aus8, sodass der Versicherungsschutz bereits mit Eintritt der Bedingung erlischt. Beachtet der Versicherte indes eine Obliegenheit nicht, wird der Versicherer erst beim Vorliegen weiterer Voraussetzungen von seiner Leistungspflicht frei. Für vertraglich vereinbarte Obliegenheiten sieht § 6 VVG jedenfalls ein Verschulden vor, das wegen § 15 a VVG nicht abbedungen werden kann und den Versicherten in Anbetracht der stärkeren Verhandlungsposition des Versicherers schützen soll. Da Risikoausschlüsse und Obliegenheiten unterschiedlich hohe Anforderungen an die Leistungsfreiheit des Versicherers stellen, sind Versicherer normalerweise an der Vereinbarung der für sie günstigen Risikoausschlüsse anstelle von Obliegenheiten interessiert. Aus diesem Grund werden Obliegenheiten teilweise als Risikoausschlüsse formuliert, weswegen sie auch als verhüllte Obliegenheiten bezeichnet werden9. Daher genügt allein die Bezugnahme auf die Sanktion nicht, um Risikoausschlüsse von Obliegenheiten abgrenzen zu können10. Letztlich entfällt der Versicherungsschutz sowohl bei einer Obliegenheitsverletzung als auch im Fall des Risikoausschlusses. Die Unmittelbarkeit der Rechtsfolge eines Risikoausschlusses ermöglicht keine zweifelsfreie Zuordnung, zumal es verhüllte Obliegenheiten gibt. Wie sich Risikoausschlüsse von Obliegenheiten nun genau unterscheiden, wird äußerst uneinheitlich gesehen. Im Wesentlichen finden sich zwei Auffassungen mit unzähligen Ausformungen im Detail, wobei entweder auf die gewählte Formulierung abgestellt (Ausschlusstheorie) oder der materielle Regelungsgehalt für beachtlich gehalten wird (Verhaltenstheorie).

(1) Ausschlusstheorie einschließlich ihrer Modifizierungen und Kritik Teilweise wird in der Ausformulierung der entsprechenden Verhaltensregel das maßgebliche Abgrenzungsmerkmal gesehen, weil es den Vertragsparteien ___________ 8

Möller, VersRdsch 1970, S. 329, 332 f. und Schmidt-Hollburg, S. 6. Terminologie zurückgehend auf Ehrenzweig, S. 175: „... hinter einem Normtatbestand, der rein objektiv abgestellt ist, also auf einen Risikoausschluss hinweist, (könne) die Aufstellung einer Pflicht des Versicherungsnehmers verborgen sein.“ 10 Ebenso Bischoff, VersR 1972, S. 799, 800 f. 9

222

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

im Rahmen ihrer Privatautonomie frei stehe, ob sie einen Risikoausschluss oder eine Obliegenheit vereinbaren wollen11. Falls der Wortlaut indes nicht eindeutig sei, müsse die Norm nach ihrer Bezeichnung, der systematischen Stellung und dem Zweck ausgelegt werden. Eine Klausel, die einen Risikoausschluss umschreibe, solle trotz Verhaltensbezug so behandelt werden. Jedenfalls bei einer verstärkten Einflussnahme der Aufsichtbehörde auf die Eindeutigkeit und Billigkeit der genehmigungsbedürftigen Allgemeinen Versicherungsbedingungen ließen sich interessengerechte Ergebnisse erzielen12. Auch wenn die Auslegungsmethode eine vergleichsweise klare und flexible Abgrenzung ermöglicht13 und insofern das Problemfeld der verhüllten Obliegenheiten überhaupt nicht entstehen kann, wird die Nichtberücksichtigung von § 15 a VVG kritisiert14. Wegen der ungleichgewichtigen Verhandlungspositionen habe der Gesetzgeber die Vertragsfreiheit zum Schutz des Versicherten gerade beschränkt15. Weder die Prämienkalkulation noch das Interesse der Gefahrengemeinschaft rechtfertige die einseitige Bevorzugung der Belange des Versicherers und eine derart restriktive Auslegung der §§ 6; 15 a VVG16. Ferner bestünde bei der Wahlfreiheit zwischen beiden Normtypen eine nutzlose Rechtsformenvielfalt17. Ausgehend von der Ausschlusstheorie wurden verschiedene Lösungsansätze zur Abmilderung der für den Versicherten als unbillig empfundenen Härte entwickelt. So wird mitunter die Einbeziehung ausgeschlossener Risiken in den Versicherungsschutz favorisiert, wenn nach Wortlaut oder Auslegung ein Risikoausschluss anzunehmen sei und es sich inhaltlich aber um eine Obliegenheit ___________ 11

Dafür RGZ 160, 220, 222; OLG München VersR 1951, 269; OLG Celle VersR 1956, 705; LG Kassel VersR 1982, 393 f.; Prölss, JRPV 1933, 181, 182 f.; Voß, VersR 1961, S. 866 ff.; Wilcke, VersR 1969, S. 8, 10, 14 f; Henke, Die Ausschlüsse und Grenzfälle in der Unfallversicherung, S. 20 ff. A.A. BGH NJW 1967, 771; 1972, 1229; 1979, 981; VersR 1983, 573; 1986, 1097, 1098; 1990, 482, 483; 1995, 328, 329. 12 So Sieg, Versicherungsvertragsrecht, S. 112. Für den Spezialbereich der privaten Krankenversicherung greift diese Argumentation seit der Versicherungsreform im Jahre 1994 nicht mehr. 13 Schmidt-Hollburg, S. 31. 14 Sieg, BB 1970, S. 106, 110; Möller, VersRdsch 1970, S. 329, 336; Hübner, VersR 1978, S. 981, 983; Schütte, S. 48 sowie Weyers, Rn. 357. 15 Wegmann, S. 65 f. 16 Sieg, BB 1970, S. 106, 107 und Liebelt-Westphal, S. 160 und Schütte, S. 50 ff. 17 Vgl. Bischoff, VersR 1972, S. 799, 800: „Wenn für eine Regelung, die sowohl vom Tatbestand (bestimmtes Verhalten des Versicherungsnehmers), wie von der Rechtsfolge her (Leistungsfreiheit des Versicherers), genau übereinstimmt, verschiedene Qualifikationen zur Wahl stünden, wäre dies eine nutzlose Vielfalt von Rechtsformen ...“.

A. Teilhabeverantwortung des privatversicherten Patienten

223

handele18. Obwohl die Ansicht als rechtspolitisch beachtenswerter Vorschlag bewertet wurde19, bereitet sie durch die Deduktion aus Wertungskriterien im praktischen Vollzug erhebliche Schwierigkeiten. Andere nehmen über den jetzt in § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB enthaltenen, inhaltsgleichen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG ebenfalls eine Obliegenheit an, wenn für die Ausführung der Tätigkeit in einer besonders gefährlichen Weise keine Deckungszusage gewährt werden soll20. Dagegen lässt sich die Missachtung des Vorrangverhältnisses der §§ 6; 15 a VVG gegenüber dem vormaligen AGBG21 wie auch die fehlende Bewältigung der Abgrenzungsproblematik einwenden, denn die streitbefangenen Regelung muss ebenso als Obliegenheit oder Risikoausschluss eingestuft werden22.

(2) Verhaltenstheorie einschließlich ihrer Modifizierungen und Kritik Nach anderer Auffassung soll jede verhaltensbezogene Klausel unabhängig von ihrem Wortlaut eine Obliegenheit enthalten23. Von einem Risikoausschluss sei nur insoweit auszugehen, als das Verhalten unmittelbar zu einem Leistungsausschluss führe wie bei einer schuldhaften Herbeiführung des Versicherungsfalles iSd §§ 61; 152; 178 l; 181 VVG24. Kritisiert wird letztlich, dass nahezu jeder Umstand von einem menschlichen Verhalten abhinge25. Ferner stehe mit der Anerkennung einer Ausnahme fest, dass die Verhaltensbezogenheit einer Klausel keinen eindeutigen Rückschluss auf ihre Rechtsnatur zulasse und damit schon die These fehlgehe26. Daher wird zunehmend eine Lockerung der strengen Verhaltenstheorie befürwortet. So stellt eine Meinung auf das Verhältnis von Vertragsbestimmung und Handlungserwartung ab27. Lägen beide ziemlich nahe beieinander, sei von ei___________ 18

Mit gewissen Nuancen Prölss in: Prölss/ Martin (21. Aufl.), § 6 Anm. 3 A a; Bertsch, S. 63 ff.; Hartwig, S. 215 f.; Wilke, S. 48 ff., 125. 19 BGH VersR 1980, 153, 154. 20 Müller, DB 1980, S. 2069, 2072 sowie Schmidt-Hollburg, S. 112, 114 ff. 21 Vgl. BT-Drucks. 7/3919, S. 22. 22 Martin, VersR 1984, S. 1107, 1111; ders., Sachversicherungsrecht, M III, Rn. 3. 23 RG JW 1921, 100 f.; BGH VersR 1967, 27, 28; 50, 51; Möller, VersRdsch 1970, S. 329, 332 ff.; Möller in: Bruck/ Möller, § 6 Rn. 13; Ehrenzweig, S. 173 sowie Schmidt, ZVersWiss 1968, S. 81, 89 für die „Jedermannversicherung“. 24 Möller in: Bruck/ Möller, § 6 Rn. 13; § 32 Rn. 39; 41 ff. 25 Liebelt-Westphal, S. 159; Schmidt-Hollburg, S. 34; Wegmann, S. 66. 26 Schütte, S. 96. 27 Hellner, VWA 1956, S. 77, 83.

224

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

ner Obliegenheit auszugehen. Knüpfe eine Klausel wegen ihrer Erfolgsbezogenheit nur indirekt an ein Verhalten an, läge ein Risikoausschluss vor. Insbesondere die Unbestimmtheit des Abgrenzungsmerkmals führt häufig zur Ablehnung dieser Argumentation28. Gelegentlich wird für die Abgrenzung die subjektive Einstellung des Versicherten bei der Missachtung der Verhaltensregel herangezogen29, denn § 6 VVG gehe davon aus, dass Obliegenheiten dem Versicherten oft nicht bekannt seien. Daher erfasse die Obliegenheit ein unbewusstes, primär im eigenen Sorgfaltsbereich liegendes Verhalten. Hingegen handele es sich um einen Risikoausschluss, wenn dem Versicherten bewusst sei, dass er durch sein Handeln die Risikoschwelle überschreitet. Da der Schutzumfang von der Einsichtsfähigkeit des einzelnen Versicherten abhängt, fehlt es nach Ansicht der Kritiker an der nötigen Rechtssicherheit30. So könne ohne Einlassung des Versicherten nicht entschieden werden, ob er unbewusst oder bewusst gehandelt habe31. Eine andere Auffassung hält die Interessenlage und die Art der Belange, denen das jeweilige Verhalten primär dient, für maßgebend32. Während die Obliegenheit auf ein Sorgfaltsverhalten ausgerichtet sei, setze der Risikoausschluss ein autonomes Handeln voraus. Mithin gebiete die Obliegenheit einen sorgfältigen Umgang mit der Gefahr, sodass sich der Betroffene so zu verhalten hat, als wäre er nicht versichert. Über den Risikoausschluss werde die Deckungszusage hinsichtlich solcher Handlungen, die zur Erreichung bestimmter Lebensziele erforderlich und deshalb üblicherweise nicht vermeidbar sind, beschränkt. Kritisch wird die Verlagerung der Abgrenzungsproblematik auf die Frage, wie sich ein vernünftiger Versicherungsnehmer verhalten würde und die damit verbundenen Wertungsmöglichkeiten bzw. -notwendigkeit durch den Rechtsanwender gesehen33. Ferner sei wegen der Unbestimmtheit der verwendeten Rechtsbegriffe nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen, ob ein normiertes Tun dem durchschnittlichen Versicherten so wichtig sei, dass er sich die Entscheidungsfreiheit vorbehalten wolle34.

___________ 28 Vgl. Klingmüller in: FS für Schmidt, S. 753, 758; Schmidt-Hollburg, S. 35 sowie Schütte, S. 96 f. 29 Klingmüller in: FS für Schmidt, S. 753, 765 ff. 30 Liebelt-Westphal, S. 174; Schmidt-Hollburg, S. 43; Schütte, S. 130. 31 Schmidt-Hollburg, S. 43 und Wegmann, S. 69. 32 Bischoff, VersR 1972, S. 799, 801 f. und im Anschluss Schütte, S. 140. 33 Liebelt-Westphal, S. 179 und ähnlich Wegmann, S. 69. 34 Martin, VersR 1969, S. 583, 568, hält eine solche Beurteilung nicht für durchführbar, weil „bei den einzelnen Versicherungsnehmern sehr verschiedene Beurteilungser-

A. Teilhabeverantwortung des privatversicherten Patienten

225

Wiederum andere differenzieren innerhalb sekundärer Risikobeschränkungen anhand der Verhaltensalternativität, die aus einer Gegenüberstellung einund ausgeschlossener Gefahrsituationen folge35. Gäbe es gleichwertige Handlungsvarianten, sei eine Obliegenheit anzunehmen. Andernfalls beinhalte die Norm einen Risikoausschluss. Ist zum Beispiel ein bestimmter Gegenstand nur unter Verschluss versichert, steht dem Versicherten die entsprechende Aufbewahrung frei. Nur wenn er die Sache nutzen will, kann er sich nicht wahlweise verhalten. Bei einer Handlungsalternativität soll der Versicherungsschutz erst entfallen, wenn die Obliegenheit zumindest schuldhaft verletzt wurde, also der eingetretene Schaden etwa auf die Bequemlichkeit des Versicherten zurückzuführen ist. Obwohl dieser Ansatz den Schutzgedanken der §§ 6; 15a VVG berücksichtigt, werden die Unklarheiten bei der Ermittlung eines Alternativverhaltens bemängelt36. Letztlich würden einem Versicherten all die Verhaltensweisen als Obliegenheiten auferlegt, mit deren Hilfe die versicherte Gefahr beherrschbar ist37.

(3) Eigene Stellungnahme Nach eigener Auffassung kann das maßgebliche Abgrenzungskriterium weder in der Formulierung noch dem Verhaltensbezug der Norm liegen, zumal die Risikoausschlüsse und Obliegenheit jeweils verhaltensbezogen sind. Andererseits können Verhaltensnormen, die materiell Obliegenheiten darstellen, nicht als Risikoausschlüsse aufgefasst werden. Ansonsten würde nämlich die gesetzgeberische Intention der §§ 6; 15 a VVG und der damit beabsichtigte Schutz des Versicherten unterlaufen. Zumindest bei den gesetzlich geregelten Verhaltensnormen erscheint eine Orientierung daran, ob der Versicherer unmittelbar leistungsfrei wird, angebracht. Im Übrigen, also vor allem für vertraglich vereinbarte Verhaltensnormen sollte am Sorgfaltsverhalten angesetzt werden. Danach wird bei einer Obliegenheit trotz vertraglicher Einschränkungen durchgehend Versicherungsschutz gewährt. Davon ist auszugehen, wenn der Versicherte das versicherungsrechtlich ausgeschlossene Tun oder Unterlassen vermeiden kann, ohne auf die Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse verzichten zu müssen, und sich daher abgesehen von der Risikoübernahme durch einen Dritten üblicherweise in diesem Sinne verhalten würde. Mithin wahrt die Obliegenheit originär eigene Belange, sodass eine Zuwiderhandlung selten ___________ gebnisse zu der Frage möglich sind, ob eine Verhaltensweise bestimmten Inhalts akzeptabel sei“. 35 Prölss in: Prölss/ Martin, § 6 VVG Rn. 15 ff. 36 Wegmann, S. 70 f. 37 Wegmann, S. 71.

226

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

vorkommen dürfte. Handeln Versicherte regelmäßig in einer gefahrträchtigen Weise, sodass ein gegenteiliges Verhalten nicht erwartet werden kann, liegt ein Risikoausschluss vor. Folglich bezieht eine Obliegenheit alle wechselseitigen Interessen ein und sanktioniert nur ein unsorgfältiges Handeln. Das durch einen Risikoausschluss auferlegte Verhalten bleibt hingegen überwiegend unbeachtet, weshalb die konkret angewandte Sorgfalt für die Leistungsfreiheit des Versicherers nicht zusätzlich relevant wird.

b) Erfassung der primären Risikobeschreibungen und sekundären Risikobeschränkungen als Pflichten und Lasten Nach dem eigenen dogmatischen Ansatz sind Pflichten und Lasten rechtliche Verhaltensnormen, die durch außerrechtliche Gebote des eigenen Interesses ergänzt werden. Unter einer Pflicht ist eine Verhaltensanforderung zu verstehen, die mit einem Anspruch korreliert und deshalb gefordert werden kann und sekundär Schadensersatzansprüche auslöst. Lasten haben als Verhaltenserwartungen, deren Missachtung einen Rechtsnachteil bedingt, einen geringeren Verbindlichkeitsgrad. Die Einhaltung der Last kann anders als bei einer Pflicht nicht gefordert werden. Primäre Risikobeschreibungen legen die Reichweite des vom Versicherer gewährten Schutzes fest, indem bestimmte Gefahren von vornherein nicht übertragen werden. So will der Versicherer beispielsweise die Folgen eines risikoträchtigen Verhaltens wie die schuldhafte Herbeiführung eines Versicherungsfalles, wofür kein verständiger Mensch von einem anderen Ersatz erwartet, nicht übernehmen. Verwirklicht sich im Bereich der primären Risikobeschreibung eine Gefahr, tritt der Versicherer dafür nicht ein. Andererseits bedingt die Beachtung der versicherungsrechtlichen Vorgaben eine Einstandspflicht des Versicherers. Obwohl das von einer primären Risikobeschreibung erfasste Handeln nicht in den Versicherungsvertrag einbezogen ist, erzeugt ein normwidriges Verhalten insofern einen Rechtsnachteil, als der Versicherungsschutz nicht eingreift. Mangels Deckungszusage muss der Versicherte einen eingetretenen Schaden selbst begleichen, was nicht nur rein tatsächlich unvorteilhaft ist. Aus Sicht des Normadressaten ist irrelevant, ob seine Rechtssphäre unmittelbar beschränkt wird oder ein rechtlicher Vorteil nicht eintritt. Da erst das normgemäße Handeln den Versicherungsschutz eröffnet, dies aber nicht eingefordert werden kann, unterfallen primäre Risikobeschreibungen ebenso wie Obliegenheiten den Lasten.

A. Teilhabeverantwortung des privatversicherten Patienten

227

Sekundäre Risikobeschränkungen reduzieren die Spannbreite der vom Versicherer übernommenen Gefahren, sofern der Versicherte den Schadenseintritt beeinflussen kann. Gewisse Konstellationen werden daher von vornherein aus dem Versicherungsschutz ausgegrenzt, was per Risikoausschluss oder Obliegenheit geschieht. Die versicherungsrechtliche Obliegenheit gebietet ein Handeln oder Unterlassen und knüpft an die Nichtbeachtung einen Rechtsnachteil, dessen Eintritt jedoch von weiteren Voraussetzungen abhängt. Dagegen tritt die Leistungsfreiheit des Versicherers bei einem Risikoausschluss automatisch ein. Insofern erzeugen Risikoausschlüsse und Obliegenheiten gleichermaßen einen wirtschaftlichen Druck, denn bei einem normwidrigen Handeln verliert der Versicherte den Versicherungsschutz trotz gezahlter Prämien. Dennoch kann das Verhalten, das durch einen Risikoausschluss oder eine Obliegenheit geboten ist, nicht gefordert werden. Insofern sind auch die sekundären Risikobeschreibungen in Form der Risikoausschlüsse und Obliegenheiten den Lasten zuzuordnen. Mithin bilden die primären Risikobeschreibungen und die sekundären Risikobeschränkungen jeweils einen Unterfall der Lasten. Will der Versicherte dem drohenden Rechtsnachteil entgehen, muss er den versicherungsrechtlichen Verhaltensvorgaben umfassend genügen. Ansonsten ist der Versicherungsschutz entweder gar nicht eröffnet oder entfällt, eventuell unter weiteren Voraussetzungen wieder. Trotzdem soll die Differenzierung zwischen den verschiedenen versicherungsrechtlichen Regulativen nachfolgend beibehalten werden, weil dies zumindest für die Erwägungen zur Rechtsfolge hilfreich ist. Wodurch sich die versicherungsrechtlichen Normen im Einzelnen unterscheiden, verdeutlicht die folgende Darstellung:

228

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

Mitwirkungsverantwortung eines privatversicherten Patienten rechtliche Normen Pflichten

außerrechtliche Normen Lasten

= Verhaltensanforderung in Korrelation zum Anspruch

Gebote im Eigeninteresse

= Verhaltenserwartung mit drohendem Rechtsnachteil

Anspruch

= Verhaltensanregung zur Wahrung eigener Belange

Rechtsnachteil

primäre Risikobeschreibung

sekundäre Risikobeschränkung

= Festlegung des vertraglichen Schutzumfanges

= Einschränkung der grundsätzlich gewährten Deckungszusage

Versicherungsvertrag

Risikoausschluss = kein Versicherungsschutz bei bestimmtem Verhalten

Obliegenheit = Gebot sorgfältigen Verhaltens

Sorgfaltsverhalten

2. Ableitung der Pflichten und Lasten Da der Versicherte die Gefahrverwirklichung nicht selten beeinflussen kann, kommt der Verhaltenssteuerung im Versicherungsrecht eine besondere Bedeutung und Tragweite zu. Allerdings sind Pflichten eine eher marginale Erscheinung, sodass Privatversicherte weitaus mehr Lasten haben. Die Pflichten und Lasten der Parteien eines Versicherungsverhältnisses ergeben sich entweder unmittelbar aus dem VVG oder aus vertraglichen Vereinbarungen, wenn gesetzliche Regelungen erweitert, beschränkt oder abbedungen werden. Allein die Aufnahme gesetzlicher Risikobeschreibungen, Risikoausschlüsse oder Obliegenheiten in Allgemeine Versicherungsbedingungen macht daraus aber noch keine vertraglichen Lasten, sodass die §§ 6; 15a VVG nicht anzuwenden sind. Indes kann der Versicherer mit der Statuierung weiterer, über das VVG hinausgehender Lasten nicht unerheblichen Einfluss auf die Risikoverteilung nehmen. Praktisch ist das Versicherungsprodukt durch die All-

A. Teilhabeverantwortung des privatversicherten Patienten

229

gemeinen Versicherungsbedingungen genau umrissen, zumal eine individuelle Vertragsgestaltung mit der Risikokalkulation und Bildung von Gefahrengemeinschaften wohl nicht zu vereinbaren wäre. Die vertraglichen Lasten müssen dennoch ausdrücklich vereinbart werden, damit der Versicherte nicht unwissend mit rechtlichen Verhaltensvorgaben überzogen wird38. Sämtliche Pflichten und Lasten eines Versicherten sind daher schriftlich niedergelegt. In der privaten Krankenversicherung kommt insoweit den Allgemeinen Versicherungsbedingungen ein wichtiger Stellenwert zu. Da bis 1994 eine spezielle Kodifikation fehlte, empfahl der Verband Private Krankenversicherung frühzeitig sogenannte Musterbedingungen als gesetzesgleiches Vertragsrecht, um den Versicherungsschutz vorhersehbar zu machen39. Die MB-KK/ KT leben gegenwärtig in der dritten Generation fort und verkörpern heutzutage noch den in der privaten Krankenversicherung erreichten Leistungsstandard, der in den §§ 178 a ff. VVG lediglich leitbildartig festgeschrieben wurde und nicht verändert werden sollte. Daher sind MB-KK/ KT einerseits zur Auslegung der gesetzlichen Regelungen heranzuziehen und dominieren andererseits die Vertragsgestaltung. Dabei gelten die MB-KK für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung, erfassen also alle Kosten einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung und gewähren eine Pauschale pro Krankenhaustag. Die MB-KT beziehen sich auf die Krankentagegeldversicherung und sichern den Verdienstausfall bei einer krankheits- oder unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit. Die Patientenpflichten und -lasten sind weitestgehend in den MB-KK/ KT geregelt, denn viele Normen setzen ein bestimmtes Verhalten des privatversicherten Patienten voraus.

3. Rechtsfolgen der Lastenmissachtung durch den Versicherten Die Rechtsfolgen bei der Missachtung von Lasten können an dieser Stelle lediglich in den Grundzügen dargestellt werden. Da versicherungsrechtliche Verhaltensnormen stets schriftlich niedergelegt sind, ergeben sich auch die Sanktionen aus dem VVG und den Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Sie hängen wesentlich von der Rechtsnatur der Norm ab. Während die Einstandspflicht des Versicherers durch Missachtung einer primären Risikobe___________ 38

Vgl. für die vertraglichen Obliegenheiten BGH VersR 1988, 267; OLG Düsseldorf VersR 1961, 114; LG Mannheim r+s 1989, 95 sowie Prölss in: Prölss/ Martin, § 6 VVG Rn. 2. Weitergehend dagegen Deutsch, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 202; Hartwig, S. 201, die eine stillschweigende Obliegenheitsvereinbarung für möglich und rechtlich wirksam erachten, sofern dem Versicherungsnehmer ihr Inhalt zumindest erkennbar ist. 39 Das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen billigte 1966 die MB-KK und 1972 die MB-KT.

230

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

schreibung überhaupt nicht entsteht und beim Handeln entgegen eines Risikoausschlusses wiederum entfällt, lassen sich die Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung nicht allgemeingültig erfassen. Bei Obliegenheiten tritt ein leistungsrechtlicher Nachteil nur unter weiteren Voraussetzungen ein, die entweder direkt aus dem Gesetz folgen oder hinsichtlich vertraglicher Vereinbarungen an § 6 VVG zu messen sind. Relevant ist insoweit § 6 Abs. 3 VVG, weil die Obliegenheiten des privatversicherten Patienten im Zusammenhang mit dem Versicherungsfall ebenfalls durch die MB-KK/ KT vorgegeben werden und daher vertraglichen Charakter haben. Laut § 6 Abs. 3 VVG darf eine Obliegenheitsverletzung nicht automatisch zum Verlust des Versicherungsschutzes führen, sondern erst wenn sie auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht. Der Versicherte muss also gegen eine ihm bekannte Verhaltensnorm entweder bewusst verstoßen (Vorsatz) oder einfache, naheliegende und damit jedermann einleuchtende Überlegungen nicht angestellt haben (grobe Fahrlässigkeit)40. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 VVG bleibt der Versicherer im Fall der grobfahrlässigen Missachtung einer vertraglichen Obliegenheit insoweit einstandspflichtig, als das Fehlverhalten weder zum Eintritt des Versicherungsfall geführt noch den Schadensumfang beeinflusst hat. Dies ist jedoch seit etwa 1970 durch ständige Rechtsprechung dahingehend relativiert, dass der Versicherer trotz Folgenlosigkeit einer Obliegenheitsverletzung leistungsfrei wird, wenn seine Interessen dadurch ernsthaft gefährdet wurden und den Versicherten ein Vorwurf groben Verschuldens trifft41. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass bei vorsätzlichen Verstößen die Leistungspflicht des Versicherers ohne weiteres erlischt. Allerdings hat die Nichtbeachtung einer Last, also sowohl der primären Risikobeschreibungen als auch sekundären Risikobeschränkungen, durch das Verbot des venire contra factum proprium dann keine Folgen, wenn der Versicherer seinerseits die Leistungspflicht abschließend verneint hat und nicht erneut in eine Regulierung eintritt42. In einem solchen Fall kann von dem Versicherten eben nicht die Einhaltung versicherungsrechtlicher Normen erwartet werden.

___________ 40 Darunter wird insbesondere die unterbliebene Unterrichtung über eigene Lasten anhand der AVB nach Eintritt des Versicherungsfalles subsumiert, vgl. OLG Hamm VersR 1973, 339, 341; OLG Köln VersR 1986, 906, 907. 41 Der Vorwurf groben Verschuldens setzt die Nichtbeachtung einer Auskunftslast voraus, statt vieler Römer in: Römer/ Langheid, § 6 Rn. 51 ff. A.A. Prölss in: Prölss/ Martin, § 6 Rn. 98 f., der auf den Präventions- und Garantiezweck der Verwirkungsabrede abstellen will. 42 OLG Düsseldorf VersR 1997, 1083, 1085.

A. Teilhabeverantwortung des privatversicherten Patienten

231

II. Mitwirkungserfordernisse des Versicherten Ausgehend von der dogmatischen Grundlage der Pflichten und Lasten sollen jetzt die Mitwirkungserfordernisse des privatversicherten Patienten im Kontext eines Versicherungsfalles untersucht werden. Unberücksichtigt bleiben dabei die Pflichten und Lasten jenseits eines Versicherungsfalles wie etwa die vorvertraglichen Pflichten und die Pflicht zur Prämienzahlung. Den Betrachtungen liegt die substitutive Krankenversicherung, die sich aus der Krankheitskosten-, Krankenhaustagegeld- und Krankentagegeldversicherung zusammensetzt, zugrunde. Obgleich sich die Teilhabeerfordernisse des privatversicherten Patienten direkt aus dem Gesetz und dem Versicherungsvertrag einschließlich der MB-KK/ KT ergeben, sollen die jeweiligen Normen nicht abgearbeitet werden. Vielmehr wird wie schon im zweiten Kapitel fallgruppenbezogen vorgegangen. Für die Vermeidung einer Erkrankung, die frühzeitige Einschaltung des Vertrags(zahn)arztes bei akuten Gesundheitsproblemen, die Unterstützung des Versicherers durch Informationen, die Beteiligung am Genesungsprozess und das Verhindern von Kostenexzessen werden die gesetzliche Regelung oder vertragliche Vereinbarung ermittelt und anhand des Wortlautes, der Entstehung, des systematischen Normzusammenhanges und des Regelungszwecks dem entsprechenden versicherungsrechtlichen Normtypus zugeordnet.

1. Vermeidung einer Erkrankung Jeder krankenversicherungsrechtlich relevante Fall erfordert zunächst eine Erkrankung des Versicherten, deren Ursache multikomplex gelagert sein kann. Interessant ist dabei vor allem, ob dem Versicherten eine gesundheitsbewusste Lebensführung zum Schutz der Gefahrengemeinschaft vor einer vermeidbaren Einstandspflicht abzuverlangen ist. Möglicherweise muss der privatversicherte Patient darüber hinaus eine drohende Erkrankung abwehren, eine vorsätzliche Krankheitsherbeiführung unterlassen und eine Verzögerung seiner Genesung vermeiden. Inwieweit die private Krankenversicherung tatsächlich solche Verhaltensnormen statuiert und welche Konsequenzen ein normwidriges Handeln gegebenenfalls zeitigt, soll nachfolgend erarbeitet werden.

a) Gesundheitsbewusste Lebensführung Gesundheitsbewusst lebt derjenige, der sich bekannten, die körperliche oder geistige Integrität gefährdenden Risiken wie erheblichem Nikotingenuss, fettreicher Ernährung und dauerndem Stress nicht oder kaum aussetzt. Auch wenn eine ausgewogene Ernährung und ausreichende Bewegung der eigenen Ge-

232

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

sundheit gewiss zuträglich sind, fragt sich, ob sich der Versicherte mit Abschluss des Krankenversicherungsverhältnisses quasi umfassend schützen muss. Insoweit könnte an § 62 Abs. 1 Satz 1 VVG gedacht werden, der vom Versicherten bei Eintritt eines Versicherungsfalles nach Möglichkeit die Abwendung und Minderung des Schadens verlangt. Schwierigkeiten bereitet jedoch schon die Anwendbarkeit des § 62 VVG als allgemeine Vorschrift zur Schadensversicherung auf die Krankenversicherung, die Schadens- und Summenversicherung vereint43. Zudem setzt die Vorschrift voraus, dass die erforderlichen Schadensverhütungsmaßnahmen einen konkreten Anlass haben und verlangt mangels einer solchen Kohärenz nicht, dass jeder potentiell denkbare Versicherungsfall vermieden werden muss. Da auch § 178 l VVG bzw. die §§ 5 Abs. 1 lit. b MB-KK/ KT nur eine vorsätzlich herbeigeführte Krankheit a priori vom Versicherungsschutz ausnehmen, gibt es keine Pflicht oder Last des privatversicherten Patienten, wonach eine Erkrankungen durch gesundheitsbewusste Lebensführung abzuwenden ist44. Die Problematik einer vorsätzlichen Krankheitszuziehung, umständehalber infolge eines gesundheitsschädlichen Lebensstils wird noch gesondert erörtert. Ausnahmsweise trifft den privatversicherten Patienten aber über § 1 Abs. 2 MB-KK indirekt die Last zur gesundheitsbewussten Lebensführung, wenn er wegen einer Erkrankung bereits behandelt wurde und nach Therapieabschluss gewisse Verhaltensregeln zu beachten hat, damit es nicht zum Rückfall kommt. Denn nach § 1 Abs. 2 MB-KK werden nur Kosten einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung erstattet. Infolgedessen ist der Versicherer nicht leistungspflichtig, wenn die Erfolgsprognose einer Maßnahme in Anbetracht der bisher nicht geleisteten, zumutbaren Mitwirkung des Patienten äußerst gering ausfällt und eine erneute Behandlung deshalb als ungeeignet und letztlich nicht notwendig erscheint45. Hält ein stark adipöser Versicherter, der zur Ernährungsumstellung und Kalorienreduktion mehrfach stationär betreut wurde, anschließend die Diät nicht ein, ist ein nochmaliger Therapieversuch sinnlos46. Da der Versicherer für medizinisch nicht notwendige Heilbehandlungen nicht ein___________ 43

Da die Schadensversicherung den durch den Versicherungsfall eingetretenen Vermögensschaden ersetzt, fällt die Krankheitskostenversicherung in diese Kategorie. Bei der Summenversicherung erbringt der Versicherer mit Eintritt eines Versicherungsfalles unabhängig vom Entstehen und Umfang eines hierdurch verursachten Bedarfs die vereinbarte Summe wie beispielsweise das Krankenhaustage- oder Krankentagegeld. 44 Allgemein Voit in: Prölss/ Martin, § 62 VVG Rn. 9. 45 Vgl. für die wiederholte, vergebliche Behandlung einer alimentär bedingten Fettsucht über eine mittlerweile nicht mehr praktizierte Nulldiät BGH VersR 1979, 221, 223; LG Münster VersR 1981, 671; OLG Hamm VersR 1982, 996, 997. 46 So LG Münster VersR 1981, 671 und OLG Hamm VersR 1982, 996, 997.

A. Teilhabeverantwortung des privatversicherten Patienten

233

steht, legt § 1 Abs. 2 MB-KK den Versicherungsschutz in Form einer primären Risikobeschreibung fest. Der privatversicherte Patient ist daher gehalten, sich nur in medizinisch notwendiger Weise behandeln zu lassen, was in einigen Konstellationen durchaus die gesundheitsbewusste Lebensführung einbeziehen kann. Andernfalls bewegt sich der privatversicherte Patient außerhalb seines Krankenversicherungsschutzes und muss folglich anfallende Behandlungskosten selbst tragen. Abgesehen von diesen eher seltenen Fällen gibt es keine Last zur gesundheitsbewussten Lebensführung. Dennoch wird ein Beitrag zur Erhaltung der Gesundheit in diesem Sinne allgemein erwartet und dürfte sich für jedermann nützlich erweisen, sodass die gesundheitsbewusste Lebensführung dem außerrechtlichen Gebot im eigenen Interesse unterfällt.

b) Verwirklichung eines Krankheitsfalles Erkrankt ein Versicherter, verwirklicht sich damit das auf den Versicherer übertragene Risiko, das indes nicht grenzenlos abgedeckt ist. So steht die Versichertensozietät, die durch Prämienzahlung gemeinsam das Gefahrtragungssystem finanziert, nicht für gesundheitliche Beeinträchtigungen ein, die sehenden Auges gebilligt oder gar zurechenbar herbeigeführt werden. Ein derart rücksichtsloses Ausnutzen des Versicherungsschutzes wäre nicht kalkulierbar und widerspräche dem Interesse aller Versicherten, die sich zur Bewältigung in der Gesamtheit abschätzbarer Gefahrenlagen zusammengefunden haben. Nicht versichert ist mithin eine vorsätzlich herbeigeführte Erkrankung. Ob das gleichermaßen für die Nichtabwehr eines drohenden Leidens trotz Möglichkeit und Zumutbarkeit oder eine Genesungsvereitelung gilt, soll untersucht werden.

aa) Nichtabwehr einer drohenden Erkrankung Mitunter kann der Versicherte eine drohende Gesundheitsbeeinträchtigung vermeiden, indem er den Kausalverlauf unterbricht. Fraglich ist jedoch, ob eine dementsprechende Pflicht oder Last des privatversicherten Patienten besteht. Ad hoc könnte an einen Übergewichtigen mit einem erheblich erhöhten Cholesterinspiegel als erstes Indiz der zu gehaltvollen Kost gedacht werden, der trotz ärztlicher Aufklärung seine ungesunde Ernährung nicht umstellt. Falls das ernsthafte Vertrauen fehlt, man selbst werde schon nicht erkranken, und damit nachteilige körperliche Auswirkungen jedenfalls billigend in Kauf genommen werden, ist eine vorsätzliche Krankheitsherbeiführung in Betracht zu ziehen. Demnach kann das Ignorieren einer Krankheitsanlage eng mit einer vorsätzli-

234

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

chen Leidenszufügung, die separat erörtert wird und daher hier ausgeblendet bleiben soll, verquickt sein. Die Abwehr einer drohenden Erkrankung gebietet eventuell § 62 Abs. 1 Satz 1 VVG, der gemäß § 178 a Abs. 2 VVG zumindest für die als Schadensversicherung gewährten Teile der Krankenversicherung, also die Krankheitskostenversicherung greift, nicht aber auf die Krankenhaustagegeld- und Krankentagegeldversicherung als Summenversicherung anwendbar ist47. Laut § 62 Abs. 1 Satz 1 VVG ist der Versicherte gehalten, beim Eintritt des Versicherungsfalles nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen sowie die Weisungen des Versicherers zu befolgen. Der privatversicherte Patient müsste somit eine drohende Erkrankung abwenden, wenn schon das Krankheitsrisiko als verwirklichter Versicherungsfall gilt. Nach dem Sachzusammenhang von § 62 Abs. 1 Satz 1 VVG soll zwar auch das Umschlagen einer Gefahrensituation in einen Schaden vermieden werden, sodass die Vorschrift ab dem Moment eines hinreichend wahrscheinlichen Schadenseintrittes einschlägig wäre48. Diese Sichtweise weicht aber den Regelungsgehalt von § 61 VVG auf, der für den schuldhaft herbeigeführten Versicherungsfall einen Leistungsausschluss vorsieht. Daher muss den Normierungen in § 61 und § 62 VVG eine zeitliche Rangfolge entnommen werden, sodass das Verhalten des Versicherten erst ab der Risikoverwirklichung von § 62 VVG und zuvor ausschließlich über § 61 VVG erfasst wird49. Infolgedessen wird § 62 VVG für die Krankenversicherung über seine speziellen Ausprägungen in den §§ 9 Abs. 4 MB-KK/ KT hauptsächlich bei der Behandlungsteilhabe bedeutsam. Jedoch muss der Versicherte leistungsrechtliche Einschnitte dann hinnehmen, wenn bekanntermaßen ungesunde Lebensgewohnheiten zu einer behandlungsbedürftigen Fettleber oder Hypertonie führen und dieses Verhalten als vorsätzliche Erkrankung zu werten ist.

bb) Vorsätzliche Krankheitsherbeiführung Gemäß § 178 l VVG bzw. den §§ 5 Abs. 1 lit. b MB-KK/ KT50 besteht keine Leistungspflicht des Versicherers für vorsätzlich herbeigeführte Erkrankungen. ___________ 47

Zur Schadens- und Summenversicherung der privaten Krankenversicherung siehe Fn. 43. 48 Dafür BGH VersR 1985, 656, 658; r+s 1991, 116, 117; OLG Hamm VersR 1989, 907; r+s 1990, 226, 227; OLG Nürnberg VersR 1992, 180. 49 Ähnlich auch Voit in: Prölss/ Martin, § 62 VVG Rn. 2 ff. 50 Zur Vereinbarkeit der §§ 5 Abs. 1 lit. b MB-KK/ KT als vertragliche Ausformung des § 178 l VVG vgl. Schoenfeldt/ Kalis in: Bach/ Moser, § 5 MB-KK Rn. 18.

A. Teilhabeverantwortung des privatversicherten Patienten

235

Da kein vernünftiger Mensch ein berechtigtes Interesse an der Absicherung eines wissentlich und willentlich verursachten Schadens hat, übernimmt der Versicherer dieses Risiko a priori nicht. Somit statuieren diese Normen eine Last dahingehend, dass vorsätzlich herbeigeführte Erkrankungen zu vermeiden sind, so sich der Versicherte den rechtlichen Vorteil des Versicherungsschutzes erhalten möchte. Zwar bereitet die Ableitung dieser Last aus § 178 l bzw. den §§ 5 Abs. 1 lit. b MB-KK/ KT keine besonderen Schwierigkeiten, jedoch verbleibt hinsichtlich der Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen sich ein Versicherter vorsätzlich krank macht, ein Klärungsbedarf. Eine vorsätzliche Erkrankung setzt neben dem Wissen um die Krankheitszuziehung (Bewusstseinselement) ein voluntativ gesteuertes, darauf gerichtetes Verhalten (Willenselement) voraus. Davon ist etwa bei einer medizinisch nicht indizierten Sterilisation auszugehen, weshalb die private Krankenversicherung auch nicht die Kosten für eine Refertilisation aufgrund eines späteren Sinneswandels trägt51. Eine Kachexie52 oder Demenz53 infolge intravenöser Kokaineinnahme gilt ebenfalls als vorsätzlich verursacht, zumal die mit einem Drogenkonsum verbundenen Gefahren durch öffentliche Aufklärungskampagnen allgemein bekannt sind54. Für andere, vom Vorsatz nicht erfasste körperliche Folgeerscheinungen greift der Leistungsausschluss der §§ 5 Abs. 1 lit. b MB-KK/KT, solange ein Unmittelbarkeitszusammenhang mit der vorsätzlich zugefügten Primärerkrankung besteht55. Insbesondere die mittlerweile gängigen Zivilisationskrankheiten erfordern eine Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und Fahrlässigkeit, denn viele Menschen vertrauen trotz gesundheitsgefährdenden Verhaltens wie bei einem übermäßigen Rauchen, einem unverhältnismäßigen Alkoholgenuss oder einer unausgewogenen Ernährung darauf, nicht zu erkranken. In theoretischer Hinsicht kann unter Vernachlässigung der Meinungsstreitigkeiten von bedingtem Vorsatz ausgegangen werden, wenn jemand im Bewusstsein eines möglichen oder wahrscheinlichen Schadens handelt und diesen billigend in Kauf nimmt. Wird hingegen in Kenntnis des Schadens ernsthaft auf dessen Nichteintritt ver___________ 51

OLG Celle VersR 1988, 31, 32; AG Köln VersR 1991, 647. Körperliche Auszehrung einschließlich einer Gewichtsabnahme um mehr als 20 % des Sollgewichts, vgl. Pschyrembel, Stichwort: Kachexie. 53 Oberbegriff für die Minderung erworbener intellektueller Fähigkeiten, vgl. Pschyrembel, Stichwort: Demenz. 54 So OLG Frankfurt VersR 1990, 1380 f., für die Restschuldversicherung sowie Schoenfeldt/ Kalis in: Bach/ Moser, § 5 MB-KK Rn. 12. 55 Schulze-Weidner, S. 240. 52

236

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

traut, liegt grobe Fahrlässigkeit vor. Mithin ist jedenfalls dann Vorsatz anzunehmen, wenn ein privatversicherter Patient wegen einer durch ungesunden Lebensstil verursachten Erkrankung schon einmal behandelt und vom (Zahn)Arzt über die erforderliche Verhaltensänderung aufgeklärt wurde. Beispielhaft anzuführen ist ein adipöser Patient, der nach einer stationären Betreuung und ärztlichen Aufforderung zur drastischen Kalorienreduktion wieder in frühere Essgewohnheiten verfällt, erneut übergewichtig und deshalb behandlungsbedürftig wird56, oder an einen trockenen Alkoholiker, der im Wissen um eine bestehende Lebererkrankung wiederum zu Trinken beginnt57. Für Unfallverletzungen durch Trunkenheit am Steuer kann Vorsatz allerdings nicht bejaht werden, da ein Betrunkener regelmäßig davon überzeugt ist, sein Fahrzeug fehlerfrei lenken zu können und damit nur bewusst fahrlässig handelt58. Nach teilweise vertretener Ansicht soll der Versicherungsschutz bei bedingt vorsätzlichen Selbstgefährdungen erst mit dem Überschreiten einer akzeptablen Daseinsgestaltung ausgeschlossen sein59. Sofern darunter die Pflege einer nahestehenden, infektiös erkrankten Person verstanden wird, ist dem ohne weiteres zu folgen. Wird jedoch die akzeptable Daseinsgestaltung im Sinne eines sozialadäquaten und damit gesellschaftlich üblichen Handelns verstanden, worunter das Rauchen und eine ungesunde Ernährung fallen dürfte, geht diese Beschränkung wohl zu weit.

cc) Genesungsvereitelung Wirkt ein privatversicherter Patient an einer Heilbehandlung nicht im nötigen Umfang mit, kann sich eine Krankheit leicht verschlimmern oder chronisch werden. Entfernt er etwa den Verband und kommt es deshalb zu einer Wundinfektion, entsteht ein vergleichsweise erhöhter Behandlungsaufwand. Mitunter kann die Genesung durch ein solches Handeln vorsätzlich hinausgezögert werden. Fraglich ist, ob der privatversicherte Patient dann die Mehrkosten aufgrund von § 178 l VVG bzw. den §§ 5 Abs. 1 lit. b MB-KK/ KT selbst zu tragen hat. Zwar kann eine vorsätzliche Schadenszufügung sowohl vor als auch während einer Erkrankung relevant werden, wenngleich sie rein faktisch eher selten sein dürfte. Dennoch lässt sich eine Genesungsvereitelung nicht über die primäre Risikobeschreibung des § 178 l VVG bzw. der §§ 5 Abs. 1 lit. b MBKK/ KT erfassen. Für die private Krankenversicherung beinhaltet § 178 l VVG ___________ 56

OLG Hamburg VersR 1980, 275; LG Hamburg VersR 1981, 1049, 1050 und Bach, VersR 1979, S. 792, 797. 57 OLG Oldenburg (20.08.1986 - 2 U 80/86), n.v. 58 LG Aachen VersR 1960, 146. 59 So Prölss in: Prölss/ Martin, § 178 l VVG Rn. 5.

A. Teilhabeverantwortung des privatversicherten Patienten

237

nämlich den Rechtsgedanken des § 61 VVG, sodass unter Berücksichtigung des zeitlichen Stufenverhältnisses der §§ 61; 62 VVG60 sich auch § 178 l VVG bzw. die §§ 5 Abs. 1 lit. b MB-KK/ KT nur auf ein krankheitsstiftendes Verhalten vor Eintritt des Versicherungsfalles beziehen. Die Mitwirkung eines privatversicherten Patienten im Rahmen der Behandlung regeln indes die §§ 9 Abs. 4 MB-KK/ KT, die unter dem Aspekt der Therapieverantwortung analysiert werden61.

2. Einschaltung eines (Zahn)Arztes Erkrankt ein Versicherter stellt sich vordergründig die Frage, ob er auf der Grundlage des Krankenversicherungsverhältnisses unverzüglich einen (Zahn)Arzt einschalten muss, damit seine Beschwerden möglichst frühzeitig und effizient behoben werden können. Daneben interessieren die Verhaltensnormen, die anlässlich der Konsultation eines (Zahn)Arztes bestehen. Die für das Krankenversicherungsrecht fragmentarischen §§ 178 a ff. VVG enthalten keinen Rechtssatz, dass sofort nach Krankheitseintritt ein Mediziner hinzugezogen werden muss. Auch die MB-KK/ KT sind diesbezüglich unergiebig. Bedenkt man jedoch, dass erst die Inanspruchnahme der medizinisch notwendigen Hilfe einen Versicherungsfall auslöst, verwundert das nicht. Obwohl das zügige Aufsuchen eines (Zahn)Arztes den Krankheitsverlauf und die Therapiechancen vorteilhaft beeinflussen und sich letztlich bei den Behandlungskosten auswirken kann, entscheidet der Versicherte völlig frei, ob er seine physischen Beschwerden oder ein psychisches Leiden behandeln lässt und daran anknüpfend den vertraglich vereinbarten Versicherungsschutz beansprucht. Allerdings muss sich der Versicherte wegen § 4 Abs. 5 MB-KT während einer erkrankungsbedingten Arbeitsunfähigkeit von einem niedergelassenen, approbierten Mediziner behandeln lassen, wenn er die Zahlung von Krankentagegeld begehrt. Leistungsauslösend wirkt nach § 1 Abs. 1 Satz 2 MB-KT eine im Behandlungsverlauf festgestellte und vom Mediziner bescheinigte Arbeitsunfähigkeit, sodass letztlich sowieso ein (Zahn)Arzt eingeschaltet werden muss. Infolgedessen wird die Bedeutung des § 4 Abs. 5 MB-KT als gering erachtet62. Dem kann aber bei einer Auslegung der Vorschrift in der Weise, dass sich der erkrankte Versicherte nicht nur zur Ermittlung der Arbeitsunfähigkeit und ihrer Dokumentation in die (zahn)ärztliche Hand zu begeben, sondern an allen medi___________ 60

Vgl. dazu in diesem Kapitel A. II. 1. b) aa). Vgl. dazu in diesem Kapitel A. II. 4. 62 Wilmes in: Bach/ Moser, § 4 MB-KT Rn. 19. 61

238

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

zinisch indizierten, erfolgversprechenden und zumutbaren Maßnahmen wegen § 9 Abs. 4 MB-KT mitzuwirken hat, nicht gefolgt werden. In dogmatischer Hinsicht soll § 4 Abs. 5 MB-KT entweder als Risikoausschluss den § 1 Abs. 2 Satz 1 MB-KT konkretisieren63 oder eine Obliegenheit zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit beinhalten64. Nach eigener Auffassung ist innerhalb sekundärer Risikobeschreibungen anhand des Sorgfaltsverhaltens abzugrenzen. Entscheidend ist demnach, wie sich eine unversicherte Person bei einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit typischerweise verhalten würde. Um den Arbeits- und Verdienstausfall möglichst gering zu halten, würde sie sich wohl allen medizinisch indizierten und zumutbaren Maßnahmen unterziehen. Dennoch hat der privatversicherte Patient die Wahl, sodass § 4 Abs. 5 MB-KT eine Obliegenheit statuiert. Konsultiert der privatversicherte Patient bei einer erkrankungsbedingten Arbeitsunfähigkeit keinen (Zahn)Arzt oder wirkt an der Behandlung nicht mit, kann sein Anspruch auf Krankentagegeld unter den weiteren Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 VVG entfallen. In der Krankheitskostenversicherung gibt es keine vergleichbare Last, weil der Versicherungsfall mit der Einschaltung eines (Zahn)Arztes erst ausgelöst wird. Im Fall einer Behandlung kann der privatversicherte Patient nach § 4 Abs. 2 MB-KK bzw. § 4 Abs. 6 MB-KT zwischen niedergelassenen, approbierten Medizinern wählen. Mithin darf ein nicht niedergelassener und nicht approbierter (Zahn)Arzt nicht konsultiert werden. Dabei soll es sich um eine primäre Risikobeschreibung65 oder sekundäre Risikobeschränkung66 handeln. Maßgebend für die Abgrenzung ist, dass (Zahn)Ärzte durch ihre Niederlassung an das Berufsrecht gebunden und demnach nur zur Durchführung medizinisch notwendiger Maßnahmen befugt sind67. Bei nicht niedergelassenen (Zahn)Ärzten fehlt diese Gewähr der Kosteneffizienz, sodass Versicherer ihre prinzipielle Kostenübernahme für medizinisch notwendige Behandlungen auf die Konsultation niedergelassener (Zahn)Ärzte beschränken wollen. Im Gegensatz zu den §§ 5 MB-KK/ KT, die den Versicherungsschutz per se umschreiben, reglementieren die §§ 4 MB-KK/ KT die generelle Leistungspflicht für bestimmte Konstellationen. Folglich sind § 4 Abs. 2 MB-KK und § 4 Abs. 6 MB-KT den sekundären Risikobeschränkungen in Form der Risikoausschlüsse zuzuordnen68, sodass ei___________ 63

LG Karlsruhe VersR 1987, 759; Prölss in: Prölss/ Martin, § 4 MB-KT Rn. 8. OLG Stuttgart VersR 1989, 242; Bruck/ Möller/ Wriede, F 63. 65 Schoenfeldt/ Kalis in: Bach/ Moser, § 4 MB-KK Rn. 19 und Prölss in: Prölss/ Martin, § 4 MB-KK Rn. 8. 66 Simoneit, S. 67 und wohl OLG München NJW 1990, 2942, 2943; OLG Hamm VersR 1993, 427 f. 67 BGH VersR 1978, 267, 268; OLG Karlsruhe VersR 1994, 1459, 1460. 68 Ebenso BGH VersR 1978, 267, 268. 64

A. Teilhabeverantwortung des privatversicherten Patienten

239

nen privatversicherten Patienten die Last zur Einschaltung eines niedergelassenen, approbierten (Zahn)Arztes trifft. Niedergelassen im Sinne der Versicherungsbedingungen ist der Mediziner, der seine Berufsausübung durch Anbringen eines Praxisschildes objektiv, also für jedermann kundgemacht hat69.

3. Förderung der Aufklärung zugunsten des Versicherers Vielfach kann der Versicherer seine Leistungspflicht und deren Umfang nur feststellen, wenn der Versicherte seinerseits mitwirkt und beispielsweise einen Versicherungsfall unaufgefordert anzeigt, sonstige relevante Auskünfte erteilt oder sich eventuell untersuchen lässt. Inwieweit das Krankenversicherungsverhältnis einem Versicherten diesbezüglich Pflichten oder Lasten auferlegt und welche Rechtsfolgen ein normwidriges Verhalten hat, soll an dieser Stelle untersucht werden.

a) Anzeigenotwendigkeiten Mitteilungen durch den Versicherten gewährleisten im wesentlichen, dass ein Versicherer vom Eintritt des Versicherungsfalles zügig Kenntnis erlangt und in die Lage versetzt wird, seine Leistungspflicht zu prüfen. So verlangt die Krankheitskostenversicherung gemäß § 9 Abs. 1 MB-KK die Anzeige einer stationären Behandlung und die Krankentagegeldversicherung laut den §§ 9 Abs. 1; 4 Abs. 7 MB-KT die Meldung einer Arbeitsunfähigkeit. Teilt der Versicherte seinem Krankenversicherer nicht mit, dass ein stationärer Aufenthalt ansteht oder er arbeitsunfähig erkrankt ist, führt dies bei einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Missachtung zu leistungsrechtlichen Konsequenzen. Allein die Nichtkenntnis dieser Teilhabeerfordernisse entlastet jedoch nicht, denn im Leistungsfall wird von dem Versicherten erwartet, dass er sich darüber informiert70. Nach der redaktionellen Überschrift der §§ 9 MB-KK/ KT sind die Anzeigelasten zutreffend als Obliegenheiten zu klassifizieren.

___________ 69 OLG München NJW 1990, 2942, 2943; OLG Düsseldorf VersR 1994, 207; VG Karlsruhe MedR 1999, 329. 70 OLG Köln VersR 1973, 339, 341; AG Kleve r+s 1995, 372, 373 sowie Bruck/ Möller/ Wriede, F 64.

240

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

aa) Krankenhausbehandlung Die in § 33 VVG normierte, allgemeine Anzeigelast wird durch § 9 Abs. 1 MB-KK für die Krankheitskostenversicherung konkretisiert. Gemäß § 9 Abs. 1 MB-KK ist jede Krankenhausbehandlung binnen 10 Tagen nach ihrem Beginn anzuzeigen. Eine vergleichbare Obliegenheit für eine ambulante, eventuell auch in einer Klinik stattfindende medizinische Versorgung gibt es hingegen nicht. Diese Unterscheidung folgt aus den erfahrungsgemäß deutlich höheren Kosten eines stationären Aufenthaltes und dem somit gesteigerten Informationsbedarf des Versicherers.

bb) Arbeitsunfähigkeit Eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ist dem Versicherer sowohl beim Eintritt als auch ihrer Beendigung bekannt zu geben. Eine bestehende Arbeitsunfähigkeit ist dabei durch eine (zahn)ärztliche Bescheinigung nachzuweisen. Die Anzeige und kontinuierliche Nachweisführung ermöglicht dem Versicherer, die Leistungsvoraussetzungen eventuell über eine vertrauens(zahn)ärztliche Untersuchung oder die Abstattung eines Krankenbesuches stetig zu überwachen. Endet die Arbeitsunfähigkeit genügt indes eine schlichte Mitteilung. Die Obliegenheit zur Anzeige der Arbeitsunfähigkeit und deren Fortdauer ist in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen zweimal verankert, so nämlich in § 4 Abs. 7 Satz 1 und § 9 Abs. 1 MB-KT. Gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 MBKT sind Eintritt und Dauer der Arbeitsunfähigkeit durch Bescheinigung des behandelnden (Zahn)Arztes nachzuweisen. In § 9 Abs. 1 MB-KT heißt es, dass eine (zahn)ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit dem Versicherer unverzüglich durch Vorlage eines Attests anzuzeigen ist, was gleichsam für eine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit gilt. Eine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit ist laut § 9 Abs. 1 Satz 3 MB-KT unter Beachtung der Tarifbedingungen und damit meist wöchentlich nachzuweisen. Letztlich gestaltet § 9 Abs. 1 MB-KT das Handlungsgebot des § 4 Abs. 7 Satz 1 MB-KT näher aus, sodass sich die Anzeigelast aus dem Zusammenspiel beider Regelungen ergibt. Von einer schuldhaften Missachtung ist jedenfalls auszugehen, wenn der Versicherte eine Arbeitsunfähigkeit erst mitteilt, wenn er gesundheitlich vollständig oder teilweise wiederhergestellt ist71. Dann kann der Versicherer das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit nämlich nicht mehr überprüfen, denn eine (zahn)ärztliche Begutachtung des mittlerweile Genesenen macht ebenso wenig Sinn wie ein Kon___________ 71

Statt vieler nur OLG Karlsruhe r+s 1995, 430 f.; AG Kleve r+s 1996, 372, 373.

A. Teilhabeverantwortung des privatversicherten Patienten

241

trollbesuch nach Rückkehr in die Berufstätigkeit72. Misslingt das Einreichen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beim Versicherer ist ebenfalls ein grob fahrlässiges Versagen im Zuge der Erledigung der Anzeigelast zu vermuten, zumal die postalische Übersendung einen alltäglichen Vorgang darstellt73. Weist aber der Versicherer während eines Telefonates zur Anzeige einer stationären Behandlung nicht darauf hin, dass für die Krankengeldzahlung zusätzlich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beizubringen ist, kann dem Versicherten bei einem unterlassenen Nachweis kein Schuldvorwurf gemacht werden74. Dies gilt ebenso bei einer vom Versicherer strikt verweigerten Krankengeldzahlung, weil eine ordnungsgemäße Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aus der ex-ante-Perspektive als sinnlos und überflüssig zu bewerten ist75. In Anknüpfung an § 6 Abs. 1 MB-KT, wonach das Krankengeld erst mit Beibringung des erforderlichen Nachweises fällig wird, normiert § 9 Abs. 1 Satz 2 MB-KT eine Leistungsfreiheit des Versicherers bis zum Tag des Zuganges einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung76. Gegenüber § 10 Abs. 1 MB-KT handelt es sich um insoweit um eine speziellere Regelung77. Zeigt der kranke Versicherte eine (zahn)ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit oder deren Fortdauer nicht unverzüglich unter Beachtung der im Tarif vorgesehenen Fristen an, erhält er gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 MB-KT Krankengeld erst ab dem Zugangstag der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beim Versicherer. Erhält der Versicherer jedoch anderweitig sichere Kenntnis von der Arbeitsunfähigkeit und der Person des behandelnden (Zahn)Arztes, entfällt dessen Leistungspflicht aus Billigkeitsgründen weder vorläufig noch endgültig78. Da nicht jede stationäre Betreuung automatisch mit einer Arbeitsunfähigkeit des Versicherten verbunden ist – vor allem Selbständige können mitunter auch vom Krankenbett aus disponieren, impliziert eine Anzeige iSd § 9 Abs. 1 MB-KK noch keine sicherer Kenntnis einer eventuell parallel bestehenden Arbeitsunfähigkeit79. ___________ 72 OLG Frankfurt aM VersR 1980, 326, 327; OLG Schleswig VersR 1986, 963; OLG Düsseldorf VersR 1989, 34. 73 Vgl. den Fall des OLG Frankfurt aM VersR 1980, 326, 327. 74 So OLG Hamm VersR 1973, 339, 340. 75 OLG Hamm VersR 1980, 135, 136. Ähnlich auch OLG Hamm VersR 1988, 796 f. sowie Anm. Bach VersR 1992, S. 302. 76 In der Realität wird auf diese rechtliche Folge einer verspäteten Anzeige meist verzichtet, siehe Bach in: Bach/ Moser, §§ 9, 10 MB-KT Rn. 8. 77 OLG Köln VersR 1986, 906, 907. 78 OLG Hamm VersR 1989, S. 242; Bach in: Bach/ Moser, §§ 9, 10 MB-KT Rn. 8. 79 Wie hier Bach in: Bach/ Moser, §§ 9, 10 MB-KT Rn. 6. A.A. Wegmann, S. 239, der wegen der Möglichkeit einer mit der stationären Behandlung einhergehenden Ar-

242

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

Eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ist dem Versicherer gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4 MB-KT innerhalb von drei Tagen anzuzeigen, damit eine Krankengeldzahlung zeitnah eingestellt werden kann und nicht als rechtsgrundlose, eventuell nicht kondizierbare Leistung weiter ausgekehrt wird. Obgleich auch die Missachtung dieser Handlungsnorm laut § 10 Abs. 1 MB-KT einen Rechtsnachteil auslösen soll, passt die Sanktion insoweit nicht, als die Einstandspflicht des Versicherers mit Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit sowieso endet und damit leistungsrechtliche Konsequenzen ausscheiden. Deshalb wird teilweise von einer sanktionslosen Obliegenheit gesprochen80. Zwar verknüpfen rechtliche Verhaltensnormen regelmäßig den abstrakten Tatbestand mit einer Rechtsfolge, jedoch existieren darüber hinaus unvollständige Rechtsregeln mit einem ergänzenden, einschränkenden oder verweisenden Charakter81. Es liegt näher, diese Verhaltensrichtlinien ohne Sanktionspotential als Programmsätze einzustufen und nicht die Obliegenheiten in ihrem charakteristischen Merkmal zu reduzieren. Die Programmsätze sind bisher ausgeklammert geblieben, zumal sie als Rechtssätze eine eher untergeordnete Bedeutung haben.

b) Auskunftserteilung Üblicherweise ist der Versicherte über die Einzelheiten des Versicherungsfalles besser unterrichtet als der Versicherer, dem meist die für die Leistungsbeurteilung relevanten Befunde und der Behandlungsverlauf unbekannt sind. Daher normieren die §§ 9 Abs. 2 MB-KK/ KT, dass ein Versicherter auf Verlangen jene Auskünfte zu erteilen hat, die zur Feststellung der Einstandspflicht benötigt werden. Daneben sind unaufgefordert solche Dinge mitzuteilen, die offensichtlich den Aufklärungsbedarf des Gegenübers elementar berühren82. Dies betrifft beispielhaft nachträglich, durch den (Zahn)Arzt gewährte Preisnachlässe, die an den Versicherer weiterzureichen sind83. Prüft der Versicherer, ob eine angezeigte Arbeitsunfähigkeit tatsächlich vorliegt und stattet dem Versicherten zwecks Sicherstellung, ob der beruflichen Tätigkeit oder anderen Aktivitäten nicht nachgegangen wird, einen Kontrollbesuch ab, sind Auskünfte gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 MB-KT auch einem Beauftragten des Versicherers zu erteilen. Die Obliegenheit zur Auskunftserteilung besteht im Rahmen der Mög___________ beitsunfähigkeit des Versicherten eine Berufung auf den fehlenden Nachweis für rechtsmissbräuchlich hält. 80 So Bach in: Bach/ Moser, §§ 9, 10 MB-KT Rn. 11. 81 Vgl. Tilch/ Arloth, Stichwort: Rechtsnorm und Rechtssatz. 82 OLG Köln VersR 1991, 410, 411. 83 A.A. Anm. Kalis, VersR 1988, S. 1263, der hier § 62 VVG anwendet.

A. Teilhabeverantwortung des privatversicherten Patienten

243

lichkeit und Zumutbarkeit84 und führt bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Vernachlässigung zu leistungsrechtlichen Nachteilen. Der Versicherer kann die beurteilungsrelevanten Fakten direkt mit dem Versicherten klären, indem er die anamnestische Vorgeschichte85, den konkreten Krankheitsbeginn und -verlauf oder die posttherapeutische Entwicklung der Beschwerden erfragt. Die Versicherten geben als medizinische Laien aber häufig unzulängliche Informationen über die erstellte Diagnose und angewandte Therapie. Hinzu tritt die Bewusstseinstrübung bei einem halb- oder gar ganzjährigen Abrechnungsturnus. Daher bedarf es nicht selten der Auskünfte des behandelnden (Zahn)Arztes oder einer Einsichtnahme in die Krankenunterlagen, vor allem der Verlaufsdokumentation. Anhand dieser Darstellungen prüft der Versicherer, ob ein stationär durchgeführter Eingriff oder eine aufwendige Zahnbehandlung medizinisch notwendig und infolgedessen erstattungsfähig ist. Da die medizinischen Aufzeichnungen auch vom Patienten eingesehen werden dürfen86, kann er erforderliche Informationen oder Krankenunterlagen selbst beim Mediziner anfordern und dann an den Versicherer weiterleiten87, oder dem Versicherer eine unmittelbare Rücksprache mit dem (Zahn)Arzt ermöglichen. Um diesen Ablauf zu beschleunigen, überwiegt praktisch eine direkte Kommunikation zwischen Krankenversicherer und (Zahn)Ärzten auf der Grundlage einer Schweigepflichtentbindung, die mit der Antragstellung auf Abschluss einer Krankenversicherung üblicherweise erklärt wird88. Dieses von den §§ 9 Abs. 2 MB-KK/ KT nicht erfasste Vorgehen enthebt den Versicherten nicht von seiner Auskunftslast, wenn sich der Versicherer bei ihm erkundigt und zugleich an den behandelnden (Zahn)Arzt wendet89. ___________ 84 Fischer, VersR 1969, S. 197, 199, sieht in der Auskunftsobliegenheit nichts anderes als eine spezielle, vertraglich explizit vereinbarte Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben. 85 Streitig ist, ob der Versicherer hierüber zugleich eine Richtigkeitskontrolle vorvertraglicher Angaben vornehmen darf – ablehnend: OLG Hamm VersR 1970, 319; 1978, 1060 f.; OLG Köln r+s 1993, 72, 74; Wegmann, S. 243; bejahend: Bach in: Bach/ Moser, §§ 9, 10 MB-KK Rn. 16. 86 Vgl. nur BGH VersR 1983, 264 ff. 87 Fraglich ist jedoch, ob der Versicherte bei einem, die Auskunft verweigernden Mediziner alle Rechte ausschöpfen und notfalls gerichtlich gegen ihn vorgehen muss – bejahend: Bach in: Bach/ Moser, §§ 9; 10 MB-KK Rn. 33 f. und Wegmann, S. 242; verneinend: OLG Hamm VersR 1991, 535, 536; r+s 1998, 76. 88 Zum Wortlaut der Erklärung siehe VerBAV 1989, 345 f. Bedenken wegen der Missbrauchsmöglichkeit dieser Klausel als „Generalermächtigung“ äußert Borchert, NVersZ 2001, S. 1 ff. 89 Ebenso LG Schweinfurt VersR 1990, 617 f.; Prölss in: Prölss/ Martin, § 9 MB-KK Rn. 1; Wegmann, S. 243. A.A. OLG Hamm VersR 1991, 535, 536, wonach sich der Versicherer nur bei Erfolglosigkeit des direkten Vorgehens gegen den (Zahn)Arzt auf

244

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

c) Billigung und Mitwirkung an Untersuchungen Um sich die nötigen Informationen zu verschaffen, kann der Versicherer nicht zuletzt eine Untersuchung anordnen. Gemäß den §§ 9 Abs. 3 MB-KK/ KT muss sich eine versicherte Person auf Verlangen des Versicherers durch einen versichererseits beauftragten Mediziner untersuchen lassen. Dieses Verhaltensgebot ist ebenfalls den Obliegenheiten zuzuordnen. Da die (zahn)ärztliche Untersuchung auf die Feststellung der konkreten Leistungspflicht gerichtet ist, darf sie eben nicht zur Kontrolle der Vertragstreue eingesetzt werden90. Obwohl die Auskunftslast grundsätzlich nicht vorrangig ist, kann dem Versicherer eine Untersuchungsanordnung nach Treu und Glauben nicht zugestanden werden, wenn die damit verbundenen Beeinträchtigungen für einen Versicherten und die erstrebten Erkenntnisse in keinem angemessenen Verhältnis zueinander stehen91. Erscheint demnach eine intensive Untersuchung gegenüber der Ausnutzung der Auskunftslast in keinem Punkt vorteilhaft, scheidet eine Obliegenheit aus. Die Untersuchungsobliegenheit gebietet dem Versicherten, dass er sich nach Aufforderung durch den Versicherer einer (zahn)ärztlichen Inaugenscheinnahme stellt und zumutbare Eingriffe zwecks Begutachtung billigt92, nicht also von vornherein schon ein Gespräch mit dem (Zahn)Arzt ablehnt93. Allerdings genügt das bloße Erscheinen zum anberaumten Termin regelmäßig nicht, um die Untersuchungslast zu erfüllen. Vielmehr hat der Versicherte die Anamneseerhebung zu unterstützen, seine Symptome oder Beschwerden zu schildern, die Einwilligung zu gebotenen und zumutbaren Befunderhebungen zu erteilen und sich ansonsten kooperativ zu zeigen. Da es keinen wesentlichen Unterschied macht, ob der Versicherte zum anberaumten Termin gar nicht kommt oder die schon begonnene Begutachtung durch sein eigenmächtiges Entfernen abbricht, liegt in beiden Fälle ein Lastenverstoß94. Ist eine für erforderlich gehaltene Untersuchung nach dem Maßstab des Schadensrechts jedoch unzumutbar, braucht ___________ die Obliegenheit des Versicherten zur Beibringung der erforderlichen Informationen berufen könne. 90 Vgl. dazu Fn. 85. 91 So schon Wegmann, S. 245, der daher für eine vertragliche Verankerung einer Subsidiaritätsklausel plädiert. 92 Dabei handelt es sich nicht um eine Zwangsbehandlung, denn eine Untersuchung iSd §§ 9 Abs. 3 MB-KK/ KT begründet einen, auf die Diagnosestellung und Bewertung ausgerichteten Behandlungsvertrag zwischen (Zahn)Arzt und Versicherer zugunsten des Versicherten gemäß § 328 Abs. 2 BGB. 93 OLG Hamm VersR 1983, 1177 f. 94 OLG Köln r+s 1995, 395 f.

A. Teilhabeverantwortung des privatversicherten Patienten

245

sie der Versicherte nicht hinzunehmen95. Diese allgemeinen Erwägungen zum Inhalt und Umfang der Untersuchungslast sind für die Krankheitskosten- und Krankentagegeldversicherung näher auszuführen. Im Bereich der Krankheitskostenversicherung wird die Untersuchungsobliegenheit nur selten genutzt. Mit der Einschaltung des (Zahn)Arztes in ein konkretes Krankheitsgeschehen gibt es eine qualifiziert auskunftsfähige Person, sodass jedenfalls ein Rückgriff auf die Auskunftslast genügen dürfte. Außerdem lässt sich ein pathologischer Funktionsstatus im Nachhinein nur schwer kontrollieren. Mit einer Untersuchung iSd § 9 Abs. 3 MB-KK kann allerdings die Notwendigkeit einer geplanten Heilmaßnahme dahingehend geprüft werden, ob es eine gleichwertige kostengünstigere Behandlungsalternative gibt. Das ist anzunehmen, wenn der Versicherte eine ärztlich empfohlene, stationäre Betreuung ablehnt und dadurch die längere ambulante Medizinalversorgung unabdingbar wird. Lehnt der Versicherer infolge des erstellten medizinischen Gutachtens eine Deckungszusage ab, kann der Versicherte gemäß § 178 m VVG Auskunft über den Inhalt des Gutachtens beanspruchen, um eventuell einen Gegenbeweis zu führen96. Bedeutsamer ist die Untersuchungslast dagegen in der Krankentagegeldversicherung zur Überprüfung einer wirklich vorliegenden Arbeitsunfähigkeit, vor allem bei längerer Fortdauer. Der begutachtende Vertrauens(zahn)arzt berücksichtigt dabei alle Aspekte, die eine Arbeitsunfähigkeit begründen können oder ausschließen. Deshalb hat sich ein Versicherter der Untersuchung auch dann zu stellen, wenn sich die Aufforderung des Versicherers nur auf einen Bandscheibenvorfall bezieht und ein ebenfalls die Arbeitsunfähigkeit erzeugendes Zehenleiden nicht erwähnt97. Grundsätzlich steht eine kurzbemessene Fristsetzung der Untersuchungslast nicht entgegen, zumal der arbeitsunfähig Erkrankte stets Zeit für einen Besuch beim (Zahn)Arzt haben muss98. Die spontane Absage eines Bekannten, der den Kranken zum Vertrauens(zahn)arzt fahren wollte, entschuldigt nicht, weil ein Taxi gerufen werden kann99. Etwas anderes gilt aber für die Anberaumung eines sehr kurzfristigen Termins, der beim besten Willen nicht wahrgenommen werden kann und worüber der Versicherer informiert ___________ 95 OLG Düsseldorf VersR 1997, 1083, 1084, für das Ablehnen der angeratenen Bronchoskopie mit transbronchialer Biopsie. 96 Dazu kürzlich erst BGH MDR 2003, 1111 f., wonach der Offenlegungsanspruch auch bei einer verwaltungsinternen Beurteilung des Kostenübernahmeantrages durch einen fachärztlichen, vom Versicherer beauftragten Gutachter greift. 97 LG Düsseldorf r+s 1995, 153 f. 98 Bach in: Bach/ Moser, §§ 9; 10 MB-KT Rn. 18. 99 LG Düsseldorf r+s 1995, 153 f.

246

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

wird100. Erscheint der Versicherte entsprechend der etwa monatlichen Aufforderung seines Versicherer, jeweils bei demselben beauftragten (Zahn)Arzt, muss er sich kurz nach der letzten Begutachtung nicht noch durch einen anderen (Zahn)Arzt untersuchen lassen, wenn der Versicherer diesen Wechsel nicht begründet101. Ansonsten sind monatliche Untersuchungen zumutbar, da ein (Zahn) Arzt normalerweise in viel kürzeren Abständen konsultiert wird und der Versicherte für jeden Tag seiner Arbeitsunfähigkeit Krankengeld erhält102. Lässt sich der Versicherte überhaupt nicht oder nicht in der gebotenen Weise untersuchen, ist die Prüfungsmöglichkeit des Versicherers unwiederbringlich verloren und damit eine nachteilige Beeinflussung seiner Rechtssphäre nicht auszuschließen103. Eine Untersuchung zum späteren Zeitpunkt scheidet aus, da sich der Krankheits- und Genesungsprozesses nicht rekonstruieren lässt. Zahlt der Versicherer aufgrund einer Obliegenheitsverletzung das Krankengeld gemäß § 10 Abs. 1 MB-KT nicht, handelt es sich mithin um eine endgültige Leistungsversagung.

4. Mitwirkung an der Genesung Sofern sich der Versicherte auf der Grundlage des Krankenversicherungsvertrages auch am Genesungsprozess beteiligen muss, können diesbezüglich schon gegenüber dem (Zahn)Arzt bestehende Patientenpflichten und -lasten überlagert werden. Wenngleich sich die Behandlungs- und Versicherungsbeziehung durch die Relativität der Schuldverhältnisse in rechtlicher Hinsicht nicht beeinflussen, können parallel statuierte Mitwirkungserfordernisse über die mehrfache Sanktionsandrohung eine faktische Verstärkung auslösen. Wie weit diese Wechselwirkung reicht, hängt von der Art und Weise der Therapieverantwortung eines privatversicherten Patienten ab. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen legen die aktive Mitarbeit des privatversicherten Patienten an einer Behandlung und die Nichtausübung seiner Erwerbstätigkeit nahe.

a) Teilhabe an der Behandlung Maßgeblich für die Behandlungsbeteiligung des privatversicherten Patienten sind die §§ 9 Abs. 4 MB-KK/ KT. Gemäß § 9 Abs. 4 MB-KK hat der Versi___________ 100

LG München r+s 1989, 63, 64. OLG Stuttgart VersR 1995, 523 f. 102 OLG Koblenz NVersZ 2000, 472. 103 So etwa LG Düsseldorf r+s 1995, 153 f.; OLG Karlsruhe r+s 1995, 430 f. 101

A. Teilhabeverantwortung des privatversicherten Patienten

247

cherte nach Möglichkeit für die Minderung des Schadens zu sorgen und alle Handlungen zu unterlassen, die der Genesung hinderlich sind. Die Regelung in § 9 Abs. 4 MB-KT geht insofern weiter, als Weisungen des (Zahn)Arztes gewissenhaft zu befolgen sind, damit die Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt wird. Letztlich konkretisieren und konstituieren die §§ 9 Abs. 4 MB-KK/ KT die Schadensminderungslast des § 62 VVG104, die nur für die Schadensversicherung greift und mithin lediglich auf die Krankheitskostenversicherung anwendbar wäre105. Verhält sich der Versicherte nicht iSd §§ 9 Abs. 4 MB-KK/ KT, wird der Versicherer gemäß § 10 Abs. 1 MB-KK/ KT unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 VVG von seiner Leistungspflicht frei. Da jeder unversicherte Patient die Behandlung und Wiederherstellung der Arbeitskraft unterstützen würde, um die eigene finanzielle Belastung möglichst gering zu halten, wird einem Versicherten dieselbe Sorgfalt abverlangt. Der privatversicherte Patient darf daher im Wissen um die anderweitige Risikotragung nicht untätig bleiben, sondern muss sich wie andere um die Minderung des Schadens bemühen. Ein uneingeschränkter Versicherungsschutz erfordert folglich ein sorgfältiges Verhalten des Versicherten, so dass die §§ 9 Abs. 4 MB-KK/ KT Mitwirkungsobliegenheiten im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren statuieren. Letztlich wird eine Gesundheitsverschlechterung infolge der Nichtbeachtung (zahn)ärztlicher Weisungen erst ab Eintritt des Versicherungsfalles, also beginnend mit der Konsultation eines (Zahn)Arztes oder der Zahlung von Krankengeld bedeutsam. Bei vorläufiger Nichtinanspruchnahme (zahn)ärztlicher Hilfe nach einem scheinbar leichten Verkehrsunfall, der jedoch zu schweren körperlichen Verletzungen geführt hat, wird die Obliegenheit auch im Fall nunmehr höher anfallender Behandlungskosten nicht verletzt106. Ein allgemeines Wohlverhalten vorab eines Versicherungsfalles wird grundsätzlich nicht verlangt107. Im Bereich der Krankheitskostenversicherung hat der Versicherte nach § 9 Abs. 4 MB-KK einen Gesundheitsschaden möglichst zu mindern und alle genesungshinderlichen Handlungen zu unterlassen. Dabei geht es aus Sicht des Versicherers um eine Reduzierung der Behandlungskosten auf ein Mindestmaß, das durch den Patienten leicht verändert werden kann. Demnach hat der Versicherte medizinisch indizierten Maßnahmen zuzustimmen. Verweigert der am Fuß verletzte Patient eine Hauttransplantation, die im Vergleich zur natürli___________ 104

Ebenso Bach in: Bach/ Moser, §§ 9, 10 MB-KK Rn. 39. A.A. Prölss in: Prölss/ Martin, § 9 MB-KK Rn. 6. 105 A.A. Wegmann, S. 246 ff., der ausgehend von den MB-KK in der Fassung von 1978, die eine dem heutigen § 9 Abs. 4 vergleichbare Regelung nicht kannte, auf § 62 VVG rekurriert. 106 Entnommen von Bruck/ Möller/ Wriede, F 63. 107 Vgl. dazu in diesem Kapitel A. II. 1. a).

248

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

chen Ausheilung schneller ist und ihm als einfache, gefahrlose, relativ schmerzfreie Operation zugemutet werden kann, trägt er die Kosten für die Phase der Behandlungsverlängerung selbst108. Auch die faktisch weit verbreitete Nichtbeachtung medizinischer Anordnungen kann die Heilung verzögern. Zwar erwähnt § 9 Abs. 4 MB-KK im Gegensatz zu § 9 Abs. 4 MB-KT die gewissenhafte Befolgung der Anweisungen des (Zahn)Arztes nicht explizit, ist aber ohnehin im Aspekt der Schadensminderung enthalten. So kann gegen einen stationär betreuten Patienten, der sich tagsüber ohne Abmeldung entfernt und erst gegen 19 Uhr angetrunken zurückkehrt, durchaus leistungsrechtlich vorgegangen werden109. Demzufolge gebietet die Last des § 9 Abs. 4 MB-KK eine umfassende Behandlungsteilhabe, die von der Einwilligung in gebotene und zumutbare Eingriffe bis zur Befolgung medizinischer Anordnungen wie dem Einhalten von Bettruhe, einem zeitweisen Verzicht auf Alkohol, dem Erscheinen zur Behandlungsfortsetzung sowie der Unterstützung der Therapie durch Insulininjektionen oder gymnastische Bewegungsübungen reichen kann110. In der Krankentagegeldversicherung hat der Versicherte laut § 9 Abs. 4 MB-KT das Zumutbare zu tun, um seine Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen und dabei insbesondere (zahn)ärztliche Weisungen gewissenhaft zu befolgen und genesungshinderliche Handlungen zu unterlassen. Daher stellt die Last sicher, dass ein Versicherter seine Erkrankung, die zeitweilig zur Arbeitsunfähigkeit führt, nicht etwa pflegt und dafür Krankentagegeld kassiert111. Je nach Schwere des Leidens und Fortschritt der Genesung schließt sie jegliche Erwerbstätigkeit und sonstige Anstrengungen, vornehmlich intensive und dauernde häusliche Erledigungen und Betätigungen im Rahmen der üblichen Freizeitgestaltung aus112. Darüber hinaus können vom Versicherten keine, zur Überwindung der Arbeitsunfähigkeit förderlichen Schritte wie eine privatorganisierte und -finanzierte Kur erwartet werden113.

___________ 108

LG Stuttgart VersR 1980, 161. LG Stuttgart VersR 1980, 161. 110 Zur Ausprägung der Lasten im Einzelnen kann weitgehend auf die Ausführungen zur Aktivkooperation im Rahmen der medizinischen Versorgung für das privat(zahn)ärztliche Behandlungsverhältnis verwiesen werden, vgl. im zweiten Kapitel B. II. 4. 111 OLG Köln VersR 1988, 1040; OLG Düsseldorf VersR 1997, 1083, 1084 und Kloppenburg in: Heim, S. 81, 100. 112 Bach in: Bach/ Moser, §§ 9, 10 MB-KT Rn. 22. 113 Prölss in: Prölss/ Martin, § 9 MB-KT Rn. 6 sowie ähnlich Bach in: Bach/ Moser, §§ 9, 10 MB-KT Rn. 22. 109

A. Teilhabeverantwortung des privatversicherten Patienten

249

b) Nichtausübung der beruflichen Tätigkeit Falls der Patient durch ein physisches oder psychisches Leiden nicht in der Lage ist, seinem Beruf nachzugehen, stellt der behandelnde (Zahn)Arzt die Arbeitsunfähigkeit fest und fertigt ein Attest aus. Zumindest für die Krankentagegeldversicherung liegt nahe, dass der Versicherte seine Erwerbstätigkeit während der Zahlung von Krankengeld nicht ausüben darf. Ansonsten entstünde dem Versicherten nämlich kein Verdienstausfall und die Gewährung von Krankengeld erschiene sachlich nicht gerechtfertigt. Davon kann aber nur dann ausgegangen werden, wenn der Versicherte mehr oder minder regelmäßig arbeitet und dieses Wirken nach der Verkehrsauffassung der sonst ausgeübten Erwerbsfähigkeit zuzuordnen ist. Dies gilt nicht für untergeordnete Hilfstätigkeiten, sodass der Versicherte trotz Arbeitsunfähigkeit gelegentlich Abrechnungen und Auftragseingänge prüfen, Unterlagen sichten und ordnen oder ein sich zufällig ergebendes Gespräch mit einem Vertreter führen darf114. Der Inhalt dieses Verhaltensgebotes gestaltet sich weniger schwierig als dessen rechtlicher Anknüpfungspunkt. In einer früheren Entscheidung hat der BGH115 aus § 1 Abs. 3 MB-KT sowie unter Bezugnahme auf die Allgemeinen Versicherungsbedingungen im Übrigen116 eine Obliegenheit abgeleitet, wonach der Versicherte bis zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit tatsächlich nicht zu arbeiten habe. Damit solle einer verzögerten Genesung und dem damit verbundenen Anreiz nach einem zusätzlichen Verdienst sowie der Steigerung anfallender Behandlungskosten gegengesteuert werden117. Andere sehen in § 1 ___________ 114 LG Köln VersR 1979, 319; OLG Hamm r+s 1986, 238, 239; OLG Hamm VersR 1987, 1085 ff.; 1991, 452 ff.; 1997, 302. 115 BGH VersR 1977, 833 f. 116 Weil § 20 Abs. 4 Satz 1 lit. f, i AVB ausdrücklich eine Obliegenheit des Versicherten enthielt, die Arbeit nicht vor der Gesundmeldung aufzunehmen und keine, auf den Erwerb gerichteten oder sonst die Genesung verzögernden Handlungen vorzunehmen, liege in der Berufsausübung während der Arbeitsunfähigkeitsdauer ein Obliegenheitsverstoß. Deshalb sei die Risikobeschreibung des § 1 Abs. 3 MB-KT für diesen Bereich als Obliegenheit auszulegen. In der damaligen Fassung lautete § 20 Abs. 4 Satz 1 lit. f, i AVB: „Der arbeitsunfähige Versicherte ist verpflichtet, ... f.) keine auf den Erwerb gerichteten oder sonst die Genesung hindernden Handlung oder häusliche Arbeiten vorzunehmen, ... i.) die Arbeit nicht vor Gesundmeldung aufzunehmen. Sofern der Versicherte trotz schriftlicher Abmachung den ... genannten Obliegenheiten zuwiderhandelt, ist die Gesellschaft von der Verpflichtung zur Leistung für die Zeit nach erteilter Abmahnung frei; § 6 VVG ... findet Anwendung.“ 117 Im Anschluss an BGH VersR 1977, 833 f.: OLG Hamburg VersR 1985, 559 f. und Bruck/ Möller/ Wriede, F 63.

250

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

Abs. 3 MB-KT einen Risikoausschluss118. Nach eigener Auffassung enthält jedoch der Teil von § 1 Abs. 3 MB-KT, der im Versicherungsfall das Nichtausüben der Erwerbstätigkeit gebietet, eine verhüllte Obliegenheit, zumal er dem Regelungsgehalt von § 9 Abs. 4 MB-KT entspricht. Andernfalls widersprächen sich die Vorschriften der MB-KT. Da gerade die körperliche und geistige Beanspruchung bei der Berufsausübung die Gesundung negativ beeinflussen kann119 und jedermann bei einer adäquaten Ersatzleistung davon absehen würde, setzt § 9 Abs. 4 MB-KT ein entsprechendes Sorgfaltsverhalten voraus120. Daher statuieren die §§ 1 Abs. 3; 9 Abs. 4 MB-KT eine Obliegenheit, wonach sich ein Versicherter im Zuge seiner Arbeitsunfähigkeit zu schonen und in dem für die Genesung nötigen Umfang von seiner Erwerbstätigkeit abzusehen hat. Verhält er sich nicht so, wird das Krankentagegeld unter den weiteren Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 MB-KT gestrichen. Nicht gleichermaßen offensichtlich ist, dass dieses Handlungsgebot auch im Rahmen der Krankheitskostenversicherung relevant werden kann, wenn nämlich die Erwerbstätigkeit zu einem längeren Heilungsverlauf oder wiederholten Klinikaufenthalt führt. Hat der (Zahn)Arzt eine Nichtausübung der Erwerbstätigkeit ausdrücklich angeordnet, möchte der Versicherer für dieses unsorgfältige Verhalten nicht einstehen. Daher umfasst die Schadensminderungslast des § 9 Abs. 4 MB-KK, dass der Versicherte bei entsprechender Indikation nicht arbeitet. Andernfalls erhält er unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 MBKK die Behandlungsmehrkosten nicht ersetzt.

5. Vermeidung von Kostenexzessen Fraglich ist, ob der privatversicherte Patient den Anfall überhöhter Behandlungskosten zu vermeiden hat. Entstandene Behandlungskosten werden von der Krankheitskostenversicherung abgedeckt, weshalb die Fallgruppe nur für diesen Versicherungszweig bedeutsam wird. Zu denken ist neben der Inanspruchnahme einer medizinisch nicht gebotenen Versorgungsmaßnahme an einen die Notwendigkeit übersteigenden (zahn)ärztlichen Eingriff im Zuge einer eigentlich indizierten Versorgung. ___________ 118 OLG Hamm r+s 1986, 238, 239; 1991, 140 ff.; Wilmes in: Bach/ Moser, § 1 MBKT Rn. 21. 119 Nicht gemeint sind die eigens vom Arzt angeordneten, unter Umständen auch entgeltlichen Beschäftigungen, die einen günstigen Einfluss auf die Genesung, vor allem bei psychischen Erkrankungen nehmen sollen. 120 Dafür OLG Düsseldorf VersR 1997, 1083, 1084 und Wilmes in: Bach/ Moser, § 1 MB-KT Rn. 21. A.A. wohl OLG Hamm r+s 1986, 238, 239.

A. Teilhabeverantwortung des privatversicherten Patienten

251

Vielfach initiiert die Sorge um die eigene Gesundheit im Krankheitsfall ein Übermaß vermeintlich geeigneter Gegenmaßnahmen, die objektiv nicht erforderlich sind. Dazu gehört etwa die Beanspruchung einer stationären Betreuung anstatt der ausreichenden ambulanten Versorgung, wie sie prinzipiell bei der erstmaligen, medizinisch indizierten Kaloriendiät genügt121, oder das Bestehen auf eine Röntgenuntersuchung, die aus diagnostischer Sicht zur Darstellung einer Schleimbeutelentzündung ungeeignet ist, oder die Konsultation mehrerer (Zahn)Ärzte wegen desselben Leidens. Vor allem ein häufiger, unbegründeter (Zahn)Arztwechsel, bei dem es gerade nicht um die Einholung einer medizinischen Zweitmeinung geht, erzeugt durch wiederholte Befunderhebungen unnötige Kosten. Für derart ineffiziente Behandlungsschritte will ein Versicherer verständlicherweise nicht einstehen, sodass § 1 Abs. 2 Satz 1 MB-KK den Versicherungsschutz auf notwendige Heilmaßnahmen beschränkt. Eine Behandlungsnotwendigkeit ist zu verneinen, wenn der beabsichtigte Eingriff nach den objektiven Befunden und gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnissen als unvertretbar einzustufen ist122. Darüber hinaus kann die Notwendigkeit einer an sich erforderlichen medizinischen Versorgung bei einer negativen Erfolgsprognose etwa infolge einer bisher unzureichenden Mitwirkung des privatversicherten Patienten fehlen123. Lässt sich ein privatversicherter Patient dennoch in medizinisch nicht notwendiger Weise versorgen, bekommt er das Honorar von seiner Krankenversicherung nicht ersetzt. Daher sollte er die Indikation und Erforderlichkeit einer medizinischen Maßnahme in Absprache mit dem (Zahn)Arzt bedenken. Da die Beachtung des Verhaltensgebotes mit einem rechtlichen Vorteil, nämlich der Eröffnung des Versicherungsschutzes verbunden ist, normiert § 1 Abs. 2 MB-KK eine primäre Risikobeschreibung und demzufolge eine entsprechende Verhaltenslast. Möglicherweise ist ein Kostenexzess während einer medizinisch gebotenen Behandlung anders zu werten als eine gar nicht notwendige Maßnahme. Höhere Behandlungskosten fallen an, wenn der Versicherte die Verordnung eines teureren Medikamentes, das sich in seiner Wirkung von einem wesentlich billigeren Präparat nicht unterscheidet, oder eine kostspieligere Alternative wie bei einer Einweisung in ein Universitätsklinikum anstelle des nächstgelegenen Re___________ 121

So OLG Hamm VersR 1982, 996, 997, wonach eine stationäre Motivationsphase erst nach mehrfach vergeblichen, ambulanten Ernährungseinstellungsversuchen geboten sein kann. Anders aber BGH NJW 1982, 1250 f., für eine stationär überwachte Nulldiät in der zweiten Behandlungsphase. 122 OLG Hamm VersR 1972, 777 f.; BGH NJW 1979, 1250, 1251; LG Berlin VersR 1980, 35, 36; LG Duisburg VersR 1980, 1115, 1116. 123 Für die wiederholte, vergebliche Behandlung einer alimentär bedingten Fettsucht im Wege der mittlerweile nicht mehr praktizierten Nulldiät vgl. BGH VersR 1979, 221, 223; LG Münster VersR 1981, 671 und OLG Hamm VersR 1982, 996, 997.

252

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

gionalkrankenhauses wählt. Trotz unterschiedlicher dogmatischer Ansätze hat der privatversicherte Patient bei einer medizinisch gleichwertigen Methodenvielfalt die kostengünstigere Versorgung zu wählen und Übermaßleistungen abzuwehren. Zur Herleitung dieser Verhaltensnorm wird entweder auf § 62 VVG124, § 254 Abs. 2 BGB125 oder § 242 BGB126 abgestellt und infolgedessen eine Obliegenheit127 oder aber vertragliche Nebenpflicht128 angenommen. Alle Ansätze können mit Blick auf die Allgemeinen Versicherungsbedingungen keine Geltung beanspruchen, da der Versicherer seine Leistungen bei einer gebotenen, das notwendige Maß übersteigenden Heilbehandlung laut § 5 Abs. 2 MB-KK auf den angemessenen Betrag herabsetzen kann129. Allerdings lässt sich der Normcharakter nur schwerlich bestimmen. Wegen seiner systematischen Stellung zwischen zwei primären Risikobeschreibungen scheint § 5 Abs. 2 MB-KK die Deckungszusage des § 1 Abs. 2 MB-KK für medizinisch notwendige Heilbehandlung näher zu konkretisieren. Dann würden überschießende Maßnahmen von vornherein aus dem Versicherungsschutz ausgeschlossen, was der Wortlaut der Vorschrift nicht impliziert. Der Normzweck legt vielmehr nahe, dass medizinisch gebotene Behandlungen vollumfänglich in den Versicherungsschutz einbezogen sind und lediglich die Leistungspflicht des Versicherers auf das Maß des Notwendigen reduziert wird. Deshalb handelt es sich bei § 5 Abs. 2 MB-KK um eine sekundäre Risikobeschränkung, die losgelöst von einem bestimmten Sorgfaltsverhalten die Form eines Risikoausschlusses aufweist130. Folglich hat ein privatversicherter Patient unter mehreren ähnlichen Behandlungsalternativen die kostengünstigere Variante zu bevorzugen und darf ein medizinisches Übermaß nicht initiieren. Darüber hinaus ist ein Rückgriff auf § 9 Abs. 4 MB-KK weder nötig noch möglich, da § 5 Abs. 2

___________ 124

Hof, NJW 1982, S. 687 und teils Wriede, ZVersWiss 1985, S. 675, 680. Schmid, NJW 1981, S. 2504. 126 Bach, VersR 1979, S. 792, 794. 127 Dafür Hof, NJW 1982, S. 687 und Schmid, NJW 1981, S. 2504. 128 In diesem Sinne Bach, VersR 1979, S. 792, 794. 129 Laut Rechtsprechung gilt § 5 Abs. 2 MB-KK auch für eine medizinisch notwendige, maßvolle Behandlung, für die ein unangemessen hohes Entgelt berechnet worden ist, vgl. BGH VersR 1978, 267, 270; OLG Köln VersR 1986, 378. 130 Ebenso Wriede, ZVersWiss 1985, S. 675, 678 und Schoenfeldt/ Kalis in: Bach/ Moser, § 5 MB-KK Rn. 65. Ähnlich Walther, NJW 1982, S. 2592 f., der sich mit der Frage unter dem Blickwinkel der Beweislastverteilung beschäftigt: Der Versicherte sei dafür beweispflichtig, dass eine eingeschlagene Heilbehandlung unter Berücksichtigung der Befunde und Erkenntnisse medizinisch als vertretbar eingestuft werden könne, der Versicherer hingegen für das Überschreiten des erforderlichen Maßes im Rahmen einer an sich gebotenen Behandlung. 125

A. Teilhabeverantwortung des privatversicherten Patienten

253

MB-KK die Verantwortung des Versicherten umfassend normiert und § 9 Abs. 4 MB-KK nur die krankheitsbezogene Schadensminderung meint131.

III. Zwischenergebnis Die Pflichten und Lasten eines privatversicherten Patienten im Zusammenhang mit einer Behandlung gründen im Krankenversicherungsverhältnis. Hierbei handelt es sich um einen Versicherungsvertrag, der nach den allgemeinen Regeln durch zwei korrespondierende Willenserklärungen zustande kommt und auf die Übernahme des Erkrankungsrisikos durch den Versicherer gegen Zahlung einer Prämie gerichtet ist. Die umfassende substitutive Krankenversicherung setzt sich aus der Krankheitskosten- und der Krankentagegeldversicherung zusammen. Da der Versicherte oftmals die Verwirklichung des versicherten Risikos und den Schadensumfang beeinflussen kann und der Versicherer deshalb für bestimmte Situationen nicht einstehen möchte, gibt es im Versicherungsrecht vielfältige Verhaltensvorgaben. Je nach ihrer Rechtsnatur kann zwischen primären Risikobeschreibungen und sekundären Risikobeschränkungen unterschieden werden. Während primäre Risikobeschreibungen den Tatbestand umschreiben, der eine Leistungspflicht des Versicherers auslöst, befreien sekundäre Risikobeschränkungen die Versichertengemeinschaft in gewissen Konstellationen von ihrer Einstandspflicht. Mithin stecken primäre Risikobeschreibungen den Versicherungsschutz grundlegend ab, indem das versicherte Risiko, der geschützte Personenkreis und die Versicherungsdauer festgelegt werden. Präzisiert wird die Reichweite des Versicherungsschutzes über sekundäre Risikobeschreibungen in Form der Risikoausschlüsse oder Obliegenheiten. Abzugrenzen sind primäre Risikobeschreibungen von sekundären Risikobeschränkungen nach der ratio der Vorschrift, sodass es darauf ankommt, ob die versicherte Gefahr erstmalig umschrieben oder ein vertraglich einbezogenes Risiko wieder beschränkt wird. Wie sich allerdings Risikoausschlüsse und Obliegenheiten erfassen lassen, wird äußerst uneinheitlich beantwortet. Einen ersten Ansatzpunkt bietet sicherlich der Rechtsfolgenmechanismus, da der Versicherungsschutz bei einem Risikoausschluss als auflösende Bedingung iSd § 158 Abs. 2 BGB bereits mit Bedingungseintritt erlischt, im Fall einer Obliegenheitsverletzung jedoch weitere Voraussetzungen gesetzlicher oder vertraglicher Art hinzutreten müssen. Des___________ 131 A.A. Wriede, ZVersWiss 1985, S. 675, 680, der von einem Konkurrenzverhältnis zwischen § 5 Abs. 2 MB-KK und § 62 VVG ausgeht.

254

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

halb werden vertraglich vereinbarte Obliegenheiten gelegentlich als Risikoausschlüsse formuliert. Damit der nicht dispositive § 6 VVG, an dem vertragliche Obliegenheiten zu messen sind, nicht umgangen wird, kann die formelle Gestaltung einer Verhaltensnorm nicht ausschlaggebend sein. Nach vorzugswürdiger Auffassung liegt das dogmatische Abgrenzungskriterium im Sorgfaltsverhalten. Danach kann der Versicherte im Fall einer Obliegenheit das versicherungsrechtlich ausgeschlossene Tun oder Unterlassen vermeiden, ohne auf die Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse verzichten zu müssen. Abgesehen von der Risikoübernahme durch einen Dritten würde er sich üblicherweise in diesem Sinne verhalten würde. Handeln Versicherte regelmäßig in einer gefahrträchtigen Weise, sodass ein gegenteiliges Verhalten nicht erwartet werden kann, liegt ein Risikoausschluss vor. Mithin bezieht eine Obliegenheit alle wechselseitigen Interessen ein und sanktioniert nur ein unsorgfältiges Verhalten. Das durch einen Risikoausschluss auferlegte Verhalten bleibt hingegen überwiegend unbeachtet, weshalb die konkret angewandte Sorgfalt für die Leistungsfreiheit des Versicherers nicht zusätzlich relevant wird. Sowohl die primären Risikobeschreibungen als auch die sekundären Risikobeschränkungen unterfallen den Lasten. Nach dem eigenen dogmatischen Ansatz sind Pflichten und Lasten rechtliche Verhaltensnormen, die durch außerrechtliche Gebote des eigenen Interesses ergänzt werden. Unter einer Pflicht ist eine Verhaltensanforderung zu verstehen, die mit einem Anspruch korreliert und deshalb gefordert werden kann und sekundär Schadensersatzansprüche auslöst. Lasten haben als Verhaltenserwartungen, deren Missachtung einen Rechtsnachteil bedingt, einen geringeren Verbindlichkeitsgrad. Die Einhaltung einer Last kann anders als bei einer Pflicht nicht gefordert werden. Auch die Beachtung eines durch primäre Risikobeschreibungen oder sekundäre Risikobeschreibungen normierten Verhaltens kann nicht beansprucht werden, eröffnet aber den Versicherungsschutz und bedingt daher einen rechtlichen Vorteil oder führt zu rechtlichen Nachteilen. Wegen dieser doppelten wirtschaftlichen Belastung, nämlich einer Prämienzahlung ohne äquivalenten Versicherungsschutz, ist die Einhaltung der versicherungsrechtlichen Lasten trotz ihres geringeren Verbindlichkeitsgrades gegenüber den Pflichten unbedingt anzuraten132. Die einzelnen Pflichten und Lasten des privatversicherten Patienten im Kontext einer medizinischen Behandlung ergeben sich entweder aus gesetzlichen Regelungen oder vertraglichen Vereinbarungen und sind mithin stets schriftlich niedergelegt. Da die private Krankenversicherung lange gar nicht und nunmehr lediglich leitbildartig gesetzlich normiert ist, haben die Allgemeinen Versiche___________ 132

Für die (zahn)ärztliche Haftpflichtversicherung ebenso Kleuser, S. 178.

A. Teilhabeverantwortung des privatversicherten Patienten

255

rungsbedingungen in Form der MB-KK/ KT diesbezüglich einen hohen Stellenwert. Im Ergebnis richten die MB-KK/ KT ausschließlich Lasten an einen privatversicherten Patienten. Ein privatversicherter Patient ist zunächst gehalten, an einer medizinischen Behandlung umfassend mitzuwirken. Diese Teilhabelast umfasst anders als auf Basis des Behandlungsvertrages auch die Erteilung einer Einwilligung zu medizinisch indizierten Maßnahmen und schließt die Befolgung (zahn)ärztlicher Anordnungen ein. Vor Verwirklichung eines Risikos muss er jedoch nicht gesundheitsbewusst leben, also nicht etwa das Rauchen unterlassen, sich ausgewogen ernähren oder ausreichend bewegen. Macht sich der Versicherte indes vorsätzlich krank, bewegt er sich außerhalb des Versicherungsschutzes. In praktischer Hinsicht dürfte der Anwendungsbereich einer vorsätzlichen Krankheitszuziehung gering sein, weil der Versicherte trotz gesundheitsgefährdenden Handelns wohl meist darauf vertraut, es werde schon gut gehen. Erkrankt er dennoch und geht zum (Zahn)Arzt, kann er nur zwischen niedergelassenen, approbierten Medizinern wählen. Konsultiert er einen nicht niedergelassenen oder nicht approbierten (Zahn)Arzt, hat er die Behandlungskosten selbst zu tragen. Eine stationäre Betreuung oder bestehende Arbeitsunfähigkeit ist dem Versicherer anzuzeigen, damit er seine Leistungspflichtigkeit gegebenenfalls prüfen kann. Benötigt der Versicherer für seine Deckungszusage weitere, vor allem die Behandlung betreffende Informationen, obliegt dem Versicherten auch insoweit eine Auskunftslast. Die Genesung muss ein privatversicherter Patient befördern und alles Hinderliche unterlassen, wozu unter anderem die Nichtausübung der beruflichen Tätigkeit während des Krankengeldbezuges zählt. Die Kosten einer objektiv nicht erforderlichen oder das notwendige Maß übersteigenden Behandlung trägt die Versichertengemeinschaft nicht, sodass sie vom Patienten selbst zu begleichen sind. Ein Sonderproblem bei der Beachtung von Patientenlasten ergibt sich, wenn eine Krankenversicherung für eine andere Person als den Versicherungsnehmer wie die eigenen Kinder und den einkommenslosen Ehegatten geschlossen wird. Dann ist nämlich fraglich, ob nur der Versicherungsnehmer die Rechtssätze befolgen muss oder ob auch der Versicherten selbst Adressat ist. Wegen § 178 a Abs. 3 Satz 2 VVG bzw. der §§ 10 Abs. 3 MB-KK/ KT kommt es auf die Art der Risikodeckung per Eigen- oder Fremdversicherung133 nicht an. Vielmehr ist ___________ 133

Mit einer Eigenversicherung sorgt der Versicherungsnehmer meist aufgrund einer bestehenden Unterhaltspflicht für einen anderen, um bei Schadenseintritt nicht selbst einstehen zu müssen. Im Vordergrund einer Fremdversicherung als Vertrag zugunsten Dritter iSd § 328 BGB steht die Sicherung fremder Interessen, was auch nicht unzulässig ist, da dem Versicherten bei Missachtung von Verhaltensnormen allenfalls die zu seinen Gunsten vereinbarte Risikoübernahme wieder entzogen wird.

256

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

nach diesen Vorschriften auch auf die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers abzustellen, soweit dies von rechtlicher Bedeutung ist. Infolgedessen gleicht der Versicherer weder Behandlungskosten infolge Misshandlungen durch den Versicherungsnehmer noch einen medizinisch notwendigen Bedarf bei absichtlichen Selbstverletzungen des Versicherten aus. Deshalb sollte der Versicherungsnehmer, der für die versicherte Person unterhaltspflichtig ist, sich und den Dritten über alle versicherungsrechtlichen Verhaltensvorgaben informieren und auf ihre Umsetzung achten, da die finanziellen Nachteile sonst trotz der angedachten Risikoverlagerung auf ihn zurückfallen.

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten Wie bereits erwähnt, können Versicherungssysteme ohne verantwortliches Handeln der Versicherten langfristig nicht leistungsfähig gehalten werden, sodass sich an den sozialversicherten Patienten ebenfalls leistungsrechtlich sanktionierte Teilhabeerfordernisse, Leistungsausschlüsse und Zuzahlungserfordernisse richten. Die damit anklingende Verquickung von Eigenverantwortlichkeit und Risikoübertragung, die bei der privaten und gesetzlichen Krankenversicherung gleichermaßen besteht, formuliert der Gesetzgeber für die Sozialversicherung folgendermaßen: „Solidarität und Eigenverantwortung sind keine Gegensätze, sie sind tragende Prinzipien der gesetzlichen Krankenversicherung, sie gehören zusammen ... Ohne Solidarität wird Eigenverantwortung egoistisch, ohne Eigenverantwortung wird Solidarität anonym und missbrauchbar.“134

Unter Berücksichtigung der gegenwärtigen, enormen finanziellen Anspannung der öffentlichen Hand scheint eine Befassung mit der Eigenverantwortung eines sozialversicherten Patienten äußerst dringlich. Dabei kommt es vor allem auf die Art und Weise der Teilhabe, die vom sozialversicherten Patienten nach der geltenden Rechtslage im Zusammenhang mit der Behandlung erwartet wird, und die Konsequenzen eines solidaritätswidrigen Verhaltens135 an. Wie ist also mit einem sozialversicherten Patienten zu verfahren, der sich bewusst ___________ 134

BT-Drucks. 11/2237, S. 157. In der gesetzlichen Krankenversicherung kommt es für die Versagung, Kürzung oder Entziehung von Leistungsansprüchen nicht auf ein Verschulden, sondern die Solidaritätswidrigkeit im Sinne einer persönlichen Risikozurechnung an. Gemäß dem verfassungsrechtlich verankerten Sozialstaatsprinzip sind nämlich diejenigen zu unterstützen, die sich selbst nicht helfen oder unterhalten können, auch wenn sie ihre Notlage selbst zu verantworten haben, siehe Schulin in: Schulin, Krankenversicherungsrecht, § 6 Rn. 52 sowie Blöcher, S. 58, 63 f., 76, 100 ff. 135

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

257

krank macht, seine Zähne unregelmäßig putzt, die Versichertenkarte zur Behandlung nicht mitbringt, eine Therapie nicht unterstützt, die Zahnspange nicht trägt oder anderweitig zur Unwirtschaftlichkeit der Behandlung beiträgt? Maßgeblich für eine etwaige Mitwirkungsverantwortung des sozialversicherten Patienten ist das Krankenversicherungsverhältnis, in dem wechselseitige Rechte, Pflichten und Lasten wurzeln136. Für Versicherungspflichtige iSd §§ 6 ff. SGB V entsteht es ipso iure, sobald die Voraussetzungen der §§ 186 ff. SGB V vorliegen. Die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Arbeitnehmer beginnt also automatisch mit dem Tag ihres Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis. Hingegen müssen Versicherungsberechtigte iSd § 9 SGB V ihren Beitritt zur Krankenkasse durch eine schriftliche, empfangsbedürftige Willenserklärung herbeiführen. Ausgehend von dieser rechtlichen Grundlage für die Mitwirkungsverantwortung eines sozialversicherten Patienten muss primär die Dogmatik der Pflichten und Lasten für das öffentlich-rechtliche Versicherungsverhältnis dargestellt werden. Anschließend sind die einzelnen Teilhabeakte, die wegen ihres Eingriffscharakters dem Vorbehalt des Gesetzes unterfallen und daher abschließend normiert sind, nach ihrer Rechtsnatur, Reichweite und Sanktion zu untersuchen.

I. Dogmatik der Pflichten und Lasten im Sozialversicherungsverhältnis Mit der Behandlung durch einen Vertrags(zahn)arzt erhält der sozialversicherte Patient eine Leistung seiner Krankenkasse, die ihm aufgrund des Versicherungsverhältnisses zusteht. In dem einseitigen Akt der Leistungsgewährung erschöpft sich die Versicherungsbeziehung jedoch nicht, die vom Versicherten vielmehr selbstschützende Maßnahmen im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren erfordert. Damit der rechtliche Gehalt der Teilhabeerfordernisse herausgearbeitet werden kann, bedarf es einer dogmatischen Grundlegung bezogen auf die Rechtssätze des Sozialversicherungsverhältnisses. Um dafür einen geeigneten Ausgangspunkt zu schaffen, muss vorrangig das Wesen des Sozialversicherungsverhältnisses betrachtet und darauf aufbauend die Dogmatik der Pflichten und Lasten entwickelt werden. Nur wenn die Rechtsnormen in allgemeingültiger Weise erfasst und gegeneinander abgrenzbar sind, lässt sich die Teilhabeverantwortung eines sozialversicherten Patienten sachgerecht thematisieren. Da staatliches Handeln voraussehbar und berechenbar sein muss, sind ___________ 136 So sind die Krankenkassen zur Gewährung medizinischer Leistungen zwecks Krankheitsverhütung, Gesundheitsförderung und Heilung gemäß den §§ 20 ff. SGB V wie auch zur Aufklärung und Beratung iSd §§ 13 ff. SGB I verpflichtet. Hauptpflicht des Versicherten ist die Beitragszahlung, die entweder allein, zusammen mit dem Arbeitgeber oder durch einen Dritten erfolgt.

258

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

die Pflichten und Lasten durchgehend gesetzlich geregelt. Daneben soll auf die Rechtsfolgen bei der Missachtung einer Last, worauf in der gesetzlichen ebenso wie bei der privaten Krankenversicherung der Schwerpunkt liegt, eingegangen werden.

1. Rechtsnatur des Sozialversicherungsverhältnisses Die Gewährung von Sozialleistungen durch einen öffentlich-rechtlichen Träger an einen Berechtigten vollzieht sich im Rahmen eines hoheitlichen Sozialrechtsverhältnisses137, das Rechte und Verbindlichkeiten zugunsten wie zulasten der Beteiligten begründet. Auch diese Rechtsbeziehung ist auf den Leistungsanspruch ausgerichtet, sodass sie einer privatrechtlichen Forderungsbeziehung stark ähnelt und deshalb als öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis eingestuft wird138. Wie beim zivilrechtlichen Schuldverhältnis müssen beide Seiten ihr Gegenüber und seine berechtigten Belange vor Schaden bewahren. Sofern das öffentlich-rechtliche Schuldverhältnis durch das Verwaltungsrecht nicht eigens modifiziert wird, können die Vorschriften des BGB entsprechend herangezogen werden139. Hinsichtlich der Sozialleistungen ist danach zu differenzieren, ob sie ohne oder nur infolge von Beitragszahlungen an den Begünstigten ausgekehrt werden. In der ersten Alternative sind die staatlichen Sozialleistungen als Hilfe zum Lebensunterhalt angesprochen und bei der zweiten Variante handelt es sich um die Sozialversicherungen. Die Besonderheit der Sozialversicherungen besteht somit darin, dass alle Versicherten gemeinsam den Leistungsbedarf finanzieren. Vor allem für die gesetzliche Krankenversicherung ist unklar, ob die Beitragsentrichtung durch den Versicherten und die Einstandspflicht der Krankenkasse synallagmatisch verbunden sind. Parallel zur Privatversicherung wird dies teilweise bejaht140. Andere orientieren sich am Prinzip des sozialen Ausgleichs141, wonach der Einzelne nicht allein sein Risiko absichert142. Damit sich ___________ 137 Zu den Anfängen der Befassung mit diesem Rechtsverhältnis: Henke, VVDStRL 1970, S. 149, 156 ff., 183 und ansonsten Bley, ZSR 1976, S. 69, 85 f.; Löwer, NVwZ 1986, S. 793, 795 und Steck, BKK 1992, S. 349, 352. 138 Bley, ZSR 1976, S. 69, 85; Müller, JuS 1998, S. 434, 436; Bley/ Kreikebohm/ Marschner, Rn. 60; Grüner/ Dalichau, Einl. zu SGB I, S. 15 ff.; Wollenschläger in: Wannagat, § 1 SGB V Rn. 7. 139 Vgl. etwa Müller, JuS 1998, S. 434, 436. 140 Dafür Schulin, KrV 1989, S. 215, 216; Leitherer in: Schulin, Krankenversicherungsrecht, § 19 Rn. 23, 259. 141 Das bedeutet, dass alle Sozialversicherten unabhängig von der Höhe ihrer Beitragszahlung und ohne Ausschluss von Vorerkrankungen die individuell notwendigen

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

259

das Sozialversicherungsverhältnis für die Mitglieder und kostenfrei mitversicherten Familienangehörigen nicht unterscheidet, sollte die Beitragszahlungspflicht nicht einbezogen werden143. Sie kann zwanglos dem Mitgliedschaftsverhältnis als die umfassende Rechtsbeziehung zugeordnet werden144. Dennoch umfasst das Sozialversicherungsverhältnis als Unterfall des öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses ein gegenseitiges Interaktionsprogramm zum Schutz des anderen145.

2. Terminologische und dogmatische Differenzierung zwischen Pflichten und Lasten Das Sozialversicherungsverhältnis berechtigt einen Versicherten zur Inanspruchnahme von Leistungen und verlangt, dem Gegenüber die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Aufgaben zu ermöglichen und dessen berechtigten Interessen zu wahren146. Somit erzeugt das Sozialversicherungsverhältnis ähnlich wie das privatrechtliche Schuldverhältnis ein komplexes Forderungsgebilde mit verschiedenen Verhaltensvorgaben. Insbesondere handlungsbezogene Rechtssätze sind geeignet, die Leistungserbringung zu sichern und die Solidargemeinschaft zu schützen, indem die Risikosphären beider Seiten abgegrenzt werden. Zur Bündelung dieser Rechtsnormen sollen sie begrifflich und dogmatisch strukturiert werden. Analog zum zivilrechtlichen Schuldverhältnis könnte an ___________ Leistungen erhalten. Die wichtigste Komponente besteht in der Beitragsbelastung des Einzelnen in Abhängigkeit vom Einkommen und nicht dem zu erwartenden Leistungsumfang. Insofern gleicht die Versichertengemeinschaft die Diskrepanz zwischen jungen und alten, gesunden und kranken Menschen sowie Beziehern niedrigerer und höherer Einkommen aus. Das Prinzip des sozialen Ausgleichs ist aber schon länger in Kritik geraten, vgl. nur das Handelsblatt in der Ausgabe vom 19.11.1992. 142 Töns, KrV 1990, S. 32, 33 f. 143 Ebenso Töns, KrV 1990, S. 32, 34 und Hertwig, S. 98, 114. 144 Zur komplizierten Abgrenzung zwischen Mitgliedschafts- und Versicherungsverhältnis vgl. Leitherer in: Schulin, Krankenversicherungsrecht, § 19 Rn. 16 ff. 145 Ähnlich Hertwig, S. 54, 97 f., 195, 320 f., der das Mitgliedschaftsverhältnis in ein leistungsrechtliches und mitgliedschaftliches Element aufspaltet und dabei jeweils zwischen den Ebenen der Koordination, Subordination und Diagonalität differenziert. 146 So bereits Walter Bogs auf dem 43. Deutschen Juristentag im Jahre 1960: „Das Sozialstaatsprinzip darf nicht nur leistungsbegründend verstanden werden, es fordert allgemein soziales Verhalten auch des einzelnen gegenüber der Gesamtheit. Ebenso wie sogar das wohl am stärksten ausgeprägte Individualrecht, nämlich das Eigentum nach Art. 14 Abs. 2 GG sozialgebunden ist, so ist auch mit dem Recht auf öffentliche soziale Leistungen grundsätzlich die Pflicht zur Abwendung oder Minderung des die Leistung begründenden Schadens verbunden, soweit solche Schadensabwendung nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zuzumuten ist.“ (zitiert nach Krasney, BKK 1987, S. 341).

260

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

Haupt-, Nebenleistungs- und Nebenpflichten sowie Obliegenheiten gedacht werden. Da sich auch im Bereich des öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses keine einheitliche Terminologie herauskristallisiert hat, vielmehr Obliegenheiten von Lehre und Legislative mitunter als Pflichten bezeichnet werden, scheint die Differenzierung zwischen den Pflichten und Lasten mit ihrem gestuften Verbindlichkeitsgrad sinnvoll. Dabei können die bereits entwickelten Definitionen der Pflichten und Lasten (1.) sowie die theoretisch begründete Unterscheidung beider Normentypen (2.) zugrundegelegt werden, ehe ihre Bedeutung für die gesetzliche Krankenversicherung aufzuzeigen ist (3.). 1. Unter Pflichten versteht man Verhaltensanforderungen, die mit einem Anspruch korrelieren147 und deshalb eingefordert und eventuell gerichtlich durchgesetzt werden können. Dagegen haben die Lasten als nicht geschuldete Verhaltenserwartungen einen geringeren Verbindlichkeitsgrad, erzeugen jedoch über den angedrohten Rechtsnachteil im Fall ihrer Missachtung einen mittelbaren Befolgungszwang. Sofern nämlich der Belastete die Verkürzung seines Rechtskreises durch Entziehung oder Vorenthaltung einer günstigen Rechtsposition vermeiden möchte, muss er normgemäß handeln. 2. Die Abgrenzung zwischen den Pflichten und Lasten als Rechtssätze sowie zu den außerrechtlichen Geboten im eigenen Interesse muss sich am jeweiligen Schutzbedürfnis orientieren. Bei den Pflichten überwiegen die Belange des Berechtigten, sodass ihm ein eigenes Forderungsrecht zugestanden wird. Lasten bestehen im eigenen und fremden Interesse, wobei die Belange des anderen durch einen Rechtsnachteil hinreichend gewahrt werden. Daraus ergibt sich ein unterschiedliches Durchsetzungsinteresse und mithin die dogmatische Struktur der Pflichten und Lasten. Denn bloß den Pflichten korrespondiert ein Anspruch, weshalb der Adressat einer Last über deren Beachtung frei entscheiden kann. Die Befolgung der Gebote des eigenen Interesses ist dem Versicherer gleichgültig, sodass sie keine rechtliche Anknüpfung haben. Als außerrechtliche Verhaltensanregungen wahren sie ausschließlich eigene Belange des Versicherten. 3. Grundsätzlich lassen sich aus einem Sozialversicherungsverhältnis wie bei jedem anderen Schuldverhältnis gegenseitige Pflichten und Lasten ableiten. Allerdings sind für die Sozialversicherung keine vergleichbar komplizierten Reglementierungen wie im Bereich privater Versicherungen mit den primären Risikobeschreibungen und ziselierten sekundären Risikobeschränkungen geläufig. Der Zweck der gesetzlichen Krankenversicherung, soziale Gerechtigkeit ___________ 147 Wertenbruch in: Bochumer Kommentar, SGB I, § 33 Rn. 1 sowie Bley in: Gesamtkommentar, § 31 SGB I S. 282/56.

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

261

und soziale Sicherheit gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB I zu verwirklichen, kann nämlich nicht im Wege einer generell reglementierten Gefahrtragung erreicht werden. Vielmehr ist in jedem Einzelfall über eine Leistungseinschränkung zu entscheiden, indem der Verantwortungsbeitrag des Versicherten mit der sozialen Sicherheit und den Interessen der Versichertengemeinschaft abgewogen wird. Inwieweit dem Versicherten letztlich Pflichten oder Lasten auferlegt sind, hängt von den Interessen der Versichertengemeinschaft ab. Ihr dürfte es maßgeblich um einen sparsamen Einsatz der knappen Finanzmittel gehen, was am ehesten durch Leistungsversagungen bei einem solidaritätswidrigen Verhalten gewährleistet werden kann. Mithin sind Pflichten als unbedingte Verhaltensanforderungen nicht nötig und ohnehin nur ausnahmsweise zulässig, weil das Selbstbestimmungsrecht durch eine Teilhabepflicht des sozialversicherten Patienten berührt würde und die Krankenkassen als öffentlich-rechtliche Körperschaften über Art. 1 Abs. 3 GG daran gebunden sind. Folglich ist ein sozialversicherter Patient nicht verpflichtet, eine Behandlung zu dulden oder zu unterstützen148. Ein gegenteiliges Handeln kann indes mit einem Rechtsnachteil belegt sein, sodass die Mitwirkungsverantwortung des sozialversicherten Patienten ebenso wie in der privaten Krankenversicherung überwiegend als Last ausgestaltet ist149. Gleichwohl wird die angedrohte Sanktion den sozialversicherten Patienten mehr oder minder zu einem normgemäßen Handeln nötigen. Obwohl im Sozialversicherungsrecht nicht mit den primären Risikobeschreibungen und sekundären Risikobeschränkungen operiert wird, bedarf es innerhalb der Lasten einer ähnlichen Differenzierung. Denn bisweilen eröffnet erst ein bestimmtes Verhalten den Versicherungsschutz, der für bestimmte Konstellationen wiederum eingeschränkt ist. Der Rechtsnachteil liegt einmal in einer generell fehlenden Einstandspflicht der Krankenkasse und andererseits in leistungsrechtlichen Konsequenzen. Je nach Sanktion handelt es sich um Beschränkungen, die im Privatversicherungsrecht als primäre Risikobeschreibungen bezeichnet werden, oder um Obliegenheiten. ___________ 148 In diesem Sinne bereits eine Entscheidung des RVA aus dem Jahre 1893, die trotz des dazwischen liegenden Zeitraums und dadurch bedingter Rechtsänderungen in ihrem Aussagegehalt nach wie vor Geltung beansprucht: „Die Erteilung der Einwilligung zur Operation ist das freie Recht des Verletzten, auf welches die Gesetze weder der Berufsgenossenschaft noch sonst irgend jemanden eine Einwirkung einräumen. Es ist möglich, daß der Eigenwille des Verletzten die Vermögensinteressen einer Berufsgenossenschaft schädigt, aber die Rücksicht auf bloße Vermögensinteressen darf nicht dazu führen, in die freie Willensbestimmung eines Menschen in unzulässiger Weise einzugreifen.“ (zitiert nach Goldbach, UChir 1951, S. 129, 131). So letztlich auch Buddee, S. 138. 149 Ebenso Boecken, SDSRV Bd. 42, S. 7, 24; Bley/ Kreikebohm/ Marschner, Rn. 87 und Hertwig, S. 237.

262

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

Darüber hinaus ist im Sozialversicherungsrecht neben den Pflichten und Lasten ein weiterer Normentyp zu beachten. Vereinzelt finden sich gesetzliche Verhaltensregeln ohne Sanktionspotential, die wegen ihrer Kodifikation dennoch den Rang von Rechtsnormen einnehmen150. Sie stellen zumindest dann unvollständige Rechtssätze dar, wenn sie anderen Rechtsvorschriften als Interpretationshilfe dienen151. Derart vorgezeichnete Handlungsvorgaben können ferner in den Kassensatzungen nach § 33 SGB I152 konkretisiert und eventuell zur Last erhoben oder für innovative Anreizsysteme genutzt werden153. Angesichts ihrer Ausgestaltungsmöglichkeiten sind diese Verhaltensanregungen durchgängig den Rechtssätzen zuzuordnen, wobei sie eine Nähe zu den Geboten im eigenen Interesse haben, sich jedoch über ihren Geltungsgrund davon absetzen. Symptomatisch für die geringe Verbindlichkeit sollen sie als Programmsätze benannt werden. Da sie zur Verhaltenssteuerung wenig geeignet sind, hat der Gesetzgeber kaum derartige Programmsätze geschaffen. Aus dem Sozialversicherungsverhältnis in Gestalt des öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses lassen sich Pflichten, Lasten und ferner Programmsätze ableiten. Die Teilhabeerfordernisse des Versicherten dürften überwiegend den Lasten zuzuordnen und dabei wohl mehrheitlich als Obliegenheiten einzustufen sein.

___________ 150 So Borchert in: FS für Gitter, S. 133, 134 f., infolgedessen es sich überwiegend um moralische Normen handeln soll. 151 Borchert in: FS für Gitter, S. 133, 134 f. und Tilch/ Arloth, Stichwort: Rechtsnorm. 152 Jede Ausformung iSd § 33 SGB I findet dort ihre Grenzen, wo inhaltlich nicht einmal eine Beschwer vorliegt, siehe Wertenbruch in: Bochumer Kommentar, § 33 SGB I Rn. 9. 153 Als solches kann das fit-back-System der Techniker Krankenkasse genannt werden, das ab 01.05.2003 als sogenanntes Modellvorhaben lief und zu gesundheitsförderlichen Aktivitäten auf freiwilliger Basis anhalten sollte. Die teilnehmenden Versicherten erhielten beispielsweise für die Durchführung bestimmter gesundheitlicher Präventivmaßnahmen (Zahnprophylaxe, Krebsvorsorge, Impfungen, Sehtest), eine Teilnahme an Sportveranstaltungen, beim Besuch gesundheitsorientierter Beratungen oder Kurse gestaffelte Punkte, die gegen eine Prämie einzulösen sind.

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

263

Der folgenden Darstellung lässt sich dies vereinfacht entnehmen:

Mitwirkungsverantwortung eines sozialversicherten Patienten rechtliche Normen Pflichten

Lasten

Programmsätze

= Verhaltensanforde- =Verhaltenserwarrung, die mit einem tung mit angedrohAnspruch korreliert tem Rechtsnachteil Anspruch

Risikobeschreibung = Festlegung der Reichweite der Risikodeckung

außerrechtliche Normen

=Verhaltensrichtlinie ohne Sanktionspotential

Rechtsnachteil

Handlungsgebote =Verhaltensanregung zur Wahrung eigener Belange Geltungsgrund

Obliegenheit = Gebot zu sorgfältigem Handeln

Art des Rechtsnachteils

3. Rechtsgrund der Pflichten und Lasten In materieller Hinsicht ergeben sich Pflichten und Lasten aus dem Sozialversicherungsverhältnis. Ihre formelle Anbindung haben sie indes im Gesetz oder untergesetzlichen Recht. Die Krankenkassen handeln als öffentlich-rechtliche Körperschaften hoheitlich, sodass sie zu belastenden Anordnungen wie Leistungsversagungen infolge eines solidaritätswidrigen Handelns ermächtigt sein müssen. Durch den Gesetzesvorbehalt sind Teilhabepflichten und -lasten eines sozialversicherten Patienten somit ausschließlich dem Gesetz oder untergesetzlichem Recht und dabei vor allem dem SGB I, SGB V sowie den Satzungen der Krankenkassen zu entnehmen154. Gelegentlich wird erörtert, ob und eventuell unter welchen Bedingungen weitere ungeschriebene Verhaltensvorgaben rechtskonstruktiv zu gewinnen sind. Um zu dieser Ansicht Stellung beziehen zu können, soll kurz der Gesetzesvorbehalt für die Pflichten und Lasten beleuchtet werden. Danach werden alle Rechtsnormen aufgelistet, die sich an den Versicherten richten und ihm ein bestimmtes Verhalten ge- oder verbieten. Besonders bedeutsame Vorschriften sollen schon hier näher betrachtet werden. ___________ 154 Hingegen ist ein Rückgriff auf die Bundesmantel- und Gesamtverträge mangels normativer Wirkung nicht möglich, vgl. Fn. 586 im 2. Kapitel.

264

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

a) Vorbehalt des Gesetzes für Pflichten und Lasten Soziale Rechte, Pflichten und Lasten können Leistungsträger und Bürger anders als im Schuldrecht, wo die Vertragsfreiheit dominiert, nicht eigenständig begründen, ändern oder aufheben. Vielmehr ist eine gesetzliche Grundlage erforderlich, da die verfassungsrechtlich eingeräumte Freiheitssphäre des Einzelnen nur durch Gesetz oder aufgrund eines solchen eingeschränkt werden kann. Insoweit gilt der Vorbehalt des Gesetzes, der für das Sozialrecht in § 31 Abs. 1 SGB I deklaratorisch positiviert wurde155. Obwohl neben den Rechten ausdrücklich nur Pflichten erwähnt werden, bezieht § 31 SGB I ebenso die Lasten ein156, zumal der Gesetzgeber zwischen diesen beiden Kategorien nicht unterscheidet. Demzufolge bedarf jeder Rechtssatz zulasten des Versicherten eines förmlichen Gesetzes157, sodass Anlass und Ausmaß der Verhaltensregeln für den Bürger ersichtlich sind. Die Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes ermöglicht eine Abgrenzung der Verantwortungsbereiche von Legislative und Exekutive und gehört mittlerweile zum gefestigten verwaltungsrechtlichen Repertoire. Dennoch wird gelegentlich diskutiert, ob der Versicherte über die gesetzlichen Regelungen hinausgehend mitzuwirken hat. Nicht gemeint ist die weite Auslegung einer Norm nach Maßgabe des § 33 SGB I, sondern eine Begründung gesetzlich nicht erwähnter Teilhabeakte unter Heranziehung des Gebotes von Treu und Glauben. Obwohl dieser Ansatz den Gesetzesvorbehalt offensichtlich konterkariert, findet er sich nicht ganz selten158. Er dürfte jedoch allenfalls unter dem Aspekt des Rechtsmissbrauchs legitimiert sein159. Mit diesen Erwägungen hat das niedersächsische LSG die Klage eines sozialversicherten Patienten auf Kostenerstattung für eine neue Unterschenkelprothese abgewiesen, da er eine zwar mangelhaft angefertigte Prothese schon erhalten hatte, aber dem orthopädischen Fachbetrieb keine Gelegenheit zur relativ einfachen Fehlerbehebung geben wollte160. Das Gericht statuiert eine ungeschriebene Mitwirkungspflicht in der Weise, dass sich der Versicherte zur Nachbesserung einer nicht passend gelieferten Prothe___________ 155 Durch den Zeitpunkt des Inkrafttretens des SGB I zum 01.01.1976, als die Lehre vom Gesetzesvorbehalt wissenschaftlich gesehen noch im Fluss war, verwundert dies nicht. Denn dadurch konnte Rechtsklarheit und -sicherheit erzeugt werden. 156 Ähnlich Bley in: Gesamtkommentar, § 31 SGB I, S. 258/ 56. 157 Schnapp in: Bochumer Kommentar, § 31 SGB I Rn. 36 sowie Spellbrink in: Schulin, Unfallversicherungsrecht, § 24 Rn. 96. 158 Etwa Grüner/ Dalichau, Einl. zu SGB I, S. 21, 38 ff.; Wollenschläger in: Wannagat, § 1 SGB V Rn. 7. 159 Dafür LSG Niedersachen SGb 1995, 346; Hartwig, S. 83; Spellbrink in: Schulin, Unfallversicherungsrecht, § 24 Rn. 156, 160. 160 LSG Niedersachsen (15.06.1994 - L 4 Kr 138/93), SGb 1995, 346.

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

265

se bereit finden müsse. Dafür fehle zwar eine gesetzliche Anbindung, allerdings sei es rechtsmissbräuchlich, wenn die unterbliebene Teilhabe quasi einen Leistungsanspruch begründen würde. Diese Sichtweise ist jedoch nicht zwingend161, da auch auf den Aspekt der wirtschaftlichen Vernunft abgestellt werden könnte162 und ungeschriebene Mitwirkungserfordernisse in Anbetracht des Gesetzesvorbehaltes äußerst zurückhaltend und nur ultima ratio angenommen werden sollten. Mithin sind die normierten Pflichten und Lasten, die ein bestimmtes Verhalten explizit oder indirekt über eine Sanktionsandrohung gebieten, grundsätzlich abschließend. Ungeschriebene Pflichten und Lasten können nur ausnahmsweise dann begründet werden, wenn das solidaritätswidrige Handeln für den Gesetzgeber nicht voraussehbar war und die Regelungslücke zu einer unbilligen Beeinträchtigung der Gemeinschaftsinteressen führen würde163.

b) Einzelne verhaltensbezogene Normierungen Da die Pflichten und Lasten eines sozialversicherten Patienten partikulär geregelt sind, sollen mögliche gesetzliche Grundlagen kurz vorgestellt werden. Für die Zusammenstellung aller verhaltensbezogenen Vorschriften müssen das SGB I als allgemeiner Teil und das Krankenversicherungsrecht des SGB V herangezogen werden. Außerdem können sich Mitwirkungserfordernisse des Versicherten aus der jeweiligen Kassensatzung ergeben, falls die Krankenkasse ihre Gestaltungsautonomie iSd §§ 194 ff. SGB V genutzt hat. Nach Durchsicht mehrerer Exemplare enthalten die Kassensatzungen regelmäßig nur die Mindestangaben nach § 194 Abs. 1 SGB V und spezifizieren die Verantwortlichkeit des Versicherten nicht näher, indem sie etwa die Bundesmantelverträge für normativ verbindlich erklären164. Die Teilhabeerfordernisse eines sozialversicherten Patienten folgen daher allein aus den §§ 60 ff. SGB I und den §§ 1 Satz 2; 12 Abs. 1 Satz 2; 29 Abs. 2, 3; 33 Abs. 5 Satz 2; 49 Abs. 1 Nr. 5; 52; 55 Abs. 1 Satz 3-5; 76 Abs. 2, 3 SGB V. Welchen Rechtscharakter diese Verhal___________ 161 Vgl. Spellbrink in: Schulin, Unfallversicherungsrecht, § 24 Rn. 156, wonach eine Lösung auch über eine extensive Interpretation der Heilbehandlung iSd § 63 SGB I als Ermöglichen einer Reparatur von Körperersatzstücken hätte gefunden werden können. 162 Siehe die Ausführungen im 3. Kapitel unter B. II. 4. 163 Ähnlich Wulfhorst, VSSR 1982, S. 1, 10 sowie Keller, SozVers 1999, S. 281, 284 und wohl Wertenbruch in: Bochumer Kommentar, § 33 SGB I Rn. 9. 164 Die Bundesmantelverträge knüpfen häufig an ein Verhalten des Versicherten an – im BMV-Ä: § 13 Abs. 1 Satz 2 iVm § 18 Abs. 8 Nr. 1; § 17 Abs. 5 und beim BMV-Z: § 7 Abs. 1 Satz 2; § 8 Abs. 1, 3 lit. a, Abs. 4 iVm § 3 Abs. 5 lit. a; § 8 Abs. 3 lit. b; § 12 Abs. 6. Der Versicherte ist an dieses relativ wirkende Vertragsrecht aber nicht gebunden, da es keine dem § 95 Abs. 3 Satz 2 SGB V vergleichbare Erstreckungsklausel gibt.

266

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

tensgebote haben, wird im Zusammenhang mit dem jeweiligen Teilhabeakt erörtert. Nur die §§ 60 ff. SGB I und § 1 Satz 2 SGB V sollen vorab etwas genauer erörtert werden, da sie die Versichertenverantwortung vermeintlich umfassend statuieren und ihnen somit eine Sonderstellung innerhalb der Rechtsnormen einzuräumen ist. So geht es im dritten Titel des SGB I mit der Überschrift – Mitwirkung des Leistungsberechtigten – um Tatsachenangaben, eine Untersuchung und die Unterstützung von Heilbehandlungen. Laut § 1 Satz 2 SGB V sind Versicherte für ihre Gesundheit mit verantwortlich, wozu eine gesundheitsbewusste Lebensführung, die Beteiligung an gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen, die Aktivmitwirkung an Krankenbehandlung und Rehabilitation und die Vermeidung einer Erkrankung oder Überwindung ihrer Folgen zählen sollen.

aa) § 1 Satz 2 SGB V Die Verantwortlichkeit eines Versicherten wird in § 1 Satz 2 SGB V grundlegend umschrieben. Danach sind Versicherte für ihre Gesundheit mit verantwortlich; sie sollen durch eine gesundheitsbewusste Lebensführung, durch frühzeitige Beteiligung an gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen und durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung und Rehabilitation dazu beitragen, den Eintritt von Krankheit und Behinderung zu vermeiden oder ihre Folgen zu überwinden. Verhält sich ein Versicherter nicht in diesem Sinne, drohen ihm nach derzeit geltender Rechtslage keine rechtlichen Konsequenzen. Die generalklauselartig aufgeführten Handlungsweisen können weder eingefordert werden noch führt deren Missachtung zu einem Rechtsnachteil. Insofern begründet § 1 Satz 2 SGB V allein keine Pflichten oder Lasten165. Allerdings wird die Auslegung anderer Vorschriften erleichtert, wodurch § 1 Satz 2 SGB V materiell-rechtliche Bedeutung erlangt166. In seiner Funktion als Interpretationshilfe zählt er zu den unvollständigen Rechtsnormen mit der Folge, dass ein Programmsatz anzunehmen ist167. Obwohl Verhaltensrichtlinien keinen großen Steuerungseffekt haben, hielt der Gesetzgeber ihre Fixierung wegen der zu___________ 165

Im Ergebnis ebenso Boecken, SDSRV Bd. 42, S. 7, 24; Dalichau/ Schiwy, § 1 SGB V S. 2 und Wollenschläger in: Wannagat, § 1 SGB V Rn. 2, 7, 9. 166 Dafür Brocke, SGb 1990, S. 437, 438; Krauskopf in: Krauskopf, § 1 SGB V Rn. 2; Wollenschläger in: Wannagat, Sozialgesetzbuch, § 1 SGB V Rn. 8 f. Zweifelnd dagegen Peters in: Kasseler Kommentar, § 1 SGB V Rn. 2, da seit dem Inkrafttreten 1997 keine nennenswerte Berücksichtigung bei der Rechtsanwendung zu konstatieren sei. 167 Für eine derartige Kategorisierung auch Borchert in: FS für Gitter, S. 133, 134 f., der ansonsten aber einer pauschalen Zuweisung der Programmsätze zu den Rechtsnormen skeptisch gegenübersteht.

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

267

nehmenden Ausnutzung von Leistungsansprüchen für geboten168. Die Programmsätze von § 1 Satz 2 SGB V verdeutlichen also das rechtspolitisch erstrebte Verhalten eines sozialversicherten Patienten, indem er absolut gesundheitsbewusst und -förderlich lebt und sich im Krankheitsfall unter aktiver Teilhabe behandeln und therapieren lässt. Möglicherweise gestaltet der Gesetzgeber diese Programmsätze künftig weiter aus, zumal die Norm im Jahre 1997 als erster Schritt für eine umfassendere Einbeziehung der Versicherten verstanden wurde.

bb) §§ 60 ff. SGB I Die für das gesamte Sozialrecht geltenden §§ 60 ff. SGB I erfordern eine Mitwirkung desjenigen, der Sozialleistungen beantragt hat oder erhält. Danach sind leistungsrelevante Angaben zu machen, Auskünfte zu erteilen oder Unterlagen vorzulegen, (zahn)ärztliche und psychologische Untersuchungen auf Verlangen des Leistungsträgers zu dulden und Heilbehandlungen zur Besserung des Gesundheitszustandes zu nutzen. Diese Verhaltensweisen statuieren die §§ 60 bis 64 SGB I, die durch § 65 SGB I umgrenzt werden. Meist wird zwischen der eher verfahrensrechtlichen Aufklärungsunterstützung gemäß den §§ 60 bis 62 SGB I und den funktionell der Leistungsbeschränkung dienenden §§ 63; 64 SGB I unterschieden169. Zu klären ist, ob die Handlungsgebote der §§ 60 ff. SGB I als Pflichten oder Lasten ausgestaltet sind. Diese Frage wird überwiegend offen diskutiert und nur selten als begriffliches Problem aufgefasst170. Trotz Einigkeit im Ergebnis, wonach die Mitwirkungsakte eines Versicherten nicht erzwingbar seien, ihre Missachtung jedoch die gewährten oder in Aussicht gestellten Sozialleistungen mindert oder ausschließt, werden entweder Rechtspflichten171 oder Obliegenheiten172 angenommen. Dabei ist zu beachten, dass auch diejenigen, die von ___________ 168 Vgl. BR-Drucks. 2000/88, S. 157. Kritisch dagegen Dalichau/ Schiwy, § 1 SGB V S. 2, wonach ein Voranstellen der Programmsätze nur nötig sei, wenn sie sich in den folgenden Bestimmungen nicht hinreichend wiederfänden. 169 Statt vieler Bley/ Kreikebohm/ Marschner, Rn. 87 ff. sowie Häusler in: Hauck/ Noftz, § 60 SGB I Rn. 1. 170 Ausdrücklich Meydam, SGb 1997, S. 303, 306; ders., SDSRV Bd. 42, S. 71, 80. 171 In diesem Sinne Dieckmann SGb 1975, S. 168, 169 f.; Schmeling, BB 1976, S. 187, 190 wie auch Hartwig, S. 124 ff. 172 Dafür Lorenz, VSSR 1975, S. 255, 265 f.; Benz, BG 1978, S. 242, 243; Jülicher, SGb 1979, S. 445, 447; Wulfhorst, VSSR 1982, S. 1, 8 f.; Zacher, ZfS 1983, S. 171, 177; Keller, SozVers 1999, S. 281, 284 und Bley/ Kreikebohm/ Marschner, Rn. 89; Eichenhofer, Rn. 200; Spellbrink in: Unfallversicherungsrecht, § 24 Rn. 75; Waltermann,

268

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

Obliegenheiten ausgehen, sonst von Mitwirkungspflichten ohne Hinweis auf die untechnische Begriffsverwendung sprechen. Der Gesetzgeber bezeichnet die Teilhabeerfordernisse in § 65 SGB I gleichsam als Mitwirkungspflichten. Aus dem Wortlaut kann aber nicht gefolgert werden, dass es sich wirklich um Pflichten handelt173. In terminologischer Hinsicht ist der Unterschied zwischen Rechtspflichten und Obliegenheiten oft verwischt174. Mithin müssen die Pflichten und Lasten anhand der Normstruktur voneinander abgrenzt werden. Ein Anspruch auf die normierte Teilhabe des Versicherten ist den §§ 60 ff. SGB I nicht zu entnehmen175. Vielmehr kann sich die Solidargemeinschaft vor einer unberechtigten Inanspruchnahme dadurch schützen, dass nach Ablauf einer Frist176 gemäß § 66 SGB I eine erstmals festzusetzende Leistung versagt oder die schon gewährte Leistung entzogen wird. Infolgedessen beinhalten die §§ 60 ff. SGB I Verhaltenserwartungen, die mit einem Rechtsnachteil verbunden sind. Nach dem eigenen dogmatischen Ansatz sind die §§ 60 ff. SGB I daher den Lasten in Form von Obliegenheiten zuzuordnen. Die Mitwirkungsakte iSd §§ 60 ff. SGB I sind stets im Zusammenhang mit § 65 SGB I zu sehen, weil sie nur im Fall ihrer Zumutbarkeit eine Last oktroyieren und die Rechtsfolge des § 66 SGB I eröffnen können. Nach § 65 SGB I braucht der Versicherte nicht mitzuwirken, wenn es unverhältnismäßig oder unzumutbar ist. Die Teilhabehandlung zur Feststellung der Leistungsberechtigung muss also geeignet, erforderlich und angemessen sowie objektiv und subjektiv zumutbar sein. Während § 65 Abs. 1 SGB I für alle Teilhabelasten der §§ 60 ff. SGB I gilt, markiert § 65 Abs. 2 SGB I die Zumutbarkeitsgrenzen für medizinische Maßnahmen177. So können Behandlungen und Untersuchungen abgelehnt werden, wenn Gesundheitsschädigungen nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen, sie mit intensiven Schmerzen verbunden sind oder einen erheblichen Eingriff für die körperliche Unversehrtheit bedeuten178. ___________ Rn. 560 und zudem Häusler in: Hauck/ Noftz, § 60 SGB I Rn. 1; Seewald in: Kasseler Kommentar, Vor §§ 60-67 SGB I Rn. 19; Mrozynski, § 60 Rn. 2. 173 Vgl. zur ähnlicher Problematik im Werkvertragsrecht Peters, in: Staudinger, § 642 Rn. 20. 174 Gleichsam Maydell, SGb 1987, S. 392; Maier in: Maydell/ Ruland, 7 Rn. 65. 175 Ebenso auch Rüfner, VSSR 1977, S. 347, 349; Jülicher, SGb 1979, S. 445, 447 und Maydell, SGb 1987, S. 392. 176 Wegen der Vielschichtigkeit und Verschiedenheit der Mitwirkungsmaßnahmen lässt sich kein allgemeingültiger Maßstab für die Angemessenheit der Frist festlegen, vgl. Krasney, BKK 1987, S. 384, 386 f. 177 Rüfner, VSSR 1977, S. 347, 359; Gronewald, SGb 1989, S. 17, 20. 178 Nach allgemein anerkannter Ansicht enthält § 65 Abs. 2 SGB I drei selbständige Alternativen, obwohl Nr. 1 und 2 gerade nicht durch das Wort „oder“ getrennt sind. Statt vieler etwa Gleitze, DOK 1976, S. 25, 34; Krasney, BKK 1987, S. 341, 348.

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

269

Bei jedem Kriterium treten regelmäßig Konflikte zwischen den Interessen der Allgemeinheit an einer möglichst weitgehenden Beteiligung und dem grundrechtlichen Schutz des Einzelnen auf179. Darauf ist an geeigneter Stelle näher einzugehen. Bereits die kurzen Ausführungen offenbaren eine Begrenztheit der §§ 60 ff. SGB I, denn sie erfassen nur enge Ausschnitte aus dem Sozialversicherungsverhältnis und schaffen keine Basis für eine allumfassende Verantwortlichkeit des Leistungsberechtigten180. Dadurch erhalten die spezialgesetzlichen Regelungen des SGB V bei der Prüfung einzelner Mitwirkungserfordernisse des sozialversicherten Patienten eine besondere Bedeutung.

4. Rechtsfolgen der Lastenmissachtung durch den Versicherten Nach den bisher gewonnenen Erkenntnissen liegt der Schwerpunkt der Teilhabeverantwortung eines sozialversicherten Patienten eindeutig auf den Lasten. Deshalb beschränken sich die Erörterungen der Rechtsfolgen auf die Nichtbeachtung einer Last durch den Versicherten, weil Pflichten eher marginal vorkommen und Programmsätze ohnehin unsanktioniert sind. Normalerweise liegt der mit Lasten verbundene Rechtsnachteil in der Nichtgewährung bestimmter Leistungen oder einer Beteiligung des Versicherten an kausal verursachten Mehrkosten. In der Krankenversicherung hat ein sozialversicherter Patient die Behandlungskosten komplett oder partiell selbst zu tragen, wenn er seine Gesundheit bewusst beeinträchtigt oder eine Therapie trotz entsprechender Aufforderung seiner Krankenkasse unzureichend unterstützt. Krankengeld wird nur infolge einer eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gezahlt. Vor einem Leistungsentzug ist der Betroffene wegen § 24 SGB X anzuhören und dabei auf die konkret verlangte Teilhabehandlung sowie mögliche, leistungsrechtliche Folgen hinzuweisen, damit das Handeln gegebenenfalls gerechtfertigt oder in Kenntnis der Konsequenzen überdacht werden kann181. Bei Kindern unter 15 Jahren, die wegen § 36 SGB I nicht handlungsfähig sind, wird die Anhörung an die Eltern als gesetzliche Vertreter gemäß den §§ 1629; 1626 BGB adressiert.

___________ 179

Dazu Eichenhofer, Rn. 202 sowie Maier in: Maydell/ Ruland, 7 Rn. 64, 82. Rüfner, VSSR 1977, S. 347, 351. 181 BSGE 35, 129, 132. 180

270

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

II. Mitwirkungserfordernisse des Versicherten Nachfolgend soll untersucht werden, inwieweit sich der sozialversicherte Patient im Zusammenhang mit seiner Behandlung aus rechtlicher Sicht zu beteiligen hat. Um eine Basis für den Vergleich zwischen einem privat- und sozialversicherten Patienten zu schaffen, werden alle Mitwirkungsakte so weit als möglich parallel geprüft. In den Hauptgruppen geht es daher unter Berücksichtigung der sozialrechtlichen Eigenheiten um die Vermeidung einer Krankheit, die Konsultation eines Vertrags(zahn)arztes, die Aufklärungsbeförderung zugunsten der Krankenkasse, die Aktivmitarbeit an einer Heilbehandlung und die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes. Daran schließen sich Überlegungen zur Beantragung einer Rehabilitationsmaßnahme bei einem anderen Sozialleistungsträger sowie einer Rente an.

1. Vermeidung einer Erkrankung Lässt sich ein sozialversicherter Patient behandeln, ist dessen Krankenkasse grundsätzlich leistungspflichtig. Allerdings kann und will die Solidargemeinschaft nicht für jedes Krankheitsgeschehen einstehen. Vor allem jüngst ist abermals der Ruf nach einer Leistungsbegrenzung für solche Krankheiten laut geworden, die auf einer ungesunden Lebensweise wie das Rauchen oder Betreiben gefährlicher Sportarten beruhen. Ein Regelungsbedarf bestünde indes nur, wenn dem Versicherten nach derzeitiger Rechtslage nicht schon ein gesundheitsorientiertes Verhalten abverlangt wird. Daher ist zu prüfen, inwieweit ein Sozialversicherter seine Lebensführung gesundheitsbewusst auszurichten, eine drohende oder gar gezielt herbeigeführte Krankheit abzuwenden und die Genesung nicht zu verzögern hat.

a) Gesundheitsbewusste Lebensführung Gesundheitsbewusst leben all diejenigen, die sich bekannten, die körperliche oder geistige Integrität gefährdenden Risiken wie erheblichem Nikotingenuss, fettreicher Ernährung und dauerndem Stress nicht oder kaum aussetzen182. Jedenfalls unter dem Aspekt des Gemeinschaftsschutzes scheint ein solches Verhaltensgebot nicht abwegig. Ein umfassend gesundheitsförderliches Handeln, das unter anderem eine ausgewogene Ernährung, hinreichende Bewegung, eine sportliche Betätigung ausschließlich risikoträchtiger Freizeitaktivitäten und ein ___________ 182

Brocke, SGb 1990, S. 437, 438 und Krauskopf in: Krauskopf, § 1 SGB V Rn. 10.

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

271

angenehmes Wohn- und Arbeitsumfeld abverlangen würde, dürfte sich schwerlich kodifizieren lassen. In § 1 Satz 2 SGB V hat die gesundheitsbewusste Lebensführung aber einen Anhaltspunkt. Darüber hinaus gibt es momentan keine gesetzlichen Regelungen mit Ausnahme des § 55 Abs. 1 Satz 3-5 SGB V, der regelmäßige Zahnpflege und -prophylaxe gebietet.

aa) Programmatischer Aufruf Eine gesundheitsbewusste Lebensweise sowie die frühzeitige Beteiligung an gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen spricht § 1 Satz 2 SGB V explizit an, ohne dem Versicherten eine entsprechende Pflicht oder Last aufzuerlegen. So kann die Krankenkasse von einem Kettenraucher, Übergewichtigen oder dauerhaft Gestressten, bei dem sich jeweils erste gesundheitliche Beeinträchtigungen über Bluthochdruck ankündigen, keine Verhaltensänderung fordern oder eine Behandlung versagen. Denn § 1 Satz 2 SGB V statuiert Handlungsrichtlinien, die durch ihre gesetzliche Anbindung anders als die Gebote des Eigeninteresses rechtlicher Art sind und einen programmatischen Aufruf zur Wahrung der Gesundheit beinhalten183. Mangels Sanktionspotential regen diese Programmsätze den Versicherten nur zur gesundheitsbewussten Lebensführung an, ohne die individuellen Verhältnisse nachhaltig beeinflussen zu können184. Auf freiwilliger Basis versuchen die Krankenkassen allerdings schon jetzt, das Gesundheitsbewusstsein zu stärken. Kraft § 20 Abs. 1 Satz 2 SGB V ist ihnen die Aufgabe übertragen, die Ursachen von Gesundheitsgefahren zu ergründen und gegebenenfalls zu beheben. Daher gewähren die Krankenkassen allesamt Leistungen der Prävention, wozu Kurse zur Raucherentwöhnung, Ernährungsberatungen sowie Anleitungen zur Stressbewältigung zählen185. Die kürzlich im

___________ 183

Im Ergebnis ebenso Göben, S. 110. Ähnlich Faude, S. 221, der es für einen blanken Anachronismus hält, wollte man von einem Sozialversicherten verlangen, bei seiner individuellen Lebensgestaltung stets auf die eigene Gesundheit zu achten, um sich auf diese Weise den Wohltaten der Krankenversicherung würdig zu erweisen. 184 So auch Zipperer, BABl 1989, S. 4, 5 und Blöcher, S. 125, 166. Nach Ansicht von Eichner, S. 69 f., sei dies sachgerecht, weil die Gründe für eine zurechenbare Erkrankung bei den Herstellern, Vertreibern und Anbietern gesundheitsschädlicher Konsum- und Luxusgüter lägen. 185 Dafür paradigmatisch § 15 Abs. 1, 2 der Satzung der TK (Stand: 01.04.03): „(1) Die Kasse gewährt ausgewählte Leistungen zur primären Prävention. Maßnahmen zur primären Prävention sollen durch Hilfestellung zur gesunden Lebensweise die Entstehung und Verschlimmerung von Krankheiten verringern oder verzögern. (2) Als Leistungen werden gewährt:

272

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

Zuge der Gesundheitsreform diskutierte Verantwortung, wonach sich sozialversicherte Patienten regelmäßig Vorsorgeuntersuchungen zu unterziehen haben, wurde nach einem Kompromiss mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss nicht normiert186. Allerdings obliegt dem sozialversicherten Patienten künftig, sich einmalig über die Vor- und Nachteile von Früherkennungen beraten zu lassen, wenn er im Krankheitsfall nicht höhere Zuzahlungen leisten will. Ob der Gesetzgeber den Programmsatz der gesundheitsbewussten Lebensführung weitergehend über ein Anreizsystem ausgestalten wird, bleibt abzuwarten. Bisweilen wird dafür plädiert: „Da sich gezeigt hat, daß der unzureichende Gesundheitszustand der Bevölkerung im individuellen Bereich, insbesondere die vielfach ungesunde Lebensweise (übermäßiges Rauchen, Essen und Trinken sowie Bewegungsmangel), durch freiwillige Maßnahmen (Bereitstellung von Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen, umfangreiche Aktionen zur Gesundheitserziehung) kaum beeinflussbar ist, kann daraus der Schluß gezogen werden, ...., daß zur Sicherung seiner Subjektstellung überindividuelle Regelungen nötig sind, die eine erzwungene Prävention zum Inhalt haben.“187

___________ x Handlungsfeld Bewegung: Leistungen zur Förderung der Herz-Kreislauf-Funktion und/ oder des MuskelSkelett-Systems (Präventive Rückenschule, Wirbelsäulengymnastik, Präventives Herz-Kreislauf-Training) x Handlungsfeld Ernährung: Leistungen zur Vermeidung von Mangel- und Fehlernährung und zur Vermeidung und Reduktion von Übergewicht (Kurse zur vollwertigen und ausgewogenen Ernährung, Gewichtsreduktionskurse) x Handlungsfeld Entspannung: Leistungen zur Vermeidung spezifischer Risiken und stressabhängiger Krankheiten (Stressbewältigungstraining, Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung) x Handlungsfeld Sucht: Leistungen zur Reduktion des Genuss- und Suchtmittelmissbrauchs (Nichtrauchertrainingskurse). Die Ausgestaltung dieser Leistungen orientiert sich an den von den Spitzenverbänden der Krankenkassen beschlossenen gemeinsamen und einheitlichen Handlungsfeldern und Kriterien zur Umsetzung des § 20 Abs. 1 und 2 SGB V. Den besonderen Bedürfnissen der TK-Versichertengemeinschaft wird dabei Rechnung getragen.“ 186 Da alle angebotenen Früherkennungsuntersuchungen auch Risiken hätten, dürften Versicherte dazu nicht gezwungen werden, so der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses Rainer Hess in „Gesundheitsnachrichten“ vom 27.07.2007. 187 Jung, S. 207. A.A. Kirchhof in: FS für Laufs, S. 931, 947 f., der in einer solchen Gesundheitsvorsorge einen elementaren Verlust an Freiheit erblickt und die differenten medizinischen Ausgangsbefunde im Wesentlichen auf Unterschiede in den sozialen Verhältnissen, etwa der Höhe des Einkommens, des Bildungsstandes oder des Grades gesundheitlicher Selbstgefährdung zurückführt.

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

273

bb) Sonderfall: Zahnpflege und -prophylaxe Mit der Regelung in § 55 Abs. 2 Satz 3-5 SGB V wurde § 1 Satz 2 SGB V für den Bereich der Zahngesundheit umgesetzt188. Danach verringert sich der eigene Kostenanteil des Versicherten für zahnprothetische Maßnahmen von prinzipiell 50 % bei Bemühungen zur Gesunderhaltung der Zähne und des Zahnfleischs um maximal 15 %. Denn der Zustand von Zähne und Zahnfleisch hängt unter anderem von einer ausreichenden Mundhygiene ab, was über eine zahnärztliche Bewertung des Gebisses leicht eruiert werden kann189. Von der eigentlich vorgesehenen Herausnahme des Zahnersatzes aus der gesetzlichen Krankenversicherung ab 1. Januar 2005 hat der Gesetzgeber in letzter Minute abgesehen190, sodass über § 55 Abs. 2 Satz 3-5 SGB V das Bonussystem von § 30 Abs. 2 aF SGB V unverändert fortgilt. Demnach erfordert der Nachlass für die ersten 10 Prozentpunkte191 gemäß § 55 Abs. 1 Satz 3, 4 SGB V eine regelmäßige Zahnpflege und einen Nachweis über das Bonusheft, dass in den letzten 5 Kalenderjahren mindestens jährlich bzw. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres halbjährlich Kontrolluntersuchungen iSd § 22 SGB V erfolgten. Die Reduzierung um weitere 5 Prozentpunkte setzt stetige Zahnarztbesuche in den letzten 10 Jahren und eine kontinuierliche Mundhygiene voraus. Für die Jahre 1997/ 98 werden diese Bestrebungen nach § 55 Abs.1 Satz 6 SGB V für die nach dem 31. Dezember 1978 geborenen Versicherten fingiert, weil sie in diesen Jahren keinen Zahnersatzanspruch hatten und daher eine Zahnpflege und -prophylaxe rechtlich nicht erwartet wurde. Ebenso bleiben Versäumnisse vor Inkrafttreten des Bonussystems ab 1. Januar 1989 unberücksichtigt192. Bei fast jedem werden früher oder später zahnprothetische Maßnahmen erforderlich, deren Zeitpunkt und Ausmaß unter anderem von der Zahnpflege ___________ 188

BSG SozR 3-2500, § 61 SGB V, Nr. 6 und Hartwig, S. 31. Wagner in: Krauskopf, § 30 SGB V Rn. 19. 190 Ursprünglich hätte alle Sozialversicherten ab 01.01.2005 eine obligatorische Zahnersatzversicherung bei ihrer Krankenkasse oder einem Privatversicherer abschließen müssen. Da man sich über die gesonderte Finanzierung des Zahnersatzes in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht einigen konnte, wurde die Herausnahme des Zahnersatzes aus dem allgemeinen Leistungskatalog rückgängig gemacht. Die Krankenkasse gewähren nunmehr über einen Festzuschuss weiterhin Zahnersatz, wofür Arbeitnehmer seit 01.06.2005 laut § 241 a SGB V einen separaten Beitrag von 0,9 % leisten. 191 Laut § 55 Abs. 1 Satz 4, 5 SGB V erhöht sich der Festzuschuss bei einer regelmäßigen Zahnpflege um 20 oder 10 %, was missverständlich ist. Da der Bezugspunkt für die Erhöhung der Festzuschuss ist, ergibt sich zugunsten des Versicherten ein Bonus von 60 oder 65 % der Kosten für eine prothetische Regelversorgung. 192 Vgl. Höfler in: Kasseler Kommentar, § 55 SGB V Rn. 23. 189

274

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

abhängen193. Daher bezweckt der Gesetzgeber mit § 55 Abs. 1 Satz 3-5 SGB V die Minderung der bis dato hohen Aufwendungen für Zahnersatz194, indem der Versicherte bei einer ungenügenden Eigeninitiative die Hälfte anstelle von 35 oder 40 % der entstandenen Kosten selbst zu tragen hat. Der Anteil des Versicherten von 50 % verringert sich auch dann nicht, wenn ein gepflegter Gebisszustand festgestellt wird, jährliche Zahnarztbesuche aber nicht stattgefunden haben195. Intensive, zahnärztliche Kontrollen tragen nämlich dazu bei, dass krankhafte Veränderungen am Zahnbestand frühzeitig erkannt und mit noch relativ geringem Aufwand beseitigt werden können. Insofern oktroyiert § 55 Abs. 1 Satz 3-5 SGB, dass über Jahre hinweg die Zähne mehrfach täglich geputzt und die zahnärztlichen Kontrolluntersuchungen wahrgenommen werden. Derartige Bemühungen um den Erhalt der Zahngesundheit kann die Krankenkasse aber nicht verlangen, zumal ihr berechtigtes Interesse durch Nichtgewährung des erhöhten Festzuschusses von maximal 65 % gesichert ist. Den Versicherten trifft dann ein Rechtsnachteil, denn es macht keinen Unterschied, ob der Gesetzgeber den Eigenanteil bei 50 % ansetzt und für eine kontinuierliche Zahnpflege einen Bonus von bis zu 15 % gewährt oder die Kostengröße des Versicherten mit 35 % festschreibt und sie bei zurechenbaren Zahnleiden auf maximal 50 % gesteigert werden kann. Durch die Verknüpfung des Verhaltensgebotes mit einem Rechtsnachteil handelt es sich dogmatisch betrachtet um eine Versichertenlast in Form einer Obliegenheit, die § 55 Abs. 1 Satz 3-5 SGB V begründet196.

b) Verwirklichung eines Krankheitsfalles Gelegentlich wird der Eintritt einer Erkrankung sehenden Auges hingenommen oder sogar zurechenbar herbeigeführt. Daher fragt sich, ob und in welcher Weise der Sozialversicherte ein Gesundheitsleiden abwenden muss. Zu ___________ 193

Für einen Zahnverlust spielen neben der mangelnden Mundhygiene auch das Lebensalter, die Schichtzugehörigkeit sowie chronische Krankheiten eine Rolle, vgl. Sawicki, G+G 2004, S. 18, 19. 194 Siehe dazu etwa Wagner in: Krauskopf, § 30 SGB V Rn. 18. 195 BVerfG NZS 2004, 650. 196 Unklar ist, ob die Last auch gegenüber dem nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 SGB V vollständig zuzahlungsbefreiten Versicherten greift. Nach der Rechtsprechung des BSG hat die Krankenkasse die Aufwendungen für Zahnersatz eines zuzahlungsbefreiten Versicherten, der die Voraussetzungen des Zahnpflegebonus iSd § 30 Abs. 2 Satz 3-6 SGB V aF nicht erfüllt, komplett zu tragen, so BSG SGb 1995, 618 ff. A.A. Rudolph, SGb 1995, S. 597, 598, nach deren Ansicht diese Versicherten bei einem unverantwortlichen Umgang mit der Zahngesundheit entsprechend dem Grundgedanken der §§ 30 Abs. 2; 62 Abs. 2 a SGB V aF mit einem Eigenanteil von 10 % beteiligt bleiben sollten.

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

275

unterscheiden ist dabei zwischen der Vermeidung einer drohenden Erkrankung, der bewussten Krankheitszuziehung und einer Genesungsverzögerung.

aa) Abwehr einer drohenden Erkrankung Lebt ein Versicherter ungesund, weil er im erheblichen Umfang raucht, sich unausgewogenen ernährt oder langfristig unter Stress steht, ist eine Erkrankung meist absehbar. Inwieweit krankmachende Verhaltensweisen bei einer konkret bestehenden Gesundheitsgefahr zu ändern sind, ergibt sich aus der Rechtsordnung. So heißt es in § 1 Satz 2 SGB V, dass Versicherte den Eintritt von Krankheit und Behinderung zu vermeiden haben. Ein allgemeingültiger Programmsatz ist daraus aber nicht abzuleiten, denn diese Alternative der Eigenverantwortung wurde mit § 52 SGB V spezialgesetzlich umgesetzt197. Die vorsätzliche oder durch strafbare Handlung zugezogene Krankheit missbilligt § 52 SGB V, demgegenüber die pauschale Vorgabe von § 1 Satz 2 SGB V subsidiär ist198. Allerdings ahndet § 52 SGB V nur eine gezielt herbeigeführte Krankheit und gebietet eben nicht generell, ein physisches oder psychisches Leiden zu vermeiden199. Infolgedessen muss ein Sozialversicherter den absehbar zu einem Gesundheitsschaden führenden Kausalverlauf nicht unterbrechen. Freilich handelt er damit im eigenen Interesse, sodass zumindest von einem außerrechtlichen Handlungsgebot auszugehen ist.

bb) Vorsätzliche Krankheitszuziehung Für selbst zugefügte Gesundheitsbeeinträchtigungen normiert § 52 SGB V eine Leistungsbeschränkung ganz gleich, ob sie auf Unwissenheit, Unfähigkeit oder Unbekümmertheit beruhen. Daher kann ein Versicherter, der sich die Erkrankung vorsätzlich oder bei Begehung einer Straftat zuzieht, angemessen an den Behandlungskosten beteiligt und Krankengeld ganz oder teilweise versagt werden200. Praktisch fand die Vorschrift bislang keine besondere Beachtung201, ___________ 197

Vgl. BT-Drucks. 11/2237, S. 182. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt Blöcher, S. 99. 199 Mihm, NZS 1995, S. 7, 8 und Faude, S. 219. 200 Zu beachten ist, dass § 52 SGB V nicht das konkrete Tun verurteilt, sondern in beiden Alternativen an der Solidaritätswidrigkeit ansetzt, siehe Blöcher, S. 103 f. 201 Eine Begründung dafür liefert Marburger, DOK 1990, S. 571: „Es handelt sich um einen Tatbestand, der in der Praxis der Krankenkassen zwar selten Anwendung findet, was aber nicht bedeutet, dass Sachverhalte im Rahmen des § 52 SGB V nicht vorhanden wären. Meist schrecken die Krankenkassen angesichts der Beweislage davor zurück, die Vorschrift des § 52 SGB V anzuwenden.“ 198

276

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

obwohl derartige Fallkonstellationen durchaus existieren202. Immerhin sah das Preußische OVG203 schon 1893 in dem Umstand, dass sich ein Versicherter sein krummes, aber voll funktionsfähiges Bein zur Behebung des Schönheitsmakels operativ brechen ließ, eine mutwillig hervorgerufene Arbeitsunfähigkeit und lehnte die Zahlung von Krankengeld beruhend auf § 26 Abs. 4 Nr. 2 KVG ab. Mittlerweile würde diese Entscheidung wohl nicht mehr ergehen, weil sich das Ästhetikempfinden und die Wertigkeit des äußeren Erscheinungsbildes gewandelt haben. Als Beispiel für das unbillige Ausnutzen der Solidargemeinschaft kann der von der allgemeinen Presse recht breit diskutierte Fall, dass eine junge Frau mit ihrem HIV-positiven Freund ungeschützt sexuell verkehrt und nach eigenen Angaben mit der eigenen Infektion rechnet, angeführt werden. Daneben ist § 52 SGB V anwendbar, wenn ein trockener Alkoholiker trotz ärztlicher Belehrung über seine notwendige Mitwirkung wieder mit dem Trinken anfängt. Ein sachgerechter Umgang mit § 52 SGB V erfordert zuerst die dogmatisch begründete Zuweisung des Rechtssatzes zum Normentypus der Pflicht oder Last (1.), ehe die Voraussetzungen dargelegt und seine Anwendbarkeit auf bestimmte Situationen wie eine suchtbedingte Folgeerkrankung, die Ausübung von Extremsportarten und eine risikobehaftete Lebensweise diskutiert werden (2.) und anschließend die Rechtsfolgen der vorsätzlichen Krankheitsherbeiführung aufzuzeigen sind (3.). 1. Anders als in der privaten Krankenversicherung, wo sich die vorsätzliche Gefahrverwirklichung jenseits des Versicherungsschutzes vollzieht, verliert der sozialversicherte Patient seinen Krankenbehandlungsanspruch nicht. Er kann allenfalls im Nachhinein an den entstandenen Heilkosten angemessen beteiligt werden. Krankengeld darf hingegen von vornherein verweigert oder nach seiner Gewährung zurückgefordert werden. Der Grund für dieses retrospektive Vorgehen der Krankenkasse liegt zum einen rein pragmatisch in der Tatsache, dass im Moment einer Behandlungsbedürftigkeit die vorsätzliche Krankheitszuziehung meist nicht bekannt ist, und andererseits in der sozialen Komponente der gesetzlichen Krankenversicherung. Dennoch stellt es sich nicht anders dar, als wenn die Krankenkasse a priori nicht oder nur beschränkt leistungspflichtig wäre. Wegen der Verknüpfung der Verhaltensvorgabe mit einem Rechtsnachteil enthält § 52 SGB V eine Last, sodass vom Versicherten ein normgemäßes Handeln nur erwartet, nicht jedoch verlangt werden kann. ___________ 202 So bejahte BSGE 18, 257, 258 f., eine vorsätzlich herbeigeführte Krankheit bei einer schuldhaften Beteiligung an einer Schlägerei und Raufhandel iSd § 192 RVO als Vorgängerregelung des jetzigen § 52 SGB V. 203 PreußOVGE 24, 330 ff.

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

277

2. Inhaltlich verbietet die Last, sich vorsätzlich krank zu machen204. Vorsatz erfordert wie im Zivil- und Strafrecht ein willentliches und wissentliches Handeln, das von der Absicht über den direkten Vorsatz bis zum bedingten Vorsatz reichen kann205. Nicht ganz eindeutig ist der Bezugspunkt, der entweder allein im Tun gesehen wird206 oder zusätzlich den Erfolg einbezieht207. Vor allem bei einer fehlgeschlagenen Selbsttötung kommen beide Ansätze zu verschiedenen Ergebnissen. So wird § 52 SGB V nur bei Heranziehung des handlungsbezogenen Vorsatzbegriffes für anwendbar208 und sonst für nicht einschlägig gehalten209, denn der Suizident wolle sich gerade in einer tödlich verlaufenden Form verletzen, wobei die Gesundheitsbeeinträchtigung notwendiges Durchgangsstadium der Tötung sei. Aus der ursprünglichen Regelung in § 6 Abs. 3 KVG, dessen Tatbestand die pflichtwidrige oder böswillige Krankheitszuziehung, die schuldhafte Beteiligung an einer Schlägerei oder Raufhandel, Trunkfälligkeit und geschlechtliche Ausschweifungen nannte, folgt eine Verhaltensausrichtung. Daran hat sich trotz mehrfacher Novellierungen nichts geändert. Im Übrigen kann die Solidargemeinschaft nur unter der Prämisse eines weiten Vorsatzverständnisses geschützt werden. Mithin ist eine vorsätzliche Krankheitszuziehung anzunehmen, wenn der Versicherte wissentlich und willentlich gesundheitsschädlich handelt und mit seiner Erkrankung zumindest rechnet, ohne dass sie konkret oder umfänglich gewollt sein muss. Demnach ist irrelevant, ob der bewusst gestürzte Schüler, der am Folgetag am Sportunterricht nicht teil___________ 204 Die für die Anwendung von § 52 SGB V relevante Ursächlichkeit des Verhaltens für den eingetretenen Schaden bestimmt sich nicht nach den bekannten Kausalitätslehren wie der zivilrechtlichen Adäquanztheorie oder der Äquivalenztheorie im Strafrecht, sondern orientiert sich an der eigens für die Unfallversicherung und Kriegsopferversorgung entwickelten Theorie der wesentlichen Bedingung, siehe dazu Barta, Kausalitätslehre im Sozialversicherungsrecht. 205 Für diese herrschende Meinung statt vieler Marburger, KrV 1977, S. 80; ders., ZfSH 1982, S. 353, 356; ders., DOK 1990, S. 571, 572; Hixt, WzS 1983, S. 208, 210 f.; Rompf, SGb 1997, S. 105 und Krauskopf in: Krauskopf, § 52 SGB V Rn. 3. A.A. Blöcher, S. 86 ff., der jedenfalls den bedingten Vorsatz für § 52 Alt. 1 SGB V aus Interessen- und Ergebnisgerechtigkeit ausgeklammert wissen möchten. Da der Gesetzgeber anders als bei § 103 SGB VI und § 553 RVO bislang eine Klarstellung nicht für erforderlich hielt, scheint diese Ansicht aus systematischen Erwägungen m.E. schwer haltbar. 206 Dafür Geschwinder, ZfS 1981, S. 101; Marburger, DOK 1990, S. 571; Rompf, SGb 1997, S. 105, 106 und Schnorr von Carolsfeld in: FS für Schieckel, S. 261, 278 f. 207 In diesem Sinne Noftz in: Hauck/ Haines, § 52 SGB V Rn. 16, 18 und Schellhorn in: Maydell, Kommentar, § 52 SGB V Rn. 5. 208 So schon RVA AM RVA 1915, 426 ff. und SG Hildesheim DL 1965, 185 sowie Marburger, KrV 1977, S. 80; Rompf, SGb 1997, S. 105, 107; Faude, S. 211; Krauskopf in: Krauskopf, § 52 SGB V Rn. 2. 209 Bender, SozVers 1989, S. 1, 7 und Clemens in: Schulin, Krankenversicherungsrecht, § 22 Rn. 462.

278

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

nehmen möchte, sich nicht bloß planmäßig das Knie aufschlägt, sondern am Meniskus operiert werden muss, und ein Arbeitnehmer, der leicht erkältet gerne einmal ein paar Tage zu Hause ausspannen will und deshalb ins kalte Wasser springt, an einer langwierigen Lungenentzündung erkrankt210. Andererseits unterfällt das harmlose Kratzen an einer Hautrötung, wodurch eine erhebliche Entzündung entsteht, mangels bewusst krankmachenden Verhaltens nicht § 52 SGB V. Für die Fälle absehbarer Erkrankungen anlässlich der Pflege eines kranken Angehörigen oder beim Besuch eines ansteckend infizierten Bekannten bedarf es einer teleologischen Reduktion des § 52 SGB V, zumal diese Form der Mitmenschlichkeit wünschenswert ist211. Gerade weil § 52 SGB V praktisch kaum angewendet wird, sollen die Konstellationen einer vorsätzlichen Krankheitszuziehung herausgearbeitet werden. Schwierig gestaltet sich dabei, ob und inwieweit risikobehaftete Lebensweisen vom Anwendungsbereich des § 52 SGB V erfasst werden. Dies ist insbesondere für suchtbedingte Folgeerkrankungen, Gesundheitsschäden durch Sport- und Freizeitunfälle sowie Körperleiden beruhend auf inadäquaten Lebensformen zu klären. Eine Sucht als krankhaft gesteigertes Verlangen etwa nach Alkohol, Drogen, Medikamenten, Nikotin oder auch Arbeit macht früher oder später krank. Das gilt im besonderen Maße für die tendenziell zunehmenden Essstörungen einer Magersucht und Bulimie, die langfristig zum behandlungsbedürftigen Gewichtsverlust führen. Sofern gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht derart eindeutig einer Abhängigkeit zuzuordnen sind, kann durch die komplexen Krankheitsursachen wie bei einem Herzinfarkt schon der Kausalitätsnachweis misslingen. Steht die Verursachung einer Kachexie als typische Folge von Alkoholismus oder Drogenkonsums dagegen fest, ist der Vorsatz zu prüfen. Die Abhängigkeit von Rauschmitteln oder bestimmten Handlungen vollzieht sich nämlich langsam und meist nicht zielgerichtet, sodass teilweise nur von bewusster Fahrlässigkeit ausgegangen wird212. Andere bejahen infolge der Aufklärungskampagnen über Suchtphänomene und ihre Wirkungen die billigende Inkaufnahme des Konsumenten, abhängig zu werden und sodann zu erkran___________ 210 Beispiele entnommen von Rompf, SGb 1997, S. 105, 106 sowie Schnorr von Carolsfeld in: FS für Schieckel, S. 261, 280. 211 Daneben könnte auch an eine Ermessensreduzierung auf Null gedacht werden, sodass kein Raum für eine Beteiligung des Versicherten an den Heilbehandlungskosten oder eine Verweigerung von Krankengeldzahlung bliebe. 212 Dafür Rompf, SGb 1997, S. 105, 106 f.; Clemens in: Schulin, Krankenversicherungsrecht, § 22 Rn. 462 sowie Schneider, Rn. 462.

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

279

ken213. Da nach eigener Ansicht ein Handeln im Bewusstsein der Gesundheitsschädlichkeit ausreicht, sollten zumindest Gefäßverschlüsse bei starken Rauchern, die mit dem Auftreten erster Anzeichen von ihrem Arzt zur Nikotinabstinenz angehalten wurden und dennoch unbeirrt weiterrauchen, als vorsätzliche Krankheitszuziehung eingestuft werden. Demnach ist § 52 SGB V spätestens ab dem Moment anzuwenden, wo ein suchttypisches Sekundärleiden zu entstehen droht und eine Verhaltensänderung ärztlich angeordnet wird, sofern der Abhängigkeit noch widerstanden werden kann214. Ein wiederholter Herzinfarkt eines Angestellten gilt somit als selbstverschuldet, wenn ihm nach dem ersten Infarkt die Gefahr seiner ständigen Überarbeitung insistierend veranschaulicht wurde und er den Workaholismus trotzdem nicht überwunden hat, obwohl dies möglich gewesen wäre. Bekanntermaßen riskante Sportarten wie Bergsteigen, Boxen, Bungee-Jumping, Klettern, Paragliding sowie Snowboarden werden besonders aus Wagemut in der Hoffnung betrieben, alles möge gut gehen. Trotz der abstrakten Gefährlichkeit bezwecken Extremsportler gerade keine Körperschädigung, sodass § 52 SGB V bei sportbedingten Verletzungen nicht eingreift215. Da solche Sportunfälle meist mit erhöhten Heilbehandlungskosten verbunden sind, werden in Anbetracht des maroden Sozialversicherungssystems zunehmend Überlegungen zur Reaktion auf diese Form der Selbstverwirklichung angestellt216. Als Ausnahmevorschrift ist § 52 SGB V der extensiven Auslegung oder analogen Anwendung nicht zugänglich217. Die Reformbestrebung zur Aufnahme bewusst fahrlässigen Handelns in § 52 SGB V konnte sich nicht durchsetzen218, zumal ein Widerspruch mit Art. 69 e, f ICO-Übereinkommen entstünde219. An___________ 213

In dieser Weise Marburger, KrV 1977, S. 80, 81; Geschwinder, ZfS 1981, S. 101, 103, 105. 214 Ähnlich Faude, S. 199. 215 Rompf, SGb 1997, S. 105, 108; Faude, S. 180, 211 sowie Schneider, Rn. 462. 216 Siehe etwa Hennies, ArztR 2000, S. 116, 117; Faude, S. 150 oder auch Montgomery, SZ vom 27.05.2002, S. 13: „Wer Risikosportarten betreibt oder Motorrad fährt, muss mehr (Prämien oder Beiträge) zahlen als ein stiller Bücherwurm.“ 217 Künnell, DOK 1990, S. 333, 334; Höfler in: Kasseler Kommentar, § 52 SGB V Rn. 3; Schellhorn in: Maydell, Kommentar, § 52 SGB V Rn. 21. 218 Dafür Rompf, SGb 1997, S. 105, 106 f. 219 Art. 69 des Gesetzes zum Übereinkommen Nr. 102 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 28.06.1952 über Mindestnormen der Sozialen Sicherheit (BGBl II 1957, S. 1321 ff., 1347) lautet: „Eine Leistung ... kann in einem vorgeschriebenen Ausmaß ruhen, e.) wenn der Fall von der betreffenden Person durch ein von ihr begangenes Verbrechen herbeigeführt worden ist, f.) wenn der Fall von der betreffenden Person vorsätzlich herbeigeführt worden ist ...“.

280

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

dererseits soll der restriktiv gefasste § 52 SGB V in seiner geltenden Fassung einen größtmöglichen Freiraum für die individuelle Lebensplanung und -gestaltung sichern. Daran ist vermutlich auch der im Zuge der Gesundheitsreform 2003 aufgeworfene Ausschluss von Extremsportarten aus der gesetzlichen Krankenversicherung gescheitert. Bei aller Diskussion ist zu beachten, dass die ausgiebige sportliche Betätigung zur Fitnesssteigerung und Verbesserung des Allgemeinzustandes beiträgt und damit durchaus den Interessen der Versichertengemeinschaft entspricht220. Auch gesundheitsschädliche Lebensweisen wie einseitige Ernährung, anhaltender Bewegungsmangel, stetiges Schlafdefizit oder Reisen in Regionen, für die eine Gesundheitswarnung existiert, vollziehen sich üblicherweise nicht im Bewusstsein einer Körperschädigung, was der Anwendbarkeit von § 52 SGB V entgegensteht221. Klärt der Vertrags(zahn)arzt über die krankheitsverursachende Wirkung auf, missachtet der Betoffene gleichwohl die Verhaltensanweisungen und erkrankt deswegen, ist jedoch bedingter Vorsatz anzunehmen222. Das Tätowieren oder Piercen an verschiedenen Körperstellen, das auch bei Vornahme durch einen Arzt zu Entzündungen führen kann, erfolgt nur aus Trendbewusstsein und damit ohne Schädigungsvorsatz, sodass bis zur Einführung des § 52 Abs. 2 SGB V223 die Versichertengemeinschaft für alle Folgekosten der als körperverschönernd verstandenen Eingriffe einstand224. Seit 1. April 2007 hat die Krankenkasse nunmehr sozialversicherte Patienten an den Kosten einer Krankheit durch eine medizinisch nicht indizierte Maßnahme wie zum Beispiel eine ästhetische Operation, eine Tätowierung oder ein Piercing angemessen zu beteiligen und Krankengeld für die Dauer der Behandlung ganz oder teilweise zu versagen. 3. Auf der Rechtsfolgenseite eröffnet § 52 SGB V ein Ermessen, das von der Krankenkasse iSd § 39 Abs. 1 SGB I auszuüben ist und gewährleistet, dass eine angemessene und sachgerechte Lösung unter Berücksichtigung der gesetzli___________ 220

BSGE 9, 232, 237 f. Noftz in: Hauck/ Haines, § 52 SGB V Rn. 22; Höfler in: Kasseler Kommentar, § 52 SGB V Rn. 5b. Speziell für einen adipösen Versicherten, der möglichst gut und glücklich ohne Krankheit leben möchte, Schimanski, SozVers 1977, S. 314, 318. 222 Im Ergebnis ebenso Faude, S. 199. Gleichermaßen auch LSG Rheinland-Pfalz (10.11.1975 - 2 J 139/74), n.v., das die Aufrechterhaltung verfehlter Essgewohnheiten trotz gesundheitsschädlichen Übergewichts rentenrechtlich sanktioniert hat. 223 Eingefügt mit Wirkung ab 01.04.2007 durch Art. 1 Nr. 31 b; 46 Abs. 1 des GKVWettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.03.2007 (BGBl I 2007, S. 386). 224 Dagegen sprach sich schon Bayerns Sozialministerin Christa Stewens im Beitrag „Piercing und Krankenversicherung“ der Online-Ausgabe des Spiegels vom 04.04.2002 aus (abrufbar unter: http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,190249,00.html). 221

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

281

chen Zielsetzung und konkreten Umstände des Einzelfalles gefunden wird. Bei der Entscheidung über eine Beteiligung des Versicherten an den Heilbehandlungskosten oder der Verweigerung von Krankengeld soll sich die Krankenkasse laut Begründung zum Regierungsentwurf daran orientieren, ob und in welchem Umfang dem Versicherten eine Leistungsbeschränkung oder ihr selbst eine umfassende Deckung zumutbar ist. Ins Gewicht fallen dabei der Verschuldensgrad, die Höhe der entstandenen Kosten sowie die finanzielle Leistungsfähigkeit des Versicherten225. Krankengeld kann indes nur dann vollständig versagt werden, wenn der Wegfall der Lohnersatzleistung durch ein hohes Verschulden angemessen226 und wegen der finanziellen Situation des Versicherten erträglich ist und unterhaltsberechtigte Familienangehörige weitgehend gesichert sind. Damit § 52 SGB V hinsichtlich der Beteiligung eines sozialversicherten Patienten an den Behandlungskosten nicht leer läuft, zählt zu den berücksichtigungswürdigen Heilbehandlungskosten nicht nur der anlässlich einer verschuldeten Krankheit konkret entrichtete Betrag, sondern auch die Aufwendungen, die per pauschalierter Gesamtvergütung abgegolten wurden und die Krankenkasse somit nicht separat belastet haben227. Ein ergangener Bescheid gilt für die Dauer der Krankheit und erfasst grundsätzlich alle auf die vorsätzliche Verursachung zurückgehenden Ansprüche, auch bei einer zwischenzeitlichen Unterbrechung des Leistungsbezuges. Ausgenommen sind nur unvorhersehbare Wiedererkrankungen, weil diese Sondersituation in die Ermessenserwägungen nicht einfließen konnte, sodass in einem solchen Fall erneut ein Verwaltungsakt gemäß § 31 SGB X ergehen muss228.

cc) Verzögerung der Genesung Mitunter verschlimmern sich Krankheiten durch eine unzureichende Patientenbeteiligung, indem sie chronisch werden oder weitere Leiden hinzutreten. Fraglich ist, ob der erhöhte Behandlungsaufwand infolge einer vorsätzlich verschleppten Gesundung dem Versicherten gemäß § 52 SGB V zuzurechnen ist. Sofern man dies bejahen würde, ergäbe sich aus § 52 SGB V letztlich auch eine Last zur Therapieteilhabe. Nach seinem Wortlaut bezieht sich § 52 SGB V auf eine Krankheitszuziehung, was ein Verhalten im Vorfeld der Risikoverwirklichung meint. Eine erweiterte Auslegung im Sinne der Kooperationslast kommt wegen des Ausnahmecharakters dieser Vorschrift nicht in Betracht, sodass sie ___________ 225

BT-Drucks. 11/2237, S. 182. So plädiert Krauskopf in: Krauskopf, § 52 SGB V Rn. 13, für die absichtliche Krankheitszuziehung im Bewusstsein einer drohenden Arbeitsunfähigkeit. 227 Wie hier Rompf, SGb 1997, S. 105, 109. A.A. Künnell, DOK 1990, S. 333, 334. 228 Krauskopf in: Krauskopf, § 52 SGB V Rn. 10. 226

282

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

nicht zugleich eine erst später einsetzende Steigerung des Krankheitswertes erfasst und sanktioniert229. Denn in einer vereitelten Genesung, die zur Verlängerung oder Verstärkung der Erkrankung führt, kann prinzipiell kein krankheitsstiftendes Moment gesehen werden. Die Nichtanwendbarkeit des § 52 SGB V auf die Genesungsverzögerung bedeutet indes nicht, dass einen sozialversicherten Patienten keinerlei Therapieverantwortung trifft. Welche Konsequenzen die Verweigerung der ärztlich angeratenen Operation als der sichere und schnellere Weg gegenüber einer natürlichen Ausheilung, die Nichteinnahme verordneter Medikamente oder die mangelnde körperliche Schonung während der Rekonvaleszenz hat, wird in einem separaten Unterpunkt thematisiert230.

2. Einschaltung eines Vertrags(zahn)arztes Erkrankt ein Versicherter, stellt sich zunächst die Frage, ob er über das Sozialversicherungsverhältnis gehalten ist, unverzüglich einen (Zahn)Arzt zur möglichst frühzeitigen Behebung oder Linderung der Beschwerden einzuschalten. Sodann interessieren alle Verhaltensnormen rechtlicher Art im Zuge der Konsultation eines vertrags(zahn)ärztlich tätigen Mediziners, insbesondere das Bestehen einer Pflicht oder Last zur Inanspruchnahme des nächsterreichbaren Vertrags(zahn)arztes, zur Vorlage der Versichertenkarte vor der ersten Behandlung im Quartal und zur Zahlung einer sogenannten Praxisgebühr.

a) Hinzuziehung eines Mediziners Gemäß § 19 Satz 1 SGB IV werden Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nur auf Antrag erbracht. Demnach ist einem Sozialversicherten der erste Schritt für die Inanspruchnahme von Leistungen seiner Krankenkasse überantwortet, der jedoch bereits in der Konsultation eines Vertrags(zahn)arztes zu erblicken ist. Mithin erstaunt das Fehlen gesetzlicher Regelungen, wonach der Sozialversicherte zur Behebung oder Verringerung seines Leidens einen Mediziner aufzusuchen hat, nicht. Selbst wenn die Symptomatik einen Karzinomverdacht nahe legt, kann die Krankenkasse solange nicht einschreiten, wie keine Leistungen in Form von Heilmaßnahmen oder Krankengeld begehrt werden. Abgesehen von der Last des § 52 SGB V gibt es vor Antragstellung keine Teilhabeverantwortung des Versicherten, sodass die Zuziehung eines Vertrags(zahn)arztes unmittelbar nach Krankheitseintritt weder ___________ 229 230

Ebenso Blöcher, S. 133 und Zipperer in: Maaßen, § 52 SGB V Rn. 11. Siehe die Ausführungen in diesem Kapitel unter B IV.

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

283

gefordert noch erwartet wird231. Eine verzögerte Genesung infolge der zunächst unterbliebenen Behandlung kann auch nicht als vorsätzliche Krankheitsherbeiführung gewertet werden, weil § 52 SGB V eine Heilungsvereitelung nicht einbezieht. Zeigt dagegen ein berufstätiger Versicherter seine Arbeitsunfähigkeit an, um Krankengeld zu erhalten, und entzieht sich sodann einer medizinisch gebotenen Versorgung, kann die Krankenkasse gemäß § 63 SGB I zur Behandlung auffordern. Das gilt beispielhaft für eine reaktivierte Lungentuberkulose, die medikamentös und diätisch therapiert werden muss und des Weiteren körperliche Ruhe und Freiluftaufenthalte erfordert. Wird ein Versicherter schon (zahn)ärztlich betreut, bedarf es eines vergleichbaren Verlangens nicht. Folglich besteht eine Behandlungslast lediglich dann, wenn ein Patient arbeitsunfähig erkrankt ist und von der Krankenkasse zur medizinischen Betreuung aufgefordert wird.

b) Konsultation eines Vertrags(zahn)arztes Möchte sich der Versicherte behandeln lassen, darf er gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V zwischen den zur kassen(zahn)ärztlichen Versorgung zugelassenen oder ermächtigten Medizinern wählen. Mit der Konsultation eines außerhalb dieses Personenkreises stehenden (Zahn)Arztes, bewegt er sich jenseits des Versicherungsschutzes und muss die Kosten dieser Privatbehandlung selbst tragen. Für Notfälle, die eine sofortige medizinische Hilfe erfordern, sieht § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V eine Ausnahme vor. Gleichwohl wird die Inanspruchnahme eines rein privatmedizinisch operierenden (Zahn)Arztes nur ultima ratio erstattungsfähig sein, denn alle Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen halten zur Erfüllung ihres Sicherstellungsauftrages durchgehend Notdienste vor232. Mithin kann sich ein sozialversicherter Patient auf den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nur berufen, wenn er einen Vertrags(zahn)arzt einschaltet. Dies resultiert aus dem komplizierten Leistungserbringungsrecht, wonach die Krankenkassen eine ihrerseits geschuldete Krankenbehandlung über Vertrags(zahn)ärzte erbringen233. Da nur die Konsultation eines Vertrags(zahn)arztes den Schutzbereich eröffnet und damit einen Rechtsvorteil bedingt, statuiert § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine entsprechende Verhaltenslast. Das Wahlrecht beschränkt § 76 Abs. 2 SGB V dahingehend, dass grundsätzlich der nächsterreichbare Vertrags(zahn)arzt aufzusuchen ist. Unter mehreren, ___________ 231

Gleichsam Faude, S. 164 f. Heinze in: Gesamtkommentar, § 76 SGB V Anm. 4. 233 Näheres zu diesem System findet sich im 1. Kapitel unter A. 232

284

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

ähnlich weit entfernten vertrags(zahn)ärztlich tätigen Medizinern ist derjenige nächsterreichbar, bei dessen Konsultation die Fahrkosten im Vergleich zu den Aufwendungen, die mit dem Aufsuchen des absolut nächsten Vertrags(zahn)arztes verbunden sind, allenfalls geringfügig höher ausfallen. Zumindest ein siebenfacher Faktor erfüllt dieses Erfordernis nicht mehr234. Regelmäßig dürfte der sozialversicherte Patient selbst an einer möglichst wohnortnahen medizinischen Versorgung interessiert sein. Bei einem Wohnortwechsel besteht aber durch die häufig langfristige Herausbildung eines Vertrauensverhältnisses zwischen (Zahn)Arzt und Patient ein Bedürfnis, den bisherigen Mediziner trotz der eventuell größeren Entfernung wenigstens vorübergehend weiter konsultieren zu dürfen. Ein derartiger Grund berechtigt durchaus zur Inanspruchnahme eines anderen als den generell nächsterreichbaren Vertrags(zahn)arzt235, wobei nach Ablauf einer bestimmten Frist eine Umstellung zumutbar ist236. Ansonsten hat der sozialversicherte Patient die aus der Konsultation eines nicht nächsterreichbaren Vertrags(zahn)arztes entstehenden Mehrkosten zu tragen, die beim Erscheinen in der Praxis auf § 60 Abs. 2 Nr. 3, 4 oder § 60 Abs. 2 Satz 2 iVm §§ 61; 62 SGB V beruhen können und ferner erst bei Hausbesuchen anfallen. Angesichts dieses Rechtsnachteils statuiert § 76 Abs. 2 SGB V eine Last, die jedoch keine allzu große Zwangswirkung zeitigt. Denn die Sanktion erweist sich selten als griffig, weil die Behandlungskosten nicht von der Distanz des Wohnortes zur (zahn)ärztlichen Niederlassung abhängen und der Fahraufwand bloß in Ausnahmesituationen von der Krankenkasse getragen wird237. Für den durchschnittlichen Versicherten ist also irrelevant, ob sein chronisches Rückenleiden beispielhaft am hamburgischen Lebensmittelpunkt oder immer in München chiropraktisch versorgt wird. Bei solchen Entfernungen kann der Vertrags(zahn)arzt ohnehin nicht die Rolle eines Ansprechpartners in Akutsituationen übernehmen und den Kranken notfalls zu Hause aufsuchen. Da der persönliche Medizinerstamm meist unter diesem Aspekt zusammengestellt wird und somit jederzeit Mehrkosten entstehen können, sollte der sozialversicherte Patient bei seiner (Zahn)Arztwahl das Kriterium einer gewissen Nähe beachten. Denn die Last des § 76 Abs. 2 SGB V greift durch, wenn die Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung gemäß § 60 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 4 SGB V oder iSd §§ 60 Abs. 2 Satz 2; 61; 62 SGB V eine Kassenleistung darstellen oder der aus___________ 234

BSG NJW 1982, 1350. Gleiches gilt für eine ernsthafte Störung des Vertrauensverhältnisses zum nächsterreichbaren Vertrags(zahn)arzt, vgl. LSG Niedersachsen Breithaupt 1981, 565. 236 So auch Hess in: Kasseler Kommentar, § 76 SGB V Rn. 19. 237 Aus diesen Gründen dürfte die Bedeutung des § 76 Abs. 2 SGB V eher gering sein gegenüber der früheren Rechtslage, wo die Krankenkasse die erforderlichen Fahrkosten nach § 194 Abs. 1 Satz 1 RVO ersetzte und insofern die Mehrkostentragung durch den Versicherten deutlich breiter angelegt war. 235

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

285

gewählte Vertrags(zahn)arzt beim häuslichen Notfall einspringt. Für die übrigen Fälle lässt sich mangels Sanktionsandrohung keine Last herleiten, sodass ein Hamburger durchaus den Münchner Chiropraktiker aufsuchen kann.

c) Vorlage der Krankenversichertenkarte Vor der ersten Behandlung im Quartal hat der Sozialversicherte seine Krankenversicherungskarte gemäß § 15 Abs. 2 SGB V vorzulegen, um eine vertrags(zahn)ärztliche Versorgung zu autorisieren und dem Vertrags(zahn)arzt die Teilnahme am kassen(zahn)ärztlichen Vergütungssystem zu ermöglichen. Falls die Versichertenkarte nicht ausgehändigt oder innerhalb einer Zehntagesfrist nachgereicht wird, kann der Vertrags(zahn)arzt nach § 18 Abs. 8 Nr. 1 BMV-Ä bzw. den §§ 4 Abs. 5 lit. b; 8 Abs. 4 BMV-Z sein Entgelt unmittelbar vom sozialversicherten Patienten verlangen. Da die Bundesmantelverträge aufgrund ihrer relativen Wirkung und mangels normativer Erstreckung auf den Versicherten aber nicht anwendbar sind, müssen diese Normen in der Weise verstanden werden, dass sie eine Einstandspflicht der Krankenkasse ausschließen. Wird die Versichertenkarte binnen der Frist von 10 Tagen oder bis zum Quartalsende vorgelegt, hat der Vertrags(zahn)arzt ein schon entrichtetes Honorar nach § 18 Abs. 9 BMV-Ä bzw. § 8 Abs. 4 Satz 2 BMV-Z an den Versicherten zurückzuzahlen. Mit Vorlage der Versichertenkarte greift also der Versicherungsschutz ein, sodass sich der sozialversicherte Patient durch ein normgemäßes Verhalten eine kostenlose medizinische Versorgung verschaffen kann. Somit steckt § 15 Abs. 2 SGB V den Schutzumfang über eine Risikobeschreibung ab. Als Handlungserwartung gebietet sie dem Sozialversicherten die Vorlage seiner Versichertenkarte während des laufenden Quartals, wenn er vertrags(zahn)ärztlich behandelt werden will.

d) Zahlung der Praxisgebühr Laut § 28 Abs. 4 SGB V müssen Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, vor der ersten (zahn)ärztlichen oder psychotherapeutischen Behandlung im Kalendervierteljahr eine Zuzahlung an den Leistungserbringer entrichten238, die nach § 61 Satz 2 SGB V derzeit 10,00 € beträgt239. Das gilt nicht für ___________ 238 Bei der kleinen Gruppe der sozialversicherten Patienten, die auf Kostenerstattungsbasis gemäß § 13 Abs. 2 SGB V abrechnet, wird die sogenannte Praxisgebühr nicht an den Vertrags(zahn)arzt gezahlt, sondern von der gegen die Krankenkasse geltend gemachten Rechnung abgezogen.

286

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

Konsultationen infolge Überweisung oder die Inanspruchnahme reiner Vorsorgeleistungen wie Schutzimpfungen iSd § 23 Abs. 9 SGB V, Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten nach § 25 SGB V, zahnärztliche Untersuchungen gemäß § 55 Abs. 1 Satz 4, 5 SGB V oder Schwangerenbetreuungen gemäß § 196 Abs. 1 RVO240. Ansonsten ist die Praxisgebühr prinzipiell vor der (zahn)ärztlichen Versorgung zu leisten, außer es besteht akute Behandlungsbedürftigkeit241. Übergibt der volljährige Kassenpatient indes keine 10,00 €, darf der Vertrags(zahn)arzt die Behandlung nach § 13 Abs. 7 Satz 1 BMV-Ä bzw. § 8 a Abs. 10 BMV-Z ablehnen. Andernfalls obliegt dem Mediziner oder der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung die Einziehung der verweigerten Praxisgebühr, weil § 43 b Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht greift, sofern die Leistung im Rahmen von Gesamtverträgen erbracht und abgerechnet wird. Die einem Versicherten durch § 28 Abs. 4 SGB V auferlegte Zahlungspflicht gründet im Sozialversicherungsverhältnis, ist also öffentlich-rechtlicher Natur und besteht im Verhältnis zur Krankenkasse, obwohl die Praxisgebühr durch die Leistungserbringer eingezogen und einbehalten wird. Mit der Anrechnung dieser Beträge auf die Vergütungsansprüche der Vertrags(zahn)ärzte findet eine interne Saldierung statt, weshalb die Zahlung der Praxisgebühr einem Honorarzuschuss ähnelt242. Begleicht der sozialversicherte Patient trotz Behandlung seine Schuld in Höhe von 10,00 € nicht243, muss nach der Vorstellung des Gesetzgebers der Vertrags(zahn)arzt oder aber die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung die Summe eintreiben. Mahnt der Vertrags(zahn)arzt seinen Patienten erfolglos schriftlich, übernimmt sodann gemäß § 18 Abs. 5 Satz 1 BMV-Ä bzw. § 8 a Abs. 13 BMV-Z die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung ___________ 239 Über diese Kostenbeteiligung sollen einerseits die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung konsolidiert und zum anderen (zahn)ärztliche Mehrfachkonsultationen beruhend auf der höheren Eigenverantwortung der Versicherten vermieden werden, vgl. BT-Drucks. 15/1525, S. 83. 240 Dadurch wird sichergestellt, dass präventive Maßnahmen nicht wegen der finanziellen Belastung des Versicherten unterbleiben. Werden jedoch bei einer Vorsorgeuntersuchung zusätzliche andere Leistungen wie eine Zahnfüllung erbracht, ist die Praxisgebühr aus Gleichheitsgründen zu zahlen; in diesem Sinne Höfler in: Kasseler Kommentar, § 28 SGB V Rn. 35. Anders hingegen der Gesundheitsausschuss, vgl. BTDrucks. 15/1600, S. 10. 241 In medizinischen Notfällen kann die Praxisgebühr auch nach der Behandlung erhoben werden, wobei der sozialversicherte Patient über § 18 Abs. 4 BMV-Ä bzw. § 8 a Abs. 11 BMV-Z gehalten ist, die Zuzahlung unverzüglich, spätestens binnen 10 Tagen zu entrichten. 242 SG Köln (10.03. 2004 - S 19 KA 5/04), n.v. 243 In der Praxis dürfte sich das auf medizinische Notfälle mit sofort gebotener medizinischer Versorgung beschränken, da Vertrags(zahn)ärzte typischerweise vor Entrichtung der Praxisgebühr nicht tätig werden.

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

287

den weiteren Zahlungseinzug. Die Geltendmachung der Praxisgebühr vor dem Sozialgericht244 ist freilich nicht prozessökonomisch, weil selbst beim Obsiegen der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung die nach § 184 Abs. 2 SGG pauschalierten Prozesskosten von 150,00 € anfallen. Dieser Betrag kann nach gegenwärtiger Rechtslage nicht auf die Krankenkasse als eigentliche Nutznießerin des finanziellen Vorteils verlagert werden245. Auch wenn künftig eine Regelung zur Kostentragung bei einer erfolgreichen, gerichtlichen Beitreibung der Praxisgebühr in die Bundesmantelverträge aufgenommen würde246, bleibt gleichwohl das Missverhältnis zwischen den Aufwendungen von mindestens 150,00 € und dem Erfolg über 10,00 € bestehen. Das Dilemma lässt sich wohl nur dadurch umgehen, dass Vertrags(zahn)ärzte ihre Kassenpatienten, abgesehen von echten Notfällen, erst nach Zahlung der 10,00 € behandeln247.

3. Aufklärungsbeförderung zugunsten der Krankenkasse Mitunter sind entscheidungserhebliche Informationen nur dem Leistungsberechtigten bekannt, sodass er die Ermittlungen seiner Krankenkasse über die Angabe dieser Daten oder Fakten leicht unterstützen kann. Auch wenn es so scheint, liegt eine derartige Aufklärungsbeförderung nicht bloß im Interesse der Krankenkasse. Denn meist ist dem Versicherten selbst an der Feststellung des Sachverhaltes und dessen Subsumtion unter die Leistungsvoraussetzungen gelegen, zumal er für das Vorliegen des Anspruchstatbestandes die Beweislast trägt. Damit ein Leistungsantrag schnell beschieden wird, bringen sich manche Versicherten unabhängig von einer Mitteilungspflicht oder -last ein. Unklar ist aber, wie gegen einen nicht kooperativen Versicherten vorgegangen werden kann. Möglicherweise muss der Versicherte die Informationsbeschaffung der Krankenkasse unterstützen, was entweder per Auskunft oder Untersuchung erreicht werden könnte.

___________ 244

Dazu jüngst SG Düsseldorf MedR 2005, 426 ff. A.A. Anm. Kazemi, MedR 2005, S. 426 f., der § 18 Abs. 5 Satz 3, 4 BMV-Ä angesichts seiner ratio, wonach die Kosten erfolgloser, nicht hingegen erfolgreicher Vollstreckungsmaßnahmen der Krankenkasse anheimfallen, in analoger oder extensiver Anwendung heranziehen will. 246 Laut Anm. Kazemi, MedR 2005, S. 426, 427, soll dies bislang aus Versehen oder Unachtsamkeit unterblieben sein. 247 Die gesetzliche Regelung allein besagt dies nicht, wohl aber im Zusammenhang mit § 13 Abs. 7 BMV-Ä, so auch Jahn, § 28 SGB V Rn. 23. 245

288

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

a) Auskunftserteilung Der Informationsfluss vom Versicherten zum Leistungserbringer ist in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht gleichermaßen brisant wie bei der privaten Krankenversicherung. Der Krankenkasse ist die Krankengeschichte anders als dem nur erstattungspflichtigen Privatversicherer weitgehend bekannt, denn sie schuldet selbst die Krankenbehandlung. Trotzdem kann die Auskunftslast der §§ 60; 65; 66 SGB I Bedeutung erlangen, etwa wenn es um den Nachweis regelmäßiger Zahnpflege und das Mitteilen einer wiederhergestellten Arbeitsfähigkeit geht. Schwierigkeiten bereitet eine Erfassung der Benennung des Drittschädigers gegenüber der Krankenkasse, was separat erörtert wird. Zuvor soll jedoch die inhaltliche Reichweite der Auskunftslast dargelegt und der durch § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V gesondert geregelten Last zur Meldung einer Arbeitsunfähigkeit nachgegangen werden.

aa) Allgemeine Erwägungen Die Auskunftslast gemäß den §§ 60; 65; 66 SGB I fokussiert die Leistungserbringung. Laut § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I sind die leistungserheblichen Tatsachen anzugeben und einer Auskunftserteilung durch Dritte auf Verlangen des Sozialversicherungsträger zuzustimmen, nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I alle leistungserheblichen Änderungen der Verhältnisse rechtlicher oder tatsächlicher Art unverzüglich mitzuteilen und gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I Beweismittel zu bezeichnen und Beweisurkunden gegebenenfalls vorzulegen. Leistungserheblich sind solche Fakten, die in die Entscheidungsfindung des Sozialversicherungsträgers unbedingt einfließen müssen. Bezogen auf die Krankenversicherung kommen als Auskunft iSd § 60 SGB I der Hinweis auf eine vorsätzlich zugefügte Erkrankung, die Vorlage eines Bonusheftes mit Heil- und Kostenplan, eine Entbindung der behandelnden (Zahn)Ärzte von ihrer Schweigepflicht, die Mitteilung einer wiederhergestellten Arbeitsfähigkeit oder das Beibringen von Krankenunterlagen und Befundberichten in Betracht. Für die Arbeitsunfähigkeitsmeldung wird § 60 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 SGB I durch die speziellere Regelung in § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V verdrängt. Über die Notwendigkeit einer stationären Therapie oder die Verwendung bestimmter Medikamente braucht der Versicherte kein Gutachten erstellen zu lassen, weil die Krankenkasse diese Frage von Amtswegen klären muss und somit keine Auskunft vom Versicherten über §§ 60; 65; 66 SGB I verlangen darf. Im übrigen beschränkt § 65 Abs. 1 SGB I die Auskunftslast, wenn ihre Beachtung im Verhältnis zur begehrten Sozialleistung unangemessen scheint (Nr. 1), die Erfüllung aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann (Nr. 2) oder die erforderlichen Kenntnisse mit einem geringeren Aufwand vom Leistungsträger

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

289

selbst zu beschaffen sind (Nr. 3). Missachtet ein Versicherter die in den Grenzen der §§ 60; 65 SGB I bestehende Auskunftslast, kann die Krankenkasse gemäß § 66 Abs. 1, 3 SGB I von eigenen Ermittlungen absehen und nach einer vorherigen schriftlichen Androhung die Heilbehandlung oder das Krankengeld verweigern. Steht der Sachverhalt ohnehin fest, mangelt es schon an einer Auskunftslast und die Möglichkeit einer Sanktionierung scheidet aus.

bb) Sonderfall: Meldung der Arbeitsunfähigkeit Der Anspruch auf Krankengeld ruht gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V, solange eine Arbeitsunfähigkeit iSv § 46 Abs. 1 Satz 1 SGB V der Krankenkasse nicht gemeldet wurde, es sei denn die Mitteilung erfolgt im Laufe der ersten Woche ab Beginn des erkrankungsbedingten Arbeitsausfalles. Dogmatisch handelt es sich um eine Versichertenobliegenheit248. Die Meldung bezweckt primär die Überwachung der Arbeitsunfähigkeit, indem vertrauens(zahn)ärztliche Begutachtungen angeordnet werden können. Unter welchen Voraussetzungen die Krankenkasse derart vorgehen muss, ergibt sich aus § 275 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 1a SGB V. Obwohl der Anspruch auf Krankengeld während einer Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber iSd § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG über § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sowieso ruht, greift die Mitteilungslast angesichts der Überwachungspflicht gemäß § 275 Abs. 1a Satz 3 SGB V auch hier249. Die Arbeitsunfähigkeitsmeldung kann mündlich, schriftlich oder elektronisch erfolgen und ist als geschäftsähnliche Handlung250 analog zu § 130 Abs. 1, 3 BGB251 empfangsbedürftig. Das Risiko eines fehlenden oder nicht rechtzeitigen Zuganges trägt also der Versicherte. Daher ruht der Anspruch auf Krankengeld auch vorübergehend, wenn eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung abgeschickt und sofort nach Kenntnisnahme vom postalischen Verlust nochmals eingereicht wurde252. Dies gilt nicht, wenn ein fristgemäßer Zugang aus Gründen, für die allein die Krankenkasse verantwortlich ist, verhindert ___________ 248 So auch BSGE 52, 254, 257; LSG Berlin NZS 1998, 238 ff.; Vay in: Krauskopf, § 49 SGB V Rn. 36. 249 Siehe insoweit auch § 5 Abs. 1 Satz 5 EFZG, wonach die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Arbeitgeber einen Vermerk des behandelnden (Zahn)Arztes darüber enthalten muss, dass der Krankenkasse unverzüglich ein Attest mit Angaben über den Befund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt wird. 250 In diesem Sinne wohl auch BSG SozR 2200 § 216, Nr. 8, S. 23. A.A. Vay in: Krauskopf, § 49 SGB V Rn. 38, der von einer Willenserklärung ausgeht. 251 Zur konkreten Anwendbarkeit siehe BSGE 29, 271, 272; 52, 254, 257. 252 Vgl. BSGE 29, 271 ff.

290

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

wird253. Die Verlängerung einer zunächst befristeten Krankschreibung ist ebenfalls innerhalb einer Woche mitzuteilen. Besteht während einer längeren Arbeitsunfähigkeit anfangs oder zwischenzeitlich kein Krankengeldanspruch, muss die Krankenkasse in diesem Zeitraum nicht benachrichtigt werden, außer der Versicherte ist berufstätig. Meldet sich der Versicherte nicht arbeitsunfähig krank, besteht sein Grundanspruch auf Krankengeld zwar fort, jedoch können fällige Einzelleistungen vorerst nicht begehrt werden254. Obgleich der Krankengeldanspruch kraft Gesetzes bis zur Nachweisführung ruht, bestätigt die Krankenkasse diese Wirkung durch einen feststellend-deklaratorischen Verwaltungsakt.

cc) Sonderfall: Benennung eines Drittschädigers Wird ein sozialversicherter Patient bei einem unverschuldet erlittenen Unfall verletzt, haftet der Schädiger unter anderem für die anfallenden notwendigen Behandlungskosten. Dieser Anspruch des Versicherten geht nach § 116 Abs. 1 SGB X kraft Gesetzes auf die Krankenkasse über, soweit sie Leistungen erbracht hat. Damit die Krankenkasse den Schadensersatzanspruch überhaupt geltend machen kann, muss die Person des Schädigers bekannt sein. Nach teilweise vertretener Ansicht soll der Versicherte den Drittschädiger aufgrund von § 60 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 SGB I zu benennen haben, da der Rückgriff auf den Drittschädiger eine Folge der gewährten Krankenbehandlung wäre und die Auskunft deshalb leistungserheblich sei255. Kritiker bemängeln weniger die Ausweitung des Tatbestandes als vielmehr die Ungeeignetheit des Sanktions___________ 253

BSGE 52, 254, 258. Diesen Effekt des Ruhens hat der Gesetzgeber explizit in der familienrechtlichen Regelung des § 1675 BGB umschrieben, worin wegen der Einheit der Rechtsordnung ein rechtlicher Leitgedanke zu erblicken ist. 255 So die Entscheidung des BSGE 45, 119 ff., zur Auskunftsverweigerung durch den unfallgeschädigten Krankenversicherten hinsichtlich der namentlichen Bekanntgabe des Fahrers, in dessen Kraftfahrzeug er verunglückt ist. Weil die zum Zeitpunkt des Unfalls geltende Rechtslage keine gesetzliche Regelung kannte, leitete das Gericht eine ungeschriebene Nebenpflicht aus dem Versicherungsverhältnis ab: Als Mitglied der Solidargemeinschaft sei ein Versicherter nicht nur zur Leistungsinanspruchnahme berechtigt, sondern auch verpflichtet. Zu den Pflichten des Versicherten zähle die Benennung des Unfallgegners als Voraussetzung für die Realisierung der Schadensersatzansprüche, wodurch die Solidargemeinschaft entlastet werden könne. Nach Inkrafttreten des SGB I zum 01.01.1976 solle diese „Pflicht“ unter § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I zu fassen sein. Kritisch Jülichauer, SGb 1979, S. 445, 446 ff.; Hertwig, S. 179; Seewald in: Kasseler Kommentar, Vor §§ 60-67 SGB I Rn. 21 sowie Spellbrink in: Schulin, Unfallversicherungsrecht, § 24 Rn. 155. 254

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

291

potentials von § 66 Abs. 1 SGB I256. Fraglich erscheint indes schon die Einschlägigkeit der Norm. Krankenhilfe wird unabhängig vom Schadensgrund erbracht, sodass für die Leistungszusage eine etwaige Kompensationsmöglichkeit unbeachtlich und damit nicht leistungsrelevant ist. Die Bejahung einer Leistungserheblichkeit bei der Benennung des Drittschädigers als Voraussetzung des § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I scheint merklich konstruiert, was mit Blick auf § 206 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V nicht nötig ist. Danach hat der Versicherte unverzüglich alle, für die Durchführung der auf die Krankenkasse übertragenen Aufgaben erforderlichen Tatsachen anzugeben. Die fehlende Leistungskomponente lässt § 206 Abs. 1 SGB V weiter reichen als die Auskunftslast der §§ 60; 65; 66 SGB I257. Da die Krankenkasse auch bei drittverschuldeten Gesundheitsschädigungen zur Leistungserbringung verpflichtet bleibt, kann sie ihre Aufwendungen nur kompensieren. Die Verfolgung nach § 116 Abs. 1 SGB X übergegangener Schadensersatzansprüche gehört zum Aufgabenbereich der Krankenkasse iSd § 206 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 SGB V, sodass ein Sozialversicherter auskunftspflichtig ist. Das folgt zusätzlich aus § 402 BGB, der auf den gesetzlichen Forderungsübergang über § 412 BGB anwendbar ist258 und den bisherigen Gläubiger zur Erteilung aller nötigen Auskünfte für die Geltendmachung einer Forderung verpflichtet. Folglich wird der Krankenkasse mit § 206 Abs. 1 Nr. 1 SGB V iVm §§ 412; 402 BGB ein klagbarer Auskunftsanspruch eingeräumt, sodass er seiner Krankenkasse einen ihm bekannten Drittschädiger benennen muss259. Verletzt er diese Pflicht, hat er seine Krankenkasse gemäß § 206 Abs. 2 SGB V bzw. § 280 Abs. 1 BGB so zu stellen, als hätte sie vom Drittschädiger vollen Ersatz erlangt.

b) Billigung und Mitwirkung an einer Untersuchung Einige Leistungsvoraussetzungen hängen vom physischen oder psychischen Zustand des Versicherten ab und sind somit nur über eine (zahn)ärztliche Untersuchung zu explorieren. Da es insoweit um eine medizinische Begutachtung und nicht eine Heilungsforcierung geht, bedarf es keiner besonderen Indikation. In welchen Situationen ein Versicherter eine vertrauens(zahn)ärztliche Begutachtung gemäß den §§ 62; 65; 66 SGB I iVm § 275 SGB V zu billigen und unterstützen hat, soll ebenso wie die Mitwirkung bei der Feststellung einer Ar___________ 256

Dafür Jülichauer, SGb 1979, S. 445, 447. Hauck in: Hauck/ Haines, § 206 SGB V Rn. 1. 258 Zur Anwendbarkeit des § 412 BGB auf eine cessio legis im Bereich der Sozialversicherung, vgl. BSGE 13, 94, 97. 259 Für eine echte Versichertenpflicht im Ergebnis auch Jülicher, SGb 1979, S. 445, 448 und im Anschluss Spellbrink in: Schulin, Unfallversicherungsrecht, § 24 Rn. 154 f. 257

292

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

beitsunfähigkeit durch den Vertrags(zahn)arzt iSd §§ 46 Abs. 1; 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V aufgezeigt werden. Dem Ausstellen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung geht normalerweise eine diagnostische Abklärung voraus, die ohne oder gegen den Willen des Versicherten nicht stattfinden darf.

aa) Feststellung der Arbeitsunfähigkeit Ist ein Versicherter arbeitsunfähig erkrankt und begehrt daher Krankengeld, hat er der Krankenkasse laut § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V die Arbeitsunfähigkeit zu melden. Das setzt wiederum voraus, dass ein Vertrags(zahn)arzt die Arbeitsunfähigkeit feststellt und der sozialversicherte Patient somit seine Beschwerden schildert, sich untersuchen lässt und nötigen Befunderhebungen zustimmt. Diese Handlungen oktroyiert die Obliegenheit des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V, wonach das zur Ermittlung der Arbeitsunfähigkeit Erforderliche und Zumutbare zu tun ist260. Trotz wirklich bestehender Arbeitsunfähigkeit kann Krankengeld also nicht beansprucht werden, wenn der Facharzt eine Erkrankung nicht als suchtbedingt einordnet, weil ihm der Alkoholismus des Patienten nicht bekannt ist und ein Krankenhausaufenthalt verweigert wird261. Verkennt hingegen der Vertrags(zahn)arzt schuldhaft eine Arbeitsunfähigkeit wie bei einem nicht diagnostizierten, in kürzester Zeit tödlich verlaufenen Bronchialkarzinom, muss Krankengeld beginnend ab Arbeitsausfall gewährt werden, zumal der Patient eine vollständige Abklärung und Befunderhebung nicht erzwingen kann262. Die Krankenkasse hat dann den Anspruch auf Krankengeld im Nachhinein festzustellen und kann vom Versicherten gegebenenfalls Auskunft verlangen.

bb) Vertrauens(zahn)ärztliche Begutachtung Der Leistungsberechtigte ist durch die §§ 62; 65; 66 SGB I derart belastet, dass er sich auf Verlangen des Sozialversicherungsträgers einer zumutbaren (zahn)ärztlichen oder psychologischen Untersuchung unterziehen muss, sofern sie für die Entscheidung über den Leistungsanspruch geboten ist. Dabei interessieren primär Art und Ausmaß dieser Untersuchungslast für den Bereich der Krankenversicherung.

___________ 260

BSGE 54, 62, 65 und LSG Berlin NZS 1998, 238, 239. So der Fall des LSG Berlin NZS 1998, 238, 239. 262 Siehe die Entscheidung des BSGE 54, 62, 65. 261

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

293

Die Untersuchungslast iSd §§ 62; 65; 66 SGB I besteht, wenn die Voraussetzungen des § 62 SGB I vorliegen und die Zumutbarkeit nicht durch § 65 SGB I ausgeschlossen ist. Eine Untersuchung gemäß § 62 SGB I umfasst jede nach dem Standard medizinischer Wissenschaft anerkannte Möglichkeit, um Physis und Psyche zu beobachten oder bestimmte Reaktionen zu befördern. Je nach Einzelfall zählen dazu körperliche Aktivitäten wie Kniebeugen oder Armstreckungen, apparative Messungen der Herztätigkeit oder Hirnfrequenz, Röntgenaufnahmen und Blutentnahmen263. Der Begriff des Unterziehens ist weit auszulegen und reicht vom Aufsuchen der benannten Praxis und Beantworten medizinisch relevanter Fragen über eine Duldung der Untersuchung bis zur aktiven Mitwirkung264, zumindest in den Grenzen des § 65 SGB I265. Ergänzend zu den speziellen Kriterien einer Unzumutbarkeit nach § 65 Abs. 2 SGB I tritt die allgemeine Regelung von § 65 Abs. 1 SGB I266. Eine Teilhabelast besteht also nicht für solche Untersuchungen, bei denen eine Lebens- und Gesundheitsgefahr nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist (Abs. 2 Nr. 1), die spürbare Schmerzen verursachen (Abs. 2 Nr. 2) oder einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten (Abs. 2 Nr. 3) und im Verhältnis zur begehrten Sozialleistung unangemessen sind (Abs. 1 Nr. 1), aus wichtigem Grund nicht zugemutet werden können (Abs. 1 Nr. 2) oder wenn einfachere, weniger belastende Maßnahmen dasselbe Ergebnis erzielen (Abs. 1 Nr. 3). Demnach darf eine Untersuchung beispielsweise nicht angeordnet werden, wenn das Heranziehen von Krankenunterlagen genügt, der voraussichtliche Geburtstermin für das erwartete Kind in die Phase einer stationären Beobachtung des Mannes fällt oder der Eingriff mit einer Diabeteserkrankung nicht vereinbar ist. Die Modalitäten einer medizinischen Begutachtung normiert § 275 SGB V, der damit die Untersuchungslast iSd §§ 62; 65; 66 SGB I für die gesetzliche Krankenversicherung konkretisiert. Indem die §§ 62; 65; 66 SGB I den rechtli___________ 263

Seewald in: Kasseler Kommentar, § 62 SGB I Rn. 8. Krasney, BKK 1987, S. 341, 346; Maydell in: Heim, S. 65, 73 sowie Baier in: Krauskopf, § 62 SGB I Rn. 4. 265 Auch die Gründe des § 65 Abs. 2 SGB I sind nicht einredehalber geltend zu machen, wie es der Wortlaut nahe legt. Denn jeder Eingriff in die grundrechtlich geschützte Individualsphäre muss von Verfassungswegen verhältnismäßig und zumutbar sein, sodass eine Unzumutbarkeit iSd § 65 Abs. 1, 2 SGB I zwingend zu berücksichtigen ist. 266 „Sicher wäre ein Verzeichnis über die duldungspflichtigen Eingriffe bei bestimmten Körperschäden als Richtlinie für Ärzte, Versicherungsträger und die Sozialgerichtsbarkeit nützlich. Dennoch wird es einen solchen absoluten Katalog von zumutbaren und unzumutbaren Operationen nicht geben, weil die Zumutbarkeit ... nicht nur von objektiven, sondern nicht zuletzt nach subjektiven Kriterien zu beurteilen ist.“, so Maier in: Maydell/ Ruland, 7 Rn. 90. 264

294

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

chen Rahmen abstecken und sich aus § 275 SGB V ergibt, wann der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) einzuschalten ist, hängen diese Vorschriften eng miteinander zusammen. Zur Hinzuziehung des MDK ist die Krankenkasse verpflichtet und auch berechtigt. Während § 275 Abs. 1 SGB V einen Beurteilungsspielraum einräumt, den Abs. 1a teilweise begrenzt, enthält Abs. 2 die zwingenden Fälle, wohingegen die Abs. 3, 4 eine Begutachtung erlauben. Hält die Krankenkasse demgemäss eine Untersuchung für unabdingbar, hat sie dazu aufzufordern. Dieses Verlangen muss nach Zeit und Ort bestimmt sein und die beabsichtigten Maßnahmen angeben267. Die Versorgung mit Zahnersatz ist durch die Krankenkasse zu genehmigen, sodass vorab ein Heil- und Kostenplan einzureichen und von der Krankenkasse insgesamt zu prüfen ist. Da aufwendige zahnprothetische Konstruktionen mangels Fachkenntnis nicht selbst beurteilt werden können, ist die Einleitung eines Gutachterverfahrens aufgrund von § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V für eine Genehmigung iSd § 87 Abs. 1a Satz 5 SGB V durchaus gängig. Um unberechtigten oder unwirtschaftlichen Leistungsbegehren entgegenzuwirken, wird geklärt, ob Zahnersatz überhaupt erforderlich und der vom behandelnden Zahnarzt unterbreitete Vorschlag einer Regelversorgung entspricht oder gegebenenfalls optimierbar ist268. Praktisch überaus relevant ist die Untersuchungsanordnung nach § 275 Abs. 1 Nr. 3 SGB V, um eine Arbeitsunfähigkeit bei vorhandenen Zweifeln zu prüfen und in Anbetracht einer schnellen Gesundung zu überwachen. Denn eine vermeintliche oder wirkliche Arbeitsunfähigkeit soll möglichst schnell beendet und der Versicherte in seinen Arbeitsalltag wiedereingegliedert werden. Wegen der gesetzlichen Vermutung von § 275 Abs. 1a Satz 1 lit. a, b SGB V erscheint die Arbeitsunfähigkeit insbesondere fragwürdig, wenn ein Versicherter auffällig oft oder meist nur kurz krank ist, der Arbeitsausfall häufig auf Wochenbeginn oder -ende fällt oder die Arbeitsunfähigkeit von einem Vertrags(zahn)arzt attestiert wurde, der durch vermehrte Krankschreibungen aufgefallen ist269. In diesen Fällen ist eine Begutachtung gemäß § 275 Abs. 1 a ___________ 267

Hartwig, S. 71. Nach der gesetzlichen Neuregelung des Zahnersatzes in den §§ 55 ff. SGB V erhält der Versicherte einen Festzuschuss von 50 % der für die jeweilige Regelversorgung festgesetzten Beträge. Wählt der Versicherte einen über die Regelversorgung hinausgehenden oder davon abweichenden Zahnersatz, hat er anfallende Mehrkosten nach § 55 Abs. 4, 5 SGB V selbst zu tragen, ohne den Kassenzuschuss zu verlieren. 269 Zweifel ergeben sich außerdem nach den von den Spitzenverbänden der Krankenkassen gemäß § 282 Satz 3 SGB V erlassenen und nach § 210 Abs. 2 SGB V verbindlichen „Richtlinien über die Zusammenarbeit der Krankenkassen mit dem MDK“ vom 27.08.1990 (abgedruckt DOK 1990, 639 ff.), wenn Krankschreibungen auf wech268

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

295

Satz 2 SGB V unverzüglich nach Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung anzuordnen. Ansonsten kann vor allem bei einer langwierigen Arbeitsunfähigkeit die Feststellung von Krankheit und Wirksamkeit des Therapieplans sinnvoll sein. Unzumutbar ist die Begutachtung gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB I bei einem Klinikaufenthalt mit erheblicher Gesamtbelastung, der wegen der schon gemeldeten, absehbaren Arbeitsaufnahme in keinem angemessenen Verhältnis zum noch anfallenden Krankengeld steht, und über § 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I, wenn sich ein Kranker trotz (zahn)ärztlich bestätigter Bettlägerigkeit in die Praxis des MDK begeben soll270. Über § 275 Abs. 3 SGB V können die Krankenkassen die Indikation einer kieferorthopädischen Behandlung, die Notwendigkeit von Hilfsmitteln und die Wirtschaftlichkeit einer bestimmten Dialyseform prüfen. Diese Gelegenheit wird immer dann genutzt, wenn gewichtige Zweifel an der medizinischen Gebotenheit oder Erforderlichkeit der Leistung bestehen, die letztlich nur ein unabhängiger Gutachter beheben kann. Stellt sich der Versicherte einer angeordneten Begutachtung nicht, darf er keinesfalls zwangsweise untersucht werden. Allerdings kann die Krankenkasse gemäß § 66 Abs. 1 SGB I eine weitere Behandlung versagen oder das Krankengeld entziehen271. Wird also ein sozialversicherter Patient, der zahnprothetisch versorgt werden muss, im laufenden Genehmigungsverfahren zum Gutachter vorgeladen und kommt gar nicht erst, öffnet den Mund nicht oder verweigert eine Röntgenaufnahme, sodass sich weder der Gebisszustand noch die Erforderlichkeit der Behandlung beurteilen lässt, kann die Krankenkasse ihren Festzuschuss zu den Kosten der jeweiligen Regelversorgung ablehnen. Soll durch eine Untersuchung die Arbeitsunfähigkeit geprüft werden und nimmt der Betroffene den Termin beim MDK nicht wahr, kann das je nach Ermessensausübung zur Nichtzahlung von Krankengeld führen.

___________ selnden leichten Befindlichkeitsstörungen gründen, ein anderer Vertrags(zahn)arzt die Arbeitsunfähigkeit erneut bescheinigt, nachdem der bisher behandelnde Mediziner die Arbeitsfähigkeit festgestellt hat, oder eine Arbeitsaufnahme üblicherweise kurz vor der Begutachtung durch den MDK erfolgt. 270 Gemäß § 276 Abs. 5 SGB V kann die Untersuchung aber in der Wohnung des Versicherten stattfinden. 271 So BT-Drucks. 7/868, S. 34. Kritisch Wulfhorst, VSSR 1983, S. 1, 11, nach dessen Ansicht eine zum Schutz der Solidargemeinschaft wirksame Rechtsfolge automatisch, also ohne Ermessensausübung eintreten müsse.

296

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

4. Therapieverantwortung des sozialversicherten Patienten Fast jede Therapie erfordert eine Beteiligung des Patienten, die bei Selbstverständlichkeiten wie dem Salben einer Wunde oder Erscheinen zur Reizstromanwendung beginnt und bis zur Kontrolle einer Diabetes oder Durchführung der Hämodiaylse reichen kann. Unklar ist, ob dem sozialversicherten Patienten neben seiner Teilhabelast gegenüber dem Vertrags(zahn)arzt eine Therapieverantwortung im Verhältnis zur Krankenkasse obliegt. Zumindest für die kieferorthopädische Behandlung und Ausstattung mit Hilfsmitteln gibt es entsprechende gesetzliche Regelungen.

a) Allgemeine Erwägungen Obwohl es durchaus Anhaltspunkte dafür gibt, dass sich ein sozialversicherter Patient am Genesungsprozess beteiligen soll, ist die Ableitung eines generellen Handlungsgebotes problematisch. Zwar sieht § 1 Satz 2 SGB V eine Mitwirkung an der Heilbehandlung und Rehabilitation zur Überwindung der Folgen von Krankheit und Behinderung vor, jedoch wirkt dieser unsanktionierte Programmsatz lediglich begrenzt verhaltensregulierend. Auch aus den §§ 63; 65; 66 Abs. 2 SGB I folgt wegen ihrer eng gefassten Sanktionsmöglichkeiten keine umfassende Teilhabelast. Indes gebietet § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V mittelbar die Unterstützung einer Behandlung, wenn sie sonst unzweckmäßig wäre.

aa) Behandlungsteilhabe iSd §§ 63; 65; 66 SGB I Laut § 63 SGB I hat sich ein Versicherter auf Verlangen des Sozialleistungsträgers einer zumutbaren Heilbehandlung zu unterziehen, falls sie eine Besserung des Gesundheitszustandes erwarten oder sich eine Verschlechterung verhindern lässt. Darin liegt insoweit eine Teilhabelast, als das konträre Handeln mit einem Rechtsnachteil belegt ist272. Im Bereich der Krankenversicherung droht eine rechtliche Sanktion nach § 66 Abs. 2 SGB I aber nur einem arbeitsunfähig erkrankten Berufstätigen, dem Krankengeld versagt werden kann. Da der Anspruch auf Krankengeld gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 SGB V mit der Arbeitsunfähigkeit entsteht und auch beim Ruhen nach § 49 Abs. 1 SGB V fortbesteht, kann ein berufstätiger Versicherter durchgängig zu einer gebotenen und zumutbaren Heilbehandlung aufgefordert werden. Obwohl er nicht ver___________ 272

Vgl. etwa Seewald in: Kasseler Kommentar, Vor §§ 60-67 SGB I Rn. 20.

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

297

pflichtet ist, sich medizinischen Maßnahmen zu unterziehen273, dürfte ihn der drohende Rechtsnachteil nicht unerheblich beeinflussen. Im Übrigen statuiert § 63 SGB I bloß einen Programmsatz, es sei denn die Krankenkasse ermahnt den sozialversicherten Patienten etwa iSd § 16 Abs. 4 BMV-Z zur Kooperation bei einer Parodontosebehandlung. Die Aufforderung der Krankenkasse muss die medizinische Versorgung nach Art, Umfang und voraussichtlicher Dauer bezeichnen274. Die dann entstehende Behandlungslast wird auch als sozialrechtliches Schadensminderungsgebot klassifiziert275. Eine Heilbehandlung iSd § 63 SGB I umfasst solche Maßnahmen, die körperliche und geistige Regelwidrigkeiten nach dem Standard medizinischer Wissenschaft beheben können, sodass weitere Leistungen der Krankenpflege entfallen oder der Krankengeldanspruch zeitlich begrenzt wird276. Ohne Einwilligung des sozialversicherten Patienten ist eine Heilbehandlung nicht zulässig und wird ohne seine Mitwirkung meist erfolglos bleiben. Die Behandlungslast der §§ 63; 65; 66 SGB I erwartet daher von einem sozialversicherten Patienten, dass er seine Einwilligung erteilt, (zahn)ärztliche Anweisungen befolgt und aktiv mitarbeitet277. Je nach Situation hat der Patient bei einem fieberhaften Infekt die verordnete Bettruhe einzuhalten, aufgrund einer Phenylketonurie278 die Ernährungsvorgaben zu beachten und sich infolge eines Herzinfarktes zu schonen. Darüber hinaus muss er zur Kontrolluntersuchung termingerecht erscheinen und die Therapie unterstützen, soweit dies zur Durchführung der Heilbehandlung erforderlich und im Einzelfall zumutbar ist279. Nach dem Ergebnis einer persönlichen Anfrage bei den Krankenkassen stützt sich die Praxis bislang nicht auf diese Teilhabelast iSd §§ 63; 65; 66 SGB I, was angesichts ihres engen Anwendungsbereiches und die für die ___________ 273 Deshalb wird der Regelungsgehalt der §§ 63, 65, 66 Abs. 2 SGB V für verfassungskonform mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gehalten, so Blöcher, S. 126 f.; Maydell, Lexikon des Rechts, Stichwort: Mitwirkungspflichten, S. 272 und Mrozynski, § 63 Rn. 3. 274 Hartwig, S. 78. 275 Statt vieler nur Seewald in: Kasseler Kommentar, § 63 SGB I Rn. 2. 276 Häusler in: Hauck/ Noftz, § 63 SGB I Rn. 7; Baier in: Krauskopf, § 63 SGB I Rn. 4 und Hartwig, S. 74 f. 277 BT-Drucks. 7/868, S. 33. 278 Erbliche Stoffwechselanomalie, bei der die Aminosäure Phenylalanin nicht zu Tyrosion umgebaut wird, sondern sich teils in Phenylbrenztraubensäure umwandelt und deshalb im unbehandelten Stadium eine schwere geistige Retardierung auslöst, vgl. Pschyrembel, Stichwort: Phenylketonurie. 279 Maier in: Maydell/ Ruland, 7 Rn. 83; Freitag in: Bochumer Kommentar, § 63 SGB I Rn. 15; Häusler in: Hauck/ Noftz, § 63 SGB I Rn. 13; Seewald in: Kasseler Kommentar, § 63 SGB I Rn. 16; Baier in: Krauskopf, § 63 SGB I Rn. 3; Thieme in: Wannagat, § 63 SGB I Rn. 13.

298

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

Krankenversicherung nicht eigens gefassten Voraussetzungen nicht verwundert. Beides bedeutet jedoch nicht, dass etwa mangels einschlägiger Fallkonstellationen diese Last in der Krankenversicherung obsolet wäre. So könnte ein an Bluthochdruck arbeitsunfähig Erkrankter, dessen starkes Übergewicht das Leiden verursacht, zur Teilnahme an einer Ernährungsberatung und medizinisch geleiteten Abmagerungskur aufgefordert werden. Ähnlich wäre mit dem Krebspatienten, der eine erfolgversprechende Bestrahlung ablehnt, zu verfahren. Darüber hinaus käme ein Hinweis bei einer monatelangen Behandlung in einer Spezialeinrichtung in Betracht, wonach Versicherte die Therapie durchhalten, sich krankheitsgemäß verhalten und ärztliche Anordnungen beachten sollten. Sinnvoll dürfte eine Aufforderung der Krankenkasse insbesondere sein, um das Ziel einer bereits begonnenen Maßnahme sicherzustellen und nicht dass sich ein Versicherter einer bestimmten Heilbehandlung stellt280. Wirkt ein arbeitsunfähig Erkrankter nicht im gebotenen und zumutbaren Umfang an der Genesung mit und wurde die Arbeitsfähigkeit deshalb nicht verbessert oder wiederhergestellt, kann die Zahlung von Krankengeld über § 66 Abs. 2 SGB I eingestellt werden. In die Ermessensausübung der Krankenkasse müssen der Grund für die Missachtung der Therapieverantwortung und die finanzielle Situation des Versicherten und seiner unterhaltsberechtigten Familienangehörigen einfließen. Eine Leistungsversagung wird endgültig, wenn das gebotene Verhalten nicht mehr nachgeholt werden kann. Zeigt sich indes ein Versicherter, dem wegen einer zurechenbaren Heilungsverzögerung das Krankengeld gestrichen wurde, plötzlich einsichtig, bekommt er künftig wieder Krankengeld281. Ob darüber hinaus die Leistungen für die Vergangenheit gewährt werden, entscheidet die Krankenkasse gemäß § 67 SGB I ebenfalls nach pflichtgemäßen Ermessen. Sieht die Krankenkasse aber von einem eigentlich geforderten Krankenhausaufenthalt wegen nunmehriger ambulanter Versorgung ab, entfällt die Sanktion des § 66 Abs. 2 SGB I von diesem Moment282. Hingegen kann die Krankenbehandlung ohne anderweitige äquivalente Betreuung nicht folgenlos verweigert werden283.

___________ 280

Deshalb wird die Bedeutung der Versichertenlast iSd §§ 63, 65, 66 Abs. 2 SGB I für das Krankenversicherungsrecht auch als gering erachtet, so etwa Rüfner, VSSR 1977, S. 347, 356. 281 Mrozynski, § 66 Rn. 23. 282 Vgl. etwa BSGE 33, 133, 137. 283 LSG Niedersachsen SozVers 1989, 27, 28; Rüfner, VSSR 1977, S. 347, 361 f.; Krasney, BKK 1987, S. 384, 386; Käsling in: Krauskopf, § 66 SGB I Rn. 18.

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

299

bb) Behandlungsteilhabe aufgrund von § 27 SGB V Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V hat der Versicherte einen Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen oder zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Beschwerden zu lindern. Letztlich fällt darunter eine medizinische Versorgung, die zur Genesung unentbehrlich und unvermeidlich ist. Diese Voraussetzungen liegen bei fehlender Bereitschaft des Versicherten, sich an der Behandlung zu beteiligen, nicht vor. Hängt ein Behandlungserfolg maßgeblich von der Mitwirkung des sozialversicherten Patienten ab, scheint die Krankenhilfe von vornherein ineffizient. Der Anspruch auf eine Sachleistung iSd § 27 Abs. 1 SGB V ist daher ausgeschlossen, wenn das Therapieziel mangels Patiententeilhabe nicht erreicht werden kann284. So kann ein stark übergewichtiger Versicherter mit Bluthochdruckleiden und vegetativen Funktionsstörungen von der Krankenkasse keine Abmagerungskur verlangen, wenn er ohne anhaltenden Erfolg schon zwei medizinisch betreute Diäten absolviert hat285. Nachlässig betriebene, langfristige Behandlungen wie eine mehrmonatige Rehabilitation lassen sich gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft beenden286, weil die Bewilligung als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung an tatsächliche Änderungen anzupassen ist. Letztlich ist die Deckungszusage für die Rehabilitation eines unfallgeschädigten Versicherten, der zu den Therapien nicht erscheint und ärztliche Anordnungen nachhaltig ignoriert, aufzuheben. Eine a priori unzweckmäßige und damit nicht notwendige Krankenbehandlung dürfte nicht bewilligt werden, sodass eine Leistungsbewilligung bei späterer Kenntnis dieses Umstandes reversibel wird. Die Rücknahme der Leistungsbewilligung über § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X erfordert aber eine Therapie mit mehr als einer Sitzung. Entfällt die Einstandspflicht der Krankenkasse, liegt darin ein rechtlicher Nachteil. Daher folgt aus § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V indirekt eine Teilhabelast, die einen Versicherten zur Mitwirkung an einer längeren Therapie im erforderlichen und zumutbaren Maße anhält. Allerdings ermöglicht § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht, die Mehrkosten für eine anfänglich grundlos abgebrochene und später fortgesetzte Behandlung auf den Versicherten abzuwälzen.

___________ 284

Vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X, Nr. 1; ähnlich Krasney, BKK 1987, S. 384,

386. 285

Für die gesetzliche Rentenversicherung LSG Rheinland-Pfalz SGb 1973, 55. Dies soll etwa bei einer Krankengeldzahlung (BSG ErsK 1984, 222) oder Versorgung mit Zahnersatz (BSG USK 91113) möglich sein, nicht jedoch bei einer konkreten Heilbehandlung (BSG Soz 3-3100, § 10 Nr. 6). 286

300

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

b) Sonderfälle In einigen Leistungsbereichen wie der kieferorthopädischen Behandlung und der Hilfsmittelausstattung finden sich spezialgesetzliche Regelungen zur Teilhabe eines Versicherten, die kurz vorgestellt werden sollen.

aa) Kieferorthopädische Behandlung Obwohl die kieferorthopädische Behandlung als Sachleistung erbracht wird, hat der Versicherte gemäß § 29 Abs. 2 Satz 1 SGB V prinzipiell einen Eigenanteil von 20 % aller laufenden Aufwendungen außer den Kosten für konservierend-chirurgische und röntgenologische Maßnahmen zu tragen. Da Zahnfehlstellungen üblicherweise in der Wachstumsphase korrigiert werden, also Kinder und Jugendliche das Hauptklientel des Kieferorthopäden sind, senkt § 29 Abs. 2 Satz 3 SGB V die Quote für das zweite und jede weitere Kind wegen der finanziellen Belastung größerer Familien auf 10 %, falls mindestens zwei versicherte Kinder gleichzeitig kieferorthopädisch betreut werden. Der gesamte Eigenanteil wird über § 29 Abs. 3 Satz 2 SGB V nach plangemäßem Behandlungsabschluss zurückgezahlt. Mit dieser Kostenerstattung gewährt die Krankenkasse letztlich eine umfassende Sachleistung. Diese Verfahrensweise soll Versicherte dazu anhalten, die sich oft über Jahre erstreckenden kieferorthopädischen Maßnahmen mitzutragen und nicht voreilig abzubrechen287. Bringt der Versicherte aber das nötige Durchhaltevermögen nicht auf, bleibt er an den entstandenen Behandlungskosten beteiligt. Die Versagung der vollständigen Risikodeckung bedeutet einen rechtlichen Nachteil, sodass § 29 Abs. 2 Satz 3 SGB V eine Versichertenlast beinhaltet. Funktional zielt diese Beteiligungslast auf eine ordnungsgemäße Beendigung der kieferorthopädischen Therapie, indem sämtliche im Behandlungsplan vorgesehenen Schritte ausgeführt werden. Dies bedingt eine Patientenmitwirkung, zumal sich Zahn- oder Kieferfehlstellungen ohne eine sorgfältige Pflege und das kontinuierliche Tragen der Zahnspange, die Wahrnahme von Kontrollterminen oder das Weiterdrehen an aktiven Platten und Teilen laut zahnärztlicher Anordnung nicht beheben lassen. Falls ein Patient langwierig erkrankt und deshalb weder seine Spange tragen noch den Zahnarzt konsultieren kann oder aber der Mediziner eine Fortsetzung der Behandlung ungerechtfertigt verweigert und ein Zahnarztwechsel zur Zäsur führt, ersetzt die Krankenkasse die entrichteten Eigenanteile wegen der objektiven therapeutischen Unmöglichkeit ___________ 287

BT-Drucks. 11/2237, S. 171.

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

301

ebenfalls288. Dagegen hat der Versicherte den Behandlungsabbruch bei einer selbstbestimmten Beendigung oder zurechenbaren Verzögerungen, die eine Weiterbehandlung medizinisch ausschließen, zu verantworten. Terminsäumnisse sind insoweit unschädlich, als sie den erstrebten Therapieabschluss nicht gefährden, auch wenn sich dadurch eventuell Behandlungsdauer oder -aufwand erhöhen289. Insofern verlangt § 29 Abs. 2 Satz 3 SGB V von einem kieferorthopädisch behandelten Patienten, das er das Therapieziel befördert und alle dazu erforderlichen Teilhabeakte erbringt.

bb) Ausstattung mit Hilfsmitteln Nach § 33 Abs. 5 Satz 2 SGB V kann die Gewährung von Hilfsmitteln zum Ausgleich eines physischen Funktionsdefizits wie einer Seh-, Gehör- oder Bewegungsbeeinträchtigung durch Brille, Hörgerät und Prothese davon abhängig gemacht werden, dass sich ein Betroffener das Hilfsmittel anpassen und in seinem Gebrauch ausbilden lässt. Die Nutzung wird vor allem bei technischen Geräten zu erklären sein. Lehnt der Querschnittsgelähmte eine Unterrichtung in der Bedingung seines neuen Elektrorollstuhls ab oder begehrt ein niereninsuffizienter Versicherter, der sich zusammen mit dem Ehegatten für eine Heimdialyse entschieden hat, die erforderliche Hilfsmittelausstattung, ohne am Trainingskurs teilnehmen zu wollen, darf das Hilfsmittel mangels eines zu erwartenden, effektiven Einsatzes versagt werden. Insofern schließt die fehlende Kooperation den eigentlich mit § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V gegebenen Hilfsmittelanspruch aus, sodass § 33 Abs. 5 Satz 2 SGB V wegen dieses drohenden Rechtsnachteils ein verhaltenssteuerndes Element implementiert und daher eine Versichertenlast statuiert.

5. Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes Im wohlverstandenen Interesse der Versichertengemeinschaft muss die Krankenkasse die gemeinsam von den Mitgliedern aufgebrachten Beiträge möglichst sparsam und effizient ausgeben. Deshalb steht die gesetzliche Krankenversicherung umfassend unter dem Primat der Wirtschaftlichkeit. Die Krankenkassen haben den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz bei ihrer Leistungsgewährung gemäß den §§ 2 Abs. 1 Satz 1; 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu beachten, für die Sozialversicherten wird der Leistungsanspruch über die Wirtschaftlich___________ 288 289

BT-Drucks. 11/2237, S. 171 sowie BSGE 59, 272, 276. Wagner in: Krauskopf, § 29 SGB V Rn. 16.

302

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

keit nach § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V beschränkt und die Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern sind mit § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V ebenfalls dem Wirtschaftlichkeitsgebot unterstellt. Wirtschaftlichkeit bedeutet ein angemessenes Verhältnis zwischen dem Aufwand und erzielten Effekt. Stehen für einen medizinisch indizierten Eingriff mehrere gleichermaßen ausreichende und zweckmäßige Vorgehensweisen zur Verfügung, ist diejenige wirtschaftlich, die mit dem geringsten finanziellen Aufwand den anvisierten Therapieerfolg erreicht. Inwieweit ein sozialversicherter Patient mit den vorhandenen Finanzressourcen verantwortlich umzugehen hat, soll ebenso wie das Bestehen einer Pflicht oder Last, den behandelnden Mediziner im Quartal nicht unnötig zu wechseln sowie verbindlich einen Hausarzt zu wählen, untersucht werden.

a) Sparsamer Ressourceneinsatz Da das Wirtschaftlichkeitsgebot das Notwendige und Zweckmäßige gebietet sowie das Übermäßige und Unvertretbare verbietet, ist der Leistungsanspruch des Versicherten durch § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V in diesem Sinne begrenzt. Die Krankenkasse steht daher für unwirtschaftliche Leistungsbegehren wie die Ausstattung mit medizinisch nicht mehr erforderlichen Gewohnheitsmedikamenten nicht ein. Eine Ausnahme wird mitunter für die eigentlich notwendige Behandlung gemacht, die auf Wunsch des Versicherten aufwendiger als erforderlich ausgeführt wird. Übersteigt der Zahnersatz den Rahmen des Leistungskataloges, erhält der Versicherte den Festzuschuss für die Regelversorgung und hat die darüber hinaus anfallenden Mehrkosten gemäß § 55 Abs. 4, 5 SGB V zu begleichen. Trägt ein Kurz- oder Weitsichtiger anstelle einer Brille lieber Kontaktlinsen muss er sich diese selbst beschaffen, wobei die Krankenkasse über § 33 Abs. 3 Satz 3 SGB V einen Zuschuss in Höhe der Summe zahlt, den sie für eine notwendige Brille aufzuwenden hätte. Mittlerweile ist aber der Hilfsmittelanspruch hinsichtlich einer Brille mit § 33 Abs. 1 Satz 4-6 SGB V erheblich eingeschränkt. Danach erhalten Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, eine Sehhilfe auf Kosten der Krankenkasse nur bei einer Sehschwäche oder Blindheit, die auf beiden Augen mindestens die Stufe 1 der durch die Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Klassifikation des Schweregrades erreicht, sowie zur Behandlung von Verletzungen oder Erkrankungen. Sucht der Versicherte grundlos eine andere Klinik als in der (zahn)ärztlichen Einweisung genannt auf, können ihm über § 39 Abs. 2 SGB V die Mehrkosten ganz oder teilweise auferlegt werden. Diese speziellen Vorschriften verdeutlichen, dass unwirtschaftliche medizinische Maßnahmen nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung gedeckt sind290. Möchte sich ein sozialversicherter ___________ 290

Ähnlich Käsling in: Krauskopf, § 12 SGB V Rn. 9.

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

303

Patient vertrags(zahn)ärztlich versorgt wissen, hat er eine wirtschaftliche Behandlung zu wählen, mithin unter vergleichbar geeigneten und erfolgversprechenden Alternativen der kostengünstigeren Versorgung den Vorzug zu geben291. Da § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V den Versicherungsumfang absteckt, beinhaltet er eine Risikobeschreibung und wegen des Verhaltensbezuges eine Versichertenlast. Unter dieser Prämisse stellt sich die Frage, ob ein Zeuge Jehovas, der aus religiösen Gründen eine Bluttransfusion, nicht aber den Einsatz blutfreier, meist kostenintensiverer Plasmaexpander ablehnt292, den Mehraufwand für eine solche Heilmethode zu tragen hat. Bei einer echten Behandlungsalternativität wäre das zu bejahen. Die möglichen medizinischen Vorgehensweisen hängen von den gesundheitlichen Dispositionen und subjektiven Belangen des Patienten ab, sodass beim Zeugen Jehovas auch sein grundgesetzlich geschütztes Glaubensbekenntnis zu berücksichtigen ist und mithin eine Blutübertragung ausscheidet. Demzufolge kann ein Zeuge Jehovas nur mit blutfreien Mitteln therapiert werden, wenn die Ärzte zur Lebenserhaltung die Verabreichung von Blut für geboten erachten. Die Kosten für eine Blutersatztherapie muss der Betroffene daher nicht selbst zahlen, denn sie zählt zur Regelleistung der Krankenkasse293, obwohl andere Therapievarianten bloß am Patientenwillen scheitern. Solange unwirtschaftliche Leistungen also nicht willkürlich beansprucht werden, steht die Krankenkasse für die Folgen einer berechtigten Behandlungsentscheidung ein. Dagegen kann eine weitere Prothese, nachdem die erste mangelhaft angefertigt wurde und ihr Fehler relativ unkompliziert und weitaus kostengünstiger als eine Neuherstellung zu beheben wäre, nicht beansprucht werden294. Zur Heilung oder Linderung von Beschwerden sind nur solche Maßnahmen notwendig, die nach Art und Umfang für das Erreichen des Leistungszweckes unentbehrlich, unvermeidlich und unverzichtbar sind295. Die Bewilligung eines neuen Körperersatzstückes ist zum Ausgleich der physischen Beeinträchtigung nicht erforderlich, weil die Anpassung der bereitgestellten Prothetik dafür vollends genügt. Demnach bewegt sich der Versicherte mit einem solchen Leistungsbegehren außerhalb des Versicherungsschutzes. ___________ 291 Weitergehend Keller, SozVers 1999, S. 281, 283, der sogar von einem Anspruch des Versicherungsträgers spricht. 292 Vgl. zum Inhalt der antizipierten Behandlungsanweisung im 2. Kapitel Fn. 468. 293 Gleichsam Bender, MedR 1999, S. 260, 261 und für die private Krankenversicherung OLG Köln VersR 1998, 88. 294 So LSG Niedersachsen SGb 1995, 346. 295 Übernommen von Höfler in: Kasseler Kommentar, § 12 SGB V Rn. 39.

304

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

b) Kein unbegründeter (Zahn)Arztwechsel im Quartal Nach § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB V darf der Versicherte den behandelnden Vertrags(zahn)arzt im Quartal296 allenfalls aus triftigem Grund wie einem Umzug oder einer nachhaltigen Störung des (Zahn)Arzt-Patienten-Verhältnisses wechseln. Dabei geht es weniger um einen Individualschutz als die Vermeidung zusätzlich anfallender Kosten durch Mehrfachbehandlungen. Denn werden Mediziner wiederholt wegen ein- und derselben Krankheit konsultiert, vervielfachen die jeweiligen anamnestischen Befragungen, diagnostischen Untersuchungen und abklärenden Befunderhebungen die Behandlungskosten. Die Einführung der Krankenversicherungskarte begünstigt die unkoordinierte Mehrfachinanspruchnahme der Vertrags(zahn)ärzte, da sie immer wieder vorgelegt werden kann297. Soweit ersichtlich wurde auch kein gegensteuerndes Modellvorhaben nach § 64 Abs. 4 SGB V gestartet. Vielmehr wird in Anbetracht des Kassenwettbewerbes ein unbegründeter Wechsel im Quartal weitestgehend toleriert298, wenngleich er unwirtschaftlich ist. Trotzdem kann die Krankenkasse die Zweitoder Drittbehandlung gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V verweigern299. Eine grundlos gehäufte Hinzuziehung stets anderer Vertrags(zahn)ärzte unterfällt nämlich nicht dem Schutzbereich und ist vom Versicherten zu vermeiden.

c) Wahl eines Hausarztes Die Entscheidung zugunsten eines Hausarztes als zentralem Anlaufpunkt für jeden Patienten soll nach Vorstellung des Gesetzgebers die Hinzuziehung eines Facharztes im Sinne der Wirtschaftlichkeit regulieren. Mit jedem Leiden soll primär der Hausarzt konsultiert werden, der über eine fachärztliche Beratung und Weiterbetreuung disponiert. Seit dem Zusammenbruch des Überweisungssystems durch Einführung der Krankenversichertenkarte anstelle der zuvor üblichen Krankenscheinhefte im Jahr 1993 bis zum Inkrafttreten der sogenannten Praxisgebühr ab 1. Januar 2004 war die Regelung in 76 Abs. 3 Satz 1 SGB V nicht geeignet, die sofortige Einschaltung von Fachärzten auszuschließen, weil die Hausarztwahl gerade keine Rechtsfolgen zeitigte. Nunmehr muss der sozi___________ 296 Die quartalsbezogene Bindung an einen (Zahn)Arzt geht auf die traditionelle Gewohnheit der Mediziner zurück, ihr Honorar vierteljährlich beim Patienten abzurechnen, so Krauskopf in: Krauskopf, § 76 SGB V Rn. 15. 297 Allerdings ist die Konsultation mehrerer Vertrags(zahn)ärzte seit Einführung der Praxisgebühr mit der Zahlung von 10,00 € je Quartal verbunden, sofern der Hausarzt dem sozialversicherte Patienten nicht eine Überweisung ausgestellt hat. 298 Hess in: Kasseler Kommentar, § 76 SGB V Rn. 20. 299 Ähnlich Jörg, Rn. 28.

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

305

alversicherte Patient gemäß § 28 Abs. 4 SGB V vor jeder ersten ambulanten Behandlung im Quartal eine Gebühr von 10,00 € entrichten, es sei denn, er hat diesen Betrag schon beim Hausarzt bezahlt und für die Hinzuziehung eines Facharztes eine Überweisung erhalten. Wer im Quartal verschiedene Fachärzte aufsucht, sollte sich vom Hausarzt überweisen lassen. Ansonsten sind für jede ärztliche Behandlung ohne Überweisung pro Kalendervierteljahr erneut 10,00 € zu entrichten. Die Zahlung mehr als einer Praxisgebühr kann daher durch die Wahl eines Hausarztes verhindert werden. Demzufolge beinhaltet § 76 Abs. 3 Satz 1 iVm § 28 Abs. 4 SGB V die Versichertenlast, einen Hausarzt zu wählen.

6. Antrag auf Rehabilitation oder Rente Nach § 51 Abs. 1 Satz 2 SGB V ist die Krankenkasse berechtigt, einem Versicherten, der Krankengeld bezieht und gegenüber dem Rentenversicherungsträger einen Anspruch entweder auf medizinische Rehabilitation zur Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit oder auf Altersrente hat, eine Antragsfrist von 10 Wochen zu setzen. Auf diese Weise kann sich die Krankenkasse der Einstandspflicht in Form einer Krankengeldzahlung als dem meist höheren und damit attraktiveren Leistungsanspruch entledigen. Ein Anspruch auf Rehabilitation besteht, wenn die Erwerbsfähigkeit laut ärztlicher Begutachtung erheblich gefährdet oder bereits eingeschränkt ist. Das soll selbst bei einer fehlenden Rekonvaleszenz, die gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI aber Bewilligungsvoraussetzung ist, gelten, da ein Rehabilitationsantrag über § 116 Abs. 2 SGB VI in einen Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente umgedeutet werden kann300. Ob die Krankenkasse zur Antragstellung auffordert, steht in ihrem Ermessen. In die Ermessensentscheidung fließen neben der Kostenersparnis als kollektives Interesse die Belange des Versicherten, vor allem Bedeutung und Erfolgsaussicht seines Antrages ein301. Eine Aufforderung der Krankenkasse kann auch nach bereits erfolgter Antragstellung ergehen, weil dadurch die Dispositionsbefugnis des Versicherten beschränkt wird, mithin eine Rücknahme oder Änderung des Antrages von der Zustimmung der Krankenkasse abhängt302. Den nötigen Nachdruck erhält das Gebot zur Stellung eines Rehabilitationsoder Rentenantrages über § 51 Abs. 3 SGB V, wonach der Krankengeldanspruch nach Ablauf der Frist von 10 Wochen seit Aufforderung automatisch ___________ 300 Eine Umdeutung kommt in Betracht, wenn die Erwerbsfähigkeit durch eine Rehabilitation nicht wiederhergestellt werden kann oder sich die Erfolglosigkeit nach ihrer Durchführung herausstellt, vgl. etwa BSG NJW 1980, 1655. 301 Vay in: Krauskopf, § 51 SGB V Rn. 5. 302 BSGE 52, 26, 28 wie auch Vay in: Krauskopf, § 51 SGB V Rn. 5, 7.

306

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

entfällt. Reicht der Versicherte den Antrag später ein, wird Krankengeld ab dem Tag der Beantragung wieder gezahlt. Eine Rücknahme des Rehabilitations- oder Rentenantrages bedingt indes, dass Leistungen vom Moment der Antragstellung nicht mehr verlangt werden können, sofern die Frist derzeit schon abgelaufen war303. Denn letztlich wirkt die Willensbetätigung auf diesen Zeitpunkt zurück, sodass die Sanktion des § 51 Abs. 3 SGB V andernfalls leicht umgangen werden könnte. Die drohende Versagung von Leistungen soll den Versicherten, der erwerbsunfähig ist oder die Bedingungen für den Bezug von Altersrente erfüllt, zur Antragstellung bewegen. Demnach statuiert § 51 SGB V eine Last, den möglichen Antrag auf Rehabilitation oder Altersrente beim zuständigen Rentenversicherer binnen 10 Wochen nach Aufforderung durch die Krankenkasse einzureichen.

III. Zwischenergebnis Die Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten gründet auf dem Sozialversicherungsverhältnis und lässt sich durch den Vorbehalt des Gesetzes ausschließlich Regelungen im SGB I und SGB V entnehmen. Als hoheitliches Schuldverhältnis ähnelt die Rechtsbeziehung zwischen einem Versicherten und der Krankenkasse dem privatrechtlichen Schuldverhältnis, das gerade im Leistungsfall jeweilige Rücksichtnahme auf die berechtigten Belange des anderen Teils verlangt. Im Sozialversicherungsverhältnis wurzeln daher diverse Rechte, Pflichten und Lasten. Insbesondere handlungsbezogene Rechtssätze sind geeignet, die Verantwortungsbereiche von Krankenkasse und Versicherten gegeneinander abzugrenzen. Unter Berücksichtigung des eigenen dogmatischen Ansatzes obliegen dem sozialversicherten Patienten deutlich mehr Lasten als Pflichten. Pflichten sind dabei Verhaltensanforderungen, die mit einem Anspruch korrelieren und deshalb eingefordert werden können. Hingegen weisen Lasten als nicht geschuldete Verhaltenserwartungen einen geringeren Verbindlichkeitsgrad auf, erzeugen aber über den angedrohten Rechtsnachteil einen mittelbaren Befolgungszwang. Als öffentlich-rechtliche Körperschaft hat die Krankenkasse das Selbstbestimmungsrecht zu beachten, sodass auch der sozialversicherte Patient nicht verpflichtet ist, eine Behandlung zu dulden oder zu unterstützen. Ein entsprechendes Handeln wird rechtlich aber vielmals erwartet. Neben den Pflichten und Lasten gibt es im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung sogenannte Programmsätze. Hierbei handelt es sich um rechtliche Verhaltensnormen ohne Sanktionspotential, die überwiegend als Auslegungshilfe dienen. Sofern sie von der Krankenkasse nicht näher ausgestaltet ___________ 303 In dem Sinne Noftz in: Hauck/ Haines, § 51 SGB V Rn. 55. A.A. Vay in: Krauskopf, § 51 SGB V Rn. 13, der auf den Rücknahmezeitpunkt abstellt.

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

307

und mit einer Rechtsfolge versehen werden, vermögen sie als unsanktionierte Verhaltensrichtlinien den Versicherten nicht nachhaltig zu beeinflussen. Mit den Gesundheitsreformen der vergangenen Jahre legte der Gesetzgeber ein starkes Augenmerk auf die Eigenverantwortung des Versicherten, weil sie maßgebend zum Erhalt des gesetzlichen Krankenversicherungssystems beiträgt304. Dennoch wird der Umgang mit den versicherten Risiken als eher zurückhaltend normiert gewertet305. Tatsächlich fehlt nach derzeitiger Rechtslage eine durchgreifende Therapieverantwortung aller Versicherten, denn die Behandlungslast gemäß den §§ 63; 65; 66 SGB I betrifft nur berufstätige Versicherte und die Mitwirkungslast gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V iVm § 48 SGB X erfasst lediglich längerfristige Behandlungen. Zwar soll sich ein Versicherter nach § 63 SGB I auf Verlangen des Sozialleistungsträgers einer Heilbehandlung unterziehen, allerdings sind die Folgen der fehlenden Mitwirkung in § 66 SGB I restriktiv ausgestaltet. Da letztlich nur der Entzug von Krankengeld möglich ist, kann allein der arbeitsunfähig Erkrankte zur Behandlungsteilhabe herangezogen werden. Die Behandlungsteilhabe iSd § 63 SGB I reicht dann allerdings weiter als im (Zahn)Arzt-Patienten-Verhältnis, wo der Patient über die Einwilligungserteilung völlig frei entscheidet. Folglich hat ein zur Mitwirkung aufgeforderter sozialversicherter Patient seine Einwilligung zu erteilen, medizinische Anweisungen zu beachten und aktiv mitzuarbeiten. Für längere Behandlungsmaßnahmen folgt das indirekt auch aus § 27 Abs. 1 SGB V, der Krankenbehandlungen auf medizinisch notwendige Maßnahmen beschränkt. Eine Therapie erscheint indes von vornherein ineffizient, wenn sich der sozialversicherte Patient nicht im nötigen und zumutbaren Umfang beteiligen wird. Steht das schon im Vorfeld fest oder ergibt sich später, liegen die Voraussetzungen für eine Deckungsübernahme seitens der Krankenkasse nicht vor. Für spezielle Bereiche wie die kieferorthopädische Behandlung und die Ausstattung mit Hilfsmitteln ist die Mitwirkung des sozialversicherten Patienten speziell normiert. So obliegt dem Patienten, die kieferorthopädische Behandlung plangemäß zum Abschluss zu bringen und deshalb die Zahnspange zu tragen, zu Kontrollterminen zu erscheinen und an aktiven Platten gemäß den zahnärztlichen Anordnungen drehen. Auch jenseits der Behandlungsteilhabe treffen einen sozialversicherten Patienten im Zusammenhang mit dem Versicherungsfall verschiedene Lasten. Die ___________ 304

BT-Drucks. 11/2237, S. 157: „Solidarität und Eigenverantwortung sind keine Gegensätze, sie sind tragende Prinzipien der gesetzlichen Krankenversicherung, sie gehören zusammen … Ohne Solidarität wird Eigenverantwortung egoistisch, ohne Eigenverantwortung wird Solidarität anonym und missbrauchbar.“ 305 So etwa Blöcher, S. 192 und Friedrichs in: FS für Schieckel, S. 107, 111.

308

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

gesundheitsbewusste Lebensweise iSd § 1 Satz 2 SGB V konkretisiert § 55 Abs. 2 SGB V für die Zahnpflege und -prophylaxe dahingehend, dass der Versicherte seine Zähne regelmäßig zu putzen und jährlich zum Zahnarzt zu gehen hat, wenn er den Eigenanteil bei einer zahnprothetischen Versorgung mit 35 % so gering wie möglich halten möchte. Macht sich ein Versicherter vorsätzlich krank, kann er angemessen an den Behandlungskosten beteiligt und die Zahlung von Krankengeld versagt werden. Von einer vorsätzlichen Krankheitszuziehung iSd § 52 SGB V ist auszugehen, wenn der Versicherte wissentlich und willentlich gesundheitsschädlich handelt und mit einer Erkrankung zumindest rechnet, ohne dass sie konkret oder umfänglich gewollt sein muss. Suchtbedingte Leiden stellen zumindest insoweit eine vorsätzliche Krankheitszuziehung dar, als ein (Zahn)Arzt nachhaltig auf die Notwendigkeit einer Verhaltensänderung hingewiesen hat und der Abhängigkeit noch widerstanden werden konnte. Bei gesundheitsschädlichen Lebensweisen und extremen Sportarten greift § 52 SGB V hingegen nicht, da der Versicherte üblicherweise darauf vertraut, nicht krank zu werden. Begibt sich ein Versicherter in Behandlung, kann er zwischen den zur vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung zugelassenen oder ermächtigten Medizinern wählen. Andernfalls handelt es sich um eine privat(zahn)ärztliche Behandlung, dessen Kosten der Versicherte selbst zu tragen hat. Bei der Inanspruchnahme eines Vertrags(zahn)arztes ist vor jeder ersten Behandlung im Quartal die Versichertenkarte gemäß § 15 Abs. 2 SGB V vorzulegen und die Praxisgebühr nach § 28 Abs. 4 SGB V zu zahlen. Leistungsrelevante Umstände hat der Versicherte seiner Krankenkasse mitzuteilen, was insbesondere für eine erkrankungsbedingte Arbeitsunfähigkeit und die Benennung eines Drittschädigers gilt. Eine Arbeitsunfähigkeit ist der Krankenkasse innerhalb einer Woche nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V zu melden. Zur Benennung eines Drittschädigers ist der Versicherte gemäß § 206 Abs. 1 SGB V sogar verpflichtet, damit die Krankenkasse den Schädiger in Höhe der angefallenen Behandlungskosten in Anspruch nehmen kann. Im Hinblick auf die gesundbewusste Lebensführung, die Abwehr drohender Erkrankungen, die Unterstützung gebotener Behandlungen und den wirtschaftlichen Umgang mit Arznei-, Verbands- und Hilfsmitteln wird verschiedentlich eine Ausweitung der Versichertenverantwortung vorgeschlagen, was bislang nicht geschehen ist306. Im Zuge der dinglichen Reform der gesetzlichen Kran___________ 306

Dafür eine Begründung zu liefern versucht Jung, S. 207 f.: „Es verwundert nicht, daß entsprechende Reformvorschläge bislang wenig Erfolg hatten, werden doch allzu unterschiedliche Interessen berührt: Die Hersteller haben kein Verlangen nach einer Drosselung der Alkohol-, Zigaretten-, Zucker- oder Süßigkeitenproduktion, eine Einschränkung oder ein Verbot für diese Artikel würde weite Wirtschaftskreise beeinträchtigen, ganz zu schweigen von entgehenden staatlichen und kommunalen Steuereinnahmen; auch das Individuum selbst wird nur sehr ungern zu einer Konsumaskese bereit

B. Teilhabeverantwortung des sozialversicherten Patienten

309

kenversicherung wird eine Verkürzung des Leistungsumfanges durch die Schaffung weiterer Versichertenlasten und die Einführung von Risikozuschlägen wohl unvermeidbar sein307. Denkbar wären Verhaltensgebote, die eine Teilnahme an medizinischen Vorsorgemaßnahmen und gesundheitsorientierten Kursen vorsehen, oder Risikozuschläge bei gesundheitsgefährdenden Faktoren wie Übergewicht oder Nikotingenuss. Eine derartige Steigerung der Eigenverantwortung ist mit dem Verfassungsrecht kompatibel, sofern sich die Leistungsreduzierung auf freiwillig eingegangene Gefahrlagen beschränkt und der Versicherte diese neue Situation bewältigen kann308. Falls Rauchen leistungsrechtlich geahndet würde, nicht indes ungesunde Ernährungsgewohnheiten, karrierebedingter Stress, mangelnde Bewegung und gefährliche Freizeitaktivitäten, stellt sich das Problem einer Ungleichbehandlung. Ansonsten muss der Einzelne bei der Ausgestaltung des Sozialstaatsprinzips die Schranken hinzunehmen, die zur Pflege und Förderung eines sozialen Zusammenlebens unter Wahrung der persönlichen Entfaltung gezogen werden309. Weil kleinere Korrekturen längst nicht mehr reichen, den jetzigen Leistungsstandard künftig zu finanzieren310, ist mit einer Zunahme gesetzlich geregelter Versichertenlasten zu rechnen. Das Hoffen auf menschliche Einsicht dürfte nämlich genauso utopisch sein wie das autonome Befolgen unsanktionierter Programmsätze. Manchen Spielraum zur Heranziehung eines Versicherten wie über das Verbot einer vorsätzlichen Krankheitszuziehung nach § 52 SGB V, deren Vorliegen zugestandenermaßen schwierig zu beweisen ist, oder die Behandlungslast iSd §§ 63; 65; 66 SGB V, die durch eine Aufforderung aktiviert werden muss, nutzen die Krankenkassen kaum bis überhaupt nicht. Indes gehen einige Krankenkassen eigene Wege, um die Versicherten stärker einzubinden und eine Kostendämpfung zu erreichen. Ohne explizit Pflichten oder Lasten anzuführen, werden die Versicherten über Erhalt und Förderung der Gesundheit aufgeklärt oder mit Bonusregelungen zur gesundheitsbewussten Lebensführung und verantwortlichen Inanspruchnahme von Leistungen aufgerufen311. Dabei zählt die ___________ sein ...; die vom Vorhandensein eines gewissen, auf der ungesunden Lebensweise beruhenden Krankenstandes ausgehenden Gesundheitsberufe müßten sich bei einem Einstellungswandel der Bevölkerung ebenfalls von der reinen Kuration zu der dann bedeutsamer werdenden Prävention umlernen.“ 307 Zur Regelungs- und Durchsetzungsproblematik etwa Merten, VSSR 1983, S. 137, 148 ff. 308 Derart BVerfGE 82, 60, 79 f.; Blöcher, S. 192 ff.; Friedrichs in: FS für Schieckel, S. 107, 113; Pitschas in: Häfner, S. 169, 182, 184 f. 309 BVerfGE 4, 7, 16. 310 So schon vor Jahren Merten, VSSR 1983, S. 137, 151. 311 Dafür auch Kirchhof in: FS für Laufs, S. 931, 948 f., der sich für eine finanzielle Mitbeteilung an den Kosten medizinischer Behandlungen ausspricht.

310

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

Techniker Krankenkasse zu einem innovativen Versicherungsträger, der beispielsweise im Januar 2003 ein Modellprojekt für freiwillig Versicherte startete, die bei einer Teilnahme pro Jahr 250,00 € im Voraus erhielten und dann für jeden (Zahn)Arztbesuch einen Eigenanteil von 15,00 € bis maximal 300,00 € zu zahlen hatten312. Die fit-back-Aktion seit Mai 2003 regte Versicherte zum Sammeln von Punkten an, die für gesundheitliche Vorbeugemaßnahmen wie zahnärztliche Prophylaxeuntersuchungen, Krebsvorsorge und Impfungen, ferner für die Teilnahme an Sportveranstaltungen und den Besuch gesundheitsorientierter Kurse gewährt und ab einer bestimmten Anzahl mit einer Prämie vergütet werden313. Derartige Aktivitäten sind durchaus geeignet, das Beachten der Versichertenlasten zu befördern und die teils bestehenden Lücken der rechtlich gefassten Mitwirkungsverantwortung des Versicherten vorläufig zu schließen.

C. Vergleichende Zusammenfassung Resümierend soll die Teilhabeverantwortung eines privat- und sozialversicherten Patienten bezogen auf die medizinische Behandlung im Verhältnis zum Krankenversicherer verglichen werden. Krankenversicherer und Versicherter unterhalten eine Rechtsbeziehung, die beide Seiten zu gewissen Verhaltensweisen berechtigt und verpflichtet. Denn sowohl die privatrechtliche Versicherungsbeziehung als auch das Sozialversicherungsverhältnis sind ihrem Wesen nach Schuldrechtsverhältnisse. Sie beruhen auf der Übernahme für den Einzelnen unkalkulierbarer, in der Gesamtheit aber abschätzbarer Risiken durch den Versicherer und rufen einen Versicherten im besonderen Maße zur Mitwirkung auf, zumal er die Gefahrverwirklichung nicht selten beeinflussen kann. In der privaten wie auch gesetzlichen Krankenversicherung gibt es daher viele Verhaltensvorgaben. Je nach ihrer Rechtsnatur kann zwischen den primären Risikobeschreibungen und sekundären Risikobeschränkungen unterschieden werden, die sich unproblematisch in den dogmatischen Ansatz von den Pflichten und Lasten integrieren lassen. Zu den Lasten zählen daher Obliegenheiten, Risikoausschlüsse und Risikobeschreibungen.

___________ 312

Mit Einführung der Praxisgebühr zum 01.01.2004 dürfte das Modellprojekt in dieser Form überholt sein. 313 Kritisch zur Verhaltenssteuerung über ein finanzielles Anreizsystem Borchert in: FS für Gitter, S. 133, 137, weil Betroffene als homines oeconomici zum Objekt vergleichbar Ratten im verhaltenswissenschaftlichen Tierexperiment degradiert werden.

C. Vergleichende Zusammenfassung

311

Die Pflichten und Lasten des privat- und sozialversicherten Patienten sind allesamt schriftlich niedergelegt. So gilt in der öffentlich-rechtlich ausgestalteten gesetzlichen Krankenversicherung der Vorbehalt des Gesetzes, weswegen jeder Eingriffsakt normiert sein muss. In der privaten Krankenversicherung sind die Mitwirkungserfordernisse überwiegend vertraglich vereinbart. Theoretisch besteht zwar die Möglichkeit einer privatautonomen Ausgestaltung des Versicherungsvertrages, die aber durch die Standardisierung des Versicherungsschutzes praktisch nicht genutzt wird. Maßgebend sind daher die MBKK/ KT als Allgemeine Versicherungsbedingungen, die quasi gesetzesgleiche Wirkung haben. Auch wenn die Versicherungsverhältnisse in ihrem Wesen grundverschieden sind, gibt es weitgehend ähnliche Mitwirkungserfordernisse des privat- und sozialversicherten Patienten. Zumindest auf den ersten Blick erstaunt es doch. Die Konformität erklärt sich jedoch dadurch, dass Pflichten und Lasten infolge einer Abwägung der beiderseitigen Belange statuiert werden und sich die Interessenlage in der privaten und gesetzlichen Krankenversicherung nicht fundamental unterscheidet. Den privaten Versicherern geht es ebenso wie den Krankenkassen um einen effizienten Einsatz der von allen Versicherten gemeinsam aufgebrachten Finanzmittel und dem Erhalt ihrer Leistungsfähigkeit. Infolgedessen gibt es fast keine Pflichten, denn die Verknüpfung einer Verhaltensnorm mit einer leistungsrechtlichen Sanktion genügt diesem schutzwürdigen Interesse des Versicherers prinzipiell. Bei der Ableitung der einzelnen Versichertenlasten geht es weniger um das Auffinden der rechtlichen Grundlage als deren Rechtscharakter und Inhalt. Eine Zusammenstellung der einzelnen Mitwirkungserfordernisse findet sich in der folgenden tabellarischen Übersicht.

Obliegenheiten (O)

Pflicht

Rechtslasten

Rechtsbasis

x § 4 V MB-KT

Sanktion

x § 9 II MB-KK/ x § 10 I MB-KK/ KT KT; § 6 III VVG

x § 9 III, IV MB- x § 10 I MB-KK/ KK/ KT KT; § 6 III VVG

x §§ 9 IV MB- x § 10 I MB-KK/ KK/ KT und § 1 KT; § 6 III VVG III MB-KT

x Auskunftserteilung

x Untersuchungsduldung und -teilhabe

x Unterstützung der Genesung und Nichtausübung der Erwerbstätigkeit

x Anzeige von stationärer x § 9 I MB-KK/ x § 10 I MB-KK/ Behandlung und AU KT KT; § 6 III VVG

x Behandlung während AU x § 4 V MB-KT

Normeninhalt

Privatversicherter Patient

=

=

=

=

B/ O

Rechtsbasis

Sanktion

x § 55 I SGB V

x § 52 SGB V

x Sonderbonus bei Zahnersatz

x Kostenbeteiligung und Krankengeldentzug

x allgemeine Therapieverantwortung und bei - AU - Kieferorthopädie - Hilfsmittelgewährung

x Untersuchungsduldung und -teilhabe

x Angabe leistungsrelevanter Tatsachen

x Kundgabe bei AU

x Ruhen des Krankengeldes

x § 27 I SGB V iVm § 48 SGB X x § 63; 65 SGB I x § 29 II SGB V x § 30 V SGB V

x Aufhebung der Leistungszusage x Geldentzug x Eigenanteil x Versagung

x § 275 SGB V; x § 66 I SGB I §§ 62; 65 SGB I

x §§ 60; 65 SGB x § 66 I SGB I I

x § 49 I Nr. 5 SGB V

x Einschalten des nächst- x §§ 76; 60; 61; x Mehrkostenerreichbaren Mediziners 62 SGB V tragung

x regelmäßige Zahnpflege und -prophylaxe

x keine vorsätzliche Erkrankung

x Benennung eines Dritt- x § 206 I SGB V x Schadensersatz schädigers iVm § 116 I 1 gemäß § 296 II SGB X; 412, 402 SGB V BGB

Normeninhalt

Sozialversicherter Patient

312 1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

Rechtslasten

Gebote im Eigeninteresse

Ausschluss (A)

x Tragung der Mehrkosten

x Vermeidung von Kostenexzessen

x § 1 II 1 MB-KK

x Beachten medizinischer Notwendigkeit x keine Konsequenzen rechtlicher Art

x Eröffnung des Schutzumfanges

x § 5 I lit.b MB-KK x Eröffnung des Schutzumfanges

x Vermeidung einer vorsätzlichen Erkrankung

x § 5 II MB-KK

x kein Versicherungsschutz

x alle selbstschützenden Maß- x außerrechtliche nahmen wie eine gesundheits- Normierung bewusste Lebensführung, die Abwehr drohender Krankheit und sofortige Konsultation des (Zahn)Arztes

Risikobeschreibung (B)

x Aufsuchen eines appro- x § 4 II MB-KK/ bierten, niedergelassenen § 4 IV MB-KT Mediziners

=

B/ O

A/ B

A/ B

A/ B

x alle selbstschützenden x außerrechtMaßnahmen wie Abwehr liche Normieeiner drohenden Erkran- rung kung sowie Einschaltung des Vertrags(zahn)arztes

x § 12 I SGB V

x § 15 II SGB V

x Vorlage der Krankenversichertenkarte

x Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes

x kostenfreie Behandlung

x § 76 I SGB V

x Wahl zwischen den Vertrags(zahn)ärzten

x keine Konsequenzen rechtlicher Art

x kein Schutz/ Eigenanteil

x kostenfreie Behandlung

x kein Krankengeld

x Antrag auf Rehabilita- x § 51 SGB V tion/ Altersrente

C. Vergleichende Zusammenfassung 313

314

1. Teil, 3. Kapitel: Pflichten und Lasten gegenüber Krankenversicherer

Teilweise werden dem krankenversicherten Patienten parallele Lasten durch den Behandlungsvertrag und das Krankenversicherungsverhältnis auferlegt, die allerdings einmal im Verhältnis zum (Zahn)Arzt und einmal gegenüber dem Krankenversicherer bestehen. Dies soll am Beispiel einer kieferorthopädischen Behandlung des sozialversicherten Patienten erläutert werden. Da eine Zahnoder Kieferfehlstellung nur im Zusammenwirken mit dem Patienten zu korrigieren ist, ergibt sich aus dem Vertrag sui generis eine Teilhabelast im Verhältnis zum Vertragszahnarzt. In Anbetracht seines Selbstbestimmungsrechts entscheidet der Patient, ob er die Zahnspange kontinuierlich trägt und an den aktiven Platten dreht. Der Zahnarzt vermag zwar ein entsprechendes Verhalten nicht einzufordern, ist aber berechtigt, das Behandlungsverhältnis zu beenden, wenn der Patient trotz mehrfacher Aufforderung nicht mitwirkt. Dieselbe Teilhabelast besteht gegenüber der Krankenkasse und folgt dort unmittelbar aus dem Gesetz. So sieht § 29 SGB V vor, dass 20 % der Kosten vom Patienten zu zahlen sind. Diesen Anteil bekommt er zurück, wenn die Behandlung wie geplant abgeschlossen wird. Auf diese Weise soll der Patient motiviert werden, die meist mehrere Jahre dauernde Behandlung durchzuhalten und selbst zum Erfolg beizutragen. Andernfalls riskiert der Patient eine doppelte Sanktion – nämlich dass die Behandlung durch den Vertragszahnarzt abgebrochen wird und er die Behandlungskosten anteilig dauerhaft zu tragen hat. Gerade im Bereich der Krankenversicherungen sind die Lasten meist mit finanziellen Folgen verbunden, weshalb sie für den Patienten natürlich sehr bedeutsam sind. Sofern versicherungsrechtliche Teilhabeerfordernisse sich zusätzlich aus dem Behandlungsvertrag ergeben, überlagern sie das (Zahn)Arzt-Patienten-Verhältnis und verstärken diese Lasten.

Zweiter Teil

Mitwirkungsverantwortung des kranken Arbeitnehmers Ein erkrankter Arbeitnehmer hat seinem Arbeitgeber spätestens am vierten Fehltag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, sodass er wegen gesundheitlicher Beschwerden einen Mediziner konsultieren muss. Ob und inwieweit sich für einen berufstätigen Patienten neben den Pflichten und Lasten gegenüber dem Mediziner und Krankenversicherer infolge seiner Erkrankung eine Teilhabeverantwortung im Verhältnis zum Arbeitgeber ergibt, ist Gegenstand des zweiten Untersuchungsteils. Mitwirkungserfordernisse zulasten des kranken Arbeitnehmers wie das Vermeiden einer schuldhaften Krankheitsherbeiführung, das Einreichen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder ein gesundheitsförderliches Verhalten können die bisher ermittelten Patientenpflichten und -lasten gegebenenfalls ergänzen. Eine etwaige Teilhabeverantwortung des kranken Arbeitnehmers findet ihre rechtliche Grundlage in dem Arbeitsvertrag mit gegenseitigen Rechten, Pflichten und Lasten ergeben. Davon ausgehend sollen einzelne Mitwirkungserfordernisse nach ihrer Rechtsnatur und dem Inhalt untersucht werden.

A. Rechtsgrundlage Die Arbeitnehmerverantwortung aufgrund einer Erkrankung beruht auf dem Rechtsverhältnis, das Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum langzeitlichen Austausch von Dienstleistungen gegen stetige Vergütung für gewisse Zeit eingehen. Neben diesen synallagmatischen Hauptpflichten beinhaltet der Arbeitsvertrag als Dauerschuldbeziehung eine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers sowie Treuepflichten bzw. -lasten des Arbeitnehmers, die über § 242 BGB abgeleitet werden und die legitimen Belange des Vertragspartners wahren sollen. Der antiquierte Begriff einer Treuepflicht meint indes nicht die ausnahmslose Bindung eines Arbeitnehmers an den Arbeitgeber, sondern verdeutlicht das nötige Vertrauen für eine enge, verlässliche Kooperation. Diese Rechtspositionen sind bei der Herleitung von Nebenpflichten und Lasten aus § 242 BGB zu berücksichtigen und bedingen im Kollisionsfall ihren schonenden Ausgleich. Gerade bei ungeschriebenen Rechtssätzen sind die beiderseitigen Interessen zwingend

316

2. Teil: Mitwirkungsverantwortung des kranken Arbeitnehmers

abzuwägen. Sofern sie jedoch ausformuliert sind, haben der Gesetzgeber und die für die Schaffung kollektiven Arbeitsrechts Verantwortlichen diese Aufgabe bereits wahrgenommen. Die Rechtsgrundlage für eine Arbeitnehmerbeteiligung im Zusammenhang mit einer Erkrankung bildet also der individual- und tarifvertraglich gestaltete Arbeitsvertrag. Auch für den Arbeitsvertrag als zivilrechtliches Schuldverhältnis, der ebenso wie die Behandlungsbeziehung ein Konglomerat aus Hauptleistungspflichten, Nebenpflichten und Obliegenheiten umfasst, gilt die eigens entwickelte Dogmatik von den Pflichten und Lasten in Abgrenzung zu den außerrechtlichen Geboten. Sowohl den Arbeitgeber als auch den Arbeitnehmer können daher Pflichten und Lasten treffen. Pflichten sind Verhaltensanforderungen, die mit einem Anspruch korrelieren und deshalb eingefordert werden können. Lasten haben hingegen als nicht geschuldete Handlungserwartungen einen geringeren Verbindlichkeitsgrad, weil ihre Nichtbeachtung nur einen Rechtsnachteil bedingt. Somit ist ein Arbeitnehmer verpflichtet, wenn der Arbeitgeber wegen eines gewichtigen Interesses wie der Dispositionsfreiheit ein bestimmtes Verhalten vom Arbeitnehmer fordern kann. Genügt zum Schutz der legitimen Belange des Arbeitgebers eine Verkürzung des arbeitnehmerseitigen Rechtskreises, kommen angesichts des Selbstbestimmungsrechts nur Lasten in Betracht. Für die Mitwirkungsverantwortung des Arbeitnehmers ergibt sich daher folgendes Bild:

Mitwirkungsverantwortung des Arbeitnehmers rechtliche Normen Pflichten

außerrechtliche Normen

Lasten

= Verhaltensanforderung, die zum Schutz der Dispositionen des Arbeitgebers mit einem Anspruch korreliert

Gebote im Eigeninteresse

= Verhaltenserwartung mit drohendem Rechtsnachteil, sofern Selbstbestimmungsrecht und Arbeitgeberinteressen berührt

Anspruch

= Verhaltensanregung zur Wahrung eigener Interessen des Arbeitnehmers

Rechtsnachteil

B. Arbeitsrechtliche Pflichten und Lasten des Patienten

317

B. Arbeitsrechtliche Pflichten und Lasten eines berufstätigen Patienten Erkrankt ein Arbeitnehmer und kann deshalb vorübergehend nicht erwerbstätig werden, muss er verschiedene Rechtsnormen beachten. Die Pflichten und Lasten gründen auf dem Arbeitsverhältnis mit seinem Treuecharakter und lassen sich überwiegend gesetzlichen Vorschriften und tarifvertraglichen Vereinbarungen entnehmen. Dabei ist zu klären, welche Verhaltensnormen der Arbeitsvertrag konkret auferlegt, wie sie dogmatisch zu klassifizieren und inhaltlich zu umreißen sind. Dies soll für die Fallgruppen einer verschuldeten Erkrankung, der Anzeige und Nachweisführung bezogen auf Eintritt und Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit, der Billigung einer vom Arbeitgeber erwünschten Kontrolluntersuchung, einer krankheitsangepassten Lebensweise sowie der Benachrichtigung des Arbeitgebers über die Genesung aufgezeigt werden.

I. Vermeidung einer schuldhaften Krankheitszuziehung Grundsätzlich endet die Einflussnahme auf den Arbeitnehmer durch den weisungsberechtigten Arbeitgeber mit dem Ende des Arbeitstages, weshalb sich ein berufstätiger Mensch jenseits seiner abhängigen Beschäftigung frei und selbstbestimmt entfalten kann. Die Freizeitgestaltung obliegt ihm, solange sie auf das Arbeitsverhältnis in keiner Weise wie bei der Pflege von Haus und Garten, der Teilnahme an Weiterbildungskursen und der sportlichen Betätigung ausstrahlt1. Berechtigte Arbeitgeberbelange werden dadurch nämlich nicht berührt. Anders liegt das bei einer ungewöhnlich leichtfertigen oder mutwilligen Einwirkung auf die eigene Leistungsfähigkeit, infolgedessen die Arbeitspflicht nicht mehr erfüllt werden kann. Denn als Ausfluss seiner Fürsorgepflicht muss der Arbeitgeber das Entgelt im Krankheitsfall für die Dauer von bis zu 6 Wochen weiterzahlen, was bei einer bewusst zugefügten oder voraussehbaren Körperschädigung unbillig wäre. Mithin erhebt § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG eine unverschuldete Arbeitsunfähigkeit zur tatbestandlichen Voraussetzung, sodass ein Arbeitnehmer, der seinen krankheitsbedingten Ausfall im Sinne des EFZG verschuldet hat, keine Entgeltfortzahlung begehren kann. Die Leistungsversagung genügt dem Arbeitgeberinteresse, keine unberechtigten Zahlungen erbringen zu müssen, und wahrt außerdem die Handlungsautonomie ___________ 1 So auch Hoyningen-Huene, BB 1992, S. 2138, 2144. Siehe im Übrigen LAG Nordrhein-Westfalen (Düsseldorf) DB 1969, 667 f., für eine ehewidrige Beziehung zu einer in demselben Betrieb beschäftigten, verheirateten Frau sowie LAG NordrheinWestfalen (Düsseldorf) NZA-RR 1997, 381 f., für die Nichtteilnahme eines Alkoholikers an einer Selbsthilfegruppe.

318

2. Teil: Mitwirkungsverantwortung des kranken Arbeitnehmers

des Beschäftigten. Den Arbeitnehmer trifft also eine Last, seine Gesundheit keinen besonders erhöhten Gefahrensituationen auszusetzen, wenn bei einer Würdigung aller Umstände ein Schadenseintritt zumindest wahrscheinlich ist2. Allerdings ist das Verschulden iSd § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG untechnisch zu verstehen, sodass § 276 BGB nicht anwendbar ist. So wird eine Versagung der Entgeltfortzahlung zumindest bei einer leicht fahrlässig unterlaufenen Krankheitszuziehung als überzogen gewertet, weil sich die für eine umfassende Gesundheitsvorsorge gebotene Sorgfalt nicht immer durchhalten lässt3. Ansonsten müsste derjenige, der seine Wohnung des Morgens bei Sonne in Sandalen verlässt und nachmittags in einen angekündigten, strömenden Regen gerät und sich dann erkältet, leistungsrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Um nicht derart geringfügiges Fehlverhalten des Arbeitnehmers zu sanktionieren, reduziert das BAG in ständiger Rechtssprechung das Verschulden iSd § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG insofern, als die Arbeitsunfähigkeit auf einen groben Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Tun oder Unterlassen zurückzuführen ist4. Darunter fallen Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Wann das tolerierte Maß an Unvorsichtigkeit überschritten ist, soll für einen Arbeits- und Verkehrsunfall, eine gesundheitsschädliche Lebensweise sowie die hobbymäßige und sportliche Betätigung dargestellt werden: Eine beim Arbeitsunfall erlittene Gesundheitsschädigung gilt als selbstverschuldet, wenn die vorgeschriebene, vom Arbeitgeber gestellte Schutzausrüstung nicht getragen und mithin die Unfallverhütungsvorschriften nicht beachtet wurden. Das Arbeiten ohne Sicherheitshandschuhe5 oder der Verzicht auf den Knieschutz durch einen Fliesenleger, dessen Haut durch Betonflüssigkeit teilweise verätzt ist,6 verletzt mithin die Arbeitnehmerlast, die eigene Leistungsfähigkeit für den gewöhnlichen Arbeitseinsatz zu erhalten. Die auf einen Verkehrsunfall beruhenden Verletzungen bedingen nur beim grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verstoß gegen Straßenverkehrsvorschriften eine verschuldete Arbeitsunfähigkeit. Ein solches, wohl eher seltenes Fehlverhalten liegt im unbedachten Betreten einer dreispurigen Straße durch einen Fußgänger, der unbedingt den abfahrbereiten Bus erreichen möchte und von ___________ 2 So schon Weimar, JR 1978, S. 367; Künzl, BB 1989, S. 62, 66 und wohl auch Grunsky, JuS 1989, S. 593, 597. 3 Künzl, BB 1989, S. 62, 66. 4 BAG DB 1972, 395 f.; 1988, 402 f.; BAG NJW 1983, 2659, 2660. 5 LAG Baden-Württemberg DB 1979, 1044; LAG Berlin DB 1982, 707. 6 ArbG Passau BB 1989, 70 f.

B. Arbeitsrechtliche Pflichten und Lasten des Patienten

319

einem Pkw auf der Mittelspur erfasst wird7, dem Radfahren ohne Licht bei Dunkelheit8 und dem Führen eines Fahrzeugs mit überhöhter Geschwindigkeit auf kurvenreicher Strecke trotz starken nächtlichen Regens ohne Fahrpraxis9 und dem Nutzen eines Drikes mit abmontiertem Fahrersitz im öffentlichen Straßenverkehr10. Den Anspruch auf Entgeltfortzahlung verliert der Arbeitnehmer gleichfalls, soweit die Unfallfolgen auf das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes zurückzuführen sind11. Im Zuge einer gesundheitsschädlichen Lebensführung wird die HIV-Infektion angesichts öffentlicher Aufklärungskampagnen über Aids als verschuldet eingestuft, wenn sie nachweisbar auf ungeschützte Sexualkontakte mit häufig rotierenden, nur flüchtig bekannten Gegenübern oder im Wissen um die Erkrankung des Partners zurückzuführen ist12. Erzeugt übermäßig starkes Rauchen periphere Gefäßverschlüsse oder ein Bronchialleiden, wirkt sich das auf den Entgeltfortzahlungsanspruch solange nicht aus, wie der behandelnde Arzt das Rauchen nicht ernsthaft untersagt13. Fordert ein Mediziner auch nach einem Herzinfarkt nicht zur Einstellung oder Reduzierung des Rauchens auf, ist dem Arbeitnehmer der weitere Nikotinabusus, der später erneut behandlungsbedürftige kardiologische Beschwerden auslöst, nicht vorzuwerfen14. Wird einem Alkoholiker während der wiederholten Entziehungskur eindringlich die Notwendigkeit einer Abstinenz gegenüber alkoholischen Getränken und mit Alkohol versetzten Nahrungsmitteln erklärt, liegt im Alkoholgenuss kurz nach dem erfolgreichen Entzug und einem dadurch ausgelösten Rückfall ein besonders leichtfertiges Handeln15. Im Übrigen werden alle durch Trunkenheit verursachten Krankheiten und Unfälle als schuldhaft angesehen16, da sich der Arbeitnehmer in einen Zustand versetzt hat, der ein kontrolliertes und sicheres Handeln nicht mehr gewährleistet17. ___________ 7

LAG Nordrhein-Westfalen (Hamm) DB 1984, 515. ArbG Braunschweig WA 1965, 125. 9 LAG Nordrhein-Westfalen (Hamm) DB 1971, 2166 f. 10 ArbG Marburg DB 1991, 869. 11 BAG DB 1982, 496 ff. 12 Ebenso Müller/ Berenz, § 3 Rn. 53; Feichtinger, Rn. 122. 13 BAG DB 1987, 976. 14 So LAG Hessen BB 1984, 1098, 1099, bestätigt durch BAG DB 1986, 976. 15 BAG USK 87101. Ähnlich BAG USK 8797. 16 Vgl. etwa LAG Hessen (26.4.1971 - 1 Sa 31/71), n.v., hinsichtlich der Krankschreibung nach einer durchzechten Nacht; ArbG Berlin BB 1980, 1858, für das Hinabstürzen von einer Treppe oder BAG NZA 1987, 452 f., für das Fallen über einen Stuhl beim Aufsteh- und Heimgehversuch. 17 BAG NZA 1987, 452 f. 8

320

2. Teil: Mitwirkungsverantwortung des kranken Arbeitnehmers

Gefahrgeneigte Freizeitaktivitäten können ein Verschulden iSd § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG begründen. So erhielt ein Hobbyfotograph, dem in der Dunkelkammer eine Flasche mit hochprozentiger Essigsäure herunterfiel und auf seinen Füssen zerbrach, angesichts vergleichbar wirkungsvoller, weniger riskanter Hilfsmittel kein Entgelt im Krankheitsfall18. Grob fahrlässig ist der Umgang mit einer Kreissäge, wenn die Führungshand bloß einen maximalen Abstand zum Sägeblatt von einem halben Zentimeter hat und deshalb die linke Daumenkuppe beim Verkannten einer zudem nassen Latte in die Säge gerät19. Das Streicheln eines fremden Hundes, vor dessen Bissigkeit der Besitzer warnt, stellt ebenso leichtfertiges Handeln dar20. Sportliche Betätigungen dienen dagegen prinzipiell der Gesunderhaltung, sodass Sportunfälle als unverschuldet gelten, falls sie sich bei der Ausübung einer nicht besonders gefährlichen Sportart trotz Regelbeachtung und Einhaltung der Sicherheitsvorkehrungen ereignen und die Leistungskapazität des Einzelnen bezogen auf sein Alter, Gesundheitszustand und Trainingsstatus nicht wesentlich überschritten wird. Können die Risiken trotz guter Ausbildung und Befolgung aller Regeln nicht kontrolliert werden, ist eine generell gefährliche Sportart anzunehmen21. Überschätzt der Sportler seine Kräfte und Fähigkeiten wie ein Schwimmanfänger, der in unbekannten Gewässern weit hinausschwimmt und gerettet werden muss, oder ein Fußballamateur, der binnen eines Jahres fünfmal wegen Kniebeschwerden infolge eines Fußballspiels krank ist, sind die Verletzungen selbstverschuldet. In der Beseitigung regelwidriger Gesundheitszustände wie der Behebung einer Nasenatmungsbehinderung22 oder einer operativen Korrektur der LippenKiefer-Gaumenspalte23 liegt kein Verschulden. Hingegen ist der Verdienstausfall für die Rekonvaleszenzphase bei der Lebendorganspende zugunsten einer nahestehenden Person nicht gegenüber dem Arbeitgeber, sondern als Teil der ___________ 18

ArbG Köln DB 1985, 604. ArbG Iserlohn b+p 1987, 34. 20 ArbG Wetzlar DB 1995, 1468. 21 Bei der Qualifizierung als besonders gefährliche Sportart war die Rechtsprechung bisher äußerst zurückhaltend. Dazu zählen nur das Bungee-Springen: Gerauer, NZA 1994, S. 496 f., a.A. Kunz/ Wedde, § 3 EFZG Rn. 110; Kick-Boxen: ArbG Hagen NZA 1990, 311 und Moto Cross: BAG (25.02.1971 - 5 AZR 471/71), n.v. Als nicht abstrakt riskanter Sport gelten beispielhaft Boxen: LAG Saarland BB 1975, 1253, a.A. Weimar, JR 1978, S. 367, 368; Drachenfliegen: BAG DB 1982, 706 f., a.A. Weimar, JR 1978, S. 367, 368; Fallschirmspringen: LAG Berlin DB 1970, 1838 f.; Fußballspielen: LAG Düsseldorf DB 1974, 1392; Motorradrennen: LAG Hessen BB 1973, 1358, LAG Nordrhein-Westfalen (Köln) NZA 1994, 797 und Skifahren: LAG Bremen BB 1964, 220 f. 22 LAG Nordrhein-Westfalen (Hamm) DB 1988, 1455. 23 LAG Hessen EEK I/ 501. 19

B. Arbeitsrechtliche Pflichten und Lasten des Patienten

321

Heilbehandlungskosten im Verhältnis zum Krankenversicherer des Empfängers geltend zu machen24.

II. Anzeige und Nachweis der Arbeitsunfähigkeit Gemäß § 5 Abs. 1 EFZG ist der abhängig Beschäftigte verpflichtet, seinem Arbeitgeber die Erkrankung sowie ihre voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen und bei einer länger als 3 Kalendertage währenden Arbeitsunfähigkeit spätestens am darauffolgenden Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des (Zahn)Arztes vorzulegen. Die Pflichten und Lasten, die angesichts einer Krankmeldung und Vorlage eines Attests aus dieser Vorschrift abzuleiten sind, werden gleichwohl Inhalt des Arbeitsvertrages. Trotz der Kodifikation bedarf es einer Auseinandersetzung mit ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen.

1. Krankmeldung Das Erfordernis der Krankmeldung ist in § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG und für die Durchführung stationärer Maßnahmen zur Prävention oder Rehabilitation mit § 9 Abs. 2 EFZG speziell geregelt. Dadurch wird dem Arbeitgeber ermöglicht, die zur Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Betriebsablaufes notwendigen Dispositionen wie die Aufgabenübertragung auf andere Mitarbeiter oder die vorläufige Besetzung der Stelle mit einer Aushilfe zu ergreifen. Ferner kann er eine frühere Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG verlangen und bei Zweifeln an der Erkrankung eines sozialversicherten Beschäftigten eventuell eine vertrauens(zahn)ärztliche Kontrolluntersuchung iSd § 275 SGB V veranlassen25. Durch die Gewichtigkeit der Arbeitgeberbelange hat der Gesetzgeber mit § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG eine echte Pflicht normiert26. Die Anzeigepflicht richtet sich an alle Arbeitnehmer ein___________ 24

So BAG DB 1987, 540: In dem entschiedenen Fall hatte sich ein Arbeitnehmer zur Rettung seines Bruders, der durch das Berühren einer Starkstromleitung lebensgefährliche Verbrennungen erlitten hatte, für erhebliche Hauttransplantationen zur Verfügung gestellt. Das BAG sah den Treuegedanken vom Arbeitsverhältnis überspannt, wenn der Arbeitgeber für bewusst und gewollt herbeigeführte gesundheitliche Eigenschädigungen, wenngleich sie mitunter ethisch löblich sind, einstehen müsse. Ebenso Thivessen, ZTR 1989, S. 267 f.; Dörner in: Erfurter Kommentar, § 3 EFZG Rn. 21, 58; a.A. Kunz/ Wedde, § 3 EFZG Rn. 103. 25 LAG Nordrhein-Westfalen (Hamm) DB 1971, 872; Geyer/ Knorr/ Krasney, § 5 Rn. 11 und Kleinsorge in: Kaiser/ Dunkl/ Hold/ Kleinsorge, § 5 Rn. 1, 3. 26 Dafür BAG NZA 1987, 93 f.; 1993, 17 ff.; LAG Nordrhein-Westfalen (Köln) ARSt 1994, 57; Lepke, DB 1970, S. 489, 494; Borchert, AuR 1990, S. 375, 376; Worzalla, NZA 1996, S. 61, 62; Vossen, Rn. 234; Geyer/ Knorr/ Krasney, § 5 Rn. 12; Klein-

322

2. Teil: Mitwirkungsverantwortung des kranken Arbeitnehmers

schließlich denjenigen, denen eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nicht zusteht27, und umfasst auch die Mitteilung einer fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit28. Die Anzeigepflicht verlangt vom Arbeitnehmer, sich unverzüglich krank zu melden, also üblicherweise in den ersten Betriebsstunden am Erkrankungstag unabhängig davon, ob konkret zu arbeiten wäre29. Ausnahmsweise darf die Benachrichtigung unterbleiben, wenn der Arbeitgeber über die Verletzungen seines Arbeitsnehmers etwa infolge eines Arbeitsunfalls ohnehin informiert ist. Ist der Arbeitnehmer bewusstlos oder bettlägerig, gilt sie für diese Phase nicht als schuldhaft verzögert30. Das Abwarten bis zur Stellung der Diagnose ist jedoch nicht möglich31. Solange der Arbeitnehmer noch keinen (Zahn)Arzt konsultiert hat, ist die Genesungsdauer lediglich laienhaft geschätzt32 und muss bei deutlichen Abweichungen von der später eingeholten (zahn)ärztlichen Meinung gegenüber dem Arbeitgeber korrigiert werden33. Um sich unverzüglich krank zu melden, bietet sich die fernmündliche oder teleelektronische Übermittlung an34. Die Anzeige muss grundsätzlich die Tatsache, arbeitsunfähig erkrankt zu sein, und die voraussichtliche Dauer enthalten. Bei ansteckenden oder schuldhaft verursachten Leiden sind darüber hinaus Krankheitsart und -ursache mitzuteilen, damit andere Mitarbeiter und sonst Betroffene geschützt35 oder die Umstände einer Drittschädigung36 abgeklärt werden können37. ___________ sorge in: Kaiser/ Dunkl/ Hold/ Kleinsorge, § 5 Rn. 84; Müller/ Berenz, § 5 Rn. 15 sowie Oetker in: Staudinger, § 616 Rn. 292. A.A. Marienhagen, BB 1970, S. 586, 587; Brill, WzS 1980, S. 69, 71 und Kunz/ Wedde, § 5 EFZG Rn. 25, die von einer bloßen Ordnungsvorschrift ausgehen, wie auch Stückmann, DB 1996, S. 1822, 1823, der eine Obliegenheit annimmt. 27 LAG Nordrhein-Westfalen BB 1971, 616; DB 1989, 1294; LAG Sachsen-Anhalt BB 1996, 2307; Geyer/ Knorr/ Krasney, § 5 Rn. 11; Schmitt, § 5 Rn. 9. 28 Ebenso Hanau/ Kramer, DB 1995, S. 94; Galahn, S. 63 f.; Feichtinger, Rn. 486; Vossen, Rn. 246; Kunz/ Wedde, § 5 EFZG Rn. 61 und Schmitt, § 5 Rn. 123 ff. 29 BAG NZA 1990, 433 f.; Berenz, DB 1995, S. 2166, 2169; Stückmann, AuA 1998, S. 224, 227; Hunold, S. 77; Schmitt, § 5 Rn. 18 f. 30 Hunold, S. 77; Lepke, Rn. 330; Schmitt, § 5 Rn. 25. 31 Lepke, NZA 1995, S. 1084, 1086 und Geyer/ Knorr/ Krasney, § 5 Rn. 3. 32 BAG NZA 1990, 433, 434 und Dörner in: Erfurter Kommentar, § 5 EFZG Rn. 8. 33 Worzalla, NZA 1996, S. 61, 62; Kunz/ Wedde, § 5 EFZG Rn. 21. 34 Lepke, Rn. 332; Müller/ Berenz, § 5 Rn. 12; Kunz/ Wedde, § 5 EFZG Rn. 14. 35 Gedacht werden könnte an einen Salmonellenkranken, der in der Lebensmittelherstellung arbeitet, sodass vor allem dessen letzte Produktserie zurückzurufen ist, oder einen in Afrika tätigen Kameramann, nach dessen Rückkehr der Verdacht auf das hochansteckende Ebolafieber besteht. 36 Hat ein Dritter die Arbeitsunfähigkeit schuldhaft herbeigeführt und will sich der Arbeitgeber für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bei ihm schadlos halten, ist der

B. Arbeitsrechtliche Pflichten und Lasten des Patienten

323

Verletzt der Arbeitnehmer seine arbeitsrechtliche Anzeigepflicht und erleidet der Arbeitgeber dadurch finanzielle Einbußen, besteht ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB38. Eine solche Konstellation liegt etwa in einer schuldhaft unterlassenen Offenbarung der Erkrankung, weshalb sich der Arbeitgeber nicht sofort um eine Vertretung kümmern kann und infolgedessen eine Vertragsstrafe mangels termingerechter Auftragsabwicklung fällig wird39, oder die für ein mehrtägiges Consulting eingeladenen Partner erscheinen, die ansonsten vor ihrer Abreise noch rechtzeitig über den Terminaufschub hätten benachrichtigt werden können40. Daneben kann die Missachtung dieser Pflicht eine verhaltensbedingte fristgerechte Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG oder eine außerordentliche Kündigung iSd § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigen. Da der Schadensersatzanspruch keine immateriellen Nachteile kompensiert, wird sich ein Arbeitgeber von dem quertreibenden Arbeitnehmer trennen wollen. Allerdings muss ein Arbeitnehmer, der seine Anzeigepflicht erstmals verletzt, als Vorstufe zur Kündigung zunächst abgemahnt werden41. Die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist gegenüber der ordentlichen Kündigung nachrangig und nur zulässig, wenn eine weitere Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung und Abwägung aller Einzelfallumstände bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder dem vereinbarten Beendigungszeitpunkt nicht zumutbar ist. Das gilt ebenfalls, wenn dem Arbeitgeber eine Verlängerung der Krankschreibung nicht mitgeteilt wird, obgleich ihn die fortdauernde Erkrankung nicht derart überrascht wie eine unterbliebene Erstinformation42.

2. Einreichen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Krankheitsfall verlangt § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG bzw. § 9 Abs. 2 EFZG für die Teilnahme an einer medizinischen Rehabilitation. Dadurch wird der Nachweis erbracht, dass ___________ Arbeitnehmer über § 6 Abs. 2 EFZG zur Auskunft verpflichtet. Mithin müssen die zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruches nötigen Fakten wie Name und Anschrift des Ersatzpflichtigen wie auch Zeit und Ort des Unfalls einschließlich einer Schilderung des Geschehnisses preisgegeben werden. 37 So auch LAG Berlin DB 1990, 1621; Lepke, DB 1983, S. 447, 449; Worzalla, NZA 1996, S. 61, 62; Geyer/ Knorr/ Krasney, § 5 Rn. 21. 38 Im Ergebnis gleich Hunold, S. 78 f.; Kleinsorge in: Kaiser/ Dunkl/ Hold/ Kleinsorge, § 5 Rn. 84; Müller/ Berenz, § 5 Rn. 17. 39 LAG Nordrhein-Westfalen (Hamm) EEK II/ 030. 40 Beispiel entnommen von Angel, S. 101. 41 Ähnlich LAG Nordhein-Westfalen (Düsseldorf) DB 1955, 900; Hunold, S. 79; Feichtinger, Rn. 698; Schmitt, § 5 Rn. 174. 42 LAG Nordrhein-Westfalen (Köln) ZTR 1996, 131.

324

2. Teil: Mitwirkungsverantwortung des kranken Arbeitnehmers

der Arbeitnehmer wirklich arbeitsunfähig krank ist, und das voraussichtliche Ende der Auszeit zuverlässig angegeben43. Legt der Arbeitnehmer keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, darf der Arbeitgeber eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 EFZG bis zur Nachholung verweigern. Wegen der Verknüpfung des Verhaltensgebotes mit einem Rechtsnachteil begründen die §§ 5 Abs. 1 Satz 2; 9 Abs. 2 EFZG eine Arbeitnehmerlast44, die jedoch vor Ablauf der vierwöchigen Wartezeit des § 3 Abs. 3 EFZG und nach Überschreitung der Sechswochenfrist von § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG nicht besteht45. Denn innerhalb dieser beiden Phasen wird keine Vergütung gewährt, sodass für eine Nachweiserbringung ein schutzwürdiges Arbeitgeberinteresse fehlt, zumal die Anzeigepflicht iSd § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG davon unberührt bleibt. So genügt die unverzügliche Krankmeldung dem Planungsinteresse des Arbeitgebers. Hingegen zielt die Attestvorlage auf eine unabhängige (zahn)ärztliche Bestätigung, weil für eine nicht erbrachte Arbeitsleistung ohne Krankheit keine Vergütung gezahlt wird. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Mediziners schützt den Arbeitgeber daher insoweit, als er einen echten Krankheitsfall annehmen kann46 und die Pflicht zur Entgeltfortzahlung begründet ist. Die Nachweislast entsteht, wenn der Arbeitnehmer länger als 3 Tage krank ist47, es sei denn, der Arbeitgeber fordert die Bescheinigung nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG zu einem früheren Moment. Letzteres folgt entweder aus dem Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder durch Aufforderung etwa im Zuge der Krankmeldung. Folglich beinhaltet § 5 Abs. 1 Satz 2, 3 EFZG mittelbar die Last, einen (Zahn)Arzt rechtzeitig einzuschalten48. Nach einhelliger Ansicht ist die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am vierten Kalendertag ge-

___________ 43

Oetker in: Staudinger, § 616 Rn. 307. Ebenso LAG Baden-Württemberg BB 1990, 588; Borchert, AuR 1990, S. 375, 376; Stückmann, DB 1996, S. 1822, 1823; Edenfeld, DB 1997, S. 2273, 2277. A.A. BAG NZA 1993, 23; LAG Nordrhein Westfalen DB 1971, 872, 873; DB 1989, 1294; Weiland, BB 1979, S. 1096, 1100; Lepke, Rn. 354; Kleinsorge in: Kaiser/ Dunkl/ Hold/ Kleinsorge§ 5 Rn. 84, die allesamt von einer arbeitsrechtlichen Nebenpflicht ausgehen. 45 Anders die allgemeine Ansicht LAG Nordrhein-Westfalen (Hamm) DB 1971, 872 f.; LAG Sachsen-Anhalt NZA 1997, 772; Vossen, NZA 1998, S. 354, 356; Lepke, Rn. 340; Kunz/ Wedde, § 5 EFZG Rn. 6. 46 Die ordnungsgemäße Krankschreibung erbringt prima facie den Beweis, dass der Arbeitnehmer tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt ist, so etwa BAG NZA 1993, 23, 24 und ArbG Kiel BB 1979, 1664, 1665. 47 Diller, NJW 1994, S. 1690, 1692; Boecken, NZA 1999, S. 673, 678 f.; Kleinsorge in: Kaiser/ Dunkl/ Hold/ Kleinsorge, § 5 Rn. 15. A.A. Müller/ Berenz, § 5 Rn. 24 ff., 32. 48 BAG NZA 1998, 369, 371 und Schmitt, § 5 Rn. 64 f. 44

B. Arbeitsrechtliche Pflichten und Lasten des Patienten

325

rechnet seit Krankheitsbeginn einzureichen49 und bei einem anderslautenden Geheiß iSd § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG entsprechend eher50. Verlängert sich die ursprünglich attestierte Arbeitsunfähigkeit, hat der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber gemäß § 5 Abs. 1 Satz 4 EFZG einen (zahn)ärztlichen Fortsetzungsnachweis vorzulegen. Fraglich ist aber, innerhalb welcher Frist dies geschehen muss. Unter Berücksichtigung des Regelungszwecks und aus praktischen Erwägungen favorisiert eine Meinung die analoge Anwendung von § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG, sodass die Folgebescheinigung spätestens am vierten Tag nach dem eigentlich angegebenen Endtermin zugehen sollte51. Eine andere, vorzugswürdige Ansicht verlangt einen neuen Arbeitsunfähigkeitsnachweis am Tag nach dem zunächst angegebenen Ende, also eine nahtlose Attestserie52. Legt der Arbeitnehmer keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, erhält er gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG kein Entgelt. Bei längerer Krankheit, die erst im Wochentakt nachgewiesen und später nicht mehr belegt wurde, besteht nur für die Zeiten ohne eingereichte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kein Entgeltanspruch. Da ein Arbeitgeber regelmäßig mehr an der Meldung einer Arbeitsunfähigkeit als ihrem Nachweis interessiert ist53 und seinen legitimen Belangen über die dilatorische oder peremptorische Leistungsversagung genügt wird, erscheint die Annahme eines Kündigungsrechts bei wirklicher Arbeitsunfähigkeit und getätigter Krankmeldung bedenklich54.

III. Kontrolluntersuchung Fraglich ist, ob der kranke Arbeitnehmer, der eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beigebracht hat, eine vom Arbeitgeber gewünschte Nachuntersuchung dulden und unterstützen muss. Der Betriebsarzt darf eine Krankmeldung nicht auf ihre Berechtigung überprüfen, da er gemäß § 3 Abs. 3 ASiG insoweit ___________ 49

Siehe BT-Drucks. 12/5798, S. 2, 21, 24 wie auch Diller, NJW 1994, S. 1690, 1691; Tschöpe, MDR 1996, S. 1081, 1085; Feichtinger, Rn. 496; Schmitt, § 5 Rn. 54. 50 Für eine Attestvorlage frühestens ab dem zweiten Krankheitstag Kramer, BB 1996, S. 1662, 1666; Lepke, Rn. 346; Kunz/ Wedde, § 5 EFZG Rn. 30. Gegen diese Einschränkung sind Feldgen, DB 1994, S. 1289, 1290; Boecken, NZA 1999, S. 673, 679; Feichtinger, Rn. 501; Schmitt, § 5 Rn. 74 f. 51 In dieser Weise Bleistein, b+p 1995, S. 19, 20; Götz, S. 99 Rn. 138; Kunz/ Wedde, § 5 EFZG Rn. 63; Schmitt, § 5 Rn. 123, 125. 52 Dafür Feichtinger, Rn. 509; Kleinsorge in: Kaiser/ Dunkl/ Hold/ Kleinsorge, § 5 Rn. 26; Müller/ Berenz, § 5 Rn. 41. 53 BAG NZA 1990, 433; Kramer, BB 1996, S. 1662, 1665; Feichtinger, Rn. 703. 54 So auch Kramer, BB 1996, S. 1662, 1665; Kunz/ Wedde, § 5 EFZG Rn. 49 und Schmitt, § 5 Rn. 174.

326

2. Teil: Mitwirkungsverantwortung des kranken Arbeitnehmers

unzuständig ist. Weil ein Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung nach Vorlage eines (zahn)ärztlichen Attestes nicht gemäß den §§ 5 Abs. 1; 7 Abs. 1 Satz 1 EFZG verweigern und die Arbeitsunfähigkeit nicht mit Pauschalbehauptungen oder Vermutungen bestreiten kann, hat die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einen hohen Beweiswert55. Dennoch gibt es keine arbeitsrechtliche Pflicht oder Last, eine zumutbare medizinische Begutachtung auf Geheiß des Arbeitgebers hinnehmen zu müssen56. Eine solche ist im EFZG nicht normiert und kann auch nicht individual- oder tarifvertraglich geregelt werden, da von den Vorschriften des Gesetzes laut § 12 EFZG nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden darf. Der Arbeitgeber ist aber keineswegs schutzlos gestellt, denn über § 275 Abs. 1a Satz 3 SGB V kann er von der Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme des MDK und mithin die Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit fordern57. Diese Untersuchungslast eines sozialversicherten Arbeitnehmers nach § 275 Abs. 1a Satz 3, Abs. 1 Nr. 3 SGB V iVm §§ 62, 65, 66 SGB I besteht aber im Verhältnis zum Krankenversicherer und nicht gegenüber dem Arbeitgeber58. Mithin fehlt eine Arbeitnehmerpflicht oder -last, sich einer zusätzlichen Untersuchung zu unterziehen. Eine vom Arbeitgeber trotzdem angeordnete und vom Arbeitnehmer nicht wahrgenommene Kontrolluntersuchung berechtigt daher weder zur Kündigung noch beseitigt sie den Vergütungsanspruch.

IV. Gesundheitsförderliches bzw. krankheitsgemäßes Verhalten Überaus bedeutsam ist die rechtliche Erfassung eines genesungsförderlichen und krankheitsgemäßen Arbeitnehmerverhaltens während einer erkrankungsbedingten Arbeitsauszeit, mithin die Anpassung der privaten Lebensführung an den momentanen Gesundheitszustand unter Beachtung aller medizinischen Anordnungen. Dies impliziert die Redlichkeit des Arbeitnehmers, der demzufolge wahrhaft krank sein muss, also eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht erschlichen hat. Ob und auf welche Weise der Arbeitnehmer in diesem Sinne rechtlich herangezogen wird (1.), ist ebenso wie dessen Inhalt (2.) und das Sanktionspotential bei einer Zuwiderhandlung (3.) zu prüfen. ___________ 55

Vgl. zur st. Rspr. nur BAG DB 1977, 119 ff; BB 1989, 1270; NZA 1993, 23, 24; DB 1998, 580. 56 Ähnlich Weidenfeld, BB 1979, S. 1096, 1100; Dörner in: Erfurter Kommentar, § 5 EFZG Rn. 25; Kunz/ Wedde, § 5 EFZG Rn. 39, 58; Vossen, Rn. 248. A.A. LAG Berlin DB 1990, 1621, 1622; Schmitt, AuA 1999, S. 210, 211; Benzani, S. 72; Galahn, S. 133. 57 Kritisch Lepke, Rn. 401. 58 LAG Berlin DB 1990, 1621, 1622; Edenfeld, DB 1997, S. 2273, 2276.

B. Arbeitsrechtliche Pflichten und Lasten des Patienten

327

1. Obwohl nahezu einhellig anerkannt ist, dass bei einer Arbeitsunfähigkeit der Heilungsverlauf nicht verzögert oder vereitelt werden darf, bereitet die Herleitung und Erfassung eines solchen Rechtssatzes immer noch Probleme. Überwiegend wird eine Nebenpflicht bejaht, wonach der Arbeitnehmer zur Restitution seiner Leistungsfähigkeit alles Erforderliche tun und Hinderliche unterlassen müsse59, zum Beispiel medizinische Anweisungen zu befolgen und genesungsschädliche Aktivitäten zu vermeiden habe. Andere lehnen eine Pflicht aufgrund des Persönlichkeitsrechts zugunsten einer Obliegenheit ab, die eine zustandsangepasste Lebensweise auferlege60. Die Entscheidung zwischen beiden Meinungen hängt nach eigener Auffassung von der Gewichtung der berührten Belange und mithin von einem eigenen Anspruch des Arbeitgebers ab. Da der Arbeitgeber ohne Erhalt einer Arbeitsleistung für längstens 6 Wochen vergütungspflichtig bleibt, ist er an einer schnellen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit interessiert. Der Arbeitnehmer möchte sich hingegen möglichst weitgehend selbstbestimmt entfalten, was bei der Annahme einer Verhaltenspflicht mehr als nötig eingeengt würde61. Zur Wahrung der Arbeitgeberinteressen genügt nämlich, dass der Arbeitnehmer die Konsequenzen eines längeren Arbeitsausfalls infolge medizinisch untersagten oder sonst gesundheitsschädlichen Handelns trägt. Diesen Ausgleich erreicht eine Handlungslast, indem der kranke Arbeitnehmer seine Privatsphäre autonom gestalten, eine selbst verursachte Genesungsverzögerung aber nicht auf den Arbeitgeber abwälzen kann62. Eine Stütze findet diese gesteigerte Gesundheitsfürsorge in § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Denn eine verschuldete Arbeitsunfähigkeit umfasst neben der vorsätzlichen oder leichtfertigen Herbeiführung auch die Zustandsverschlechterung durch unverantwortliches Handeln wie der Nichteinnahme verschriebener Arzneimittel oder einem Spaziergang trotz verordneter Bettruhe63. 2. Da sich ein krankheitsgemäßes Verhalten inhaltlich nur schwer abstrakt darstellen lässt, erfolgt die Präzisierung anhand ausgewählter Rechtsprechungs___________ 59

In diesem Sinne etwa BAG BB 1980, 836; DB 1992, 431, 433; NZA 1994, 63, 66; LAG Nordrhein-Westfalen DB 1955, 1044; DB 1983, 235; 1992, 431, 432; Weisemann, BB 1977, S. 1767, 1771; Gottwald, NZA 1999, S. 180, 181 f.; Ewert/ Hüttner/ Keune/ Kopske/ Wiesner, S. 159; Feichtinger, Rn. 118, 612; Hunold, S. 164; Dunkl in: Kaiser/ Dunkl/ Hold/ Kleinsorge, § 3 Rn. 97; Gölge in: MüKo, § 611 Rn. 433. 60 Dafür LAG Nordrhein-Westfalen DB 1955, 1092; LAG Bayern BB 1980, 262; ArbG Heilbronn BB 1969, 136; ArbG Berlin DB 1974, 2212; Lepke, DB 1974, S. 430, 433 f.; Neumann, NJW 1978, S. 1838, 1842; Künzl/ Weinmann, AuR 1996, S. 256, 260; Künzl, NZA 1999, S. 744, 745; Geyer/ Knorr/ Krasney, § 3 Rn. 142. 61 So auch Schäfer, NZA 1992, S. 529, 530 f. und Künzl, NZA 1999, S. 744, 745. 62 Ähnlich Künzl/ Weinmann, AuR 1996, S. 256, 260; Schmitt, § 3 Rn. 128. A.A. Schäfer, NZA 1992, S. 529, 530 f., 533, der eine Arbeitnehmerpflicht oder -last ablehnt. 63 Siehe etwa BAG DB 1980, 741, 742; LAG Bayern BB 1980, 262; Lepke, DB 1974, S. 478, 481; Hunold, S. 165; Feichtinger, Rn. 118; Müller/ Berenz, § 3 Rn. 42.

328

2. Teil: Mitwirkungsverantwortung des kranken Arbeitnehmers

fälle. Thematisch geht es dabei um die Ausübung anderweitiger Tätigkeiten, der Freizeitgestaltung und dem Verlassen des Wohnsitzes. Erbringt der arbeitsunfähig Erkrankte eine Arbeitsleistung für einen Dritten oder sich selbst, die in der Belastungsintensität dem eigentlichen Betätigungsoder Einsatzgebiet ähnelt, liegt eine Vereitelung der Genesung und der Verdacht eines vorgetäuschten Gesundheitsschadens nahe. Der letzte Aspekt soll wegen der bereits erwähnten Prämisse einer tatsächlich bestehenden Arbeitsunfähigkeit nicht weiter verfolgt werden. Demnach verhält sich ein Automechaniker, der eine zweieinhalbstündige Montage für eine Konkurrenzwerkstatt durchführt64, oder die Küchenhilfe mit Kreislaufproblemen, die dennoch ihrem Zweitjob als Putzfrau nachgeht65, krankheitswidrig. Im Übrigen müsste eine etwaige Restarbeitsfähigkeit zugunsten des Hauptarbeitgebers eingesetzt werden66. Unterscheidet sich die erbrachte Tätigkeit indes von der beruflichen Anforderung, kann nicht sofort auf eine Genesungsvereitelung geschlossen werden. Beispielhaft ist dafür das morgendliche Ausliefern von Brötchen, die bis zu 60 Stück pro Plastikgefäß verpackt sind, bei einer Krankschreibung wegen eines Bandscheibenvorfalls anzuführen, wenn der Arbeitnehmer gewöhnlich etwa 80 Kilogramm hätte tragen muss67. Anders wäre das Fliesenlegen zwecks termingerechter Fertigstellung des Wohnhauses zu bewerten68. Ein Arbeitnehmer darf daher keine vergüteten oder sonstigen Angelegenheiten, die mit der Gesundheitssituation nicht vereinbar sind, allen voran arbeitsäquivalente Aufgaben oder körperlich schwere Betätigungen wie das Mähen großer Rasenflächen am Hang erledigen. Die ordentliche Haushaltsführung ist solange unbeschränkt, als sie nicht gegen medizinisch erteilte Verhaltensregeln verstößt69. Je weiter die Genesung voranschreitet, desto eher können übrigens private Angelegenheiten wahrgenommen werden70.

___________ 64

LAG Hessen (15.08.1985 - 12 Sa 963/84), n.v. LAG Nordrhein-Westfalen (Düsseldorf) BB 1981, 1522 f. 66 Vgl. hingegen den Fall des LAG Nordrhein-Westfalen (Düsseldorf) DB 1981, 900: Der mehr als sechswöchig kranke Arbeitnehmer, der während dieser Zeit überwiegend, meist ganztägig im Arbeitsanzug auf seiner Eigenheimbaustelle anpackend gesichtet wurde und zwischendurch mehrmals größere Strecken mit dem Pkw zwecks Abholung von Baumaterialien zurücklegte, hätte nach forensischer Ansicht die berufliche Tätigkeit als Kraftfahrer offensichtlich ausüben können. 67 LAG Baden-Württemberg b+p 1997, 249. 68 LAG Nordrhein-Westfalen (Hamm) DB 1992, 431 ff. 69 ArbG Oldesloe ARSt 1969, 24; ArbG Heide ARSt 1975, 46. 70 Vgl. dazu BAG NJW 1974, 1367; LAG Düsseldorf BB 1958, 776; LAG Köln NZA-RR 1997, 338 ff. 65

B. Arbeitsrechtliche Pflichten und Lasten des Patienten

329

In der zweiten Fallgruppe geht es um die Gestaltung der krankheitsbedingten Freizeit. Bisweilen wird der zusätzliche Freiraum für Aktivitäten genutzt, die beim üblichen Arbeitsalltag zu kurz kommen, oder der gewohnten Freizeitbeschäftigung weiter nachgegangen. Dies gilt beispielhaft bei einem Bar-, Restaurant- oder Kinobesuch ohne Rücksicht auf die verordnete Bettruhe71, dem Kirmesgang an Krücken mit schwerem Gichtschub72, der Teilnahme am Geländereiten trotz Unterleibsbeschwerden73, dem nächtlichen Aufenthalt in einer Diskothek, falls die Krankschreibung auf starken Kopfschmerz lautet74, und eine Teilnahme am Polterabend mit einem Harnwegsinfekt, bei dem man sich warm halten und stetig heiße Getränke zuführen sollte75. Besteht keine Bettruhe, kann ein Spaziergang oder der Besuch von Bekannten der Genesung durchaus zuträglich sein. So darf sich auch der nach einer Ehescheidung seelisch zerrüttete und deshalb krankgeschriebene Arbeitnehmer zur Aufmunterung in eine Bar begeben76, ein mit Verdacht auf Nierensteine Erkrankter vor dem Betrieb unentgeltlich politische Zeitungen verteilen, zumal ihm Bewegung an der frischen Luft ärztlich empfohlen wurde77, oder ein Mitarbeiter, der wegen Rückenproblemen ausgefallen ist, bei Renovierungsarbeiten helfen, indem er Tapeten hält und Bahnen ausmisst78. Somit hängt die normgemäße Freizeitgestaltung von Art und Ausmaß des Leidens und dem Krankheitsverlauf ab. Demnach kann zwar ein Herzpatient einen öffentlichen Lichtbildervortrag besuchen; eine Betätigung als Linienrichter ist ihm hingegen nicht gestattet, da er während des Fußballspieles an der Seitenlinie hin- und herlaufen muss und sich dabei eben nicht körperlich schont79. Ein kranker Arbeitnehmer darf sich ein Konzert anhören, wenn er ein akutes Augenleiden hat und nicht einen Migräneanfall beklagt80. Überwiegend dürfte das Verlassen des eigenen Wohnsitzes durch den Antritt einer längeren Reise unbedacht der fiebrigen Grippe oder mit einem Liegegips nicht krankheitskonform sein. Entscheidend ist jedoch die konkrete Erkran___________ 71 LAG Nordrhein-Westfalen (Düsseldorf) DB 1955, 1044; LAG Niedersachen ARSt 1967, 175; ArbG Essen DB 1966, 2035. Ähnlich LAG Nordrhein-Westfalen (Hamm) DB 1983, 235, für einen Spielkasinobesuch mit längerer An- und Abfahrt. 72 ArbG Solingen ARSt 1983, 24. 73 ArbG Husum (13.11.1969 - 1 Ca 207/69), n.v. 74 LAG Schleswig-Holstein AiB 1990, 40. 75 LAG Rheinland-Pfalz (09.08.1991 - 6 Sa 282/91), n.v. 76 ArbG Heilbronn (21.03.1972 – 1 Ca 83/72), n.v. 77 ArbG Berlin DB 1974, 2212. 78 LAG Nordrhein-Westfalen (Köln) NZA-RR 1999, 188 f. 79 LAG Niedersachsen BB 1984, 1233 f. 80 Lepke, Rn. 430.

330

2. Teil: Mitwirkungsverantwortung des kranken Arbeitnehmers

kung. Verlässt die wegen Depressionszuständen psychisch betreute Redaktionsassistentin ein allein bewohntes Zimmer, um zu ihren Eltern zu fahren und sich vorerst dort aufzuhalten, scheint darin ein echt genesungsförderlicher Schritt zu liegen, zumal Bettlägerigkeit und Ausgehverbot nicht bestehen81. Vergleichbar ist der Fall eines Bankangestellten zu sehen, der sich beim Judo eine Rippenfraktur und eine Schulterprellung zuzog und deshalb mit der Bahn vom Wohnort Aschaffenburg zu Bekannten nach Limburg fuhr. Da er allein zu Hause absolut auf sich gestellt für die eigene Körperhygiene und den anfallenden Haushalt mit Einkaufen, Kochen, Abwaschen und Wäschewaschen zu sorgen hätte, war nach Ansicht des Gerichts der Ortswechsel während der Rekonvaleszenz richtig82. 3. Mit der Missachtung dieser vertraglichen, über § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG ableitbaren Arbeitnehmerlast sind verschiedene Rechtsnachteile verbunden. Im Vordergrund steht eine Verkürzung der Vermögenssphäre anlässlich des krankheitswidrigen Verhaltens, das aus der Sicht eines verständigen Dritten zu beurteilen ist. Zu denken wäre an eine unterlassene, postoperativ gebotene Wundreinigung, das unregelmäßige Spritzen zur Embolievermeidung bei einem langwierigen Beinbruch durch den dazu angewiesenen Patienten, das Versäumen vereinbarter Kontrolltermine oder das Schwimmen trotz Erkältung, wodurch eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit jeweilig hinausgeschoben wird. Bei einem solchen oder ähnlich leichtfertigen Handeln besteht der Vergütungsanspruch für die Phase des verlängerten Arbeitsausfalles gemäß § 3 Abs. 1 EFZG nicht83, denn diese Unverantwortlichkeit soll nicht noch mit einer bezahlten Arbeitsfreistellung belohnt werden. Gliedert sich der Kranke aus Angst vor einer Arbeitslosigkeit entgegen der (zahn)ärztlichen Empfehlung vorzeitig wieder in den Arbeitsprozess ein und wird kurz darauf fortgesetzt krankgeschrieben, ist das Entgelt allerdings zu zahlen84. Möglicherweise kann dem Arbeitnehmer wegen einer selbstverschuldet verlängerten Krankheit auch gekündigt werden. Der Arbeitgeber ist zwar primär über die suspendierte Pflicht zur Entgeltfortzahlung geschützt. Darüber hinaus geht es ihm aber um die Zuverlässigkeit seiner Arbeitnehmer, zumal eine zurechenbar verzögerte Genesung den ordnungsgemäßen Betriebsablauf länger als erforderlich stört. Daher besteht ein Kündigungsrecht, wenn eine gewisse Er___________ 81

LAG Schleswig-Holstein DB 1969, 2091 f. LAG Hessen AiB 1989, 17. 83 Ebenso Lepke, DB 1974, S. 478, 481; Künzl/ Weinmann, AuR 1996, S. 306, 310. 84 ArbG Berlin EEK I/ 1, 86. 82

B. Arbeitsrechtliche Pflichten und Lasten des Patienten

331

heblichkeitsschwelle überschritten ist85. Geringfügige Verstöße wie ein minimales Überschreiten der vom (Zahn)Arzt festgelegten Ausgehzeit oder der Einkauf von Lebensmitteln trotz verordneter Bettruhe rechtfertigt eine Kündigung nicht. Ansonsten werden unterschiedlich strenge Anforderungen gestellt: Nach einer Meinung soll die Möglichkeit der verhaltensbedingten Genesungsvereitelung86 oder ein gesundheitswidriges Handeln, das aus medizinischer Sicht nach Art oder Schwere nicht hinnehmbar sei87, ausreichen. Andere fordern, dass die Genesung wiederholt verschleppt oder der Krankheitswert gesteigert wurde88. Je nach Einzelfall ist eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung zulässig, falls der Arbeitnehmer zuvor bereits abgemahnt wurde. Da mit der Abmahnung das Fehlverhalten aufgezeigt und Gelegenheit zur Verhaltensänderung eingeräumt werden soll, darf sich die Kündigung nicht auf denselben Verstoß stützen. Außerdem kann ein krankheitswidriges Handeln des Arbeitnehmers mit beweisrechtlichen Nachteilen verbunden sein. Nach den allgemeinen Regeln zur Beweislastverteilung hat der Arbeitnehmer den krankheitsbedingten Arbeitsausfall nachzuweisen, wofür prinzipiell eine (zahn)ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genügt. Arbeitet er aber während der Krankschreibung vergleichbar dem beruflichen Tätigkeitsfeld für andere oder sich selbst, oder verhält sich offensichtlich nicht krankheitskonform, ist der Beweiswert dieser Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert. Sobald der Arbeitgeber dementsprechende Tatsachen vorträgt, hat der Arbeitnehmer seine Erkrankung und alle medizinischen Anordnungen, infolgedessen er nicht arbeiten, jedoch in scheinbar krankheitswidriger Weise handeln durfte, substantiiert darzulegen und notfalls zu beweisen89.

V. Rückmeldung nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit Stellt der behandelnde (Zahn)Arzt eine hinreichende Genesung zur Berufsausübung fest, muss der Arbeitnehmer gemäß seiner Arbeitspflicht am nächst___________ 85

Vgl. BGA NZA 1994, 63 ff.; LAG Nordrhein-Westfalen (Hamm) DB 1992, 431, 432; Künzl/ Weinmann, AuR 1996, S. 256, 260. A.A. Schäfer, NZA 1992, S. 529, 533. 86 ArbG Ulm DB 1957, 996; LAG Nordrhein-Westfalen (Hamm) DB 1983, 235; 1992, 431, 432; Schwedes, Rn. 620. 87 Wallmeyer, Die Kündigung des Arbeitsvertrags aus wichtigem Grund, S. 45 f. 88 ArbG Berlin BB 1974, 2212; LAG Nordrhein-Westfalen (Köln) NZA-RR 1997, 338, 339; Galahn, S. 139; Lepke, , Rn. 432, 436; Geyer/ Knorr/ Krasney, § 3 Rn. 142. 89 So BAG NZA 1994, 63, 65; LAG Schleswig-Holstein DB 1977, 1762; LAG Nordrhein-Westfalen DB 1981, 900; 1983, 235; NZA-RR 1999, 10, 11.

332

2. Teil: Mitwirkungsverantwortung des kranken Arbeitnehmers

üblichen Arbeitstag pünktlich erscheinen. Über eine wiederhergestellte Arbeitsfähigkeit möchte der Arbeitgeber zügig informiert werden, damit er eine aushilfsweise Stellenbesetzung beenden und die Auftragslage planen kann. Zu dieser Meldung ist der Arbeitnehmer vergleichbar der Anzeige einer erkrankungsbedingten Arbeitsunfähigkeit verpflichtet. Grundsätzlich genügt die Mitteilung, ab wann Arbeitsfähigkeit besteht, außer der Arbeitnehmer hatte eine ansteckende Erkrankung, deren vollständige Ausheilung (zahn)ärztlich bestätigt werden muss. Etwaige Schäden eines Arbeitgebers die adäquat kausal auf die Verletzung der Kundgabepflicht zurückzuführen sind, wie eine gerade verlängerte Einstellung der Aushilfskraft unwissentlich der Rückkehr des Arbeitnehmers oder die Ablehnung eines lukrativen Auftrages angesichts der schlechten Beschäftigungssituation, trägt der Arbeitnehmer gemäß § 280 Abs. 1 BGB.

Dritter Teil

Medizinisch relevante Mitwirkungsverantwortung des Patienten im Zuge öffentlich-rechtlicher Zwangsmaßnahmen Medizinische Zwangsmaßnahmen werden ohne oder gegen den Willen des Betroffenen angewandt und dienen einer körperlichen Inaugenscheinnahme, Diagnoseerstellung oder Therapie1. Schon die verfassungsrechtlich gewährte Stellung des Einzelnen wie die körperliche Unversehrtheit iSd Art. 2 Abs. 2 GG und das Recht auf eine autonom gestaltete engere Lebenssphäre gemäß Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG offenbart den Ausnahmecharakter dieser Zwangsmaßnahmen. Letztlich kommen sie nur zum Schutz ranghöherer Güter wie der Volksgesundheit oder im überragenden Interesse der Strafrechtspflege, also bezogen auf das Subordinationsverhältnis von Staat und Bürger in Betracht. Die maßgebliche Mitwirkung eines Patienten liegt in der Hinnahme zwangsmäßig eingesetzter, medizinischer Eingriffe, deren Rechtsnatur durch die folgenden Betrachtungen abgesteckt werden soll. Da medizinische Zwangsmaßnahmen in Grundrechte eingreifen und insoweit der Vorbehalt des Gesetzes gilt, müssen sie gesetzlich geregelt sein. Unklar ist aber, ob durchgängig Duldungspflichten oder -lasten normiert sind. Unter Bedacht auf das dogmatische Verständnis von Pflichten und Lasten als Rechtsnormen, das zunächst für ein privatrechtliches Schuldverhältnis entwickelt wurde und auf das hoheitliche Schuldverhältnis übertragbar ist, unterscheiden sich beide Kategorien in ihrer Verbindlichkeit. So korreliert die Pflicht als Verhaltensanforderung mit einem Anspruch, während die Last eine Handlungserwartung darstellt, deren Zuwiderhandlung mit einem Rechtsnachteil verbunden ist. Die Mitwirkung im Rahmen medizinischer Zwangsmaßnahmen kann der Träger öffentlicher Gewalt durch Festsetzung einer Geldbuße erzwingen, sodass ihr ein echtes Forderungsrecht korrespondiert. Demnach ist umfassend von Duldungspflichten auszugehen, die im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Gesundheitswesens vollzogen werden.

___________ 1

So Rieger, Lexikon des Arztrechts, Rn. 2003.

334

3. Teil: Patientenmitwirkung bei öffentlich-rechtlicher Zwangsbehandlung

A. Hoheitliche Medizinertätigkeit Eine öffentlich-rechtliche Dimension erfährt der (Zahn)Arzt-Patienten-Kontakt nur ausnahmsweise, nämlich bei einer gesetzlich vorgesehenen Zwangsbehandlung und der Ausübung unmittelbar auf den Mediziner übertragener hoheitlicher Aufgaben wie bei Amts-, Anstalts- oder Truppenärzten während staatlicher Schutzimpfungen in der Schule oder medizinischen Versorgungen von Strafgefangenen und Soldaten. Wird ein betroffener Patient zwangsweise oder von einem Amts-, Anstalts- oder Truppenarzt behandelt, entsteht zwischen ihm und dem (Zahn)Arzt eine Rechtsbeziehung öffentlich-rechtlicher Art, die unter Abstimmung auf die Sonderheiten grundsätzlich die Rechte, Pflichten und Lasten des Behandlungsvertrages beinhaltet2. Demzufolge darf ein Duldungspflichtiger bei einer Zwangsbehandlung medizinische Maßnahmen nicht ablehnen, wohl aber eine Risikoaufklärung und die Unterrichtung über Therapieschritte verlangen.

B. Ausgewählte Duldungspflichten Da die Duldungspflichten allesamt gesetzlich geregelt sind, ergibt sich ihre inhaltliche Reichweite aus der Vorschrift unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks. Für die öffentlich-rechtlichen Gesundheitssorge, das Strafprozessrecht und die Musterung eines Wehrpflichtigen ist das zu ermitteln3.

I. Öffentlich-rechtliche Gesundheitssorge Das Recht auf Leben und Gesundheit iSd Art. 2 Abs. 2 GG enthält neben der individuellen Komponente eine staatliche Schutzpflicht, die Grundlage für ein hoheitliches Gesundheitsrecht auf Bundes- und Landesebene ist.

1. Zwangsmaßnahmen nach dem IfSG Laut § 1 Abs. 1 IfSG sollen übertragbare Erkrankungen verhütet, schwere Infektionskrankheiten frühzeitig erkannt und ihre Ausbreitung vermieden wer___________ 2

Deutsch/ Spickhoff, Rn. 100 f. Damit erschöpft sich das Repertoire an Duldungspflichten aber keinesfalls. Gedacht werden könnte zudem an Untersuchungen zur Feststellung der Abstammung iSd § 372 a ZPO oder die Duldung ärztlicher Maßnahmen seitens eines Soldaten zwecks Verhütung oder Bekämpfung übertragbarer Krankheiten nach § 17 Abs. 4 Satz 3 SG. 3

B. Ausgewählte Duldungspflichten

335

den. Daher könnte zunächst an einen präventiven Impfzwang gedacht werden, denn gefährliche Infektionskrankheiten werden durch einen weit verbreiteten Immunabwehrschutz systematisch eingedämmt. Dennoch sieht die derzeitige Rechtslage keine allgemeine Impfpflicht vor. An Kranke und Ansteckungsverdächtige richten sich hingegen vielfältige Pflichten, damit die Erkrankung beherrschbar wird.

a) Impfpflicht Mittelfristig beabsichtigt die WHO verschiedene Krankheiten wie Masern, Röteln, Diphtherie, Kinderlähmung und Neugeborenen-Tetanus im europäischen Raum zu eleminieren, was eine hohe flächendeckende Impfbeteiligung voraussetzt. Eine Impfrate von ungefähr 90 % würde aber genügen, denn sie begründet für Geimpfte und auch nicht immunisierte Personen einen ausreichenden Schutz und verringert das Ansteckungsrisikos letztendlich auf null4. Trotz dieser wünschenswerten Bestrebung der WHO müssen sich die Deutschen seit Außerkraftsetzung des Gesetzes über die Pockenschutzimpfung im Jahre 1982 keinen Impfungen mehr unterziehen, wenn sie die Verabreichung nicht selbst wollen oder ausnahmsweise aufgrund einer Rechtsverordnung des Gesundheitsministers iSv § 20 Abs. 6 IfSG hinzunehmen haben. Demnach entscheidet ein Impfling oder sein Sorgeberechtigter unter Abwägung des Impfrisikos mit der Gefahr einer Erkrankung, ob er sich den in § 20 Abs. 3 IfSG öffentlich empfohlenen Impfungen stellt oder nicht. Natürlich ist eine derartige Freiwilligkeit wegen der stets vorhandenen, größeren Impflücken in der Bevölkerung nicht geeignet, diese Krankheiten auszumerzen. Solange daraus jedoch keine ernsthaften Gefahren resultieren oder die Impfquote durch Motivationsarbeit noch zu steigern ist, bleibt für staatliche Zwangsmaßnahmen kein Raum. Soweit ersichtlich bestand bislang auch keine Notwendigkeit, gefährdete Bevölkerungskreise bei einer Krankheit mit schwerer klinischer Verlaufsform und epidemischer Verbreitung unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 6 IfSG bzw. dem vormaligen § 14 Abs. 1 BSeuchG zum Impfen anzuhalten. Vermutlich müsste aber in dieser Weise vorgegangen werden, wenn es zu dem zwischenzeitlich von einigen Geheimdiensten erwogenen Terroranschlag mit Pockenviren kommen würde. Da die Impfkampagne großangelegt und in kürzester Zeit zu vollziehen wäre, könnte sie nur zwangsweise unabhängig von weltanschaulichen und religiösen Anschauungen durchgesetzt werden. Die ___________ 4

Vgl. Bales/ Baumann, § 20 Rn. 1.

336

3. Teil: Patientenmitwirkung bei öffentlich-rechtlicher Zwangsbehandlung

Impfpflicht würde nur für diejenigen entfallen, denen infolge der Impfung gravierende Gesundheitsbeeinträchtigungen drohen.

b) Vorgehen zur Eindämmung übertragbarer Krankheiten Die Maßnahmen zur Bekämpfung ansteckender Erkrankungen gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 IfSG richten sich an schon Erkrankte und Krankheitsoder Ansteckungsverdächtige. Diagnostiziert ein behandelnder (Zahn)Arzt etwa Botulismus, Cholera, Diphtherie, akute Virushepatitis, Masern, Meningokokken-Sepsis, Milzbrand, Poliomyelitis, Pest, Tollwut, Typhus oder besteht ein Verdacht auf eine epidemisch auftretende, mikrobiell bedingte Lebensmittelvergiftung oder auf eine akute infektiöse Gastroenteritis muss der Patient gewisse medizinische Maßnahmen iSd §§ 24 ff. IfSG dulden. Das gilt auch bei anderen bedrohlichen Krankheiten, die durch ihren schweren Verlauf oder die rasche Ausbreitung eine nicht abschätzbare Gefahr darstellen. Über die Generalklausel des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 IfSG kann auf neuartige, hierzulande noch unbedeutende Erscheinungen wie das Ebola-Fieber, die japanische Enzephalitis oder Sars adäquat reagiert werden. Denn infolge eines weltweiten Handels und der zunehmenden Reiseaktivität treten unbekannte Krankheitserreger in bisher nicht betroffenen Ländern auf. Da sich die angeführten Erkrankungen nicht ausbreiten sollen, sind Betroffene eventuell abzusondern. Mit der Aussonderung ist dieser Zweck bereits erreicht, sodass eine Heilbehandlung als seuchenpolizeiliche Maßnahme nicht angeordnet werden darf, wie § 28 Abs. 2 Satz 3 IfSG jetzt verdeutlicht5. Die Unzulässigkeit einer Zwangsheilung folgt auch daraus, dass einige Krankheiten nur in den Symptomen abgeschwächt, ihre Ursachen aber nicht bekämpft werden können und sie teilweise unbehandelt nach gewisser Zeit wieder abklingen6. Möglich ist hingegen, einen Kranken, Krankheits- oder Ansteckungsverdächtigen und Ausscheider gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 IfSG vorzuladen. Sodann können sie vom Gesundheitsamt über § 26 Abs. 2 Satz 2 IfSG zur Duldung äußerlicher Untersuchungen und der Gewinnung relevanten Materials durch Röntgen, Tuberkulintest, Blutentnahme oder Schleimhautabstrich verpflichtet werden. Weitergehende invasive Eingriffe, vor allem solche unter Narkose, bedürfen wegen § 26 Abs. 2 Satz 3 IfSG der Einwilligung des Betroffenen. Die ___________ 5 Schon vormals mit dem Argument der Verhältnismäßigkeit Hübener, NJW 1981, S. 620, 621 wie auch Schumacher/ Meyn, § 35, S. 105. 6 Hübener, NJW 1981, S. 620, 621.

B. Ausgewählte Duldungspflichten

337

Straf- und Bußgeldbewehrung für eine Zuwiderhandlung statuieren die §§ 73 Abs. 1 Nr. 6; 74 IfSG. Darüber hinaus können erkrankte oder unter Krankheitsverdacht stehende Personen gemäß § 29 Abs. 1 IfSG einer Beobachtung unterworfen werden. Wird ein Infektionsstatus verifiziert, schließen sich daran gegebenenfalls weitere Schutzmaßnahmen an. Beobachtete haben gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1, 2 IfSG die erforderlichen Untersuchungen parallel zu § 26 Abs. 2 Satz 2 IfSG zu dulden und nach § 26 Abs. 2 Satz 3 IfSG Informationen zum eigenen Gesundheitszustand, der anamnestischen Vorgeschichte oder eines kürzlich beendeten Aufenthaltes im Tropengebiet zu erteilen. Sofern jemand an Lungenpest oder dem von Mensch zu Mensch übertragbaren hämorrghischen Fieber leidet, muss er aufgrund von § 30 Abs. 1 Satz 1 IfSG unverzüglich unter Quarantäne gestellt werden. Ansonsten kann eine Absonderungsanordnung iSd § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG ergehen, um eine Krankheitsausbreitung wie bei epidemisch auftretenden Ebola- und Sarswellen zu vermeiden, wenn keine ebenso geeigneten, weniger stark eingreifenden Maßnahmen möglich sind. So genügt das Auferlegen besonderer Hygienebedingungen oder die Sicherstellung einer speziellen Abwasseraufbereitung, falls die Krankheit nur über kontaminierte Speisen oder Fäkalien wie beispielsweise Cholera und Typhus übertragbar ist7. Missachtet ein Betroffener indes die gemäß § 30 Abs. 1 IfSG ergangene, vollziehbare Absonderungsanordnung, muss er mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe iSd § 75 Abs. 1 Nr. IfSG rechnen. Darüber hinaus kann er nach § 30 Abs. 2 IfSG in einer geschlossenen Klinik oder sonstigen Einrichtung untergebracht werden. Diese Alternativen kommen insbesondere bei obdachlosen, alkohol- oder drogenabhängigen Menschen mit einer offenen Lungentuberkulose in Betracht, um die regelmäßige Einnahme der Antituberkulotika sicherstellen zu können. Ähnliches gilt für uneinsichtige, aidsinfizierte Prostituierte, die trotz Berufsverbotes nach § 31 Satz 1 IfSG8 fortwährend kommerzialisierte, ungeschützte Sexualkontakte anbieten und zum

___________ 7

Bales/ Baumann, § 30 Rn. 8. Mit zunehmender Liberalisierung der Prostitution, die sich vor allem in der kürzlich legalisierten Möglichkeit einer arbeitsvertraglichen Bindung samt Sozialversicherungspflichtigkeit ausdrückt, beschreitet sie gegenwärtig den Weg zur Anerkennung als berufliche Tätigkeit, sodass ein Rekurs auf § 31 IfSG nur konsequent ist. Da ein solches Berufsverbot wegen der Auslösung einer Entschädigung nach § 56 IfSG eine echte Ausstiegschance bedeutet, dürfte darin eine effiziente Vorgehensweise liegen. Ähnlich bereits Bruns, ZRP 1989, S. 241 f. 8

338

3. Teil: Patientenmitwirkung bei öffentlich-rechtlicher Zwangsbehandlung

Schutz der Allgemeinheit letztendlich kaserniert werden dürfen9. Abgesonderte haben laut § 30 Abs. 3 Satz 1 IfSG neben ihrer Isolierung alle Maßnahmen zur Aufrechterhaltung eines ungestörten Betriebsablaufes hinzunehmen und die ärztlichen Anweisungen zu befolgen.

2. Heilbehandlung untergebrachter psychisch Kranker Psychisch Kranke dürfen gemäß den landesrechtlichen Normierungen ohne oder gegen ihren Willen in psychiatrische Krankenanstalten eingewiesen werden, wenn infolge einer krankhaften Störung ihrer Geistestätigkeit das Leben oder die Gesundheit beeinträchtigt oder auf andere Weise gefährdet scheint und die Gefahren sonst nicht zu beherrschen sind. Die Weigerung, sich einer ärztlich angeratenen Behandlung aufgrund schizophrener Wesenszüge zu unterziehen, stellt aber noch keinen hinreichenden Unterbringungsgrund dar. Über eine Einweisung entscheidet letztlich der Amtsrichter im Benehmen mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst auf ordnungsbehördlichen Antrag10. Wird jemand fälschlicherweise in die Psychiatrie eingewiesen, steht ihm Schadensersatz sowie Schmerzensgeld zu11. Die meisten Unterbringungsgesetze der Länder gestatten der psychiatrischen Anstalt die zwangsweise Behandlung im Rahmen der medizinischen Indikation. Dabei wird die Duldungspflicht entweder explizit statuiert12 oder ist dem systematischen Kontext der Regelungen zu entnehmen, die für einen schwerwiegenden Eingriff die Zustimmung des Betroffenen oder des Betreuers erfordern13, während andere Unterbringungsgesetze die Zwangsheilung ausnahms___________ 9 Ebenso Gauweiler, ZRP 1989, S. 85, 89 und Bales/ Baumann, § 30 Rn. 7. Kritische Akzente wegen der quasi langzeitlichen Sicherungsverwahrung finden sich hingegen bei Bruns, ZRP 1989, S. 241 f. 10 Rehborn, Arzt - Patient - Krankenhaus, S. 75. 11 Vgl. etwa BGH VersR 1991, 308; OLG Oldenburg VersR 1996, 59 ff. 12 So § 8 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 des Gesetzes über die Unterbringung psychisch Kranker des Landes Baden-Württemberg vom 02.12. 1991 und Art. 13 Abs. 2 des Bayerischen Gesetzes über die Unterbringung psychisch Kranker und deren Betreuung vom 05.04.1992. 13 Dafür etwa § 17 Satz 2, 3 des Gesetzes über die Entziehung der Freiheit geisteskranker, geistesschwacher, rauschgift- und alkoholsüchtiger Personen des Landes Hessen vom 19.05.1952; § 21 Abs. 3 des Niedersächsischen Gesetzes über Hilfen für psychisch Kranke und Schutzmaßnahmen vom 16.06.1997; § 20 des Landesgesetzes für psychisch kranke Personen des Landes Rheinland-Pfalz vom 17.11.1995; § 17 des Gesetzes über Hilfen für psychisch Kranke und Schutzmaßnahmen des Landes SachsenAnhalt vom 30.01.1992.

B. Ausgewählte Duldungspflichten

339

weise oder als letzten Ausweg zulassen14. Obgleich die Landesgesetzgeber medizinische Maßnahmen gegen den Willen meist nicht ausdrücklich auf die Anlasserkrankung beschränken15, soll dies wegen Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG den Normen inkorporiert sein16. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ist eine freiwillige Behandlung gegenüber einer Zwangsversorgung, die vor allem bei psychotherapeutischen Sitzungen an der fehlenden Mitwirkung des Patienten scheitert, vorrangig. Zwangsmaßnahmen werden hauptsächlich im Bereich der Medikation und körperlichen Gewaltanwendung eingesetzt. Innerhalb der ersten 24 Stunden nach Einlieferung dienen sie der sogenannten „Entaktualisierung“, um eine Betreuungsebene herstellen zu können17. Ansonsten sind typischerweise Patienten mit schizophrenen Psychosen oder endogenen Manien betroffen, da sie sich mangels Beschwerden nicht für behandlungsbedürftig halten18. In einer Studie gaben 31 % der Befragten an, während ihres Aufenthaltes in der Psychiatrie zwangsweise mit Medikamenten unter Gewalteinsatz und Androhung sonstiger Druckmittel behandelt worden zu sein19. Zumindest schwere, das Leben oder die Gesundheit des Untergebrachten in besonderer Weise gefährdende Eingriffe dürfen grundsätzlich nur mit Einwilligung des Betroffenen oder seines gesetzlichen Vertreters, der beim volljährigen Kranken regelmäßig ein Betreuer mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge ist20, ___________ 14

Beispielhaft § 30 Abs. 2 des Gesetzes für psychisch Kranke des Landes Berlin vom 08.03.1985; § 22 Abs. 2 des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranken des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 13.04.2000; § 18 Abs. 4 des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten des Landes Nordrhein-Westfalen vom 17.12.1999; § 13 Abs. 2 des Saarländischen Gesetzes über die Unterbringung psychisch Kranker vom 11.11.1992; § 22 Abs. 1 des Sächsischen Gesetzes über Hilfen und die Unterbringung bei psychischen Krankheiten vom 16.06.1994; § 13 Abs. 2, 3 des Thüringer Gesetzes zur Hilfe und Unterbringung psychisch Kranker vom 02.02.1994. 15 Anders jedoch § 17 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen sowie über den Vollzug gerichtlich angeordneter Unterbringung für psychisch Kranke des Landes Brandenburg vom 08.02.1996; § 26 Abs. 1 des Gesetzes für psychisch Kranke des Landes Schleswig-Holstein vom 26.03.1979; § 13 Abs. 3, S. 1 des Thüringer Gesetzes zur Hilfe und Unterbringung psychisch Kranker vom 02.02.1994. Ähnlich wohl auch § 30 des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten des Landes Bremen vom 09.04.1979. 16 Wigge, MedR 1996, S. 291, 296; Heide, S. 56; Marschner/ Volckart, Rn. 183. 17 Heide, S. 70. 18 Bender, S. 46 f., 62 wie auch Finzen/ Haug/ Beck/ Lüthy, S. 68, 72. 19 So Finzen/ Haug/ Beck/ Lüthy, S. 76, 132, die wegen der Überrepräsentanz von langzeitlich behandelten Patienten von einer überdurchschnittlichen Quote ausgehen. 20 Da die Einwilligung des Betreuers in Eingriffe mit einer begründeten Lebensgefahr oder dem Risiko schwerwiegender gesundheitlicher Schäden gemäß § 1904 BGB einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf, besteht eine zusätzliche Voraussetzung, vgl. etwa § 20 Abs. 3 des Landesgesetzes für psychisch kranke Personen des Landes Rheinland-Pfalz vom 17.11.1995 und § 21 Abs. 2 Satz 3 des Niedersächsi-

340

3. Teil: Patientenmitwirkung bei öffentlich-rechtlicher Zwangsbehandlung

durchgeführt werden. Das Einwilligungserfordernis bezieht sich auf narkotische Maßnahmen, Schockbehandlungen, Elektrokrampftherapien und die dauerhafte Verabreichung von Neuroleptika zur Sedierung des Patienten, in deren Folge bis zu 20 % an teils irreversiblen Spätdyskenesien21 leiden22.

II. Strafprozessuale Duldungspflichten Im strafprozessualen Bereich können Strafgefangene gemäß § 101 StVollzG und nach § 119 Abs. 3 StPO iVm § 178 Abs. 1 StVollZG zwangsweise untersucht und behandelt werden. Auch den Beschuldigten und Zeugen treffen Duldungspflichten, die nachfolgend betrachtet werden sollen.

1. Zwangsuntersuchung eines Beschuldigten Die medizinische Zwangsuntersuchung eines Beschuldigten, aber auch Angeschuldigten, Angeklagten und Verurteilten iSd § 81 a Abs. 1 StPO ist entbehrlich, wenn sich der Betroffene damit einverstanden erklärt. Andernfalls kann der Beschuldigte durch einen (Zahn)Arzt heteronom untersucht werden, um verfahrenswesentliche Fakten, die schon zum Tatzeitpunkt wegen bestimmter Anhaltspunkte wie eine auffällige Fahrweise bei der Ermittlung des Blutalkoholwertes nahe liegen, feststellen zu können. Falls es um eine körperliche Inaugenscheinnahme oder aber das Auffinden ermittlungsrelevanter Fremdstoffe geht, muss sich der Beschuldigte entkleiden, die entsprechende Körperhaltung einnehmen und eine Kontrolle von Ohren, Mund und After dulden23. Eine aktive Beteiligung wie das Beantworten von Fragen, das Ausführen einer Kniebeuge oder eine Gehprobe kann aber nicht verlangt werden. Körperliche Eingriffe in Form der Entnahme von Blut, Samen oder anderen Körperflüssigkeiten bzw. einer Stoffzuführung wie Kontrastmittel sind gemäß § 81 a Abs. 1 Satz 2 StPO unzulässig, wenn ein milderes Mittel bereitsteht oder ein gesundheitlicher Nachteil zu befürchten ist. Eine invasive medizinische Maßnahme muss demzufolge in einem angemessenen Verhältnis zum Tatvorwurf und der Tatschwere stehen und darf das physische und psychische Wohlbefinden nach ___________ schen Gesetzes über Hilfen für psychisch Kranke und Schutzmaßnahmen vom 16.06.1997. 21 Unwillkürliche Bewegungen von Mund, Zunge, Lippen, Augenmuskeln und Extremitäten, vgl. Finzen, S. 171. 22 Rüping, JZ 1982, S. 744, 747; Huber, S. 190 f. sowie Juchart/ Warmbrunn, § 8 Anm. 3.1. 23 Meyer-Goßner, § 81 a Rn. 10, 15; Lemke in: Lemke et al., § 81 a Rn. 6 f.

B. Ausgewählte Duldungspflichten

341

dem Eingriff nicht spürbar vermindern. Somit sind venöse Blutentnahmen zur Feststellung des Blutalkoholwertes als strafbegründender oder schuldmindernder Umstand bei einer Trunkenheitsfahrt oder Tötungshandlung, das Verabreichen von Brech- und Abführmittel zur Sicherstellung absichtlich verschluckter Beweismittel und ein HIV-Screening bei Häftlingen, die trotz Infektionsverdacht ansteckungsgeeignete Kontakte zu Mithäftlingen aufnehmen, prinzipiell möglich, nicht aber eine Angiographie oder Katheterisierung24. Erfordert der duldungspflichtige Eingriff einen stationären Aufenthalt für wenige Tage, hat sich der Beschuldigte dafür in das Krankenhaus zu begeben25.

2. Zwangsuntersuchung von Zeugen Neben dem beschuldigten Straftäter muss sich auch ein Zeuge gemäß § 81 c Abs. 1, 4 StPO ohne oder gegen seinen Willen untersuchen lassen, soweit zur Erforschung der Wahrheit festzustellen ist, ob sich an seinem Körper Tatspuren oder -folgen befinden. Spuren sind durch die Straftat verursachte Veränderungen am Körper, die Rückschlüsse auf das Täterprofil oder die Tatbegehung ermöglichen wie Stichwunden, Einschusskanäle, Hautreste unter Fingernägeln, Blutspuren oder Sperma. Unter Tatfolgen versteht man dagegen unmittelbare körperliche Mutationen wie Abschürfungen, die Reduzierung des Zahnbestandes und sonstige Verstümmelungen. Die Duldungspflicht umfasst das Entkleiden, eine Einnahme der erforderlichen Körperhaltung, das Öffnen des Mundes zur Begutachtung der Zähne und die Hinnahme eines Scheidenabstrichs, nicht aber eine aktive Beteiligung26. Allerdings besteht die Duldungspflicht nur, wenn die Ermittlungsbehörde hinreichend konkrete Vorstellungen von den aufzufindenden Tatspuren oder -folgen hat und die Maßnahme zumutbar ist27.

III. Musterung eines Wehrpflichtigen Im Rahmen der Musterung wird die physische und psychische Tauglichkeit sowie Eignung eines volljährigen Mannes für die Verwendung in heimischen Streitkräften ermittelt. An der dafür notwendigen körperlichen Untersuchung muss der potentiell Wehrpflichtige laut der §§ 3 Abs. 1 Satz 2; 17 Abs. 4, 6, 7 WPflG mitwirken. Eine Missachtung der Duldungspflicht kann gemäß § 45 ___________ 24

Meyer-Goßner, § 81 a Rn. 20 f.; Lemke in: Lemke et al., § 81 a Rn. 10; Rieger, Lexikon des Arztrechts, Rn. 2004 und Kloppenburg in: Heim, S. 81, 87 f. 25 Lemke in: Lemke et al., § 81 a Rn. 18. 26 Meyer-Goßner, § 81 c Rn. 16; Lemke in: Lemke et al., § 81 c Rn. 13 f. 27 Meyer-Goßner, § 81 c Rn. 14; Lemke in: Lemke et al., § 81 c Rn. 10.

342

3. Teil: Patientenmitwirkung bei öffentlich-rechtlicher Zwangsbehandlung

Abs. 1 Nr. 1 lit. a., Abs. 2 WPflG als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Um dem zu entgehen, sind die vorbereitenden Maßnahmen der Datenerfassung, also das Messen und Wiegen, und die nach § 17 Abs. 7 WPflG zulässigen Untersuchungen hinzunehmen. Darunter fallen einfache medizinische Explorationen wie die Begutachtung von Mundhöhle, Kiefer und Gebiss, das Testen aller Sinnesorgane, der Ausschluss von Abnormitäten der Haut, Extremitäten und Geschlechtsorgane sowie die Kontrolle der Brust- und Bauchorgane samt HerzKreislauf-System28, aber auch medizinische Eingriffe wie Blutentnahmen aus Ohrläppchen, Finger oder Ader sowie Röntgenaufnahmen einschließlich einer Kontrastmitteleinnahme zwecks Darstellung der Speiseröhre oder des Magen-/ Darmtrakts29. Ateriographien, Bauch- und Lumbalpunktionen, Bronchos-, Cytos- oder Gastroskopien und nuklear-medizinische Untersuchungen überschreiten dagegen den Schwellenwert von § 17 Abs. 4 Satz 6 SG und sind daher nach § 17 Abs. 6 WPflG unzulässig30. Fachärztliche, unter Umständen mehrtägige Abklärungen im Bundeswehrkrankenhaus oder auf der Fachstation eines Kreiswehrersatzamtes dürfen ohne oder gegen den Willen des Betroffenen angeordnet werden, wenn die Musterungsärzte nicht sachkundig sind31. Eine Operation oder Therapie zur Herbeiführung einer Diensttauglichkeit kann allerdings nicht verlangt werden, weil die Verpflichtung zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit nur einen Soldaten und nicht schon den noch nicht einberufenen Wehrpflichtigen trifft32. Eine aktive Beteiligung des Musterungskandidaten schließt ferner die Angabe von Anamnesedaten, die Beteiligung am Seh-, Farbund Hörtest und das Harnlassen für die Laboruntersuchung ein33.

___________ 28

Boehm-Tettelbach, § 17 Rn. 15 b. Steinlechner, § 17 Rn. 38. 30 Steinlechner, § 17 Rn. 39. 31 Steinlechner, § 17 Rn. 46. 32 Vgl. § 17 Abs. 4 des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz) vom 15.12.1995 ( BGBl I 1995, S. 1737 ff.): „Der Soldat hat alles in seinen Kräften Stehende zu tun, um seine Gesundheit zu erhalten oder wiederherzustellen. Er darf seine Gesundheit nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig beeinträchtigen. Der Soldat muss ärztliche Eingriffe in seine persönliche Unversehrtheit gegen seinen Willen nur dann dulden, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die der Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten oder der Feststellung seiner Dienst- oder Verwendungsmöglichkeit dienen. ... ŹLehnt der Soldat eine zumutbare ärztliche Behandlung ab und wird dadurch seine Dienst- oder Erwerbsfähigkeit ungünstig beeinflusst, so kann ihm eine sonst zustehende Versorgung insoweit versagt werden. Nicht zumutbar ist eine ärztliche Behandlung, die mit einer erheblichen Gefahr für Leben oder Gesundheit des Soldaten verbunden ist, eine Operation auch dann, wenn sie einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeutet.“ 33 Boehm-Tettelbach, § 17 Rn. 14. 29

Vierter Teil

Untersuchungsergebnisse Die Relevanz der vorliegenden Untersuchung, also die Frage nach den Patientenpflichten und -lasten, ergibt sich zumindest in praktischer Hinsicht aus dem Umstand, dass den privaten Krankenversicherungen und den Krankenkassen allein durch ungesunde Lebensweisen wie starkes Rauchen, unzureichende Bewegung und unausgewogene Ernährung jährlich Kosten in Milliardenhöhe entstehen. Dies soll sich für die gesetzliche Krankenversicherung mit der jüngsten Gesundheitsreform, die am 1. April 2007 teilweise in Kraft getreten ist, ändern. Nach der ursprünglichen Gesetzesfassung sollten Patienten, die Vorsorgeuntersuchungen versäumen und später schwer erkranken, höhere Zuzahlungen leisten. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt sprach insoweit von einer Pflicht zur Vorsorge, die jetzt durch einen Kompromiss mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss dahingehend reduziert wurde, dass sich sozialversicherte Patienten einmalig über die Vor- und Nachteile von Früherkennungsuntersuchungen beraten lassen müssen, falls sie im Erkrankungsfall nicht mehr zuzahlen wollen. Aus rechtlicher Sicht stellt sich die überaus interessante Frage, ob wirklich von einer Pflicht zur Vorsorge oder nunmehr einer Pflicht zur Beratung auszugehen ist. Gibt es mit anderen Worten überhaupt Patientenpflichten? Ist der Patient also gehalten, im Rahmen einer medizinischen Behandlung das seinerseits Erforderliche und Zumutbare zu tun? Muss er etwa zum vereinbarten Behandlungstermin erscheinen, diagnostische Eingriffe dulden oder ärztlichen Anweisungen Folge leisten? Wie lässt sich die Mitwirkungsverantwortung des Patienten dogmatisch fassen und worin hat sie ihre rechtliche Grundlage? Auf die Klärung genau dieser Fragen zielt die vorliegende Arbeit ab. Mit der Thematik der Patientenpflichten haben sich bislang nur sehr wenige befasst, was in Anbetracht der zunehmenden Verrechtlichung des Arztrechts und der intensiven Debatte um die Patientenrechte verwundert. Gleichwohl finden sich in der rechtswissenschaftlichen Literatur hierzu kaum Ausführungen. Gelegentlich wird versucht, das Problem der Patiententeilhabe unter dem Aspekt der Compliance zu bewältigen. Dieser Begriff wurde in den 70-er Jahren des vorherigen Jahrhunderts von der Medizinsoziologie geprägt und meint den Grad, in dem Patienten (zahn)ärztliche Therapieanweisungen tatsächlich ein-

344

4. Teil: Untersuchungsergebnisse

halten. Da allgemein bekannt ist, dass Patienten oft nicht nachhaltig mitwirken, ist die Compliance mittlerweile ein fester Bestandteil in der medizinischen Fachliteratur und hat dort sicherlich ihre Berechtigung. Eine Übertragung der Compliance auf die Rechtswissenschaft erscheint allerdings weder geboten noch sinnvoll. Selbst wenn nämlich darunter jede für den Behandlungserfolg notwendige Patientenkooperation verstanden wird, bleibt offen, ob der Patient tatsächlich in diesem Sinne verpflichtet ist. Welche Rechtsnatur und welchen Rechtsgrund die Patientenmitwirkung hat, setzt vielmehr grundlegende dogmatische und systematische Erwägungen voraus. Nach dem derzeitigen Meinungsstand in der Literatur soll es sich bei der Patientenmitwirkung entweder um Nebenpflichten oder aber Obliegenheiten handeln. Allerdings ist nicht ersichtlich, worauf die Zuordnung zu der einen oder anderen Normenkategorie gestützt wird. Daher war zunächst zu klären, was Pflichten und Obliegenheiten eigentlich sind und wodurch sie sich unterscheiden. Erstaunlicherweise gibt es nach wie vor keine allgemein anerkannten Definitionen. Infolgedessen wird meist nicht einheitlich beantwortet, ob eine gesetzlich geregelte oder vertraglich vereinbarte Verhaltensnorm nun eine Pflicht oder Obliegenheit statuiert. Gerade der Untersuchungsgegenstand erfordert indes eine Abgrenzung zwischen den Pflichten und Obliegenheiten, zumal sich die Patientenwirkung nach dem gegenwärtigen Meinungsstand offensichtlich in diesem Grenzbereich bewegt. Dabei kommt es neben einem klaren Begriffsverständnis auch darauf an, ob die Obliegenheiten als ein Teil der Pflichten anzusehen sind oder dazu im Gegensatz stehen. An diesem Punkt setzt die eigens entwickelte Dogmatik der Pflichten und Lasten an, womit zwei Kategorien für Teilhabeakte geschaffen werden. Demnach sind Pflichten solche Verhaltensanforderungen, die mit einem Anspruch korrelieren, deshalb gefordert und gerichtlich durchgesetzt werden können und sekundär Schadensersatzansprüche auslösen. Für das vertragliche Schuldverhältnis gliedern sich Pflichten in Hauptleistungs-, Nebenleistungs- und Nebenpflichten. Im Gegensatz dazu haben die Lasten einen geringeren Verbindlichkeitsgrad. Das normierte Verhalten kann nämlich mangels eines Anspruches nicht eingefordert werden, seine Missachtung verkürzt aber die Rechtsposition des Belasteten. Insofern wird die Einhaltung einer Last nicht geschuldet, wohl aber rechtlich erwartet. Zu den Lasten gehören unter anderem die Obliegenheiten, aber auch die versicherungsrechtlichen Regulative der primären Risikobeschreibungen und sekundären Risikobeschränkungen. Ergänzt werden die Pflichten und Lasten als rechtliche Normen durch die außerrechtlichen Gebote des eigenen Interesse, die als bloße Handlungsrichtlinie keinen rechtlichen Anknüpfungspunkt haben und allenfalls einen sozialen Tadel bedingen.

4. Teil: Untersuchungsergebnisse

345

Entscheidend für die Annahme von Patientenpflichten ist folglich, ob die Mitwirkung tatsächlich gefordert werden kann, dem Gegenüber also ein entsprechender Anspruch eingeräumt ist. Dabei ist zwingend das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, das Verfassungsrang hat, zu beachten. Das Selbstbestimmungsrecht überlässt dem Patienten die volle Entscheidungsbefugnis über seinen Körper, insbesondere das Ob und Wie einer medizinischen Behandlung. Mithin ist neben der physischen und psychischen Integrität auch die Willensfreiheit des Einzelnen geschützt. So kann der Patient bewusst lebensrettende Maßnahmen ablehnen, obwohl damit gerade die Gesundheit wiederhergestellt werden soll. Trotzdem muss der (Zahn)Arzt die akzeptieren und ist beispielhaft nicht berechtigt, einem Zeugen Jehovas gegen seinen Willen eine Bluttransfusion zu verabreichen. Da der Patient letztverbindlich entscheidet, ob und gegebenenfalls inwieweit er sich einer Behandlung unterzieht und daran beteiligt, kann eine bestimmte Beteiligung des Patienten eher selten beansprucht werden. Andererseits kann dem Patienten über die Auferlegung von Lasten ausreichend verdeutlicht werden, dass seine Mitwirkung für den Therapieerfolg unabdingbar ist und somit rechtlich zumindest erwartet wird. Der angedrohte Rechtsnachteil wahrt die berechtigten Interessen des (Zahn)Arztes, Krankenversicherers und Arbeitgebers. Damit ist eine weitere Problematik angesprochen, nämlich wem gegenüber etwaige Patientenpflichten und -lasten eigentlich bestehen und welche rechtliche Grundlage sie haben. Ein medizinisch betreuter Mensch nimmt nicht nur die Rolle des Patienten im Verhältnis zum (Zahn)Arzt ein, sondern ist zudem Leistungsberechtigter gegenüber seinem Krankenversicherer und meist auch Arbeitnehmer. Auf dieser Erkenntnis, dass zwischen verschiedenen Rechtsverhältnissen unbedingt zu differenzieren ist, beruht die Gliederung der Arbeit. In einem ersten Teil werden daher in drei Kapiteln die Mitwirkungserfordernisse des Patienten im Verhältnis zum (Zahn)Arzt und Krankenversicherer untersucht. Ein zweiter Teil widmet sich den Mitwirkungserfordernissen des Patienten gegenüber dem Arbeitgeber. Ergänzend wird in einem dritten Teil den Mitwirkungserfordernissen des Patienten für die Sonderkonstellation einer öffentlich-rechtlichen Behandlung nachgegangen. 1. Die Patientenpflichten und -lasten im Verhältnis zum (Zahn)Arzt ergeben für die Phase der medizinischen Versorgung aus dem Behandlungsvertrag und bei einem unterlaufenen Behandlungsfehler aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis. a) Da der Behandlungsvertrag nicht eigens kodifiziert ist, wurde er zunächst nach Rechtsnatur, Zustandekommen und Inhalt dargestellt, um anschließend

346

4. Teil: Untersuchungsergebnisse

die Patientenpflichten und -lasten während der medizinischen Versorgung daraus ableiten und detailliert untersuchen zu können. Nach einhelliger Ansicht handelt es sich bei dem Behandlungsverhältnis um einen Dienstvertrag iSd § 611 BGB. Dabei unterscheidet vor allem das zivilrechtliche Schrifttum nicht zwischen Privat- und Kassenpatienten, was meines Erachtens aber erforderlich ist. Sofern nämlich die Eigenheiten des Krankenversicherungsschutzes berücksichtigt werden, ist äußerst umstritten, was für ein Rechtsverhältnis zwischen Kassenpatient und Vertrags(zahn)arzt besteht. Während der Privatpatient nur die Kosten einer erfolgten Behandlung von der privaten Krankenversicherung erstattet bekommt, kann der Pflichtversicherte von der gesetzlichen Krankenversicherung eine kostenfreie Behandlung beanspruchen. Da die Krankenkasse medizinische Maßnahmen nicht selbst durchführen kann, schaltet sie zur Erfüllung sogenannte Vertrags(zahn)ärzte ein. Auf diese Weise entsteht ein sehr komplexes Leistungserbringungssystem, in das auch der Kassenpatient integriert ist. Letztlich ist der Behandlungsanspruch im SGB V geregelt und die Vergütung erhält der Vertrags(zahn)arzt von der Kassen(zahn)ärztlichen, sodass Vertrags(zahn)arzt und Kassenpatient diesbezüglich keine Vereinbarungen treffen. Dennoch müssen sich beide auf die Behandlung einlassen und schließen deshalb zum Schutz ihrer Rechts- und Vermögensgüter während der Behandlung nach eigener Auffassung einen Vertrag sui generis gemäß den §§ 305; 241 BGB. Von einem Vertrag sui generis ist deshalb ausgehen, weil er eben keine Hauptleistungspflichten enthält. Obwohl der Vertrag sui generis in Teilbereichen durchaus deckungsgleich mit dem Behandlungsvertrag des Privatpatienten iSd § 611 BGB ist, wurden die einzelnen Mitwirkungserfordernisse für Privat- und Kassenpatienten getrennt untersucht. Auf diese Weise lassen sich die Unterschiede darstellen, wenngleich die Pflichten und Lasten des Privat- und Kassenpatienten im Ergebnis nur marginal voneinander abweichen. So trifft die Honorarzahlungspflicht nur den Privatpatienten; allein der Kassenpatient ist zur Vorlage seiner Krankenversicherungskarte und neuerdings zur Entrichtung der Praxisgebühr verpflichtet. Sonst ergeben sich aus den jeweiligen Behandlungsverträgen identische Pflichten und Lasten. Da der Vertragsinhalt normalerweise nicht langwierig ausgehandelt wird, sind die Patientenpflichten und -lasten durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist die beiderseitige Interessenlage zugrunde zu legen. Denn niemand wird sich zu einem bestimmten Handeln verpflichten, falls gewichtige eigene Belange entgegenstehen. Gewichtig in diesem Sinne ist das Selbstbestimmungsrecht, wovon der Patient möglichst weitgehend Gebrauch machen möchte. Aus diesem Grund wird er eine bestimmte Mitwirkung nur dann als Pflicht übernehmen, wenn sie entweder nicht in die Körperintegrität eingreift wie das rechtzeitige Absagen eines Behandlungstermins oder hoch-

4. Teil: Untersuchungsergebnisse

347

rangige Schutzgüter des Mediziners betroffen sind wie bei einer HIV-Infektion, die der Patient unaufgefordert bekannt zu geben hat. Auch jenseits dieser eher engen Fallgruppen für die Annahme von Patientenpflichten ist der (Zahn)Arzt daran interessiert, dass sein Patient mitarbeitet. Das gilt insbesondere dann, wenn das Behandlungsziel andernfalls nicht zu erreichen ist oder der (Zahn)Arzt ohne die erforderliche Patientenmitwirkung eigene Pflichten nicht sachgerecht erfüllen kann und deshalb ein Behandlungsfehler droht. Zum Ausgleich der berechtigten Medizinerbelange und der Wahrung des Selbstbestimmungsrechts sind in diesen Konstellationen Teilhabelasten anzunehmen. Dem Patienten steht es folglich frei, ob er an einer Anamneseerhebung mitwirkt, zu einer Kontrolluntersuchung erscheint oder das verordnete Medikament einnimmt. Tut er das jedoch nicht, obwohl ihm sein behandelnder (Zahn)Arzt die Notwendigkeit eigener Mitwirkung erläutert und zur Verantwortungsübernahme motiviert hat, kann der Behandlungsvertrag seitens des Mediziners nach § 627 BGB jederzeit gekündigt werden. Verletzt der Mediziner dadurch, dass sich der Patient nicht in der rechtlich gebotenen Weise beteiligt, den geltenden (zahn)ärztlichen Standard, verkürzt sich die Arzthaftung über § 254 Abs. 2 BGB um den Anteil des Mitverschuldens. Davon ist auszugehen, wenn der (Zahn)Arzt eine Beinvenenthrombose unter anderem deshalb verkennt, weil der Patient ein Trauma nicht angegeben hat, als er danach befragt wurde. b) Unterläuft dem (Zahn)Arzt ein Behandlungsfehler, entsteht in Anbetracht der Schädigungssituation ein gesondertes Schuldverhältnis kraft Gesetzes. Da insoweit die Rechtsgrundlage für die Patientenmitwirkung identisch ist, konnte auf eine Differenzierung zwischen Privat- und Kassenpatienten verzichtet werden. Von ihnen werden auf der Grundlage des gesetzlichen Schuldverhältnisses gleichermaßen vor allem Schadensabwendungs- und Schadensminderungsmaßnahmen iSd § 254 Abs. 2 BGB erwartet, sofern sie objektiv und subjektiv zumutbar sind. Insofern hat ein geschädigter Patient ein verändertes Beschwerdebild sofort mitzuteilen und sich einer erfolgversprechenden, gefahrlosen und nicht besonders schmerzhaften Nachbehandlung zu unterziehen. Die Teilhabe reicht hier von der Einwilligung bis zur aktiven Mitwirkung. Darüber hinaus sollte der Patient zur Vermeidung eines Rechtsnachteils die verbliebene Arbeitskraft so nutzbringend wie möglich zu verwerten, was je nach Einzelfall auch die Teilnahme einer Umschulung einbeziehen kann. c) Auch während eines Arzthaftungsprozesses besteht zwischen dem klagenden Patienten und dem verklagten (Zahn)Arzt ein gesetzliches Schuldverhältnis, das mit Zustellung der Klageschrift zustande kommt und die Parteien zu gegenseitiger Rücksicht auf die berechtigten Belange anhält. Grundsätzlich hat der Patient einen Behandlungsfehler und den daraus resultierenden Schaden darzulegen und notfalls zu beweisen. Nur im Fall eines groben Behandlungs-

348

4. Teil: Untersuchungsergebnisse

fehlers kommt es zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität, sodass die Nichterweislichkeit der Ursächlichkeit eines (zahn)ärztlichen Fehlverhaltens für den Gesundheitsschaden zulasten des Mediziners geht. Entbindet der Patient seinen (Zahn)Arzt nicht von seiner Schweigepflicht oder verweigert eine medizinische Begutachtung, trägt er die beweisrechtlichen Nachteile. 2. Die Patientenpflichten und -lasten im Verhältnis zum Krankenversicherer rühren aus dem Krankenversicherungsverhältnis her. Dabei muss in Anbetracht des dualen Krankenversicherungssystems mit der Sozialversicherung auf der einen und der privaten Krankenversicherung auf der anderen Seite zwischen dem privat- und sozialversicherten Patienten unterschieden werden. Wenngleich beide Versicherungsverhältnisse in ihrem Wesen und ihrer Ausgestaltung grundverschieden sind, gibt es doch ähnliche Mitwirkungserfordernisse des privat- und sozialversicherten Patienten. Letztlich dürfte das darauf zurückzuführen sein, dass in beiden Fällen ein für den Einzelnen ungewisses Krankheitsrisiko übernommen wird und dieses für die Versichertengemeinschaft kalkulierbar sein muss. Deshalb ist die Reichweite des Versicherungsschutzes eingehend gesetzlich bzw. vertraglich geregelt. Für die freiwillige private Krankenversicherung folgen die Mitwirkungserfordernisse aus den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die quasi gesetzgleiche Wirkung haben. In der öffentlich-rechtlich gestalteten gesetzlichen Krankenversicherung gilt der Vorbehalt des Gesetzes, sodass jeder Eingriffsakt normiert sein muss. Mithin sind die Teilhabeakte für den privat- und sozialversicherten Patienten jeweils schriftlich niedergelegt und daher anders als im (Zahn)Arzt-PatientenVerhältnis nicht erst durch Auslegung zu ermitteln. Vielmehr geht es darum, wie die Patientenmitwirkung anhand der Dogmatik von den Pflichten und Lasten rechtlich zu qualifizieren ist. Da die Verhaltensnormen stets mit einer leistungsrechtlichen Sanktion verknüpft sind, also ihre Missachtung einen Rechtsnachteil bedingt, handelt es sich ausnahmslos um Lasten. Diese Lasten gebieten einerseits die Mitwirkung an der medizinischen Behandlung und legen andererseits deren Rahmenbedingungen fest, wenn etwa nur bestimmte (Zahn)Ärzte konsultiert werden dürfen und die medizinische Notwendigkeit zu beachten ist. 3. Die Patientenpflichten und -lasten im Verhältnis zum Arbeitgeber wurden ergänzend betrachtet und ergeben sich aus dem Arbeitsvertrag. Da ein erkrankter Arbeitnehmer spätestens am vierten Fehltag eine (zahn)ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen hat, muss er einen (Zahn)Arzt konsultieren. Im Rahmen dieser Behandlung obliegt ihm ein gesundheitsförderliches bzw. krankheitsgemäßes Verhalten, sodass er zu Kontrolluntersuchungen erscheinen und (zahn)ärztliche Anordnungen befolgen muss. Was genau erlaubt

4. Teil: Untersuchungsergebnisse

349

ist, hängt von der Art der Erkrankung ab. So darf ein Herzpatient durchaus ein Konzert besuchen, nicht aber beim Fußballspiel als Linienrichter agieren. 4. Die Patientenpflichten und -lasten im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Zwangsbehandlung erfassen die Sonderkonstellation der medizinischen Versorgung ohne oder gegen den Willen des Betroffenen. Da Zwangsmaßnahmen in das Recht des Einzelnen auf körperliche Unversehrtheit eingreifen, müssen sie gesetzlich normiert sein. Diese Duldungsgebote sind stets von hoheitlicher Seite erzwingbar, sodass es sich ausschließlich um Pflichten handelt. Sie können bei einer schweren, ansteckbaren Erkrankung oder durch eine Selbstgefährdung infolge psychischer Störung entstehen und treffen einen Wehrpflichtigen im Zuge seiner Musterung oder einen Zeugen im Strafrecht. In der Gesamtheit hat der Patient in seiner Rolle als medizinisch Betreuter, Krankenversicherter und Arbeitnehmer aber weitaus mehr Lasten als Pflichten. Insoweit bietet die folgende Darstellung auf Seite 350 f. eine kurze Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse. Mitunter werden dem Patienten durch die verschiedenen Rechtsverhältnisse teils parallele Pflichten und Lasten auferlegt. So ist der sozialversicherte Patient gegenüber dem Vertrags(zahn)arzt verpflichtet, seine Krankenversichertenkarte vor der ersten Behandlung im Quartal vorzulegen und im Verhältnis zur Krankenkasse obliegt ihm eine entsprechende Last. Gerade das Behandlungsund Krankenversicherungsverhältnis weisen einige derartige Überschneidungen auf, wobei dieselben Pflichten oder Lasten einmal im Verhältnis zum (Zahn)Arzt und einmal gegenüber dem Krankenversicherer bestehen. Am Beispiel der kieferorthopädischen Behandlung eines gesetzlich krankenversicherten Patienten lässt sich dies leicht verdeutlichen: Da eine Zahn- oder Kieferfehlstellung nur im Zusammenwirken mit dem Patienten korrigiert werden kann, ergibt sich aus dem Vertrag sui generis eine Teilhabelast im Verhältnis zum Vertragszahnarzt. In Anbetracht seines Selbstbestimmungsrechts entscheidet der Patient, ob er die Zahnspange kontinuierlich trägt und an den aktiven Platten dreht. Der Vertragszahnarzt vermag zwar ein entsprechendes Verhalten nicht einzufordern. Allerdings ist er berechtigt, das Behandlungsverhältnis zu beenden, wenn der Patient trotz mehrfacher Aufforderung nicht mitwirkt. Dieselbe Teilhabelast statuiert § 29 SGB V, wonach der Patient 20 % der Kosten zu zahlen hat. Diesen Anteil bekommt er zurück, wenn die Behandlung wie geplant abgeschlossen wird. Auf diese Weise soll der Patient motiviert werden, die meist mehrere Jahre dauernde Behandlung durchzuhalten und selbst zum Erfolg beizutragen. Andernfalls riskiert der Patient eine doppelte Sanktion – nämlich dass die Behandlung durch den Vertragszahnarzt abgebrochen wird und er die Behandlungskosten anteilig dauerhaft zu tragen hat. Insbesondere

x Versicherungsvertrag einschließlich MB-KK/ KT

x Behandlungsvertrag, zumeist in Verbindung mit §§ 241 II; 242 BGB

Rechtsgrundlage

x Hinweis auf schwerwiegende, ansteckende Erkrankung

x Schutz der Dispositionsfreiheit durch rechtzeitige Terminabsage, frühzeitige Bekanntgabe eines Einwilligungswiderrufs sowie Information über faktische Hemmnisse

x pünktliches Wiedererscheinen des Genesenen zum nächstüblichen Arbeitstag

x Mitteilung der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit

x Vermeidung finanzieller und körperlicher Schädigung des Mediziners keine

x Krankmeldung in den ersten Betriebsstunden am Erkrankungstag

x Arbeitsvertrag in seiner individual-, tarifvertraglichen und gesetzlichen Ausgestaltung

keine

Arbeitgeber

erkrankter Arbeitnehmer

x Zahlung des Honorars bzw. Vorlage der Krankenversichertenkarte

x hoheitliches Sozialversicherungsverhältnis

x Unterscheidung zwischen privat- und sozialversicherten Patienten

x Unterscheidung zwischen Privat- und Kassenpatienten

versicherter Patient

Unterscheidung

Patient

Mitwirkungserfordernisse des medizinisch Betreuten in der Rolle als

Krankenversicherer

Verhaltensnormen

behandelnder (Zahn)Arzt

Beziehungskonstrukt

Pflichten

350 4. Teil: Untersuchungsergebnisse

Lasten

Gebote zum Eigenschutz

Verhaltensnormen

x umfassende Teilhabe an Präventionsund Heilungsbemühungen des (Zahn)Arztes wie Offenbarung medizinisch relevanter Fakten, Einwilligungserteilung sowie Duldung medizinisch indizierter Maßnahmen

x Billigung und Unterstützung der zumutbaren Nachbehandlung infolge des Behandlungsfehlers

x aktive Teilhabe an der Behandlungsdurchführung inklusive Ermöglichung von Kontrolluntersuchungen, Beachten medizinischer Anordnungen, Einnahme der Medikamente gemäß Verordnung, Kenntnisnahme der Packungsbeilage

x Mitwirkung an der Eruierung eines eigenen Aufklärungsbedürfnisses und -wunsches

x Hinweis auf behandlungserhebliche Tatsachen bei Informationsvorsprung vom Patienten ohne Erkenntnismöglichkeit des (Zahn)Arztes

x Antrag auf Rehabilitation/ Altersrente

x Beachtung einer Wirtschaftlichkeit

x Vorzeigen einer Versichertenkarte

x Zahnpflege sowie prophylaxe

x Einschalten eines nächsterreichbaren Vertrags(zahn)arztes

x alle selbstschützenden Maßnahmen wie Abwehr einer drohenden Erkrankung und baldiges Einschalten eines Mediziners

x Vermeiden von Kostenexzessen

x Aufsuchen eines niedergelassenen (Zahn)Arztes

x keine vorsätzliche Krankheitszuziehung

x Behandlungsteilhabe und allgemeine Therapieverantwortung

x Angabe leistungsrelevanter Fakten

x Kundgabe einer Arbeitsunfähigkeit und Mitwirkung bei der Feststellung

keine

x krankheitsgemäßes Verhalten inklusive Einhaltung medizinischer Anordnungen - keine arbeitsäquivalente Tätigkeit für Dritte oder sich selbst - zustandsangepasste Freizeitaktivität - kein längeres Verlassen des Wohnsitzes

x Einreichen einer (zahn)ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

x Vermeiden einer vorsätzlichen Erkrankung - Beachten der Unfallverhütungsvorschriften - Einhalten der Straßenverkehrsvorschriften - keine gesundheitsschädliche Lebensweise

4. Teil: Untersuchungsergebnisse 351

352

4. Teil: Untersuchungsergebnisse

die versicherungsrechtlichen Lasten sind vielmals mit finanziellen Folgen verbunden, weshalb sie für einen Patienten natürlich sehr bedeutsam sind. Die Mehrfachsanktionierung kann letztlich dazu führen, dass ein Patient im Rahmen seiner Behandlung mitwirkt, obwohl ihn der drohende Behandlungsabbruch wegen der Möglichkeit, kurzum eine anderen (Zahn)Arzt aufzusuchen, dazu allein noch nicht veranlassen würde. Auch bei der kürzlich ins Spiel gebrachten Pflicht zur Vorsorge im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ist nach eigenem Verständnis nicht von einer Rechtspflicht auszugehen. Vielmehr wird durch den rechtlichen Nachteil dergestalt, dass im Erkrankungsfall höhere Zuzahlungen zu leisten sind, wenn sich der Patient nicht einmalig über Vor- und Nachteile von Früherkennungsuntersuchungen beraten lassen hat, eine klassische Last geschaffen – denn die Krankenkasse kann das entsprechende Verhalten nicht einfordern. Die Missachtung verkürzt aber den Rechtskreis des Patienten bei Eintritt einer Erkrankung, sodass die Norm belastend wirkt. Folglich verwendet Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt den Begriff der Pflicht in einem untechnischen Sinn1. Im rechtlichen Kontext sollte allerdings eine Kategorisierung zwischen Pflichten und Lasten durchgehalten werden, weil damit der gestufte Verbindlichkeitsgrad der Verhaltensnormen eindeutig zum Ausdruck kommt. Auch für den Untersuchungsgegenstand der Patientenmitwirkung dürfte dies schon aus Klarstellungsgründen äußerst hilfreich sein. Schon in Anbetracht der verschiedenen Rechtsgrundlagen für die Patientenpflichten und -lasten wie auch der bislang fehlenden rechtswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dieser Thematik sind die einzelnen Mitwirkungserfordernisse derzeit weder für einen Rechtskundigen noch weit weniger für einen juristischen Laien ad hoc zu erkennen. Erst die Pflichten und Lasten eines Patienten ermöglichen aber eine sachgerechte Abgrenzung seines Verantwortungsbereiches zum (Zahn)Arzt. Hinsichtlich ihrer Ableitung aus den verschiedenen Rechtsverhältnissen wie auch ihrer dogmatischen Erfassung konnte weitestgehend nicht auf Disputationen aufgebaut werden, sodass nunmehr ein erster Versuch zum Umgang mit der Patientenmitwirkung aus rechtlicher Sicht vorliegt. Inwieweit die Patientenpflichten und -lasten aus Gründen der Transparenz künftig gesetzlich normiert und dabei die hier gefundenen Ergebnisse aufgegriffen werden, bleibt abzuwarten – videbimus! ___________ 1

Offensichtlich ging Bundesgesundheitsministerien Ulla Schmidt selbst davon aus, denn auch der zwischenzeitlich gescheiterte Gesetzesentwurf hätte aus ihrer Sicht die Freiwilligkeit des Einzelnen gewahrt – vgl. dazu „Die Neue Epoche“ vom 20.07.2007.

Literaturverzeichnis Albrecht, Georg: Die Haftung des Kassenarztes, in: DVZ 1955, S. 238 ff. Anders, Axel: Die Zumutbarkeit operativer Eingriffe aus der Sicht eines Chirurgen, in: Heim, Wilhelm (Hrsg.), Haftpflichtfragen im ärztlichen Alltag – Beiträge zum Symposium für Ärzte und Juristen vom 25. bis 27. Juni 1979, 1980 Köln, S. 105 ff. August, Raimund: Das Arztbild in der wirtschaftlichen Rezession, in: Der praktische Arzt 1981, S. 3513 ff. Bach, Peter: Medizinisch notwendige Heilbehandlung und stationäre Nulldiät – zugleich Anmerkung zum Urteil des BGH vom 29.11.1978 (VersR 1979, 221 ff.), in: VersR 1979, S. 792 ff. Bach, Peter/ Moser, Hans: Private Krankenversicherung – MB/KK- und MB/KTKommentar, 2002 München Bales, Stefan/ Baumann: Hans Georg, Infektionsschutzgesetz – Kommentar und Vorschriftensammlung, 2001 Stuttgart et al. Ballerstedt, Kurt: Zur Haftung für culpa in contrahendo bei Geschäftsabschluß durch Stellvertreter, in: AcP 151 (1951/52), S. 501 ff. – Buchbesprechung: Reimer Schmidt, Die Obliegenheiten, in: ZHR 121 (1958), S. 78 ff. Baltzer, Johannes: Einführung in das Sozialrecht, in: JuS 1982 S. 572 ff., 651 ff. Bappert, Lieselotte: Arzt und Patient als Rechtssuchende – Das Vertrags- und Haftungsrecht des Arztes in Grundsatz-Entscheidungen bundesdeutscher Gerichte 1969-1980, 1980 Reinbek bei Hamburg – Die Kooperation von Arzt und Patient in Recht und Praxis, in: AuP 1980, S. 155 ff. Bar, Christian v.: „Nachwirkende“ Vertragspflichten, in: AcP 179 (1979), S. 452 ff. Barta, Heinz: Kausalitätslehre im Sozialversicherungsrecht – Entstehung und Funktion der sogenannten Theorie der wesentlichen Bedingung, 1983 Berlin Baumann, Horst: Zur Inhaltskontrolle von Produktbestimmungen in Allgemeinen Geschäfts- und Versicherungsbedingungen, in: VersR 1991, S. 490 ff. Beauvoir, Simone de: Die Zeremonie des Abschieds und Gespräche mit Jean-Paul Sartre: Aug. - Sept. 1974 – in deutscher Übersetzung von Uli Aumüller und Eva Moldenhauer, 1983 Reinbek bei Hamburg Behrends, Behrend: Grenzen des Privatrechts in der gesetzlichen Krankenversicherung, 1986 Berlin

354

Literaturverzeichnis

Belling, Detlev v./ Riesenhuber, Karl: Beweislastumkehr und Mitverschulden, in: ZZP 108 (1995), S. 455 ff. Bender, Albrecht W.: Zeugen Jehovas und Bluttransfusion – Eine zivilrechtliche Betrachtung, MedR 1999, S. 260 ff. Bender, Hans-Egon: Die Selbsttötung nach dem Recht der sozialen Sicherheit, in: SozVers 1989, S. 1 ff. Bender, Wolfram: Krankheitseinsicht und Krankheitsgefühl bei psychiatrischen Patienten, 1988 Stuttgart Benz, Manfred: Die Versagung oder Entziehung von Leistungen nach § 66 SGB I, in: BG 1978, S. 242 ff. Benzani, Thomas: Die krankheitsbedingte Kündigung, 1994 Bergisch Gladbach, Köln Berenz, Claus: Aktuelle Probleme bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, in: DB 1995, S. 2166 ff. Bergeest, Volker-Joachim: Die Vertrauensschadenversicherung in ihren modernen Erscheinungsformen – Eine rechtliche Untersuchung über den Versicherungsschutz gegen die Gefahren des vermögensschädigenden Vertrauensbruchs und die Gefahren der sogenannten Insiderkriminalität, 1982 Karlsruhe Bertsch, Dieter: Die Abgrenzung von Risikobeschränkungen und vertraglich begründeten Obliegenheiten im Privatversicherungsrecht unter besonderer Berücksichtigung des Rechts der allgemeinen Haftpflichtversicherung, 1964 Tübingen Beyer, Gerd: Das Kassenärzterecht von heute, 1940 Leipzig Bierling, Ernst Rudolf: Juristische Prinzipienlehre – Band I, 2. Neudruck der Ausgabe Tübingen 1894: 1979 Aalen Bischoff, Harald: Versichertes Risiko und materielle Obliegenheiten, in: VersR 1972, S. 799 ff. Blank, Theodor: Schuldrecht BT I/ 3 – Vertragliche Schuldverhältnisse, 2000 Köln et al. Bliesener, Thomas: Erzählen unerwünscht. Erzählversuche von Patienten in der Visite, in: Ehlich, Konrad (Hrsg.), Erzählen im Alltag, 1980 Frankfurt aM, S. 143 ff. Bleistein, F.: Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Ihre Bedeutung und ihr Beweiswert, in: b+p 1995, S. 19 ff. Bley, Helmar: Die rechtsdogmatische Konzeption des Allgemeinen Teils des Sozialgesetzbuchs (AT SGB), ZSR 1976, S. 69 ff. Bley, Helmar/ Kreikebohm, Ralf/ Marschner, Andreas: Sozialrecht, 9. neubearbeitete Auflage, 2007 Neuwied, Kriftel Blöcher, Holger: Die Berücksichtigung der persönlichen Lebensführung bei der Leistungsvergabe der Gesetzlichen Krankenkassen nach § 52 SGB V, 2002 Hamburg Bochumer Kommentar zum SGB AT, hrsg. von Wilhelm Wertenbruch, 1979 Berlin, New York Boecken, Winfried: Formen der Individualverantwortung in der Sozialversicherung, in: SDSRV Bd. 42, S. 7 ff.

Literaturverzeichnis

355

– Probleme der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, in: NZA 1999, S. 673 ff. Boehm-Tettelbach, Wolfgang: Wehrpflichtgesetz mit Kriegsdienstverweigerungsgesetz – Kommentar (Loseblatt – Stand: 20. Ergänzungslieferung vom September 2002) Bogs, Harald: Das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) im Spiegel des Arztsystems – Grundlagen dargestellt anhand von Kassen- und Vertragsarztwesen der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung, in: Festschrift für Werner Thieme zum 70. Geburtstag, hrsg. von Bernd Becker, Hans Peter Bull, Otfried Seewald, 1993 Köln et al., S. 715 ff. Bohrer, Michael: Die Haftung des Dispositionsgaranten – Ein Beitrag zur Lehre von der negativen Vertrauenshaftung, 1980 Ebelsbach Borchert, Günter: Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Arbeits- und Sozialrecht, in: AuR 1990, S. 375 ff. – Die Rolle der Patienten und Versicherten im neustrukturierten GKV-System, in: Festschrift für Wolfgang Gitter, hrsg. von Meinhard Heinze und Jochem Schmitt, 1995 Wiesbaden, S. 133 ff. – Zur Unwirksamkeit der Schweigepflichtentbindungserklärung in Versicherungsanträgen, in: NVersZ 2001, S. 1 ff. Brill, Werner: Die Bedeutung der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Lohnfortzahlungsrecht, in: WzS 1980, S. 69 ff. Brocke, Erwin: Die HIV-Infektion als Problem der Gesetzlichen Krankenversicherung, in: SGb 1990, S. 437 ff. Brox, Hans/ Walker, Wolf-Dietrich: Allgemeiner Teil des BGB, 30. vollständig neubearbeitete Auflage, 2006 Köln et al. Bruck, Ernst/ Möller, Hans: Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz und zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen unter Einschluß des Versicherungsvermittlerrechts – Erster Band: §§ 1-48 und Versicherungsvermittlerrecht, 8. Auflage, 1961 Berlin Bruck, Ernst/ Möller, Hans/ Wriede, Paul: Kommentar zum VVG und zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen unter Einschluß des Versicherungsvermittlerrechts – Sechster Band, Zweiter Halbband: Krankenversicherung, 1990 Berlin et al. Brück, Dietrich: Kommentar zur Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), 3. Auflage fortgeführt von R. Hess, R. Klakow-Franck und H.-J. Warlo (Loseblatt – Stand: 16. Ergänzungslieferung vom 1. Juli 2006), Köln Brüggemeier, Gert: Deliktsrecht – Ein Hand- und Lehrbuch, 1986 Baden-Baden Bruns, Manfred: Aids, Alltag und Recht, in: MDR 1987, S. 353 ff. – Nochmals: Kasernierung von Aids-kranken Prostituierten, in: ZRP 1989, S. 241 f. Buddee, Antje: Der Arztvertrag nach dem SGB V, 1997 Tübingen Burdenski, Wolfhart: Mitwirkungspflichten des Leistungsberechtigten und Geheimhaltung – Zum Entwurf eines Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil, BlStSozArbR 1974, S. 273 ff.

356

Literaturverzeichnis

Canaris, Claus-Wilhelm: Ansprüche wegen „positiver Vertragsverletzung“ und „Schutzwirkung für Dritte“ bei nichtigen Verträgen – Zugleich ein Beitrag zur Vereinheitlichung der Regeln über die Schutzpflichtverletzung, JZ 1965, S. 475 ff. – Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971 München – Grundrechte und Privatrecht, in: AcP 184 (1984), S. 201 ff. Clemens, Thomas: Schadensregreß, in: Schulin, Bertram (Hrsg.), Handbuch des Sozialversicherungsrechts – Band 1: Krankenversicherungsrecht, 1994 München, § 36 Conti, Christian: Die Pflichten des Patienten im Behandlungsvertrag, 2000 Bern Dalichau, Gerhard/ Schiwy, Peter: Gesetzliche Krankenversicherung – Sozialgesetzbuch Fünftes Buch: Kommentar, Percha am Starnberger See Dauner-Lieb, Barbara/ Heidel, Thomas/ Lepa, Manfred/ Ring, Gerhard (Hrsg.): Das Neue Schuldrecht – Ein Lehrbuch, 2002 Heidelberg Demberg, Gisela: Die Anwendung des § 282 BGB auf den ärztlichen Behandlungsvertrag im Lichte der Rechtsprechung des BGH, in: Jura 1987, S. 337 ff. Dempewolf, Günther: Die Zulässigkeit der Operationsduldungspflicht nach dem Grundgesetz, in: SozVers 1955, S. 185 ff. Deneke, Volrad: Schweigepflicht und Aufklärungspflicht des Arztes, in: DÄBl 1964, S. 2091 ff. Dersch, Hermann: Pflicht zur Duldung ärztlicher Maßnahmen, insbesondere von Operationen, in: ArbVers 1936, S. 1 ff.; 17 ff. Deutsch, Erwin: Neue Aufklärungsprobleme im Arztrecht, in: NJW 1982 S. 2585 ff. – Das Kind oder sein Unterhalt als Schaden – Eine methodische Grundfrage des geltenden Rechts, in: VersR 1995, S. 609 ff. – Unerlaubte Handlungen, Schadensersatz und Schmerzensgeld, 3. ergänzte Auflage, 1995 Köln et al. – Allgemeines Haftungsrecht, 2. völlig neugestaltete und erweiterte Auflage, 1996 Köln et al. – Aufklärung und Einwilligung vor Impfungen, in: VersR 1998, S. 1053 ff. – Versicherungsvertragsrecht – Ein Grundriß, 4. Auflage, 2000 Karlsruhe Deutsch, Erwin/ Geiger, Michael: Medizinischer Behandlungsvertrag, in: Bundesministerium für Justiz (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts – Band 2, 1981 Köln, S. 1049 ff. Deutsch, Erwin/ Spickhoff, Andreas: Medizinrecht – Arztrecht, Arzneimittelrecht und Medizinprodukterecht, 4. neu bearbeitete und erweiterte Auflage, 2003 Berlin et. al. Dickhaut, Hans H./ Luban-Plozza, Boris: Arzt-Patienten-Beziehung, in: Eser, Abin/ Lutterotti Markus v./ Sporken, Paul (Hrsg.), Lexikon Medizin, Ethik, Recht, 1989 Freiburg, Sp. 125 f. Diedrichsen, Uwe: Unterhaltskosten als Vermögensschaden, in: VersR 1981, S. 693 ff. Diller, Martin: Krankfeiern seit 1.6.1994 schwieriger? – Das neue Entgeltfortzahlungsgesetz, NJW 1994, S. 1690 ff.

Literaturverzeichnis

357

Dubischar, Roland: Grundbegriffe des Rechts – Eine Einführung in die Rechtstheorie, 1968 Stuttgart et al. Duden – Das Wörterbuch medizinischer Fachausdrücke, hrsg. von Karl-Heinz Ahlheim, 5. vollständig überarbeitete und ergänzte Auflage, 1992 Mannheim et al. Dunz, Walter: Aktuelle Fragen zum Arzthaftungsrecht unter Berücksichtigung der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung, 1980 Köln Durkheim, Emile: De la division du travail social, 1893 Paris Eberbach, Wolfram H.: AIDS und Strafrecht, in: MedR 1987, S. 267 ff. – Arztrechtliche Aspekte bei AIDS – Medical Law Aspects of AIDS, in: AIFO 1987, S. 281 ff. – Aids – rechtliche Verantwortung und Vertrauen, in: ZRP 1987, S. 395 ff. – Heimliche Aids-Tests, in: NJW 1987, S. 1470 ff. Eberhardt, Dietrich: Selbstbestimmungsrecht des Patienten und ärztliche Aufklärungspflicht im Zivilrecht Frankreichs und Deutschland, 1968 Karlsruhe – Zivilrecht und Sozialrecht in der Beziehung von Kassenarzt und Kassenpatient – Zugleich ein Beitrag zu Inhalt und Bedeutung des § 368 d IV RVO, AcP 171 (1971), S. 289 ff. Ebsen, Ingwer: Bedarfsorientierte Regulierungen der Zulassung von Leistungserbringern zur Gesetzlichen Krankenversicherung und das Recht auf Berufsfreiheit, in: ZSR 1992, S. 328 ff. Edenfeld, Stefan: Die Krankenkontrolle des Arbeitgebers, in: DB 1997, S. 2273 ff. Ehmann, Horst/ Sutschet, Holger: Modernisiertes Schuldrecht – Lehrbuch der Grundsätze des neuen Rechts und seiner Besonderheiten, 2002 München Ehrenzweig, Albert: Deutsches (Österreichisches) Versicherungs-Vertragsrecht, 1952 Wien Ehrlich, Eugen: Grundlegung der Soziologe des Rechts, 1913 München & Leipzig Eichenhofer, Eberhard: Sozialrecht, 5. bearbeitete Auflage, 2004 Tübingen Eisenmann, Ingrid: Ethische Aspekte der ärztlichen Gesprächsführung, in: Reimer, Christian (Hrsg.), Ärztliche Gesprächsführung, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, 1994 Berlin et. al., S. 7 ff. Endemann, Friedrich: Rechtswirkungen der Ablehnung einer Operation seitens des Verletzten, 1893 Berlin Engisch, Karl: Einführung in das juristische Denken, 9. Auflage hrsg. von Thomas Würtenberger und Dirk Otto, 1997 Stuttgart et al. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, hrsg. von Thomas Dietrich, Peter Hanau, Günter Schaub, 7. neu bearbeitete Auflage, 2007 München Erhard, Hubert: Die Rechtsnatur des kassenärztlichen Behandlungsverhältnisses, 1985 Göttingen Erman: Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg. von Harm Peter Westermann, Band I, 11. neubearbeitete Auflage, 2004 Köln

358

Literaturverzeichnis

Eser, Abin/ Lutterotti, Markus v./ Sporken, Paul (Hrsg.): Lexikon Medizin, Ethik, Recht, 1989 Freiburg Esser, Josef/ Schmidt, Eike: Schuldrecht Band I – Allgemeiner Teil, Teilband 1: Entstehung, Inhalt und Beendigung von Schuldverhältnissen, 8. völlig überarbeitete Auflage, 1995 Heidelberg – Schuldrecht Band I – Allgemeiner Teil, Teilband 2: Durchführungshindernisse und Vertragshaftung, Schadensausgleich und Mehrseitigkeit beim Schuldverhältnis, 8. völlig neubearbeitete Auflage, 2000 Heidelberg Ewert, Günter/ Hüttner, Hannes/ Keune, Hans/ Kopske, Christa/ Wiesner, Gerd E.: Der Patient in der Sprechstunde – Erwartungen, Rechte und Pflichten, Zufriedenheit, 2. überarbeitete Auflage 1988 Berlin Fabricius, Fritz: Leistungsstörungen im Arbeitsverhältnis – eine Grundlagenstudie, 1970 Tübingen Faude, Michael: Selbstverantwortung und Solidarverantwortung im Sozialrecht – Strukturen und Funktionen der sozialrechtlichen Relevanz des Selbstverschuldens des Leistungsberechtigten, 1983 Bonn Feichtinger, Peter: Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, 1999 Heidelberg Feldgen, Dagmar: Das neue Entgeltfortzahlungsgesetz – Überblick über die seit dem 1.6.1994 geltenden Neuregelungen über die Entgeltfortzahlung an Feiertagen und im Krankheitsfall, DB 1994, S. 1289 ff. Fikentscher, Wolfgang: Schuldrecht, 8. neubearbeitete Auflage, 1992 Berlin, New York Finzen, Asmus: Medikamentenbehandlung bei psychischen Störungen – Leitlinien für den psychiatrischen Alltag, 10. Auflage, 1993 Bonn Finzen, Asmus/ Haug, Hans-Joachim/ Beck, Adrienne/ Lüthy, Daniela: Hilfe wider Willen – Zwangsmedikation im psychiatrischen Alltag, 1993 Bonn Fischer, Bernd: Strategie der Gesundheitsbildung im Heilverfahren, Das öffentliche Gesundheitswesen 43 (1981), S. 539 ff. Flügge, G.: Das Recht des Arztes, 1903 Forkel, Hans: Verfügungen über Teile des menschlichen Körpers – Ein Beitrag zur zivilrechtlichen Erfassung der Transplantationen, JZ 1974, S. 393 ff. Frahm, Wolfgang/ Nixdorf, Wolfgang: Arzthaftungsrecht – Leitfaden für die Praxis, 3. Auflage, 2005 Karlsruhe Francke, Robert: Ärztliche Berufsfreiheit und Patientenrechte – Eine Untersuchung zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen des ärztlichen Berufsrechts und des Patientenschutzes, 1994 Stuttgart Francke, Robert/ Hart, Dieter: Ärztliche Verantwortung und Patienteninformation – Eine Untersuchung zum privaten und öffentlichen Recht der Arzt-Patienten-Beziehung, 1987 Stuttgart Franzki, Dietmar: Die Haftungsproblematik des Arztes, in: Heim, Wilhelm (Hrsg.), Haftpflichtfragen im ärztlichen Alltag – Beiträge zum Symposium für Ärzte und Juristen vom 25. bis 27. Juni 1979, 1980 Köln, S. 19 ff.

Literaturverzeichnis

359

Friedrichs, Helmut: Das Grundgesetz als Maßstab für die gesetzliche Krankenversicherung, in: Sozialrecht in Wissenschaft und Praxis – Festschrift für Horst Schieckel, hrsg. von Horst Müller, 1978 Percha/ Kempfenhausen, S. 107 ff. Friesenwinkel,…: Begrüßung und Einleitung, in: Weber, E./ Gundert-Remy, U./ Schrey, A. (Hrsg.), Patienten-Compliance, 1977 Baden-Baden, S. 13 ff. Frik, Wolfgang: Zur Frage der Duldungspflicht von Röntgenuntersuchungen, in: SGb 1979, S. 254 f. Fuchs, Jörg/ Hippius, Marion/ Schaefer, Marion: Packungsbeilagen von Arzneimitteln: Kann der Patient alle enthaltenen Informationen eindeutig verstehen, in: PatR 2004, S. 79 ff. Fuchs, Maximilian: Grundlagen und Probleme einer privatrechtlich gestalteten Arzthaftung – dargestellt am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland, in: ArztR 1996, S. 319 ff. Fürniß/ Scheuermann/ Bergdolt/ Topf/ Wiesemann/ Nüssel: Kompetenz und Compliance in der Verhaltensmedizin, in: Lang, Erich/ Arnold, Klaus (Hrsg.), Die ArztPatienten-Beziehung im Wandel – Referate der Sechsten Informationsmedizinischen Tage in Hamburg 1994, 1996 Stuttgart, S. 51 ff. Funke, Astrid: Privatärztliches Gebührenrecht, 1988 Berlin et al. Funke, Wilhelm: Patientenrechte – Ansprüche und Leistungen im Arzt-PatientenVerhältnis, 1996 Reinbek bei Hamburg Galahn, Holger: Der Missrauch der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und die Abwehrmöglichkeiten des Arbeitgebers, 1994 Frankfurt aM et al. Gauweiler, Peter: „Kasernierung“ von Aids-kranken Prostituierten, ZRP 1989, S. 85 ff. Gehrlein, Markus: Leitfaden zur Arzthaftpflicht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, 2000 München Geisler, Linus: Arzt und Patient – Begegnung im Gespräch: Wirklichkeit und Wege, 3. erweiterte Auflage, 1992 Frankfurt aM Geiß, Karlmann/ Greiner, Hans-Peter: Arzthaftpflichtrecht, 5. überarbeitete Auflage, 2006 München Gerauer, Alfred: Keine Vergütungsfortzahlung bei Verletzungsfolgen beim BungeeSpringen, in: NZA 1994, S. 496 f. Gerhardt, Walter: Der Haftungsmaßstab im gesetzlichen Schutzverhältnis (Positive Vertragsverletzung, culpa in contrahendo), in: JuS 1970, S. 597 ff. Gernhuber, Joachim: Die Haftung für Hilfspersonen innerhalb des mitwirkenden Verschuldens, in: AcP 152 (1952), S. 69 ff. – Das Schuldverhältnis – Begründung und Änderung, Pflichten und Strukturen, Drittwirkungen, 1989 Tübingen Gesamtkommentar, Sozialversicherung, hrsg. von Helmut Heinze (Loseblatt) Geschwinder, Jürgen: Leistungsausschluß nach § 192 RVO bei Nikotin-, Alkohol- und Drogenmißbrauch?, in: ZfS 1981, S. 101 ff.

360

Literaturverzeichnis

Geyer, Karl Heinrich/ Knorr, Gerhard/ Krasney, Otto Ernst: Entgeltfortzahlung – Krankengeld – Mutterschaftsgeld, 7. Auflage, 1996 Berlin Giebel, Gerald D./ Wienke, Albrecht/ Sauerborn, Jürgen/ Edelmann, Martin/ Menningen, Rudolf/ Dievenich, Anne: Das Aufklärungsgespräch zwischen Wollen, Können und Müssen – Wege vom richterrechtlichen Aufklärungspflichtverschulden zum ärztlichen Aufklärungsstandard, in: NJW 2001, S. 863 ff. Giesen, Dieter: Geburt eines ungewollten Kindes – Wertverwirklichung oder Schadensereignis: Zur Problematik einer Gerichtsentscheidung über die Abgrenzung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Schaden, in: FamRZ 1970, S. 565 ff. – Zwischen Patientenwohl und Patientenwille – Aufklärungsrechtliche Entwicklungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung Deutschlands, Österreichs und der Schweiz in rechtsvergleichender Sicht. Eine Bestandsaufnahme, in: JZ 1987, S. 282 ff. – Arzthaftungsrecht – Die zivilrechtliche Haftung aus medizinischer Behandlung in der Bundesrepublik Deutschland, in Österreich und der Schweiz, 4. völlig neubearbeitete und erweiterte Auflage, 1995 Tübingen Gillum, Richard F./ Barsky, Arthur J.: Diagnosis and Management of Patient Noncompliance, in: JAMA 1974, S. 1563 ff. Gitter, Wolfgang/ Huhn, Dieter/ Lammel, Siegbert/ Luig, Klaus/ Reich, Norbert/ Tempel, Otto/ Weyers, Hans-Leo (Hrsg.): Vertragsschuldverhältnisse (ohne Kaufrecht), 1974 München Gleitze, Wilfried: Der Allgemeine Teil des Sozialgesetzbuchs und seine Auswirkungen auf das Recht der Krankenversicherung, in: DOK 1976, S. 25 ff. Göbbels, Hans: Die Duldung ärztlicher Eingriffe als Pflicht, 1950 Stuttgart Goebel, Frank-Detlef: AIDS-Gefährdung – Eine vorläufige Stellungnahme zur Gefährdung von Ärzten, Schwestern und technischen Personal, in: DÄBl 1987, S. 763 f. Göben, Jens: Das Mitverschulden des Patienten im Arzthaftungsrecht, 1998 Frankfurt aM et al. Göppinger, Hans (Hrsg.): Arzt und Recht, 1966 München Götz, Hilmar: Grundzüge des Arbeitsrecht – Band I: Arbeitsvertragsrecht, 3. völlig neubearbeitete und erweiterte Auflage, 1996 München, Wien Goldbach, Kurt: Duldungspflichten von Operationen und ärztlichen Maßnahmen unter den Gesichtspunkt der versicherungsrechtlichen Grundsätze der Sozialversicherung und der Rechtsnormen des Zivilrechts, in: UChir 1951, S. 129 ff. Gordon, Thomas/ Edwards, W. Sterling: Patientenkonferenz – Ärzte und Kranke als Partner (Aus dem Amerikanischen von Almuth Dittmar-Kolb), 1997 Hamburg Gottschalk, Alfred: Das mitwirkende Verschulden des Geschädigten bei Schadensersatzansprüchen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, 1903 Berlin Gottwald, Stefan: Nochmals: Verhaltensbedingte Kündigung bei krankhaften Alkoholismus, in: NZA 1999, S. 180 ff. Großfuß-Bürk, Detlef: Die Verantwortung des Arztes für Fehlverhalten des Patienten am Beispiel der Mißachtung ärztlicher Hinweise, 1992 Frankfurt aM et al.

Literaturverzeichnis

361

Grüner/ Dalichau, Sozialgesetzbuch – Kommentar und Rechtssammlung, hrsg. von Hans Grüner und Gerhard Dalichau (Loseblatt – Stand: 199. Ergänzungslieferung vom Januar 2001) Grunsky, Wolfgang: Das Recht auf Privatleben als Begrenzung vertraglicher Nebenpflichten, in: JuS 1989, S. 593 ff. Günther, Horst: Zahnarzt, Recht und Risiko – Berufsrecht, Kassenarztrecht, Arzthaftungsrecht, Begutachtung: medizinische und rechtliche Risiken in der Zahnheilkunde und Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie, 1982 München, Wien Haferlach, Torsten: Das Arzt-Patienten-Gespräch: Ärztliches Sprechen in Anamnese, Visite und Patientenaufklärung, 1994 München et. al. Hampel, Karl Ernst: Die Aufklärung des Patienten aus der Sicht des Arztes, in: Heim, Wilhelm (Hrsg.), Haftpflichtfragen im ärztlichen Alltag – Beiträge zum Symposium für Ärzte und Juristen vom 25. bis 27. Juni 1979, 1980 Köln, S. 59 ff. Hanau, Peter: Objektive Elemente im Tatbestand der Willenserklärung – Ein Beitrag zur Kritik der „stillschweigenden und schlüssigen Willenserklärungen“, in: AcP 165 (1965), S. 220 ff. – Arzt und Patient – Partner oder Gegner, in: Festschrift für Gottfried Baumgärtel zum 70. Geburtstag, hrsg. von Hanns Prütting, 1990 Köln et al., S. 121 ff. Hanau, Peter/ Kramer, Michael: Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit, in: DB 1995, S. 94 ff. Hanika, Heinrich: Patientencharta: Stärkung der Rechte der Patienten bei der Reform der Gesundheitssysteme in Europa – Herausforderung für Deutschland?!, in: MedR 1999, S. 149 ff. Hansen, Udo: Beweislast und Beweiswürdigung im Versicherungsrecht, 1990 Frankfurt aM et al. Hansis, Martin L./ Hansis, Dorothee E.: Der ärztliche Behandlungsfehler – Verbessern statt streiten, 1999 Landsberg Hart, Dieter: Grundlagen des Arzthaftungsrechts: Leistungs- und Haftungsschuldner, in: Jura 2000, S. 14 ff. – Arzneimittelinformation zwischen Sicherheits- und Arzthaftungsrecht – Fach- und Gebrauchsinformation, ärztliche Aufklärung und Pflichtverletzung, in: MedR 2003, S. 603 ff. Hartwieg, Oskar: Culpa in contrahendo als Korrektiv für ungerechte Verträge – Zur Aufhebung der Vertragsbindung wegen Verschulden bei Vertragsschluß, in: JuS 1973, S. 733 ff. Hartwig, Jürgen: Die Eigenverantwortung im Versicherungsrecht – Die Bedeutung der privatversicherungsrechtlichen Obliegenheitsordnung für die Konkretisierung der Mitwirkung im Sozialversicherungsrecht, 1993 Bayreuth Hasskarl, Heinz: Umfang und Instruktionspflicht des Warenherstellers, in: BB 1976, S. 165 ff. Hauck/ Haines: Kommentar zum Sozialgesetzbuch – SGB V: Gesetzliche Krankenversicherung (Loseblatt – Stand: Ergänzungslieferung 06/07 vom Juni 2007)

362

Literaturverzeichnis

Hauck/ Noftz: Kommentar zum Sozialgesetzbuch – SGB I: Allgemeiner Teil (Loseblatt – Stand: 26. Ergänzungslieferung vom März 2007) Haueisen, Fritz: Die Rechtsgrundlagen der Beziehung zwischen Kassenarzt und Kassenpatient, in: NJW 1956, S. 1745 f. Haus, Karl Heinrich: Die Einführung der Kostenerstattung im Gesetz zur Struktur im Gesundheitswesen, 1993 Wiesbaden Heberer, Jörg/ Mößbauer, Annette: Schweigepflicht bei infektiösen Patienten – Persönlichkeitsschutz des Patienten vor Schutz des Personals im Krankenhaus, in: MedR 2004, S. 138 ff. Heck, Philipp: Grundriß des Schuldrechts, 1929 Tübingen Hecker, Dorothee: Die Vertragsabschlussfreiheit des Arztes bei gestörtem Vertrauensverhältnis zum Patienten, in: MedR 2001, S. 224 ff. Hedemann, Justus Wilhelm: Werden und Wachsen im bürgerlichen Recht, 1913 Berlin Heide, Jochen: Medizinische Zwangsbehandlung – Rechtsgrundlagen und verfassungsrechtliche Grenzen der Heilbehandlung gegen den Willen des Betroffenen, 2001 Berlin Heinemann, Gustav Walter: Die Rechtsstellung des Kassenarztes LZ 1925, Sp. 244 ff. Heinemann, Gustav Walter (Begr.)/ Liebold, Rolf (Bearb.): Kassenarztrecht – dargestellt und erläutert aufgrund gesetzlicher Bestimmungen, Verträge, Richtlinien, Satzungsnormen und der Rechtsprechung (Loseblatt) Heinrich, Christian: Unmöglichkeit und Verzug bei Arbeitsverhältnissen, in: Jura 1996, S. 235 ff. Henke, Heinrich: Die Ausschlüsse und Grenzfälle in der Unfallversicherung, 1950 Hamburg Henke, Horst-Eberhard: Mitverursachung und Mitverschulden – Wer den Schaden herausfordert, muß den Schädiger schonen, in: JuS 1988, S. 753 ff. – Die Bewältigung des Mitverschuldens – eine anspruchsvolle juristische Technik, in: JuS 1991, S. 265 ff. Henke, Norbert: Mitwirkung des Leistungsberechtigten und Geheimhaltung der Leistungsträger nach dem Allgemeinen Teil des Sozialgesetzbuchs, in: VSSR 1976, S. 41 ff. Henke, Wilhelm: Die Rechtsformen der Sozialen Sicherung und das Allgemeine Verwaltungsrecht, in: VVDStRL 28 (1970), S. 149 ff. – Die Sozialisierung des Rechts, in: JZ 1980, S. 369 ff. Hennies, Günter: Das Verhältnis zwischen Kassenarzt und Kassenpatienten in rechtlicher Sicht, in: ÄM 1960, S. 2335 ff. – Patientenrechte, in: ArztR 2000, S. 116 ff. Henß, Olaf: Obliegenheit und Pflicht im Bürgerlichen Recht, 1988 Frankfurt aM et al.

Literaturverzeichnis

363

Hertwig, Stefan: Das Verwaltungsrechtsverhältnis der Mitgliedschaft Versicherter in einer gesetzlichen Krankenkasse – zugleich ein Beitrag zur Theorie des öffentlichrechtlichen Sonderschuldverhältnisses, 1989 München Hessler, Gerhard: Das Ende des Selbstbestimmungsrechts?, in: MedR 2003, S. 13 ff. Hixt, Lothar: Versagung von Krankengeld bei vorsätzlicher Zuziehung einer Krankheit, in: WzS 1983, S. 208 ff. Hof, Gerhard: Nochmals: Medizinisch notwendige Heilbehandlung und private Krankenversicherung, in: NJW 1982, S. 687 Hoffmann, Ludger: Wie verständlich sind Arzneimittel-Gebrauchsinformationen? – Sprachwissenschaftliche Untersuchung im Fachbereich 23 der Universität Münster/ Westfalen, in: PharmaZ 126 (1981), S. 2691 ff. Hohloch, Gerhard: Ärztliche Dokumentation und Patientenvertrauen – Zum Streit um „Dokumentationspflicht“ und „Einsichtsrecht“, in: NJW 1982, S. 2577 ff. Hollmann, Angela: Aufklärungspflicht des Arztes unter besonderer Berücksichtigung der Neurochirurgie, 1969 Würzburg – Das ärztliche Gespräch mit dem Patienten – Aufklärungs- und Wahrheitspflicht, in: NJW 1973, S. 1393 ff. – Rechtliche Beurteilungen des Arzt-Patienten-Verhältnisses, in: ArztR 1977, S. 69 ff. Holzhauser, Guido: Versicherungsvertragsrecht, 1999 München Honsell, Heinrich: Die zivilrechtliche Haftung des Arztes, in: ZSchwR 109 (1990), S. 135 ff. Hoyningen-Huene, Gerrick v.: Sicherheiten im Arbeitsverhältnis, in: BB 1992, S. 2138 ff. Huber, Martina: Rechtsstellung und Rechtswirklichkeit der nach dem baden-württembergischen Unterbringungsgesetz Untergebrachten, 1990 Konstanz Hübener, Eckhard: Nochmals: Fehlende Rechtsgrundlagen bei ärztlicher Zwangsbehandlung Untergebrachter, in: NJW 1981, S. 620 f. Hübner, A.: Duldungspflicht bei diagnostischen Maßnahmen, in: UChir 1951, S. 134 ff. Hübner, Ulrich: Verhaltensabhängige Risikoausschlüsse und verhüllte Obliegenheiten, in: VersR 1978, S. 981 ff. – Die Berufshaftung – ein zumutbares Berufsrisiko?, in: NJW 1989, S. 5 ff. Huhn, Wolfgang/ Rönsberg, Wolfgang: Compliance – Kreative Strategien für Vor- und Sprechzimmer, 1990 Berlin Hunold, Wolf: Krankheit des Arbeitnehmers – Entgeltfortzahlung, Zweifelsfälle, Kündigung: Problemlösungen für die Praxis, 3. völlig überarbeitete und aktualisierte Auflage, 1994 Freiburg i.Br. Igl, Gerhard/ Welti, Felix: Sozialrecht, 8. neubearbeitete Auflage, 2007 Düsseldorf Isensee, Josef: Das Recht des Kassenarztes auf angemessene Vergütung, in: VSSR 1995, S. 321 ff.

364

Literaturverzeichnis

– Kassenarztmonopol und nichtärztliche Leistungserbringer – Das Dialyse-Zentrum als Exempel, 1995 Köln et al. Isensee, Josef/ Kirchhof, Paul (Hrsg.). Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland – Band IV: Freiheitsrechte, zweite, durchgesehene Auflage, 2001 Heidelberg Jachertz, Norbert: Das Machbare anstreben – Präsidium des Deutschen Ärztetages beriet über Neuregelung des Kassenarztrechts, in: DÄBl 1974, S. 3659 ff. Jahn: Sozialgesetzbuch für die Praxis – SGB I/ IV und SGB V, begründet von Kurt Jahn, fortgesetzt von Wolfgang Klose (Loseblatt – Stand: 171. Ergänzungslieferung vom Mai 2007) Jakobs, Horst Heinrich: Die zahnärztliche Heilbehandlung als Werkleistung, in: NJW 1975, S. 1437 ff. Jörg, Michael: Das neue Kassenarztrecht, 1993 München Jost, Fritz: Vertragslose Auskunfts- und Beratungshaftung, 1991 Baden-Baden Juchart, Klaus/ Warmbrunn, Johannes: Unterbringungsgesetz Baden-Württemberg – Kurzkommentierung, 1992 Walldorf Jülichauer, Friedrich: Schadensersatzpflicht des Versicherten bei schuldhafter Nichterfüllung von Mitwirkungspflichten und anderen Nebenpflichten aus dem Sozialversicherungsverhältnis?, in: SGb 1979, S. 445 ff. Jung, Eberhard: Das Recht auf Gesundheit, 1982 Köln Kaiser, Heinrich/ Dunkl, Hans/ Hold, Dieter/ Kleinsorge, Georg (Hrsg.): Entgeltfortzahlungsgesetz – Kommentar, 5. völlig überarbeitete Auflage, 2000 Köln Kamps, Hans: Ärztliche Arbeitsteilung und strafrechtliches Fahrlässigkeitsdelikt, 1981 Berlin – Der Umfang der Aufklärungspflicht und Haftung des staatlich angestellten Impfarztes und des niedergelassenen Arztes bei der Polio-Schutzimpfung, in: MedR 1995, S. 268 f. Kant, Immanuel: Critik der praktischen Vernunft, 1788 Riga Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, hrsg. von Klaus Niesel (Loseblatt – Stand: 53. Ergänzungslieferung vom März 2007), München Katzenmeier, Christian: Buchbesprechung: Das Mitverschulden des Patienten im Arzthaftungsrecht von Jens Göben, in: MedR 1998, S. 167 – Arzthaftung, 2002 Tübingen Keller, Wolfgang: Die Teilhabe des Patienten an einer kostengünstigen Heilbehandlung in der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherung, in: SozVers 1999, S. 281 ff. Kern, Bernd-Rüdiger: Arzt-, Behandlungsvertrag, in: Rieger, Hans-Jürgen (Hrsg.), Lexikon des Arztrechts, 2. völlig neu überarbeitete und erweiterte Auflage (Loseblatt), 335 – Buchbesprechung: Die Pflichten des Patienten im Behandlungsvertrag von Christian Conti, in: MedR 2001, S. 439

Literaturverzeichnis

365

– Zur Reichweite der ärztlichen Aufklärungspflicht bezüglich verordneter Medikamente – Zugleich Anmerkung zum Urteil des BGH vom 15.03.2005 (VI ZR 289/03), in: LMK 2005, II, S. 60 f. Kern, Bernd-Rüdiger/ Laufs, Adolf: Die ärztliche Aufklärungspflicht, 1983 Berlin, Heidelberg, New York Kiesecker, Regine: Verweildauer, in: Rieger, Hans-Jürgen (Hrsg.), Lexikon des Arztrechts, 2. völlig neu überarbeitete und erweiterte Auflage (Loseblatt), 5410 Kilian, Wolfgang: Kontrahierungszwang und Zivilrechtssystem, in: AcP 180 (1980), S. 47 ff. Kirchhof, Paul: Medizin zwischen Ethik, Recht und Vorbehalt des Möglichen, in: Festschrift für Adolf Laufs zum 70. Geburtstag, hrsg. von Bernd-Rüdiger Kern, Elmar Adle, Klaus-Peter Schroeder, Christian Katzenmeier, 2006 Berlin et al., S. 931ff. Klette, Dieter: Die Kassenarztverträge der sozialen Krankenversicherung – ihr geschichtlicher Werdegang mit Motiven, 1965 Tübingen Kleuser, Michael: Die Fehleroffenbarungspflicht des Arztes – unter besonderer Berücksichtigung der versicherungsrechtlichen Obliegenheiten nach einem Behandlungszwischenfall, 1995 Karlsruhe Kloesel/ Cyran: Kommentar zum Arzneimittelrecht mit amtlichen Begründungen, weiteren Materialien und einschlägigen Rechtsvorschriften sowie Sammlung gerichtlicher Entscheidungen, begr. von Arno Kloesel und Walter Cyran, fortgeführt von Karl Feiden und Hermann Josef Pabel (Loseblatt – Stand: 85. Ergänzungslieferung vom November 2002) Kloppenburg, …: Duldung und Zumutbarkeit diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen im öffentlichen Recht und Zivilrecht, in: Heim, Wilhelm (Hrsg.), Haftpflichtfragen im ärztlichen Alltag – Beiträge zum Symposium für Ärzte und Juristen vom 25. bis 27. Juni 1979, 1980 Köln, S. 81 ff. Kluth,Winfried: Begriffserklärungen, in: Rechtsgutachten „Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte im deutschen Recht – Bestandsaufnahme und Handlungsperspektiven“, erstellt im Auftrag der Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ des Deutschen Bundestages von Prof. Dr. Gerfried Fischer, Prof. Dr. Winfried Kluth sowie Prof. Dr. Hans Lilie, 2. Fassung 2002, S. 1 ff. Köbler, Gerhard: Juristisches Wörterbuch – Für Studium und Ausbildung, 11. neubearbeitete Auflage, 2002 München Köhler, Helmut: BGB Allgemeiner Teil, 26. völlig neubearbeitete Auflage, 2002 München Köhler, Peter A.: Die Versicherungsmodelle der nordischen Länder, in: Köhler, Peter A./ Maydell, Bernd Baron von (Hrsg.), Arzthaftung – „Patientenversicherung“ – Versicherungsschutz im Gesundheitssektor, 1997 Baden-Baden, S. 205 ff. Köndgen, Johannes: Selbstbindung ohne Vertrag – Zur Haftung aus geschäftsbezogenem Handeln, 1981 Tübingen Koenig, Willy: Schweizerisches Privatversicherungsrecht – System des Versicherungsvertrages und der einzelnen Versicherungsarten, 2. Auflage, 1960 Bern

366

Literaturverzeichnis

Kohlhaas, Max: Wieweit ist der Patient aufklärungspflichtig?, in: DMW 95 (1970), S. 1896 f. Kohte, Wolfhard: Die rechtfertigende Einwilligung, in: AcP 185 (1985), S. 105 ff. Koller, Alfred: Schweizerisches Obligationenrecht – Band I: Allgemeiner Teil – Grundriß des allgemeinen Schuldrechts ohne Deliktsrecht, 1996 Bern Kossow, Klaus-Dieter: Die Patient-Arzt-Beziehung: Von Paragraphen umstellt, in: Arbeitsgemeinschaft Rechtsanwälte im Medizinrecht e.V. (Hrsg.), Die ärztliche Behandlung im Spannungsfeld zwischen kassenärztlicher Verantwortung und zivilrechtlicher Haftung, 1992 Berlin et. al., S. 27 ff. Koyuncu, Adem: Die Rechtsnatur der Packungsbeilage, in: GesR 2005, S. 289 ff. Kramer, Michael: Die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, in: BB 1996, S. 1662 ff. Krasney, Otto Ernst: Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 67 SGB I, in: BKK 1987, S. 341 ff., 384 ff. Krause, Ernst Günther: Rauchen volkswirtschaftlich eine Last?, in: ZRP 1999, S. 284 f. Krause, Peter: Rechtsprobleme einer Konkretisierung von Dienst- und Sachleistungen, in: Festschrift für Georg Wannagat zum 65. Geburtstag, hrsg. von Wolfgang Gitter, Werner Thieme, Hans F. Zacher, 1981 Köln et al., S. 239 ff. – Die Rechtsbeziehungen zwischen Kassenarzt und Kassenpatient, in: SGb 1982, S. 425 ff. Krauskopf, Dieter: Rechtsbeziehungen zwischen den Partnern des Kassen-/ Vertragsarztrechts, in: Laufs, Adolf/ Uhlenbruck, Wilhelm (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, 3. neubearbeitete Auflage, 2002 München, § 25 – Prüfvereinbarung und Prüfverfahren, in: Laufs, Adolf/ Uhlenbruck, Wilhelm (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, 3. neubearbeitete Auflage, 2002 München, § 35 – Die Rechtsbeziehungen zwischen Kassenarzt und Kassenpatient, in: SozVers 1968, S. 300 f. – Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung – Kommentar (Loseblatt – Stand: 56. Ergänzungslieferung vom Dezember 2006) Krebs, Peter: Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten, 2000 München Krebs/ Lieb/ Arnold: Kodifizierung von Richterrecht, in: Dauner-Lieb, Barbara/ Heidel, Thomas/ Lepa, Manfred/ Ring, Gerhard (Hrsg.), Das Neue Schuldrecht – Ein Lehrbuch, 2002 Heidelberg, § 3 Kreßel, Eckhard/ Wollenschläger, Michael: Leitfaden zum Sozialversicherungsrecht, 2. neubearbeitete Auflage, 1996 Neuwied et al. Kühne, Bruno/ Peters, Horst: Handbuch der Krankenversicherung, 1950/ 51 Stuttgart Künnell, Erich: Leistungsbeschränkung nach § 52 SGB V – Bei Selbstverschulden des Versicherten, in: DOK 1990, S. 333 ff. Künzl, Reinhard: Begriff des Verschuldens bei der Entgeltfortzahlung – Verschuldete Arbeitsunfähigkeit eines alkoholkranken Arbeitnehmers bei Besitz eines Kraftfahrzeugs, in: BB 1989, S. 62ff.

Literaturverzeichnis

367

– Letztmals: Verhaltensbedingte Kündigung bei Verweigerung einer Alkoholtherapie, in: NZA 1999, S. 744 f. Künzl, Reinhard/ Weinmann, Ralf: Arbeitsrechtliche Maßnahmen (Kündigung und Verweigerung der Entgeltfortzahlung) bei Vortäuschen einer Krankheit und wegen des Verhaltens des Arbeitnehmers während krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, in: AuR 1996, S. 256 ff., 306 ff. Kunz, Olaf/ Wedde, Peter: EFZR – Kommentar für die Praxis zum Entgeltfortzahlungsrecht und zu ergänzenden Vorschriften, 2. Auflage, 2005 Frankfurt aM Lang, Erich/ Kupfer, Hans-Joachim Einleitung, in: Lang, Erich/ Arnold, Klaus (Hrsg.), Die Arzt-Patienten-Beziehung im Wandel – Referate der Sechsten Informationsmedizinischen Tage in Hamburg 1994, 1996 Stuttgart, S. 11 ff. Lange, Hermann/ Schiemann, Gottfried: Schadensersatz, 3. neubearbeitete Auflage, 2003 Tübingen Lange, …: Die Zumutbarkeit röntgendiagnostischer Maßnahmen, in: Heim, Wilhelm (Hrsg.), Haftpflichtfragen im ärztlichen Alltag – Beiträge zum Symposium für Ärzte und Juristen vom 25. bis 27. Juni 1979, 1980 Köln, S. 139 ff. Larenz, Karl: Culpa in contrahendo, Verkehrsicherungspflicht und „sozialer Kontakt“, in: MDR 1954, S. 515 ff. – Lehrbuch des Schuldrechts, Erster Band: Allgemeiner Teil, 14. neubearbeitete Auflage, 1987 München Larenz, Karl/ Wolf, Manfred: Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. neubearbeitete und erweiterte Auflage, 2004 München Lasagna, Louis: Fault and default, Nejom 289 (1973), S. 267 f. Laufs, Adolf: Arztrecht, 5. verbesserte und erweiterte Auflage, 1993 München – Die ärztliche Aufklärungspflicht – Grund, Inhalt und Grenzen, in: RPG 1997, S. 3 ff. – Arzt und Recht am Ende des 20. Jahrhunderts, in: SaarlÄBl 1998, S. 17 ff. – Immer weniger Freiheit ärztlichen Handelns, in: NJW 1999, S. 2717 ff. – Die therapeutische Aufklärung (Sicherungsaufklärung), in: Laufs, Adolf/ Uhlenbruck, Wilhelm (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, 3. neubearbeitete Auflage, 2002 München, § 62 Laufs, Adolf/ Uhlenbruck, Wilhelm: Die Rechtsbeziehungen zwischen Arzt und Patient, in: dies. (Hrsg)., Handbuch des Arztrechts, 3. neubearbeitete Auflage, 2002 München, § 39 Lehrl, Siegfried/ Jeske, Helmut/ Fischer, Bernd: Patienten wirkungsvoller informieren – aber wie?, in: AiK 1982, S. 90 ff. Leitherer, Stephan: Mitgliedschafts- und Versicherungsverhältnis, in: Schulin, Bertram (Hrsg.), Handbuch des Sozialversicherungsrechts – Band 1: Krankenversicherungsrecht, 1994 München, § 19 Lemke, Michael/ Julius, Karl-Peter/ Krehl, Christoph/ Kurth, Hans-Joachim/ Kautenberg, Erardo Cristoforo/ Temming, Dieter (Hrsg.): Strafprozessordnung, 3. neubearbeitete Auflage, 2001 Heidelberg

368

Literaturverzeichnis

Lenzen, Elmar: Sind unselbständige Unterlassungsansprüche klagbar, in: NJW 1964, S. 1260 f. Lepke, Achim: Zum Kündigungsrecht des Arbeitgebers bei Erkrankungen des Arbeitnehmers, in: DB 1970, S. 489 ff. – Rechtsfolgen bei der Verletzung von Verhaltensobliegenheiten des Arbeitnehmers bei feststehender oder behaupteter, aber zweifelhafter krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, in: DB 1974, S. 430 ff., 478 ff. – Zur Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer sog. Fortsetzungserkrankung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz LFG, in: DB 1983, S. 447 ff. – Pflichtverletzung des Arbeitnehmers bei Krankheit als Kündigungsgrund, in: NZA 1995, S. 1084 ff. – Kündigung bei Krankheit – Handbuch für die betriebliche, anwaltliche und gerichtliche Praxis, 11., überarbeitete und erweiterte Auflage, 2003 Berlin Liebelt-Westphal, Ulf: Schadensverhütung und Versicherungsvertragsrecht, 1997 Frankfurt aM et al. Löwer, Wolfgang: Rechtsverhältnisse in der Leistungsverwaltung, in: NVwZ 1986, S. 793 ff. Looschelders, Dirk: Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten im Privatrecht, 1999 Tübingen Lorenz, Dieter: Das Verwaltungsverfahren in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Bericht über Entscheidungen in den Bänden 1 – 36 der Amtlichen Sammlung), in: VSSR 1977, S. 255 ff. – Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, in: Isensee, Josef/ Kirchhof, Paul (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland – Band IV: Freiheitsrechte, 2. durchgesehene Auflage, 2001 Heidelberg, § 128 Lorenz, Stephan/ Riehm, Thomas: Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, 2002 München Luban-Plozza, Boris/ Knaak, Lothar/ Dickhaut, Hans H.: Der Arzt als Arznei – Das therapeutische Bündnis mit dem Patienten, 5. neubearbeitete Auflage, 1990 Köln Luig, Klaus: Der Arztvertrag, in: Gitter, Wolfgang/ Huhn, Dieter/ Lammel, Siegbert/ Luig, Klaus/ Reich, Norbert/ Tempel, Otto/ Weyers, Hans-Leo (Hrsg.), Vertragsschuldverhältnisse (ohne Kaufrecht), 1974 München Lukowsky, Arthur: Philosophie des Arzttums – Ein Versuch, 1966 Köln, Berlin Luxenburger, Bernd: Das Liquidationsrecht der leitenden Krankenhausärzte, 1981 Köln Mader, Rudolf: Compliance aus der Sicht des niedergelassenen Arztes in ländlichen Regionen, in: Lang, Erich/ Arnold, Klaus (Hrsg.), Die Arzt-Patienten-Beziehung im Wandel – Referate der Sechsten Informationsmedizinischen Tage in Hamburg 1994, 1996 Stuttgart, S. 168 ff. Maier, Kurt: Das unmittelbare Verhältnis zwischen Sozialleistungsträger und Sozialleistungsempfänger, in: Maydell, Bernd Baron v./ Ruland, Franz (Hrsg.), Sozialrechtshandbuch, 3. Auflage, 2004 Neuwied et al., 7

Literaturverzeichnis

369

Marburger, Horst: Zum Versagen von Kassenleistungen nach § 192 RVO, in: KrV 1977, S. 80 ff. – Zum Ruhen und Versagen von Leistungen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung, in: ZfSH 1982, S. 353 ff. – Nochmals: Leistungsbeschränkungen nach § 52 SGB V, in: DOK 1990, S. 571 ff. Marienhagen, Rolf: Zweifelsfragen zum Lohnfortzahlungsgesetz, in: BB 1970, S. 586 f. Martens, …: Verweilgebühr bei Nichterscheinen des Patienten, in: DMW 1974, S. 311 f. Martin, Anton: Lage der versicherten Sachen am Versicherungsort – eine „verhüllte Obliegenheit“?, in: VersR 1969, S. 583 ff. – Inhaltskontrolle von Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) nach dem AGBG – Zugleich Anmerkung zum Urteil des BGH vom 9.5.1984 (IV a ZR 176/82) VersR 84, 830; in: VersR 1984, S. 1107 ff. – Sachversicherungsrecht – Kommentar zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Hausrat, Wohngebäude, Feuer, Einbruchdiebstahl und Raub, Leitungswasser, Sturm einschließlich Sonderbedingungen und Klauseln, 3. völlig neubearbeitete Auflage, 1992 München Martis, Rüdiger/ Winkhart-Martis, Martina, Arzthaftungsrecht – Fallgruppenkommentar, 2. Auflage, 2007 Köln Maydell, Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch, hrsg. von Bernd Baron von Maydell (Loseblatt – Stand: 51. Ergänzungslieferung vom Juni 1997) Maydell, Bernd Baron v.: Mitwirkungspflichten des Betroffenen sowie Aufklärungspflicht und Haftung des Sachverständigen, in: SGb 1987, S. 392 ff. – Lexikon des Rechts – Sozialrecht, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, 1994 Neuwied Maydell, Bernd Baron v./ Ruland, Franz (Hrsg.): Sozialrechtshandbuch, 3. Auflage, 2004 Neuwied et al. Mayer, Karl-Georg: Medizinische Maßnahmen an Betreuten, §§ 1904, 1905 BGB – Eine Untersuchung aus zivilrechtlicher Sicht, 1995 Würzburg Mayer-Falk, A.: Eigenes Verschulden – Tatbestand und Rechtsfolge nach § 254 BGB (ohne Berücksichtigung der Haftung des Beschädigten für fremde Personen und Sachen), 1929 Bad Ems Mazur, Dennis J./ Hickam, David H.: Patients preferences for risk disclosure and role in decision making for invasive medical procedures, in: JGIM 1997, S. 114 ff. Medicus, Dieter: Schuldrecht I – Allgemeiner Teil, 17. neubearbeitete Auflage, 2006 München – Allgemeiner Teil des BGB – Ein Lehrbuch, 9. neubearbeitete Auflage, 2006 Heidelberg Meier, Kurt: Die Pflichten des Patienten im Behandlungsvertrag, in: MC 2000, S. 37 Meier, Ludwig: Handbuch der zahnärztlichen Rechtskunde – Mit Berücksichtigung der gerichtlichen und sozialen Zahnheilkunde, 1921 Halle

370

Literaturverzeichnis

Merkens, Günther/ Birgelen, Werner v.: Gesetzliche oder private Krankenversicherung? – Was man über Kranken- und Pflegeversicherung wissen sollte, 2. Auflage, 1998 München Merten, Detlef: Risikoverhalten aus verfassungsrechtlicher, sozialrechtlicher und sozialpolitischer Sicht, in: VSSR 1983, S. 137 ff. – Krankenversicherung zwischen Eigenverantwortung und Staatsversorgung – Zu grundsätzlichen Problemen der Gesundheitsstrukturen, in: NZS 1996, S. 593 ff. Meurer, Anne: Gebührenordnung für Zahnärzte – GOZ: Kommentar des zahnärztlichen Gebührenrechts für die Privatliquidation, 2. überarbeitete Auflage, 1991 Köln et al. Meydam, Jan: Rechtsbeziehungen zwischen Kassenarzt und Kassenpatient, in: BKK 1982, S. 175 ff. – Öffentlich-rechtlicher (sozialrechtlicher) Leistungsbeschaffungsvertrag bei Krankenhauspflege – zugleich Anmerkung zum Urteil des BGH vom 10.1.1984 (VI ZR 297/81), in: BKK 1984, S. 340 f. – Gewährleistungspflicht, Sachleistungsgrundsatz und Kostenerstattung im neu normierten Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung, in: SGb 1991, S. 377 ff. – Rechtliche Steuerungsmöglichkeiten der Individualverantwortung in den Bereichen Prävention, Rehabilitation und Behandlung – zugleich ein Beitrag zur Reformgesetzgebung, in: SGb 1997, S. 303 ff. – Rechtliche Steuerungsmöglichkeiten der Individualverantwortung in den Bereichen Prävention, Rehabilitation und Behandlung, in: SDSRV Bd. 42, S. 71 ff. Meyer-Goßner, Lutz: Strafprozessordnung, Gerichtsverfassungsgesetz, Nebengesetze und ergänzende Bestimmungen, 50. neu bearbeitete Auflage des von Otto Schwarz begründeten, in der 23. bis 35. Auflage von Theodor Kleinknecht und in der 36. bis 39. Auflage von Karlheinz Meyer bearbeiteten Werks, 2007 München Meyer-Steinegg/ Schonack, Wilhelm: Über Aufgaben und Pflichten des Arztes in einer Anzahl auserlesener Stellen aus dem Corpus Hippocratium, 1913 Bonn Michael, Holger: Medizinischer Behandlungsvertrag, in: Bundesministerium für Justiz (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts – Band 2, 1981 Köln, S. 1049 ff. Mihm, Katja: Die Verschuldensrelevanz im Sozialleistungsrecht, in: NZS 1995, S. 7 ff. Möller, Hans: Verhüllte Obliegenheiten, in: VersRdSch 1970, S. 329 ff. Motzer, Stefan: Schutzpflichtverletzung und Leistungsunmöglichkeit, in: JZ 1983, S. 884 ff. Mrozynski, Peter: Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) – Kommentar, 3. vollständig neubearbeitete Auflage, 2003 München Müller, Eugen/ Berenz, Claus: Entgeltfortzahlungsgesetz, 3. Auflage, 2001 München Müller, Gerda: Unterhalt für ein Kind als Schaden, in: NJW 2003, S. 697 ff.

Literaturverzeichnis

371

Müller, Klaus: Versicherungsschutz bei Nichtbeachtung von Verschlussvorschriften in der Sachversicherung – Abgrenzungsproblem zwischen Risikoabgrenzung und verhüllter Obliegenheit, in: DB 1980, S. 2069 ff. Müller, Knut: Der praktische Fall – Sozialrecht: „Der unkooperative Kranke“, in: JuS 1998, S. 434 ff. Müller=Graf, Peter-Christian: Berufshaftung und Organisationshaftung bei der ärztlichen Anfängeroperation – BGHZ 88, 248, in: JuS 1985, S. 352 ff. Müller-Laube, Hans-Martin: Auswirkungen vorteilhafter Rechtsgeschäfte des Geschädigten auf die Schadensabrechnung mit dem Schädiger, in: JZ 1991, S. 162 ff. Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Band 2: Schuldrecht Allgemeiner Teil (§§ 241-432), hrsg. von Kurt Rebmann, Franz Jürgen Säcker, Roland Rixecker, 5. Auflage, 2007 München – Band 4: Schuldrecht Besonderer Teil II (§§ 611-704), hrsg. von Kurt Rebmann, Franz Jürgen Säcker, Roland Rixecker, 4. Auflage, 2005 München Mugdan, Benno (Hrsg.): Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das deutsche Reich – Band 2: Recht der Schuldverhältnisse, 1899 Berlin Muschallik, Thomas: Die Ansprüche des Zahnarztes bei versäumtem Behandlungstermin, in: ZM 1996, S. 2394 f. Muschner, Jens: Die haftungsrechtliche Stellung ausländischer Patienten und Medizinalpersonen in Fällen sprachbedingter Mißverständnisse, 2002 Frankfurt aM et al. Musielak, Hans-Joachim: Grundkurs ZPO – Eine Darstellung zur Vermittlung von Grundlagenwissen im Zivilprozessrecht (Erkenntnisverfahren und Zwangsvollstreckungen) mit Fällen und Fragen zur Lern- und Verständniskontrolle sowie mit Übungsklausuren, 8. neubearbeitete Auflage, 2005 München – Grundkurs BGB – Eine Darstellung zur Vermittlung von Grundlagenwissen im bürgerlichen Recht mit Fällen und Fragen zur Lern- und Verständniskontrolle sowie mit Übungsklausuren, 10. neubearbeitete Auflage, 2007 München Narr, H./ Hess, Rainer/ Nösser, Gerhard/ Schirmer, Horst-Dieter: Ärztliches Berufsrecht – Ausbildung, Weiterbildung, Berufsausübung in 2 Bänden, 2. völlig neubearbeitete und erweiterte Auflage (Loseblatt – Stand: 17. Ergänzungslieferung vom Januar 2005), Köln Natter, Eberhard: Der Annahmeverzug des Privatpatienten, in: MedR 1985, S. 258 ff. – Der Streit um die öffentlichrechtliche Schadensersatzpflicht des Kassenarztes, in: NJW 1986, S. 1529 f. – Der Arztvertrag mit dem sozialversicherten Patienten – zugleich ein Beitrag zum Naturalleistungsprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung, 1987 Köln et al. Nentwig, W. M.: JURAMED – Recht des niedergelassenen Arztes (Loseblatt – Stand: Nachtragslieferung Nr. 16 vom März 1995), Mainz Neumann, Dirk: Kündigung bei Krankheit, in: NJW 1978, S. 1838 ff.

372

Literaturverzeichnis

Neumann, Volker: Der Vorrang des Gesetzes im Leistungserbringungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung, in: Schnapp, Friedrich E. (Hrsg.), Probleme der Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, Teil III, 2000 Frankfurt a.M, S. 185 ff. Neuefeind, Wolfgang: Arzthaftungsrecht – Ein Überblick für Rechtsanwender, Ärzte und Patienten, 3. überarbeitete und ergänzte Auflage, 2001 Marburg Niemann, Walter: Die privatautonome Gestaltung der ärztlichen Pflicht zur Erhaltung erlöschenden Lebens durch den Patienten, 1972 Münster Niggemann, Albert: Strukturwandel in den rechtlichen Beziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen, 1933 Erlangen Oberbach, Hans: Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung, 2. Band, 1947 Berlin Oehler, Klaus: Arzthaftpflichtverfahren mutieren zum Glaubensprozess – Überlegungen eines (Zahn-)Arztes, in: VersR 2000, S. 1078 ff. Oexmann, Burkhard/ Georg, Axel: Die zivilrechtliche Haftung des Zahnarztes interdisziplinär dargestellt für Mediziner und Juristen, 1989 Düsseldorf Ohler, Christoph/ Weiß, Wolfgang: Glaubensfreiheit versus Schutz von Ehe und Familie, in: NJW 2002, S. 194 f. Ohly, Ansgar: „Volenti non fit iniuria“ – Die Einwilligung im Privatrecht, 2002 Tübingen Ornish, Dean/ Brown, Shirley E./ Scherwitz, Larry W./ billings, James H./ Armstrong, William T./ Ports, Thomas A./ McLabahan, Sandra M./ Kirkeeide, Richard L./ Brand, Richard J./ Gould, K. Lance: Can lifestyle changes reverse coronary heart disease?, The Lancet (Londoner Ausgabe), Nr. 336 (1990), S. 129 ff. Palandt – Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz (Auszug), BGB-Informationspflichten-Verordnung, Unterlassungsklagengesetz, Produkthaftungsgesetz, Erbbaurechtsverordnung, Wohnungseigentumsgesetz, Hausratsverordnung, Lebenspartnerschaftsgesetz, Gewaltschutzgesetz (Auszug), 66. neubearbeitete Auflage, 2007 München Peter, Jürgen: Das Recht auf Einsicht in Krankenunterlagen, 1989 Köln et al. Peters, Horst: Das Kassenarztrecht, 1955 Bad Godesberg Pichler, Johannes W.: Internationale Entwicklungen in den Patientenrechten, 1992 Wien et al. Picker, Eduard: Positive Forderungsverletzung und culpa in contrahendo – Zur Problematik der Haftung „zwischen“ Vertrag und Delikt, in: AcP 183 (1983), S. 369 ff. – Vertragliche und deliktische Schadenshaftung – Überlegungen zu einer Neustrukturierung der Haftungssysteme, in: JZ 1987, S. 1041 ff. – Schadensersatz für das unerwünschte Kind („wrongful birth“) – Medizinischer Fortschritt oder zivilisatorischer Rückschritt?, in: AcP 195 (1995), S. 483 ff. Pitschas, Rainer: Beziehungen zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen, insbesondere vertragsärztliche Versorgung, in: Georg Wannagat/ Wolfgang Gitter (Hrsg.), Jahrbuch des Sozialrechts der Gegenwart, Band 15, 1993 Berlin et al., S. 285 ff.

Literaturverzeichnis

373

– Gesundheitswesen zwischen Staat und Markt – Rechtliche Maßgaben und Grenzen einer Verantwortungsteilung für Gesundheitsversorgung zwischen Bürger, Markt und Staat, in: Häfner, Heinz (Hrsg.), Gesundheit – unser höchstes Gut?, 1999 Berlin et al., S. 169 ff. Plagemann, Hermann: Der Schadensersatzanspruch der Krankenkasse gegen den Kassenarzt bei ärztlichem Kunstfehler, in: NJW 1984, S. 1377 ff. Pohl, Heribert: Wenn der Patient ausbleibt ... – Welche Ansprüche hat der Zahnarzt, wenn der Kranke zu den vereinbarten Sitzungen nicht erscheint?, in: ZM 1966, S. 265 ff. Prölss, Jürgen/ Martin, Anton (Hrsg.): Versicherungsvertragsgesetz – Kommentar zu VVG und EGVVG sowie Kommentierung wichtiger Versicherungsbedingungen – unter Berücksichtigung des ÖVVG und österreichischer Rechtsprechung, 26. völlig neubearbeitete Auflage, 1998 München Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch mit 250 Tabellen, 258. neubearbeitete Auflage, 1998 Berlin et al. Rechtsgutachten „Ansätze für eine Stärkung der Patientenrechte im deutschen Recht – Bestandsaufnahme und Handlungsperspektiven“, erstellt im Auftrag der EnqueteKommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ des Deutschen Bundestages von Prof. Dr. Gerfried Fischer, Prof. Dr. Winfried Kluth sowie Prof. Dr. Hans Lilie, 2. Fassung 2002 Rehborn, Martin: Arzt – Patient – Krankenhaus: Rechte und Pflichten, 3. Auflage, 2000 München Reichold, Hermann: Arbeitsrecht – Lernbuch nach Anspruchsgrundlagen, 2. Auflage, 2006 München Reinhard, Hans-Joachim: Die Haftung im medizinischen Bereich in Spanien, in: Köhler, Peter A./ Maydell, Bernd Baron von (Hrsg.), Arzthaftung – „Patientenversicherung“ – Versicherungsschutz im Gesundheitssektor, 1997 Baden-Baden, S. 105 ff. Richter, Lutz: Die Einrichtung der kassenärztlichen Selbstverwaltung, 1927 Leipzig Rieger, Hans-Jürgen: Verantwortlichkeit des Arztes und des Pflegepersonals bei der Dialysebehandlung, in: NJW 1979, S. 582 ff. – Verantwortlichkeit bei unerwünschten Arzneimittelwirkungen, in: DAZ 121 (1981), S. 703 ff. – Lexikon des Arztrechts, 1984 Berlin, New York Rieger, Hans-Jürgen (Hrsg.): Lexikon des Arztrechts, 2. völlig neu überarbeitete und erweiterte Auflage (Loseblatt) RGRK: Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und Bundesgerichtshofs – Band §§ 631-811, 12. neubearbeitete Auflage, 1978 Berlin, New York Ritter, ...: Vorsätzliche Verursachung eines Schadens durch den Versicherungsnehmer, LZ 1914, Sp. 354 ff. Robbers, Gerhard: Der Grundrechtsverzicht – Zum Grundsatz „volenti non fit iniuria“ im Verfassungsrecht, in: JuS 1985, S. 925 ff.

374

Literaturverzeichnis

Roesch, Heinz: Haftung des rezeptierenden Arztes für Arzneimittelschäden, in: ZfV 1971, S. 476 ff. – Zur Rechtsnatur des Zahnarztvertrages, in: VersR 1979, S. 12 ff. Römer, Wolfgang/ Langheid, Theo (Hrsg.): Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz mit Pflichtversicherungsgesetz und Kraftfahrzeug-Pflichtversicherungsordnung, 2. Auflage, 2003 München Röver, Julia: Einflußmöglichkeiten des Patienten im Vorfeld einer medizinischen Behandlung – Antezipierte Erklärung und Stellvertretung in Gesundheitsangelegenheiten, 1996 Frankfurt aM et al. Rompf, Thomas: Selbstverschulden im Krankenversicherungsrecht, in: SGb 1997, S. 105 ff. Rosenberg, Leo/ Schwab, Karl-Heinz/ Gottwald, Peter: Zivilprozessrecht, 15. neubearbeitete Auflage, 1993 München Rother, Werner: Haftungsbeschränkung im Schadensrecht, 1965 München, Berlin Rudolph, Andrea: Die Härtefallregelung nach § 61 SGB V und Zahnersatz, in: SGb 1995, S. 597 f. Rüfner, Wolfgang: Die Mitwirkungspflichten des Leistungsberechtigten in der Solidargemeinschaft nach §§ 60 ff. SGB-AT, in: VSSR 1977, S. 347 ff. Rüping, Hinrich: Therapie und Zwang bei untergebrachten Patienten – Möglichkeiten und Grenzen von Zwangsmaßnahmen am Beispiel des Unterbringungsrechts für Nordrhein-Westfalen, in: JZ 1982, S. 744 ff. Sauerborn, Maximilian: Kassenärzterecht in der Entwicklung, in: BABl 1953, S. 205 ff. Sawicki, Peter T.: Wenn Putzen nichts nutzt, in: G+G 2004 (Heft 7), S. 18 ff. Schaer, Roland: Rechtsfolgen der Verletzung versicherungsrechtlicher Obliegenheiten, 1972 Bern Schäfer, Horst: Pflicht zu gesundheitsförderndem Verhalten?, in: NZA 1992, S. 529 ff. Schaffer, Wolfgang: Die Aufklärungspflicht des Arztes bei invasiven medizinischen Maßnahmen, in: VersR 1993, S. 1458 ff. Schapp, Jan: Das subjektive Recht im Prozeß der Rechtsgewinnung, 1977 Berlin – Hauptprobleme der juristischen Methodenlehre, 1983 Tübingen – Ethische Pflichten und Rechtspflichten, 1993 Gießen Schaub, Günter (Hrsg.): Arbeitsrechts-Handbuch: Systematische Darstellung und Nachschlagewerk für die Praxis, 11. überarbeitete Auflage, 2005 München Schellenberg, Frank: Non-Compliance und Arzthaftung, in: VersR 2005, S. 1620 ff. Schellhammer, Kurt: Zivilprozess: Gesetz – Praxis – Fälle mit Zivilprozessreform, 11. neubearbeitete Auflage, 2004 Heidelberg Schelsky, Helmut: Der selbständige Mensch in der freiheitlichen Gesellschaftsordnung, in: VSSR 1978, S. 151 ff.

Literaturverzeichnis

375

Schenke, Wolf: Die Einwilligung des Verletzten im Zivilrecht – unter besonderer Berücksichtigung ihrer Bedeutung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, 1965 Erlangen Schieckel, Horst: Zum Problem der Operationsduldungspflicht, in: SozSich 1960, S. 324 ff. Schiemann, Gottfried: Schmerzensgeld für fehlgeschlagene Sterilisation – OLG Braunschweig NJW 1980, 643; in: JuS 1980, S. 709 ff. Schiller, Herbert/ Steinhilper, Gernot: Zum Spannungsverhältnis Vertragsarzt/ Privatarzt – Darf ein Vertragsarzt Leistungen bei einem Kassenpatienten ablehnen, sie aber zugleich privatärztlich anbieten?, in: MedR 2001, S. 29 ff. Schimanski, Werner: Fettsucht – eine selbstverschuldete Krankheit?, in: SozVers 1977, S. 314 ff. Schimmelpfeng-Schütte, Ruth: Rechtsweg und kassenzahnärztlicher Honoraranspruch für Zahnersatz, in: NJW 1981, S. 2505 f. – Der Arzt im Spannungsfeld der Inkompatibilität der Rechtssysteme, in: MedR 2002, S. 286 ff. Schindera, Michael: Das Recht des Kassenarztes im System der sozialen Krankenversicherung unter besonderer Berücksichtigung des Honorarwesens – zugleich ein Beitrag zur Lehre vom öffentlichen und privaten Recht, 1963 Freiburg Schirmer, Helmut: Aktuelle Entwicklungen zum Recht der Obliegenheiten (Teil I), in: r+s 1990, S. 217 ff. Schliemann, Harald: Neues und Bekanntes im Entgeltfortzahlungsgesetz, in: AuR 1994, S. 317 ff. Schlosser, Peter: Erleichterte Kündigung von Direktverträgen?, in: NJW 1980, S. 273 ff. Schlund, Gerhard H.: Empfiehlt es sich, im Interesse der Patienten und Ärzte ergänzende Regelungen für das ärztliche Vertrags- (Standes-) und Haftungsrecht einzuführen?, in: JR 1978, S. 313 ff. – Juristische Aspekte beim erworbenen Immun-Defekt-Syndrom (AIDS), in: AIFO 1986, S. 564 ff. – Reflexionen eines Juristen zum „Beipackzettel“ (Gebrauchsinformation) im Sinne des AMG, in: Festschrift für Erwin Deutsch zum 70. Geburtstag, hrsg. von HansJürgen Ahrens, Christian v. Bar, Gerfried Fischer, Andreas Spickhoff, Jochen Taupitz, 1999 Köln et al., S. 757 ff. Schmädel, Dieter: Die Nichtbefolgung ärztlicher Anordnungen, in: ÄP 1980, S. 1359 Schmatz, Hans/ Goetz, Ernst/ Matzke, Heinz: Gebührenordnung für Ärzte – Kommentar, 1965 Berlin – Gebührenordnung für Ärzte – Kommentar, 2. völlig neubearbeitete Auflage, 1983 Berlin Schmeling, Günter: Das Sozialgesetzbuch (SGB) – Allgemeiner Teil, BB 1976, S. 187 ff.

376

Literaturverzeichnis

Schmid, Eva-Maria: Die Passivlegitimation im Arzthaftpflichtprozess – unter Berücksichtigung der Organisation der Krankenversorgung, 1988 Berlin et al. Schmid, Michael J.: Medizinisch notwendige Heilbehandlung und private Krankenversicherung, in: NJW 1981, S. 2504 f. Schmidt, Eberhard: Der Arzt im Strafrecht, in: Ponsold, Albert (Hrsg.), Lehrbuch der Gerichtlichen Medizin, 2. Auflage 1957 Stuttgart/ 3. Auflage 1967 Stuttgart, S. 1 ff. Schmidt, Reimer: Die Obliegenheiten – Studien auf dem Gebiet des Rechtszwanges im Zivilrecht unter besonderer Berücksichtigung des Privatversicherungsrechts, 1953 Karlsruhe Schmidt-De Caluwe, Reimund: Das Behandlungsverhältnis zwischen Vertragsarzt und sozialversichertem Patienten, in: VSSR 1998, S. 207 ff. Schmidt-Hollburg, Hartwig: Die Abgrenzung von Risikoausschlüssen und Obliegenheiten in den kaufmännischen Versicherungszweigen, 1991 Karlsruhe Schmidt-Räntsch, Jürgen: Das neue Schuldrecht – Anwendung und Auswirkungen in der Praxis, 2002 Köln et al. Schmitt, Christof: Vom Wert vertrauensärztlicher Untersuchungen, in: AuA 1999, S. 210 ff. Schmitt, Jochem: Entgeltfortzahlungsgesetz – Kommentar, 5. neubearbeitete Auflage, 2005 München Schmitt, Jochen: Die Handlungsfähigkeit im Sozialrecht, 1982 Königstein – Öffentlich-rechtliche Schadensersatzansprüche der Krankenkasse gegenüber dem Kassenarzt bei ärztlichen Behandlungsfehlern, in: SGb 1987, S. 265 ff. – Die Gewährung von ärztlicher Behandlung und Krankenhauspflege in der gesetzlichen Krankenversicherung – Beobachtungen zum „Zusammenwirken“ von BGH und BSG, NJW 1988, S. 1494 ff. – Leistungserbringung durch Dritte im Sozialrecht, 1990 Köln Schnabel, Fritz: Entwicklungstendenzen und Probleme der Selbstverwaltung der sozialen Krankenversicherung in den 80er Jahren, in: DOK 1981, S. 2 f. Schnapp, Friedrich E.: Muß ein Vertragsarzt demokratisch legitimiert sein?, in: NZS 2001, S. 337 ff. – Probleme der Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, Teil II, 1999 Frankfurt a.M – Probleme der Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, Teil III, 2000 Frankfurt a.M. Schnapp, Friedrich E./ Düring, Ruth: Die Rechtsbeziehungen zwischen Kassenzahnarzt und sozialversichertem Patienten nach dem Gesundheits-Reformgesetz, in: NJW 1989, S. 2913 ff. Schneider, Günther: Die Auswirkungen des Gesundheitsstrukturgesetzes auf das Kassenarztrecht, in: MedR 1993, S. 83 ff. – Handbuch des Kassenarztrechts, 1994 Köln et al.

Literaturverzeichnis

377

Schnorr von Carolsfeld, Ludwig: Über die Verkürzung von Leistungsansprüchen aus der Sozialversicherung wegen des Verhaltens Versicherter (§§192, 553, 554, 1277 RVO), in: Festschrift für Horst Schieckel, hrsg. von Klaus Müller, 1978 Percha/ Kempfenhausen, S. 261 ff. Schöllhammer, Lutz: Die Rechtsverbindlichkeit eines Patiententestaments – Eine Untersuchung aus zivilrechtlicher Sicht, 1993 Berlin Scholz, Rainer: Arzthaftpflicht – Ein Leitfaden für Ärzte, Juristen und Krankenhausträger, 1995 Bonn Schulin, Bertram: Mitgliedschaft, Versicherungsverhältnis und Versicherungsfall nach neuem Krankenversicherungsrecht, in: KrV 1989, S. 215 ff. – Wandel vom Kassenarzt zum Vertragsarzt – Definition oder Statusänderung?, in: VSSR 1994, S. 357 ff. – Rechtliche Grundprinzipien der gesetzlichen Krankenversicherung und ihre Probleme, in: ders. (Hrsg.), Handbuch des Sozialversicherungsrechts – Band 1: Krankenversicherungsrecht, 1994 München, § 6 Schulin, Bertram/ Düe, Wolfgang: Zur Einführung: Kassenarztrecht, in: JuS 1984, S. 920 ff. Schulte, Bernd: Zur Reform der Medizinhaftung in Großbritannien, in: Köhler, Peter A./ Maydell, Bernd Baron von (Hrsg.), Arzthaftung – „Patientenversicherung“ – Versicherungsschutz im Gesundheitssektor, 1997 Baden-Baden, S. 125 ff. Schulze, Jan: Ärzte und Patienten im Spannungsfeld von Politik und Ökonomie, SÄBl 2001, S. 536 Schumacher, Wolfgang/ Meyn, Egon: Bundes-Seuchengesetz mit amtlicher Begründung und ausführlichen Erläuterungen für die Praxis, 4. überarbeitete Auflage, 1992 Berlin et al. Schütte, Matthias: Die Rechtsbeziehungen zwischen Kassenarzt und Patient, in: SozVers 1997, S. 143 ff. Schütte, Uwe: Verhüllte Obliegenheiten im Versicherungsrecht, 1991 Frankfurt aM et al. Schwab, Dieter: Einführung in das Zivilrecht einschließlich BGB-Allgemeiner Teil, 16. neubearbeitete Auflage, 2005 Heidelberg Schwedes, Rolf: Einstellung und Entlassung des Arbeitnehmers, 3. neubearbeitete, erweiterte Auflage, 1975 Freiburg i. Br. Seelbach, Harald: Über einige Aspekte von Beipackzetteln in ihrer Bedeutung für die Patienten-Compliance, 1983 Bochum Seger, Wolfgang: Gesundheitliche Individualverantwortung aus sozialmedizinischer Sicht, in: SDSRV Bd. 42, S. 35 ff. Shorter, Edward: Das Arzt-Patienten-Verhältnis in der Geschichte und heute, 1991 Wien Siebeck, Theo: Das Vertragssystem im Kassenarztrecht, in: DOK 1962, S. 169 ff

378

Literaturverzeichnis

– Das Vertrags- und Vergütungssystem im Kassenarztrecht, 1964 Bonn-Bad Godesberg – Versicherung statt Armenpflege, in: DOK 1981, S. 854 Sieg, Karl: Obliegenheiten und sekundäre Risikobeschränkungen im Versicherungsvertragsrecht, in: BB 1970, S. 106 ff. – Die Obliegenheiten des Versicherers, in: VersR 1992, S. 1 ff. – Allgemeines Versicherungsvertragsrecht, 3. völlig überarbeitete Auflage, 1994 Wiesbaden Siegel, Bernie: Liebe, Medizin und Wunder, 1991 Düsseldorf Siewert, Joachim: Die Berechtigung, Krankenhauspflege zu gewähren - § 371 RVO, in: ZfS 1980, S. 161 ff. – Das Kassenarztrecht, 4. Auflage, 1992 Sankt Augustin Simoneit, Karsten: Private Krankenversicherung und AGBG, 1996 Aachen Simons, Thomas: Verfahren und verfahrensäquivalente Rechtsformen im Sozialrecht – Rechtsvergleichende Untersuchung der Ordnungsformen der Leistungsabwicklung am Beispiel des deutschen und des italienischen Rechts, 1985 Baden-Baden Sodan, Helge: Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, 1997 Tübingen Soergel: Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen – Band II/ 1: Schuldrecht (§§ 241-432), 12. neubearbeitete Auflage, 1990 Stuttgart et al. – Band IV/ 1: Schuldrecht (§§ 516-651), 12. neubearbeitete Auflage, 1997 Stuttgart et al. Sommermeyer, Karl: Die „entsprechende“ Anwendung des § 278 BGB in § 254 BGB, 1930 Göttingen Spellbrink, Wolfgang: Die Wirtschaftlichkeitsprüfung im Kassenarztrecht nach dem Gesundheitsstrukturgesetz, 1994 Neuwied et al. – Versicherungsverhältnis, in: Schulin, Bertram (Hrsg.), Handbuch des Sozialversicherungsrechts – Band 1: Unfallversicherungsrecht, 1996 München, § 24 Stachelhaus, Wilhelm: Die vertraglichen Beziehungen der Ärzte zu Krankenkassen und Kassenmitgliedern, 1928 Heidelberg Statistisches Jahrbuch 2001 für die Bundesrepublik Deutschland, hrsg. vom Statistischen Bundesamt, 2001 Wiesbaden Staudinger: Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen – Zweites Buch: Recht der Schuldverhältnisse (§§ 241-243), Neubearbeitung 2005 von Dirk Looschelders/ Dirk Olzen/ Gottfried Schiemann, Berlin – Zweites Buch: Recht der Schuldverhältnisse (§§ 249-254), Neubearbeitung 2005 von Gottfried Schiemann, Berlin

Literaturverzeichnis

379

– Zweites Buch: Recht der Schuldverhältnisse (§§ 611-615), Neubearbeitung 2005 von Georg Annuß/ Reinhard Richardi, Berlin – Zweites Buch: Recht der Schuldverhältnisse (§§ 616-619), 13. Bearbeitung von Hartmut Oetker, 1997 Berlin – Zweites Buch: Recht der Schuldverhältnisse (§§ 620-630), 13. Bearbeitung von Dirk Neumann/ Ulrich Preis, 1995 Berlin – Zweites Buch: Recht der Schuldverhältnisse (§§ 823-825), 13. Bearbeitung von Johannes Hager, 1999 Berlin Steck, Joachim: Die juristische Bedeutung der Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 ff. SGB I, in: BKK 1992, S. 349 ff. Steffen, Erich: Mehr Schutz für die Patientenrechte durch ein Patienten-Schutzgesetz oder eine Patienten-Charta?, in: MedR 2002, S. 190 ff. Steffen, Erich/ Dressler, Wolf-Dieter: Arzthaftungsrecht – Neue Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung, 9. neubearbeitete Auflage, 2002 Köln Steffen, Erich/ Pauge, Burkhard: Arzthaftungsrecht – Neue Entwicklungslinien der BGH-Rechtsprechung, 10. neubearbeitete Auflage, 2006 Köln Stegers, Christoph-M.: Die Anrufung der Gutachterkommission für ärztliche Haftpflichtfragen – Eine Rechtspflicht für die minderbemittelte Prozeßpartei?, in: AnwBl 1989, S. 137 ff. Stein/ Jonas: Kommentar zur Zivilprozessordnung – Band 1 (Einleitung und §§ 1-40), 22. Auflage, 2003 Tübingen Steiner, A./ Vetter, W.: Patienten-Compliance/ Non-Compliance, bestimmende Faktoren, Arzt-Patienten-Interaktion, in: SchwRM 1994, S. 889 ff. Steinlechner, Wolfgang: Wehrpflichtgesetz – Kommentar, 5. völlig neubearbeitete Auflage, 1996 München Stern, Klaus: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland – Band III/ 1: Allgemeine Lehren der Grundrechte – Grundlagen und Geschichte, nationaler und internationaler Grundrechtskonstitutionalismus, juristische Bedeutung der Grundrechte, Grundrechtsberechtigte, Grundrechtsverpflichtete, 1988 München Stern, Marc: Beginn und Ende des Kassenarztvertrages (§ 368 d RVO), in: SozVers 1968, S. 111 ff. – Die Haftung des Kassenarztes gegenüber dem Kassenpatient und seinen Angehörigen, in: SozVers 1976, S. 206 ff. Stöhr, Karlheinz: Patienteninformation über Arzneimittel – eine arzthaftungsrechtliche Betrachtung, in: GesR 2006, S. 145 ff. Stoll, Hans: Haftungsverlagerung durch beweisrechtliche Mittel, in: AcP 176 (1976), S. 145 ff. Strull, William M./ Lo, Bernhard/ Charles, Gerald: Do patients want to participate in medical decision making?, in: JAMA 1984, S. 2990 ff. Stückmann, Roland: „Selbstverschuldete“ Arbeitsunfähigkeit – spart nur der Zufall Kosten?, in: BB 1996, S. 1822 ff.

380

Literaturverzeichnis

– Einfluß der Arbeitgeber auf Senkung des Krankenstandes, in: AuA 1998, S. 224 ff. Stürner, Rolf: Das nicht abgetriebene Wunschkind als Schaden, in: FamRZ 1985, S. 753 ff. Tadsen,…: Zur Berechnung von Verweilgebühren – Anmerkungen zu einem Urteil des AG Aurich, in: ZM 1975, S. 231 ff. Taupitz, Jochen: Rechtliche Bindungen des Arztes: Erscheinungsweisen, Funktionen, Sanktionen, in: NJW 1986, S. 2851 ff. – Das Berufsrisiko des Arztes: Entwicklung, Steuerung und Risikominimierung, in: MedR 1995, S. 475 ff. Teichmann, Alexander T.: Patientenrechte – Patientenpflichten: Die Struktur einer romantischen Utopie, in: FArzt 41 (2000), S. 630 ff. Tempel, Otto: Inhalt, Grenzen und Durchführung der ärztlichen Aufklärungspflicht unter Zugrundelegung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, in: NJW 1980, S. 609 ff. Theda, Werner: Die vertraglich vereinbarten Obliegenheiten in der Kraftfahrtpflichtversicherung, in: MDR 1970, S. 474 ff. Thiele, Wolfgang: Leistungsstörungen und Schutzpflichtverletzung – Zur Einordnung der Schutzpflichtverletzung in das Haftungssystem des Zivilrechts, in: JZ 1967, S. 649 ff. Tiemann, Burkhard: Aktuelle Entwicklungstendenzen des Kassenarztrechts vor dem Hintergrund des 100jährigen Bestehens der gesetzlichen Krankenversicherung, in: MedR 1983, S. 176 ff. Tiemann, Burkhard/ Tiemann, Susanne: Kassenarztrecht im Wandel, 1983 Berlin Tiemann, Susanne: Das Recht in der Arztpraxis, 1984 Berlin et al. – Neues zur Verweilgebühr, in: ZArzt 1984 (Heft 10), S. 76 – Kassenärztliche Haftung im Zwiespalt zwischen privatem und öffentlichem Recht, in: ArztR 1985, S. 291 ff. – Kompetenzkonflikt bei Streit über ärztlichen Kunstfehler – Sozial- oder Zivilrechtsweg?, in: NJW 1985, S. 2169 ff. – Das Recht in der Zahnarztpraxis, 2. überarbeitete Auflage 1993 Berlin et al. Tilch, Horst/ Artloth, Frank (Hrsg.): Deutsches Rechts-Lexikon – Band 2, 3. Auflage, 2001 München Thivessen, Rolf: Lohnfortzahlung bei Organspenden, in: ZTR 1989, S. 267 f. Töns, Hans: Mitgliedschaft, Versicherungsverhältnis und Versicherungsfall nach neuem Krankenversicherungsrecht, in: KrV 1990, S. 32 ff. Tomandl, Theodor (Hrsg.): Sozialversicherung: Grenzen der Leistungspflicht, 1975 Wien Tonscheidt, S.: Die Verständlichkeit von medizinischen Informationen für Laien, Diplomarbeit des Psychologischen Instituts der Universität Heidelberg 1981 (unveröffentlicht)

Literaturverzeichnis

381

Tschöpe, Ulrich: Gestaltungselemente bei Arbeitsverträgen, in: MDR 1996, S. 1081 ff. Uhlenbruck, Wilhelm: Rechtsfragen bei der ärztlichen Behandlung von Minderjährigen, in: ArztR 1977, S. 301 ff., 341 ff. – Privat-Honorar bei Nichterscheinen des Patienten zum vereinbarten Behandlungstermin, in: RÄBl 1984, S. 496 ff. – Zum Vergütungsanspruch des Zahnarztes bei unentschuldigtem Ausbleiben des Patienten trotz fester Vereinbarung eines Behandlungstermins – Urteil des LG München vom 8. 11. 1983 – 2 S 1327/83, in: MedR 1986, S. 45 f. – Das Recht und die Pflicht des Arztes zur restitutio ad integrum nach einem Behandlungsfehler, in: Festschrift für Walther Weißauer zum 65. Geburtstag (Ärztliches Handeln – Verrechtlichung eines Berufsstandes), hrsg. von Georg Heberer, HansWolfgang Opderbecke, Wolfgang Spann, 1986 Berlin et al., S. 150 ff. – Die Mitwirkungspflicht (Compliance) des Patienten, in: Laufs, Adolf/ Uhlenbruck, Wilhelm (Hrsg.): Handbuch des Arztrechts, 2. neubearbeitete Auflage, 1999 München Uhlenbruck, Wilhelm/ Kern, Bernd-Rüdiger: Die Mitwirkungspflicht (Compliance) des Patienten, in: Laufs, Adolf/ Uhlenbruck, Wilhelm (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, 3. neubearbeitete Auflage, 2002 München, § 78 – Die Duldungspflicht des Patienten, in: Laufs, Adolf/ Uhlenbruck, Wilhelm (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, 3. neubearbeitete Auflage, 2002 München, § 79 – Die Offenbarungspflicht des Patienten, in: Laufs, Adolf/ Uhlenbruck, Wilhelm (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, 3. neubearbeitete Auflage, 2002 München, § 80 – Weisungsrecht und Befolgungspflicht des Patienten, in: Laufs, Adolf/ Uhlenbruck, Wilhelm (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, 3. neubearbeitete Auflage, 2002 München, § 81 – Die Zahlungspflicht des Patienten und das Arzthonorar nach GOÄ und GOZ, in: Laufs, Adolf/ Uhlenbruck, Wilhelm (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, 3. neubearbeitete Auflage, 2002 München, § 82 Uhlenbruck, Wilhelm/ Laufs, Adolf: Die Rechtsbeziehungen zwischen Arzt und Patient, in: Laufs, Adolf/ Uhlenbruck, Wilhelm (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, 3. neubearbeitete Auflage, 2002 München, § 39 – Der fehlerhafte Arztvertrag, in: Laufs, Adolf/ Uhlenbruck, Wilhelm (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, 3. neubearbeitete Auflage, 2002 München, § 45 – Die Beendigung des Arztvertrages, in: Laufs, Adolf/ Uhlenbruck, Wilhelm (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, 3. neubearbeitete Auflage, 2002 München, § 46 – Die ärztliche Behandlungspflicht, in: Laufs, Adolf/ Uhlenbruck, Wilhelm (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, 3. neubearbeitete Auflage, 2002 München, § 52 – Die Pflicht zum Behandlungsabbruch, in: Laufs, Adolf/ Uhlenbruck, Wilhelm (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, 3. neubearbeitete Auflage, 2002 München, § 58 Venzmer, Kurt: Mitverursachung und Mitverschulden im Schadensersatzrecht, 1960 München, Berlin

382

Literaturverzeichnis

Vetter, Georg: Zur Frage der Duldungspflicht von Röntgenuntersuchungen, in: SGb 1978, S. 223 ff. – Nochmals: Zur Frage der Duldungspflicht von Röntgenuntersuchungen, in: SGb 1979, S. 254 ff. Vossen, Reinhard: Entgeltfortzahlung bei Krankheit und an Feiertagen, 1997 Neuwied et al. – Die Wartezeit nach § 3 III EFZG, in: NZA 1998, S. 354 ff. Voß, Georg: Die Abgrenzung zwischen Obliegenheit und Risikobeschränkung in der ED- und Beraubungsversicherung, in: VersR 1961, S. 866 ff. Wachsmuth, Werner: Ein falsches Bild vom Patienten und seiner Belastbarkeit, in: NJW 1982, S. 686 f. Wahl, Andreas: Kooperationsstrukturen im Vertragsarztrecht, 2001 Berlin Waibl, Katharina: Kindesunterhalt als Schaden – Fehlgeschlagene Familienplanung und heterologe Insemination, 1986 München Wallmeyer, Josef: Die Kündigung des Arbeitsvertrages aus wichtigem Grund, 1962 Stuttgart Waltermann, Raimund: Sozialrecht, 6. neubearbeitete und erweiterte Auflage, 2006 Heidelberg Walther, Richard: Der Streit über die „medizinisch notwendige Heilbehandlung“, in: NJW 1982, S. 2592 f. Wannagat: Kommentar zum Recht des Sozialgesetzbuchs – Band I – Allgemeiner Teil und Verfahrensrecht (SGB I und X), begründet und herausgegeben von Dieter Giese (Loseblatt – Stand: 25. Ergänzungslieferung vom Januar 2002) – Band IV – Gemeinsame Vorschriften (SGB IV) begründet von Georg Wannagat und herausgegeben von Eberhard Eichenhofer und Ulrich Wenner (Loseblatt – Stand: 16. Ergänzungslieferung vom April 2006) – Band 5 – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), begründet von Georg Wannagat und herausgegeben von Eberhard Eichenhofer und Ulrich Wenner (Loseblatt – Stand: 16. Ergänzungslieferung vom Dezember 2005) Wannagat, Georg: Lehrbuch des Sozialrechts – Band 1, 1965 Tübingen Wasem, Jürgen: Gestaltungsprinzipien aus sozialpolitischer Sicht, in: Schulin, Bertram (Hrsg.), Handbuch des Sozialversicherungsrechts – Band 1: Krankenversicherungsrecht, 1994 München, § 3 Weber, E./ Gundert-Remy, U./ Schrey, A. (Hrsg.): Patienten-Compliance, 1977 BadenBaden Wegmann, Hubertus: Obliegenheiten in der privaten Krankenversicherung, 1997 Frankfurt aM et al. Weiland, Heinz: Die rückdatierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, in: BB 1979, S. 1096 ff.

Literaturverzeichnis

383

Weimar, Wilhelm: Der Gehaltsanspruch bei kaufmännisch Angestellten bei Sportunfällen, in: MDR 1978, S. 367 f. Weisbach, Wolf-Rüdiger: Thema Compliance: Denkanstöße zu einer besseren Beratung der Patienten, in: DÄBl 1986, S. 2212 ff. Weisemann, Ulrich: Krankheit und Kündigungsschutz, BB 1977, S. 1767 ff. Weißauer, Walther: Mitwirkungs- und Duldungspflichten des Leistungsberechtigten bei ärztlichen Maßnahmen, in: Mtlg. LVA OMF 1981, S. 486 ff. – Bluttransfusion und AIDS – mediko-legale Aspekte, in: MedR 1987, S. 272 ff. – Aufklärungspflicht und Arzt-Patienten-Beziehung, in: Lang, Erich/ Arnold, Klaus (Hrsg.), Die Arzt-Patienten-Beziehung im Wandel – Referate der Sechsten Informationsmedizinischen Tage in Hamburg 1994, 1996 Stuttgart, S. 113 ff. Weißauer, Walther/ Opderbecke, Hans Wolfgang: Die präoperative Patientenaufklärung über Transfusionsrisiken – Mediko-legale Überlegungen zu einer BGH-Entscheidung, in: MedR 1992, S. 307 ff. Welser, Rudolf: Das Zivilrecht und das Dreiecksverhältnis zwischen Sozialversicherungsträger, Arzt und Patient, in: Tomandl, Sozialversicherung – Grenzen der Leistungspflicht, 1975 Wien, S. 101 Wertenbruch, Johannes: Der Vergütungsanspruch des Arztes bei Nichterscheinen eines bestellten Patienten – die Haftung des Arztes bei Nichteinhaltung eines Behandlungstermins, in: MedR 1991, S. 167 ff. – Die Zulässigkeit einer Kündigungsfristvereinbarung bei ärztlichen Behandlungsverträgen, in: MedR 1994, S. 394 ff. Wester, Kurt: Mitverschulden im deutschen, englischen und amerikanischen Zivilrecht, 1976 Westermann, Harm Peter: Zivilrechtliche Verantwortlichkeit bei ärztlicher Teamarbeit – Besondere Probleme der Intensivmedizin, in: NJW 1974, S. 577 ff. Weyers, Hans-Leo: Versicherungsvertragsrecht, 3. neubearbeitete Auflage, 2003 Neuwied et al. Weyers, Hans-Leo/ Mirtsching, Wolfram: Zum Stand des Arzthaftungsrechts, in: JuS 1980, S. 317 ff. Wiegand, Wolfgang: Die Verhaltenspflichten – Ein Beitrag zur juristischen Zeitgeschichte, in: Festschrift für Sten Gagnér zum 70. Geburtstag, hrsg. von Michael Stolleis, Monika Frommel, Joachim Rückert, Rainer Schröder, Kurt Sellmann, Wolfgang Wiegand, 1991 München, S. 547 ff. Wieling, Hans Josef: Venire contra factum proprium und Verschulden gegen sich selbst, in: AcP 176 (1976), S. 334 ff. Wiethölter, Rudolf: Arzt und Patient als Rechtsgenossen – Ein zivilrechtlicher Beitrag zur ärztlichen Aufklärungspflicht, in: Die Aufklärungspflicht des Arztes, hrsg. von der Stiftung zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung über Wesen und Bedeutung der freien Berufe, 1962 Köln/ Berlin, S. 71 ff. Wigge, Peter: Arztrechtliche Fragen des Unterbringungsrechts, in: MedR 1996, S. 291 ff.

384

Literaturverzeichnis

Wilcke, Walter: Zur Rechtsnatur der Schweißschadensklausel in der allgemeinen Haftpflichtversicherung – Eine Erwiderung auf Stelzer VersR 1968, 719 und zugleich ein Beitrag zur Lehre von den „verhüllten Obliegenheiten“, in: VersR 1969, S. 8 ff. Wilke, Norbert Johannes: Die Grenzen des Risikoausschlusses im Privatversicherungsrecht, 1976 Berlin Wilke, Eberhard: Leitlinien des ärztlich-psychotherapeutischen Gesprächs, in: Reimer, Christian (Hrsg.), Ärztliche Gesprächsführung, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, 1994 Berlin et. al., S. 1 ff. Worzalla, Michael: Die Anzeige- und Nachweispflicht nach § 5 I EFZG, NZA 1996, S. 61 ff. Wriede, Paul: Buchbesprechung: Private Krankenversicherung – MBKK/ KTKommentar von Peter Bach/ Hans Moser, in: ZVersWiss 1968, S. 81 ff. Wulfhorst, Traugott: Leistungssteuerndes Verhalten der Berechtigten im Sozialrecht, in: VSSR 1982, S. 1 ff. Zacher, Hans F.: Verschulden im Sozialrecht – Eine Skizze, in: ZfS 1983, S. 171 ff. Zacher, Hans F./ Friedrich-Marczyk, Marion: Krankenkasse oder nationaler Gesundheitsdienst?, 1980 Heidelberg Zimmermann, Reinhard: „Wrongful life“ und „wrongful birth“, in: JZ 1997, S. 131 f. Zimmermann, Walter: Thüringer PsychKG – Praxiskommentar, 1994 Stuttgart et al. Zipperer, Manfred: Ein wichtiger Schritt auf dem Wege zum Sozialgesetzbuch, in: BABl 1989 (Heft 4), S. 4 ff. Zitelmann, Ernst: Das Recht des Bürgerlichen Gesetzbuchs – Allgemeiner Teil, 1900 Leipzig – Ausschluß der Widerrechtlichkeit, in: AcP 99 (1906), S. 1 ff. Zuck, Rüdiger: Verbietet § 13 II SGB V die Inanspruchnahme von Leistungen zur vertragsärztlichen Versorgung nicht zugelassener/ nicht ermächtigter Leistungserbringer?, in: NZS 1994, S. 254 ff.

Sachwortverzeichnis Äquivalenzprinzip 12 Anamnese 117 Anzeige 239 ff., 289 f., 321 ff. – Arbeitsunfähigkeit 240 ff., 289 f., 321 ff. – Krankenhausaufenthalt 240 Arbeitsvertrag 315 ff. Aufklärung – Patiententeilhabe 122 ff., 170 f. Behandlungsfehler 182 Behandlungsteilhabe 128 ff., 169 ff., 246 ff., 296 ff. – aktive Mitarbeit 134 ff., 172 ff. – Arbeitnehmer 326 ff. – Kontrolluntersuchung 146 ff. – privat-, sozialversicherter Patient 246 ff., 296 ff. – Privat- und Kassenpatient 128 ff., 169 ff. – (zahn)ärztliche Anordnung 151 ff. Behandlungstermin 76 ff., 162 ff. – Annahmeverzug 82 ff. – Erscheinen 78 ff., 100 ff., 162 ff. – Kassenpatient 162 ff. – Privatpatient 76 ff. – Pünktlichkeit 106 f., 165 f. – Rechtsprechung 89 ff., 163 f. – Terminabsage 100 ff., 163 ff. – Unmöglichkeit 79 ff. – Verweilgebühr 77 Behandlungsvertrag 25 ff. – Abschluss 29 ff. – Inhalt 32 ff. – Kassenpatient 35 ff. – Privatpatient 27 ff. – Rechtsnatur 28 ff., 35 ff., 47 ff. Behandlungsvoraussetzung 133 f., 169 ff. Beweislastumkehr 203 f. Bundesmantelvertrag 9 f. Compliance 19 ff.

Diskretion 184 f. Duldung 126 ff. Einwilligungserteilung 130 ff., 171 f. Einwilligungswiderruf 132 f., 171 f. Gebote im eigenen Interesse 67, 72 Gesamtvertrag 9 f. Gesundheitsbewusste Lebensführung – privatversicherter Patient 231 ff. – sozialversicherter Patient 270 f. – Zahnpflege 273 ff. Hausarztwahl 283 ff., 305 Hausbesuch 105 f., 107 ff. Honorarzahlung 154 ff., 175 f. – Kassenpatient 175 f. – Privatpatient 154 ff. Informationserteilung 109 ff., 166 ff. – Anamnese 117 ff. – Aufklärung 111 ff. – Auskunft 110 f. – Behandlung 119 ff. – HIV / Hepatitis 112 f., 114 f. – Rechtsnatur 109 ff., 113 ff. Kassenpatient 5 Kind als Schaden 194 ff. – Abtreibung 196 f. – Adoption 197 Kostenerstattung 12 Krankenversicherung 6 ff. – gesetzliche 7 ff. – private 10 ff. Krankenversicherungskarte 156 ff., 285 f. Krankenversicherungsverhältnis 257 ff. Last 66 f., 260 Leistungserbringungsrecht 8 ff.

386

Sachwortverzeichnis

Medikamenteneinnahme 140 ff. Nachbehandlung 187 ff. – Mitwirkung 187 ff. – Zumutbarkeit 184 ff., 191 ff. Naturalleistungsprinzip 8 f. Nebenpflicht 55 f. Obliegenheit 55 ff. – Definition 56 – Rechtsnatur 57 ff., 67 – verhüllte 221 ff. Packungsbeilage 142 ff. Patientenlast 71 f., 260 Patientenpflicht 69 ff., 260 Praxisgebühr 160 ff., 286 f. Primäre Risikobeschreibung 219 ff., 225 f. Privatpatient 5, 24 Programmsatz 262 f., 266 f. Prozessrechtsverhältnis 202 f. Rechtspflicht 55 f., 65, 260 Risikoausschluss 220 ff., 225 ff. Schadensminderung 185 ff. – Erwerbstätigkeit 199 ff.

– Nachbehandlung 187 ff. – Zumutbarkeit 187 ff. Schlichtungsverfahren 201 f. Schweigepflichtentbindung 205 ff. Selbstbestimmungsrecht 32 f. Sekundäre Risikobeschränkung 219 ff., 225 ff. Therapiekonzept 125 f. Versicherungsvertrag 217 ff. Vertrags(zahn)arzt 8 ff. vertrauensärztliche Untersuchung 293 ff. vorsätzliche Krankheitszuziehung – erkrankter Arbeitnehmer 317 ff. – privatversicherter Patient 234 ff. – sozialversicherter Patient 275 ff. Wirtschaftlichkeitsgebot 173 ff., 250 ff., 302 ff. (Zahn)Arztwahl – privatversicherter Patient 237 ff. – sozialversicherter Patient 283 ff. Zwangsbehandlung 333 ff.