Organzuständigkeit in der mitbestimmten GmbH [1 ed.] 9783428485314, 9783428085316

130 56 16MB

German Pages 161 Year 1996

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Organzuständigkeit in der mitbestimmten GmbH [1 ed.]
 9783428485314, 9783428085316

Citation preview

MARTINA SCHALL

Organzuständigkeit in der mitbestimmten GmbH

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 96

Organzuständigkeit in der mitbestimmten GmbH

Von Martina Schall

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Schall, Martina: Organzuständigkeit in der mitbestimmten GmbH I von Martina Schall. - Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Schriften zum Wirtschaftsrecht ; Bd. 96) Zugl.: München, Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08531-0 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humb1ot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 3-428-08531-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 @)

Vorwort Die Arbeit hat der Juristischen Fakultät der Ludwig-MaximiliansUniversität München im Sommersemester 1995 als Dissertation vorgelegen. Das Manuskript war im Mai 1994 abgeschlossen, für die Drucklegung wurden Rechtsprechung und Literatur bis August 1995 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Götz Hueck, für die gewährte Förderung. Er hat mich bei der Bearbeitung stets unterstützt und mir im Rahmen meiner Assistententätigkeit am Institut für Handels-, Wirtschafts- und Arbeitsrecht den Freiraum gelassen, die Arbeit zu schreiben. Zu Dank verpflichtet bin ich weiterhin Herrn Professor Dr. Wolfgang Fikentscher, der das Zweitgutachten erstellt hat. Herzlich bedanken möchte ich mich schließlich bei Herrn Dr. Michael Kort für wertvolle Anregungen und viele hilfreiche Diskussionen. Kiel, im August 1995 Martina Schall

Inhaltsverzeichnis Einleitung § 1 Mitwirkung der Gesellschafter bei der Bestellung und Anstellung

15

der Geschäftsführer und der Organisation Ihrer Tätigkeit

18

I. Bestellung und Anstellung der Geschäftsführer ............. ...... .. ........ ... .. .... ........ ... .. .......

18

li. Mitwirkung an der Bestellung durch die Statuierung von Eignungsvoraussetzungen... 20 1. Rechtliche und praktische Bedeutung von Eignungsvoraussetzungen ............................... 20 2. Gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit von Eignungsvoraussetzungen ................................. 21 a) Gesellschaftereinfluß auf die Personalauswahl.............................................................. 22 b) Bindungswirkung von Eignungsvoraussetzungen ......................................................... 23 3. MitbestirnmiDlgsrechtliche Zulässigkeit von Eignungsvoraussetzungen ............................ 25 4. "Familienzugehörigkeit" als Beispiel einer satzungsmäßigen Eignungsvoraussetzung...... 27 111. Richtlinien für Anstellungsverträge............................................................................. 28 1. Anstellungsbedingungen ..................................................................................................... 28 2. Ausgestaltung der Geschäftsführertätigkeit ......................................................................... 30 IV. Organisation der Geschäftsführertätigkeit in einer Geschäftsordnung ......................... 31 1. Funktion einer Geschäftsordnung ....................................................................................... 31 2. Form und Inhalt einer Geschäftsordnung ............................................................................ 32 3. ZuweiSIDlg von Geschäftsbereichen..................................................................................... 32 4. Subsidiäre Befugnis zum Erlaß einer Geschäftsordnung .................................................... 34 a) Zuständigkeit.................................................................................................................. 34 b) Meluheitserfordemis....................................................................................................... 35 V. Ernennung des Geschäftsführungsvorsitzenden ........................................... ............... 35 VI. Die GmbH im Anwendungsbereich des BetrVG 52 .................................................... 38 1. Bestellung der Geschäftsführer............................................................................................ 38 2. Entscheidung über die Anstellungsbedingungen ................................................................. 38 3. Vertretungsbefugnis bei Abschluß des Anstellungsvertrages .............................................. 39 4. Organisation der Geschäftsführertätigkeit ........................................................................... 41

8

Inhaltsverzeichnis § 2 Der Einftuß der Gesellschafter auf die Geschäftsführung in der mitbestimmungsfreien GmbH

42

I. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen ............................................................................ 42

li. Rechtsstellung der Gesellschafter ............................................................................... 42 I li. Kompetenzen der Geschäftsführer .............................................................. ................ 44 IV. Kompetenzen für die Vomahme besonderer Geschäftsführungsmaßnahmen ............... 45 1. Abgrenzung zu gewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen .......................................... 45 2. Abgrenzung zur Grundlagenkompetenz der Gesellschafter ............................................... 46 3. WeiSIDlgsgebundenheit W1d Sorgfaltspflicht des Geschäftsführers .................................... 47 4. Annexkompetenz der Gesellschafter für unternehmenspolitische Entscheidungen............. 48

S. Kompetenz der Gesellschafter für außergewöhnliche Geschäfte........................................ 49 a) Zuständigkeit gemäß § 49 Abs. 2 GmbHG ................................................................... 49 b) Zuständigkeitaufgrund gewohnheitsrechtlicher Anerkennung ? ................................. SO V. Schranken des Einflusses der Gesellschafter auf die Tätigkeit der Geschäftsführer .... S 1 1. Art und Umfang der Einflußnahme...................................................................................... 51 2. Instrumentarium zur Regelung der Einflußnahme .............................................................. 52 3. Gesetzliche Mindestbefugnisse des Geschäftsführers ......................................................... 52 4. Kein ungeschriebener Kernbereich weisungsfreier Geschäftsführertätigkeit ...................... 53 a) Keine Differenzierung zwischen gesetzlicher und satzungsrechtlicher Weisungsbefugnis .............................................................................................................................. 54 b) Keine Anerkennung ungeschriebener Grenzen des Gesellschaftereinflusses ................ 55 § 3 Kompetenzabgrenzung zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführern der GmbH im Anwendungsbereich des MitbestG

57

I. Keine explizite Kompetenzabgrenzung im MitbestG .................................................. 57

li. Maßstäbe für die Kompetenzabgrenzung ................. ................................................... 57 1. Problemstellung ................................................................................................................... 58 2. Auslegung des MitbestG ..................................................................................................... 59 III. Umfang der Weisungsbefugnis der Gesellschafter ...................................................... 60 1. Eindeutige Aussagen im MitbestG....................................................................................... 60 2. Keine Differenzierung zwischen personalistisch und kapitalistisch verfaßter GmbH ........ 61 3. Keine Beschränkung der Gesellschafter auf verbindliche Zustimmungsrechte .................. 63 4. Weisungsbefugnis für unternehmenspolitische und außergewöhnliche Geschäfte............. 63

S. Weisungsbefugnis für Tagesgeschäfte ................................................................................. 64 a) Problemstellung ............................................................................................................. 64

Inhaltsverzeichnis

9

b) Personalkompetenz des Aufsichtsrats als Schranke der Weisungsbefugnis der Gesellschafter............................................................................................................................ 65 c) Zulässigkeil von Einzelweisungen ................................................................................. 66 IV. Schranken der Ausübung der Weisungsbefugnis der Gesellschafter............................ 71

1. Schranken nach dem MitbestG ............................................................................................ 71 2. Unternehmensinteresse als Schranke der Weisungsbefugnis ............................................... 72 a) Ve~pflichtung der Geschäftsführer auf das Unternehmensinteresse .............................. b) Inhaltliche Bestimmung des Untemehmensinteresses.................................................... c) Einbeziehung von Arbeitnehmerinteressen bei der Konkretisierung des Untemehmensinteresses................................................................................................................. d) Bestandsgefährdende Weisungen...................................................................................

73 74 76 78

3. Schranken gemäߧ§ 138,826 BGB................................................................................... 83 4. Rechtsmißbrauch.................................................................................................................. 85

5. Unzulässigkeil einer allgerneinen gerichtlichen Inhaltskontrolle ........................................ 85 V. Weisungsbefugnis gegenüber dem Arbeitsdirektor ..................................................... 86 I. Gesetzeslage ......................................................................................................................... 86 2. Weisungsbefugnis der Gesellschafter in personellen und sozialen Angelegenheiten.......... 88 3. Gleiche Rechte und Pflichten des Arbeitsdirektors und der übrigen Geschäftsführer......... 89 § 4 Die Verpflichtung des Aufsichtsrats zur Überwachung der Geschäftsftlhrung

91

I. Überblick .................................................................................................................... 91 II. Überwachungsfeld ...................................................................................................... 92 I. Überwachungsgegenstand .................................................................................................... 93 2. Zu überwachender Personenkreis................................. ........................................................ 93 III. Überwachung der Geschäftsführer bei weisungsgebundenem Handeln ........................ 96 I . Überwachungspflicht............................................................................................................ 96 2. Beratungsrecht...................................................................................................................... 97 § 5 Informationsbefugnisse des Aufsichtsrats

99

I. Berichtsansprüche ................... ................... .... . .... . . . . .. . .. .. . . .. .. ... . . . ... . . ... . ... . .. . . . . . ............ 99 I. Das gesetzliche Berichtssystem ............................................................................................ 99 2. Gegenstand der Berichtsansprüche ...................................................................................... 101 3. Auskunftspflichtiger ............................................................................................................. 102 4. Informationsbeschaffung durch die Geschäftsleitung ......................................................... 104 II. Teilnahme an Gesellschafterversammlungen .............................................................. 105

1. Antragsbefugnis des Aufsichtsrats als Gesamtorgan ........................................................... 105

Inhaltsverzeichnis

10

2. Keine Antragsbefugnis des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds .............................................. 107 III. Anspruch auf Übersendung von Gesellschafterbeschlüssen

0000000000000000000000000000 0000 000000 000

1. Umfang der gesetzlichen Mitteilungspflicht ..........................

oooooooooo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . oooo . . . . . . .

107 107

2. Verpflichtung zur Niederschrift von Gesellschafterbeschlüssen.......................................... 109 IV. Beschlußfassung ohne Gesellschafterversammlung ................................

00 . . . . . . . . . . . . . . . . . .

110

1. Zulässigkeil von Beschlußfassungen ohne Gesellschafterversammlung ............................ 110 2. Mitteilungspflichten gegenüber dem Aufsichtsrat ............................................................... 111 3. Feststellung des Jahresabschlusses ....................................................................................... 113

§ 6 Mitwirkung des Aufsichtsrats bei der Geschäftsführung durch Zustimmungsvorbehalt

115

I. Vorfragen zum Zustimmungsvorbehalt gemäߧ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG ....

00 . . . . . . . . . . . .

115

1. Der Zustimmungsvorbehalt im Grenzbereich zwischen Überwachung und Geschäftsführung ............. ........................ ... ...... ..... .................... ... ............ ..... .... ... .................... .. ........ 115 2. Gegenstand des Zustimmungsvorbehalts ............................................................................. 116 a) Art und Umfang zustimmungspflichtiger Geschäfte ...................................................... 116 b) Zustimmungsvorbehalt bei Einzelgeschlften ................................................................. 119 3. Befugnis zur Festlegung von Zustimmungsvorbehalten ...................................................... 121 4. Verpflichtung des Aufsichtsrats zur Begründung von Zustimmungsvorbehalten ............... 123

II. Verhältnis zwischen Zustimmungsrecht des Aufsichtsrats und Weisungsrecht der Gesellschafter ...

000

oooooooooooo• •• • • oo • oo· 00

• • • 0 0 0 0 0 0 . . 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 . . . 0 0 0 • • • • • • • • • • 00 • • • •

oooo · •• oo• •••

0 0 . 0 0 • • 00 • • •

oooooo•

123

1. Kein Ausschluß des Weisungsrechts im Bereich zustimmungspflichtigerGeschäfte ......... 124 2. Kein Ausschluß des Zustimmungsvorbehalts bei weisungsgemäßem Geschäftsführerhandeln ................................................................................................................................. 124 3. Harmonisierung von Gesellschafterweisung und Zustimmungsrecht des Aufsichtsrats ... 126 a) Keine Differenzierung zwischen anfänglicher und nachträglicher Gesellschafterweisung .......................................................................................................................... 126 b) Folgerungen aus der Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats ................................... 129 c) Wertungen aus dem MitbestG ........................................................................................ 129 III. Ersetzung der Aufsichtsratszustimmung durch die Gesellschafter ..

oo . . . . . . . . . . oo oooooo oo . . . . . . .

131

IV. Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats bei anfänglicher Gesellschafterweisung mit 3/4-Mehrheit ........................................... 132 oo·•••oo••·oo···· . . . . . . . . . . . oo . . . . . . . . . . . . . . oo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V. Die GmbH im Anwendungsbereich des BetrVG 52 ..................................

oo . . . . oooooooo . . . .

133

§ 7 Zusammenfassung

135

Literaturverzeichnis

139

Abkürzungsverzeichnis a.A.

anderer Ansicht

aaO.

am angegebenen On

abl.

ablelmend

Abs.

Absatz

abw.

abweichend

AcP

Archiv ftlr die civilistische Praxis

a.E.

amEnde

AG

Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift)

AktG

Aktiengesetz

allg.M.

allgemeine Meinwtg

Alt.

Alternative

Anm.

Anmerkung

AO

Abgabenordnung 1977

AP

Hueck/Nipperdey/Dietz, Nachschlagewerlc: des Bundesatbeitsgerichts - Arbeitsrechtliche Praxis -

ArbRGeg

Das Arbeitsrecht der Gegenwan, Jahrbuch ftlr das gesamte Arbeitsrecht wtd die Arbeitsgerichtsbarlc:eit, herausgegeben von Thomas Dieterich Wld Rudolf Kissel

An.

Artikel

Auf!.

Auflage

AuR

Arbeit Wld Recht (Zeitschrift)

BB

Der Betriebs-Berater (Zeitschrift)

Bd.

Band

BegrRegE

BegrilndWig zum RegieTWigsentwurf

Beil.

Beilage

BetrVG

Betriebsverfassungsgesetz

BetrVG 1952

Betriebsverfassungsgesetz vom II. Oktober 1952

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

12

Abkürzungsverz.eichnis

BGBI

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen, herausgegeben von den Mitgliedern des Gerichtshofes und der Bundesanwaltschaft

BIStSozArbR

Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht

BT-Drucks.

Bundestags-Drucksache

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, herausgegeben von den Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts

bzw.

beziehungsweise

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

DBW

Die Betriebswinschaft (Zeitschrift)

ders.

derselbe

d.h.

das heißt

dies.

dieselbe(n)

DStR

Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)

evtl.

eventuell

f., ff.

folgende

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift (auch für Festgabe, Gedächtnisschrift)

G

Gesetz (in Abkürzungen)

gern.

gemäß

GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

ggf.

gegebenenfalls

GK

Gemeinschaftskommentar

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung

GmbHR

GmbH-Rundschau (Zeitschrift)

GoA

Geschäftsführung ohne Auftrag

HGB

Handelsgesetzbuch

h.M.

herrschende Meinung

i.d.R.

in der Regel

i.E.

im Ergebnis

Abkürzungsverzeichnis insbes.

insbesondere

i.S.

im Sinne

i.V.

in Verbindung

jew.

jeweils

JurA

Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift)

JuS

Juristische Schulung (Zeitschrift)

JZ

Juristenzeitung

Kap.

Kapitel

KG

Kommanditgesellschaft

13

KGaA

Kommanditgesellschaft auf Aktien

KölnerKorrun

Kölner Kommentar zum Aktiengesetz

kriL

kritisch

Ug.

Lieferung

m.

mit

Mitbest

Die Mitbestimmung (Zeitschrift)

MitbestErgO

Gesetz mr Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (MitbestimmungsergänlJ.IDgsgestz)

MitbestG

Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz)

MontanMitbestG

Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (Montan-Mitbestimmungsgesetz)

ManchHandb.GesR. AG

Manchener Handbuch zum Gesellschaftsrecht - Aktiengesellschaft

ManchKomm

Manebener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch

m .w.N.

mit weiteren Nachweisen

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

Nr.

Nuinmer

o.g.

oben genannt

OHG

offene Handelsgesellschaft

OLG

Oberlandesgericht

RdA

Recht der Arbeit (Zeitschrift)

RegE

Regierungsentwurf

14

Abkürzungsverzeichnis

Rn.

Randnummer

Rspr.

Rechtsprechung

s.

Seite

sog.

sogenannt

str.

streitig

st. Rspr.

ständige Rechtsprechung

u.a.

unter andere(m, n)

u.d.T.

unter dem Titel

unzutr.

unrutreffend

usw.

und so weiter

u.U.

unter Umsländen

V.

von, vom

vgl.

vergleiche

Vorb., Vorbem.

Vorbemerkungen

WM

Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, Wertpapiermitteilung

WPg

Die Wirtschaftsprüfung (Zeitung)

z.B.

zum Beispiel

ZJ.A

Zeitschrift für Arbeitsrecht

ZGR

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis

z.T.

rum Teil

zust.

rustimmend

Einleitung Die vorliegende Arbeit ist im Spannungsfeld von Mitbestimmungs- und Gesellschaftsrecht angesiedelt. Das am 1.7.1976 in Kraft getretene Mitbestimmungsgesetz markiert vorläufig den Höhepunkt der Bestrebungen des Gesetzgebers, die Teilhabe von Arbeitnehmervertretern an der Willensbildung auf Unternehmensebene zu gewährleisten. Das Gesetz ist wegen seines Kompromißcharakters und seiner Lückenhaftigkeit auf heftige Kritik gestoßen. Wesentlicher Kritikpunkt ist das Fehlen einer Harmonisierung von Mitbestimmungs- und Gesellschaftsrecht Nach dem MitbestG sind alle in den Anwendungsbereich des § I MitbestG fallenden Kapitalgesellschaften verpflichtet, einen mitbestimmten Aufsichtsrat zu bestellen, dessen Rechtsstellung das MitbestG - überwiegend durch Verweisungen auf Einzelvorschriften des AktG - rechtsformübergreifend nach aktienrechtlichem Muster regelt, im übrigen ordnet es aber die Fortgeltung rechtsformspezifischen Gesellschaftsrechts ausdrücklich an. Die Regelungstechnik folgt im wesentlichen dem Vorbild der bei Erlaß des MitbestG schon geltenden Mitbestimmungsgesetze. Das BetrVG 52, das eine Drittelbeteiligung von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat vorsieht, enthält einen vergleichbaren Verweisungskatalog auf das AktG, während das MontanMitbestG und das MitbestErgO pauschal die sinngemäße Anwendung der für den aktienrechtlichen Aufsichtsrat geltenden Vorschriften anordnen (§ 77 BetrVG 52, § 3 Abs. 2 MontanMitbestG, § 3 MitbestErgO i.V.m. § 3 Abs. 2 MontanMitbestG). Am heftigsten wird die Harmonisierung von GmbH- und Mitbestimmungsrecht diskutiert. Die Gesellschafter sind nach dem GmbHG befugt, alle bedeutenden Unternehmerischen Entscheidungen selbst zu treffen. Damit nur schwer zu vereinbaren ist die obligatorische Einführung eines mitbestimmten Aufsichtsrats, der gesetzlich zwingend Befugnisse besitzt, die in der nicht mitbestimmten GmbH primär allein den Gesellschaftern zur Wahrnehmung zugewiesen sind. Streitig ist vor allem der Einfluß des MitbestG auf die den Gesellschaftern nach dem GmbHG zugewiesene umfassende Befugnis, über den Inhalt der Geschäftsführung verbindlich zu beschließen. Diese Befugnis scheint nach dem Wortlaut sämtlicher Mitbestimmungsgesetze unberührt zu bleiben.

16

Einleitung

Schon im Hinblick auf die zahlenmäßig paritätische Beteiligung von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat hat die Mitbestimmung nach dem MitbestG mehr Gewicht als nach dem BetrVG 52, das nur eine 1/3 -Beteiligung von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat verlangt. Außerdem fehlt dem zuletzt genannten Gesetz das "Kernstück" der Unternehmensmitbestimmung, die Bestellung der Geschäftsführung durch den mitbestimmten Aufsichtsrat. Erst mit dem Übergang der Personalkompetenz auf den mitbestimmten Aufsichtsrat erhebt sich die Frage, ob mit der persönlichen Unabhängigkeit des Geschäftsführers von den Gesellschaftern ein gewisser eigenverantwortlicher Handlungsspielraum einhergehen muß, damit der Geschäftsführer bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben dem Vertrauen des Aufsichtsrats gerecht werden kann und nicht uneingeschränkt zur Befolgung von Weisungen der Gesellschafter verpflichtet ist. Dies sowie die wirtschaftliche Bedeutung der unter das MitbestG fallenden GmbH rechtfertigen es, die Untersuchung des Gesellschaftereinflusses in der 1/3-mitbestimmten GmbH auf ausgewählte Fragestellungen zu beschränken, mag, statistisch betrachtet, auch der Anwendungsbereich des BetrVG 52 erheblich größer sein. Die geringe Anzahl mitbestimmter GmbH im Montanbereich rechtfertigt es, die besonderen, mit dem MontanMitbestG und MitbestErgG verknüpften Problemstellungen nicht zu behandeln. Den Umfang der Arbeit würde es ferner sprengen, die Auswirkungen der Mitbestimmungsgesetze unter besonderer Berücksichtigung konzernrechtlicher Fragestellungen zu untersuchen. Die Arbeit befaßt sich schließlich nur mit dem Verhältnis der Gesellschaftsorgane untereinander und nicht mit der Zulässigkeil organinterner Regelungen der AufsichtsratstätigkeiL Letzteres ist für die Effizienz der Mitbestimmung von nicht zu unterschätzendem Gewicht. Besonders deutlich tritt diese Problematik bei der Frage zutage, welche Schranken bei der Bildung von Aufsichtsratsausschüssen zu beachten sind, durch die Arbeitnehmervertreter von Teilen der Aufsichtsratstätigkeit ausgeschlossen werden. Mit dem Mitbestimmungsurteil des BVerfG ist die Diskussion über die Verfassungsmäßigkeit des MitbestG zu Recht verstummt. Das Augenmerk richtet sich vielmehr auf Einzelfragen der Gesetzesauslegung. Insbesondere im Hinblick auf den inzwischen eingetretenen deutlichen zeitlichen Abstand zum politisch hochbrisanten Gesetzgebungsverfahren kann es gewinnbringend sein, die positivrechtlichen Defizite im Spannungsfeld zwischen Mitbestimmungsgesetz und traditionellem Gesellschaftsrecht erneut aufzugreifen und für einen Ausschnitt bestimmter Abgrenzungsfragen Lösungsvorschläge zu entwickeln: In § 1 geht es dabei um die Frage, welche Mitwirkungsrechte den Gesellschaftern bei der personellen Auswahl der Geschäftsführung, dem Abschluß

Einleitung

17

des Anstellungsvertrags und der Organisation der Geschäftsführertätigkeit verbleiben. Daran anschließend wird in §§ 2 und 3 untersucht, wie weit der Gesellschaftereinfluß auf den Inhalt der Geschäftsführertätigkeit reicht. Dabei ist zunächst die gesellschaftsrechtiche Organisationsstruktur zu beleuchten und anschließend etwaigen Veränderungen durch die Einführung des mitbestimmten Aufsichtsrats nachzugehen. Für den Einfluß der Gesellschafter auf den Inhalt der Geschäftsführung ist - nach Wegfall ihres mittelbaren Einflusses durch Bestellung und Abberufung des Geschäftsführungsorgans- entscheidend, wie weit ihre direkte Einflußnahme auf die Vomahme bestimmter Geschäfte reicht und ob es Tätigkeitsfelder gibt, auf denen der Geschäftsführer ihrem Einfluß nicht unterworfen ist. In §§ 4 bis 6 ist der Frage nachzugehen, auf welche Weise der Aufsichtsrat Einfluß auf den Inhalt der Geschäftsführung ausüben kann. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Abgrenzung von Gesellschafterund Aufsichtsratskompetenzen bei der Durchsetzung einer Geschäftsführungsmaßnahme, weil nach dem Gesetzeswortlaut Kompetenzkonflikte vorprogrammiert sind und infolgedessen die jeweiligen Befugnisse in Einklang gebracht werden müssen.

2 Schall

§ 1 Mitwirkung der Gesellschafter bei der Bestellung

und Anstellung der Geschäftsführer und der Organisation ihrer Tätigkeit

Wesentlichen Einfluß auf das Schicksal des Unternehmens hat die Auswahl der Unternehmensleitung. Die Besetzung des Geschäftsführungsorgans betreffende Zuständigkeitsfragen haben durch das MitbestG erheblich an Bedeutung gewonnen, 1 weil sie zum Kernbereich der Unternehmerischen Mitbestimmung gehören.

I. Bestellung und Anstellung der Geschäftsführer In der mitbestimmungsfreien GmbH weist § 46 Nr. 5 GmbHG den Gesellschaftern die Auswahl und Bestellung der Geschäftsführer zu, die davon zu trennende Anstellungsbefugnis2 haben sie kraft Sachzusammenhangs. 3 Die Gesellschafter können diese Befugnisse auf andere Organe delegieren.4 Ihnen steht es frei, die Geschäftsführerauswahl im Rahmen von § 6 Abs. 2 GmbHG, §§ 134, 138 BGB durch Satzungsregelungen oder Richtlinien an beliebig viele

Eine ausführ!. Darstelhmg vorwiegend zu Personalentscheidungen in der AG, aber auch zu Sonderfragen in der GmbH findet sich bei Krieger, Personalentscheidungen; ferner zu ausgewählten Problemstellungen - insbes. zur Anstellung des GmbH-Geschäftsführers Rittner, OB 1979, S. 973; Säe/cer, BB 1979, S. 1321; Werner, FS Fischer S. 821; Konzen, GmbHR 1983, S. 92; Vollmer, GmbHR 1984,S.5; Oldenburg,DB 1984,8. 1813. 2 Die Trennung von Bestellung und Anstellung ist heute ganz h.M. Aus der Rspr. zuletzt BGH NJW 1989, S. 2683; DB 1991, S. 1065; aus dem Schrifttum etwa G.Hueck, FS Hilger/Stumpf S. 365; di!Ts., 'ZIA 1985, S. 25 ff.; ders. in Baumbach/Hoeck GmbHG § 6 Rn. 13; Zöllner, ebenda § 35 Rn. 7 ff. und 92; Hach/Mertens GmbHG § 35 Rn. 41; Scholz/Schneider GmbHG § 35 Rn. 150 f.; Luuer!HommelhoffGmbHG § 6 Rn. 1 und Anh. § 6 Rn. 1 -allem. zahlr. w.N. auch zur früheren Einheitstheorie; krit. zur Ableitung von Folgerungen aus der Trennungstheorie Baums, Geschäftsleitervertrag S. 8 f., 54 ff. 3 Unstr.; BGH WM 1968, S. 570; 1968, S. 1328; 1970, S. 251; vgl. Zöllner in Baumbach/Hoeck GmbHG § 46 Rn. 24, § 35 Rn. 95, Rowedder/Koppensteiner GmbHG § 35 Rn. 15 nunmehr für die nachträgliche Änderung von Anstellungsbedingungen auch BGH NJW 1991, S. 1680; hierzu Baums, ZGR 1993, S. 141; s. auch Zöllner und Koppensteiner, jew. aaO.,- m. zahlr. Angaben zum früheren Meinungs stand. 4 Rowedder/Koppensleiner GmbHG § 46 Rn. 18, § 45 Rn. 7 ff.; Scholz/K.Schmidt GmbHG § 46 Rn. 72 - auch zum Problem der Übertragbarkeit auf gesellschaftsfremde Drine.

I. Bestellung und Anstellung der Geschäftsführer

19

Voraussetzungen zu knüpfen. 5 Ergänzend zu Auswahlkriterien für die Person des Geschäftsführers können die Gesellschafter auch die Organisation der Geschäftsführertätigkeit durch Satzung, Geschäftsordnung oder Weisungen im Einzelfall selbst ausgestalten.6 Den wohl deutlichsten Eingriff in die Kompetenzstruktur der GmbH bewirkt § 31 MitbestG, der für die Bestellung der Geschäftsführer § 84 AktG für anwendbar erklärt und sie zwingend dem Aufsichtsrat zuweist.7 Das die Geschäftsführerbestellung ergänzende Anstellungsverhälmis wird nach heute ganz überwiegender Auffassung ebenfalls durch den Aufsichtsrat begründet 8 Der Übergang der Personalkompetenz auf den Aufsichtsrat wirft die Frage auf, welche Mitwirkungsrechte den Gesellschaftern bei der Geschäftsführerauswahl verbleiben. Nachfolgend muß zwischen der Bestellung und der Begründung des Anstellungsverhältnisses unterschieden werden.

5 Streit besteht über die Vereinbarkeil von Geschäftsführeramt und Mitgliedschaft im fakultativen Aufsichtsrat, die von der wohl h.M. verneint wird, Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 52 Rn. 17m. zahlr. w.N. A.A. Heuking!Jasper, DStR 1992, S. 1438. Zu Eignungsvoraussetzungen allg.: G. Hueck in Baumbach/Hueck GmbHG § 6 Rn. 8; Hach/Uimer GmbHG § 6 Rn. 8 ff. 6 Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 37 Rn. 7, 10; Scholz/Schneider GmbHG § 37 Rn. 30, 57.

7 Nach allg. M. kann weder die Satzung noch der Aufsichtsrat selbst (s.a. § III Abs. 5 AktG) sie delegieren; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 52 Rn. 184; Raiser MitbestG § 31 Rn. 6. 8 Bis BGHZ 89, 48 ('Reemtsma") ging eine gewichtige Mindermeinung von der Zuständigkeit der Gesellschafter aus: OLG Harnburg DB 1983, S. 330; HoJfmßnn!Neumann, GmbHR 1976, S. 183, 185; Klamroth, BB 1977, S. 305, 310; Fischer GmbHG, 10. Aufl. §52 Rn. 5; Scholz/Schneider GmbHG, 6. Aufl. § 35 Rn. 146; RiJtner, DB 1979, S. 973 ff.; Werner, FS FischerS. 821, 822; Meilicke!Meilicke MitbestG §§ 30, 31 Rn. 9, 10; Buchner, Die Zukunft der GmbH S. 131, 141. Die überwiegende Auffassung hat schon mvor die Anstellungsbefugnis des Aufsichtsrats befürwortet: Fitting!Wiotzke!WißmaM MitbestG § 31 Rn. 35; Hanau/U/mer MitbestG § 31 Rn. 39; Raiser MitbestG §31 Rn. 23; GK-MitbestG/Rump.ff § 30 Rn. 34; Hoffmann!Lehmann!WeinmßM MitbestG § 31 Rn. 31; Hach/Mertens GmbHG § 35 Rn. 102, 223; Zöllner, ZGR 1977, S. 319, 321 f.; Overlack, ZHR 141 (1977), S. 125, 133; Säcker, BB 1979, S. 1321, 1323 f.; ders. bereits in DB 1977, S. 1845, 1847; WiedemaM, BB 1978, S. 5, 8 Fn. 24; G. Hueck, GesR 18. Aufl., § 36 14 b (S. 338); Theisen, Die Aufgabenverteilung in der mitbestimmten GmbH S. 95; ders., DB 1982, S. 265, 266; Krieger, Personalentscheidungen S. 280 ff.; Bardorf, Gesellschaftereinfluß auf die GmbHGeschäftsführung S. 30 ff.; Quast, Geschäftsführung und Leitungsmacht S. 150 ff.; Konzen, GmbHR 1983, S. 92. Heute ist die Auffassung des BGH kaum mehr bestr., a.A. nur Scholz/Schneider GmbHG § 35 Rn. 177 und Eder in GmbH-Handbuch I Rn. 603.10. Die h.M. überzeugt; vgl. außer den oben bereits Genannten Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 35 Rn. 95, § 52 Rn. 185; nwunehr auch Rowedder/Rillner GmbHG Einl. Rn. 229; Koppensteiner, ebendort § 35 Rn. 15; MeyerLandrut/Miller/Niehus GmbHG §§ 35-38 Rn. 218, Meyer-Landrut, ebendort § 52 Rn. 56; 0/denburg, DB 1984, S. 1813; Kittner!Fuchfllßcheri/Köstler, Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat Bd. I Rn. 572; Baums, Der Geschäftsleitervertrag S. 117 ff. 2*

20

§ 1 Bestellung und Anstellung der Geschäftsführer und Organisation ihrer Tätigkeit

ll. Mitwirkung an der Bestellung durch die Statuierung von Eignungsvoraussetzungen

1. Rechtliche und praktische Bedeutung von Eignungsvoraussetzungen Mit der Zuweisung der Personalkompetenz an den Aufsichtsrat entfallen Zustimmungs-, bindende Vorschlags- sowie Weisungsrechte der Gesellschafter in bezog auf die Auswahl des zu bestellenden Geschäftsführers.9 Eine deutlich schwächere Form der Einflußnahme auf die Geschäftsführerauswahl stellt die Statuierung von Eignungsvoraussetzungen in der Satzung dar, die beispielsweise vom zukünftigen Geschäftsführer eine besondere fachliche Qualifikation, ein Mindest- bzw. Höchstalter, eine bestimmte Staatsangehörigkeit, Familien- oder Konzernzugehörigkeit verlangen. 10 Die Zulässigkeil vorgenannter Satzungsbestimmungen wird vornehmlich im aktienrechtlichen Schrifttum diskutiert. Da das MitbestG bei der Bestellung des Leitungsorgans den rechtsformspezifischen Regelungsansatz verläßt und die Personalkompetenz gern. § 31 MitbestG i.V.m. § 84 AktG - dem aktienrechtlichen Grundmuster folgend - in allen mitbestimmten Gesellschaften (mit Ausnahme der KGaA) dem Aufsichtsrat zuweist, ist der zum AktG erreichte Diskussionsstand uneingeschränkt auf die mitbestimmte GmbH übertragbar. Somit sind die Schranken der Einflußnahme auf die Bestellung der Unternehmensleitung bei der AG und der GmbH übereinstimmend festzulegen. 1 1 Vorweggenommen sei, daß die Bestellung eines Geschäftsführers lediglich anfechtbar, nicht aber nichtig ist, wenn dieser satzungsrechtliche Eignungskriterien nicht erfüllt. 12 Nichtig ist der Bestellungsakt nur bei Fehlen einer der in § 6 Abs. 2 GmbHG und § 6 Abs. 2 MitbestG i.V.m. § 105 AktG zum

9 Zur Vorstandsbestellung OLG Köln AG 1988, S. 50; KölnerKomm/Mertens § 84 Rn. 9; He· fermehl in Geßler/Heferrnehl AktG § 84 Rn. 9; Würdinger, Aktienrecht S. 116 m.w.N. Für ein unverbindliches Vorschlagsrecht Dritter oder anderer Gesellschaftsorgane in der Satzung GroßkommAktG/Meyer-Landrut § 84 Anm. 2; Schlegelberger/Qua.r.row.rki AktG § 75 Anm. 3; Hefermehl aaO.; dagegen Lutter/Krieger, Aufsichtsrat§ 411 I a (S. 102 f. Rn. 121); Mertens aaO. 10 Zur praktischen Bedeutung Theisen, Die Aufgabenverteilung in der mitbestimmten GmbH S. 93 f.; Ulmer, Die Anpassung der Satzungen mitbestimmter Aktiengesellschaften an das MitbestG 1976 S. 41. 11 Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 35 Rn. 13; GK-MitbestG/Rwnp.ff § 30 Rn. 26. Geßler, in GmbH-Konzern- Diskussionsbericht- S. 221; Mertens, ZGR 1977, S. 270, 283; nicht eindeutig Hanau/U/mer MitbestG § 31 Rn. 14; A.A. QUDJ't, Geschäftsführung und LeitungsmachtS. 125. 12 Für die Anfechtbarkeil eines unter Außerachtlassung satzungsrechtlicher Eignungsvoraussetzungen gefaSten Bestellungsbeschlusses durch die Gesellschafter G. Hueck in Baumbach/Hueck GmbHG § 6 Rn 8, 20; Scholz/Schneider GmbHG § 6 Rn. 26. Für Nichtigkeit des Bestellungsbeschlusses nur ein Teil des älteren Schrifttums; vgl. Schlegelberger/Quassowski AktG § 75 Anm. 4; Ritter AktG § 70 Rn. 5; M. Luther, FS Rengeier S. 167, 178.

Il. Mitwirkung an der Bestelhmg durch die Statuierung von Eignungsvoraussetmngen

21

Schutz des Rechtsverkehrs normierten Voraussetzungen. 13 Im übrigen begründen satzungsrechtliche Eignungsvoraussetzungen möglicherweise nur die Verpflichtung, die Bestellung des Geschäftsführers zu widerrufen, wenn dieser die satzungsrechtlichen Anforderungen nach seiner Bestellung nicht mehr erfüllt. 14 Schon vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß die Einflußnahme der Gesellschafter mittels Statuierung von Eignungsvoraussetzungen nur beschränkt möglich ist. 2. Gesellschaftsrechtliche Zulässigkeil von Eignungsvoraussetzungen War man sich vor Erlaß des MitbestG über die Zulässigkeil statutarischer Eignungsvoraussetzungen im Grundsatz einig, 15 wird sie nach Erlaß des MitbestG vielfach an strengere Voraussetzungen geknüpft 16 oder aber insgesamt teils aus auch für das GmbH-Recht relevanten aktienrechtlichen, 17 teils aus mitbestimmungsrechtliehen Erwägungen1 8 in Frage gestellt. Die aktienrechtliche Zulässigkeil satzungsrechtlicher Eignungsvoraussetzungen muß sich an§ 23 Abs. 5 AktG messen lassen. Danach sind Satzungsbestimmungen, die die gesetzliche Verfassung der Aktiengesellschaft ergänzen, nur zulässig, wenn das Gesetz sie entweder ausdrücklich vorsieht oder zumindest keine abschließende Regelung trifft. § 76 Abs. 3 AktG nennt gesetzliche Mindestvoraussetzungen, die ein Mitglied des Vorstands erfüllen

13 Unstr. BayObLG ZIP 1993, S. 595, 597; für den nachträglichen Wegfall gesetzlicher Eignungsvoraussetzungen BGHZ 115, S. 78, 80. Einzelheiten bei Hach!Ulmer GmbHG § 6 Rn. 8, 11 ff.; Scholz/SchMitkr GmbHG § 6 Rn. 11 ff., 20 ff. Bei gleichzeitiger Mitgliedschaft im Aufsichtsrat ist die Geschllftsfilhrerbestellung ebenfalls unwirksam; Scholz!Scwider GmbHG § 52 Rn. 175; Geßler in Geßler/Hefermehl AktG § 105 Rn. 6. A.A. Heuking/Jasper, DStR 1992, S. 1438. 14 Rowedder/Koppensteiner GmbHG § 35 Rn. 62; Scholz!Schneitkr GmbHG § 6 Rn. 26; auch allg. Ansicht zum AktG - vgl. A . Hueck in Baumbach/Hoeck AktG § 76 Rn. 9; GroßkommAktG/Meyer-Lalldrut § 76 Anm. 16; Hefermeh/ in Geßler/Hefermehl AktG § 84 Rn. 19. 15 A. Hueck in Baumbach/Hoeck AktG § 76 Rn. 9; GodinJWilhe/mi AktG § 76 Anm. 8; Schlegelberger/Quassowski AktG § 75 Anm. 4; - m. der Einschränkung, daß dem Aufsichtsrat die Wahlfreiheit verbleiben muß: KölnerKomm/Merteru I. Aufl. § 76 Rn. 44; GroßkommAktG!MeyerLalldrut § 76 Anm. 16; Hefermehl in Geßler/Hefermehl AktG § 84 Rn. 19. 16 Hanau/U/mer MitbestG § 31 Rn. 12 ff.; Fitting!Wiotzke!WißmaM MitbestG § 31 Rn. II ff.; Raiser MitbestG § 31 Rn. 9 ff.; nur ganz geringfügige Einschränkungen bei HoffmaM!Lehmann!WeinmaM MitbestG § 31 Rn. 25 f. 17 Homnu!lhoff, BB 1977, S. 322; Krieger, Personalentscheidungen S. 13 ff.; Lutter/Krieger, Aufsichtsrat § 4 II 2 b (S. 106 f. Rn. 126); KölnerKomm/Merteru § 76 Rn. 117 f.; KittMr!Fuchs!Zachert!Köstler, Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat Bd. 1 Rn. 545. 18 Föhr in MitbestG'76 § 31 Rn. 16 f.; ders., MitbestGespr. 1977, S. 131, 132; GKMitbestG!Naelldrup § 25 Rn. 105; tkrs., AuR 1977, S. 225, 268, 271 ; Säcker, AnpassungS. 13 f.; ders., DB 1977, S. 1791, 1792 f.; Theisen, Die Aufgabenverteilung in der mitbestimmten GmbH S. 93; Bardorf, Gesellschaftereinfluß auf die GmbH-GeschäftsführungS. 38 ff., 42.

§ 1 BesteiiWlg Wld AnstellWlg der Geschäftsführer Wld Organisation ihrer Tätigkeit

22

muß. Angesichts der unterschiedlichen Funktion gesetzlicher und satzungsrechtlicher Eignungsvoraussetzungen kann der abschließenden Aufzählung gesetzlicher Eignungsvoraussetzungen nicht entnommen werden, ob das AktG die Aufstellung zusätzlicher Anforderungen in der Satzung gestattet. 19 Dies hängt allein davon ab, ob mit der Zuweisung der Bestellungskompetenz an den Aufsichtsrat das Recht einhergeht, die geeignete Person ohne bindende Vorgaben von seiten der Gesellschafter auszuwählen.

a) Gesellschaftereinfluß auf die Personalauswahl Der Gesetzgeber hat die Bestellung des Vorstands im AktG 1937 dem Aufsichtsrat u.a. deshalb übertragen, weil er die Hauptversammlung im Hinblick auf die Vielzahl nur kapitalmäßig beteiligter Anteilseigner und angesichts der damit verknüpften Gefahr ständig wechselnder Mehrheiten nicht für geeignet hielt, die zur Leitung der Gesellschaft befahigten Führungskräfte auszuwählen.20 Die Befugnis der Gesellschafter, auf die Auswahlentscheidung mittels statutarischer Eignungsvoraussetzungen Einfluß auszuüben, war bis zum Erlaß des AktG 1965 allgemein anerkannt21 und wurde auch bei Erlaß des geltenden AktG nicht in Frage gestellt.22 In § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG hat der Gesetzgeber einen gewissen - wenn auch nicht statutarischen - Gesellschaftereinfluß auf die Personalauswahl zum Ausdruck gebracht.23 Nach dieser Vorschrift berechtigt ein Vertrauensentzug durch die Anteilseigner den Aufsichtsrat zur Abberufung des Vorstands, sofern der Vertrauensentzug nicht auf offenbar unsachlichen Gründen beruht. In dieser Norm kommt eine gewisse institutionelle Absicherung von Aktionärsinteressen zum Ausdruck, die gewährleistet, daß die Unternehmensleitung auch das Vertrauen der Hauptversammlung genießt. 24 Da sich der Gesetzgeber bei Erlaß des§ 84 Abs. 3 Satz 2 AktG erkennbar auf den Boden der damals in ebendiese Richtung gehenden herrschenden Auffassung im Schrifttum gestellt hat, kann dieser Norm kein abschließender Charakter beigemessen werden.25 In ihr kommt vor allem die besondere Bedeutung zum Ausdruck, die das Vertrauen der Aktionäre in die Unternehmensleitung gefunden hat. Das Gewicht, das der Gesetzgeber dem 19 Abw. Geßler, FS Luther S. 69. 79. 2 Kropff, Aktiengesetz S. 105, vgl. auch Schlegelberger/Quassowski AktG 1937 § 75 Anm. 1. 21 GroßkommAktG/W. Schmidt 2. Aufl. § 75 Anm. 7; Godin!Wilhelmi AktG 2. Aufl. § 75 Anm. 5; Schlegelberger/Quassowski AktG § 75 Anm. 4; Riller AktG § 70 Rn. 5. 22 Ausführlich mr historischen Entwicklung Krieger, Personalentscheidungen S. 14 ff. 23 In Obereinstimmung mit der damals allgemein anerkannten Auffassung: BGHZ 13, S. 188, 192 f.; A.H~Uck in Baumbach/Hueck AktG 12. Aufl. § 75 Rn. 5 C; Begr. RegE bei Kropff, Aktiengesetz S. 106; zahlreiche Nachweise bei Säcker, FS G. MüllerS. 745, 748 Fn. 8. 24 A. Hueck in Baumbach/Hueck, AktG § 84 Rn. 14. 25 So aber Hommelhoff, BB 1977, S. 322, 325.

°

II. Mitwidtung an der Bestelhmg durch die Statuierung von Eignungsvoraussetlllßgen

23

Vertrauen der Gesellschafter beigemessen hat, spricht für die Anerkennung der umstrittenen Befugnis, schon vor der Bestellung mittels statutarischer Festlegung von Eignungsvoraussetzungen auf die Personalauswahl Einfluß zu nehmen. b) Bindungswirkung von Eignungsvoraussetzungen Nach verbreiteter Auffassung im Schrifttum ist die Statuierung von Eignungskriterien in der Satzung mit der Maßgabe zulässig, daß die Gesellschafter den Aufsichtsrat bei der eigenverantwortlichen Auswahlentscheidung nicht unverhältnismäßig einengen dürfen. 26 Die Grenze der Gestaltungsfreiheit wird überwiegend danach bestimmt, ob mehrere Bewerber den satzungsrechtlichen Anforderungen gerecht werden und dem Aufsichtsrat eine Auswahlentscheidung verbleibt 27 Diese Grenzziehung überzeugt nicht,28 weil dem Aufsichtsrat im Einzelfall als Bestellungsorgan die letztverbindliche Entscheidung verbleiben muß, ob ein Bewerber neben den satzungsmäßigen auch die sonstigen, für die Unternehmensführung erforderlichen Qualifikationen mitbringt. Ein Teil der - vorwiegend mitbestimmungsrechtliehen - Literatur stellt darauf ab, ob Eignungsvoraussetzungen sachbezogen sind und nicht gegen das Unternehmensinteresse verstoßen. 29 Mit dieser Einschränkung ist wenig gewonnen, da die Konkretisierung des Unternehmensinteresses erhebliche Schwierigkeiten bereitet.3° Die Grenze dürfte vielmehr erst überschritten sein, wenn eine Regelung unter keinem Gesichtspunkt dem Unternehmen förderlich ist. Für diese Schranke der Satzungsautonomie bedarf es keines Rückgriffs auf das "Untemehmensinteresse". Es dürfte im Ergebnis einhellige Meinung sein, daß die Personalauswahl statutarisch nicht an sachwidrige Entscheidungskriterien gebunden werden kann. Die Satzung darf den Aufsichtsrat nicht verpflichten, seine Personalauswahl an sachwidrigen Entscheidungskriterien zu orientieren, weil für den Aufsichtsrat die Beachtung der ihm gern. §§ 116, 93 AktG zugewiesenen Sorgfaltspflicht, seine Aufgaben wie ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter wahrzunehmen, zwingend ist und ihn die Sat26 Für die AG: Wiesner in MünchHandb.GesR AG § 20 Rn. 6; Hefermehl in Geßler/Hefennehl AktG § 84 Rn. 19; Hiiffer AktG § 77 Rn. 26; GroßkommAktG/Meyer-Landrul § 76 Anrn. 16; Henn, Handbuch rum Aktienrecht § 18 Rn. 532; für die mitbestimmte GmbH: Hach/U/mer MitbestG § 6 Rn. 15; Mertens, AG 1976, S. 113, 120 f.; Scho1z/Schneider GmbHG § 6 Rn. 25. 27 Besonders deutlich Friet:kwald, Die personalistische Aktiengesellschaft S. 85. 28 May, Die Sicherung des FamilieneinOusses auf börsennotiene Aktiengesellschaften S. 99. 29 Hanau/U/mer MitbestG § 31 Rn. 13; Raiser MitbestG § 31 Rn. 9; Scholz!Schneider GmbHG § 6 Rn. 25; vgl. auch Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 35 Rn. 13; Fitting!Wlotzlc.e!WißmaM MitbestG § 31 Rn. II, 13. 30 Ausführlich zum Unternehmensinteresse unten § 3 V.

24

§ 1 Bestellwtg wtd Anstellung der Geschäftsführer und Organisation ihrer Tätigkeit

zung von dieser Verpflichtung nicht entbinden kann. 31 Mit der Verantwortung des Aufsichtsrats gegenüber der Gesellschaft, eine am Wohl der Gesellschaft orientierte Auswahl der Unternehmensleitung zu treffen, ist eine strikte Rechtspflicht des Aufsichtsrats zur Beachtung von Eignungsvoraussetzungen im Sinne einer Folgepflicht unvereinbar.32 Diesbezüglich nicht überzeugend ist die Auffassung .Kriegers33 , der Eignungsvoraussetzungen als antizipiertes Mißtrauensvotum einordnet. Daraus folgert er, daß Eignungsvoraussetzungen - als "vorbeugender" Vertrauensentzug, der sich gegen eine Gruppe von Bewerbern richtet, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen - ebensowenig zwingend vom Aufsichtsrat beachtet werden müssen wie ein nachträglicher Vertrauensentzug durch die Gesellschafter, der den Aufsichtsrat lediglich zur Abberufung berechtigt, aber nicht verpflichtet. Eignungsvoraussetzungen und Vertrauensentzug sind jedoch von unterschiedlicher Qualität. Der Vertrauensentzug ist immer gegen eine konkrete Person gerichtet und kann aus diesem Grund keine verbindliche Wirkung für den Aufsichtsrat haben. 34 Die satzungsmäßige Vorwegnahme personeller oder geschäftspolitischer Entscheidungsabläufe ist hingegen in keinem Fall unternehmensnotwendig.35 Sie steht vielmehr außerhalb der legitimen unternehmensrechtlichen Funktion der Satzung und bindet infolgedessen die Arbeitnehmervertreter nicht. Die Abgrenzung eines unternehmensrechtlich notwendigen Regelungsbereichs der Satzung von einem unternehmensrechtlich nicht notwendigen Regelungsbereich36 ist aber im Gesetz nicht angelegt. Zudem widerspricht die Differenzierung zwischen Arbeitnehmer- und Anteilseignervertretern in Bezug auf die Bindungswirkung der Satzung dem Homogenitätsprinzip.37 Die Verantwortung des Aufsichtsrats für eine pflichtgemäße Auswahl des Leitungsorgans hat grundsätzlich Vorrang vor etwaigen Sonderinteressen der Aktionäre. Doch ist der Aufsichtsrat mit Rücksicht auf die gesetzliche Anerkennung, die das Vertrauen der Anteilseigner in die Unternehmensleitung in § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG gefunden hat, gehalten, die Vorstellungen der Gesellschafter von der Eignung eines Geschäftsleiters zu berücksichtigen. Er kann 31 Der Gedanke wird angedeutet bei Hanau/U/mi!r MitbestG § 31 Rn. 13. 32 BallerstedJ, ZGR 1977, S. 133, 156; ähnlich auch Lutter/Krieger, Aufsichtsrat§ 4 li 2 b, c (S. 105 ff. Rn. 126, 127); KölnerKomm/Mertens § 84 Rn. 9, § 76 Rn. 117. 33 Personalentscheidungen S. 17. 34 Wank, ZHR 147 (1983), S. 73, 74. 35 KölnerKomm/Mertens § 84 Rn. 9, § 76 Rn. 117. 36 Vgl. Mertens, ZGR 1977, S. 270,287 f. 37 Hanau/U/mi!r MitbestG § 31 Rn. 12: Kanavelis, Die Funktion des mithestimmten Aufsichtsrats S. 54.

li. Mitwirkung an der Bestellung durch die Statuierung von Eignungsvoraussetzungen

25

sie nur aus sachlichem Grund nach pflichtgemäßer Abwägung im Einzelfall übergehen, wenn er es zum Wohl des Unternehmens für erforderlich erachtet.38 In die Abwägung wird er u.a. einbeziehen müssen, ob den in der Satzung normierten Eignungsvoraussetzungen ein berechtigtes Interesse der Aktionäre zugrundeliegt, welche Eignung für die zu besetzende Stelle erforderlich ist und welche Kandidaten für das zu besetzende Amt in Betracht kommen. Satzungswidrig ist der Beschluß des Aufsichtsrats nur dann, wenn er sich ohne sachlichen Grund über satzungsrechtliche Eignungsvoraussetzungen hinwegsetzt.

3. Mitbestimmungsrechtliche Zulässigkeit von Eignungsvoraussetzungen Eignungsvoraussetzungen müssen generell mit der Rechtsordnung in Einklang stehen. Ein absoluter Ausschluß Gewerkschaftsangehöriger vom Geschäftsführeramt wäre beispielsweise kaum mit der über §§ 242, 138 BGB in das Privatrecht einfließenden Wertung des Art. 9 Abs. 3 GG vereinbar. 39 Insbesondere vermögen Eignungsvoraussetzungen den Aufsichtsrat nur zu binden, wenn sie nicht gegen das MitbestG verstoßen. Im Grundsatz ist mit dem BVerfG allerdings davon auszugehen, daß gesellschaftsrechtlich zulässige Satzungsbestimmungen, die keinen Verstoß gegen ausdrückliche Vorschriften im MitbestG erkennen lassen, mit dem MitbestG vereinbar sind, solange sie nicht dazu dienen, das im MitbestG angelegte leichte Übergewicht der Allteilseignerseite unzulässig zu verstärken. 40 Der Gesetzgeber hat der gleichberechtigten Beteiligung der Vertreter der Anteilseigner- und Arbeitnehmerseite bei der Bestellung des Unternehmensleitungsorgans besonderes Gewicht beigemessen. Dies hat sich vor allem in der Regelung des auf Ausgleich bedachten und deshalb kompliziert ausgestalteten Bestellungsverfahrens gern. § 31 Abs. 2 - 4 MitbestG niedergeschlagen.41 Doch hat das MitbestG den Anteilseignervertretern im Aufsichtsrat ein gewisses Übergewicht bei der Entscheidungsfinduns eingeräumt. Der - regelmäßig von der Anteilseignerseite bestimmte - Aufsichtsratsvorsitzende kann bei der 38 39

Lutter/Krieger, Aufsichtsrat§

4 II 2 b, c (S. 105 ff. Rn. 126, 127).

So aber Hoffmann!Lehmann!WeinmtJnn, MitbestG § 31 Rn. 26 und § 33 Rn. 42. 1m Ansatz auch Hanau/UI~Mr MitbestG § 31 Rn. 14. Wie hier Fitting!Wiotzlu!Wißmann MitbestG § 33 Rn. 18; Raiser MitbestG § 31 Rn. 11; Kanavelis, Funktion des mitbestimmten Aufsichtsrats S. 55.

40 Vgl. BVerfGE 50, S. 290, 324; eine gute Zusammenfassung der tragenden Gründe Martens, 1983, 329, 337; Besprechungen: Marlens, ZGR 1979, S. 494; Rehbinder, ZGR 1979, S. 471, 488 f., 490; Raiser, JZ 1979, S. 489; Rittner, JZ 1979, S. 743; Ul~Mr, BB 1979, S. 398, 399; Wen· deling-Schroeder!Spielur, NJW 1981, S. 145, 149. 41 Zur Bedeutung von Verfahrensregeln BVerfGE 50, S. 290, 351.

JuS

26

§ I Bestellung und Anstellung der Geschäftsführer und Organisation ihrer Tätigkeit

Geschäftsführerbestellung, wenn das im MitbestG vorgesehene zweistufige Verfahren zur Einigung auf einen Bewerber scheitert, auf der dritten Verfahrensstufe den von ihm favorisierten Bewerber mittels seiner Zweitstimme durchsetzen. Hinzu kommt, daß auch in mitbestimmten Gesellschaften die Abberufung der Geschäftsleitung auf einen Vertrauensentzug durch die Gesellschafter gestützt werden darf. Der Fortbestand des gesetzlich gewährleisteten Gesellschaftereinflusses in mitbestimmten Gesellschaften spricht dafür, den Gesellschaftern einer mitbestimmten Kapitalgesellschaft auch auf satzungsrechtlicher Ebene eine Einflußnahme auf Personalentscheidungen zu ermöglichen. Der Zulässigkeil von Eignungsvoraussetzungen steht auch § 100 Abs. 4 AktG nicht entgegen. 42 Diese Vorschrift statuiert das durch die Rechtsprechung43 entwickelte Verbot, in der Satzung Voraussetzungen für die Wählbarkeit von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat aufzustellen. Das gilt sowohl für den Regelfall, daß die Arbeitnehmervertreter von der Belegschaft unmittelbar oder mittelbar über Delegierte ohne Einschaltung der Hauptversammlung bzw. Gesellschafterversammlung gewählt werden (so nach dem MitbestG, BetrVG 52 und MitbestErgG), als auch für den besonderen Fall der Wahl durch die letztere (so nach dem MontanMitbestG). Diese ist dabei an Wahlvorschläge der Betriebsräte als Repräsentanten der Belegschaft gebunden, die ihrerseits nicht Organ der Gesellschaft ist und deshalb keine Einschränkung ihrer Wahlfreiheit durch die Satzung hinnehmen muß. Diese Überlegung ist auf die Bestellung der Mitglieder des Geschäftsleitungsorgans durch den Aufsichtsrat nicht übertragbar. Die Bestellung der Geschäftsführer ist vielmehr pflichtgebundenes Organhandeln, das nicht nur gesetzlichen, sondern auch satzungsrechtlich zulässigen Anforderungen gerecht werden muß. 44 Der Aufsichtsrat hat in gewisser Weise durch die ihm übertragene Funktion als Mitbestimmungsträger einen Bedeutungswandel erfahren. Die unmittelbare Beteiligung von Arbeitnehmervertretern bei der Entscheidung über die Auswahl der Unternehmensleitung schafft Diskussions- und Begründungszwänge innerhalb des Aufsichtsrats, die möglicherweise seine Bereitschaft fördern, sich aus sachlichen Gründen über eine statutarische Eignungsklausel hinwegzusetzen. Dieser ihm verbleibende Entscheidungsspielraum stellt sicher, daß trotz der Pflicht, satzungsmäßige Eignungsvoraussetzungen in die Entscheidung einzubeziehen, auch das Interesse an der Bestellung einer qualifizierten Unternehmensführung ausreichend Berücksichtigung findet. 42 Hanau/U/mer MitbestG § 31 Rn. 12; Quast, Geschäftsführung und Leitungsmacht S. 124; a.A. Reuler, AcP 1979, S . 509, 529; Säe/cer, DB 1977, S. 1791, 1792 f.; Bardorf, Der Gesellschaftereinfluß auf die GmbH-GeschäftsführungS. 42 f.; GK.MitbestG/Naendrup § 25 Rn. 105. 43 BGHZ 39, S. 116, 122. 44 Flume, Die juristische Person§ 2 VII 2 (S. 53).

II. Mitwidcung an der Bestellung durch die Sla!Uienmg von Eignungsvoraussetzungen

27

4. "Familienzugehörigkeit" als Beispiel einer satzungsmäßigen Eignungsvoraussetzung

An vorstehende Erwägungen anknüpfend soll als Beispiel die Bindungswirkung einer Satzungsbestimmung erörtert werden, die vom Geschäftsführer die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie verlangt. Auch in mitbestimmten Gesellschaften kann die Satzung als Sollvorschrift das Erfordernis einer bestimmten Familienzugehörigkeit aufstellen. 45 Der Aufsichtsrat hat dann eigenverantwortlich zu entscheiden, ob es sachliche Gründe gibt, sich über dieses Erfordernis hinwegzusetzen. Mit welchem Gewicht der Aufsichtsrat die Familienzugehörigkeit als Auswahlkriterium in seine Entscheidungsfindung einfließen lassen muß, ist keiner abstrakten Definition zugänglich. Dies hängt vielmehr im Einzelfall davon ab, wie stark der familiäre Charakter die Struktur der Gesellschaft prägt, mit welchen Aufgaben das zu besetzende Geschäftsführeramt verknüpft ist, welche Eignung Familienmitglieder mitbringen, welche Alternativen für die Besetzung des Geschäftsführeramts in Betracht kommen und ob dem familiengeprägten Charakter durch die Präsenz eines Familienmitglieds in der Geschäftsleitung schon Rechnung getragen ist. Anband von Grenzfallen läßt sich der Entscheidungsrahmen des Aufsichtsrats nur grob aufzeigen: Stellt die Satzung in einer Familiengesellschaft das Erfordernis auf, einen von mehreren Sitzen im Geschäftsführungsorgan vorrangig mit einem Familienmitglied zu besetzen, wird sich ein pflichtgemäß handelnder Aufsichtsrat kaum darüber hinwegsetzen können, sofern keine gewichtigen Bedenken gegen die Eignung der Kandidaten bestehen. Haben die Gesellschafter zudem noch einen Geschäftsbereich ohne nennenswerte Befugnisse eingerichtet, der die Repräsentation eines Familienmitglieds in der Geschäftsleitung gewährleisten soll, wird es regelmäßig für den Aufsichtsrat keinen sachlichen Grund geben, stattdessen ein Nichtfamilienmitglied in die Geschäftsleitung zu berufen. Umgekehrt ist die Familienzugehörigkeit als Auswahlkriterium praktisch bedeutungslos, wenn es sich nicht um eine Familiengesellschaft handelt. 46 Über eine satzungsrechtliche Vorgabe, die Unternehmensleitung insgesamt oder überwiegend mit Familienmitgliedern zu besetzen, darf sich der Aufsichtsrat regelmäßig hinwegsetzen, weil es bei der Entscheidung über die Befähigung zur Unternehmensleitung eine Vielzahl anderer Kriterien gibt, die für seine Auswahlentscheidung entscheidungserheblich sein müssen. Durch eine Familienklausel wird der Aufsichtsrat folglich nicht gezwungen, ungeeignete Kandidaten zu bestellen, sondern nur verpflichtet, berechtig45 Hanau/U/m.er MitbestG § 31 Rn. 15; a.A. Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 35 Rn. 13. 46 Hanau/U/m.er MitbestG § 31 Rn. 14.

28

§ 1 Bestellung und Anstellung der Geschäftsführer und Organisation ihrer Tätigkeit

te Interessen an der Präsenz von Familienmitgliedern zu berücksichtigen. Im Einzelfall kann sich sein Ermessen dann auf eine Verpflichtung reduzieren, wenigstens ein Familienmitglied in die Unternehmensleitung zu berufen.

111. Richtlinien für Anstellungsverträge Gegenstand anstellungsvertraglicher Vereinbarungen können nicht nur die Ausgestaltung der persönlichen Rechtsstellung des Geschäftsführers, sondern auch Art und Umfang der von ihm als Gesellschaftsorgan wahrzunehmenden Aufgaben sein. 1. Anstellungsbedingungen In welchem Umfang die Gesellschafter in mitbestimmten GmbH noch befugt bleiben, durch Richtlinien den Inhalt eines Anstellungsvertrages in Bezug auf die persönliche Rechtsstellung des Geschäftsführers mit verbindlicher Wirkung für den Aufsichtsrat vorwegzunehmen, muß sich daran messen lassen, ob entsprechende Vorgaben mit der Personalkompetenz des Aufsichtsrats vereinbar sind. Überwiegend werden Richtlinien generell für zulässig erachtet, wenn dem Aufsichtsrat noch ein gewisser Beurteilungsspielraum verbleibt. 47 Nur vereinzelt wird die Zulässigkeil von Richtlinien generell abgelehnt. 48 Krieger49 differenziert zwischen der Unzulässigkeil der Richtlinien in der AG einerseits und der Zulässigkeil in der GmbH auf der anderen Seite. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung dieser Frage gibt es nicht. Aus der fehlenden Verweisung im MitbestG auf§ 87 AktG, wonach Vergütungsvereinbarungen mit dem Vorstand angemessen sein müssen, kann im Umkehrschluß nicht gefolgert werden, daß in der mitbestimmten GmbH die Gesellschafter über die

47 Hanau/U/mer MitbestG § 31 Rn. 40; Raiser MitbestG § 31 Rn. 25a; Fittillg!Wiolzke!WijJmann MitbestG § 31 Rn. 35; Luller/Krieger, Aufsichtsrat § 9 IV 2 (S. 262 Rn. 34 f.); Konzen, GmbHR 1983,92, 97; Hach/Mertens GmbHG § 35 Rn. 103; 0/denburg, DB 1984, S. 1813, 1814; generell bejaht wird die Zulässigkeil von Richtlinien von Scholz/Schneider GmbHG § 35 Rn. 177; Spieker, Der Aufsichtsrat der mitbestimmten Montan-GmbH, S. 82. Die Richtlinienkompeu:nz der Aktionäre befürworten ausdrücklich Konzen, aaO.; Geßler in Geßler/Hefermehl AktG § 84 Rn. 40; Hüffer AktG § 87 Rn. 2; Hanau/U/mer MitbestG § 31 Rn. 40; Hoffmann, Der Aufsichtsrat Rn. 223; Overlack, ZHR 141 (1977), S. 125, 134; Möhring/Schwartz/Rowedder/Haber/andl, Die Aktiengesellschaft und ihre Satzung S. 70. 48 Föhr in MitbestG'76 § 31 Rn. 24; Theisen, DB 1982, S. 265, 266; wohl auch MeyerLandrui/Miller/Niehus GmbHG §§ 35-38 Rn. 218. 49 Krieger, Personalentscheidungen S. 165 f. und 288; wohl auch Lutter/Krieger, Aufsichtsrat § 4 IV 2 (S. 125 Rn. 148) sowie§ 91V 2 (S. 262 Rn. 342).

29

III. Richtlinien für AnsteiiWlgsverträge

Angemessenheil der Geschäftsführervergütung zu entscheiden hätten.5° Diese zu beurteilen ist vielmehr Pflichtaufgabe des GmbH-Aufsichtsrats, der dabei die ihm gern. § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG i.V~m . §§ 93 Abs. 1 Satz 1, 116 AktG obliegende Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu wahren hat und deshalb mit dem Geschäftsführer keine unangemessen hohe Vergütung vereinbaren darf. Zumindest mittelbar findet § 87 AktG also auf alle mitbestimmten Gesellschaften Anwendung.5 1 Doch ist andererseits weder dem MitbestG noch dem AktG zu entnehmen, daß es den Gesellschaftern nicht gestattet sein soll, eigene Vorstellungen vom Inhalt angemessener Anstellungsbedingungen zum Ausdruck zu bringen. Richtungweisend ist das zutreffende Argument des BGH, die Angemessenheil der Anstellungsbedingungen könne nur das Gesellschaftsorgan beurteilen, dem die Auswahl des Geschäftsführers obliegt.52 Aufgrund von§ 31 MitbestG ist es den Gesellschaftern nicht gestattet, eine Personalentscheidung des Aufsichtsrats durch die Vereinbarung unangemessener Anstellungsbedingungen zu konterkarieren. Das Bestellungsorgan selbst muß folglich befugt sein, den Vertragsinhalt mit dem zukünftigen Geschäftsführer eigenverantwortlich auszuhandeln und dabei ggf. auch von Vorgaben der Gesellschafter abzuweichen.53 Richtlinien zeigen dem Aufsichtsrat somit zwar auf, welche Anstellungsbedingungen die Gesellschafter für angemessen halten und veranlassen ihn, sich mit Vorstellungen der Gesellschafter eingehend zu befassen.54 Kommt es im Einzelfall aber zwischen den Gesellschaftern und dem Aufsichtsrat zu einem Streit über die Anstellungsbedingungen, so entscheidet letztlich der Aufsichtsrat. Allerdings werden die Aufsichtsratsmitglieder gegebenenfalls darlegen müssen, daß sie die ihnen gesetzlich obliegende Sorgfaltspflicht nicht durch unangemessene vertragliche Vereinbarungen verletzt haben.

50 Krieger, aaO. S. 288 (Fn. 49); Lutter/Krieger, aaO. § 9 IV 2 (S. 262 Rn. 342) (Fn. 49); grundsätzlich zustimmend Konzen, GmbHR 1983, S. 92, 97. Konzen, aaO. hält aber auch die Aktionäre für befugt, Rahmenrichtlinien in die Satzung aufzWlehmen. 51

BGHZ 89, S. 48, 57; Hach/Mertens GmbHG § 35 Rn. 114, Hanau/U/mu MitbestG § 31 Rn. beide für die analoge AnwendWlg des § 87 AktG in der GmbH. Ferner Konzen, aaO.(Fn. 50); Theisen, DB 1982, S. 265, 266.

40;

52 53

BGHZ 89, S. 48, 53 f.

Für die AG KölnerKomm/Mertens § 84 Rn. 49; Krieger, Personalentscheidungen S.

166.

5 4 KölnerKomm/Mertens Vorb. § 76 Rn. 18 spricht in diesem Zusammenhang von einer beschränkten Relativierung satzWlgsmäßiger ErmessensbindWlgen.

30

§ I Bestellung IDld Anstellung der Geschäftsführer und Organisation ihrer Tätigkeit

2. Ausgestaltung der Geschäftsführertätigkeit Die Bestellung gestaltet die Rechtsbeziehungen des Geschäftsführers korporationsrechtlich, der Anstellungsvertrag schuldrechtlich. Beide Rechtsverhältnisse kann man ohne weiteres auseinanderhalten, wenn ansteilungsvertragliche Vereinbarungen keinerlei Bezüge zur Organstellung des Geschäftsführers aufweisen, z.B. ausschließlich Fragen der Vergütung, der Urlaubsgewährung oder der Altersversorgung betreffen.55 In der Praxis gebräuchlich sind allerdings auch solche dienstvertragliehen Gestaltungen, die den Aufgabenbereich des Geschäftsführers konkretisieren und damit gewisse Bezüge zur Organstellung des Geschäftsführers aufweisen.56 Für die Ausgestaltung der Organstellung des Geschäftsführers sind primär die Gesellschafter zuständig, die nicht nur befugt sind, die Geschäftsführung zu organisieren, sondern auch weitgehend den Rahmen eigenverantwortlicher Geschäftsführertätigkeit vorgeben können. 57 Ohne das Einverständnis der Gesellschafter oder eine Übertragung entsprechender Kompetenzen ist der Aufsichtsrat nicht befugt, mit dem Geschäftsführer verbindliche Vereinbarungen zu treffen, die den Inhalt seiner Geschäftsführungstätigkeit regeln; 58 allein dem Arbeitsdirektor kann der Kernbereich sozialer und personeller Zustständigkeiten übertragen werden, weil es sich dabei nur um eine Wiederholung der gesetzlichen Regelung handelt. Die aufgrund des Sachzusammenhangs zwischen Bestellung und Anstellung bestehende Zuständigkeit des Aufsichtsrats für den Abschluß des Anstellungsvertrages erstreckt sich nur auf die Ausgestaltung der persönlichen Rechtsstellung des Geschäftsführers, insbesondere auf die Vereinbarung der Gegenleistungen für die von ihm zu erbringende Tätigkeit. Schuldrechtliche Vereinbarungen, die die Organstellung betreffen, sind von der dem Aufsichtsrat gern. §§ 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG i.V.m. 112 AktG zugewiesenen gesetzlichen Vertretungsmacht nicht umfaßt. Der Geschäftsführer kann und muß sich über die innergesellschaftliche Willensbildung informieren und muß sich deshalb mangels Schutzbedürftigkeit das Fehlen der internen Zuständigkeit des Aufsichtsrats für die Ausgestaltung der Geschäftsführertätigkeit entgegenhalten lassen.59 Entsprechende Vereinbarungen zwischen Aufsichtsrat und den Geschäftsführern können deshalb

55 56

Vgl. Zöllner in Bawnbach/Hueck GmbHG § 35 Rn.

96.

Fleck, ZGR 1988, S. 105, 131 f.; Höhn, Die Geschäftsleitung der GmbH S. Rechte und Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH S. 13 ff.

40 f.;

Sudhoff,

57 Zu den Schranken unten §§ 2, 3. 58 Hach/Mertens GmbHG § 35 Rn. 89; Hoffmannluhmann!WeinrNJM MitbestG § 30 Rn. 28; a.A. Filling!Wlotzke!WißrNJnn MitbestG § 30 Rn. 40, 43, § 31 Rn. 39. 59 Enger Luller!Hof7'11MlhoffGmbHG § 35 Rn. 15; für Vertretungshandlungen des Geschäftsführers Zöllner in Bawnbach/Hueck GmbHG § 37 Rn. 23.

IV. Organisation der GeschäftsführenJitigkeit in einer Geschäftsordnung

31

wirksam nur im Rahmen der Satzung60 mit Zustimmung des im Innenverhältnis zuständigen Gesellschaftsorgans -·regelmäßig der Gesellschafterversammlung - getroffen werden. Die Erfüllung der wegen Kompetenzüberschreitung auf seiten des Aufsichtsrats unwirksamen anstellungsvertraglichen Zusagen kann der Geschäftsführer nicht verlangen. 61 Hat der Aufsichtsrat das Vertrauen des Geschäftsführers in die Wirksamkeit einer Zusage erweckt, kann dieser sein Amt niederlegen, den Anstellungsvertrag kündigen und Ersatz eines ihm entstandenen Vertrauensschadens beanspruchen.62

IV. Organisation der Geschäftsführertätigkeit in einer Geschäftsordnung 1. Funktion einer Geschäftsordnung Wegen der zwingend vorgeschriebenen Bestellung eines Arbeitsdirektors in der mitbestimmten GmbH gehören dem Geschäftsführungsorgan mindestens zwei Personen an. Abgesehen davon finden sich bei mitbestimmten und damit großen GmbH mehrere Geschäftsführer. Bei komplexer Aufgabenverteilung und Organisation der Zusammenarbeit mehrerer Geschäftsführer kann es empfehlenswert sein, Regelungen in einer Geschäftsordnung niederzulegen. Gesetzlich erwähnt ist sie nur in § 33 Abs. 2 Satz 2 MitbestG als Regelungsinstrument, die Tätigkeit des Arbeitsdirektors näher auszugestalten. Die Vorschrift begründet keinen Zwang, eine Geschäftsordnung zu erlassen.63 Es hängt vielmehr allein von der konkreten Gesellschaftsstruktur ab, ob eine 60 Allg. für den Vorrang der Satzung geg~über schuldrechtlichen Vereinbarungen Hach/Mertens GmbHG § 35 Rn. 91; Höhn, Die Geschäftsleitung der GmbH S. 41; Rowedder/Koppensteiner GmbHG § 35 Rn. 68; Sudhoff, Rechte und Pflichten des GmbH-Geschäftsführers S. 36 f. Differenzierend Lutter/Hommelhof!GmbHG Anh. § 6 Rn. 15; van Venrooy, GmbHR 1982 S. 175, 178, der schuldrechtlichen Vereinbarungen Wirksamkeit beimißt, aber insoweit einen Erfüllungsanspruch verneint. - Vgl. auch die grundsätzlichen Überlegungen zur Unwirksamkeit schuldrechtlicher Vereinbarungen über die gesellschaftsrechtliche Zuständigkeitsordnung bei Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), S. 483,487,512. 61 Oben Fn. 52.

62 Zur nachträglichen Beschränkung anstellungsvertraglich eingeräumter Geschäftsführerbefugnisse OLG Frankfurt GmbHR 1993, S. 288. 63 Bardorf, Der Gesellschaftereinfluß auf die GmbH-Geschäftsführung S. 48 f.; Fitting!Wlotzu!Wißmann MitbestG § 33 Rn. 31; GK-MitbestG/Rumpff § 33 Rn. 51; Hoffmann, BB 1977, 17, 20; Hoffmann/Lehmann!Weinmann MitbestG § 33 Rn. 49; Roth GmbHG § 37 Arun. 3; Schneider, FS Mühl S. 633, 639 f.; f.d. AG: KölnerKomm/Mertens § 77 Rn. 49; a.A. Hanau/Ulmer MitbestG § 33 Rn. 38; Kieser in MitbestG'1976 § 33 Rn. 110; Säe/ar, Anpassung von Satzungen und Geschäftsordnungen an das Mitbestimmungsgesetz 1976 S. 19 Fn. 29; Wendeling-Schroeder, Divisionalisierung, Mitbestimmung und TarifvertragS. 60; Wlotzu!Wißmann, OB 1977, S. 1262, 1265.

32

§ 1 Bestellung und Anstellung der Geschäftsführer und Organisation ihrer Tätigkeit

tatsächlich praktizierte Verfahrensordnung der schriftlichen Form bedarf.64 Insbesondere in einer Gesellschaft mit nur zwei Geschäftsführern ist es auch ausreichend, wenn sich eine Organisationsstruktur stillschweigend herausgebildet hat. 2. Form und Inhalt einer Geschäftsordnung Die Gesellschafter sind angesichts ihres umfassenden Einflusses auf die Geschäftsführung primär zuständig, den Inhalt der Geschäftsordnung in der Satzung oder durch einfachen Gesellschafterbeschluß zu bestimmen.65 Der zulässige Inhalt einer mit einfacher Mehrheit beschlossenen Geschäftsordnung muß sich an zwingenden gesetzlichen und satzungsrechtlichen Bestimmungen messen lassen. Soweit das Gesetz Abweichungen von der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung nur mit satzungsrechtlicher Grundlage gestattet, können Regelungen in der Geschäftsordnung, die von derartigen gesetzlichen Vorschriften oder unmittelbar von der Satzung abweichen, nur unter Einhaltung der für Satzungsänderungen geltenden Voraussetzungen wirksam getroffen werden.66 Im übrigen können die Gesellschafter die Kompetenz zum Erlaß der Geschäftsordnung auch auf ein anderes Gesellschaftsorgan übertragen. 3. Zuweisung von Geschäftsbereichen Für die Verteilung der Geschäftsführungstätigkeit auf eigenständige Ressorts und deren inhaltliche und personelle Ausgestaltung empfiehlt sich eine Regelung in der Geschäftsordnung. Nach einer Auffassung67 sollen die Gesellschafter lediglich über die Organisationsstruktur des Geschäftsleitungsor64 Die Schriftform kann allerdings für die Geschäftsführer an:ruraten sein, wenn sie sich auf eine eingeschränkte Verantwortung berufen wollen. Hierzu m.w.N. Heisse, Die Beschränkung der Geschäftsführerhaftung gegenüber der GmbH S. 86. 6 5 Überw. M.; Hanau/U/mer MitbestG § 30 Rn. 21; G. Hueck in Baumbach/Hueck GmbHG §

3 Rn. 54; Raiser MitbestG § 30 Rn. 12; Roth GmbHG § 37 Arun. 3; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 37 Rn. 16. - A.A. Scholz!Schneider GmbHG § 37 Rn. 29, sowie ders., FS Mühl S. 632, 648, der für den Erlaß einer Geschäftsführergeschäftsordmmg eine qualifizierte Mehrheit mit der Begründung verlangt, die Geschäftsordnung begründe innergesellschaftliches Recht und stehe der Satzung nahe. 66 Schneider, aaO. (Fn. 65) differenziert nicht zwischen der sat:rungsrechtlichen Regelungsebene und der Gesellschaftetbefugnis, in Angelegenheiten der Geschäftsführung durch Mehrheitsbeschluß :ru entscheiden.

67 Köstler, Das steckengebliebene Reformvorhaben S. 214 f.; Krieger, Personalentscheidungen S. 294; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats § 9 IV 3 (S. 263 Rn. 344); Killner/Fucm!Zacheri/Köstler, Atbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat Bd. 1 Rn. 586; im Ergebnis ähnlich Marhold, Aufsichtsratstätigkeit und Belegschaftsvertretung S. 50 f.; a. A. ausführlich Mertens, ZGR 1983, s. 189, 196.

IV. Organisation der Geschäftsführertätigkeit in einer Geschäftsordnung

33

gans im Sinne einer inhaltlichen Beschreibung der einzelnen Ressorts entscheiden, der Aufsichtsrat hingegen über die Zuordnung der einzelnen von ihm bestellten Geschäftsführer zu den von den Gesellschaftern festgelegten Ressorts. Nach dieser Auffassung erfordert der enge Sachzusammenhang zwischen der Bestellungskompetenz und der Aufgabenzuweisung, daß der Aufsichtsrat über die Zuordnung der Ressorts entscheidet Demgegenüber ist zu bedenken, daß ein derartig enger Zusammenhang zwischen Bestellungskompetenz und Ressortzuweisungskompetenz keineswegs generell im Gesetz angelegt ist. Lediglich bei der Auswahl des Arbeitsdirektors läßt sich dem MitbestG entnehmen, daß ihm mit der Bestellung der Aufgabenbereich Personal und Soziales übertragen wird. 68 Diese Aufgabenzuweisung kraft Bestellungsakts ist Folge der Sonderstellung des Arbeitsdirektors und unterscheidet ihn gerade von den übrigen Geschäftsführern, denen durch die Bestellung weder Zuweisung noch Bestand bestimmter Tätigkeitsfelder garantiert wird. Welche Aufgaben von ihnen erfüllt werden müssen, hängt von der Organisation der Geschäftsführertätigkeit ab und wird typischerweise in der Geschäftsordnung geregelt, deren Erlaß primär den Gesellschaftern obliegt. Als Beispiel für das Fehlen eines Sachzusammenhangs zwischen der Bestellung des Geschäftsführers und der Ressortzuweisung ist die sog. Spartenorganisation zu nennen, bei der die inhaltliche Ausgestaltung eines Ressorts und die anschließende Zuweisung an ein Mitglied der Geschäftsleitung nicht nach funktionalen, sondern fachübergreifend, z.B. nach geographischen Gesichtspunkten, vorgenommen wird_69 Eine Aufspaltung der Zuständigkeiten für die Ressortzuweisung einerseits und für die inhaltliche Ausgestaltung der Zuständigkeitsbereiche andererseits würde im übrigen zu Abgrenzungsproblemen führen: Machen die Gesellschafter von ihren Organisationsbefugnissen Gebrauch, um den bisherigen Aufgabenbereich eines Geschäftsführers zu verändem,70 würde sich im Einzelfall 68 Fiuing!Wiotzke!Wißmann MitbestG § 33 Rn. 16; GK-MitbestG/Rump.ff § 33 Rn. 76 f.; Hanau/Ulmer MitbestG § 33 Rn. 6 - anders aber in Rn. 38 -; Hoffmann-Beck.ing, FS Wemer S. 301; Hommelhoff, ZGR 1978, S. 119, 140; Martens, AG 1976, S. 113, 117; ders., Der Arbeitsdirektor nach dem MitbestG S. 22; Raiser MitbestG § 33 Rn. 7; Säcker, DB 1977, S. 1993, 1994; Wlotzke!Wißmaflfl, DB 1976, S. 959, 967; a.A. Hönig, DB 1979, S. 744, 746; Hoffmann, BB 1977, S. 17, 19 f.; dus. , Der Aufsichtsrat Rn. 204; ders.!LehmaMIWeinmaflfl MitbestG § 33 Rn. 35; Przbylsk.i, Die mitbestimmungsrechtliche Bedeutung des Arbeitsdirektors nach dem MitbestG 1976 S. 87; Thüsing, Arbeitgeber 1976, S. 650,651. 69 Wiesner in MOnchHandb. GesR AG § 22 Rn. II f.; vgl. auch die Organisationsschemata bei Henn, Handbuch rum AktienrechtS. 827 f., Anlage 25. 70 Davon kann auch der Arbeitsdirektor betroffen sein, denn ihm ist nur der Kernbereich von Zuständigkeiten in Personal- und Sozialfragen gesetzlich rugewiesen; einzelne dieser Fragen können ihm entzogen, rusätzliche Aufgaben können ihm in Grenzen Obertragen werden. Ausfilhrlich dazu 3 Schall

34

§ 1 Bestellung und Anstellung der Geschäftsführer und Organisation ihrer Tätigkeil

die Frage stellen, ob durch die erfolgten Änderungen ein neues Ressort entstanden ist, über dessen Zuweisung der Aufsichtsrat zu entscheiden hätte. Die Zuweisung eines Geschäftsbereichs liegt daher primär in der Zuständigkeit der Gesellschafter. Der den Gesellschaftern eingeräumte unternehmefische Ennessensspielraum wird durch das Verbot begrenzt, die Personalentscheidung des Aufsichtsrats zu konterkarieren. Die Absicht der Gesellschafter, ein bestimmtes Mitglied aus der Geschäftsleitung hinauszudrängen, liegt beispielsweise nahe, wenn sie einen technisch unerfahrenen Finanzexperten ohne sachlichen Grund mit dem Technikressort betrauen. Eine entsprechende Geschäftsordnungsregelung wäre mißbräuchlich und deshalb unzulässig.7 1 4. Subsidiäre Befugnis zum Erlaß einer Geschäftsordnung a) Zuständigkeit

Bleiben die Gesellschafter untätig, ist umstritten, ob der Aufsichtsrat oder die Geschäftsführer subsidiär zum Erlaß einer Geschäftsordnung befugt sind. Die subsidiäre Erlaßkompetenz soll entsprechend § 77 Abs. 2 AktG, auf den das MitbestG nicht verweist, auch in der mitbestimmten GmbH kraft Gesetzes dem Aufsichtsrat zustehen, weil die Verantwortung für die Arbeitsfahigkeit des Geschäftsführungsorgans als Ausfluß der Personalhoheit anzusehen sei.72 Dieser Auffassung ist jedoch nicht zu folgen.7 3 Die Personalkompetenz schließt nicht die Verantwortung für die Organisation der Geschäftsführertätigkeit ein, weil hierfür primär die Gesellschafter, subsidiär das Geschäftsführungsorgan selbst Sorge tragen können. Die dem Aufsichtsrat zugewiesene Überwachungsbefugnis gewährt ihm lediglich ein Beanstandungsrecht, wenn er der Auffassung ist, der Erlaß einer Geschäftsordnung sei im Interesse einer effizienten Geschäftsführung erforderlich. In der Aktiengesellschaft haben die Aktionäre nur die Möglichkeit, Fragen der Geschäftsordnung in der Satzung zu regeln. Der Erlaß der Geschäftsordnung selbst ist Sache des Aufsichtsrats, Spie/Pies/cer, Der Geschäftsbereich des Arbeitsdirektors S. 74 ff.; vgl. auch Hanau!Ulmer MitbestG § 33 Rn. 39 ff. 71 KölnerKomm/Mertens § 77 Rn. 42; vgl. auch Westhoff, DB 1980, S. 2520, 2521, der allerdings auf schuldrechtliche Schranken aus dem Anstellungsvertrag abstellt. 72 Hanau/U/mer MitbestG § 30 Rn 21; Krieger, Personalentscheidungen S. 294 ff.; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats § 9 111 3 (S. 259 Rn. 339) und IV 3 (S. 264 Rn. 345); Fitting!Wlotzke!WijJmaM MitbestG § 30 Rn. 40.

73 Hach/Mertens GmbHG § 35 Rn. 48; Rowelider/Koppensteiner GmbHG § 37 Rn. 41; Scholz/Schneider GmbHG § 37 Rn. 61 ; ders., FS Mühl S. 633, 644; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 37 Rn. 16.

V. Ernennung des Geschäftsführungsvorsitzenden

35

der dabei an Vorgaben in der Satzung gebunden ist. In der mitbestimmten GmbH steht den Gesellschaftern wegen ihrer umfassenden Zuständigkeit für Fragen der Geschäftsführung das Recht zu, auch außerhalb der Satzung durch einfachen Gesellschafterbeschluß eine Geschäftsordnung zu erlassen. Für eine subsidiäre gesetzliche Befugnis des Aufsichtsrats fehlt deshalb ein Bedürfnis. Ist der Aufsichtsrat der Auffassung, die Geschäftsführertätigkeit sei nicht zweckmäßig organisiert, muß er dennoch der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung entsprechend den Gesellschaftern die verbindliche Entscheidung überlassen, ob sie die Organisation der Geschäftsführertätigkeit ändern oder diese dem Geschäftsführungsorgan überlassen wollen. b) Mehrheitserfordernis Erlassen die Geschäftsführer in eigener Zuständigkeit Geschäftsordnungsregelungen, sieht das Gesetz kein bestimmtes Mehrheitserfordernis vor. Gern. § 77 Abs. 2 Satz 3 AktG müssen Vorstandsmitglieder einstimmig bzw. mit Zustimmung aller über den Inhalt der Geschäftsordnung Beschluß fassen. Der dieser Vorschrift zugrundeliegende Gedanke74 ist auf die GmbH übertragbar: Die Konkretisierung der Verantwortungsbereiche jedes einzelnen Geschäftsführers in der Geschäftsordnung sowie die dem gesetzlichen Modell der Gesamtgeschäftsführung immanente Restverantwortung jedes Geschäftsführers für das Handeln seiner Mitgeschäftsführer dürfen nicht zur Disposition der Mehrheit im Geschäftsführungsorgan stehen. Außerdem liegt§ 77 Abs. 2 Satz 3 AktG die Überlegung zugrunde,75 nur mit Zustimmung der Betroffenen über die Aufteilung der Geschäftsführungsbereiche und über die Aufgabenwahrnehmung entscheiden zu dürfen. Auch dieser Gedanke ist uneingeschränkt auf die GmbH übertragbar und gebietet die analoge Anwendung dieser Vorschrift.

V. Ernennung des Geschäftsführungsvorsitzenden Einem Mitglied im Geschäftsführungsorgan kann der Vorsitz übertragen werden, der durch bestimmte Organisations- und Repräsentationspflichten gekennzeichnet ist. § 84 Abs. 2 AktG weist dem Aufsichtsrat das un-

7 4 Zum Sinn und Zweck des§ 77 Abs. 2 Satz 3 AktG Begr. RegE bei Kropf!, Aktiengesetz S. 99; Scholl/Schneider GmbHG § 37 Rn. 62; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 37 Rn. 16; s. a. Schneider, FS Mühl, S. 633, 648, der mit Rücksicht auf die besondere Bedeutung der Geschäftsordnung Einstimmigkeit verlangt. Dagegen lassen Hoffmann!Lehmann!Weinmo.nn MitbestG § 33 Rn. 51 und § 30 Rn. 27 einen Mehrheitsbeschluß ausreichen. 75 3*

Vgl. RegE bei Kropf!, aaO. (Fn.74).

36

§ 1 Bestellung und Anstellung der Geschäftsführer und Organisation ihrer Tätigkeit

entziehbare76 Recht zu, über die Ernennung eines Vorstandsvorsitzenden eigenverantwortlich zu entscheiden.77 Das GmbHG enthält keine entsprechende Regelung. Welches Organ in der mitbestimmten GmbH den Vorsitzenden des Geschäftsführungsorgans ernennen darf, ist im MitbestG nicht geregelt. Die in § 31 MitbestG angeordnete Verweisung auf § 84 AktG gilt ausdrücklich nur für die Befugnis zur Bestellung des gesetzlichen Vertretungsorgans und umfaßt nach allgemeiner Meinung kraft Sachzusammenhangs den Abschluß des Anstellungsvertrags. Für die Ernennung des Vorsitzenden soll es jedoch bei der Zuständigkeit der Gesellschafter bleiben, weil diese Entscheidung als Maßnahme der Geschäftsverteilung primär von den Gesellschaftern zu treffen sei.78 Danach steht es den Gesellschaftern frei, ob sie dem Aufsichtsrat die Ernennung des Vorsitzenden in der Satzung übertragen. Gegen diese Auffassung spricht, daß § 31 MitbestG vollumfanglieh auf§ 84 AktG verweist. In der aktienrechtlichen Zuständigkeitsnorm kommt zum Ausdruck, daß der Gesetzgeber zwischen der Be- und Anstellung sowie der Ernennung zum Vorsitzenden einen engen sachlichen Zusammenhang angenommen hat.79 Das AktG hat der Hauptversammlung zwar die Befugnis verliehen, in die Satzung verbindliche Vorgaben für den Inhalt der Geschäftsordnung aufzunehmen. Die Ernennung eines Vorsitzenden ist von dieser Befugnis aber nicht umfaßt. Diese Entscheidung soll nach dem Willen des Gesetzgebers vielmehr dem für die Bestellung des Vorstands zuständigen Gesellschaftsorgan obliegen. Nicht zuletzt sprechen hierfür auch sachliche Gesichtspunkte. Ist das Amt eines Geschäftsführungsvorsitzenden neu zu besetzen, 76 A. Hueck in Baumbach/Hueck AktG § 84 Rn. 11; Wiesner in MünchHandb. GesR AG§ 24 Rn. 2; gros. auch GroßkommAktG!Meyer-umdrut § 84 Arun. 60 m.w.N; dus . aaO. § 77 Arun. 7 bejaht aber die Zulässigkeil einer satzungsrechtlichen Verpflichtung zur Ernennung eines Vorsitzenden; so im Erg. auch Krieger, Personalentscheidungen S. 252 f.

77 Teilw. wild die Ernennung eines Vorsitzenden im 2-köpfigen Vorstand für unvereinbar mit der gleichberechtigten Stellung des Arbeitsdirektors gehalten: LG Frankfurt DB 1984, S. 1388 (R.Sp.); Kieser in MitbestG'1976 § 33 Rn. 108; Kittner!Fuchs!Zachert!Köstler, Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat Bd. 1 Rn. 565; Wlotzke, ArbRGegw 14 (1977), S. 17, 41; vgl. zur Zulässigkeil einer Vorstands-Geschäftsordnung bei mehr als zwei Vorstandsmitgliedern OLG Frankfurt OB 1985, S. 1459, 1460: sind dem Vorsitzenden im Vergleich zum Arbeitsdirektor nur organisatorische, jedoch keine materiellen Entscheidungsbefugnisse, wie z.B. das Recht zum Stichentscheid, eingeräumt, ist seine Ernennung zulässig; so im Erg. wohl auch Hach/Mertens GmbHG § 37 Rn. 16; Fitting!Wiotzke!Wißmann MitbestG § 33 Rn. 43; Kötter MontanMitbestG § 13 Anm. 86; Wiesner in MünchHandb. GesR AG § 24 Rn. 18; Raiser MitbestG § 33 Rn. 26; kritisch Meyer-Landrut, DB 1976, s. 387, 388. 78 Hach/Merlens GmbHG § 35 Rn. 60; Hoffmann!Lehmann!Weinmann MitbestG § 31 Rn. 41, 47; Rowedder/Koppensteiner GmbHG § 37 Rn. 42; Scholz/Schneider GmbHG § 37 Rn. 29. 7 9 Hanau/U/mer MitbestG § 30 Rn. 9; Fitting!Wiotzke!Wißmann MitbestG § 30 Rn. 6; GKMitbestG/Rumpff § 30 Rn. 26; Kittner!Fuchs!Zachert!Köstler, Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat Bd. 1 Rn. 566; Köstler, Das steckengebliebene Reformvorhaben S. 214; Raiser MitbestG § 31 Rn. 28; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 37 Rn. 17.

V. Ernennung des Geschäftsführungsvorsitzenden

37

kann dies bei der Auswahl und bei der Verhandlung über Anstellungsbedingungen von Bedeutung sein. Mit der Ernennung zum Vorsitzenden geht auch kein Übergriff in die Geschäftsführungsbefugnisse der Gesellschafter einher, weil das Gesetz daran keinerlei materielle Entscheidungsbefugnisse des Vorsitzenden knüpft.S0 Der Geschäftsführungsvorsitz ist vielmehr zunächst eine bloß formelle Rechtsposition, die vorrangig von den Gesellschaftern, subsidiär vom Geschäftsführungsorgan inhaltlich ausgefüllt werden muß; auch während seiner Amtszeit bleiben Änderungen seines Aufgabenbereichs stets zulässig. Der Vorsitzende ist kraft Gesetzes gleichberechtigtes Mitglied im Geschäftsführungsorgan und besitzt deshalb nur begrenzte, für die Arbeitsweise des Gesamtorgans unabdingbare Organisationsbefugnisse (Sitzungsleitung und vorbereitung, Wahrnehmung von Sprecheraufgaben u.ä.). 81 Schließlich ist die Ernennung eines Vorsitzenden für den Aufsichtsrat von besonderer Bedeutung, weil der Informationsfluß zwischen Vorstand und Aufsichtsrat primär über den Vorsitzenden läuft.82 Umstritten ist, ob für die Ernennung zum Vorsitzenden des Geschäftsführungsorgans wegen des engen Zusammenhangs mit der Bestellung zum Geschäftsführer die Einhaltung des besonderen Verfahrens gern. § 31 Abs. 2-4 MitbestG erforderlich ist. Fällt die Ernennung zum Vorsitzenden mit seiner Bestellung zum Geschäftsführer zusammen, ist die Einhaltung des Verfahrens ohnehin gewährleistet, weil mit der Bestellung auch über die Eignung als Vorsitzender entschieden wird. 83 Bei der Ernennung eines bereits amtierenden Geschäftsführers zum Vorsitzenden ist die erneute Durchführung des kompliziert ausgestalteten Abstimmungsverfahrens nicht geboten. 84 Dafür spricht zunächst, daß bereits bei der Bestellung der Geschäftsführer das besondere Verfahren gern.§ 31 Abs. 2-4 MitbestG eingehalten werden mußte. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß dem Vorsitzenden mit seiner Ernennung noch keine materiellen Kompetenzen übertragen werden, sondern nur ein Mindestmaß an organisatorischen Entscheidungsbefugnissen. Die tatsächliche Bedeutung, die das Amt des Vorsitzenden hat, bestimmen primär die Gesellschafter, die ihm Aufgaben und Befugnisse zuweisen können. Daher überzeugt 80 Dose, Die Rechtsstellung der einzelnen Vorstandsmitglieder S. 88 ff. mit Nachweisen zu Gegenstinunen im älteren Schrifttwn; Hefermehl in Geßler/Hefermehl AktG § 84 Rn. 60; KölnerKomrn/Mertens § 84 Rn. 90; Zöllner in Bawnbach/Hueck GmbHG § 37 Rn. 17. 81 Hanau/U/mer MitbestG § 30 Rn. 9; Fitting!Wiotzlu!Wißmann MitbestG § 30 Rn. 5; Raiser MitbestG § 31 Rn. 28; ferner die in Fn. 80 genannten Kommentare zwn AktG. 82 Hierzu Lutter/Krieger, Aufsichtsrat§ 9 IV 3 (S. 264 Rn. 345). 83 Hüffer AktG § 84 Rn. 20. 84 Nach h.M. ist das Verfahren gern. § 31 Abs. 2-4 MitbestG nicht einzuhalten. Hanau/U/mer MitbestG § 30 Rn. 8; Henn, Handbuch des Aktienrechts § 18 Rn. 543; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats§ 4 V 2 (S. 148 Rn. 179); Raiser MitbestG § 31 Rn. 28. A.A. Krieger, Personalentscheidungen S. 254 f.; Säe/ur, Aufsichtsratsausschüsse S. 61.

38

§ l Bestellung und Anstellung der Geschäftsführer und Organisation ihrer Tätigkeit

auch die Schlußfolgerung nicht, daß der Vorsitzende generell eine jedenfalls nach außen herausgehobene Stellung habe, die für eine weitgehende Beteiligung der Arbeitnehmervertreter an der Ernennung zum Vorsitzenden spreche.S5

VI. Die GmbH im Anwendungsbereich des BetrVG 52 Eine GmbH mit mehr als 500, aber weniger als 2001 Arbeitnehmern muß einen Aufsichtsrat bestellen, der zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern besetzt ist (§ 77 Abs. 1 BetrVG 52). Der Einfluß der Arbeitnehmervertreter auf den Inhalt unternehmerischer Entscheidungen ist nach den gesetzlichen Vorschriften erheblich schwächer ausgestaltet als nach dem MitbestG. Die Rechtsstellung des Aufsichtsrats regelt der gern. § 129 BetrVG 72 fortgeltende § 77 BetrVG 52; diese Vorschrift legt abschließend die zwingenden gesetzlichen Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats durch Einzelverweisungen auf aktienrechtliche Vorschriften fest. Schon bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrats wird die gegenüber dem MitbestG abgeschwächte Einflußnahmemöglichkeit der Arbeitnehmervertreter deutlich; abweichend vom MitbestG sieht das BetrVG keine zahlenmäßig paritätische Besetzung, sondern nur eine Drittelbeteiligung von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat vor.

1. Bestellung der Geschäftsführer Ein gegenüber dem MitbestG bedeutsamer Unterschied betrifft die Zuständigkeit für die Bestellung des Geschäftsführers, die in der 1/3-mitbestimmten GmbH gern. § 46 Nr. 5 GmbH bei den Gesellschaftern verbleibt. Ihr Einfluß auf die personelle Auswahl des Geschäftsführungsorgans reicht mithin genauso weit wie in der mitbestimmungsfreien GmbH.

2. Entscheidung über die Anstellungsbedingungen Es besteht Einigkeit darüber, daß die Gesellschafter, denen die Bestellung der Geschäftsführer zugewiesen ist, auch befugt sind, zusammen mit der Bestellung über den Inhalt des mit dem Geschäftsführer zu vereinbarenden Anstellungsvertrages zu entscheiden. Die Zuständigkeit der Gesellschafter zur Entscheidung über die Anstellungsbedingungen beruht auf dem bereits an anderer Stelle aufgezeigten engen Sachzusammenhang zwischen AnstellungsS5 So aber Krieger, Personalentscheidungen S. 254 f.

VI. Die GmbH im Anwendungsbereich des BetrVG 52

39

und Bestellungskompetenz. 86 Der Bestellungsakt und die endgültige Entscheidung über den Inhalt des Anstellungsvertrages müssen demselben Organ obliegen, damit die Auswahl eines Geschäftsführers durch die Vereinbarung unangemessener Anstellungsbedingungen nicht konterkariert werden kann.

3. Vertretungsbefugnis bei Abschluß des Anstellungsvertrages Da der Aufsichtsrat die GmbH gern. §§ 77 Abs. 1 BetrVG 52, 112 AktG gegenüber den Geschäftsführern gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten hat, stellte sich nach Erlaß des BetrVG 52 die Frage, ob er die GmbH auch bei Abschluß des Anstellungsvertrages vertreten müsse. Von der strikten Trennung zwischen Außen- und Innenverhältnis ausgehend soll nach einer Auffassung die Vertretung der GmbH gegenüber dem Geschäftsführer gern. § 112 AktG auch bei Abschluß des Anstellungsvertrages zwingend dem Aufsichtsrat obliegen. 87 Gestützt auf eine einheitliche Betrachtung der Begründung des Bestellungsund des Anstellungsverhältnisses wird § 46 Nr. 5 GmbHG im älteren Schrifttum als eine § 112 AktG verdrängende Spezialvorschrift qualifiziert. 88 In eine ähnliche Richtung weist die Auffassung, daß es sich bei Abschluß des Anstellungsvertrages nicht um eine Vertretungshandlung, sondern um einen Sozialakt handele,89 dessen Ausführung ausschließlich dem intern zuständigen Gesellschaftsorgan zugewiesen sei, und daߧ 112 AktG für die Ausführung eines Sozialakts keine Anwendung finde. 90

86 Vgl. oben III. I. Dieser Grundsatz wurde durch die Rechtsprechung kontinuierlich gefestigt: BGH DB 1958, S. 569; 1968, S. 847; 1969, S. 213; 1970, S. 389, 390; BGHZ 89, S. 48, 52; BGH DB 1987, S. 323; 1991, S. 906; in der Literatur war er bereits früher nahe:ru unstreitig; vgl. nur Lutter/Homnti!lhoff GmbHG Anh. § 6 Rn. 8, § 46 Rn. 13; Rowedder!Koppensteiner GmbHG § 35 Rn. 15; § 35 Rn. 171 ff.; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 46 Rn. 24; a.A. Scholz!Schneider GmbHG § 35 Rn. 177. 87 Hach/Schilling GmbHG 7. Aufl. 1979 § 46 Rn. 18, §52 Rn. 131; Klamroth, BB 1977,

S. 305, 310; Kreifels GmbHR 1955, S. 176, 179; Meyer-Landrut/Miller/Niehus GmbHG § 52 Rn. 29.

88 Hach/W. Schmidt GmbHG 6. Aufl., § 52 Anh. I Anm. 38 sieht die Be- und die Anstellung als einheitliches Rechtsverhälblis; ihm folgend Robels, Die Beteiligung der Arbeiblehmer am Aufsichtsrat der Gesellschaften des § 77 BetrVG S. 77 f. Bergmann, NJW 1953, S. 81, 82 f. trennt dagegen nicht Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnis; ohne jede Begründung W. Schmidt, NJW 1952, S. 1353, 1355;- vgl. auch Loos, DB 1974, S. 823. 89 BGH DB 1968, S. 847; 1969, S . 213. 90 BGHZ 89, S. 48, 51. Rittner, DB 1979, S. 973, 974; Hanau/U/mer MitbestG § 31 Rn. 37krit m. Hinweis auf die aktienrechtliche Bedeutung des § 112 AktG Konzen, C'nnhHR 1983, S. 92, 93 m.w.N.

40

§ I Bestellung und Anstellung der Geschäftsführer und Organisation ihrer Tätigkeit

Andere messen § 112 AktG im Zusammenhang mit dem Abschluß des Anstellungsvertrages ausnahmsweise dispositiven Charakter zu. Danach ist die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats nach außen zwar unbeschränkbar, steht aber nach der internen Zuständigkeitsverteilung vorrangig den Gesellschaftern zu, wenn und soweit ihnen nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen ausnahmsweise selbst Vertretungsmacht eingeräumt ist.9 1 Der zuletztgenannten Ansicht ist im Ergebnis zu folgen. Ausgangspunkt der Überlegung ist die Geltung von§ 112 AktG für die Vertretung der GmbH gegenüber ihrem Geschäftsführer.92 Danach ist der Aufsichtsrat im Außenverhältnis grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, eine in den Zuständigkeitshereich der Gesellschafter fallende Beschlußfassung gegenüber dem Geschäftsführer umzusetzen. Mit Rücksicht auf den Sinn und Zweck des § 112 AktG kann dies jedoch nicht uneingeschränkt für die im Zusammenhang mit Abschluß, Änderung, Aufhebung und Kündigung des Anstellungsverhälnisses erforderlichen Vertretungshandlungen gegenüber dem Geschäftsführer gelten. Aus dem Sinn und Zweck des § 112 AktG folgt, daß die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats nicht zwingend ist, soweit die GmbH gegenüber den Geschäftsführern unmittelbar von den Gesellschaftern vertreten wird. Das Gesetz weist dem Aufsichtsrat die Vertretung der GmbH gegenüber den Geschäftsführern zu, um der bei typisierender Betrachtung bestehenden Gefahr von Interessenkollisionen innerhalb des Geschäftsleitungsorgans zu begegnen, die bei rechtsgeschäftliehen Vereinbarungen zwischen Mitgeschäftsführern nicht von der Hand zu weisen ist.93 Eine solche Gefahr besteht dagegen nicht, wenn die Gesellschafter die GmbH selbst vertreten. In der mitbestimmungsfreien GmbH besteht Einigkeit, daß die Gesellschafter über anstellungsvertragliche Regelungen nicht nur im Innenverhältnis entscheiden können, sondern kraft Annexkompetenz auch im Außenverhältnis befugt sind, die GmbH gegenüber dem Geschäftsführer bei Abschluß des Anstellungsvertrages zu vertreten.94 Dafür sind in erster Linie praktische Erwägungen maßgebend. Es wäre unnötiger Formalismus, einen Mitgeschäftsführer - sofern überhaupt vorhanden - mit der Umsetzung von 9! Ballerstedt, GmbHR 1952, S. 177, 179; Baums, Der Geschäftsleitervertrag S. 115; A. Hueck in Baumbach/Hoeck GmbHG 13. Aufl. 1970 Schlußanh. I 4 Q b bb), ders., BB 1953, S. 325, 328. 92 Siehe nur Zöllner in Baumbach/Hoeck GmbHG §52 Rn. 151.- Abw. Rittner, DB 1979,

s. 973,974.

9 3 BGHZ 103, S. 213ff.; BGH WM 1990, S. 630, 631; Hüffer AktG § 112 Rn. 2; Kleindiek Anm. zu BGH Urt. v. 8.2.1988 WuB II A § 112 1.88; Schmills, AG 1992, S. 149; Werner, ZGR 1989, S. 369, 371, 380 f.; im Ergebnis auch Brandner, FS Quack S. 201, 208, der aber hervorhebt, daß § 112 AktG dem Aufsichtsrat die Umsetzung seiner Personalentscheidungen ermöglichen soll. 9 4 Mit umfassenden Nachw. zum älteren Schrifttum und zur Rspr. Plander, ZIIR 133 (1970), S. 327, 363f. Vgl. auch die Nachw. in Fn. 86.

VI. Die GmbH im Anwendungsbereich des BetrVG 52

41

Gesellschafterbeschlüssen zu betrauen, wenn die Gesellschafter selbst mit dem zu bestellenden Geschäftsführer verhandelt und über den Vertragsinhalt Einigkeit erzielt haben, so daß nur noch das Vertragsfonnular unterschrieben werden muß. Der in der mitbestimmungsfreien GmbH anerkannte Gleichlauf von interner Entscheidungskompetenz und Vertretungsmacht bleibt auch in der 1/3mitbestimmten GmbH gewahrt, weil § 112 AktG die Vertretungsbefugnis der Gesellschafter unberührt läßt. § 112 AktG ist nach seinem Regelungszweck nur auf diejenigen Vertretungshandlungen anzuwenden, die andernfalls von Mitgeschäftsführern vorgenommen werden müßten oder eine Umsetzung solcher Entscheidungen des Aufsichtsrats sind, die er in eigener Zuständigkeit getroffen hat.95 Liegt keiner dieser beiden Fälle vor, begründet § 112 AktG keine zwingende Vertretungsmacht des Aufsichtsrats. Somit verbleibt es für anstellungsvertragliche Regelungen primär bei der Vertretungsbefugnis der Gesellschafter.

4. Organisation der Geschäftsführertätigkeit Die Organisation der Geschäftsführertätigkeit obliegt den Gesellschaftern im selben Umfang wie in der mitbestimmungsfreien GmbH; sie sind nicht verpflichtet, einen Arbeitsdirektor zu ernennen und können sich deshalb auf die Bestellung eines einzigen Geschäftsführers beschränken.

95 hn Ergebnis auch Bardorf, Der Gesellschaftereinfluß auf die GmbH-Geschäftsfilhnmg S. 28; Filling!Auffarth/Kaiser!Heither BetrVG § 77 BetrVG 52 Rn. 10; Hach/Mertens GmbHG § 35 Rn. 100; Hach/Raiser GmbHG §52 Rn. 104; Hoffmann, Der Aufsichtsrat Rn. 222; Luller!Krieger, Aufsichtsrat§ 9 IV 2 (S. 261 f. Rn. 342); SchotziSchneider GmbHG § 35 Rn. 175; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG §52 Rn. 151,62.

§ 2 Der Einfluß der Gesellschafter auf die Geschäftsführung

in der mitbestimmungsfreien GmbH I. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen

Die GmbH hat zwingend zwei Organe: den Geschäftsführer und die Gesamtheit der Gesellschafter, für die sich allgemein, wenn auch nicht ganz zutreffend, 1 die griffige Bezeichnung Gesellschafterversammlung durchgesetzt hat. Die Rechtsstellung beider Organe grenzt das GmbHG nur für wenige Bereiche zwingend voneinander ab. Insbesondere die Organisation der Geschäftsführung steht umfassend zur Disposition der Gesellschafter. Ein Rückgriff auf die gesetzliche Zuständigkeitsordnung wird erst erforderlich, wenn die Gesellschafter keine vorrangigen Regelungen treffen. Infolge der im Gesetz nur rudimentär geregelten Kompetenzverteilung dauert die Diskussion über den Inhalt des gesetzlichen Organisationsstatuts an.

ll. Rechtsstellung der Gesellschafter Das GmbHG gewährt den Gesellschaftern eine wesentlich stärkere Rechtsstellung im Kompetenzgefüge ihrer Gesellschaft als den Aktionären in einer Aktiengesellschaft. Die Gesellschafter sind zwingend zuständig für die sog. Grundlagengeschäfte; dazu gehören Satzungsänderungen und diesen gleichzustellende, weil vergleichbar intensiv in die Organisation der GmbH bzw. in die Rechtsstellung ihrer Gesellschafter eingreifende Maßnahmen, wie z.B. Umwandlung oder Abschluß von Unternehmensverträgen, ferner Einforderung von Nachschüssen und Auflösung der Gesellschaft (§§ 26, 53, 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG).2 Darüber hinaus begründen insbesondere§ 46 GmbHG sowie weitere, im GmbHG verstreute Einzelregelungen die gesetzliche Zuständigkeit der

1 G. Hueck., Gesellschaftsrecht § 36 I 1 (S. 352); Scholz./K. Schmidt GmbHG § 45 Rn. 5 und § 48 Rn. I. Für die Organqualität der Gesellschafterversanunlung Hach/Hüffer GmbHG § 45 Rn. 6; ders., FS 100 Jahre GmbHG S. 521; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 45 Rn. 3 m. zahlreichen

w.N.

2 s. auch die ZusanunensteiiWlg bei Hach/Hüffer GmbHG § 46 Rn. 115; Scholz./K. Schmidt GmbHG § 46 Rn. 178 ff.

II. Rechtsstellung der Gesellschafter

43

Gesellschafter;3 danach obliegt ihnen vor allem die Feststellung des Jahresabschlusses und die Ergebnisverwendung, Maßnahmen zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung, die Bestellung von Prokuristen und Generalbevollmächtigten sowie die Gestaltung der Rechtsbeziehungen der Gesellschafter zur Gesellschaft. Mit Ausnahme der Grundlagenkompetenz sind die Zuständigkeiten der Gesellschafter in zweierlei Hinsicht dispositiv: Es ist den Gesellschaftern einerseits erlaubt, zusätzliche, im Gesetz nicht genannte Beschlußzuständigkeiten zu begründen. Sie können andererseits die ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben auf andere Organe delegieren,4 wobei die Grenzen der Übertragbarkeit kontrovers beurteilt werden.5 Als wichtigste Besonderheit der GmbH-Verfassung im Vergleich zur aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung ist die Befugnis der Gesellschafter hervorzuheben, im Bereich der Geschäftsführung jederzeit Entscheidungen an an sich zu ziehen (sog. Allzuständigkeit).6 Sie können ihre Zuständigkeit satzungsrechtlich, aber auch durch Gesellschafterbeschluß begründen und insbesondere einzelfallbezogen über Durchführung und Inhalt eines Geschäfts entscheiden und den Geschäftsführer entsprechend anweisen. 7 Dieser muß sämtliche Weisungen, die auf wirksamen Beschlüssen beruhen, ausführen.S Die weitgehende Dispositivität der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung wirft in zwei Richtungen Abgrenzungsprobleme auf: Zum einen wird kontrovers diskutiert, in welchem Umfang das GmbHG den Gesellschaftern in Angelegen3 Übelblick über die gesetzlichen Zuständigkeiten außerhalb § 46 GmbHG: Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 46 Rn. 48 ff.

4 Die Dispositivität (Subsidiarität) statuiert § 45 Abs. 2 GmbHG, daru Meyer-Landrut!Miller/ Niehus GrnbHG § 45 Rn. 7; Rowedder/Koppensteiner GrnbHG § 45 Rn. 6 f.; Scholz/K.Schmidt GmbHG § 45 Rn. 2 ff.; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 45 Rn. 6; § 46 Rn. 3 f.

5 Am weitestgehenden Wiedemann, Gesellschaftsrecht I § 6 III 2a (S. 332 ff.); - engere Grenzen befürworten: Hach/Hüffer GmbHG § 46 Rn. 4, 73 ff., 80; Lutter/HomTMihoff GmbHG § 45 Rn. 6; Scholz/K. Schmidt GmbHG § 45 Rn. 10, § 46 Rn. 2; Zöllner in Baumbach/Hueck GrnbHG § 46 Rn. 4. - Für eine umfassende Übertragbarkeit von Zuständigkeiten Rowedder/Koppensteiner GmbHG § 45 Rn. 9; Roth GmbHG § 45 Anrn. 2.1.1.; - s. auch Feine, GmbH S. 505, 506 m. Angaben rur älteren Literatur, Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen S. 185 f.; aus neuerer Zeit ausführlich Rohleder, Die Übertragbarkeit von Kompetenzen auf GmbH-Beiräte S. 34 ff; Voormann, Der Beirat im Gesellschaftsrecht S. 103 ff. 6 Hach/Hüffer GmbHG § 46 Rn. 117; lmTMnga Die personalistische KapitalgesellschaftS. 92 ff.; Scholz/K. Schmidt GmbHG § 46 Rn. I; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 46 Rn. 60. 7 Luller/HomTMlhof!GmbHG § 37 Rn. 17; Meyer-Landrut/Miller/Niehus GmbHG §§ 35-38 Rn. 76; Roth GmbHG § 37 Anrn. 2.2.3.; a.A. Wiedemann, Gesellschaftsrecht § 6 IIl 2 a (S. 336), der bei Einzelmaßnahmen eine Gesellschafterentschließung nur bei Verlangen des Geschäftsführers für zulässig erachtet. 8 Unstr. Rowedder/Koppensteiner GmbHG § 37 Rn. 25; Scholz/Schneider GmbHG § 37 Rn. 30; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 37 Rn. 12; zur Folgepflicht bei anfechtbaren Gesell-

schafterbeschlüssen vgl. BGH WM 1965, S. 425; Meyer-Landrut/Mil/er/Niehus GmbHG §§ 35-38

Rn. 87; Scholz/Schneider GmbHG § 43 Rn. 101 f.; Zöllner aaO.

44

§ 2 Der Einfluß der Gesellschafter auf die Geschäftsführung

heiten der Geschäftsführung gesetzliche Entscheidungsbefugnisse zuweist, die den Handlungsspielraum des Geschäftsführers begrenzen, auch wenn die Gesellschafter untätig bleiben. Auf der anderen Seite ist streitig, ob ein Kernbereich eigenverantwortlicher Geschäftsführertätigkeit existiert, der dem Gesellschaftereinfluß entzogen ist.

lll. Kompetenzen der Geschäftsführer Der GmbH-Geschäftsführer ist wie der Vorstand einer Aktiengesellschaft notwendiges Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan. Das GmbHG überträgt dem Geschäftsführer ausdrücklich die Vertretung der GmbH, § 35 GmbHG. Seine Pflicht, die Geschäfte der GmbH auch im Innenverhältnis zu führen,9 kommt in § 37 Abs. 1 GmbHG nur mittelbar zum Ausdruck. Diese Vorschrift verpflichtet ihn, bei der Führung der Geschäfte 10 Beschränkungen einzuhalten, die in der Satzung oder ad hoc durch Gesellschafterbeschluß festgelegt sind, setzt also die Zuweisung der Geschäftsführung an den Geschäftsführer voraus. Die gesellschaftsinterne gesetzliche Zuständigkeitsordnung gern. §§ 45 Abs. 1, 37 Abs. 1 GmbHG steht weitgehend zur Disposition der Gesellschafter, die jederzeit abweichende Regelungen treffen können. Neben der Vertretung der GmbH ordnet das Gesetz noch weitere Aufgaben des Geschäftsführers zwingend an. Dabei handelt es sich einerseits um öffentlich-rechtliche Pflichten, nämlich bezüglich Handelsregisteranmeldungen (§§ 7 ff., 40, 54, 57 f. GmbHG), die Pflicht zur Buchführung und Aufstellung des Jahresabschlusses (§§ 238, 242, 264 HGB, § 41 GmbHG), steuerrechtliche Pflichten (§ 34 AO) sowie die Konkursantragspflicht (§ 64 GmbHG); andererseits besteht die Pflicht zur Erhaltung des Stammkapitals (§§ 30, 31, 33, 49 Abs. 3 GmbHG), die vor allem dem Schutz der Gläubiger dient. 11

9 Hach/Mertens GmbHG § 37 Rn. 1; Roth GmbHG § 37 Anm. 2.1.; l.öllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 35 Rn. 16. 10 Die Formulierung in§ 37 Abs. 1 GmbHG "Venretung" ist mißverstlindlich; Beschränkungen unterliegt der Geschäftsführer nur im Innenverhältnis (vgl. § 37 Abs. 2), d.h. bei der Geschäftsführung - Meyer-Landrut/Miller/Niehus GmbHG §§ 35-38 Rn. 72; Scholz/Schneider GmbHG § 37 Rn. 1; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 37 Rn. 1. 11 Allg. zur Bedeutung der Kapitalbindung, G. Hueck in Baumbach/Hueck Ein!. Rn. 20, § 30

Rn. l.

IV. Kompetenzen für die Vomahme besonderer Geschäftsführungsmaßnahmen

45

IV. Kompetenzen für die Vornahme besonderer Geschäftsführungsinaßnahmen Nach weit verbreiteter Ansicht ist die Festlegung der Unternehmenspolitik sowie die Entscheidung über außergewöhnliche Maßnahmen der Geschäftsführung gesetzliche Aufgabe der Gesellschafter, die der Geschäftsführer vorbehaltlich abweichender Regelungen nicht eigenverantwortlich wahrnehmen darf. 12

1. Abgrenzung zu gewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen Namentlich erwähnt das Gesetz "Geschäftspolitik" in § 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG als Vorgang, über den der Vorstand dem Aufsichtsrat ohne Aufforderung zu berichten hat. Kennzeichnend für geschäftspolitische Maßnahmen ist, daß es sich um grundsätzliche Planungsentscheidungen handelt, mit denen längerfristige Ziele bei der Gestaltung der Geschäftsführung verfolgt werden;13 dazu gehört beispielsweise die Umstellung eines Betriebes oder der Produktionsmethoden im Zuge technischer Neuerungen. 14 Nicht immer deutlich davon abzugrenzen ist die Unterscheidung zwischen gewöhnlichen und ungewöhnlichen Geschäften, die eine Entsprechung im Personengesellschaftsrecht findet. §§ 116, 164 HGB beschränken die Einzelgeschäftsführungsbefugnis der Gesellschafter einer OHG bzw. KG auf Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt und verlangen für alle darüber hinausgehenden Geschäfte einen Beschluß sämtlicher Gesellschafter. 15 In der 12 Eder in GmbH-Handbuch I Rn. 590; Hach/Mertens GmbHG § 37 Rn. 4 f.; Lutter!HommelhoffGmbHG § 37 Rn. 8, 10; Meyer-Landrut/Mil/er/Niehus GmbHG §§ 35-38 Rn. 73 f.; Roth GmbHG § 37 Anm. 2.2.1.; Scholz/SchMider GmbHG § 37 Rn. 10 und Rn. 12 ff.; z. T. differenzierend: einerseits Rowedder/Koppensteiner GmbHG § 37 Rn. 8, der für außergewöhnliche Geschäfte die gesetzliche Erstmständigkeit der Gesellschafter bejaht, sie hingegen für geschäftspolitische Entscheidungen ablehnt - andererseits K. Schmidt, Gesellschaftsrecht § 36 II (S. 893); WiedemaM, Gesellschaftsrecht I § 6 III 2 a, bb (S. 336), die den Gesellschaftern ausdrücklich nur die gesetzliche Erstmständigkeit für die Bestimmung der Geschäftspolitik mweisen. - Gegen ungeschriebene Geschäftsführungskompetenzen der Gesellschafter: im Grundsatz schon FeiM, Die Gesellschaft m. beschränkter Haftung § 39 II 3 (S. 534 f.); Zöllner in Baumbach/Rueck GmbHG § 37 Rn. 6; ihm folgend Konzen, NJW 1989, S. 2977, 2979 Fn. 21; Kort, ZIP 1991, S. 1274, 1276 ff.; im Ergebnis auch ZitzmaM, Die Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers S. 64 ff., 85 ff.

13 Hommelhoff, ZGR 1978, S. 119, 125 "grundsätzliche Ausrichtung der Geschäftsführung auf ein bestirruntes untemehmerisches Konzept"; KölnerKomm/Mertens § 90 Rn. 33; Scholz/SchMider GmbHG § 37 Rn. 10 "Pläne über die Zukunft des Unternehmens"; Wiesl'ltr in MünchHandb. GesR AG § 25 Rn. 4; kritisch insbes. mr begrifflichen Unschärfe Rowedder/Koppensteiner GmbHG § 37 Rn. 8; Kort, ZIP 1991, S. 1274, 1276- dagegen Lutter!HommelhoffGmbHG § 37 Rn. 8.- Ausführlich m dieser Frage ZitzmaM, Die Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers S. 65 f. 14 Vgl. Beispiele in Baumbach!Hueck AktG § 90 Rn. 5. 15 Zur Abgrenzung vgl. Baumbach/Hopt HGB § 116 Rn. 2; A . Hueck, s. 121 f.

Das Recht der OHG

46

§2

Der Einfluß der Gesellschafter auf die Geschäftsführung

GmbH soll ebenfalls ein Gesellschafterbeschluß erforderlich sein, wenn ein Geschäft nach Inhalt, Zweck, Bedeutung oder Risiko bei Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse der Gesellschaft Ausnahmecharakter hat.l6

2. Abgrenzung zur Grundlagenkompetenz der Gesellschafter Unternehmenspolitische sowie außergewöhnliche Gechäfte sind nicht vom Aufgabenbereich des Geschäftsführers umfaßt, wenn sie nicht im Einklang mit satzungsrechtlichen Vorschriften stehen, weil seine Geschäftsführungsbefugnis von vomherein nur im Rahmen der im Gesellschaftsvertrag niedergelegten Beschränkungen besteht, vgl. § 37 Abs. 1 GmbHG. 17 Insbesondere ist der Geschäftsführer im Innenverhältnis an den von den Gesellschaftern gern. § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG in der Satzung festgelegten Gegenstand des Unternehmens gebunden, auf den die Gesellschafter seine Tätigkeit beschränkt haben. 18 Darüber hinaus gibt es bestimmte Maßnahmen - im Mittelpunkt der Diskussion stehen konzernrechtlich relevante Tatbestände 19 - , die so schwerwiegend in die Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter eingreifen, daß eine Analogie zu gesetzlich geregelten Grundlagenentscheidungen wie z.B. Umwandlungsvorgängen, die eine Zustimmung der Gesellschafter erfordern, geboten sein kann. 20 Dies gilt unstreitig für den Abschluß von Unternehmensverträgen, die satzungsändernde bzw. - überlagemde Wirkung haben.21 Zu16 Hachenburg/Merlens GmbHG § 37 Rn. 4; Lutter!HommelhoffGrnbHG § 37 Rn. 11; MeyerLandrut/Miller/Niehus GmbHG §§ 35-38 Rn. 74; Scholz!Schneider GmbHG § 37 Rn. 12, 15; - m. ausdrücklichem Hinweis auf § 116 HGB: Rowedder/Koppensteiner GmbHG § 37 Rn. 11; Roth GmbHG § 37 Anm. 2.2.1. l7 G. Hueck, Gesellschaftsrecht § 36 I 2 b (S. 354); Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 37 Rn.2. 18 G. Hueck in Baumbach/Hueck GmbHG § 3 Rn. 9; Roth GmbHG § 37 Anm. 2.2.2.; Scholz!Emmerich GmbHG § 3 Rn. 12; Rowedder/Koppensteiner GmbHG § 37 Rn. 7; - irreführend ist es, in diesem Zusammenhang von "ungewöhnlichen Geschäften" ru sprechen; so aber Lutter!Hommelhoff GmbHG § 37 Rn. 11; Meyer-Landrut/Miller/Niehus GmbHG §§ 35-38 Rn. 74; dagegenruRechtKort,ZIP 1991,S.I274-1278. 19 Vgl. aber auch das Beispiel der Gründung einer stillen Gesellschaft bei ZitzmaM, Die Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers S. 35 ff. 20 Der BGH leitet in BGHZ 83, S. 122, 131 ('Holzmüller"- oder "Seehafenbetriebs"Entscheidung) eine ungeschriebene Zusuindigkeit der Aktionäre aus § 119 Abs. 2 AktG ab. Zur intensiven sowie kontrovers geführten Diskussion im Schriftturn vgl. die umfassenden Nachweise bei G. Hueclc, Gesellschaftsrecht § 25 II I f. (S. 238); Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften§ 16 I 4 (S. 159 f. Rn. 12 ff.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht § 28 V 2b (S. 731 f.); KölnerKomm/MerleiiS § 76 Rn. 51 f.; - überwiegend wird eine Analogie ru gesetzlichen Hauptversammlungsruständigkeiten im Ergebnis befürwortet - Nachweise in KölnerKomm/Merlens § 76 Rn. 52. Bei der GmbH wird diese aktienrechtliche Problematik nur virulent, wenn die Gesellschafter untätig bleiben, da der Geschäftsführer an Weisungen der Gesellschafter gebunden ist- Luller, FS Stimpel S. 825, 835. 21 BGHZ 105, S. 324, 336- vgl. dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht § 38 III 2 (S. 989) m.w.N.

IV. Kompetenzen für die Vomahme besonderer Geschäftsführungsmaßnahmen

47

Stimmungspflichten kommen auch bei vergleichbaren Tatbeständen, wie z. B. der Ausgründung wichtiger Untemehmensteile, in Betracht.22

3. Weisungsgebundenheit und Sorgfaltspflicht des Geschäftsführers Die Zuständigkeit des Geschäftsführers wird ferner durch seine Rechtsstellung als weisungsgebundenes Geschäftsführungsorgan begrenzt, das zur Beachtung des Gesellschafterwillens verpflichtet ist. Die Folgepflicht des Geschäftsführers wird zwar grundsätzlich nur dann ausgelöst, wenn eine Weisung erteilt wird, die auf einem wirksamen Gesellschafterbeschluß beruht. 23 Steht die Mehrheit der Gesellschafter in einer bestimmten Unternehmerischen Frage seinen Plänen jedoch erkennbar ablehnend gegenüber, wäre es auf seiten des Geschäftsführers auch ohne Vorliegen eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses treu- und sorgfaltswidrig, ihren entgegenstehenden Willen einfach zu ignorieren und ihrem Willen widersprechende Handlungen auszuführen.24 Danach ist der Geschäftsführer zur Einholung der Zustimmung zu einem Geschäft z.B. dann verpflichtet, wenn ihm die Gesellschafter eine bestimmte Unternehmerische Strategie vorgegeben haben und er beabsichtigt, davon abzuweichen. 25 Seine Weisungsbindung beinhaltet die Verpflichtung, den Gesellschaftern Gelegenheit zu geben, ihre ablehnende Haltung in einer Beschlußfassung zum Ausdruck zu bringen.26 Erst wenn sie darauf verzichtet haben, darf er seine Pläne verwirklichen. Dies bedeutet jedoch weder, daß ein entgegenstehender Wille der Gesellschafter bei allen ungewöhnlichen Geschäften automatisch zu vermuten ist,27 noch daß ein Geschäft wegen der ablehnenden Haltung der Gesellschafter automatisch als ungewöhnlich einzuordnen ist.28 Ein erkennbar fehlendes Einverständnis der Gesellschafter mit einem geplanten Geschäft verbietet dem Geschäftsführer die Vornahme des Geschäfts ohne Rücksicht auf dessen Einordnung als gewöhnliche oder ungewöhnliche bzw. geschäftspolitische Maßnahme.

22 Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG Schlußanh. I KonzemR Rn. 38. A. A. für die GmbH Zitzmann, Die Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers S. 57 ff. 23 Oben § 2 I. (Fn. 8).

24 Kort, ZIP 1991, S. 1274, 1278; im Ergebnis allg. Meinung: BGH NJW 1984, S. 1461, 1462; OLG Frankfurt WM 1989, S. 438, 440: Lutter/Homnulhoff GmbHG § 37 Rn. 11; Rowedder/KoppeiiSteiner GmbHG § 37 Rn. II; SchalziSchneider GmbHG § 37 Rn. 16; Roth, ZGR 1985,

s. 265,268.

25 Zu weitgehendaberBGH NJW 1991, S. 1681,1682. 26 Zitzmann, Die Vorlagc:pflichten des GmbH-Geschäftsführers S. 101; rur Bedeutung des Sargfaltsmaßstabs als Pflichtengrenze Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 43 Rn. II. 27 Unklar Scholz/K. Schmidt GmbHG § 49 Rn. 20; zutr. Zitzmann, aaO. S. I 01. 28 Kort, ZIP 1991, S. 1274, 1279.

48

§ 2 Der Einfluß der Gesellschafter auf die Geschäftsführung

4. Annexkompetenz der Gesellschafter für unternehmenspolitische Entscheidungen Vielfach wird angenommen, das gesetzliche Organisationsstatut sei nur unvollständig geregelt und daher durch Auslegung zu ergänzen. Die bedeutende Rechtsstellung der Gesellschafter gern. §§ 37, 38, 45 und 46 GmbHG, namentlich ihre gesetzlichen Kompetenzen, den Geschäftsführer zu bestellen, abzuberufen und ihm verbindliche Weisungen zu erteilen sowie über Jahresabschluß und Ergebnisverwendung zu beschließen, sei Ausdruck ihrer gesetzlichen Zuständigkeit für sämtliche geschäftspolitischen Entscheidungen.29 Dieses Gesetzesverständnis erfordert eine nähere Beschäftigung mit der Frage, welche gesetzlichen Erstzuständigkeiten30 aus dem GmbHG unter Berücksichtigung historischer und teleologischer Auslegungskriterien abgeleitet werden können. Die Materialien zum GmbHG geben über das gesetzgebensehe Ziel Aufschluß, eine Gesellschaftsform zu schaffen, bei der sich die Gesellschafter im Grundsatz auf eine kapitalmäßige Beteiligung beschränken können. 31 Eine gesetzliche Zuständigkeit für alle wichtigen unternehmefischen Planungsentscheidungen ist damit nicht zu vereinbaren, weil sie den Gesellschaftern nicht nur ein Recht auf Mitwirkung, sondern zugleich eine entsprechende- wenn auch dispositive- Pflicht auferlegen würde. 32 Die rein kapitalmäßige Beteiligung an einer GmbH, wie sie der historische Gesetzgeber im Auge hatte, ist heute die Ausnahme. Vorherrschend ist vielmehr die personalistische Erscheinungsform.33 Gleichwohl läßt sich daraus kein Erfordernis ableiten, die gesetzlichen Geschäftsführungsbefugnisse der GmbH-Gesellschafter über den Gesetzeswortlaut hinaus zu erweitern.34 Wie intensiv die einzelnen Gesellschafter sich tatsächlich unternehmerisch betätigen, ist statistisch nicht belegt. Haben die Gesellschafter Interesse, an der Unternehmensleitung mitzuwirken, steht es ihnen jederzeit frei, ihre Entscheidungsbefugnisse zu erweitern und von ihren gesetzlichen Mitwirkungsrechten 29 Eder in GmbH-Handb. I Rn. 590; Hach/Mertens GmbHG § 37 Rn. 5; Lutter!Homm.elhoff GmbHG § 37 Rn. 8; Meyer-Landrut/Miller/Niehus GmbHG §§ 35-38 Rn. 73; Roth GmbHG § 37 Arun. 2.2.1.; Scholz/Schneider GmbHG § 37 Rn. 10; grundlegend Homm.elhof!. ZGR 1978, S.119, 124; ders. ZIP 1983, S. 383, 385- zur Gegenansicht vgl. die Nachweise in Fn. 12; vor allem Zitzmann aaO. S. 64 ff., 72 ff. 30 Zur Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer Zuständigkeit: Hach/Hüffer GmbHG § 46 Rn. 117; Scholz/Schmidt GmbHG § 46 Rn. 1. 3 1 Entwurf eines GmbHG, RT-Drucksache 8, 660, S. 24, Berlin 1892. 3 2 Zum Erfordernis einer abweichenden Satzungsklausel Priester, DStR 92, S. 254, 257. 33 Kornblum, GmbHR 1985, S. 7, 13; Hach/U/mer GmbHG Einl. Rn. 72 m.w.N.

34 Mit ausführlicher Begründung Zitzmann, Die Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers S. 76 ff.

IV. Kompetenzen für die Vomahme besonderer Geschäftsführungsmaßnahmen

49

Gebrauch zu machen; steht dagegen ihre kapitalmäßige Beteiligung im Vordergrund, dürfen sie davon ausgehen, keine, nicht einmal eine dispositive gesetzliche Pflicht zur Geschäftsführung zu übernehmen, da eine solche im Gesetz nicht angeordnet ist. Für eine umfassende gesetzliche Zuständigkeit des Geschäftsführungsorgans spricht auch die entsprechende Anwendung des § 77 Abs. 1 Satz 1 AktG mit der Folge, daß bei Existenz mehrerer Geschäftsführer Gesamtgeschäftsführungsbefugnis besteht35 und somit von einer gemeinsamen Verantwortung der Geschäftsführer auszugehen ist. Ferner stützt die gesetzlich angeordnete strenge Geschäftsführerhaftung gern. § 43 GmbHG die hier vertretene Auffassung. 36 Die von allen Geschäftsführern gemeinsam zu tragende Verantwortung für die Geschäfte der GmbH sowie die Sorgfaltspflichten, die den Anforderungen an einen Vorstand gern.§ 93 AktG entsprechen, wären unverständlich, müßte der Geschäftsführer bei allen wichtigen Entscheidungen die Zustimmung der Gesellschafter einholen. Schließlich gewährleistet allein die hier vertretene Auslegung eine rechtssichere Abgrenzung gesetzlicher Zuständigkeiten, die für die effektive, reibungslose Leitung eines Wirtschaftsunternehmens von großer Bedeutung ist. 37 Die gesetzliche Regelung stellt es den Gesellschaftern anheim, den Freiraum des Geschäftsführers selbst zu gestalten. So lange sie weder in der Satzung noch durch Beschluß oder auch informell den Geschäftsführer von ihren Vorstellungen in Kenntnis setzen, ist dieser verpflichtet, die Geschäfte der GmbH eigenverantwortlich zu führen. 5. Kompetenz der Gesellschafter für außergewöhnliche Geschäfte a) Zuständigkeit gemiiß § 49 Abs. 2 GmbHG

Gesetzliche Kompetenzen der Gesellschafter für die Entscheidung über außergewöhnliche Geschäfte werden teilweise aus der Verpflichtung des Geschäftsführers abgeleitet, gern. § 49 Abs. 2 GmbHG eine Gesellschafterversammlung einzuberufen, wenn es im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint.38 3 5 s. bereits RGZ 98, S. 98, 100; Lutter!Homtni!lhoff GmbHG § 37 Rn. 10; Rowedder/Kop· pensteiner GmbHG § 37 Rn. 16; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 37 Rn. 16; Lehmann, Die ergänzende Anwendung von Aktienrecht auf die Gesellschaft mit beschränkter Haftung 1970, S. 51 f. 36 Kort,ZIP 199l,S. 1274,1277. 37 Kort aaO. (Fn. 36), S. 1276; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 37 Rn. 6; für die Festlegung der Unternehmenspolitik auch Roweddcr/Koppensteiner GmbHG § 37 Rn. 8. 38 Lu//er/Homtni!lhof!GmbHG § 37 Rn. 10; unklar in§ 49 Rn. 11; Scholz/K. Schmidt GmbHG § 49 Rn. 20; Eisenhardt, FS Pfeiffer S. 839, 842 ff.; Heisse, Die Beschränkung der Geschäftsführerhaftung gegenüberder GmbH S. 25. 4 Schall

50

§ 2 Der Einfluß der Gesellschafter auf die Geschäftsführung

"Gesellschaftsinteresse" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff und entspricht der in §§ 111 Abs. 3, 121 Abs. I AktG gebrauchten Formulierung "Wohl der Gesellschaft".39 Dabei besteht ein Beurteilungsspielraum des Geschäftsführers und ein Einberufungsermessen. 40 Selbstverständlich kann der Geschäftsführer, etwa um Haftungsrisiken vorzubeugen, die Zustimmung der Gesellschafter bei wichtigen Entscheidungen einholen; 41 dazu verpflichtet ist er jedoch nur dann, wenn sich sein Ermessen auf eine Pflicht zur Einberufung reduziert. Soweit die Gesellschafter nicht aktiv in die Geschäftsführung eingreifen, läßt sich eine Einberufungspflicht nur bejahen, wenn erhebliche Schädigungen zum Nachteil der Gesellschaft zu besorgen sind42 oder wenn ein Geschäft den Bestand der Gesellschaft gefahrdet. 43 Im Grundsatz ist § 49 Abs. 2 GmbHG also keine Zuständigkeitsvorschrift, sondern läßt die im Einzelfall geltende Zuständigkeitsordnung unberührt. 44 Allein mit Blick auf das Wohl der Gesellschaft muß der Geschäftsführer entscheiden, ob für ein geplantes Geschäft im Innenverhältnis die Gesellschafter zuständig sind und infolgedessen, ggf. in einer Versammlung, deren Zustimmung eingeholt werden muß. 45

b) Zuständigkeitaufgrund gewohnheitsrechtlicher Anerkennung ? Vielfach wird die Zuständigkeit der Gesellschafter für außergewöhnliche Geschäfte auf einen gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtssatz zurückgeführt.46 Zu dieser Zuständigkeitsfrage hat sich bislang jedoch weder eine un-

39 Hach/Hii/fer GmbHG § 49 Rn. 20; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § tisch Eisenhardt aaO. (Fn. 38).

°

49 Rn. 13 - kri-

4 Feine, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung § 39 II 3 (S. 534 f.); Meyer-Landrut/ Miller/Niehus GmbHG § 49 Rn. 8; Roth GmbHG § 49 Anm. 3.2.; Scholz/K. Schmidt GmbHG § 49 Rn.l8. 41

Rowedder/Koppensteiner GmbHG § 49 Rn. II; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 49

42 43 44 45

Hach/Hii/fer GmbHG § 49 Rn. 20; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 49 Rn.

Rn. IO.

Dazu ausführlich Zitzmann, Die Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers S.

Rowedder/Koppensteiner GmbHG § 49 Rn. II; Kort, ZIP 1991, S.

1274, 1277.

13. 154 ff.

Ob eine Beschlußfassung im Umlaufverfahren gern. § 48 Abs. 2 GmbHG durchzuführen ist oder die nächste ordentliche Gesellschaftetversarrunlung abgewanet werden kann, hängt von der Dringlichkeit ab: Lutter!Hommelhoff GmbHG § 49 Rn. II; Meyer-Landrut/Miller/Niehus GmbHG § 49 Rn. 8; Rowedder/Koppensteiner GmbHG § 49 Rn. II; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG

§ 49 Rn. 14. 46 Hach/Mertens GmbHG § 37 Rn. 4; Hommelhoff, ZGR S. 384, 385; Schoiz/Schneider GmbHG § 37 Rn. 12.

1978, S. 119, 123; ders., ZIP 1983,

V. Schranken des Einflusses der Gesellschafter auf die Tätigkeit der Geschäftsführer

51

angefochtene Auffassung im Schrifttum,47 noch eine gefestigte Rechtsprechung48 herausgebildet, so daß die Voraussetzungen für die Anerkennung als Gewohnheitsrecht bislang jedenfalls noch nicht vorliegen dürften. 49 Überlassen die Gesellschafter die Geschäftsführung weitgehend dem Geschäftsführer, ist er kraft Gesetzes innerhalb satzungsrechtlicher Grenzen auch zur Vomahme ungewöhnlicher Geschäfte und geschäftspolitischer Maßnahmen befugt

V. Schranken des Einflusses der Gesellschafter auf die Tätigkeit der Geschäftsführer 1. Art und Umfang der Einflußnahme Die Gesellschafter haben vielfältige Möglichkeiten, auf die Geschäftsführung einzuwirken. Sie können nicht nur inhaltlich, sondern auch organisatorisch den Ablauf der Geschäftsführung steuern. An der Unternehmensleitung sind sie am stärksten beteiligt, wenn sie selbst über eine Maßnahme beschließen und dem Geschäftsführer lediglich ihre Ausführung übertragen. Einen nicht zu unterschätzenden Einfluß üben die Gesellschafter auch durch Wahrnehmung ihrer Befugnisse zur Organisation der Geschäftsführertätigkeit aus: Sie können vor allem über Zuständigkeitsbereiche bestimmen und diese einzelnen Geschäftsführern oder einem fakultativen Organ (Beirat) zur eigenverantwortlichen oder gemeinschaftlichen Wahrnehmung übertragen. Das theoretische Ausmaß eines Eingriffs wird am Beispiel der sog. "Zölibatsklausel" deutlich, die den Geschäftsführer verpflichtet, sich jeder Tätigkeit für die Gesellschaft zu enthalten50 und folglich seine Stellung innerhalb der GmbH zur Bedeutungslosigkeit degradiert.

47 Kritisch insbes. Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 37 Rn. 6; WiedemaM, Gesellschaftsrecht I§ 61112 a bb (S. 336); Konzen, NJW 1989, S. 2977,2979 Fn. 21; aus neuerer Zeit ZitzmaM, Die Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers S. 85 ff.

48 In der Rechtsprechung wurde diese Frage bislang nur kurz - obiter - angesprochen und nicht einheitlich begründet- BGH NJW 1973, S. 1039; BGH NJW 1984, S. 1461, 1462; OLG Frankfun AG 1988, S. 335, 336; BGH NJW 1991, S. 1681, 1682.- In dem letztgenannten vom BGH entschiedenen Fall sah die Satzung die Zuständigkeit der Gesellschafter für unternehmenspolitische Maßnahmen ausdrücklich vor. 49 50

Dazu ausführl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft li Kap. 4, 4 b (S. 356 f.).

OLG Hamm ZIP ten § 2 V 4. 4*

1986, S. 1188, 1193 m. Anm. Lutter S. 1196; hierzu sogleich ausführ!. un-

52

§

2 Der Einfluß der Gesellschafter auf die Geschäftsführung

2. Instrumentarium zur Regelung der Einflußnahme Die Gesellschafter können nicht nur über Art und Umfang ihrer Mitwirkung im Bereich der Geschäftsführung entscheiden; sie haben grundsätzlich die Wahl, ob sie ihre Befugnisse durch Beschluß mit einfacher Mehrheit oder Regelung in der Satzung, vgl. §§ 37, 45 GmbHG wahrnehmen wollen.5 1 Einzelfallentscheidungen, wie insbesondere die Weisung, ein bestimmtes Geschäft durchzuführen, sind naturgemäß Gegenstand eines Mehrheitsbeschlusses. Darüber hinaus kann durch einfachen Mehrheitsbeschluß aber auch eine "Weisung" ausgesprochen werden, die sich nicht auf ein konkretes Geschäft bezieht, sondern, wie z.B. eine Geschäftsordnung, den Umfang der Geschäftsführungsbefugnis jedes Geschäftsführers abstrakt festlegt. 52 Eine Regelung dieser Art kann allerdings auch die Satzung enthalten. Eine solche Bestimmung kann, je nach Parteiwillen, echter oder unechter Satzungsbestandteil sein. Als echter, d.h. nur im Verfahren des §53 GmbHG abänderbarer Satzungsbestandteil,53 geht sie zukünftigen Mehrheitsbeschlüssen vor, während sie als unechter Satzungsbestandteil durch einen Mehrheitsbeschluß jederzeit formlos abgeändert werden darf und den Gesellschaftern dadurch mehr Flexibilität sichert. Abweichungen von der gesetzlichen GmbH-Verfassung, beispielsweise die Etablierung eines fakultativen Organs, vgl. §52 GmbHG,54 oder die dauerhafte Übertragung gesetzlicher Gesellschafterzuständigkeiten auf den Geschäftsführer55 sind dagegen ohne satzungsrechtliche Grundlage nicht wirksam. 3. Gesetzliche Mindestbefugnisse des Geschäftsführers Die bereits genannten zwingenden gesetzlichen Aufgaben des Geschäftsführers können ihm die Gesellschafter weder in der Satzung noch durch Be-

51 G. Hueck in Baumbach/Hueck GmbHG § 3 Rn. 54; Hach/Mertens GmbHG § 37 Rn. 25; Lu//er!Ho-lhoffGmbHG § 37 Rn. 36; vgl. abw. § 45 Rn. 3. 52 Hach/Mertens GmbHG § 37 Rn. 25; Roth GmbHG § 37 Anm. 3; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 37 Rn. 16. A.A. Scholz/Schneider GmbHG § 37 Rn. 59, der in entsprechender Anwendung des § 53 Abs. 2 Satz 1 GmbHG eine Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen für den Erlaß einer Geschäftsordnung fordert; Eder in GmbH-Handbuch I Rn. 592.1a verlangt einen einstimmigen Gesellschafterbeschluß. 53 Zur Unterscheidung zwischen echtem Satzungsbestandteil und einer formellen Satzungsbestimmung, die durch einfachen Gesellschafterbeschluß abgeändert werden kann, G. Hueck in Baumbach/Hueck GmbHG § 3 Rn. 54. 54 Lutter!Ho-lhoffGmbHG § 45 Rn. 5; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 45 Rn. 13. 55 Rowedder/Koppensteiner GmbHG § 45 Rn. 7 und § 37 Rn. 34; Scholz/K. Schmidt GmbHG § 45 Rn. 8, 12, § 46 Rn. 2.

V. Schranken des Einflusses der Gesellschafter auf die Tätigkeit der Geschäftsführer

53

schluß entziehen.56 Dies bedeutet jedoch nicht, daß er in seinem gesetzlichen Aufgabenbereich ausschließlich eigenverantwortlich handeln darf;57 beispielsweise sind Weisungen der Gesellschafter bei der Aufstellung des Jahresabschlusses und des Lageberichts im Rahmen der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung für ihn verbindlich.58 Die Mitwirkungsrechte der Gesellschafter sind allein dahingehend eingeschränkt, daß sie den Geschäftsführer nicht an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen hindern dürfen; zu diesem Zweck müssen ihm auch gewisse Kontroll- und Informationsrechte verbleiben. 59 Ferner obliegt den Geschäftsführern eine, wenn auch im Hinblick auf die Geschäftsverteilung möglicherweise eingeschränkte, Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der gesamten Geschäftsführung.60 Diese ist ihnen nur zuzumuten, wenn ihnen Kontrollbefugnisse, wie insbesondere Auskunftsansprüche gegenüber Mitgeschäftsführem, Einsichtsrechte in die Bücher der GmbH sowie ein Recht auf Teilnahme an den Geschäftsführerversammlungen verbleiben.61

4. Kein ungeschriebener Kernbereich weisungsfreier Geschäftsführertätigkeit Die Frage, ob einem gesetzlichen Leitungsorgan mit überwiegend dispositiven Entscheidungskompetenzen ein Kernbereich ungeschriebener eigenverantwortlicher Entscheidungsbefugnisse verbleiben muß, wurde nicht nur im GmbH-Recht diskutiert. Vor der Aktienrechtsnovelle 1937 stand die Zuständigkeitsverteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat noch zur Disposition der Aktionäre (vgl. §§ 235, 246 HGB a.F.) und gab Anlaß zu der Kontroverse,62 ob dem Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan ein "Kembereich" von Geschäftsführeraufgaben gesetzlich zwingend zugewiesen ist.

56 Hach/Merte/IS GmbHG § 37 Rn. 7; Lutter!Homme/hoff GmbHG § 37 Rn. 12; MeyerLandrut/Mi//er/Niehus GmbHG §§ 35-38 Rn. 83; Scholz/Schneider GmbHG § 37 Rn. 37; Zöllner in Baurnbach/Hueck GrnbHG § 37 Rn. 8. 57 So aber Hach/Merle/IS GmbHG § 37 Rn. 7; Mißverständlich z.B. 1/ärer, Der Beirat in der GmbHS. 133. 58 Schulze- Osterloh in Baumbach/Hueck GmbHG § 41 Rn. 49, § 42 Rn. 20.

59 Lutter, ZlP 1986, S. 1196; Meyer-Landrut/Miller/Niehus GmbHG § 35-38 Rn. 80; Scholz/Schneider GmbHG § 37 Rn. 37. 60 Hach/Merle/IS GrnbHG § 43 Rn. 33; Scholz/Schneider GmbHG § 37 Rn. 25 ff., § 43 Rn. 35; Rohleder, Die Übertragbarkeit von Kompetenzen auf GmbH-Beiräte S. 30 f. 61 Hach/Merte/IS GrnbHG § 37 Rn. 10; Scholz!Schneider GmbHG § 37 Rn. 37 hält offenbar nur bei Vorhandensein mehrerer Geschäftsführer einen generellen Ausschluß für zulässig, sofern ein Geschäftsführer zuständig bleibt. 62 Nachw. bei Brodmann AktG Bd. IV § 246 Anrn. 5; Stauh-Pinner AktG Bd. li § 246 Anrn. 10; Goldmann HGB Bd. II § 235 Rn. 4, § 246 Rn. 13; Koenige!Teichmann!Koeh/er HGB § 235 Rn. 3.

54

§2

Der Einfluß der Gesellschafter auf die Geschäftsführung

Wie damals im Aktienrecht, so lehnt heute die h.M. im GmbH-Recht die Anerkennung ungeschriebener gesetzlicher Mindestbefugnissen ab. 63 Eine immer gewichtiger werdende Mindenneinung sieht es jedoch als unzulässig an, dem Geschäftsführer über seine gesetzlichen Pflichtaufgaben hinaus keinerlei Entscheidungsspielraum zu belassen.64 Vennittelnd wird danach differenziert, ob Eingriffe in einen Mindestzuständigkeitsbereich durch eine satzungsrechtliche Grundlage legitimiert sind oder nicht. 65 a) Keine Differenzierung zwischen gesetzlicher und satzungsrechtlicher Weisungsungsbefugnis

Die Verlagerung des Initiativ- und Entscheidungszentrums für die laufenden Geschäfte vom Geschäftsführer auf die Gesellschafter wird von Hommelhoff als Widerspruch zur gesetzlichen GmbH-Verfassung bewertet, allerdings bei entsprechender Gestattung in der Satzung für zulässig befunden.66 Sein Verständnis der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung stößt zu Recht auf Kritik.67 Die zulässige Intensität der Einwirkung auf die Geschäftsführer hängt nicht davon ab, ob die Gesellschafter durch Mehrheitsbeschluß oder in der Satzung eine Regelung treffen; vielmehr sieht § 37 GmbHG beide Fonneo der Einflußnahme als gleichwertig an. 68 Das Gesetz geht unstreitig von der Allzuständigkeit der Gesellschafter aus,69 die es nur in einzelnen Vorschriften zugunsten des Geschäftsführers einschränkt. Weder für die Gläubiger der GmbH noch für andere Außenstehende besteht ein berechtigtes Interesse an der Publizität innergesellschaftlicher Organisationsstrukturen im Gesellschafts63 Zum damaligen Aktienrecht: RG IW 1924, S. 1147 sowie die in Fn. 62 Genannten -nur Brodmann aaO. (Fn. 62) befürwortet ungeschriebene Mindestzuständigkeiten des Vorstands. Vgl. zur h.M. im GmbH-Recht: OLG Hamm ZIP 1986, S. 1188, 1193 m. Anm. Luuer S. 1196; Eder in GmbH-Handbuch I Rn. 590.2 f.; Hach/Mertens GmbHG § 37 Rn. 8 f.; Lut/erl/lomme/hoffGmbHG §

37 Rn. 18 - die jedoch nur satzungsrechtlichen Entzug von Geschäftsführungsbefugnissen zulassen Meyer-Landrut/Mi//er/Niehus GmbHG §§ 35-38 Rn. 75, 83; Roth GmbHG § 37 Anm. 2.2.2.; Scholz/Schneider GmbHG § 37 Rn. 38; Eisenhardt, FS Pfeiffer S. 839, 844 f.; Konzen, NIW 1989, S. 2977, 2979; Wank, GmbHR 1980, S. 121, 123. 64 Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 37 Rn. 9, II, § 46 Rn. 3; llach!Hüffer GmbHG § 46 Rn. 4; Lutter!Homme/hoffGmbHG § 45 Rn. 4, anders aber in§ 37 Rn. 18; Scholz/K. Schmidt 6.A. § 46 Rn. 3; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I § 6 III 2 a (S. 336); /lärer, Erscheinungsformen und Kompetenzen des Beirats in der GmbH S. 85 ff. Ausdlilcklich offengelassen vom OLG Frankfurt GmbHR 1993, S. 288. 65 Homrnelhoff, ZGR 1978, S. 119, 127 ff.; Lullert/lommelhof!GmbHG § 37 Rn. 14, 18- teilweise anders § 45 Rn. 4. 66 ZGR 1978, S. 119, 129; Luuer!HommelhoffGmbHG § 37 Rn. 14, 18. 67 Ausführlich Hach/Mertens GmbHG § 37 Rn. 9. 68 Ausdlilcklich Rowedder/Koppensteiner GmbHG § 37 Rn. 21 ; ferner Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 37 Rn. I 0. 69 Hach/Hüffer GmbHG § 46 Rn. 117; Schoi7)K. Schmidt GmbHG § 46 Rn. I; allg. M.

V. Schranken des Einflusses der Gesellschafter auf die Tätigkeit der Geschäftsführer

55

vertrag. 70 Ihren Bedürfnissen wird vielmehr durch den zwingenden Charakter der gesetzlichen Pflichten des Geschäftsführers, insbesondere seiner nach außen unbeschränkbaren Vertretungmacht, Genüge getan. Dasselbe gilt für künftige Gesellschafter, die nicht darauf vertrauen dürfen, daß der Geschäftsführer intern bestimmte Geschäftsführungsbereiche eigenverantwortlich wahrnimmt, weil das GmbHG die Einflußnahme auf den Geschäftsführer durch Mehrheitsbeschluß ausdrücklich gestattet. Das Erfordernis, den Gesellschafterwillen durch Beschluß zu bilden, stellt sicher, daß neu eintretende Gesellschafter von den jeweiligen Machtverhältnissen alsbald Kenntnis erlangen.?• Aus denselben Gründen ist es auch unter dem Gesichtspunkt schützenswerteT Interessen eines Minderheitsgesellschafters abzulehnen, für die Wahrnehmung der laufenden Geschäfte durch die Gesellschafter eine satzungsändernde Mehrheit zu verlangen.72 Allgemeine Schranke der Mehrheitsherrschaft ist lediglich die Treuepflicht73 der Gesellschafter, deren Verletzung der Minderheitsgesellschafter möglicherweise im Wege der Beschlußanfechtung geltend machen kann.

b) Keine Anerkennung ungeschriebener Grenzen des Gesellschaftereinflusses Der Meinungsstreit reduziert sich auf die Fragestellung, ob dem Geschäftsführer ungeschriebene Mindestkompetenzen zugewiesen sind, die ihm weder in der Satzung noch durch Beschluß entzogen werden dürfen. Der Wortlaut des § 37 GmbHG ist insoweit ebenso unergiebig wie ein Rückgriff auf den Willen des historischen Gesetzgebers. Die Vertreter eines "Kernbereichs" folgern aJiein aus dem objektiven Zweck des Gesetzes, daß dem Geschäftsführer eigenverantwortliche Entscheidungsbefugnisse verbleiben müssen, die ihm Autorität gegenüber den Arbeitnehmern sichern, ohne die eine ordnungsgemäße Unternehmensführung unmöglich sei.74 Andere sehen es als Zweck des Gesetzes an, im Spannungsfeld der Interessen von Gesellschaftern einerseits und Kompetenzen der Geschäftsführer andererseits Ausgewogenheit herbeizuführen.75

70 71 72 73

37 Rn. 14, 18. 14. Auch insoweit a.A. Lutter!Hommelhof!GmbHG § 37 Rn. 18.

So aber Lutter!Hommelhof!GmbHG §

Bedenken bei Lutter!Hommelhof!GmbHG § 37 Rn.

Zur Treuepflicht vgl. vor allem G. Hueclc in Baumbach/Hueck GrnbHG § 13 Rn. 21 ff.. insbes. Rn. 25, 31; Hach/Raiser GrnbHG § 14 Rn. 52 ff. m. zahlreichen weiteren Angaben - insbes. auch Will/er, Mitgliedschaftliehe Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988.

74

Lutter!Hornnwlhof!GmbHG § 37 Rn. 18; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 37 Rn. 9. 7 5 Härer, Erscheinungsformen und Kompetenzen des Beirats in der GmbH S. 92.

56

§ 2 Der Einfluß der Gesellschafter auf die Geschäftsführung

Ferner wird ein "Kernbereich" mit strukturellen Erwägungen begründet: Die zweigliedrige Organisationsstruktur verlange es, dem Geschäftsführer einen Grundbestand eigener Sachentscheidungen einzuräumen.76 Angesichts der gesetzgebensehen Absicht, für die GmbH nur wenige gesetzliche Vorgaben für ein Organisationsstatut bereitzustellen, spricht viel dafür, nicht Zweckmäßigkeit und Ausgewogenheit der GmbH-Verfassung, sondern weitgehende Dispositivität zugunsten der Gesellschafter in den Vordergrund der Gesetzesauslegung zu stellen. Danach ist es sachgerecht, ihnen die Entscheidung zu überlassen, ob sie das Geschäftsführeramt mit Autorität versehen oder nicht. Die Streitfrage dürfte in erster Linie von theoretischer Bedeutung sein, denn im Regelfall wird praktisch kein Interesse der Gesellschaftermehrheit bestehen, alle für die Vertretung der GmbH zuständigen Geschäftsführer umfassend an einzelne Entschließungen anderer Organe zu binden. Deshalb wird zumindest einem Geschäftsführer ein gewisser Bereich eigenverantwortlicher Geschäftsführertätigkeit eingeräumt sein. Die vollständige Entziehung von Geschäftsführungsbefugnissen über die gesetzlichen Mindestbefugnisse hinaus könnte aber dann in Betracht kommen, wenn mehrere Geschäftsführer existieren. Da das Gesetz dem Geschäftsführer keinen Schutz vor Einflußnahme durch die Gesellschafter gewährt, wie vor allem das Recht zur jederzeitigen Abberufung gern. § 38 GmbHG zeigt, ist selbst eine Zölibatsklausel, die allein die gesetzlichen Pflichten des Geschäftsführers im Interesse des Rechtsverkehrs, insbesondere der Gläubiger sowie der Gesellschafter, unberührt läßt, als zulässig anzusehen.77 Gegen die Existenz eines Kernbereichs eigenverantwortlicher Geschäftsführungsbefugnisse spricht ferner, daß die Wahrnehmung der laufenden Geschäftsführung eine ständige Entscheidungsbereitschaft des Geschäftsführers verlangt. Ihm ist deshalb eine Prüfung, ob eine an sich rechtmäßige Weisung in einen "Kernbereich" unentziehbarer Geschäftsführeraufgaben fällt, kaum zumutbar. Das gilt umso mehr, als bislang keine praktikablen Abgrenzungsmerkmale entwickelt werden konnten. Im Ergebnis kann die Forderung nach einem Kernbereich unentziehbarer Geschäftsführerbefugnisse auch nicht überzeugen, da sich der Geschäftsführer bei Meinungsverschiedenheiten mit den Gesellschaftern letztendlich ohnehin nicht durchsetzen kann.

76 hn Ansatz Hach/Hüffer GmbHG § 45 Rn. 17, § 46 Rn. 4; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 37 Rn. 9 sieht durch einen umfassenden Entzug von Geschäftsführeraufgaben die GmbHVerfassung als "pervertiert" an. 77 Lutter/Hommelhof!GmbHG § 37 Rn. 39.

§ 3 Kompetenzabgrenzung zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführern der GmbH im Anwendungsbereich des MitbestG

I. Keine explizite Kompetenzabgrenzung im MitbestG Das MitbestG verpflichtet jede GmbH mit mehr als 2000 Arbeitnehmern, einen Aufsichtsrat zu errichten (§ 1 Abs. 1), regelt dessen Zusammensetzung (§ 7), die Wahl der zu bestellenden Arbeitnehmervertreter (§§ 9-24) sowie einige Fragen der inneren Ordnung des Aufsichtsrats (§§ 26-29) und des gesetzlichen Vertretungsorgans (§§ 31-33). Die Aufgabenstellung des GmbHAufsichtsrats ergibt sich lediglich aus einer Verweisung auf aktienrechtliche Vorschriften(§§ 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 31 MitbestG). Mit den Organzuständigkeiten von Gesellschaftern und Geschäftsführern befaßt sich das MitbestG nur in wenigen Vorschriften. Es entzieht der Gesellschafterversammlung die Befugnis zur Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers, § 31 MitbestG; ferner schränkt es in § 32 MitbestG die Rechtsmacht des Vertretungsorgans bei der Ausübung bestimmter Rechte ein, die auf einer Unternehmensverbindung beruhen und ordnet schließlich in§ 33 MitbestG an, daß dem Geschäftsführungsorgan ein Arbeitsdirektor angehören muß. Diesen Regelungen steht der in § 30 MitbestG formulierte Grundsatz voran, daß sich im übrigen Rechte und Pflichten des Vertretungsorgans nach rechtsformspezifischen Vorschriften bestimmen. Dieser kurze Überblick macht deutlich, daß der Wortlaut des MitbestG keine vom Normalstatut der GmbH abweichende Verteilung von Geschäftsführungsbefugnissen zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführern erkennen läßt.

II. Maßstäbe für die Kompetenzabgrenzung Ob die Einführung eines mitbestimmten Aufsichtsrats mit zwingenden Mindestzuständigkeiten Veränderungen der GmbH-Struktur- insbesondere im Hinblick auf die Rechtsstellung der Gesellschafter - bewirkt hat oder ob sie die Kompetenzen der anderen Gesellschaftsorgane über den Wortlaut hinaus unberührt läßt, ist zweifelhaft, weil das MitbestG hierzu keine eindeutigen Aussagen enthält.

58

§ 3 Kompetenzabgrenzung im Anwendungsbereich des MitbestG

1. Problemstellung Die Materialien zum MitbestG bringen schwer zu vereinbarende Zielsetzungen zum Ausdruck. Das Gesetz soll einerseits eine gleichberechtigte und gleichgewichtige Teilhabe von Anteilseignern und Arbeitnehmern an den Entscheidungsprozessen im Unternehmen sichern, andererseits soll dieses Vorhaben auf der Grundlage des geltenden Gesellschaftsrechts und unter dessen weitgehender Beibehaltung verwirklicht werden. 1 Die Mitwirkung von Arbeitnehmern an der Unternehmensleitung sucht das MitbestG institutionell, d.h. durch die Beteiligungen von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat, zu gewährleisten.2 Infolgedessen richtet sich der Umfang ihrer Einflußmöglichkeiten primär nach den Befugnissen des Aufsichtsrats, insbesondere nach seinem Verhältnis zu den übrigen Gesellschaftsorganen. Diese Frage wirft in der mitbestimmten Aktiengesellschaft wenig Probleme auf; vielmehr hat das MitbestG ihr zwingendes Organisationsstatut, das auf strikter Gewaltenteilung zwischen Hauptversammlung, Aufsichtsrat und Vorstand beruht und ein in sich geschlossenes System von Gewaltenverzahnung sowie -kontrolle darstellt, 3 nicht angetastet. 4 Die Verweisungen auf das AktG sind Ausdruck des Modellcharakters, den dieses Gesetz für die Regelung der Unternehmensmitbestimmung besitzt: Die Leitung der Aktiengesellschaft obliegt ausschließlich dem Vorstand,§ 76 Abs. 1 AktG, der weder an Weisungen der Hauptversammlung noch des Aufsichtsrats gebunden ist. Als Gegengewicht zur Leitungsmacht des Vorstands ist die Überwachung des Vorstands dem Aufsichtsrat übertragen, der dadurch einen gewissen mittelbaren Einfluß auf die Unternehmensführung ausüben kann, während sich der Einfluß der Hauptversammlung auf die Geschäftsführung darin erschöpft, die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat zu bestellen und einem Vorstandsmitglied das Vertrauen zu entziehen, wenn die Mehrheit der Aktionäre seine Qualifikation in Frage stellt.s

RegE. mm MitbestG BT-Druclcs. 712172 S. 17, auch S. 33; ·ferner der Bericht des Ausschussesfür Arbeit und Sozialoninung BT-Druclcs. 7/4845 S. 1 f.; RiltMr spricht von dem Versuch einer "Quadratur des Kreises", DB 1980, S. 2493, 2495- kritisch rur Argumentation gesUitzt auf die Gesetzesmaterialien Canaris, DB 1981, Beil. 14, S. 2;- dagegen Joch, Mitbestimmungsgesetz und Gestaltungsfreiheit S. 57. 2 RegE. mm MitbestG BT-Druclcs. 7!2172S. 19. 3 Vgl. mr Führungsorganisation der AG: Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften § 13 li 1 (S. 79 ff., Rn. 7 ff.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht § 26 III 1 (S. 646 ff.); - zu rechtstatsächlichen Abweichungen vom gesetzlichen Leitbild: KölnerKomm/Zöl/ner Ein I. Rn. 88 ff. 4 G. Hueck, Gesellschaftsrecht § 23 I 4 (S. 203).

5 Daraus wini ru Recht eine gewisse Abhängigkeit des Vorstands vom Willen der Hauptversammlung gefolgen: G. Hueck, aaO. (Fn. 5) § 23 13 (S. 202).

II. Maßstäbe ftlr die Kompetenzabgrenzung

59

Im Gegensatz zur Aktiengesellschaft ist die GmbH-Verfassung durch die bereits beschriebene Allzuständigkeit der Gesellschafter gekennzeichnet, in die sich ein Gesellschaftsorgan wie der nach dem MitbestG vorgesehene Aufsichtsrat mit zwingenden, durchaus bedeutenden Befugnissen nicht reibungslos einfügt. Die Gegenüberstellung von Mitbestimmungs- und GmbH-Recht läßt Widersprüche zwischen dem Anliegen erkennen, durch die Mitwirkung von Vertretern der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat ihre Beteiligung an Unternehmerischen Entscheidungsprozessen zu gewährleisten, und den gesellschaftsrechtlich nahezu unbegrenzt gewährleisteten Befugnissen der Gesellschafter, über den Inhalt der Geschäftsführung selbst verbindlich zu entscheiden. 2. Auslegung des MitbestG Zu Recht haben sich Bestrebungen6 nicht durchgesetzt, das Verhältnis von Mitbestimmungs- und Gesellschaftsrecht einzelfallübergreifend zu umschreiben und gesellschaftsrechtlich gewährleistete Sachentscheidungs- und Organisationsbefugnisse der Anteilseigner pauschal mit dem Argument einzuschränken, das MitbestG verfolge den Zweck, die Beteiligung von Arbeitnehmern an Unternehmerischen Entscheidungen zu verstärken. Dasselbe gilt für die heute einhellig abgelehnte Auffassung vom überwiegend verfahrensrechtlichen Charakter mitbestimmungsrechtlicher Vorschriften, der eine Auslegung über den Wortlaut hinaus nicht erlaube.7 Vielmehr haben Organisation und Verfahren durchaus materielle Wirkungen und werden oft sogar um dieser Wirkungen willen geschaffen,8 so daß eine einzelfallbewgene Hannonisierung angestrebt werden muß, bei der alle rechtlich relevanten Wertungen einzubeziehen sind, soweit sie einen Niederschlag im Gesetz gefunden haben.9 Im ersten Schritt sind diese Wertungen zu konkretisieren, anschließend gegeneinander abzuwägen. Obgleich es in diesem Zusammenhang nicht um die Kollision verschiedener Grundrechtspositionen geht, weist die ursprünglich im Verfassungsrecht 6 GK-MitbestG/Naelldrup § 25 Rn. 9 ff., 141 ff.; ~Urs. AuR 1977, S. 225, 234; Nagel, Unternehmensmitbestimmung S. 68; Reich, BIStSozArbR 1976, S. 176, 177; Reich-Lewerenz, AuR 1976, S. 261, 263; der Tendenz nach Föhr, MitbestGespr. 1977, S. 131, 132. 7 Martens, AG 1976, S. 113 ff., 115, 119; ähnlich bereits ~Urs., BB 1973, S. 1118 ff. und ZHR 138 (1974), S. 179 ff.; Hoffmann!Lehmann!Weinmann MitbestG § 25 Rn. 3. 8 BVerfGE 50, S. 290, 351. Vgl. hierru insbes. Kroneberg, Die mitbestimmte selbständige Aktiengesellschaft S. II ff. 9 lm Grundsatz h.M.; allerdings mit unterschiedlicher Akzenruierung mitbestimmungs- und gesellschaftsrechtlicher Gesichtspunkte: Boewer, DB 1980, S. 673, 674; Fitting!Wiotz/ce!Wipmann MitbestG § 25 Rn. 6 ff. mit starker Gewichtung mitbestimmungsrechtlicher Regelungsziele. Hanau/U/mer MitbestG Einl. Rn. 54 und§ 25 Rn. 6 ff.; Raiser MitbestG § 25 Rn. 9 ff., insbes. Rn. 12; Reuter, ZfA 1982, S. 461, 162; nunmehr auch Martens, ZHR 148 (1984) S. 183, 184 Fn. 5, aller· dings mit deutlicher Zurückhaltung gegenüber aus dem MitbestG abgeleiteten ungeschriebenen Wertungen; weitergehend Säe/cer, ZHR 148 (1984), S. 153, 174; jew. m .w.N.

60

§ 3 Kompetenzabgrenzung im Anwendungsbereich des MitbestG

angewandte Auslegungsmethode, bekannt als praktische Konkordanz, 10 generell den Weg, widersprüchliche Regelungsziele in Einklang zu bringen. Ziel der Auslegung muß es sein, sowohl der Privatautonomie der Gesellschafter als auch der im Aufsichtsrat institutionalisierten Mitbestimmung der Arbeitnehmer Rechnung zu tragen und Lösungsvorschläge zu entwickeln, die keinen dieser Belange von vomherein zurücktreten lassen. 11

lll. Umfang der Weisungsbefugnis der Gesellschafter Der Einfluß des aktienrechtlichen Aufsichtsrats auf unternehmensehe Entscheidungen beruht maßgeblich auf der weisungsfreien Leitungsmacht des Vorstands, die dieser angesichts der Überwachungs- und Personalkompetenz des Aufsichtsrats kaum willkürlich gegen erkennbar von dessen Mitgliedern repräsentierte Interessen ausüben wird. Gleichzeitig sichert das Gesetz der Unternehmensleitung eine gewisse Unabhängigkeit auch gegenüber dem Aufsichtsrat, indem es die Abberufung von Vorstandsmitgliedern nicht jederzeit, sondern nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zuläßt. 12 Außerdem besteht kein Weisungsrecht des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand. Der Gesetzgeber hat an die Beteiligung von Arbeitnehmervertretern an der Bestellung und Überwachung der Geschäftsführer der GmbH ähnliche Vorstellungen geknüpft und beabsichtigt, daß die Geschäftsführer Arbeitnehmerinteressen in ihre Unternehmerischen Entscheidungen einfließen lassen. Allerdings gehen die Meinungen auseinander, wie sich dieses gesetzgebensehe Ziel auf die Befugnis der Gesellschafter auswirkt, über Angelegenheiten der Geschäftsführung selbst zu entscheiden und dem Geschäftsführer nur noch die Ausführung zu überlassen.

1. Eindeutige Aussagen im MitbestG Zu Recht haben Rechtsprechung 13 und Schrifttum 14 der Auffassung eine Absage erteilt, daß mit der Einführung eines mitbestimmten Aufsichtsrats 10 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland § 2 IIJ 2 b bb (S. 27, Rn. 72), § 10 II 2 a (S. 133, Rn. 317ff.). 11 Vgl. dam allg. Müller, Juristische Methodenlehre S. 222; speziell zum MitbestG: Canaris, DB 1981, Beil. 14, S. 3; Raiser, ZHR 149 (1985), S. 700,702. 12 A.H~Uck in Baumbach/Hueck AktG § 84 Rn. 14; der wichtige Grund ist auch in mitbe-

stimmten Gesellschaften Rechtmäßigkeilsvoraussetzung für den Widerruf;- a.A. nur Reich!Lewerenz, AuR 1976, S. 261, 270, die eine Legitimation durch das spezielle Abberufungsverfahren gern. § 31 Abs. 5 i.V.m. § 31 Abs. 2-4 MitbestG für ausreichend halten;- gegen sie Krieger, PersonalentscheidungenS. 131 m .w.N. l3 BVerfGE 50, S. 290, 346; BGHZ 89, S. 48, 57.

111. Umfang der Weisungsbefugnis der Gesellschafter

61

Weisungsbefugnisse der Gesellschafter gegenüber den Geschäftsführern vollständig entfallen seien. 15 Diese Auffassung läßt sich im Wege der Auslegung nicht begründen, weil das MitbestG ausdrücklich weder den Ausschluß der Aktionäre von der Geschäftsführung (§ 119 Abs. 2 AktG) noch die eigenverantwortliche Leitungsbefugnis des Vorstands (§ 76 AktG) auf die GmbH übertragen hat. Der Gesetzgeber hat sich sogar ausdrücklich für die Rechtsformvielfalt im Gesellschaftsrecht und damit für den Fortbestand rechtsformspezifischer Mitwirkungsbefugnisse der GmbH-Gesellschafter ausgesprochen und darauf verwiesen, daß eine rechtsformübergreifende Neuordnung einer Unternehmensrechtsreform vorbehalten bleiben müsse. 16 Ein Wegfall des Weisungsrechts sowie anderer Mitwirkungsrechte der Gesellschafter, die ihnen Einfluß auf die Geschäftsführung einräumen, würde der für die GmbH charakteristischen Kombination der beschränkten Haftung mit der Möglichkeit, aktiv auf die Unternehmensleitung einzuwirken, ein Ende bereiten. Das MitbestG bietet dafür keine rechtliche Grundlage; überdies würde eine solche Auslegung deutlich dem zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers widersprechen. 2. Keine Differenzierung zwischen personalistisch und kapitalistisch verfaßter GmbH Die Vielseitigkeit der GmbH als Rechtsform zeichnet sich dadurch aus, daß sie sich einerseits für Gesellschafter eignet, die das Schicksal ihres Unternehmens selbst bestimmen wollen, auf der anderen Seite den Gesellschaftern eine lediglich kapitalistische Beteiligung ermöglicht, da die GmbH ähnlich wie eine kleine AG ausgestaltet werden kann. Daran anknüpfend wird eine differenzierende Lösung für die Harmonisierung von Mitbestimmungs- und GmbH-Recht angestrebt: Ausgangspunkt der Differenzierung ist die Überlegung, der Gesetzgeber habe sich für ein rechtsformabhängiges Mitbestimmungsgefälle entschieden, das in der Mitbestimmungsfreiheit von Personengesellschaften und in der 14 Fitting!Wiotzlce!WißmaM MitbestG § 30 Rn. 41, § 25 Rn. 63; Hach/Mertens GmbHG § 37 Rn. 11; Hanau/U/mer MitbestG § 30 Rn. 19; Hofjmann!Lehmann/WeinmaM MitbestG § 30 Rn. 26; Raiser MitbestG § 25 Rn. 80; Rowedder/Koppensteiner GmbHG § 37 Rn. 23; Scholz!Schneider GmbHG § 37 Rn. 42; Zöllner in Baumbach/Rueck GmbHG § 37 Rn. 10- alle m.w.N. 15 So aber GK-MitbestG/Naendrup § 25 Rn. 141 ff.; tkrs. AuR 1977, S. 225, 232 und S. 268,

272; Reich, BIStSozArbR 1976, S. 176, 181, Reich·Lewerenz, AuR 1976, S. 261, 272; Rosend4hl, MitbestGespr. 1979, S. 199, 205; Vollmer, ZGR 1979, S. 135, 147;- für die sog. Satzungsgesellschaft auch Reuter-Körnig, ZHR 140 (1976), S. 494, 509 f.; Reuter, AcP 1979, S. 509, 543 f.; tkrs., Die Mitbestimmung als Bestandteil des Normativsystems für die juristischen Personen des Handelsrechts 1987, S. 8 Fn. 9 hat diese Ansicht ausdrücklich aufgegeben. 16 Begr. zum RegE. MitbestG BT-Drucks. 7/2172 S. 16.

62

§ 3 Kompetenzabgrenzung im Anwendungsbereich des MitbestG

eingeschränkten Geltung des MitbestG für KGaA zum Ausdruck kommt und das auf die persönliche Haftung der Gesellschafter zurückzuführen sei. 17 Daneben soll auch der persönliche Zuschnitt der Gesellschaft, insbesondere die persönliche Mitarbeit der Gesellschafter und ihre Bereitschaft, unmittelbar soziale Verantwortung für Unternehmerische Entscheidungen zu übernehmen, ein "Weniger" an Mitbestimmung sachlich legitimieren. 18 Gestützt auf diese Überlegungen wurde im Schrifttum vorgeschlagen, die Weisungsbefugnis der Gesellschafter in einer personalistisch geprägten GmbH weiterhin anzuerkennen, in einer GmbH mit einer aktienrechtsähnlichen Organisationsverfassung hingegen als unvereinbar mit dem MitbestG abzulehnen. 19 Diese Unterscheidung findet jedoch keinerlei Stütze im Gesetz. 20 Gegen sie spricht, daß sich kaum rechtssicher abgrenzen läßt, welche Merkmale eine personalistische GmbH-Verfassung aufweisen müßte. 21 Hinzu kommt, daß die jeweilige Zuordnung mehrfach wechseln kann. Neben der persönlichen Haftung ihrer Gesellschafter beruht die Mitbestimmungsfreiheit von Personengesellschaften darauf, daß für sie - anders als für die GmbH (§ 52 GmbHG) - generell kein Aufsichtsrat vorgesehen ist und damit eine gesellschaftsrechtliche Anhindung für die Arbeitnehmermitbestimmung fehlt, die allein der Gesetzgeber schaffen kann. 22

I? Baumann, ZHR 142 (1978), S. 557, 569 ff.; Hanau/U/mer MitbestG §I Rn. 32; Milbestim· mungsrechtslwmmission S. 116; Reuter/Körnig, ZHR 140 (1976), S. 494, 516; U/mer, BB 1979, S. 398, 401; - vgl. zu dieser Frage Unternehmensrechtskommission Rn. 977 ff.; gegen diese Plämisse Däubler, Das Grundrecht auf MitbestimmungS. 348 ff.; krit. auch Duden, FS SchillingS. 309, 326 f.; Martens, ZGR 1979, S. 493, 502ff.; Steindorff, FS Ballerstedt S. 127, 131 f. 18 Buchner, ZfA 1974, S. 147, 171 ff.; tkrs. in Zulnmft der GmbH S. 131, 138 f.; L. Fischer, Die Kommanditgesellschaft auf Aktien nach dem Mitbestimmungsgesetz S. 96; Fitting!W/otzke!WißmaM MitbestG § I Rn. 10; Mitbestimmungsrechtslcommission, S. 116. - Eine abgestufte Mitbestimmungsintensität nach typischer und realer Unternehmensfeme bzw. -nähe ist nach Reuter, Die Mitbestimmung als Bestandteil des Normativsystems für die juristischen Personen des Handelsrechts S. 25 gesetzlich intendiert; ausführt. bereits tkrs., AcP 179 (1979), S. 509,539 ff. 19 Reuter/Körnig, ZHR 140 (1976), S. 494, 509 f.; Reuter, AcP 179 (1979), S. 509, 543 ff. Nunmehr aber anders Reuter, Das Normativsystem für die juristischen Personen des Handelsrechts S. 8; tkrs., RdA 1988, S. 280,283. 20 Baumann, ZHR 142 (1978), S. 557, 564; Wiedemann, BB 1978, S. 5, 6. 21 Eder in Pro GmbH S. 57, 76; H.P. WestermaM, ZGR 1981, S. 393,403 f.- allg. zum Typusbegriff Koller, Grundfragen einer Typuslehre im Gesellschaftsrecht S. 44 ff.; H.P. WestemraM, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften S. 98 ff. 22 Flume, Die juristische Person § 2 VII 2 (S. 52 f.); zutr. stellt Raiser heraus, daß es an einer übergreifenden Konzeption des MitbestG fehlt, MitbestG Einl. 64; zu Überlegungen de lege ferenda auch H.P. Westermann, ZGR 1981, S. 393, 413 ff. Zu weiteren Unstimmigkeiten bereits Ballerstedt, ZHR 135 (1971), S. 479,502.

III.

Umfang der Weisungsbefugnis der Gesellschafter

63

3. Keine Beschränkung der Gesellschafter auf verbindliche Zustimmungsrechte Nicht zu überzeugen vermag der Vorschlag, die Eigenverantwortung des Geschäftsführers und GmbH-spezifische Geschäftsführungsbefugnisse der Gesellschafter in der Weise zu harmonisieren, daß zwar das Weisungsrecht der Gesellschafter entfällt, ihnen statt dessen aber die Befugnis verbleibt, in der Satzung verbindliche Zustimmungsvorbehalte festzulegen und im jeweiligen Einzelfall die Ausführung eines zustimmungspflichtigen Geschäfts zu verhindern. 23 Für verbindliche unternehmenspolitische Vorgaben der Gesellschafter ist nach dieser Auffassung hingegen kein Raum mehr, weil die Gestaltung der Unternehmenspolitik Sache des Geschäftsführers sein müsse, um eine angemessene Berücksichtigung von Anteilseigner- sowie Arbeitnehmerinteressen zu gewährleisten. Gegen diese Konzeption der Zuständigkeitsverteilung spricht jedoch das gesetzliche Leitbild der GmbH. Damit ist es unvereinbar, den Gesellschaftern jede Initiative für die Unternehmenspolitik sowie für wichtige Unternehmerische Entscheidungen abzusprechen; ein so intensiver Eingriff in die Struktur der GmbH kann aus dem rechtsformabhängig ausgestalteten MitbestG nicht abgeleitet werden. Außerdem könnte eine reaktive, nur verhindernde, aber gleichwohl bindende Einflußnahme der Gesellschafter auf die Geschäftsleitung eine effektive Unternehmensführung gefahrden. Aktiv an der Geschäftsführung mitwirkenden Gesellschaftern wäre es leicht möglich, einen umfassenden Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte aufzustellen und dringende Maßnahmen schlicht zu blockieren. Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung würde den Geschäftsführer letztendlich doch zwingen, sich nach den Wünschen der Gesellschafter zu richten, soweit ihre Zustimmungspflicht reicht.

4. Weisungsbefugnis für unternehmenspolitische und außergewöhnliche Geschäfte Die Frage, ob bei außergewöhnlichen bzw. geschäftspolitischen Maßnahmen Weisungsrechte fortbestehen, stellt sich für die h.M. nicht, da sie dem Geschäftsführer insoweit ohnehin keine gesetzlichen Entscheidungsbefugnisse einräumt.24 Im Anwendungsbereich des MitbestG vermag diese Ansicht noch weniger zu überzeugen als für die mitbestimmungsfreie GmbH. Das MitbestG überträgt die Personalkompetenz auf den mitbestimmten Aufsichtsrat, weil es den Geschäftsführer als dasjenige Organ ansieht, dem die Leitungskompetenz

23 Vollmer,ZGR 1979,S. 135,146f. 24 Oben § 2 IV 4 und 5.

64

§ 3 Kompetenzabgrenzung im Anwendungsbereich des MitbestG

- wenn auch nur dispositiv - zugewiesen ist. Der erklärten Absicht des Gesetzgebers, die Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen bei Entscheidungen über unternehmefisch bedeutende Maßnahmen sicherzustellen, würde es deshalb widersprechen, die gesetzliche Erstzuständigkeit des Geschäftsführers auf die laufende Geschäftsführung zu beschränken. Durch die Annahme einer solchen gesetzlichen Zuständigkeit der Geschäftsführer auch für außergewöhnliche und geschäftspolitische Entscheidungen wird die Befugnis der Gesellschafter einer mitbestimmten GmbH durchaus nicht in Frage gestellt, grundlegende Unternehmerische Entscheidungen an sich zu ziehen und darüber zu entscheiden. Für den Erhalt ihres Einflusses auf bedeutende Geschäftsführungsmaßnahmen spricht vor allem, daß das MitbestG die rechtsformspezifischen Besonderheiten der GmbH, insbesondere die Beteiligung der Gesellschafter an der Untemehmensleitung, nicht beseitigt hat. 25 Ihre im Vergleich zu den Aktionären stärkere Rechtsstellung bringt das MitbestG beispielsweise dadurch zum Ausdruck, daß es Mitwirkungsbefugnisse des aktienrechtlichen Aufsichtsrats gern. §§ 172, 173 AktG an der Feststellung des Jahresabschlusses nicht auf den GmbHAufsichtsrat überträgt, sondern es bei der (dispositiven) alleinigen gesetzlichen Zuständigkeit der Gesellschafter gern. § 46 Nr. I GmbHG beläßt.26 Wie die regelmäßig in den Jahresabschluß aufzunehmenden bedeutenden Vorgaben für die zukünftige Geschäftspolitik zeigen,27 geht das MitbestG erkennbar vom Fortbestand des Gesellschaftereinflusses auf grundlegende unternehmensehe Entscheidungen aus. Nicht zuletzt wäre es in verfassungsrechtlicher Hinsicht bedenklich, den Gesellschaftern in den für das Schicksal der GmbH bedeutenden Fragen die Einflußnahme zu entziehen. 28 5. Weisungsbefugnis für Tagesgeschäfte a) Problemstellung

Auf eine wertende Abwägung der im Grundsatz auch in der mitbestimmten GmbH fortbestehenden Weisungsbefugnisse der Gesellschafter und der Erweiterung der Legitimationsbasis des Geschäftsführers geht der Vorschlag zurück, den Gesellschaftereinfluß zumindest im Bereich der Tagesgeschäfte ein-

25 Oben § 3 II. 26 Zur vergleichbaren Rechtslage in der KGaA Henn, Handbuch des Aktienrechts § 4 Rn. 135. 27 Homme/ho/f,ZGR 1978,S. 119,124 f.; Luller, DB 1978, S. 1965; Wöhe, FSSchultzS.419, 424. Deutlich weniger Bedeutung mißt dieser Kompetenz bei Zitzmann, Die Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers S. 68 f. 28 Nur angedeutet: BVerfGE 50, S. 290, 346.

III. Umfang der Weistmgsbefugnis der Gesellschafter

65

zuschränken. 29 Über den Umfang der Eigenverantwortung des Geschäftsführers besteht jedoch keine Einigkeit. Am weitesten geht die Ansicht, bei Tagesgeschäften sei die Geschäftsführerentscheidung generell weisungsfrei, die Mitwirkung der Gesellschafter sei vielmehr auf bedeutende Geschäftsführungsentscheidungen beschränkt. 30 Andere lehnen lediglich eine durchgängige Weisungsabhängigkeit im Bereich laufender Geschäfte als unvereinbar mit dem Telos des MitbestG ab, sehen aber vereinzelt erteilte Weisungen als zulässig an. 3 1 Erklärtes Ziel solcher Kompromißlösungen ist es, einerseits den für die GmbH-Struktur wesentlichen Einfluß der Gesellschafter zu erhalten, indem ihre Befugnis anerkannt wird, über wesentliche Unternehmerische Fragen bindend zu entscheiden, andererseits aber der im MitbestG bewußt geschaffenen Abhängigkeit des Geschäftsführers vom Vertrauen der Anteilseigner- und Arbeitnehmervertreter eine gewisse Eigenverantwortung in Sachfragen gegenüberzustellen. Dieser Lösungsvorschlag vermag allerdings nur zu überzeugen, wenn im MitbestG eine ungeschriebene Wertung zum Ausdruck gekommen ist, die es nach Abwägung mit gesellschaftsrechtlichen Wertungen rechtfertigt, das umfassende Weisungsrecht der Gesellschafter teleologisch auf bedeutende Geschäfte zu reduzieren. b) Personalkompetenz des Aufsichtsrats als Schranke der Weisungsbefugnis der Gesellschafter

Der BGH hat in anderem Zusammenhang ausgeführt, daß die Personalkompetenz des mitbestimmten Aufsichtsrats durch Mitwirkungsbefugnisse der Gesellschafter nicht unterlaufen werden darf. 32 Daran muß sich auch die Ausübung des Weisungsrechts messen lassen. Reduzieren die Gesellschafter die eigenverantwortliche Tätigkeit ihres Geschäftsführers auf die Wahrnehmung gesetzlicher Aufgaben, machen sie es dem Aufsichtsrat praktisch unmöglich, einen qualifizierten Geschäftsleiter zu finden, der bereit ist, so weitgehend auf jede Eigenverantwortung zu verzichten. Richtet sich der Entzug von wesentlichen Teilen seiner Entscheidungsbefugnisse gegen einen bereits 29 Eisenhardt, FS Pfeiffer S. 839; Fitting!Wlotzlce!Wißmann MitbestG § 25 Rn. 63; Föhr in MitbestG' 1976 § 30 Rn. 41; Hommelhoff, ZGR 1978, S. 119, 139; Hanau/Vlmer MitbestG § 30 Rn. 20; Krüger, Personalentscheidungen S. 279; Kiibler, Gesellschaftsrecht § 32 IV 2 a (S. 416); Luller!Krieger, Rechte tmd Pflichten des Aufsichtsrats § 9 II (S. 253 f. Rn. 332); Martens, 'liA 1980, S. 611, 640; Säe/cer, DB 1977, S. 1845 Fn. 4; Theisen, die Aufgabenveneilung in mitbestimmten GmbH S. 102; Ulmer, BB 1978, S. 398, 401; Zöllner in Baumbach/Hueck CnnbHG § 37 Rn. 10; ders.,ZGR J977,S. 319,325. 30 Eisenhardt, Säe/cer; Theisen; wohl auch Vlmer alle aaO. (Fn. 29). 3 1 Fitting!Wlotzlce!Wißmann; Hommelhoff; Kühler; Lutter/Krieger; Zöllner alle aaO. (Fn. 29).

32 BGHZ 89, S. 48, 53 f. 5 Schall

66

§ 3 Kompetenzabgrenzung im Anwendungsbereich des MitbestG

bestellten Geschäftsführer, liegt die Vermutung nahe, daß er dies zum Anlaß nimmt, sein Amt niederzulegen. Sicherlich haben diese Fälle Ausnahmecharakter; sie zeigen aber, daß das Weisungsrecht der Gesellschafter durchaus die Personalkompetenz des Aufsichtsrat aushöhlen kann und dann auch zurücktreten muß. Eine unzulässige Beeinträchtigung der Personalkompetenz ist jedoch nur unter engen Voraussetzungen zu bejahen; sie liegt nur dann vor, wenn dem Geschäftsführerer nahezu kein Handlungsspielraum belassen wird und er lediglich als "Marionette der Gesellschafter" tätig werden kann. 33 Die untergeordnete praktische Relevanz einer solchen Schranke des Gesellschaftereinflusses beruht darauf, daß es für die Gesellschafter einfachere Möglichkeiten gibt, sich von einem Geschäftsführer zu trennen, wenn sie ihm kein Vertrauen schenken und ihm deshalb keinerlei Eigenverantwortung einräumen wollen. Immerhin sind besondere Konstellationen denkbar, bei denen es tatsächlich zu einer Aushöhlung der Personalkompetenz des Aufsichtsrats kommen kann. So ist es mit dem Übergang der Personalkompetenz auf den mitbestimmten Aufsichtsrat nicht zu vereinbaren, wenn die Gesellschafter ihrem Geschäftsführer, sei es durch eine ungewöhnlich intensive Bindung an ihre Weisungen, sei es durch Zuständigkeitsvorschriften in der Satzung bzw. in der Geschäftsordnung, nahezu sämtliche eigenverantwortlichen Geschäftsführungsentschließungen entziehen. Nur ausnahmsweise wird man einen sachlichen Grund für eine derartig weitgehende Beschränkung von Geschäftsführerbefugnissen anerkennen müssen. Beispielsweise kann es die Einweisung eines unerfahrenen Geschäftsführers in sein neues Amt rechtfertigen, ihn vorübergehend stark an die Mitwirkung seiner Mitgeschäftsführer oder der Gesellschafter zu binden.34 c) Zulässigkeit von Einzelweisungen

Obgleich die Gesellschafter einer mitbestimmungspflichtigen GmbH nur ausnahmsweise ein berechtigtes Interesse daran haben werden, Entscheidungen über die Vomahme von Tagesgeschäften umfassend an sich zu ziehen,35 ist es durchaus nicht nur von theoretischer, sondern auch von praktischer

33 Dieses Bild geht zurück auf Zöllner, ZGR 1977, S. 319, 325;- auf den Vorsatz, die personelle Auswahlfreiheit des Aufsichtsrats zu beeinträchtigen, kommt es nicht an; maßgebend für eine Gesetzesumgehung sind die objektiven Umstände: MünchKomm/Roth § 242 Rn. 35 f.; Soergei(Teichmalan § 242 Rn. 202; Staudinger/J. Schmidt § 242 Rn. 689; Jauemig/Vo//komnw!r § 242 Rn. 2. 34 Für die mitbestimmungsfreie GmbH Scholz/Schneider GmbHG § 37 Rn. 37. 35 Vgl. dazu die empirische Analyse von Rinninsland, Die Auswirkungen des MitbestG 1976 auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung S. I 23 ff.

III. Umfang der Weisungsbefugnis der Gesellschafter

67

Bedeutung, ob sie über Einzelmaßnahmen der laufenden Geschäftsführung bindend entscheiden dürfen. Für den Geschäftsführer bedeutet der Wegfall der Kompetenz der Gesellschafter zur Bestellung und zur jederzeitigen Abberufung der Mitglieder des Geschäftsführungsorgans eine gewisse persönliche Unabhängigkeit vom Willen der Gesellschafter. Doch ist die persönliche Unabhängigkeit des Geschäftsführers in der GmbH nicht mit der Zuweisung eigenverantwortlicher Geschäftsführungsbefugnisse verknüpft, da die Gesellschafter zumindest befugt bleiben, über alle Geschäfte von grundsätzlicher Bedeutung für das Schicksal der GmbH selbst zu entscheiden. 36 Diese persönliche Unabhängigkeit des Geschäftsführers könnte allenfalls mit einer sachlichen Unabhängigkeit bei Unternehmerischen Entscheidungen von untergeordneter Bedeutung verknüpft sein. Grundsätzlich ist es dem Gesellschaftsrecht nicht fremd, Mitwirkungsbefugnisse von Gesellschaftern bzw. Gesellschaftsorganen auf besonders wichtige Geschäfte zu beschränken. Diesen Weg wählt das HGB für die Rechtsstellung des Kommanditisten, den die dispositive Vorschrift des § 164 HGB von der Geschäftsführung ausschließt und ihm dafür bei außergewöhnlichen Geschäften ein Zustimmungsrecht gewährt. 37 Im Aktienrecht findet sich eine ähnliche Differenzierung bei der Abgrenzung der Geschäfte, die der Aufsichtsrat zur Überwachung der Geschäftsführung an seine Zustimmung binden kann. Gern. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG dürfen für den Vorstand verbindliche Zustimmungsrechte zugunsten des Aufsichtsrats nur für ungewöhnliche Geschäfte errichtet werden, deren Bedeutung über die laufende Geschäftsführung hinausgeht. 38 Beiden Beispielen ist gemeinsam, daß die Kommanditisten bzw. der Aufsichtsrat im Gegensatz zu den GmbH-Gesellschaftern grundsätzlich von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind, vgl. § 164 Abs. l Satz 1 HGB, § 111 Abs. 4 Satz l AktG; die Initiative im Rahmen der Geschäftsführung übernimmt ausschließlich der Komplementär39 bzw. der Vorstand. Bei grundlegenden Geschäftsführungsentscheidungen schützt das Gesetz die Mitgliedschaftsrechte der Kommanditisten dadurch, daß es ihnen Zustimmungsrechte verleiht. Zustimmungsrechte des Aufsichtsrats bestehen lediglich zur Überwa36 37

Anm.5.

Oben § 3 Ill 4.

RGZ

158, 302, 306

f.; BaumbachtHopt HGB §

164 Rn. 2;

Staub/Schilling HGB §

164

3S Baumbach!Hueck AktG § 111 Rn. II; GroßkommAktG/Meyer-Landrut § 111 Rn. 15; allg. M. KölnerKomm/Merten.s § 111 Rn. 61. 39 Die gesetzliche Regelung ist dispositiv; der Gesellschaftsvertrag kann den Kommanditisten Geschäftsführungsbefugnis einräumen. Baumbach/Hopl HGB § 164 Rn. 7; Staub/Schilling HGB § 164 Anm. 11.

68

§ 3 Kompetenzabgrenzung im Anwendungsbereich des MilbestG

chung der Geschäftsführung. Die GmbH-Gesellschafter sind dagegen auch in der mitbestimmten GmbH befugt, über die Ausübung von Weisungsrechten initiativ mit verbindlicher Wirkung auf die Unternehmensleitung einzuwirken. Durch den Übergang des Bestellungs- und Abberufungsrechts auf den Aufsichtsrat haben sie nur den über Personalentscheidungen vermittelten und somit nur ihren mittelbaren Einfluß auf die Geschäftsführung an den Aufsichtsrat verloren, während sie befugt bleiben, über den Inhalt der Geschäftsführung - jedenfalls hinsichtlich grundsätzlicher Fragen der Unternehmensleitung - eigeninitiativ und bindend zu entscheiden. Den GmbHGesellschaftern sind folglich auch in der mitbestimmten GmbH deutlich weitergehende Befugnisse verliehen als den Kommanditisten oder dem aktienrechtlichen Aufsichtsrat, so daß eine entsprechende Anwendung der in § 164 Abs. 1 Satz 1 HGB oder § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG geregelten Zuständigkeitsverteilung nicht in Betracht kommt. Gegen den unveränderten Fortbestand umfassender Weisungsrechte der Gesellschafter wird vor allem eingewandt, daß die Übertragung der Personalkompetenz auf den mitbestimmten Aufsichtsrat nicht nur verfahrensrechtlichen Charakter habe, sondern die Geschäftsführer veranlassen soll, Arbeitnehmerinteressen angemessen zu berücksichtigen. Dem Vertrauen der Arbeitnehmervertreter könne er aber nur gerecht werden, wenn ihm ein Mindestmaß eigenverantwortlicher Entscheidungsbefugnisse verbleibe.40 Mit der Frage, ob aus mitbestimmungsrechtliehen Erwägungen überhaupt ein Bedürfnis besteht, die Zulässigkeil von Gesellschafterweisungen teleologisch auf wichtige Angelegenheiten zu begrenzen,41 hat sich das Schrifttum kaum beschäftigt. Verglichen mit der heute anerkannten Weisungsbefugnis der Gesellschafter für bedeutende Geschäftsführungsentscheidungen spielt die Kompetenzverteilung bei der laufenden Geschäftsführung nur eine ganz untergeordnete Rolle. Die Gefahr von Interessengegensätzen zwischen Anteilseignern und Arbeitnehmern besteht in erster Linie bei langfristigen, besonders einschneidenden Maßnahmen, wie z.B. Entscheidungen über ein neues Produktionsverfahren, Rationalisierungsvorhaben, bedeutende Investitionen usw., über die in der mitbestimmten GmbH die Gesellschafter bindend entscheiden können. Hingegen treten bei der laufenden Geschäftsführung etwaige Interessengegensätze zwischen Anteilseigner- und Arbeitnehmerseite regelmäßig gar nicht zu Tage. Der Geschäftsführer muß sich im wesentlichen an unternehmenspolitischen Vorgaben der Gesellschafter orientieren und wird nur ausnahmsweise Gelegenheit haben, Entscheidungen zu treffen, die einen 40 Überwiegend nur knappe Ausführungen; etwas ausführlicher nur Filling!Wlotzke!WißmaM MitbestG § 25 Rn. 63; Hanau/U/mer MitbestG § 30 Rn. 20; Zöllner, ZGR 1977, S. 319, 325. 41 Reuter, Die Mitbestimmung als Bestandteil des Normativsystems für die juristischen Personen des Handelsrechts S. 23; Wank, GmbHR 1980, S. 121, 123.

III. Umfang der WeisWlgsbefugnis der Gesellschafter

69

Kompromiß zwischen Anteilseigner- und Arbeitnehmerinteressen erfordern. Der auf Tagesgeschäfte beschränkte Ausschluß von Weisungen wird deshalb nicht ganz zu Unrecht als willkürliche Kompromißfonnel42 bezeichnet, die kaum sachgerecht ist, Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat einer mitbestimmten GmbH mehr Einflußnahme auf die Unternehmensführung zu gewährleisten. Einer möglicherweise durch das Auseinanderfallen von Personal- und Sachkompetenz in der mitbestimmten GmbH begründeten Konfliktanfälligkeit kann nicht dadurch Rechnung getragen werden, daß das Geschäftsführungsorgan bei der laufenden Geschäftsführung weisungsfrei handeln kann. 43 Die mit einem Ausschluß von Gesellschafterweisungen im Bereich der Tagesgeschäfte verbundenen Abgrenzungsprobleme sprechen gegen eine solche Kompromißlösung.44 Die Anerkennung eines weisungsfreien Bereichs der Geschäftsführung setzt eine rechtssichere Abgrenzung voraus, um die Funktionsfähigkeit der Unternehmensleitung nicht durch Kompetenzstreitigkeiten zu gefährden. 45 Angesichts des durch das MitbestG nicht angetasteten Grundsatzes, daß die Unternehmensleitung maßgeblich durch die Gesellschafter bestimmt werden kann, geht es jedenfalls nicht an, das Weisungsrecht der Gesellschafter auf die Maßnahmen zu beschränken, die nach h.M. bei der mitbestimmungsfreien GmbH primär in die Zuständigkeit der Gesellschafter fallen, da hierzu nur unternehmenspolitische Entscheidungen sowie Geschäfte von ganz herausragender Bedeutung zählen. Der Einfluß auf die Geschäftsführung ist allenfalls dann ausreichend gewährleistet, wenn ihre Weisungsbefugnis alle Maßnahmen umfaßt, die sich von Tagesgeschäften abheben. Hierzu gehören auch diejenigen Geschäfte, die in den Zuständigkeitsbereich des Geschäftsführers fallen, aber nach Art oder Umfang über das Tagesgeschäft hinausgehen. Die jeweilige Zuordnung ist im Grenzbereich fließend und kann deshalb Grund für Meinungsverschiedenheiten sein, die in Anbetracht des auf Kooperation zwischen Anteilseignern und Arbeitnehmern bedachten MitbestG von vomherein vermieden werden sollten. Ein Erfordernis, dem Geschäftsführer in Tagesgeschäften Eigenverantwortung einzuräumen, läßt sich schließlich auch nicht mit dem Argument begründen, für Unternehmen ab einer gewissen Größenordnung würden Weisungen in Tagesgeschäften eine effektive Unternehmensleitung in Frage stellen.46 Zutreffend dürfte sein, daß in einer GmbH mit mehr als 2000 Arbeit42 43 44 45

Reuter aaO. (Fn. 41).

46

Vollmer, ZGR

So aber Martens, ZfA

1980, S. 611, 640.

Ausführlich dazu Hach/Mertens GmbHG § 37 Rn.

11, 9.

Zur BedeutWlg dieses Gesichtspunktes schon BVerfGE 50, S. 290, 352. Kritisch zu diesem Kriterium Paefgen, Struktur und AufsichtsratsverfassWlg der mitbestimmten AG S. 130f.

1979, S. 135, 140; im Ansatz auch Martens, ZfA 1980, S. 611,640.

70

§ 3 Kompetenzabgrenzung im Anwendungsbereich des MitbestG

nehmern die Tagesgeschäfte normalerweise vom Geschäftsführer wahrgenommen werden, weil die Gesellschafter einerseits an diesen Entscheidungen nur selten ein Interesse haben und andererseits nur in Ausnahmefällen eng genug mit der Unternehmensleitung befaßt sind, um rechtzeitig reagieren und sachgerechte Maßnahmen beschließen zu können. Dabei handelt es sich allerdings um Überlegungen, die die Effektivität der Unternehmensleitung betreffen; ein Konflikt mit dem MitbestG, der eine Einschränkung des Weisungsrechts erfordern könnte, kommt darin nicht zum Ausdruck. Außerdem ist aber durchaus zweifelhaft, ob eine rechtlich zwingende Schranke des Weisungsrechts die Effektivität der Geschäftsführung tatsächlich fördern würde. So sind etwa zeitliche Verzögerungen denkbar, wenn der Geschäftsführer Zweifelsfälle abzuwägen hat und nur nach Rücksprache mit den Gesellschaftern oder mit dem Aufsichtsrat entscheiden kann, ob eine Weisung für ihn verbindlich ist oder nicht. Überzeugender ist es, den Grad der Weisungsintensität im Ergebnis allein von den tatsächlichen Umständen, wie z.B. der Anzahl der Gesellschafter, dem Umfang ihres persönlichen Einsatzes bei der Unternehmensleitung usw. abhängig zu machen und die Abgrenzung der Zuständigkeiten allein nach den jeweiligen strukturellen Verhältnissen zu bestimmen. Obgleich nach dem hier vertretenen Standpunkt das MitbestG keine gesetzliche Schranke für die Intensität der Gesellschafterweisungen errichtet, folgt daraus nicht, daß die Mitbestimmung bei der GmbH ins Leere läuft. Das Anliegen des MitbestG, den Einfluß von Arbeitnehmerinteressen auf die Unternehmensleitung zu verstärken, findet zumindest mittelbar Berücksichtigung. Mittelbar wird der Einfluß des mitbestimmten Aufsichtsrats die Gesellschafter veranlassen, sich mit Belangen der Arbeitnehmer intensiver auseinanderzusetzen als in einer mitbestimmungsfreien GmbH: Durch die persönliche Abhängigkeit des Geschäftsführers vom mitbestimmten Aufsichtsrat ist der Geschäftsführer besonders legitimiert, die Belange der Arbeitnehmer gegenüber den Gesellschaftern aufzuzeigen und ihnen Gewicht zu verleihen. 47 Obwohl sich daraus keine Rechtspflicht für die Gesellschafter ergibt, den Arbeitnehmerinteressen Rechnung zu tragen, müssen sie doch abwägen, ob Konflikte mit dem Geschäftsführer und dem mitbestimmten Aufsichtsrat dem Unternehmen nicht auf Dauer schaden werden. Sie werden regelmäßig kein Interesse daran haben, den Unternehmensfrieden und damit auch die Grundlage einer erfolgreichen Unternehmensführung zu gefährden.

4 7 Ensch, Institutionelle Mitbestimmung und Arbeitnehmereinfluß S. 104 f. Zu diesem Gesichtspunktauch Badura!Rittner!Rüthers, Gemeinschaftsgutachten zwn MitbestG S. 81, 83.

IV. Schranken der Ausübung der Weisungsbefugnis der Gesellschafter

71

IV. Schranken der Ausübung der Weisungsbefugnis der Gesellschafter Eine Gesellschafterweisung muß der Geschäftsführer nicht befolgen, wenn ihr ein nichtiger Gesellschafterbeschluß zugrundeliegt; würde die Ausführung der Weisung gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, darf er es nicht einmai.48 Im GmbHG ist die Frage der Fehlerhaftigkeit von Gesellschafterbeschlüssen nicht geregelt; nach h.M. ist diese Lücke durch eine entsprechende Anwendung der§§ 241 ff AktG zu schließen.49 Danach sind fehlerhafte Beschlußfassungen nicht stets, sondern nur bei schwerwiegenden Mängeln nichtig; im Regelfall sind sie anfechtbar.50 Nichtig ist ein Beschluß vor allem in den Fällen von § 241 Nr. 3 und 4 AktG, d.h. dann, wenn er gegen überwiegend im öffentlichen Interesse erlassene Vorschriften oder gegen die guten Sitten verstößt. Angesichts der gesellschaftspolitischen Bedeutung des MitbestG ist ein Beschluß analog § 241 Nr. 3 AktG nichtig, wenn sein Inhalt gegen mitbestimmungsrechtliche Vorschriften verstößt. 51

1. Schranken nach dem MitbestG Das MitbestG enthält im wesentlichen Verfahrens- und Zuständigkeitsvorschriften, die zwingenden Charakter haben. Davon abweichende Entschlie48 Fleck, GmbHR 1974, S. 224, 227 f.; Konzen, NJW 1989, S. 2977, 2981f.; Lutter!HommelhoffGrnbHG § 37 Rn. 22; Roth GmbHG § 37 Anrn. 2.2.3; Scholz/Schneider GmbHG § 43 Rn. 98; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 37 Rn. 12. 4 9 BGHZ 11, S. 231, 236; 36, S. 207, 210 f. - aus neuerer Zeit BGHZ 111, S. 224, 225. Hach/Raiser GmbHG Anh. § 47 Rn. 2 ff.; Rowedder/Koppensteiner GmbHG § 37 Rn. 71; Scholz/K. Schmidt GmbHG § 45 Rn. 35 ff.; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG Anh. § 47; alle mit zahlreichen Angaben. Gegen das Erfordernis, Beschlußmängel im Wege der Anfechtungsklage geltend zu machen: Zöllner, aaO.; ders ./Noack, ZGR 1989, S. 525, 532 ff.; Noack, Fehlerhafte Beschlüsse in Gesellschaften und Vereinen S. 113 ff., 133 ff; nunmehr auch Hach/Raiser GmbHG Anh. § 47 Rn. 9 ff.; - kritisch zu dieser Auffassung Henze, ZGR 1988, S. 542, 543ff.; Lutter/Hammelhoff GmbHG Anh. § 47 Rn. I; K. Schmidt aaO. Rn. 36. 50 Vgl. zum Aktienrecht: A. Hueclc in Baumbach/Hueck AktG Obersicht § 241 Rn. 2 f.; Godin!Wilhelmi AktG § 241 Anrn. 2; GroßkommAktG/Schilling § 241 Anrn. 10; KölnerKornm/Zöllner § 241 Rn. 30; - zu den historischen Grundlagen Huber, FS Coing Bd. II S. 167. Differenzierung zwischen Anfechtbarlteit und Nichtigkeit im GmbH-Recht: Hach/Raiser GmbHG § 47 Anh. Rn. 31 ff.; Lutter!HommelhoffGrnbHG Anh. § 47 Rn. 11 ff., 41ff.; Rowedder/Koppensteiner GmbHG § 47 Rn. 71, 77 ff.; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG Anh. § 47 Rn. 19 ff.;- vgl. auch die Darstellungen bei G. Hueck, Gesellschaftsrecht § 36 I 3 c) (S. 355); Kühler, Gesellschaftsrecht § 17 V 2 d) (S. 249); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht § 36 lJI 4 (S. 913 ff.). 51 BGHZ 83, S. 106, 109 ff.; S. 151, 152 f.; OLG Frankfurt GmbHR 1986, S. 262 f.; Lutter!Hommelho.ffGrnbHG Anh. § 47 Rn. 20; Rowedder/Koppensteiner GmbHG § 47 Rn. 84; kritisch Rittner Anrn. zu BGH AP Nr. I und 2 zu § 25 MitbestG; Scholz/K. Schmidt GmbHG § 45 Rn. 75; Steindorff!Joch, ZHR 146 (1982), S. 336 f.; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbiiG Anh. § 47 Rn. 24; ausführt. Raiser, NJW 1981, S. 2166 f.; enger Canaris, DB 1981, Beil. 14 S. 5 f.; Hoffmann, AG 1980, S. 141, 145, die für jede Einzelnorm die Nichtigkeitsfolge prüfen wollen.

72

§ 3 Kompetenzabgrenzung im Anwendungsbereich des MitbestG

ßungen der Gesellschafter sind nichtig und für den Geschäftsführer unbeachtlich. Z.B. wäre eine Bestellung des Geschäftsführers durch die Gesellschafter wegen Verletzung des§ 31 MitbestG ebenso nichtig wie eine Weisung an den Geschäftsführer, einem zulässigen Informationsbegehren des Aufsichtsrats nicht nachzukommen.

2. Unternehmensinteresse als Schranke der Weisungsbefugnis Das MitbestG will durch eine Beteiligung von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat - vor allem bei der Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer - eine angemessene Berücksichtigung von Arbeitnehmerbelangen bei der Unternehmensleitung sicherstellen. Rechtsformübergreifend eröffnet es Nichtgesellschaftern direkten Einfluß auf Unternehmerische Entscheidungen und wird deshalb zu Recht als Kristallisationspunkt eines bislang nicht kodifizierten Unternehmensrechts bezeichnet.52 Ulmer folgert aus diesem unternehmensrechtlichen Charakter des MitbestG eine Verpflichtung des Geschäftsführers, seine Aufgaben nicht nur im Anteilseigner-, sondern im Unternehmensinteresse wahrzunehmen. Daraus leitet er weiter ab, daß die Bindung des Geschäftsführers an Weisungen der Gesellschafter entfalle, wenn sie dieses Interesse verletzen.53 Reuter will dem Geschäftsführer bei Verstößen gegen das Unternehmensinteresse lediglich ein Anfechtungsrecht gewähren. 54 Nach anderer Auffassung sind Weisungen in der mitbestimmten GmbH immer dann unzulässig, wenn sie Arbeitnehmerbelange eindeutig beeinträchtigen. 55

Aufgabe dieser Arbeit kann es nicht sein, die bislang nicht abgeschlossene Diskussion über das Unternehmensinteresse fortzuführen. 56 Es bedarf jedoch 52 Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern S. 495; - wnfassende Nachweise zu Begriff, Entwicklung und Bedeutung des Unternehmensrechts S. 62 Fn. 168. 53 UlrMr, Der Einfluß des Mitbestimmungsgesetzes auf die Struktur von AG und GmbH S. 42 ff., 49; vgl. auch ~rs., ZHR 148 (1984), S. 391, 395; Hanau/UirMr MitbestG § 30 Rn. 19. Hotnn~LI­ Iwff hält den Aufsichtsrat für berechtigt, die Abberufung eines Geschäftsführers zu verweigern, dem die Gesellschafter wegen Nichtbefolgung einer rechtmäßigen Weisung das Vertrauen entzogen haben, ZGR 1978, S. 119, 138. 5 4 Reuter, Die Mitbestimmung als Bestandteil des Normativsystems für die juristischen Personen des Handelsrechts S. 24 f.

55 Rowedder/Koppensteiner GmbHG § 37 Rn. 28, auch § 47 Rn. 84; Scholz/Schneider GmbHG § 37 Rn. 42; im Ansatz auch auch Hommellwff, ZGR 1978, S. 119, 138. 56 Aus der wnfangreichen Literatur statt aller jeweils rn.w.N. Brinkmann, Unternehmensinteresse und Untemehmensrechtsstruktur, 1983; FIUrM, Die juristische Person § 2 VII 3 (S. 56 ff.); Großmann, Unternehmensziele im Aktienrecht S. 87 ff.; Junge, FS von Caemrnerer S. 547; JürgenrMyer, Das Untemehmensinteresse, 1984; Koch, Das Unternehmensinteresse als Verhaltensmaßstab der Aufsichtsratsmitglieder, 1983; KölnerKommflöllner Eint. Rn. 129 ff.; Küb/er, Gesellschaftsrecht § 14 III, § 32 III 4a (S. 158 ff., 391); Kunze, ZHR 144 (1980), S. 100, 115 f.; Laske, ZGR 1979, S. 173;

IV. Schranken der Ausübung der Weisungsbefugnis der Gesellschafter

73

der Klarstellung, ob eine rechtliche Verpflichtung des Geschäftsführers auf das Unternehmensinteresse existiert, die als ungeschriebene Schranke des Weisungsrechts der Gesellschafter Bedeutung erlangt. a) Verpflichtung der Geschäftsführer auf das Unternehmensinteresse

Welchen Interessen der Geschäftsführer bei der Leitung der GmbH verpflichtet ist, regelt das Gesetz nicht. Der Vorstand einer Aktiengesellschaft muß nach ganz h.M. neben den Interessen der Aktionäre auch das Gemeinwohl und Arbeitnehmerinteressen bei seiner Aufgabenerfüllung berücksichtigen, wenngleich die Gemeinwohlklausel des§ 70 AktG 1937 nach der Aktienrechtsreform 1965 nicht mehr ausdrücklicher Bestandteil des AktG ist.57 Die Erwägung des Gesetzgebers, daß diese Verpflichtung in einem sozialen Rechtsstaat selbstverständlich sei und keiner ausdrücklichen Regelung bedürfe,58 läßt sich ohne weiteres auf die GmbH übertragen. Auch der GmbHGeschäftsführer darf im Rahmen seines Unternehmerischen Ermessens bei der Leitung der GmbH dem Gemeinwohl sowie Arbeitnehmerinteressen Rechnung tragen. Durch die Beteiligung von Arbeitnehmervertretern an seiner Bestellung erfährt diese Verpflichtung zugleich eine institutionelle Absicherung. Als Bezeichnung für die Verantwortungsrichtung des Geschäftsführers vermag die Formulierung "Untemehmensinteresse" deutlich zu machen, daß er für die GmbH nicht ausschließlich im Interesse der Anteilseigner- namentlich am Gewinninteresse orientiert - handeln muß, 59 sondern auch Belange der Arbeitnehmer sowie der Allgemeinheit berücksichtigen darf.

Mertens, ZGR 1977, S. 270,275 ff.; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat S. 387 ff.; Raisch, FS Hefermehl S. 347; Raiser, ZHR 144 (1980), S. 206, 223 f.; Rittner, JZ 1980, S. 113; Salm, Das Unternehmensinteresse - ein Beitrag mr Auseinandersetlll!lg um den Begriff, 1986; Schmidt-Leitho/f. Die Verantwortung der Unternehmensleitung S. 45 ff.; Teubner, ZHR 149 (1985), S. 470; Ulmer, Der Einfluß des Mitbestimmungsgesetzes auf die Struktur von AG und GmbH S. 30 ff.; Wiedema1111, Gesellschaftsrecht § II 111 2b (S. 625 ff.); Zi>llner, Die Schranken mitglicdschaftlicher Stimmrechtsmacht S. 67 ff.: ders. in KölnerKomm AktG Einl. Rn. 129 ff. Hierzu auch Unternehmensrechtslwmmission Rn. 132 ff. 57 BVerfGE 50, S. 290, 343: Baumbach!Hueclc AktG § 76 Rn. 1; Flume, Um ein neues Unternehmensrecht S. 6 ff.; Godin-Wilhelmi AktG § 76 Anm. 5 ff.; GroßkommAktG/Meyer-Landrut § 76 Anm. 9 ff.; Brinlcmann, Unternehmensinteresse und Unternehmensrechtsstruktur S. 81 ff.; A. Hueclc, RdA 1965, S. 321, 325; G. Hueclc, Gesellschaftsrecht § 23 VII I (S. 212); KölnerKomm/Mertens § 76 Rn. 1, 16 ff., 30 f.; Kunze, ZHR 144 (1980), S. 100, 120 f.; Schwerdtfeger, Mitbestimmung und Grundgesetz S. 95 f.; Ulmer, Einfluß des Mitbestimmungsgesetzes auf die Struktur von AG und GmbH S. 33 ff. 58 Begr. Reg.-F.ntw. bei Kropf!S. 97. 5 9 Vgl. mm Pflichtenmaßstab des Aufsichtsrats G. Hueclc, RdA 1975, S. 35, 36; - ähnliche Überlegungen müssen auch im Hinblick auf die Verhaltensanforderungen gegenüber dem Geschäftsführer gelten.

74

§ 3 Kompetenzabgrenzung im Anwend~mgsbereich des MitbestG

b) Inhaltliche Bestimmung des Unternehmensinteresses

Bisher ist es nicht gelungen, den Inhalt des Unternehmensinteresses allgemeingültig zu beschreiben. Die Vielzahl der Deutungsversuche beruht nicht zuletzt darauf, daß das Unternehmen nicht Träger, sondern nur Gegenstand unterschiedlicher Interessen ist, die bei der Konkretisierung des Unternehmensinteresses gegeneinander abzuwägen sind.60 Hinzu kommt die Unklarheit, welche Interessen überhaupt in die Abwägung einfließen dürfen bzw. müssen. 61 Infolgedessen muß auch der Versuch scheitern, das Unternehmensinteresse allgemein zu definieren. 62 Die soeben angesprochenen Fragen legen es nahe, bei rechtlichen Streitfragen nur mit Vorsicht auf das Unternehmensinteresse zurückzugreifen, da andernfalls durchaus die Gefahr besteht, Wertungen zu verschleiem63 oder in begriffsjuristischer Manier daraus Folgerungen abzuleiten.64 Gleichwohl ist das Unternehmensinteresse als Umschreibung der Entscheidungsmaxime für 60 Z. T. wird vertreten, daß das Unternehmen selbst Interessenträger 1md gegenüber der Gesellschaft verselbständigt sei bzw. Gesellschaft und Unternehmen gleichbedeutend seien. So z.B. KölnerKorrun/Mertens § 76 Rn. 6 f. und 20; Raiser, FS R. FischerS. 561,563 ff.; ders., ZHR 144 (1980), S. 206, 231; Schilling, ZHR 144 (1980), S. 136. Nach a.A. kommt lediglich die Gesellschaft als Interesssenträger in Betracht Reinhardt, FS Hartmann S. 213, 216 ff.; Wiethölter, Interessen 1md Organisation der Aktiengesellschaft im amerikanischen und deutschen Recht S. 41; - ausfUhr!. Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht S. 70 ff.; ders. in KötnerKomm EinI. Rn. I 04 ff.; aus neuererZeil ihm folgend Hiiffer AktG § 76 Rn. 15. 6! Nach h.M. sind die Belange aller am Unternehmen interessierten Gruppen, namentlich die der Anteilseigner, der Arbei1nehmer, der Gläubiger und der Allgerneinheit in die Abwligung einrubeziehen. Fitting!Wlotzlce!Wißmann MitbestG § 25 Rn. 95; Hanau/U/mer MitbestG § 25 Rn. 94; KölnerKorrun/Mertens § 76 Rn. 16 ff.; Raisch, FS Hefermehl S. 347, 349 f.; - Den Versuch einer Abgrenzung WJternehmensrechtlich relevanter Belange methodisch ru begründen 1mternehmen Steinmann!Gerum, Reform der Untemehrnensverfassung, 1978. KuiUe, ZHR 144 (1980), S. 100, 122läßt bei der Konkretisieflmg des Unternehmensinteresses nur die Berücksichtigung von Anteilseigner- und Arbeilnehmerinteressen ru. hn Ergebnis auch Scholz!Schneider GmbHG § 43 Rn. 62; - dagegen wiederum Schmidt-Leithoff, Die VerantwortWJg der Unternehmensleitung S. 93 ff. Davon abweichend spricht sich Großmann, Unternehmensziele im Aktienrecht S. 61 ff., 125 gegen jegliche Bind1mg der Verwaltung an ~mgeschriebene gesetzliche Unternehmensziele aus. 62 Hanau/U/mer MitbestG § 25 Rn. 94; Fitting!Wiotz/ce!Wißmann MitbestG § 25 Rn. 97; K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 28 II 1 a) (S. 676). Z.T. wird das "Unternehmensinteresse" auch als Resultat eines auf seine Verwirldich1mg gerichteten Verfahrens verstanden; Teubner, ZHR 149 (1985), S. 470, 485; Reuter, AcP 1979, S. 509, 519; aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht auch Las/ce, ZGR 1979, S. 173, 196 ff. Mer/ens, ZGR 1977, S. 270, 275 ff. unterscheidet zwischen einem normativen und einem aktuellen Untemehrnensinteresse. Das aktuelle Unternehmensinteresse soll durch das jeweilig ruständige Gesellschaftsorgan konkretisiert werden, wohingegen das normative Unternehmensinteresse als Interesse an der Erhaltung des Unternehmens und am rechtmäßigen Gang der Geschäftspolitik definiert wird. 63 GK-MitbestG/Naendrup § 25 Rn. 99; Großmann, Unternehmensziele im Aktienrecht, S. 98ff.,S. l05f; Laslce,ZGR 1979,S. 173,179,183. 6 4 Vgl. Zöllner in Baurnbach/Hueclc GmbHG KonzemR Schlußanh. I Rn. 35.

IV. Schranken der Ausübung der Weisungsbefugnis der Gesellschafter

75

das zuständige Gesellschaftsorgan geeignet, die deutlich zum Ausdruck bringt, daß unternehmerisches Handeln eine umfassende Abwägung gegenläufiger Interessen erfordert und oftmals eine Bandbreite rechtmäßiger Entscheidungen zuläßt. Problematisch ist es, die Anforderungen an einen zulässigen Abwägungsvorgang zu präzisieren, in dem das Unternehmensinteresse im Einzelfall vom zuständigen Gesellschaftsorgan zu konkretisieren ist.65 Primär ordnen zahlreiche Schutzgesetze, wie z.B. Gläubiger- und Arbeitnehmerschutzvorschriften, Wettbewerbsbeschränkungen, Publikationspflichten etc. die Rücksichtnahme auf Belange von Arbeitnehmern, Gläubigern oder der Allgemeinheit an. Die Berücksichtigung der erwähnten Interessen ist Ausfluß der jeden Eigentümer treffenden Sozialbindung gern. Art. 14 Abs. 2 GG und beruht nicht auf der Anerkennung eines dem Gesellschafterwillen übergeordneten Unternehmensinteresses.66 Welches Gewicht der Geschäftsführer einzelgesetzlich nicht ausdrücklich geschützten Interessen einräumt, kann er im Rahmen seiner Zuständigkeit unter Beachtung ihm obliegender Sorgfaltspflichten im Einzelfall entscheiden. Gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG hat er die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftmannes anzuwenden. 67 Dieser Verpflichtung wird er nur gerecht, wenn er alle ihm erkennbaren Umstände in die Entscheidungstindung einbezieht, sachgerecht bewertet und abwägt, welche Maßnahme für die Verwirklichung des Gesellschaftszwecks förderlich ist. 68 Dabei kann die Verpflichtung auf das Unternehmensinteresse lediglich richtungweisend sein; sie schließt es aus, daß der Geschäftsführer sorgfaltswidrig handelt, wenn er sich für eine Maßnahme entscheidet, die zwar das Vermögen der GmbH mindert, die er aber im Interesse der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der Vermögenslage der Gesellschaft für zulässig halten darf. 69 Weitgehend Einigkeit besteht auch darüber, daß eine Beeinträchtigung der "Wertschöpfungsveranstaltung" Unternehmen durch die Verfolgung von Sonderinteressen dem Unternehmensinteresse wi-

65 KölnerKomm/Merte/IS § 76 Rn. 16 ff.; aus betriebswirtschaftlicher Sicht Kessler, AG 1993, S. 252. 66 Rillner, FS GeBier S. 139, 147, 152; Schilling, FS GeBier S. 159, 168 f.; Steinbeclc, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft S. 75 ff., insbes. S. 78 f.; s. auch U/mer, Der Einfluß des Mitbestimmungsgesetzes auf die Struktur von AG und GmbHS. 43. 67 Zu der eher theoretischen Frage, ob § 43 GmbHG nur VerschuldensmaBstab ist oder auch

rechtswidriges Verhalten unmittelbar begrilnden kann vgl. Hach/Mertens GmbHG § 43 Rn. 22, 56; Rowedder/KoppeiiSteiner GmbHG § 43 Rn. 6; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 43 Rn. II. 6 8 Heisse, Geschäftsführerhaftung S. 28 ff.; Lutter!Hommelhoff GmbHG § 43 Rn. 6; Schob:/ Schneider GmbHG § 43 Rn. 70 f.; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 35 Rn. 18; vgl. ferner die Nachw. in Fn. 66. 6 9 G . Hueclc, Gesellschaftsrecht § 23 VII 1 (S. 213); Hüffer AktG § 76 Rn. 14.

76

§ 3 Kompetenzabgrenzung im Anwendungsbereich des MilbestG

derspricht und unzulässig ist.70 Als weitere inhaltliche Verhaltensrichtlinie wird vielfach die Verantwortung für den Bestand oder für die Rentabilität des Unternehmens als eine Art Fixpunkt des Unternehmensinteresses angesehen,71 weil darin der tatsächliche Schnittpunkt aller auf das Unternehmen bezogenen Interessen liege,72 der allen anderen Interessen übergeordnet sei. Ob ein solcher Fixpunkt als übergeordnetes Unternehmensinteresse anzuerkennen ist, an das auch die Gesellschafter gebunden sein sollen, ist jedoch fraglich. 73 Zumindest dürfte im Ergebnis weitgehender Konsens darüber bestehen, daß die Geschäftsführer wie auch der Vorstand als Treuhänder fremden Vermögens typische Unternehmerische Risiken eingehen, aber keine unangemessenen, den Bestand des Gesellschaftsvermögens gefährdende Maßnahmen vornehmen dürfen.14

c) Einbeziehung von Arbeitnehmerinteressen bei der Konkretisierung des Unternehmensinteresses Für die mitbestimmte GmbH wird vereinzelt angenommen, daß der Geschäftsführer Arbeitnehmerbelange bei der Abwägung im Verlauf unternehmeciseher Entscheidungsprozesse besonders berücksichtigen müsse. 75 Dabei 70 G . Hueck, Gesellschaftsrecht § 24 111 c (S. 224); Raiser MilbestG § 25 Rn. 102; Sem/er, Die ÜberwachiUigsaufgabe des Aufsichtsrats S. 66 f.; Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern S. 554 mit Beispielen zur Unzulässigkeil der Verfolgung von Partikularinteressen; ferner Zöllner, DB 1976, S. 1766, 1767. - Kritisch zu diesem Ansatz E11Sch, Institutionelle Mitbestimmung und Arbeitnehmereinfluß S. 149 f. 7l Auf die Rentabilität stellen ab: Junge, FS von Caemmerer S. 546, 554 ff.; GroßkommAktG/Meyer·Landrut § 76 Anm. 10; H.P. WestermaM, ZGR 1977, S. 219, 222 f., 226; ausfilhrl. WiedemaM, Gesellschaftsrecht § II Ill 2 b (S. 625 f.), der m Recht darauf hinweist, daß die Verpflicht\Uig des Leiwngsotgans weiter geht, als nur den Bestand des Unternehmens sicherzustellen. Wegen der Unbestimmtheit des Rentabilitätsbegriffs wird das Unternehmensinteresse vielfach als Interesse am Bestand des Unternehmens defmiert: Fitting!Wiotzke!WißmaM MilbestG § 25 Rn. 95; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats § 7 111 2 (S. 234 f. Rn. 303); MertefiS, AG 1977, S. 306, 308 f.; ders., ZGR 1977, S. 270,276 ff.; Raisch, FS Heferrnehl S. 347,356 ff.; Raiser, FS R Schmidt S. 101, 105, 107, 109; ders., Kapitalgesellschaftsrecht § 14 I 5 (S. 89 Rn. 11). Kritisch Jürgenmeyer, Das Unternehmensinteresse S. 104 ff., im Ergebnis jedoch weitgehend übereinstimmend, weil er das Unternehmensinteresse als negative, jedes nicht am Wohl des Unternehmens ausge.. richtete Verhalten verbietende Maxime versteht (S. 215 f.). 72 WiedemaM, BB 1978, S. 5, II spricht in diesem Zusammenhang vom "kleinsten gemeinsamen Nenner" aller Interessen. 7 3 Hierzu ausführlich unten § 3 VI 2 d). 74 Vgl. BGH AG 1978, S. 79, 81; Lutter!Hommelho.f!GmbHG § 43 Rn. 10, 17; Hach/MerteiiS GmbHG § 43 Rn. 23; Rowedder/Koppe11Steiner GmbHG § 43 Rn. 5; Scholz/Schneider GmbHG § 43 Rn. 78; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG § 43 Rn. 9. 7 5 SchotziSchneider GmbHG § 37 Rn. 42; Rowedder/Koppe11Steiner GrnbHG § 37 Rn. 28 wtd § 47 Rn. 84. Gegen eine gesetzliche Änderung wttemehmerischer Handlungsmaßstäbe durch das MilbestG Badura, Paritätische Mitbestimmwtg wtd VerfasSWlg S. 83 ff. Anders Kübler!Schmüit!Simitis, Mitbestimmwtg als gesetzgebwtgspolitische Aufgabe S. 136.

IV. Schranken der Ausübung der Weisungsbefugnis der Gesellschafter

77

soll es sich nach dieser Ansicht um eine gesetzliche Verpflichtung handeln, an der sich eine Gesellschafterweisung messen lassen muß. Weisungen, die keine Rücksichtnahme auf Belange der Arbeitnehmer erkennen lassen, wären danach rechtswidrig und für den Geschäftsführer unverbindlich. Arbeitnehmer stehen unbestreitbar in besonders enger Beziehung zum Schicksal ihres Unternehmens. Deshalb haben ihre Interessen durch die Einführung der Unternehmensmitbestimmung besondere Anerkennung erfahren.76 Im Zuständigkeitsbereich des Geschäftsführers ist ihren Belangen faktisch ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit garantiert, weil seine Organstellung vom Vertrauen ihrer Vertreter im Aufsichtsrat abhängt. Der den Arbeitnehmern durch die Repräsentanz im Aufsichtsrat und durch die Mitwirkung an der Bestellung des Geschäftsführers mittelbar gewährte Einfluß auf die Geschäftsführung soll ihrer mitgliedsähnlichen Betroffenheit durch unternehmerisches Handeln Rechnung tragen.77 Daraus folgt jedoch keine ungeschriebene Rechtspflicht, Interessen der Arbeitnehmer besonderes Gewicht einzuräumen. Angesichts der Vielzahl sozialer Inpflichtnahmen eines Unternehmens wird man dem Geschäftsführer wie auch den Gesellschaftern zubilligen müssen, sich darauf zu beschränken, die in Einzelgesetzen konkretisierte Sozialbindung gern. Art. 14 Abs. 2 GG strikt zu beachten.78 Eine weitergehende gesetzliche Verpflichtung zur Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen existiert nicht; das MitbestG hat sich für eine institutionelle Interessenvertretung entschieden und keine für die Geschäftsleitung verbindlichen Entscheidungsvorgaben statuiert. Die gesetzliche Verpflichtung des Geschäftsführers zur Berücksichtigung der Interessen der Arbeitnehmer beschränkt sich darauf, die Einhaltung der zu ihrem Schutz bestehenden Vorschriften zu gewährleisten. Nur wenn er insoweit einen Verstoß feststellt, muß er die Ausführung einer Weisung verweigern. Immerhin könnte die Rechtsstellung des Geschäftsführers durch das MitbestG eine normative Stärkung dahingehend erfahren haben, daß er zwar nicht verpflichtet, aber zumindest berechtigt ist, Weisungen nicht zu befolgen, wenn sie sich für die Arbeitnehmer nachteilig auswirken.79 Gegen die Annahme

7 6 Die Stellung des Arbeitnehmers im und zum Unternehmen Zö/lner!Loritz, Arbeitsrecht§ 51 IV 3 (S. 552) m.w.N. in Fn. 15.

77 Vo/lmer, Die Entwicklung partnerschaftlieber Unternehmensverfassungen S. ll; Zöllner, FS Fechner S. 155, 165 ff.; ders., FS BAG S. 745, 758 ff.; -für eine Mitgliedschaft aus soziologischer SichtRaiser, Das Unternehmen als OrganisationS. !53 ff. 7 8 Ebenso zum Pflichtenmaßstab des Vorstands KölnerKomm/Merlens § 76 Rn. 18; - davon zu unterscheiden ist die Frage, in welchen Grenzen die Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen eine Relativierung des Strebens nach wirtschaftlichem Erfolg rechtfertigt, vgl. KölnerKomm/Mertens § 76 Rn. 32. 7 9 Nicht ganz eindeutig Rowedder/Koppensteiner GmbHG § 37 Rn. 28.

78

§ 3 KompetenzabgrenZIDig im AnwendWlgsbereich des MitbestG

einer solchen Befugnis ist zunächst einzuwenden, daß es problematisch ist, ein übereinstimmendes Interesse aller Arbeitnehmer zu bestimmen. Nachteilen für bestimmte Teile der Belegschaft werden nicht selten langfristige Vorteile anderer Arbeitnehmer gegenüberstehen; beispielsweise kann eine Rationalisierung einerseits zum Wegfall zahlreicher Arbeitsplätze führen, andererseits dazu beitragen, ebensoviele Arbeitsstellen langfristig zu erhalten. Ausschlaggebend ist, daß das MitbestG dem Geschäftsführer keine weisungsfreien Leitungungsbefugnisse verleiht und ihm infolgedessen auch kein Recht gewährt, Arbeitnehmerinteressen eigenverantwortlich gegen sonstige Interessen an einer geplanten Maßnahme zu gewichten. Die normative Stärkung des Geschäftsführeramtes beschränkt sich auf die Gewährleistung persönlicher Unabhängigkeit gegenüber den Gesellschaftern. Ihnen wird die Möglichkeit genommen, über die Personalpolitik mittelbar den Inhalt der Geschäftsführung zu steuern.80 Ihre Befugnis, über Maßnahmen der Geschäftsführung unmittelbar verbindlich zu entscheiden, läßt das MitbestG dagegen, von den Mitwirkungsrechten des Aufsichtsrats einmal abgesehen, unberührt. Die verbindliche Abwägung zwischen zulässigen und unzumutbaren Beeinträchtigungen von Arbeitnehmerbelangen weist das MitbestG nicht dem Geschäftsführer zu; sie ist primär Aufgabe des Gesetzgebers, der ein Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer in einer Vielzahl arbeitsrechtlicher Vorschriften anerkennt. Darüber hinaus steht es den Gesellschaftern frei, welche Bedeutung sie den Interessen der Arbeitnehmer einräumen; der Geschäftsführer bleibt lediglich berechtigt, seine Bedenken gegen eine Gesellschafterentscheidung zu äußern. Sind die Gesellschafter daraufhin nicht bereit, sie zu revidieren, ist er verpflichtet, die Weisung zu befolgen, auch wenn diese für die Belegschaft im Unternehmen nachteilig ist. d) Bestandsgefährdende Weisungen

Obgleich das MitbestG keine Rechtspflicht zur Berücksichtigung von Arbeitnehmerbelangen schafft, wäre immerhin ein gewisser Mindestschutz gewährleistet, würde man der Auffassung Ulmers folgen, der aus der Verpflichtung des Geschäftsführers auf das Unternehmensinteresse eine weitere Schranke seiner Weisungsgebundenheit ableitet: das Bestandserhaltungsinteresse. Das Unternehmensinteresse, definiert als das Interesse am Bestand des Unternehmens, habe der Geschäftsführer eigenverantwortlich zu verfolgen. Um dieser Verpflichtung nachzukommen, soll er das Recht, ja sogar die Pflicht haben, die Durchführung existenzgefahrdender Gesellschafterweisun80 Ähnlich zur BedeutWlg der Personalhoheit als Instrument der Konzernsteuerung Lutter, MitbestimmWlg im KonzernS. 26; Martens, ZHR 138 (1974), S. 179, 199; di!rs., Die existentielle Winschaftsabhängigkeit S. 120.

IV. Schranken der Ausübung der Weisungsbefugnis der Gesellschafter

79

gen abzulehnen.81 Mit der Verantwortung des Geschäftsführers für den Erhalt des Unternehmens auf der einen Seite geht ·für die Gesellschafter auf der anderen Seite eine Schranke ihrer Weisungsbefugnis einher, die der Durchsetzung bestandsgefährdender Maßnahmen entgegensteht. Es ist jedoch fraglich, ob die Existenz des Unternehmens für die Gesellschafter die äußerste Grenze zulässiger Einflußnahme auf die Geschäftsführung markiert. 82 Vorauszuschicken ist, daß der Erhalt des Unternehmens- jedenfalls bei der nicht konzernierten GmbH 83 - regelmäßig gemeinsamer Bezugspunkt aller Gesellschafterinteressen ist. Gleichwohl ist nicht von vornherein auszuschließen, daß Gesellschafterentschließungen im Einzelfall den Bestand des Unternehmens gefährden; beispielsweise kann mit ihnen ein außergewöhnlich großes unternehmerisches, sogar spekulatives Risiko verbunden sein. Denkbar ist aber auch, daß eine wirtschaftliche Notlage die Gesellschafter veranlaßt, das Gesellschaftsvermögen anzugreifen. Unstreitig verbietet es der auf der Treuepflicht beruhende Minderheitenschutz den Gesellschaftern, existenzgefährdende Maßnahmen zu beschließen, wenn es sich dabei um gesellschaftsschädigende Maßnahmen handelt, die berechtigte Interessen der Minderheitsgesellschafter verletzen; 84 eine 8 1 Ulmer, Der Einfluß des Mitbestimmungsgesetzes auf die Struktur von AG und GmbH S. 42 ff., 49; später unter Ausklammerung milbestimmungsrechtlicher Besonderheiten für die konzernierte GmbH ein Eigeninteresse arn Bestand der GmbH anerkennend ders., ZHR 148 (1984), S. 391, 395, 417 ff.; ders., ZGR 1985, S. 598, 6fJ7; ders . WPg 1986, S. 685,691 f., 82 Neben Ulmer (aaO. Fn. 82) auch Fleck, ZHR 149 (1985), S. 387, 396, 408, 417; Winter, Mitgliedschaftliehe Treuebindungen im GmbH-Recht S. 190 ff.; - beschränkt auf die konzernierte GmbH: Assmann, JZ 1986, S. 928, 931; ·nunmehr allerdings relativierend ders., in FS 100 Jahre GmbH S. 657, 705 f., 7fJ7; E1N11erich!Sonnenschein, Konzernrecht § 24 II 3 b (S. 444 f.); Ho1N11el· hoff, Die Konzernleilllngspflicht S. 256; K. Schmidt, 88 1985, S. 2074, 2fJ77; ders., ZIP 1986, S. 146, 148; Scholz/E1N11erich GmbHG Anh. KonzernR Rn. 167; Schwark, JuS 1987, S. 443, 450; Ziegler, WM 1989, S. 1041, 1043 f. Deutlich zutückhaltend dagegen 8GHZ 95, S. 330, 340 ff.; abl. Flume, Die juristische Person S. 61, 128; GrUIIewald, ZGR 1991, S. 452, 454; Lutter, ZIP 1985, S. 1425, 1428 f.; Rehbinder, AG 1986, S. 85, 94; Semler, FS Goenleler S. 551, 559; Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht S. 87; Zöllner in 8aurnbach/Hueck GrnbHG KonzernR Schlußanh. I Rn. 35; auch Drüke, Die Haftung der Mutletgesellschaft für Schulden der Tochtergesellschaft S. 48 f. Nunmehr auch 8HGZ 119, S. 257,262 gegen die Anerkennung eines den Interessen des Alleingesellschafters übergeordneten Gesellschaftsinteresses. 83 Zu anderen konzernspezifischen Interessenlagen Assmann, JZ 1986, S. 928, 931; Schramm, Konzernverantwortung und Haflllngsdurchgriff im qualifizierten faktischen GmbH-KonzernS. 72 f. 84 Zu Geltungsgnmd, Inhalt und Tragweite der Pflichtenbindung G. Hueck in 8aurnbach/Hueck GrnbHG § 13 Rn. 21 ff.; Hach/Raiser GmbHG § 14 Rn. 52 ff., § 13 Rn. 9; Lutter!Ho1N11elhoff GrnbHG § 14 Rn. 15 ff.; Roth GmbHG § 13 Anm. 5.3.ff.; Rowedder/Koppensteiner GmbHG § 13 Rn. 12 ff.; Scholz/Winter GmbHG § 14 Rn. 50 ff. Eine umfassende Rechtsprechungsübersicht bei Raiser, ZHR 151 (1987), S. 422; zur Entwicklung der Treuepflicht im GmbH-Recht/1N11enga, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz S. 189; - grundlegend Winter, Mitgliedschaftliehe Treuebindungen im GmbH-Recht; Zöllner, Die Schranken rnitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtliehen Personenverbänden S. 335 ff.- Zur Treuepflicht in der AG aus neuerer Zeit BGH NJW 1995, S. 1739, 174lf.

80

§ 3 Kompetenzabgrenzung im Anwendungsbereich des MitbestG

entsprechende Weisung wäre wegen Verstoßes gegen die den Mehrheitsgesellschaftern obliegende Treuepflicht - jedenfalls solange die Anfechtung eines treuwidrigen Beschlusses noch erfolgen könnte85 - nicht bindend. Sind aber sämtliche Gesellschafter mit einer Geschäftsführungsentscheidung einverstanden, ist zu prüfen, ob sich die geplante Maßnahme an einem ungeschriebenen Eigeninteresse der GmbH, gerichtet auf den Bestand des Unternehmens, messen lassen muß, das der Geschäftsführer auch entgegen einer abweichenden Entscheidung sämtlicher Gesellschafter durchzusetzen hat. Zum Schutz der Gläubiger und künftiger Gesellschafter besteht infolge der gesetzlichen Ausgestaltung der GmbH als Vennögens- und Haftungssubjekt eine gewisse Verselbständigung des Gesellschaftsinteresses gegenüber dem Mitgliedergesamtinteresse. 86 Insbesondere angesichts der zwingenden Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30 ff, auch § 43 Abs. 3 GmbHG, die die Erhaltung des Stammkapitals durch ein entsprechendes Auszahlungsverbot sicherstellen, könnte man auch von einem Eigeninteresse der GmbH sprechen. Im Rahmen der gesetzlichen Vennögensbindung können die Gesellschafter jedoch über den Gesellschaftszweck, der Bündelung aller Mitgliederinteressen, zu deren gemeinschaftlicher Verfolgung sich die Gesellschafter verbunden haben, jederzeit einvernehmlich disponieren.S7 Ferner sind sie berechtigt, ihre GmbH ohne sachliche Gründe durch Beschluß mit 3/4 Mehrheit aufzulösen, § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG.88 Ein Auflösungsbeschluß ist nicht schon deswegen treuwidrig, weil er zur Liquidation der Gesellschaft und zur Zerschlagung des Unternehmens führt. Die Stimmrechtsausübung kann allenfalls dann treuwidrig sein, wenn den Minderheitsgesellschaftern keine Möglichkeit gegeben wird, das Unternehmen selbst fortzuführen; dies gilt insbesondere dann, wenn das Unternehmen bereits vor der Auflösung wirtschaftlich vom Mehrheitsgesellschafter übernommen wurde. 89 S5 Nach allg. M. ist ein treuwidriger Gesellschafterbeschluß anfechtbar: m.w.N. G . Hru!ck in Baumbach/Hueclc GmbHG § 13 Rn. 31; Lutter!Hof111Mihof!GmbHG § 14 Rn. 25; Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG Anh. § 47 Rn. 50 ff. 86 Zöllner, aaO (Fn. 85) S. 18 ff., 21. 87 Zur Unterscheidung zwischen Gesellschaftszweclc und Unternehmensgegenstand vgl. Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtliehen Personenverbänden S. 27; G. Hueck in Baumbach/Hueck GmbHG § I Rn. 5; Lutter!Hof11!Mihoff GmbHG § 1 Rn. 2 einerseits, sowie Hach/U/mer GmbHG § 1 Rn. 5 ff.; Scholz/Ef11!Mrich GmbHG § I Rn. 2, § 3 Rn. 12; Scholz/Priester GmbHG §53 Rn. 182 andererseits. Gegen eine Verselbständigung des Gesellschafts zweclcs gegenüber dem Unternehmensgegenstand FIU1111!, Die juristische Person S. 323 ff. Jedenfalls besteht Einigkeit, daß eine Zweclcänderung der Zustimmung aller Gesellschafter bedarf, vgl. die Nachw. in dieser Fn. SS BGHZ 103, S. 184, 193 ff.; ferner BGHZ 76, S. 352, 353; OLG Frankfun WM 1991 , S. 681, 684 f.; Hach!Ulmer GmbHG § 60 Rn. 31; Scholz/Willler GmbHG § 14 Rn. 58; Zöllner in Baumbach/Hueclc GmbHG Anh. § 47 Rn. 51. 89 Vgl. die Nachweise in vorstehender Fn. 88.

IV. Schranken der Ausübung der Weisungsbefugnis der Gesellschafter

81

Die Befugnis der Gesellschafter, die GmbH zu liquidieren, ist mit der Kompetenz gepaart, auf die Geschäftsführung unmittelbar durch die Erteilung existenzgefährdender Weisungen einzuwirken. Die Abwägung, ob die mit dem Geschäft verbundenen wirtschaftlichen Chancen die Existenzgefährdung rechtfertigen, können die Gesellschafter generell oder im Einzelfall an sich ziehen. Ebensowenig wie Einzelkaufleute oder Mitglieder einer Personengesellschaft sind sie verpflichtet, Geschäftschancen auszulassen, die den Bestand der Gesellschaft gefährden, wenn das geplante Geschäft mit dem Gesetz, insbesondere mit den Kapitalerhaltungsvorschriften, vereinbar ist. Gegen die Zulässigkeil existenzgefährdender Maßnahmen wird vereinzelt eingewandt, daß es sich dabei um eine Umgehung gesetzlicher Liquidationsvorschriften handele.9° Anknüpfend an die Unterscheidung, daß nur über das "ob" der Auflösung nach grundsätzlich freiem Belieben entschieden werden darf, während das "wie", d.h. die Abwicklung und insoweit vor allem die Verteilung des Gesellschaftsvermögens an die Gesellschafter(§§ 65 ff, 72, 73 GmbHG), nach zwingenden Vorschriften erfolgen muß, wird eine Bestandsgefährdung wegen Umgehung der zwingenden Schutzvorschriften für das Liquidationsverfahren für unzulässig erklärt. Die Gefahr einer Umgehung liege vor allem im Hinblick auf den Regelungsgehalt des § 73 GmbHG nahe, der die Verteilung des Liquidationserlöses erst nach Befriedigung oder Sicherstellung der bekannten Gläubiger und nach Ablauf des sog. Sperrjahrs gestattet. Eine Umgehung des im Auflösungsverfahren gesetzlich garantierten Gläubigerschutzes liegt jedoch nur in seltenen Fällen vor, so etwa dann, wenn die Gesellschafter ohne formalen Auflösungsbeschluß ihrer Gesellschaft faktisch die Existenzgrundlage entziehen, indem sie den Geschäftsführer anweisen, das gesamte über das Stammkapital hinausgehende Vermögen der GmbH an sie zu verteilen. Durch eine derartige Weisung, die keinerlei Geschäftschancen für die Gesellschaft begründet, aber jede weitere Unternehmerische Betätigung unmöglich macht, entziehen die Gesellschafter den Gläubiger im Wege einer "kalten Liquidation" das Liquidationsvermögen. Folglich ist eine solche Weisung wegen Umgehung des Gläubigerschutzes gern. § 73 GmbHG unwirksam. Anders ist dagegen der Fall zu beurteilen, daß eine Geschäftsführungsmaßnahme ein sehr hohes unternehmerisches Risiko, aber zugleich entsprechende Geschäftschancen, verkörpert. Hier geht es den Gesellschaftern nicht darum, das Gesellschaftsvermögen unter Umgehung der Gläubigerrechte zu erlangen. Es liegt dann keine Umgehung des Gläubigerschutzes im Abwicklungsverfahren vor. Die Gesellschafter können in ihrer Gesamtheit viel-

90 Winler,

s. 1041, 1043. 6 Schall

Mitgliedschaftliehe Treuebindungen im GmbH-Recht S. 204; Ziegler. WM

1989,

82

§ 3 Kompetenzabgrenzung im Anwendungsbereich des MitbestG

mehr eigenverantwortlich entscheiden, welches Risiko sie angesichts möglicher Gewinnchancen eingehen wollen. Fraglich ist, ob das MitbestG die Unternehmerische Entscheidungsfreiheit der Gesellschafter zurücktreten läßt und dem Geschäftsführer die Befugnis verleiht, den Bestand des Unternehmens auch gegen den Gesellschafterwillen sicherzustellen. Die Einführung der Mitbestimmung hat unstreitig weder die Vermögenszuordnung noch die Liquidationsbefugnis der Gesellschafter berührt;91 folglich bewahrt sie die Arbeitnehmer nicht davor, daß es zu einer Auflösung des Arbeitgebers kommt. Die Mitbestimmung im Aufsichtsrat verpflichtet die Gesellschafter nicht, den Arbeitnehmern eine bestimmte Organisation zur Verfügung zu stellen.92 Der Grundsatz, daß das Arbeitsrecht die Arbeitnehmer nicht vor dem Wegfall ihres Beschäftigungsunternehmens schützen kann,93 wird durch das MitbestG nicht durchbrachen. Insoweit läßt sich ausnahmsweise sogar eine Parallele zum BetrVG ziehen, das in §§ 111 ff. bei einer Betriebsänderung die Unternehmerische Entscheidung allein dem Arbeitgeber zuweist und die Beteiligung des Betriebsrats darauf beschränkt, zusammen mit dem Arbeitgeber die persönlichen, insbesondere wirtschaftlichen Folgen für die betroffenen Arbeitnehmer abzumildern. 94 Das Recht der Gesellschafter, die Gesellschaft aufzulösen, gewährt ihnen erst recht die Freiheit, die Existenz der GmbH durch Risikogeschäfte zu gefährden. Wie bereits an anderer Stelle95 ausgeführt, korrespondiert der Übergang der Personalkompetenz auf den mitbestimmten Aufsichtsrat nicht mit einer gesetzlichen Zuweisung eigenverantwortlicher Leitungsbefugnisse an den Geschäftsführer. Die Beschränkung der Abberufung auf wichtige Gründe stärkt zwar die persönliche Rechtsstellung des Geschäftsführers, verleiht ihm aber nicht das Recht, die Befolgung einer Gesellschafterweisung abzulehnen, wenn er sie für eine unternehmefische Fehlentscheidung hält. Nicht einmal bei Entscheidungen, die nach dem MitbestG eine unmittelbare Beteiligung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat verlangen, verlieren die Gesellschafter ihr verbindliches Letztentscheidungsrecht, da sie gern. § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG i.V.m. § 111 Abs. 4 Satz 4 AktG letzten Endes jede verweigerte Aufsichtsratszustimmung durch einen Beschluß mit qualifizierter Stimmenmehrheit überspielen können. Das Schicksal einer GmbH, die weder überschuldet noch zah-

9 1 Statt aller Zöllner in Baumbach/Hueck GmbHG KonzemR Schlußanh. I Rn. 35. 92 WiedemaM, Die Unternehmensgruppe im PrivatrechtS. 87.

93

Windbichler, Arbeitsrecht im KonzernS. 30.

9 4 Vgl. die Kommentierungen zu § 111 BetrVG; insbes. Dietz!Richardi BetrVG § 111 Rn. 3; Fitting!Auffarth!Kaiser/Heither BetrVG § 111 Rn. 35 u. §§ 112. 112a Rn. 5; ausführlich Fabricius in GK-BetrVG Einfilhrung vor§ 106 Rn. 49; jew. m.w.N. 9 5 Vgl. oben§ 3 I 5.

IV. Schranken der Ausübung der Weisungsbefugnis der Gesellschafter

83

lungsunfähig ist,96 können die Gesellschafter in den Grenzen der Rechtsordnung nach Belieben bestimmen, ohne ein übergeordnetes Unternehmensinteresse verfolgen zu müssen. Neben der Bestandsgefilhrdung durch Abzug von Gesellschaftsvermögen und durch unternehmecisehe Risikoentscheidungen können bei der konzernierten GmbH auch nachteilige Weisungen das Unternehmen in eine Krise und schließlich zur Existenzvernichtung führen. Die mitbestimmungsrechtliehe Beurteilung vermag jedoch nicht anders auszufallen als für existenzgefilhrdende Unternehmerrisiken. Ob für nachteilige Weisungen im faktischen GmbH-Konzern immanente Schranken anzuerkennen sind, wenn eine Treuepflichtverletzung gegenüber Minderheitengesellschaftern nicht vorliegt, ist eine Frage, die noch im Fluß ist.97 Dabei handelt es sich um ein spezifisch konzerngesellschaftsrechtliches Problem, für das gesellschaftsrechtliche Wertungen maßgebend sind, die in mitbestimmten und mitbestimmungsfreien GmbH übereinstimmend konkretisiert werden müssen. Zahlreiche Einzelgesetze enthalten zwingende Schutzvorschriften zugunsten der Arbeitnehmer, die festlegen, in welchen Fällen der Geschäftsführer auf Arbeitnehmerinteressen Rücksicht zu nehmen hat. An diese Gesetze sind Gesellschafter und Geschäftsführer gleichermaßen gebunden. Aus dem MitbestG lassen sich dagegen keine inhaltlichen Vorgaben für unternehmecisehe Entscheidungen ableiten; es überträgt dem Geschäftsführer weder ein Recht noch die Pflicht, die Durchführung bestandsgefahrdender Weisungen abzulehnen.

3. Schranken gem. §§ 138, 826 BGB Die Tatsache, daß das MitbestG keine über den gesetzlichen Arbeitnehmerschutz hinausgehende rechtliche Verpflichtung des Geschäftsführers statuiert, Arbeitnehmerbelangen besondere Bedeutung beizumessen, besagt jedoch nicht, daß er diese willkürlich beeinträchtigen darf. In Ausnahmefitlien bleibt vielmehr ein Rückgriff auf die Generalklausel des § 138 BGB möglich, die als wichtigstes Korrektiv der Privatautonomie Gestaltungen bei Unvereinbarkeit mit den guten Sitten für unwirksam erklärt. Gestützt auf den Wortlaut des § 241 Nr. 4 AktG, der für die GmbH entsprechend gilt,98 ist ein Gesellschafterbeschluß zwar grundsätzlich nur dann nichtig, wenn sein Inhalt 96 In derartigen Fällen obliegt dem Geschäftsführer eine gesetzliche Konkursantragspflicht gern. § 64GmbHG. 97 Vgl. hierzu die Nachw. oben Fn. 83. 98 Die entsprechende Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften über fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse im GmbH-Recht wird von der noch h.M. bejaht; vgl. die Nachweise in Fn. 49. 6•

84

§ 3 Kompetenzabgrenzung im AnwendiUlgsbereich des MitbestG

die Sittenwidrigkeit unmittelbar zum Ausdruck bringt und sich der Sittenverstoß nicht auf seinen Zweck bzw. Beweggrund oder auf sein Zustandekommen beschränkt.99 Ausnahmsweise kann es aber der Schutz nicht anfechtungsberechtigter Personen erfordern, § 241 Nr. 4 AktG extensiv anzuwenden. Werden nämlich nicht anfechtungsberechtigte Personen durch einen Gesellschafterbeschluß in sittenwidriger Weise geschädigt, ist dieser selbst dann nichtig, wenn sich die Sittenwidrigkeit nicht unmittelbar im Wortlaut niedergeschlagen hat, sondern erst nach Würdigung der Gesamtumstände erkennbar wird.100 Daraus folgt, daß jeder in sittenwidriger Weise Arbeitnehmerinteressen schädigende Gesellschafterbeschluß nichtig ist. Bei der Beurteilung sittenwidrigen Verhaltens ist es von erheblicher Bedeutung, daß sich der vordergründig moralisierende Maßstab der "guten Sitten" immer mehr gegenüber Ansprüchen der öffentlichen Ordnung sowie gegenüber der zweck- und funktionsbezogenen Betrachtung privatrechtlicher Institutionen geöffnet hat. 101 Er läßt sich als äußerste Grenze für privatautonome Gestaltungsfreiheit nutzbar machen; dies gilt um so mehr angesichts der zu verzeichnenden Abkehr vom Erfordernis des Bewußtseins, sittenwidrig zu handeln. 102 Die Generalklausel des § 138 Abs. I BGB vermag nicht nur Gebote der Sozialmoral, sondern auch Rechts- und Grundwerte des Gemeinschaftslebens zu schützen. Mit dem in zahlreichen Gesetzen anerkannten Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer, das u.a. ihrer existentiellen Wirtschaftsabhängigkeit vom Arbeitgeber Rechnung trägt, sind privatautonome Gestaltungen nicht vereinbar, deren Zweck sich darin erschöpft, Arbeitnehmerinteressen willkürlich zu verletzen. 103 Danach könnte z.B. eine Rationalisierungsentscheidung sittenwidrig sein, wenn sie ausschließlich den Abbau

99) In diesen Fällen begrtlndet die Sittenwidrigkeit nach allg. M. nur ein Anfechtungsrecht. Vgl. rum AktG A. Hueck. in Baumbach/Hueck AktG § 241 Rn. 10; Hüffer AktG § 241 Rn. 24; KölnerKornm/Zöllner § 241 Rn. 124. Zum GmbHG Hach/Rais