Notwehr gegen Schweigegelderpressung: Zugleich ein Beitrag zu den Grundprinzipien der Notwehr [1 ed.] 9783428511815, 9783428111817

Bei einem erpresserischen Angriff mit der Androhung der Anzeige strafbaren Verhaltens des Angegriffenen oder der Publika

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Notwehr gegen Schweigegelderpressung: Zugleich ein Beitrag zu den Grundprinzipien der Notwehr [1 ed.]
 9783428511815, 9783428111817

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Antje

Kroß

Notwehr gegen Schweigegelderpressung

Schriften zum Strafrecht Heft 147

Notwehr gegen Schweigegelderpressung Zugleich ein Beitrag zu den Grundprinzipien der Notwehr

Von

Antje Kroß

Duncker & Humblot • Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Potsdam hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 3-428-11181-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706©

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Schwester

Vorwort Die Arbeit wurde im Wintersemester 2002/2003 von der Fakultät der Rechtswissenschaften der Universität Potsdam als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung sind bis Dezember 2002 berücksichtigt worden. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Georg Küpper, der das Thema der Arbeit anregte und ihre Entstehung gefördert hat. Zudem gebührt ihm Dank für die angenehme Zeit, die ich während meiner Tätigkeit an seinem Lehrstuhl hatte. Herrn Prof. Dr. Wolfgang Mitsch danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens. Frau Dr. Katharina Beckemper schulde ich Dank für viele fruchtbare Diskussionen und bereichernde Anregungen. Ihre motivierende Unterstützung war mir wertvolle Hilfe. Schließlich danke ich meinen Eltern, die mir meinen Lebensweg geebnet haben. Ohne ihre stetige Ermutigung wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Meinem Lebensgefährten Thomas Kotzian sei gedankt für seine Geduld und seinen liebevollen Rückhalt. Gewidmet ist dieser Buch meiner Schwester Kati Kroß, die mir mit viel Liebe und Optimismus über schwierige Phasen hinweghalf. Potsdam, im Juli 2003

Antje Kroß

Inhaltsverzeichnis Einleitung

17 1.Teil Grundprinzipien der Notwehr

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§ 1 Dualistische Notwehrkonzeption

21

§2

Überindividualistische Notwehrkonzeptionen A. Selbstbehauptung des Rechts B. Normative Geltung der Rechtsordnung

26 28 36

§3

Individualistische Notwehrkonzeptionen 39 A. Das Vertragsmodell Hoyers 41 B. Das GegenseitigkeitsVerhältnis Hruschkas 45 C. Prinzip gesteigerter Zuständigkeit 46 D. Vermeidbarkeit der Abwehrfolgen 49 E. Abstellen auf die spezifische Lage des Angegriffenen 50 F. Individualrechtsgüterschutz und Handlungsfreiheit als mitangegriffenes Rechtsgut 52 G. Persönlichkeitsrecht als mitangegriffenes Rechtsgut 56 2. Teil Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

66

§ 1 Einwände gegen Notwehr bei Schweigegelderpressungen A. Heimlichkeit der Notwehr I. Die Auffassung Amelungs II. Stellungnahme 1. Historische Rechtslage 2. Aktuelle Rechtslage 3. Einwände speziell gegen die Lösung Amelungs B. Wesen der Rechtsordnung C. Bedeutung des § 154c StPO D. Kriminalpolitische Erwägungen

66 69 70 71 71 73 74 77 78 80

§2

80 81 81

Vorliegen einer Notwehrlage A. Angriff I. Ablehnung eines Angriffs bei Erpressungsversuchen

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nsverzeichnis 1. Angriff als gewalttätiges Vorgehen 2. Angriff als unmittelbare Rechtsgutsverletzung II. Herkömmliche Begriffsbestimmungen III. Kritik IV. Angriff als Beeinträchtigung notwehrfähiger Interessen 1. Die Ehre als rechtlich geschütztes Interesse a) Strafrechtlicher Schutz b) Zivilrechtlicher Schutz c) Zusammenfassung 2. Das Interesse an der Vermeidung strafrechtlicher Verfolgung als rechtlich geschütztes Gut a) Der Begriff des notwehrfähigen Interesses b) Selbstbegünstigungsinteresse als notwehrfähiges Interesse aa) Selbstbegünstigungsinteresse als Individualrechtsgut bb) Rechtsschutz aus strafprozessualen Normen (1) Verneinung eines Rechtsanspruchs auf Selbstbelastungsfreiheit (2) Die traditionelle Ansicht c) Ergebnis 3. Willensfreiheit als notwehrfähiges Interesse a) Rechtlich garantierte Freiheit b) Prüfung eines Eingriffs in die rechtlich garantierte Freiheit c) Ergebnis 4. Vermögen als rechtlich geschütztes Interesse 5. Persönlichkeitsverletzung als mittelbar betroffenes Rechtsgut 6. Zusammenfassung B. Gegenwärtiger Angriff C. Rechtswidriger Angriff

§ 3 Verteidigungshandlung A. Geeignetheit der Verteidigung I. Abstrakte Bestimmung des Begriffs 1. Ableitung des Kriteriums der Geeignetheit 2. Inhaltliche Bestimmung der Geeignetheit 3. Sicht zur Beurteilung der Geeignetheit II. Konkrete Verteidigungshandlungen 1. Einwirkungen zum Auffinden von Erpresser und Beweismaterial a) Tonbandaufnahme gem. §201 StGB aa) Tatbestandsausschluss (1) Ausschluss mangels Vertraulichkeit des Wortes (2) Ausschluss wegen Verwirkung (3) Teleologische Tatbestandsreduktion bei Kommunikationsdefiziten bb) Tatbestandsverwirklichung (1) §201 Abs. 1 Nr. 1 StGB (2) §201 Abs. 1 Nr. 2, 1. Alt. StGB (3) §201 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt. StGB (4) §201 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. StGB

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nsverzeichnis

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cc) Rechtfertigung (1) Rechtfertigung der Aufnahme (2) Rechtfertigung des Gebrauchs und der Zugänglichmachung für Dritte (3) Auswirkungen einer Rechtfertigung der Verwendung des Tonträgers auf die Aufnahme b) Hausfriedensbruch gem. § 123 StGB c) Ausspähen von Daten gem. § 202 a StGB 2. Einwirkungen auf das Fundament der Drohung a) Datenveränderung gem. § 303 a StGB b) Diebstahl von Beweismitteln gem. §242 StGB c) Sachbeschädigung gem. §303 StGB d) Urkundenunterdrückung gem. §274 Abs. 1 Nr. 1 StGB 3. Einwirkungen auch auf den Erpresser a) Psychische Einwirkungen aa) Nötigung gem. §240 StGB bb) Erpressung gem. §253 StGB cc) Raub gem. §249 StGB dd) Betrug gem. § 263 StGB b) Physische Einwirkungen aa) Nötigung gem. § 240 StGB und Erpressung gem. § 253 StGB bb) Raub gem. §249 StGB cc) Körperverletzung gem. § 223 StGB dd) Tötung gem. §212 StGB B. Einsatz des mildesten Mittels I. Entscheidungsrelevante Umstände für die Beurteilung des mildesten Mittels 1. Überindividualistische Interpretation des Merkmals? 2. Individualistische Interpretation II. Kennzeichnung der besonderen Notwehrsituation bei Schweigegelderpressungen III. Inanspruchnahme polizeilicher Hilfe bei Schweigegelderpressungen 1. Anknüpfungspunkte für die Diskussion um die Inanspruchnahme polizeilicher Hilfe a) Das Merkmal der Erforderlichkeit aa) Recht auf eigenhändige Verteidigung bb) Staatliche Hilfe als grundsätzlich mildestes Mittel b) Subsidiarität der Notwehr aa) Begründung und Reichweite bb) Konsequenzen 2. Abwehrmittel der Polizei bei Erpressungen a) Maßnahmen gegen den bekannten Täter b) Überführung des unbekannten Täters 3. Fazit 4. Gefahren für die Interessen des Angegriffenen a) Allgemeine Kennzeichnung der Problematik b) Offenbarung des Geheimnisses

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nsverzeichnis

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aa) Selbstbelastungsfreiheit 173 (1) Reichweite des Grundsatzes 178 (a) Personaler Anwendungsbereich 178 (b) Sachlicher Anwendungsbereich 182 (aa) Zwangslage nur bei Anordnung von Beugemitteln zur Durchsetzung der Auskunftspflicht 182 (bb) Zwangslage nur bei existenzvemichtenden bzw. -bedrohenden Nachteilen 185 (cc) Zwangslage bei drohendem Eintritt von den Zwangsmitteln gleichgestellten Nachteilen 186 (dd) Übertragung der gefundenen Ergebnisse auf die Situation des Erpressten 187 (2) Einschränkungen der Selbstbelastungsfreiheit 189 (3) Zusammenfassung und Ergebnis 196 bb) Interesse, sich nicht selbst kompromittieren zu müssen 196 (1) Nemo-tenetur-Grundsatz 197 (2) Schutz des Zeugen 198 (3) Schutz des Erpressten 204 (a) Schlussfolgerung aus dem Vergleich mit der Situation des erpressten Straftäters 206 (b) Relativierung der für den Erpressten bestehenden Risiken 207 (aa) Verschwiegenheitspflicht 207 (bb) Verfahrensbezogene Schutzmöglichkeiten 208 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

212

Schrifttumsverzeichnis

216

Sachwortverzeichnis

242

Abkürzungsverzeichnis a.A. Abs. Abschn. AcP a.E. AE-ZVR AfP AG AKB AK-StPO Alt. Anh. Anm. AnwBl. AO AöR Art. AT Aufl. BA BayObLG BBG Bd. BDHE BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BRRG BSG Bsp. BseuchG BT BTDrucks. BVerfG BVerfGG BVerfGE BVerwGE

andere Ansicht Absatz Abschnitt Archiv für die civilistische Praxis am Ende Altemativentwurf Zeugnisverweigerungsrecht Archiv für Presserecht Amtsgericht Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrzeugversicherung Alternativkommentar zur Strafprozeßordnung Alternative Anhang Anmerkung Anwaltsblatt Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Allgemeiner Teil Auflage Blutalkohol Bayrisches Oberlandesgericht Bundesbeamtengesetz Band Entscheidungen des Bundesdisziplinarhofes Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Beamtenrechtsrahmengesetz Bundessozialgericht Beispiel Bundesseuchengesetz Besonderer Teil Drucksache des Bundestages Bundesverfassungsgericht Bundesverfassungsgerichtsgesetz Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

14 bzw. CR DAR DB ders. Diss. DJ DJT DÖV DVB1. DVP EGStGB Einl. etc. EuGRZ f. ff. Fn. Frankfurt a. M. FS GA gem. GG GS GVG GWB h.A. Habil.-Schr. HansOLG HK-StPO Hrsg. insbes. IPBPR i.S.d. i.V. m. JA Jh. JR Jura JuS JW JZ KG KMR-StPO KK-StPO KO

Abkürzungsverzeichnis beziehungsweise Computer und Recht Deutsches Autorecht Der Betrieb derselbe Dissertation Deutsche Justiz Deutscher Juristentag Die Öffentliche Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Verwaltungspraxis Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Einleitung et cetera Europäische Grundrechte-Zeitung folgende fortfolgende Fußnote Frankfurt am Main Festschrift Goltdammer's Archiv für Strafrecht gemäß Grundgesetz Gedächtnisschrift Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen herrschende Ansicht Habilitationsschrift Hanseatisches Oberlandesgericht Heidelberger Kommentar zur Strafprozeßordnung Herausgeber insbesondere Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Menschenrechte im Sinne des in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Jahrhundert Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristische Wochenschau Juristenzeitung Kammergericht Kleinknecht/Müller/Reitberger, Kommentar zur Strafprozessordnung Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung Konkursordnung

Abkürzungsverzeichnis LBG LG lit. LK-StGB LR-StPO

15

Landesbeamtengesetz Landgericht littera (Buchstabe) Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch Löwe/Rosenberg, Die Strafprozeßordnung und das Gerichts verfassungsgesetz MDR Monatszeitschrift für Deutsches Recht MRK Menschenrechtskonvention MschKrim Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform MünchKomm Münchener Kommentar m. w. N. mit weiteren Nachweisen Niederschr.GStrRKomm. Niederschriften der Großen Strafrechtskommission NJ Neue Justiz NJW Neue Juristische Wochenschrift NK-StGB Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch Nr. Nummer NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NZV Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht ÖJZ Österreichische Juristenzeitung öStGB Österreichisches Strafgesetzbuch OGH Oberster Gerichtshof OLG Oberlandesgericht OVG Oberverwaltungsgericht RegEntw Regierungsentwurf Repr. Reprint RG Reichsgericht RGBl. Reichsgesetzblatt RGRK-BGB Kommentar der Reichsgerichtsräte, Bürgerliches Gesetzbuch RGSt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen RiStBV Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeld verfahren Rn. Randnummer Rspr. Rechtsprechung RStGB Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich S. Seite oder Satz s. a. siehe auch SchwStGB Schweizerisches Strafgesetzbuch SGB Sozialgesetzbuch SK-StGB Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch SK-StPO Systematischer Kommentar zur Strafprozeßordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz StGB Strafgesetzbuch StG RK Strafgesetzbuch der Republik Kroatien StPO Strafprozessordnung StraFo Strafverteidigerforum StrGB Strafgesetzbuch für das deutsche Reich StV Strafverteidiger

16 StVG StVollzG teilw. u. a. UVollzO v. Var. VerwArch vgl. Vorbem. VRS VVG WaffG wistra z. B. ZBR Ziff. zit. ZPO ZRP ZStW zugl. ZUM

Abkürzungs Verzeichnis Straßenverkehrsgesetz Strafvollzugsgesetz teilweise unter anderem Untersuchungsvollzugsordnung von/vom Variante Verwaltungsarchiv vergleiche Vorbemerkungen Verkehrsrechtssammlung Versicherungsvertragsgesetz Waffengesetz Zeitschrift für Wirtschaft - Steuer - Strafrecht zum Beispiel Zeitschrift für Beamtenrecht und Beamtenpolitik Ziffer zitiert Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtspflege zugleich Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht .

Einleitung Über die Zulässigkeit einer Notwehr gegen einen erpresserischen Angriff, der entweder darin besteht, dass die Anzeige strafbaren Verhaltens des Angegriffenen oder die Publikation sonstiger ihn kompromittierender Sachverhalte angedroht wird, ist in den vergangenen Jahren lebhaft diskutiert und veröffentlicht worden. Entdecker der Problematik war vor nahezu fünfzig Jahren ein Rechtsanwalt namens Haug , der sich in einem umfangreicheren Aufsatz 1 Gedanken über die möglichen Abwehrmaßnahmen eines solcherart Bedrängten machte. Im Zusammenhang von Verteidigungshandlungen, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllen, warf er die interessante Frage nach einer Notwehrrechtfertigung dieser Opferreaktionen auf. Bereits in jenen frühen Ausführungen kristallisierten sich die Punkte heraus, die eine Notwehrrechtfertigung auch heute noch problematisch erscheinen lassen: Kann die Drohung mit einem möglicherweise für sich betrachtet rechtlich erlaubten Verhalten (Strafanzeige/Publikation bloßstellender Tatsachen) ein Angriff bzw. ein rechtswidriger Angriff sein? Erfüllt eine Ankündigung, mit welcher eine Person einer anderen einen gewissen zeitlichen Raum für eine bestimmte Reaktion (Geldzahlung) einräumt, die Voraussetzungen eines gegenwärtigen Angriffs? Kommt hinsichtlich aller denkbaren Gegenmaßnahmen des auf die Art und Weise unter Druck Gesetzten als mildestes Mittel zur Abwehr der Beeinträchtigung des Vermögens nicht eine einfache Nichtzahlung in Betracht? Oder darf sich ein Opfer, weil sich mit einer bloßen Verweigerung des erwünschten Verhaltens, die Einwirkung auf seine Willensfreiheit nicht abwenden lässt, seinen Widersacher sogar töten, wenn eine Ausschaltung des Erpressers und seines Angriffs auf andere Weise nicht möglich ist? Wie wirkt es sich aus, dass ein erpresster Straftäter mit seinen Verteidigungshandlungen zugleich verhindern will, dass ein legitimes Strafverfahren gegen ihn eingeleitet wird? Kann man ihn auf polizeiliche Hilfe verweisen, trotzdem diese wohl regelmäßig mit einer strafrechtsrelevanten Selbstbelastung verbunden ist? Obwohl die Problemfelder einer Notwehrrechtfertigung in den umrissenen Bereichen seit langem bekannt sind, ist es bis heute zu keiner einheitlichen Lösung der Notwehrfrage gekommen. Es existieren vielmehr zahlreiche Vorschläge zur Handhabung eines solchen Sachverhalts, die Auswege in jede denkbare Richtung bereithalten. Rechtsanwalt Haug 2 befürwortete im Prinzip eine grundsätzlich uneingeschränkte Notwehrbefugnis, wollte allerdings bei einer Tötung des Erpressers die Grenze setzen. Diese Lösung hat erst in jüngster Zeit durch einen Aufsatz von Eggert 1 2 3

In: MDR 1964, 548 ff. In: MDR 1964, 548, 554. In: NStZ 2001, 225 ff.

2 Kroß

3

18

Einleitung

aus dem Jahre 2001 Zuspruch erfahren mit der Maßgabe, dass man mit der Fassung des § 32 StGB selbst schwere Körperverletzungen und auch die Tötung des Drohenden dem Angegriffenen nicht verbieten könne4. Dem entgegenstehend wird - aufbauend auf einer direkten Erwiderung auf die Ausführungen von Haug durch die Strafrechtler Arzt 5 und Baumann6 - die Auffassung vertreten, eine Notwehrrechtfertigung des sich wehrenden Opfers scheide aus. Zur Begründung der These versucht man verschiedene Begrifflichkeiten des § 32 StGB fruchtbar zu machen: Es fehle in diesen Fällen an einem Angriff 7 bzw. dieser sei mit Ausspruch der Drohung nicht mehr gegenwärtig8. Darüber hinaus wird unter dem Aspekt der Erforderlichkeit angeführt, dem Betroffenen sei ein Gang zur Polizei zumutbar, die mit der Einbeziehung staatlicher Unterstützung einhergehenden Unannehmlichkeiten seien hinzunehmen9. Schließlich gibt es ein differenzierendes Notwehrkonzept 10, welches unter dem Gesichtspunkt der Gebotenheit für bestimmte Arten der Selbsthilfe eine Rechtfertigung nach § 32 StGB befürwortet und für andere nicht. Von Amelung u stammt die ursprüngliche und zugleich ausführlichste Begründung dieses Lösungsvorschlages, der in der Literatur vielfach Zustimmung gefunden hat. Allerdings gelang eine eindeutige Zuordnung der als geboten und damit als zulässig anzusehenden Abwehrreaktionen und der Ausscheidung der nicht mehr als erlaubt anzusehenden Handlungen nicht 12 . Mit der vorliegenden Arbeit soll ein erneuter Versuch unternommen werden, die Problematik einer Notwehr gegen den erpresserischen Angriff mit der Drohung einer Strafanzeige oder der Preisgabe kompromittierenden Verhaltens einer praktischen Lösung zuzuführen. Dass ein Bedürfnis für die Bearbeitung der aufgeworfenen Thematik besteht, kann nicht geleugnet werden. Zwar gab es in der deutschen Rechtsprechung bislang noch keinen Fall, in welchem sich ein Gericht mit dieser Problematik beschäftigen musste, der von Novoselec in einem Aufsatz aus dem Jahre 1997 geschilderte Sachverhalt13 zeigt jedoch, dass es derartige Fälle auch in der Gerichtspraxis geben kann. Novoselec stellt seinen Thesen zur Notwehr gegen Er4

In: NStZ 2001,225,227,231. In: MDR 1965, 344f.; bestätigt in: Intimsphäre, S.92; Arzt/Weber , Strafrecht BT, § 18 Rn.20; JZ 2001, 1052f., insbes. Fn.7. 6 In: MDR 1965, 346f. 7 So: Müllen NStZ 1993, 366, 368. 8 Außer den in Fn.5 und 6 Genannten: Jakobs , Strafrecht AT, 12. Abschn. Fn.49; Lenckner , Schönke/Schröder, StGB, 24. Aufl., §32 Rn. 16; Maurach/Zipf, ; Strafrecht AT 1, §26 Rn.26; Tenckhoff , JR 1981, 255f.; s.a. KG, JR 1981, 254. 9 Novoselec , NStZ 1997, 218, 221; Tröndle! Fischer, StGB, §32 Rn. 10. 10 Amelung , GA 1982,381 ff.; ders., NStZ 1998,70; Herzog , NK-StGB, § 32 Rn. 32; Lenckner! Perron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn. 18; Roxin , Strafrecht AT I, § 15 Rn. 89; Sternberg-Lieben, JA 1996, 299, 303. 11 In: GA 1982, 381 ff. 12 Wagner , Notwehrbegründung, S.75 Fn.49. 13 In: NStZ 1997, 218. 5

Einleitung

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Pressungen einen Sachverhalt voran, der Gegenstand einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der Republik Kroatien war: Der Angeklagte A, ein kroatischer Staatsbürger, überfiel am 1.4.1993 gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinem Bruder einen Werttransporter auf dem Gelände der Autobahndirektion Südbayern in München. Während der Tat eröffneten sie das Feuer. Dadurch erlitten zwei Angestellte des Bewachungsunternehmens schwerwiegende Schuss Verletzungen. Die Täter erzwangen mit vorgehaltenen Waffen 136550,00 DM. Der Angeklagte beschrieb den Überfall in einem Tagebuch. Dieses lag nach seiner Rückkehr nach Kroatien in dem Haus der Eltern. Dort fand es eine Tante des Angeklagten beim Aufräumen und übergab es ihrem Ehemann, dem Onkel X. Der schrieb einen anonymen Brief an A, welcher die Aufforderung enthielt, A solle am 30.8.1993 um 9.00 Uhr zur Jugendbrücke in Zagreb kommen und dort einer Person in einem Pkw ohne Nummernschild 60000,00 DM übergeben. Sollte A dieser Forderung nicht nachkommen, würde das Tagebuch der deutschen Polizei übergeben und das neugebaute Haus des A in die Luft gesprengt. A, der vermutete, dass der Brief von seinem Onkel geschrieben worden war, wollte sich davon überzeugen und den Abgesandten entführen, um die Rückgabe des Tagebuches zu erzwingen. Er überredete einige Bekannte, ihm zu helfen und traf sich mit diesen zur verabredeten Zeit auf der Jugendbrücke. Hier wartete auf sie der von X gesandte Y. Statt diesem das Geld zu übergeben, bedrohten der Angeklagte und seine Freunde ihn mit Pistolen, drückten ihn in einen Pkw hinein und brachten ihn in die Wohnung eines Bekannten. Dort erzählte der Y, dass tatsächlich der X ihn geschickt hat. Daraufhin rief A den X an und verlangte von diesem das Tagebuch; ansonsten werde er den Y umbringen. X willigte scheinbar ein und verabredete ein Treffen mit dem A. Zugleich informierte er aber die Polizei. Als der Angeklagte zur verabredeten Zeit mit seinen Bekannten zu dem Termin erschien, wurden sie von der Polizei verhaftet. Bei dieser Gelegenheit kam die Polizei in den Besitz des Tagebuchs. Dieser (leicht vereinfacht wiedergegebene) Fall warf die Frage nach der Strafbarkeit des A auf. Nachdem zunächst die Staatsanwaltschaft beim Landgericht München I ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet hatte, wurde die Sache an den M i l i tärstaatsanwalt in Zagreb verwiesen, da einer der Mitangeklagten eine Militärperson war. In der aufgrund der von A gegen die erstinstanzliche Verurteilung eingelegten Berufung stattfindenden Verhandlung lehnte der Oberste Gerichtshof der Republik Kroatien eine Notwehrrechtfertigung des A ab. Ob und wie sich dieses Ergebnis dogmatisch haltbar begründen lässt, ist die zentrale Aufgabenstellung der Arbeit. Dabei soll allerdings nicht allein die Frage der Notwehrrechtfertigung eines sich gegen den Erpressungsversuch zur Wehr setzenden Straftäters beantwortet werden, sondern parallel dazu auch die der Zulässigkeit von Verteidigungsmaßnahmen in den ähnlichen Konstellationen des mit der angekündigten Offenbarung sonstigen kompromittierenden Verhaltens Erpressten. 2*

1. Teil

Grundprinzipien der Notwehr Um die mit der Arbeit aufgeworfene Thematik sachgerecht zu lösen, ist eine Beschäftigung mit den Grundgedanken der Notwehr erforderlich. Diese zieht man sowohl zur Begründung des Abwehrrechts als auch zu seiner Interpretation und Begrenzung heran. Jedes Ergebnis in umstrittenen Fragen muss sich auf die zugrunde gelegte ratio der Notwehr zurückführen lassen. Dabei handelt es sich keineswegs um ein „Glasperlenspier. Je nach Bezug auf ein allgemeines Prinzip ergeben sich Anwendungsbereich und Reichweite des § 32 StGB. Problemen bei der Bestimmung der einzelnen Voraussetzungen kann man nur mit Blick auf die hinter der Norm stehenden Wertungsgesichtspunkte, die in der Regelung des § 32 StGB Niederschlag gefunden haben müssen1, begegnen. Aus den Wurzeln erschließen sich die Konturen, die dem Wortlaut der einer Vielzahl von Fällen gerecht werdenden Norm des § 32 StGB nicht in jedem Fall zu entnehmen sind. Lange Zeit galt die Notwehrvorschrift als ein Musterbeispiel dafür, wie Auslegungsschwierigkeiten durch eine wohl ausgewogene Gesetzestechnik auf ein Minimum beschränkt werden können2. Heute hat sich das Bild vollständig gewandelt. Es ist zu konstatieren, dass nicht nur um jeden normativen Begriff Diskussionen entbrannt sind, sondern auch um die ratio der Vorschrift und ihre Schranken gestritten wird. Insbesondere der Meinungsstand in der Literatur zu den Notwehrprinzipien hat einen kaum noch zu überschauenden Umfang erreicht. Dennoch lassen sich aus der Vielzahl der Meinungsäußerungen im Wesentlichen drei Modelle zur Notwehrbegründung ausmachen. Auf der einen Seite stehen die Autoren, welche die Notwehr überindividualistisch allein aus dem Blickwinkel gesellschaftlicher Interessen heraus erklären wollen: Ratio der Notwehr sei die Wahrung des Rechts. Dabei wird, als eine Spielart der Begründung, in der Verteidigungshandlung eine Selbstbehauptung des Rechts erblickt 3, während andere die normative Geltung der Rechtsordnung durch die Abwehr als geschützt ansehen4. Demgegenüber wird besonders in jüngerer Zeit eine rein individualistische Notwehrdeutung vertreten, die vom betroffenen Bürger ausgehend die Struktur des Verteidigungsrechtes erklärt: Dieses bezwecke ausschließlich den Schutz des Einzelnen. 1

179.

Bitzilekis,

Notwehrrecht, S. 111; Koch, ZStW (1992) 104, 785, 789; Kühl, JuS 1993, 177,

2 Binding, Handbuch, § 150 III, S.732 Fn.5; Lenckner, GA 1961,299; Maurach, Deutsches Strafrecht AT (2. Aufl.), S. 245. 3 Schmidhäuser, GA 1991, 97, 121. 4 Bitzilekis, Notwehrrecht, S.53, 55.

§

ualistische Notwehrkonzeption

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Traditionell befürwortet die überwiegende Meinung die sogenannte „dualistische Notwehrlehre" 5 oder „Zwei-Elemente-Theorie" 6 , welche die jeweiligen Eckpunkte der monistischen Deutungen verbindet. Im weiteren Fortgang der Arbeit soll zunächst auf den dualistischen Erklärungsansatz eingegangen werden. In der gebotenen Kürze wird die Unvollkommenheit dieses Modells dargestellt, um dann in der überindividualistischen und folgend in der individualistischen Konzeption eine überzeugende, dogmatisch widerspruchsfreie Lösung zur Frage des Grundprinzips der Notwehr zu suchen.

§ 1 Dualistische Notwehrkonzeption Bis in die jüngste Zeit hat die dualistische Notwehrbegründung die meisten Anhänger gefunden 7 . Trotz aller Streitigkeiten i m Detail über die genaue Erfassung des geschützten überindividuellen Interesses ist man sich innerhalb dieser Gruppe über eines einig 8 : Man glaubt, nur mit der Einbeziehung eines zusätzlichen gesellschafts5 Kühl, FS Triffterer, S. 149f.; MaurachlZipfi Strafrecht AT 1, §26 Rn.4; Otto, Strafrecht AT, § 8 Rn. 17 Fn. 10. 6 Haft, Strafrecht AT, S. 84; LencknerlPerron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn. 1 a; Marxen, Notwehr, S. 35. 7 BGHSt 24,356, 359; BayObLG, StV 1999,147 f.; Amelung, GA 1982, 381, 392\ Arzt, FS Schaffstein, S. 77,87; Baumann/Weber, Strafrecht AT, § 21 II 1; Blei, Strafrecht I AT, § 39 III 2; Bockelmann, FS Dreher, S. 235, 243 f.; BockeImannIVolk, Strafrecht AT, § 15 BI; Born, Rechtfertigung, S. 27ff.; Burr, JR 1996, 230, 232; Courakis, Notwehr, S.34; Eggert, NStZ 2001, 225,228; Eser/Burkhardt, Strafrecht I, S. 117 Rn.4; Felber, Rechtswidrigkeit, S.88ff.; Gallas, FS Bockelmann, S. 155, 177; Geilen, Jura 1981, 200; Haft, Strafrecht AT, S.84f.; Hassemer, FS Bockelmann, S.225, 239f.; Herzog, NK-StGB, §32 Rn.99; Hinz, JR 1993, 353, 355f.; Hirsch, FS Dreher, S.211, 216f., 223; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, §3212; Krause, FS Bruns, S.71, Iii:, ders., GA 1979, 329, 331; ders., GS Hilde Kaufmann, S. 673ff.; Krey, JZ 1979,702,714; Kühl , JuS 1993,177,179; ders., FS Triffterer, S. 149f.; ders., Strafrecht AT, §7 Rn. 8 ff.; Lackner/Kühl, StGB, § 32 Rn. 1; Lagodny, GA 1991, 300, 303; Lenckner , GA 1961, 299, 309; ders., GA 1968, 1, 3; ders., JZ 1973, 253f.; ders., GA 1985, 295, 300; Lencknerl Perron, Schönke/Schröder, StGB, §32 Rn. 1; Matt, NStZ 1993, 271 ff.; Maurach/ Zipf Strafrecht AT 1, §26 Rn.4; Mayer, Strafrecht AT (1967), §2211 a.; Otto, FS Würtenberger, S. 129, 138; ders., Strafrecht AT, § 8 Rn. 17; Pelz, NStZ 1995, 305, 307f.; Perron, Rechtfertigung und Entschuldigung III, S.79, 87f.; Roxin, ZStW 75 (1963), 497,566f.; ders., ZStW 93 (1981), 68, 70ff.; ders., Strafrecht AT I, § 15 Rn. 1 ff.; Rudolphi , JuS 1969,461,464; ders., GS Armin Kaufmann, S.371, 386, 394; ders., JR 1991, 210f.; Samson, SK-StGB (5. Aufl.), §32 Rn. 3ff.; Schröder, JR 1962, 187f.; ders., JuS 1973, 157f.; Schünemann, GA 1985, 341, 368; Schumann, JuS 1979, 559f., 564; Spendel, LK-StGB, §32 Rn. 11 ff.; Sternberg-Lieben , JA 1996, 129f.; Stiller , Grenzen, S.71 ff.; Suppert, Notwehr, S.374ff.; TröndlelFischer, StGB, § 32 Rn. 2; Wessels/Beulke, Strafrecht AT, Rn. 339; Wimmer, GA 1983, 145, 157. 8 Eggert, NStZ 2001, 225, 228; Felber, Rechtswidrigkeit, S. 89f.; Gallas , FS Bockelmann, S. 155,177; Haft, Strafrecht AT, S. 85; Kühl , JuS 1993,177,181; ders., FS Triffterer, S. 149f.; ders., Strafrecht AT, §7 Rn. 12 f.; Lenckner, GA 1961, 299, 309; ders., GA 1968, 1, 3; ders., JZ 1973, 253 f.; ders., GA 1985, 295, 300; Lencknerl Perron, Schönke/Schröder, StGB, §32 Rn. 1 a; Matt, NStZ 1993,271 f.; Mayer, Strafrecht AT (1967), §2211 b; Otto, FS Würtenberger, S. 129, 138; Roxin, ZStW 93 (1981), 68,71; Rudolphi, GS Armin Kaufmann, S.371,386, 394;

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1. Teil: Grundprinzipien der Notwehr

bezogenen Aspektes die Schärfe der Notwehr, aber auch deren Einschränkungen erklären zu können. Die in der Regelung des § 32 StGB fehlende Ausweichpflicht des Angegriffenen und der Verzicht auf die Verankerung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ergebe sich allein daraus, dass der Verteidiger eben nicht lediglich sich und seine Rechtsgüter schütze, sondern zugleich mit der Abwehr des rechtswidrigen Angriffs gemeinschaftliche Belange wahrnehme. Nur durch diesen zweiten Umstand gelinge die Unterscheidung zu den einzig dem Güterschutz verschriebenen Notstandsrechten der §§34 StGB, 904,228 BGB, die allesamt eine Interessenabwägung vorsehen. Ebenso verhalte es sich mit der zweiten Besonderheit des § 32 StGB: Da eine Flucht nicht dem Recht, sondern vielmehr der Kapitulation vor dem Unrecht diene, werde eine solche dem Betroffenen von § 32 StGB nicht angesonnen. Auf der anderen Seite könne allein durch die Einbeziehung eines über den Selbstschutz hinausgehenden Elements aus der ratio der Norm dogmatisch überzeugend eine Beschränkung des harten Abwehrrechts hergeleitet werden. In bestimmten Fallgruppen seien überindividuelle Interessen weniger stark im Konflikt involviert bzw. treten gänzlich zurück, so dass das weit reichende Notwehrrecht hinsichtlich des Verteidigungsarsenals beschnitten werden müsse. So sei schuldlos Handelnden die Verletzung des Rechts nicht vorwerfbar. Dessen Geltung werde von ihnen nicht in Frage gestellt und deshalb müsse auch nicht demonstriert werden, dass sich das Recht dem Unrecht nicht beuge9. Für einen derartigen Appell seien sie im Übrigen auch gar nicht zugänglich. Des Weiteren dürfe sich derjenige, der durch sein Verhalten in rechtswidriger oder in ethisch zu missbilligender Weise den Angriff erst hervorgerufen hat, nicht als Verteidiger der von ihm in den Konflikt gezogenen Gemeinschaftsinteressen aufspielen 10. Das überindividuelle Prinzip relativiere sich hier. In den Fällen eines extremen Missverhältnisses zwischen den konkret tangierten Rechtsgütern seien gesellschaftliche Interessen in so geringem Maße betroffen, dass sich auch die Verteidigung nach diesem verschwindend kleinen Gewicht auszurichten habe11. Hinzu trete noch folgender Umstand: Gerade bei einem Einschreibe^., JR 1991, 210f.; Samson, SK-StGB (5. Aufl.), §32 Rn.3; Schumann, JuS 1979, 559f.; Stiller, Grenzen, S.73f.; Suppert, Notwehr, S.374f. 9 BGHSt 3,217 f.; BayObLG, JR 1987, 344f.; BayObLG, StV 1999,147f.; BSG, JZ 2000, 96,98; Blei, Strafrecht I AT, § 39 III2; Ebert, Strafrecht AT, S. 78; EserfBurkhardt, Strafrecht I, S. 122 Rn. 34; Haft, Strafrecht AT, S. 87; HohmannIMatt, JR 1989, 160, 162; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 32 III 3 a; Krause, GA 1979, 329, 333f.; ders., GS Hilde Kaufmann, S.673, 680, 683; Kühl, JuS 1993, 177, 181; ders., FS Triffterer, S. 149, 151; ders., Strafrecht AT, §7 Rn. 195; Lenckner, GA 1968,1,3; ders., GA 1985,295,307; LencknerlPerron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn. 52; Roxin, ZStW 93 (1981), 68, 81; Samson, SK-StGB (5. Aufl.), § 32 Rn.45; Schröder, JR 1962, 187ff.; Sternberg-Lieben, JA 1996, 568, 571. 10 Mit vielen umstrittenen Fragen im Einzelnen: BGHSt 24, 356ff.; 26, 143, 145; 42, 97, 101 f.; BGH, NJW 1972,1821 f.; BGH, JR 1989,160f.; Blei, Strafrecht I AT, §39 III2b; Ebert, Strafrecht AT, S.79f.; Haft, Strafrecht AT, S.87; Herzog, NK-StGB, §32 Rn. 115, 120; JeschecklWeigend, Strafrecht AT, § 32 III 3 a; Mayer, Strafrecht AT (1967), § 22IV2./3.; Lenckner/Perron, Schönke/Schröder, StGB, §32 Rn.6ff.; Otto, FS Würtenberger, S. 129,144f.; Roxin, ZStW 75 (1963), 497, 567; ders., NJW 1972,1821; ders., ZStW 93 (1981), 68, 87f.; Rudolphi, JuS 1969, 461, 464; Samson, SK-StGB (5. Aufl.), §32 Rn.53; Schumann, JuS 1979, 559, 565.

§

ualistische Notwehrkonzeption

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ten gegen geringfügige Belästigungen bestehe die Gefahr der Eskalation, so dass das Recht letztlich sogar viel stärker verletzt sein würde 12. Aus diesen Gründen könne auch hier eine Einschränkung der Notwehr unter Bezugnahme auf die überindividuelle ratio erklärt werden: Eine völlig maßlose Verteidigung sei nicht Durchsetzung des Rechts, sondern Pervertierung der Notwehr 13. Ebenfalls wird für die höchst umstrittene Fallgruppe der Auseinandersetzungen zwischen Personen mit engen persönlichen Beziehungen eine Begrenzung unter Berufung auf das überindividuelle Moment befürwortet 14. So einleuchtend diese Ausführungen zunächst klingen, wird gegen die Theorie vor allem eines eingewandt: Durch die weit gehende Ungeklärtheit des Verhältnisses von Individualschutz- und Rechtsverteidigungsprinzip und ihrer Gegenläufigkeit in bestimmten Teilbereichen 15 besteht ein Spannungselement innerhalb der Notwehr, welches die Gefahr eines kompromisshaften Anwendungsbereiches der Norm aufkommen lässt16. Beide Grundgedanken sollen im Wege wechselseitiger Beeinflussung durch erweiternde oder begrenzende Einflussnahme das Regelungsgebiet der Notwehr gestalten. Die Frage, ob man mit einer solch dehnbaren Grundlage nicht letztlich jedes beliebige Ergebnis erzielen kann, steht im Raum und muss Zweifel an der Überzeugungskraft des dualistischen Ansatzes hervorrufen 17. Die für den Normadressaten notwendige Klarheit darüber, wann er sich wie verteidigen darf, geht auf die Art und Weise verloren. Neben dieser grundsätzlichen Kritik ist anzumerken, dass es auch hinsichtlich der genauen Benennung des überindividuellen Interesses an der erforderlichen Bestimmtheit fehlt. 11 LG München, NJW 1988, 1860, 1862; JescheckiWeigend , Strafrecht AT, §32 III 3b; Krause , GA 1979, 329, 334; ders., GS Hilde Kaufmann, S.673,686; Lenckner , GA 1968,1,4; LencknerlPerron, Schönke/Schröder, StGB, §32 Rn.50; Otto , FS Würtenberger, S. 129, 148; Roxin, ZStW 93 (1981), 68, 94f.; ders., Strafrecht ATI, § 15 Rn. 73; Samson, SK-StGB (5. Aufl.), § 32 Rn. 47; a. A. Einschränkung unter dem Gesichtspunkt des Zurücktretens des Individualschutzinteresses für die Fallgruppe der Unfugabwehr: Herzog , NK-StGB, § 32 Rn. 105. 12 Arzt , FS Schaffstein, S.77, 82f. 13 Ebert , Strafrecht AT, S.78, Krause , GS Hilde Kaufmann, S.673,687; Krey , JZ 1979,702, 714; Lenckner , GA 1968, 1, 4; Schumann, JuS 1979, 559, 565; Sternberg-Lieben , JA 1996, 568, 572. 14 BGH, NJW 1969, 802; NJW 1975, 62; Amelung/Boch , JuS 2000, 261, 265; Ebert , Strafrecht AT, S. 78; Eser/Burkhardt, Strafrecht I, S. 123 Rn. 37; Haft, Strafrecht AT, S. 87; Herzog, NK-StGB, § 32 Rn. 111; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 32 III 3 a; Lenckner!Perron, Schönke/Schröder, StGB, §32 Rn.53; Roxin, ZStW 93 (1981), 68,101 f.; Schumann, JuS 1979,559, 566. 15 Zum Beispiel wäre vom Güterschutz ausgehend ein Ausweichen ratsamer, während der Gedanke der Rechtsverteidigung gerade einen aktiven Widerstand herausfordert. ]6 Bitzilekis, Notwehrrecht, S.47ff.; Geilen, Jura 1981, 200f.; Kioupis , Notwehr, S. 42; Klesczewski, FS E. A. Wolff, S.225, 238; Pitsounis, Modernes Strafrecht, S.227, 258; Renzi kowski, Notstand, S.79; Wagner, Notwehrbegründung, S. 12. 17 Kritisch gegen dualistische Begründung generell: Kargl, ZStW 110 (1998), 38,44; Pawlik, ZStW 114 (2002), 259, 261 f.

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1. Teil: Grundprinzipien der Notwehr

Von einer Vielzahl von Autoren wird die Verteidigung der Rechtsordnung als der neben den Rechtsgütern des Angegriffenen mit der Notwehr zugleich geschützte Wert angesehen. Durch den Angriff sei die Rechtsordnung in ihrer Geltung in Frage gestellt und aufgrund der Selbsthilfe werde folglich auch diese verteidigt. Zur Umschreibung der genannten Auffassung findet sich vielerorts die Formulierung, dass die Notwehr neben dem Schutz des Angegriffenen auch der Bewährung der Rechtsordnung dient 18 . Diese Wendung muss sich Kritik 1 9 dahingehend gefallen lassen, dass sich nach der deutschen Sprache nur das Subjekt selbst „bewähren" kann. Folglich kann ein Dritter, nämlich der Verteidiger, nicht die Rechtsordnung „bewähren", diese kann sich nur selbst „bewähren". Da aber mit dem Rechtsbewährungsprinzip ausgedrückt werden soll, dass der einzelne Bürger für die Rechtsordnung tätig wird, wäre besser zu formulieren, dass der Notwehrende zugleich die Rechtsordnung „bewehrt" oder „bewahrt" 20. Viel bedenklicher als diese Wortungenauigkeit ist aber, dass mit dem Bezug auf die Rechtsordnung ein in der Strafrechtsdogmatik höchst umstrittener und unklarer Begriff Eingang in die Notwehrdogmatik gefunden hat. Und auch hier ist völlig offen, was sich hinter dem Ausdruck verbirgt 21 und welche Qualität der Angriff haben muss, um die Rechtsordnung überhaupt in Frage stellen zu können22. Zum Teil 23 wird auf die empirische Geltung der Rechtsordnung abgestellt: Der überindividuelle Aspekt der Notwehr beziehe sich auf die faktische Geltung des Rechts, also auf das Bewusstsein der Bürger von seiner Wirksamkeit. Eine Schädigung des geistigen Fundaments der Gesellschaft trete mit der Beeinträchtigung des konkreten Rechts18

Amelung, GA 1982, 381, 392; Arzt, FS Schaffstein, S. 77, 87; Blei, Strafrecht I AT, § 39 III2; Bockelmann, FS Dreher, S. 235, 243; Burr, JR 1996, 230, 232; Courakis, Notwehr, S. 31 Fn.58, S. 34; Ebert, Strafrecht AT, S. 72; Eggert, NStZ 2001, 225, 228; EserlBurkhardt, Strafrecht I, S. 117 Rn.4; Geilen, Jura 1981, 200; Haft, Strafrecht AT, S. 85; Hassemer, FS Bockelmann, S.225, 239; Herzog, NK-StGB, §32 Rn.99; Hirsch, FS Dreher, S.211, 217; Jescheckl Weigend, Strafrecht AT, § 3212; Krause, GA 1979, 329, 331; ders., FS Bruns, S.71, 82; ders., GS Hilde Kaufmann, S.673, 675; Kühl, JuS 1993, 177, 179f.; ders., FS Triffterer, S. 149f.; ders., Strafrecht AT, §7 Rn.7, 10; LacknerlKühl, StGB, §32 Rn. 1; Lagodny, GA 1991, 300, 303; Lenckner, GA 1961, 299, 309; ders., GA 1968, 1, 3; ders., JZ 1973, 253f.; ders., GA 1985, 295, 300; Lenckner!Perron, Schönke/Schröder, StGB, §32 Rn. 1; Matt, NStZ 1993, 271, 273; Maurach/Zipf, Strafrecht AT 1, §261 Rn.4; Otto, Strafrecht AT, §8 Rn. 17; Pelz, NStZ 1993,305,308; Samson, SK-StGB (5. Aufl.), §32 Rn.3; Schröder, JR 1962,187f.; ders., JuS 1973, 157f.; Schünemann, GA 1985, 341, 368; Schumann, JuS 1979, 559f.; Tröndle/Fischer, StGB, § 32 Rn.2. 19 Koriath, FS Müller-Dietz, S.361, 367 Fn.40, 368; Mitsch, Provokation, S. 117; Renzikowski, Notstand, S.79f.; Spendel, LK-StGB, §32 Rn. 13; Stiller, Grenzen, S.32f. 20 So: Baumann/Weber, Strafrecht AT, § 32 II 1; Spendel, LK-StGB, § 32 Rn. 13. 21 Felber, Rechtswidrigkeit, S. 101; Freund, Strafrecht AT, §3 Rn. 86; Hohmann/Matt, JR 1989,160,162; Koch, ZStW 104 (1992), 785,791; Köhler, Strafrecht AT, S.262f.; Ludwig, Notwehr- und Notstandsrecht, S.52ff. 22 Hoyer, JuS 1988, 89f. 23 Amelung, GA 1982, 381, 392f.; ders., NStZ 1998, 70f. Fn. 9; Born, Rechtfertigung, S.2ff., 39ff.; Otto, FS Würtenberger, S. 129, 140f., 146; ders., FS Kleinknecht, S.319, 336; Seelmann, ZStW 89 (1977), S.36, 45; Wimmer, GA 1983, 145, 157.

§

ualistische Notwehrkonzeption

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guts dann ein, wenn diese zugleich Ausdruck eines Angriffs auf die geistigen Grundlagen der Rechtsgesellschaft sei. Das sei der Fall, wenn das Vertrauen der Mitglieder der Gesellschaft in die Geltung und Anerkennung der Rechtsordnung beeinträchtigt werde. Andere dagegen heben die normative Geltung hervor 24: Ein Verstoß gegen diese läge dann vor, wenn ein fremdes Rechtsgut angegriffen werde. Ob die Rechtsordnung verletzt sei, müsse sich nach der Rechtsordnung selbst, nicht nach der Gesinnung des Angreifers beurteilen. Eine ebenfalls beachtliche Gruppe von Wissenschaftlern sieht in präventiven Belangen den entscheidenden Notwehraspekt. Zunächst werde dem Angreifer selbst durch die Verteidigung demonstriert, dass er mit gefährlicher, unter Umständen lebensbedrohlicher Abwehr rechnen müsse. Dadurch soll er sowohl im Augenblick der Tat als auch für die Zukunft angehalten werden, rechtswidrige Angriffe auf andere zu unterlassen25. Bereits Beling hat formuliert 26 , der Angreifer solle durch das Bewusstsein, seine Haut zu Markte zu tragen, vom Unrecht abgehalten werden. Darüber hinausgehend verfolge die Notwehr aber auch den Zweck, potentiellen Angreifern vorzuführen, dass schärfste Gegenwehr zu erwarten ist. Durch die Vorstellung, einen sofort bereiten, energischen Verteidiger vorzufinden, der notfalls hart zuschlägt, werde eine effektive abschreckende Wirkung erzielt 27. Zugleich werde der rechtstreuen Bevölkerung gezeigt, dass sich die Rechtsordnung gegenüber rechtswidrigen Angriffen behaupten könne28. Durch die Wahrnehmung des Notwehrrechts erreiche man eine Stärkung des Rechtsbewusstseins der Allgemeinheit in dem Sinne, dass das Recht durchgesetzt werde, auch wenn staatliche Behörden nicht eingreifen können. Nun ist zunächst die These von der präventiven Wirkung der Notwehr empirisch nicht belegt29. Und es scheint im Hinblick auf die negative Generalprävention auch keine plausible Antwort darauf zu geben, warum sich ein Straftäter zum Beispiel durch einen potentiellen Notwehrakt von einem Angriff soll abschrecken lassen, wenn und soweit die Strafnorm, für deren Durchsetzung ein staatlicher Sanktionsapparat zur Verfügung steht, für ihn kein Motiv ist, sein Verhalten zu unterlassen30. Aber selbst wenn man ihr eine derartige Auswirkung unterstellt, fragt sich, mit welcher Legitimation der Einzelne zum Verfechter derartiger gesellschaftlicher Belange 24

Felber, Rechtswidrigkeit, S. 97; Hirsch, FS Dreher, S. 211,218 f.; Stiller, Grenzen, S. 85 ff. Felber, Rechtswidrigkeit, S.99; Roxin, ZStW 93 (1981), 68, 73; Stiller, Grenzen, S.53. 26 In: Grundzüge, S. 16. 27 Kratzsch, Grenzen, S. 156; Krause, FS Bruns, S.71, 82; Roxin, ZStW 93 (1981), 68, 74; ders., Strafrecht AT I, § 15 Rn. 2; Stiller, Grenzen, S. 56; Suppert, Notwehr, S. 375. 28 Bertel, ZStW 84 (1972), 1,10; Roxin, ZStW 93 (1981), 68,74; ders., Strafrecht AT I, § 15 Rn. 2; Stiller, Grenzen, S. 56f. 29 Felber, Rechtswidrigkeit, S. 100; Klesczewski, FS E. A. Wolff, S.225, 238; Köhler, Strafrecht AT, S. 262; Koriath, FS Müller-Dietz, S. 361,373; Pitsounis, Modernes Strafrecht, S. 227, 263 ff. 30 Koriath, FS Müller-Dietz, S.361, 373. 25

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1. Teil: Grundprinzipien der Notwehr

instrumentalisiert werden darf 31 . Der Angreifer würde durch eine Notwehr, die weder einen schuldhaften Angriff noch eine Beschränkung durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kennt und auch die Tötung erlaubt, zum bloßen Objekt staatlicher Zwecksetzung. Das aber verträgt sich nicht mit den Idealen des Grundgesetzes, welches als obersten Wert den der Menschenwürde postuliert. Im Ergebnis ist also festzuhalten, dass es die dualistische Notwehrbegründung nicht gibt. Vielmehr werden zahlreiche verschiedene Auffassungen zum Verhältnis des Individualschutz- und des Rechtsverteidigungsprinzips vertreten. Darüber hinaus ist man sich auch über die inhaltliche Ausgestaltung des überindividuellen Aspektes keineswegs einig. Aufgrund der Schwierigkeiten, die sich aus einem Begründungsmodell, welches gegensätzliche Grundstrukturen in sich zu vereinigen versucht, ergeben, fragt es sich, ob man nicht dogmatisch überzeugender aus einer monistischen Theorie die Wurzeln der Notwehr erklären kann. Dem soll im Fortgang der Arbeit nachgegangen werden.

§ 2 Überindividualistische Notwehrkonzeptionen Für ein Verständnis der Kernaussagen der überindividualistischen Ansätze32 scheint ein Blick auf die philosophischen Grundlagen 33, an welche die Vertreter gesellschaftsbezogener Begründungsmodelle - bewusst oder unbewusst - anknüpfen, lohnenswert. Ihren Ursprung finden die Ideen in den Gedanken Hegels 34. Der Philosoph, der sich zum Notwehrrecht selbst nicht direkt geäußert hat35, beeinflusste durch sein Verständnis von Freiheit, Staat und Recht die Notwehrdogmatik maßgeblich. Seine Thesen wurden für das Abwehrrecht fruchtbar gemacht und ausgedeutet. Hegel begriff den Staat als „ein an und für sich Vernünftiges" 36, der die Freiheit des Einzelnen nicht nur beschränke, sondern auch deren Vollendung und Erweiterung anstrebe37. Im Staat als Selbstzweck sei das Privatrecht enthalten38. Die 31 Koch, ZStW 104 (1992), 785, 793; Klesczewski, FS E. A. Wolff, S.225, 238; Pitsounis, Modernes Strafrecht, S.227, 263; Renzikowski, Notstand, S.93f. 32 Bertel, ZStW 84 (1972), 1,8 t, Bitzilekis, Notwehrrecht, S. 57 ff :,Haas, Notwehr, S. 216 f.; Schmidhäuser, FS Honig, S. 185,193ff.; ders., Strafrecht AT, S. 148f. Rn.51; ders., GA 1991, 97, 115 ff. 33 Generell zu den philosophischen Positionen in der Notwehrdogmatik: Pawlik, ZStW 114 (2002), 259 ff. 34 Felben Rechtswidrigkeit, S.92f.; Frister, GA 1988, 291, 296; Haas, Notwehr, S. 113ff.; Kühl, FS Triffterer, S. 149,160; Ludwig, Notwehr- und Notstandsrecht, S.50ff.; Lührmann, Tötungsrecht, S.29; Renzikowski, Notstand, S.85; Schroeder, FS Maurach, S. 127, 130; Suppert, Notwehr, S.373, insbes. Fn.95; Wagner, Notwehrbegründung, S.23. 35 Hegel setzte sich nur abstrakt mit dem Notrecht auseinander. Vgl. Hegel, Grundlinien, §127. 36 Hegel, Grundlinien, §258. 37 Bitzilekis, Notwehrrecht, S.6. 38 Bitzilekis, Notwehrrecht, S.6; Ludwig, Notwehr- und Notstandsrecht, S.50.

§ 2 Überindividualistische Notwehrkonzeptionen

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Ausübung des Rechtszwanges bleibe dem Staat und seinen Organen vorbehalten. Bei einer Transformation dieser Ansicht auf das Notwehrrecht ist die Folge ein Verständnis, nach welchem ein subjektives Recht des Einzelnen immer nur durch den Staat und also von diesem abhängig, verliehen werden kann39. Als für das Notwehrverständnis zweiter wesentlicher Gedanke tritt Hegels Theorie von der Nichtigkeit des Unrechts hinzu40. Nach ihm ist das Recht das Wirkliche und Vernünftige und das Unrecht das Unvernünftige, Unwirkliche und damit zugleich Nichtige 41 . Zur Manifestation der Nichtigkeit des Unrechts und damit zur Wiederherstellung des Rechts müsse gegen den besonderen Täterwillen, in welchem das „Unrecht" existiert, vorgegangen werden 42. Durch die Überwindung des Unrechts erhalte das Recht die Bestimmung des Geltenden43. Führt man beide Ausgangspunkte zusammen, lässt sich ein Notwehrrecht nur als ein überindividuelles vom Staat verliehenes Recht verstehen44, das der Manifestation der Nichtigkeit des Unrechts mittels Gegengewalt dient. Das sich auf Hegel stützende Verständnis der Ableitung des Notwehrrechts vom Staat beeinflusste große Teile der Strafrechtslehre. Die Sichtweise fand vielfache Zustimmung45 und wurde mit dem Satz: „Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen." verknüpft 46. Diese Wendung geht zurück auf Berner 41 und ist auch heute noch in vielen zeitgenössischen Werken als Begründung eines überindividuellen Notwehraspektes angeführt 48. Obwohl eine individualistische Interpretation möglich ist 49 , wurden und werden die Begriffe „Recht" und „Unrecht" in ihrem abstrakten Gehalt verstanden. Recht als übergeordnete Kategorie im Sinne der Rechtsord39

Bitzilekis, Notwehrrecht, S.37. Pawlik, ZStW 114 (2002), 259, 285 mit zahlreichen weiteren Nachweisen in Fn. 127. 41 Hegel, Grundlinien, Vorrede. 42 Hegel, Grundlinien, §99. 43 Hegel, Grundlinien, §97. 44 Bitzilekis, Notwehrrecht, S. 38; dagegen Pawlik, ZStW 114 (2002), 259, 283. 45 Nachweise dazu bei Bitzilekis, Notwehrrecht, S. 39 ff. 46 Bitzilekis, Notwehrrecht, S.39; Felber, Rechtswidrigkeit, S.93; Frister, GA 1988, 291, 296; Sternberg-Lieben, JA 1996, 129f.; Suppert, Notwehr, S. 372f.; Wagner, Notwehrbegründung, S. 23. 47 In: Lehrbuch, S. 107. 48 Siehe nur: BockeImanntVolk, Srafrecht AT, § 15 BI; Bockelmann, FS Dreher, S. 235, 243; Gallas, FS Bockelmann, S. 155, 177; Geilen, Jura 1981, 200; Hassemer, FS Bockelmann, S. 225, 239; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, §3211; Krause, GA 1979, 329, 331; ders., GS Hilde Kaufmann, S.673, 675; Kühl, FS Triffterer, S. 149f.; Lenckner, GA 1985, 295, 300; Lenckner/Perron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn. 1; Roxin, ZStW 75 (1963), 497,566; Rudolphi, GS Armin Kaufmann, S.371, 386; Schröder, JuS 1973,157f.; Spendel, LK-StGB, §32 Rn. 13; Sternberg-Lieben, JA 1996, 129f.; Stratenwerth, ZStW 68 (1956), 41, 60. 49 Constadinides, actio, S. 103, 106; Felber, Rechtswidrigkeit, S. 94; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, §3211; Koch, ZStW 104 (1992), 785, 792; Koriath, FS Müller-Dietz, S.361, 373; Lesch, Notwehrrecht, S.24f.; Neumann, Zurechnung, S. 165 f.; ders., Modernes Strafrecht, S. 215, 219 Fn. 15, 225; Pawlik, ZStW 114 (2002), 259, 293; Renzikowski, Notstand, S. 76, 80f.; Stiller, Grenzen, S. 37. 40

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1. Teil: Grundprinzipien der Notwehr

nung muss sich dem angreifenden Unrecht, verstanden als ein Verhalten, das gegen den Willen der Rechtsordnung verstößt, nicht beugen. Notwehr ist nach diesem Verständnis folglich nicht Selbst-, sondern Rechts Verteidigung50. Die zwei für die Notwehrlehre wesentlichen Folgerungen der beschriebenen philosophischen Zusammenhänge bestehen zum einen in der Ableitung eines Notwehrrechts vom Staat und zum anderen in der Erkenntnis, dass ein überindividuelles Interesse, nämlich das Recht, durch den Verteidiger geschützt wird. Diesen Hintergrund im Auge behaltend sollen im Folgenden die beiden wesentlichen Spielarten eines überindividualistischen Notwehrverständnisses dargestellt und überprüft werden.

A. Selbstbehauptung des Rechts Für nachhaltige Diskussionen in der Notwehrliteratur sorgen die Thesen Schmidhäusers. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die weit verbreitete Annahme51, die Notwehr beruhe auf dem Prinzip des überwiegenden Interesses52. Von dieser Prämisse ausgehend, sieht er den dringlicheren Gutsanspruch, dem gegenüber die Güter des Angreifers zurücktreten, in der Selbstbehauptung des Rechts53. Mit der Abwehrhandlung verhelfe der Verteidiger dem Recht wieder zu seiner Geltung im Verhältnis der Rechtsgenossen. Einer derartigen Demonstration des Rechts bedürfe es allerdings nach Schmidhäuser nur bei einem grob rechtsmissachtenden Angriff. Allein unter dieser Bedingung könne der erforderliche Wertvorrang vor den Gütern des Angreifers bejaht werden 54. Zur Begründung führt er an, dass es im Rahmen einer staatlich geordneten Gesellschaft unverständlich wäre, wenn man eine solcherart umrissene Bedrohung nicht abwenden dürfte 55. Vielmehr würde es einen unerträglichen Triumph des Rechtsbrechers über die Rechtsordnung bedeuten, wenn er trotz der Abwehrbereitschaft eines zur Abwehr fähigen Menschen ungehindert sein Ziel erreichen könnte56. 50

Berner, Lehrbuch, S. 109; s.a. Bitzilekis, Notwehrrecht, S.41. Bertel, ZStW 84 (1972), 1,4, 7f.; Born, Rechtfertigung, S. 21, 27ff.; Courakis, Notwehr, S. 103; Ebert, Strafrecht AT, S. 71; Freund, Strafrecht AT, § 3 Rn. 89; Fuchs, Notwehr, S. 53; Geilen, Jura 1981, 200; Gropp, Strafrecht AT, §6 Rn.65; Herzog, NK-StGB, §32 Rn. 99; Lenckner, Notstand, S. 137; ders., GA 1968,1 ff.; dersGA 1985, 295, 307; LencknerfPerron, Schönke/Schröder, § 32 Rn. 1; Mayer, Strafrecht AT (1967), §20 113; Otto, FS Würtenberger, S. 129, 139; ders., Strafrecht AT, § 8 Rn. 5; Rudolphi, GS Armin Kaufmann, S. 371, 378, 393, 396; Samson, SK-StGB (5. Aufl.), § 32 Rn. 10; Spendet, LK-StGB, § 32 Rn. 6; Wagner, Notwehrbegründung, S.31; Wolter, Zurechnung, S. 138. 52 In: FS Honig, S. 185, 193; Strafrecht AT, S. 148 Rn.51; GA 1991, 97, 98f., 101 f. 53 In: GA 1991,97, 121. 54 In: GA 1991,97, 122. 55 In: GA 1991, 97, 121; insoweit zustimmend Kühl, JuS 1993, 177, 182. 56 In: GA 1991, 97, 121; ähnlich auch in: Strafrecht AT, S. 148f. Rn.51. 51

§ 2 Überindividualistische Notwehrkonzeptionen

29

Schmidhäuser verkennt zwar nicht die Beteiligung von Individualrechtsgütern im Notwehrkonflikt, hält aber trotzdem an einer rein überindividualistischen Notwehrbegründung fest 57. Er begreift den durch die Notwehr ebenfalls erzielten Rechtsgüterschutz des Angegriffenen als bloßen Reflex der Selbstbehauptung des Rechts. Seine aktuelle Lösung entwickelt Schmidhäuser durch eine teilweise Distanzierung und eine Weiterführung der ursprünglichen These: Die Notwehr gründet auf der Verteidigung der empirischen Geltung der Rechtsordnung58. Gerichtet sind die Überlegungen darauf, Fallgruppen, die erst durch einen erheblichen zusätzlichen Erklärungsaufwand unter dem Stichpunkt der sozialethischen Einschränkungen der Notwehr aus deren Anwendungsbereich verwiesen werden können, schon zu einem früheren Zeitpunkt auszuscheiden: bei dem Vorhandensein einer Notwehrlage 59. So fehle es an einem rechtswidrigen Angriff mangels tauglichen Angreifers bei Personen, die in ihrer seelisch-geistigen Verfassung durch ihr Verhalten keine grobe Missachtung ausdrücken60. Gemeint sind Kinder, Geisteskranke, erheblich Betrunkene, in einem erheblichen Irrtum befindliche Personen und Jugendliche, soweit sie in ihren Aktivitäten eine spezifische Unreife zeigen. An der genannten Voraussetzung soll es auch bei dem unbewusst unerlaubt und bei dem im Nötigungsnotstand Handelnden fehlen 61. Des Weiteren kann - allerdings unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalles - in intakten persönlichen Beziehungen ein Geltungsangriff, etwa durch Körperverletzungen, deren begrenztes Ausmaß von vornherein abzusehen ist, zu verneinen sein62. In Situationen groben Unfugs, bei denen man nach den konkreten Umständen gar nicht mit einer Verteidigung rechnen muss, sei eine Selbstbehauptung des Rechts ebenfalls nicht angezeigt63. Die Vermeidung der „scheinbaren" Inkonsequenz - erst weite Auslegung der Notwehrlage, dann Eingrenzung der darauf aufbauenden Befugnis - ist als eindeutiger Vorzug der Sichtweise zu werten. Trotz dieses Vorteils standen die Überlegungen Schmidhäusers sowohl in ihrer „Urform" als auch in der Modifizierung im Kreuzfeuer der Kritik 64 . Und in der Tat sind zahlreiche Bedenken gegen eine derartige Rückführung der Notwehr anzumelden. 57

In: GA 1991,97,124. In: FS Honig, S. 185, 193ff.; Strafrecht AT, S. 148f. Rn.51. 59 Schmidhäuser, GA 1991, 97, 103. 60 Schmidhäuser, GA 1991,97,129; s.a.: ders., FS Honig, S. 185,194,196; ders., Strafrecht AT, S. 154 Rn.65. 61 Schmidhäuser, FS Honig, S. 185, 196f.; ders., Strafrecht AT, S. 154 Rn.65. 62 Schmidhäuser, Strafrecht AT, S. 155 Rn.66. 63 Schmidhäuser, FS Honig, S. 185, 197f.; ders., Strafrecht AT, S. 154 Rn.66. 64 Gegen die Berufung auf die „empirische Geltung der Rechtsordnung" als alleiniges Notwehrprinzip siehe insbes.: Bitzilekis, Notwehrrecht, S.52f.; Felber, Rechtswidrigkeit, S.97; Hirsch, FS Dreher, S.211,219ff.; Klesczewski, FS E. A. Wolff, S. 225,235; Renzikowski, Notstand, S. 83ff.; Roxin, ZStW 83 (1971) 369, 386ff.; Wagner, Notwehrbegründung, S. 14ff. 58

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1. Teil: Grundprinzipien der Notwehr

Vom Autor selbst befürchtet 65 ist der Vorwurf, eine derartige Interpretation verkehre die Notwehr in ein allgemeines Unrechtsverhinderungsrecht 66. Dieser Einwand ist unmittelbar einsichtig: Dient die Notwehr allumfassend der gesamten Rechtsordnung, berechtigt jede Art von Verstoß jedermann zur Abwehr, und zwar auch durch physische Gewalt. Universalrechtsgüter und die Rechtsordnung als Ganzes wären und müssten notwehrfähig sein67. Zudem würden Sachverhalte des „untauglichen Versuchs", bei denen es zu keiner Gefährdung eines einzelnen Rechtsguts kommt, als notwehrrelevant einzustufen sein68. Das Unbehagen wird noch dadurch weiter geschürt, dass sich als Konsequenz dieser Auffassung letztlich die Grenzen der Gegenwärtigkeit und der Erforderlichkeit nach der Intensität des Verstoßes gegen die Rechtsordnung richten müssten69. Die Kritik hinsichtlich der zeitlichen Beschränkung versucht Schmidhäuser mit dem Hinweis darauf zu entkräften, dass über die Gefahrlage für die Rechtsordnung hinaus ein dringlicherer Handlungsbedarf besonderer Qualität vonnöten ist 70 . Dieser sei nur anzunehmen bei einer „groben Rechtsmissachtung"71. Erst wenn sich der gegenwärtige rechtswidrige Angriff als grobe Rechtsmissachtung darstellt, habe man jenen Handlungsbedarf, der jedermann die Befugnis verleiht, in die Güter des Angreifers bis zur Beendigung des Angriffs einzugreifen 72. Damit verwendet er Begriffe, die Wertungen und moralisierenden Erwägungen Tür und Tor öffnen. Wann im Unterschied zu dem vom Menschen ausgelösten Defensivnotstand die Grenze des zur Notwehr berechtigenden dringlicheren Handlungsbedarfs erreicht ist, bleibt darüber hinaus unbeantwortet. Offengelassen durch den terminus ist zudem, ob sich die „Grobheit" der Rechtsmissachtung nach der Person des Angreifers/Angegriffenen oder der Beeinträchtigung der Rechtsordnung durch den Umfang des angerich65

Schmidhäuser, GA 1991, 97, 113, 117. BGH, VRS 40, 105, 107; Fechner, Notwehr, S. 163; Felber, Rechtswidrigkeit, S. 89; Fuchs, Notwehr, S. 44; Kioupis, Notwehr, S. 36; Kühl, Strafrecht AT, § 7 Rn. 11; Lenckner!Perron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn. 1 a, 8; Lesch, Notwehrrecht, S.28f.; Neumann, Modernes Strafrecht, S.215, 220; Roxin, ZStW 93 (1981), 68, 75; Stiller, Grenzen, S.37f. 67 Fuchs, Notwehr, S.44; Günther, SK-StGB, §32 Rn. 13; Kioupis, Notwehr, S.38; Ludwig, Notwehr- und Notstandsrecht, S.58; Neumann, Zurechnung, S. 162; ders., Modernes Strafrecht, S.215, 220; Roxin, ZStW 93 (1981), 68, 75f.; Stiller, Grenzen, S.37f. 68 Fuchs, Notwehr, S.44; Ludwig, Notwehr- und Notstandsrecht, S.58; Renzikowski, Notstand, S. 102; Roxin, ZStW 93 (1981), 68,75; Samson, SK-StGB (5. Aufl.), §32 Rn.5; Wagner, Notwehrbegründung, S. 17. 69 Courakis, Notwehr, S.31; Felber, Rechtswidrigkeit, S.89; Fuchs, Notwehr, S.43. 70 In: GA 1991,97, 113f., 117f. 71 In: GA 1991,97,118. Damit gebraucht er diesen terminus dreimal: einmal um den Wertvorrang des Rechts zu begründen, einmal um schuldlos Handelnde als Angreifer auszuscheiden und schließlich, um die Gegenwärtigkeit des Angriffs zu begrenzen. 72 Schmidhäuser, GA 1991, 97, 118f.; ähnlich auch Haas, Notwehr, S.240, der die Möglichkeit betont, entweder bei der Definition des Merkmals „rechtswidrig" eine „zurechenbare Missachtung" des Rechts zu fordern oder bei der Auslegung des „Angriffs" die „rechtsfeindliche Gesinnung" einzubringen. 66

§ 2 Überindividualistische Notwehrkonzeptionen

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teten Schadens orientieren soll 73 . Im ersteren Fall ließe sich eine Notwehr gegen untaugliche Versuche dogmatisch nicht mehr ausschließen. Denn bei einem schuldhaften Verhalten wird die Rechtsordnung genau in der Weise in Frage gestellt, wie das unter dem Aspekt des „dringlichen Handlungsbedarfes" angezeigt ist 74 . Stellt man aber auf den zweiten Gesichtspunkt ab, führt man indirekt doch wieder individuelle Umstände als ausschlaggebend für eine Beurteilung als „grob rechtsmissachtend" ein 75 . Möglicherweise lässt sich sogar nur durch eine Kombination beider Eckpunkte eine Rechtsmissachtung als „grobe" geißeln. Der Hinweis auf noch zu erarbeitende Fallgruppen, welche die Verwendung der Definition untermauern 76, verfängt nicht. Von der ratio der Notwehr ausgehend soll gerade geklärt werden, wie bestimmte Sachverhalte zu behandeln sind; es kann nicht umgekehrt von vorher gelösten Beispielen auf das vorgehende Prinzip geschlossen bzw. dieses wiederum ausgelegt werden. Abgesehen von dem Pathos vermag die Berufung auf ein fehlendes Verständnis der Gesellschaft, sofern man die Verteidigung gegen grob rechtsmissachtende Angriffe verwehrt, nicht zu tragen. Den Einzelnen berührt in erster Linie allein der ihm drohende Rechtsgüterverlust, und um diesem zu entgehen, handelt er. Folglich wäre von einem individualistischen Ansatz her ein Verbot der Gegenwehr ebenso wenig nachzuvollziehen. Eine Interpretation der Notwehr als Selbstbehauptung des Rechts, in welcher lediglich als Reflex auch die Interessen des Einzelnen berücksichtigt werden, sieht sich Bedenken aus zweierlei Richtung ausgesetzt: Zunächst spricht der Gesetzeswortlaut gegen eine derartige Vorrangstellung der Rechtsordnung. § 32 StGB fordert einen Angriff auf sich oder einen anderen und eben nicht die Gefährdung oder Verletzung der abstrakten Kategorie Recht durch eine grobe Rechtsmissachtung77. Weiterhin wird ein gegenwärtiges Vorgehen des Täters verlangt. Widerstand ist nur gegen eine aktuelle Bedrohung erlaubt. Ginge es ausschließlich um eine Rechtsbehauptung, wäre nicht verständlich, warum der Gesetzgeber nicht ebenso vorbeugendes Handeln im Vorfeld der eigentlichen Gefahr zulassen wollte 78 . Durch eine Verbrechensverabredung gem. § 30 StGB wird die Rechtsordnung gleichfalls tangiert. Demzufolge müsste auch in diesem Bereich Notwehr möglich sein. Betrachtet man den letzten zur Notwehr berechtigenden Zeitpunkt bliebe der Ausschluss von Aktivitäten nach Beendigung des Angriffs un73

Schmidhäuser, GA 1991, 97, 129 stellt auf die erste Variante ab. Samson, SK-StGB (5. Aufl.), §32 Rn.5; anders aber Schmidhäuser, GA 1991, 97, 130f. 75 Samson, SK-StGB (5. Aufl.), §32 Rn.5; Stiller, Grenzen, S.39. 76 In: GA 1991,97, 119, 125. 77 Fuchs, Notwehr, S. 43; Kargl, ZStW 110 (1998), 38, 56; Kioupis, Notwehr, S. 30, 48. 78 Kratzsch, StV 1987, 224, 227; Renzikowski, Notstand, S. 103; Wagner, Notwehrbegründung, S. 51. 74

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1. Teil: Grundprinzipien der Notwehr 79

klar . Gerade die Form des staatlichen Strafens zeigt, dass grundsätzlich zur Rechtswahrung eine nach dem eigentlichen Rechtsbruch erfolgende Einwirkung auf den Täter befürwortet wird 80 . Der Rettungsversuch Schmidhäusers, dringlichen Handlungsbedarf nur bei einem gegenwärtigen Vorgehen anzunehmen81, gelingt nicht. Insofern ist Schmidhäuser inkonsequent. Definiert er zunächst den dringlichen Handlungsbedarf zeitlos als grobe Rechtsmissachtung, beschränkt er ihn nunmehr auf den Zeitpunkt des aktuellen Angriffs. Damit führt er aber letztlich die drohende Rechtsgutsverletzung als ausschlaggebendes Kriterium ein. Aus der Sicht des Verteidigers muss sein Verhalten der Abwehr einer zugespitzten Gefahr von sich oder einem anderen dienen. Von einer ausschließlichen Hilfe zur Selbstbehauptung des Rechts ist nicht die Rede82. Zudem wird ein zur Zielerreichung erforderliches Verhalten vorgeschrieben. Dass die Voraussetzung am Schutzbedürfnis der Rechtsordnung auszurichten ist, kann man der Formulierung nicht entnehmen83. Insofern stellt sich in aller Deutlichkeit die Frage, ob der Wortlaut eines Gesetzes so weit von dem Fundament, sollte es denn tatsächlich die ratio sein, abweichen darf. Die allgemeinen Rechtsgedanken, die einem Gesetz vorgehen, müssen im Wortlaut auf irgendeine Weise verankert sein. Ansonsten besteht die Gefahr der Veränderung der Grundstruktur der Norm: Man legt ihr ein Verständnis zugrunde, das in ihr nicht widergespiegelt wird und interpretiert sie dann entsprechend dem angeblich vorgegebenen Prinzip um. Der zweite Kritikpunkt knüpft an die subjektiven Vorstellungen des Verteidigers an84. Entscheidendes Motiv jedes Angegriffenen ist es, sich und seine Güter bzw. jedes Dritten, die Werte des anderen zu verteidigen 85. Ein zumindest mitgedankliches Bewusstsein, für die Selbstbehauptung des Rechts zu streiten, wird in der Regel bei niemandem vorhanden sein86. Sobald eigene Interessen betroffen sind, liegt es in der „egoistischen" Natur des Menschen, allein diese zu verteidigen. Teilweise wird diesem Einwand jegliche Relevanz für die Bestimmung des zugrunde liegenden Prinzips mit dem Argument abgesprochen, es werde die ratio des § 32 StGB mit den subjektiven Zielen des Handelnden verwechselt 87. Denkbar ist es 79 Felber, Rechtswidrigkeit, S. 89; Fuchs, Notwehr, S.45; Kioupis, Notwehr, S. 39; Stiller, Grenzen, S. 37; Wagner, Notwehrbegründung, S. 18, 51. 80 Felber, Rechtswidrigkeit, S. 89. 81 In: GA 1991,97, 127. 82 Kioupis, Notwehr, S.30, 48; Wagner, Notwehrbegründung, S.24. 83 Felber, Rechtswidrigkeit, S. 89; Fuchs, Notwehr, S. 43; Wagner, Notwehrbegründung, S.55. 84 Günther, SK-StGB, § 32 Rn. 13; Hirsch, FS Dreher, S. 211, 220; Koriath, FS MüllerDietz, S. 361,373; Stiller, Grenzen, S.39f.; Wagner, Notwehrbegründung, S. 17, insbes. Fn.25. 85 Hirsch, FS Dreher, S.211, 219; Kühl, JuS 1993, 177, 182; Stiller, Grenzen, S.39f. 86 Anders aber Haas, Notwehr, S.219f., 221 Fn.56. 87 Bitzilekis, Notwehrrecht, S.59f.; Felber, Rechtswidrigkeit, S.88, Haas, Notwehr, S. 143; Schmidhäuser, GA 1991, 97, 132.

§ 2 Überindividualistische Notwehrkonzeptionen

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in der Tat, dass mit der Schaffung des § 32 StGB nur eine private, egoistische Motivation der Bürger im Falle einer Konfliktsituation ausgenutzt wurde, um über sie den Schutz der Rechtsordnung zu fördern 88. Allerdings stellt sich dann die Frage der Legitimation einer derartigen Instrumentalisierung des Einzelnen zu staatlichen Zwecken. Solange darauf eine Antwort aussteht, ist es weitaus plausibler anzunehmen, dass der Gesetzgeber lediglich, aber auch ausschließlich, privaten Bedürfnissen nachgekommen ist und dass diese somit sowohl Anlass als auch Grund der Regelung des § 32 StGB sind 89 . Die stärksten Vorhalte gegen die überindividualistische Rückführung der Notwehr ergeben sich jedoch unter dem Blickwinkel des staatlichen Gewaltmonopols. Es besagt im Verhältnis des Bürgers zum Staat, dass allein Letzterer die Wahrung des Rechts mit physischer Gewalt erzwingen darf und muss90. In der Beziehung der Personen untereinander führt das Gewaltmonopol zu einem Gewaltverbot, welches grundlegend in der Norm des § 240 Abs. 1 StGB festgeschrieben ist 91 . Durch die Monopolisierung der Gewalt hat der Staat dem Einzelnen die Befugnis zur Selbstjustiz genommen und ihn zur Verfolgung seines Rechts auf Fremdjustiz verwiesen92. Versteht man nun den Verteidiger als Bewahrer der Rechtsordnung, kann man dies nur als Ausnahme des staatlichen Gewaltmonopols erklären 93: Für den speziellen Fall, dass der Staat im Moment des Angriffs nicht eingreifen kann, wird dem Bürger die Aufgabe des Staates übertragen 94, und er bewahrt durch seine eigene Ab88

Courakis, Notwehr, S.40f. Fn. 89; Fuchs, Notwehr, S.43; Haas, Notwehr, S. 143; Stiller, Grenzen, S.40. 89 Fuchs, Notwehr, S.43; Kioupis, Notwehr, S.34. 90 Beste/Voß, Privatisierung, S.219, 226; Burr, JR 1996, 230; Fuchs, Notwehr, S. 16; Hammer, DÖV 2000, 613, 616; Herzog, Isensee/Kirchhof, Staatsrecht III, §58 Rn.41; Hirsch, FS Dreher, S.211,213 Fn. 12; Ludwig, Notwehr- und Notstandsrecht, S.59f.; Merten, Rechtsstaat, S.29, 31,43; Renzikowski, Notstand, S.95; Schulte, DVB1. 1995,130, 132; Wagner, Notwehrbegründung, S.26; Werner, Gewaltmonopol, S.7f. 91 Herzog, Isensee/Kirchhof, Staatsrecht III, §58 Rn.40; Ludwig, Notwehr- und Notstandsrecht, S. 60; Merten, Rechtsstaat, S. 56; Schmitt Glaeser, Meinungskampf, S. 196; Schulte, DVB1. 1995, 130, 132. 92 Burr, JR 1996, 230; Merten, Rechtsstaat, S. 56; Werner, Gewaltmonopol, S. 8. 93 Aus dem strafrechtlichen Schrifttum: Courakis, Notwehr, S. 28; Ebert, Strafrecht AT, S.71; Fuchs, Notwehr, S. 16, 45; Haas, Notwehr, S.271; Kargl, ZStW 110 (1998), 38, 45f.; Klose, ZStW 89 (1977), 61,66; Koch, ZStW 104 (1992), 785,793; Ludwig, Notwehr- und Notstandsrecht, S.62f.; Renzikowski, Notstand, S.95; Schroeder, FS Maurach, S. 127, 138; Spendet, LK-StGB, §32 Rn.4; Stiller, Grenzen, S.47; aus dem staatsrechtlichen Schrifttum: Burr, JR 1996, 230; Hammer, DÖV 2000, 613, 615; Herzog, Isensee/Kirchhof, Staatsrecht III, §58 Rn. 42; Hummler, Gewaltmonopol, S. 6; Isensee, Isensee/Kirchhof, Staatsrecht I, § 13 Rn. 85; Merten, Rechtsstaat, S.57; ders., FS Doehring, S.579, 585; v.Münch, Staatsrecht 1, Rn.456; Schmitt Glaeser, Meinungskampf, S. 196; Schulte, DVB1. 1995, 130, 133; Werner, Gewaltmonopol, S.14f. 94 Bitzilekis, Notwehrrecht, S.76; Bockelmann, FS Dreher, S.237, 244; Gallas, FS Bockelmann, S. 155, 177; Kargl, ZStW 110 (1998), 38; 46; Koch, ZStW 104 (1992), 785, 793; Kühl, JuS 1993, 177, 180; Ludwig, Notwehr- und Notstandsrecht, S.62; Renzikowski, Notstand, S.95; Stiller, Grenzen, S.34, 47f.; Wagner, Notwehrbegründung, S.27. 3 Kroß

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1. Teil: Grundprinzipien der Notwehr

wehrhandlung die Rechtsordnung95. Unabhängig von der Frage, ob eine solche Delegation überhaupt möglich und zulässig ist 96 , ist ungeklärt, warum dann neben der Funktion nicht auch die staatlichen Bindungen auf den Delegaten weitergegeben werden 97. Der Staat muss sich bei seinem Wirken zur Wahrung des Rechts an die Grundsätze des aus dem Rechtsstaatsgedanken abgeleiteten Verhältnismäßigkeitsprinzips halten. Die Befolgung derartiger Maßstäbe sieht § 32 StGB im Unterschied zum rechtfertigenden Notstand gem. § 34 StGB aber gerade nicht vor. Zudem gilt für den Bereich der staatlichen Gefahrenabwehr eine Beschränkung hinsichtlich der Zulässigkeit bestimmter Abwehrmittel (zum Beispiel der Schusswaffe). Eine solche kennt demgegenüber das Notwehrrecht nicht. Teilweise wird gegen diese These von der Durchbrechung des staatlichen Gewaltmonopols angeführt, dass die Notwehr einen anderen Bereich abdecke, auf den sich das selbige nicht erstrecke 98. Insofern könne von einer Ausnahme gar nicht die Rede sein. Das Institut des staatlichen Gewaltmonopols soll nur den Bereich der Rechtsverfolgung umfassen. Es gehe nach der vollendeten Friedensstörung um die Sicherung der Verwirklichung der vom Gesetz vorgesehenen Folgen. Die Durchsetzung der staatlichen Sanktion sei nach einem Rechtsbruch dem Staat vorbehalten. Nur insoweit greife der Gedanke des staatlichen Gewaltmonopols ein. Eine andere Wirkung sei demgegenüber der Notwehr immanent. Hier wird angenommen, dass es sich, da die Friedensstörung noch im Gange ist, nicht um eine Rechts Verfolgung, sondern um eine Rechtsverteidigung (Verhinderung des Rechtsbruchs) und damit um eine Ebene außerhalb des staatlichen Gewaltmonopols handele. Diese Differenzierung läuft auf das - untragbare - Ergebnis hinaus, dass der Staat sich vor einem Schadenseintritt aus dem Konflikt zwischen den Bürgern heraushalten und einer privaten Lösung, oftmals unter Anwendung von Gewalt, tatenlos zusehen müsste. Erst nach der Beendigung der Auseinandersetzung dürfte er einschreiten. Ab dem Zeitpunkt kann allerdings für den Betroffenen schon alles zu spät sein. 95

Anders stellt sich die Problematik für die dualistische und noch mehr für die rein individualistische Lehre dar. Sie gehen von einem Urrecht des Menschen auf Selbstverteidigung aus, dass lediglich bedingt auf den Staat übertragen wird. Kommt dieser der Bedingung nicht nach, schafft er also keine Abhilfe im Falle eines Angriffs, erwächst das ursprüngliche Recht erneut. Esfindet also keine Rückübertragung vom Staat statt, sondern es wird lediglich „ruhendes" Recht in seiner ursprünglichen Form wieder wirksam. 96 Zweifelnd insoweit: Freund, Strafrecht AT, § 3 Rn. 88; Kargl, ZStW 110 (1998), 38, 46; Renzikowski, Notstand, S.95; Wagner, Notwehrbegründung, S.27; bejahend: Merten, Rechtsstaat, S.56f., der die Weiterleitung im Wege einer staatlichen Gewaltgestattung für zulässig hält; Schulte, DVB1. 1995, 130, 133. 97 Fechner, Notwehr, S. 161; Freund, Strafrecht AT, § 3 Rn. 88; Günther, SK-StGB, § 32 Rn. 13; Kargl, ZStW 110 (1998), 38,46; Kioupis, Notwehr, S. 31; Ludwig, Notwehr- und Notstandsrecht, S. 63 ff.; Mitsch, Provokation, S. 116; Pitsounis, Modernes Strafrecht, S.227, 261 f.; Schroeder, FS Maurach, S. 127,138; Schwabe, NJW 1974,670f.; Stiller, Grenzen, S.47; Wagner, Notwehrbegründung, S.23, 27. 98 Kargl, ZStW 110 (1998), 38, 47; Schmidhäuser, GA 1991, 97, 122ff.

§ 2 Überindividualistische Notwehrkonzeptionen

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Der Staat verlöre einen großen Teil seiner Macht, würde das Gewaltmonopol tatsächlich nur für den Bereich der Vollstreckung gesetzlich vorgesehener Rechtsfolgen gelten, die Verhinderung des Rechtsbruchs selbst aber Aufgabe des Einzelnen bleiben. Dass der Staat berechtigt und darüber hinaus vor allem auch verpflichtet ist, einen drohenden Güterverlust - unter Umständen durch den Einsatz von unmittelbarem körperlichen Zwang - zu verhindern, zeigt das Regelungsgebiet des Polizei- und Ordnungsrechts 99. Dieses gilt der Verhinderung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, ist also bei jedem bevorstehenden Verstoß gegen geschriebenes oder ungeschriebenes Recht betroffen. Der Staat hat für Rechtsfrieden und -Sicherheit zu sorgen 100. Diese Aufgabe kann er aber nur wirksam wahrnehmen, wenn er sowohl im Vorfeld des eigentlichen Rechtsbruchs - bei dem ersten Auftreten einer Gefahr für die Rechtsgüter - als auch nach der Realisierung des Schadens zur Rechtsverfolgung tätig wird. Für die gesamte Spanne muss demzufolge das staatliche Gewaltmonopol gelten101. Auch aus historischer Sicht lässt sich die vorgeschlagene Trennung der aufgezeigten Bereiche nicht aufrechterhalten. Mit der Entstehung moderner Staaten ging die immer weiter gehende Gewaltkonzentration bei einer dem Einzelnen übergeordneten Institution einher 102. Das theoretische Fundament schuf vor allem Jean Bodin, dessen Lehre von der Souveränität des Staates als elementaren Bestandteil die Konzentration der Gewalt beim Souverän enthält103. Diese Bündelung der Kräfte beruhte auf der Unsicherheit und der Undurchsichtigkeit der bis dahin vorherrschenden archaischen Selbsthilfe 104, die zu zahllosen, ständig wiederkehrenden gewalttätigen Auseinandersetzungen führte. Zu deren Eindämmung entzogen die frühmodernen Staaten mit zunehmender Machtfülle dem Einzelnen das Recht zur Gewaltanwendung und setzten diesen Wandel mit Konsequenz und Härte durch 105 . Die gewaltsame Selbsthilfe verlor ihre Berechtigung. Damit war dem Einzelnen sowohl das Recht auf ein „Verfahren auf handhaf99

Bockelmann, FS Dreher, S. 235, 242 Fn. 17; Pawlik, ZStW 114 (2002), 259, 270 Fn. 58. Merten, Rechtsstaat, S.33f.; Wagner, Notwehrbegründung, S.27; Zippelius, Staatslehre, §911,§1711. 101 Davon geht auch Hammer, DÖV 2000, 613, 619f. aus, wenn er sowohl die Notwehr als auch das Recht zur vorläufigen Festnahme als Durchbrechung des staatlichen Gewaltmonopols problematisiert; ebenso: Burr, JR 1996,230; Merten, FS Doehring, S.579,585; Schulte, DVB1. 1995, 130f., 133; Stiller, Grenzen, S.47 Fn.216. 102 Courakis, Notwehr, S.28 Fn.52, S.53; Hammer, DÖV 2000,613,615; Köhler, Strafrecht AT, S.263; Schmitt Glaeser, Meinungskampf, S. 159; Stiller, Grenzen, S. 12; Werner, Gewaltmonopol, S. 15. 103 Schulte, DVB1. 1995, 130f. 104 Hammer, DÖV 2000, 613, 616. 105 Hammer, DÖV 2000, 613, 616. 100

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1. Teil: Grundprinzipien der Notwehr 106

ter Tat" als auch das der Blutrache und der Fehde genommen. Die Selbstverteidigung wich einer primären Verteidigung durch den Staat. Die Deutung der Selbstverteidigung als ein Gebiet, auf welches sich das staatliche Gewaltmonopol nicht erstreckt, steht im Widerspruch zu der skizzierten gesellschaftlichen Entwicklung. Ist nach Schmidhäuser bei Rechtsgutsbeeinträchtigungen von Kindern, Geisteskranken, erheblich Betrunkenen ein rechtswidriger Angriff ausgeschlossen, so verbirgt sich dahinter die Forderung nach einem schuldhaften Vorgehen des Täters. Da eine Selbstbehauptung des Rechts auch bei unbewusst unerlaubt Handelnden nicht erforderlich sein soll, wird zudem nur ein bewusst schuldhaftes Verhalten als notwehrauslösend erachtet. Bedenken gegen eine derartige Konsequenz ergeben sich aus der Formulierung des § 32 StGB, der eindeutig nur von einem rechtswidrigen Angriff spricht 107. Eine Umetikettierung in einen rechtswidrig, schuldhaften Angriff erscheint nicht nur wegen der für die Auslegung bindenden Wortlautgrenze, sondern gleichermaßen im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG aufgrund der eintretenden Erweiterung der Strafbarkeit des Notwehrtäters bedenklich108. Damit vermag der Schmidhäuser sehe Lösungsansatz auch in den Folgerungen nicht zu überzeugen. Nach alledem vermag die Theorie von der Notwehr als Selbstbehauptung des Rechts keine taugliche Erklärung zur ratio zu liefern. Die zur inhaltlichen Ausfüllung vorgeschlagene Formulierung der groben Rechtsmissachtung hat sich als Leerformel erwiesen. Feste Konturen ließen sich mit ihr nicht in das Notwehrrecht hereintragen. Zudem blieben dogmatische Fragen ungeklärt.

B. Normative Geltung der Rechtsordnung Anders als Schmidhäuser versucht Bitzilekis in einem ebenfalls überindividualistischen Lösungsansatz, den Rechtsgrund der Notwehr mit der Verteidigung der normativen Geltung der Rechtsordnung zu erklären 109. Der terminus umschreibt nach ihm diejenige soziale Wertordnung, welche durch ihre Normen unmittelbar eine verhaltensausrichtende Wirkung auf die Bürger erreichen will, um einen rechtlich geordneten Zustand von Rechtsgütern zu erhalten 110. Durch einen notwehrauslösen106 Danach hatte jedermann das Recht, den auf frischer Tat oder unmittelbar danach bei der Flucht betroffenen Täter bußlos zu erschlagen. Vgl.: Haas, Notwehr, S.29; Lührmann, Tötungsrecht, S.7, 10; Stiller, Grenzen, S. 10. 107 Bitzilekis, Notwehrrecht, S.53; Courakis, Notwehr, S. 108; Hirsch, FS Dreher, S. 211, 216, 222; Kioupis, Notwehr, S.69; Ludwig, Notwehr- und Notstandsrecht, S. 110; Müther, Möglichkeitsvorstellungen, S.77; Roxin, ZStW 83 (1971), 369, 387; ders., ZStW 93 (1981), 68, 82f.; Wagner, Notwehrbegründung, S.52. 108 Bitzilekis, Notwehrrecht, S. 111; Hirsch, FS Dreher, S.211,216; Kioupis, Notwehr, S.69; Ludwig, Notwehr- und Notstandsrecht, S. 110f. 109 In: Notwehrrecht, S.53, 55. 1,0 Bitzilekis, Notwehrrecht, S.55.

§ 2 Überindividualistische Notwehrkonzeptionen

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den Angriff auf ein geschütztes Interesse fordere ein Rechtssubjekt die Rechtsordnung heraus 111. Um sich selbst zu erhalten, sei die Verhinderung drohender Angriffe das zu erstrebende Ziel. Deshalb verleihe sie jedem die Befugnis, sich präventiv gegen bevorstehendes Unrecht zu wehren 112. Die Notwehr wird damit funktionalisiert zu einem Mittel der Erhaltung und Bewährung der Rechtsordnung113. Auch dieser Theorie ist die Gefahr der Verankerung eines allgemeinen Unrechtsverhinderungsrechts immanent. Kollektive Rechtsgüter müssten notwehrfähige und von jedermann erlaubterweise zu verteidigende Werte sein, was von Bitzilekis erkannt und ausdrücklich befürwortet wird 114 . Allerdings statuiert er für solche Güter eine Sonderregelung, die dem Staat als Träger der Staatshoheit zustehen115. Hier sei nur er selbst berechtigt, seinen Bestand und seine Macht zu sichern. Ein wichtiges Machtinstrument ist jedoch gerade die Rechtsordnung. Überträgt man deren Verteidigung dem Einzelnen, muss man in Widerspruch zu oben angeführter Rückausnahme auch diese als notwehrfähig ansehen. Darüber hinaus behalten die Einwände, welche sich aus dem Wortlaut des Gesetzes und den subjektiven Anforderungen der Verteidigung gegen ein überindividualistisches Notwehrverständnis ergeben 116, ihre Berechtigung. Bitzilekis kennzeichnet die Notwehr unmissverständlich als bedingte Übertragung der Befugnis zur Abwehr eines rechtswidrigen Angriffs in die Hand des Einzelnen117. Er geht also - anders als Schmidhäuser - von einer Durchbrechung des staatlichen Gewaltmonopols aus 118 . Der Bürger übernimmt die Unrechtsbekämpfung und damit die Aufrechterhaltung des Rechts. Die Voraussetzung dieser Auffassung, nämlich die Möglichkeit einer Übertragung staatlicher Aufgaben auf eine Privatperson, bleibt von ihm allerdings ungeprüft. Ebenso fehlt eine Begründung für die nicht erfolgte Delegation staatlicher Bindungen auf den privaten Verteidiger der Rechtsordnung. Von anderer Seite119 ist jedoch versucht worden, diese Erscheinung zu erklären: Aufgrund der überlegenen staatlichen Machtmittel können die gesellschaftlichen Interessen ohne die Zulassung einer unproportionalen Verteidigung gewahrt werden. Staatliche Gewalt kann sich Beschränkungen auferlegen, weil sie sich des Erfolges sicher ist 120 . So richtig diese Feststellung ist, so wenig beantwortet sie die 111

Bitzilekis, Notwehrrecht, S. 55. Bitzilekis, Notwehrrecht, S.58. 113 Bitzilekis, Notwehrrecht, S.59, 62. 1,4 In: Notwehrrecht, S.68. 115 Bitzilekis, Notwehrrecht, S.69. 116 Siehe die Ausführungen im Text 1. Teil, § 2 A. 117 In: Notwehrrecht, S.59. 118 Bitzilekis, Notwehrrecht, S.76. 119 Jakobs, Strafrecht AT, 12. Abschn. Rn.41; Klinkhardt, VerwArch 55, 343; ders. JZ 1969, 700f.; Roxin, ZStW 93 (1981), 68, 71 Fn.8; Seelmann, ZStW 89 (1977), 36, 55. 120 Seelmann, ZStW 89 (1977), 36, 55. 112

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1. Teil: Grundprinzipien der Notwehr

Frage nach dem „warum" der fehlenden Übertragung. Es bleibt bei einem Verharren auf deskriptiver Ebene. Wenn man von einer Verschiebung staatlicher Befugnisse ausgeht, sind auch die Beschränkungen mit erfasst. Ansonsten ist es nicht das Recht der Institution, welches übergeht, sondern es handelt sich um ein originäres, mit eigener Reichweite versehenes Institut anderen Ursprungs. Man kann ein Recht nicht isolieren von seinen inhaltlichen Schranken, welche es gerade kennzeichnen und von anderen abgrenzen. Im Übrigen läuft die oben genannte Argumentation auf eine Reduzierung des Verhältnismäßigkeitsprinzips auf den Grundsatz der Erforderlichkeit hinaus121. Stellt man bei der Ausübung staatlicher Gewalt auf den sicheren Handlungserfolg ab, ist damit nichts anderes gemeint, als das zur verlässlichen Gefahrenabwehr mildeste Mittel zu nutzen. Diese Schranke aber weist die Notwehr mit der Voraussetzung der erforderlichen Verteidigung genauso auf. Was bei der Notwehr fehlt, ist die in den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im weiteren Sinne integrierte Interessenabwägung. Die Notwendigkeit einer solchen bei der staatlichen Gefahrenabwehr kann nicht mit dem Hinweis auf den sicheren Erfolgseintritt erklärt werden 122. Von einem anderen Ansatz ausgehend, versucht Haas 123, positiv die Bindung staatlicher Organe an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Abwehr von Gefahren für Individualrechtsgüter zu erklären. Fehlte dieses zwingende Gebot für staatliches Verhalten, bestünde die Gefahr des Ausuferns eines einmal gegebenen weiten Eingriffsrechts. Durch die Normierung des den Einzelnen schützenden Verfassungsprinzips werde eine Barriere vor den latent ständig vorhandenen strukturell bedingten Expansionstendenzen des politischen Systems errichtet 124. Bei einer Auseinandersetzung der Bürger untereinander bestehe kein Bedarf für derartige Vorrichtungen, hier sei deshalb grundsätzlich der Proportionalitätsgrundsatz fehl am Platz. Zwar sind die Ausgangsüberlegungen Haas' sicher richtig. Allerdings kann er so nicht verständlich machen, warum bei den Notstandsrechten, welche ebenfalls der Konfliktlösung zwischen Privaten dienen, eine Abwägung zwingend vorgeschrieben ist. Letztlich gerät das überindividualistische Lösungsmodell in Widerspruch zum Strafmonopol des Staates125. Zu Recht wird angenommen, dass die Verletzung des Angreifers zur Verteidigung der Rechtsordnung alle Merkmale einer Kriminalstrafe erfüllen würde. Sie wäre eine Reaktion auf die (bevorstehende) Verletzung einer 121 Frister, GA 1988, 291, 298; Haas, Notwehr, S.275f. Fn.56; ablehnend auch Ludwig, Notwehr- und Notstandsrecht, S.69ff. 122 Ablehnend auch: Kioupis, Notwehr, S. 32; Ludwig, Notwehr- und Notstandsrecht, S. 68 ff. 123 In: Notwehr, S. 274ff. 124 Haas, Notwehr, S. 274; ähnlich Klinkhardt, JZ 1969, 700f. 125 Constadinidis, actio, S.99; Fuchs, Notwehr, S.47; Kargl, ZStW 110 (1998), 38, 53; Kioupis, Notwehr, S.33f.; Neumann, Zurechnung, S. 164; auch Hassemer, FS Bockelmann, S. 225, 240, der aber trotzdem an einer dualistischen Konzeption festhält.

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ndividualistische Notwehrkonzeptionen

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Norm und würde - von Bitzilekis ausdrücklich betont 126 - „wie die Strafe in den Dienst des Rechtsgüterschutzes gestellt". Zudem diene sie durch die Übelzufügung der Abschreckung potentieller Täter 127 . Kommt noch hinzu, dass bei einer Ableitung des Notwehrrechts von staatlichen Befugnissen nicht nur der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, sondern auch das Schuldprinzip Geltung beanspruchen würde und müsste 128 , wäre der pönale Charakter der Notwehr kaum noch zu leugnen. Aus dieser „Falle" denkt Bitzilekis zu entkommen, indem er bei den Reaktionen auf eine Rechtsverletzung - ähnlich wie Schmidhäuser bei der Problematik des Gewaltmonopols - nach verschiedenen Etappen differenziert 129. Wahrend Strafe Antwort auf die schon begangene Rechtsverletzung sei und diese sanktioniere, richte sich die Notwehr auf die Verhinderung des Eintritts eines Rechtsgüterschadens. Aus den unterschiedlichen Zwecken ergäbe sich eine Artverschiedenheit, die einen Widerspruch zu dem Strafmonopol des Staates ausschließe. Notwehr sei ein aliud im Verhältnis zur Strafe. Jedoch übersieht Bitzilekis bei seiner Einteilung, dass das geltende Recht oftmals bereits den Versuch einer Straftat ahndet. In diesem Bereich jedenfalls bestünde nach einem überindividualistischen Ansatz eine Deckungsgleichheit zwischen der Notwehr zur Verteidigung der Rechtsordnung bei einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff und der Strafe für einen unmittelbar bevorstehenden Rechtsbruch. Nachgewiesen wurde somit, dass auch ein Verständnis der Notwehr als ein Instrument zur Verteidigung der normativen Geltung der Rechtsordnung, die Erscheinungen der heutigen Form dieses Abwehrrechts nicht dogmatisch widerspruchsfrei zu belegen vermag. Damit stellt sich die Frage, ob ein individualistischer Ansatzpunkt die Aufgabe besser bewältigen kann.

§ 3 Individualistische Notwehrkonzeptionen Die Versuche einer individualistischen Notwehrbegründung 130 können sich ebenso wie die zuvor diskutierten Konzeptionen auf philosophische Wurzeln berufen. Die 126

In: Notwehrrecht, S.59. Bitzilekis , Notwehrrecht, S.65. 128 Fuchs , Notwehr, S.45ff.; Kioupis , Notwehr, S.33; Renzikowski , Notstand, S. lOOf.; Bitzilekis, Notwehrrecht, S. 53,111 ff. erachtet allerdings trotz angenommener Ableitung der Notwehr einen schuldhaften Angriff nicht für erforderlich. 129 In: Notwehrrecht, S. 63; ihm folgend Stiller, Grenzen, S. 57f. 130 Constadinidis , actio, S. 98 ff.; Freund, Strafrecht AT, § 3 Rn. 89 ff.; Frister, GA 1988,291, 299ff.; Fuchs, Notwehr, S.49ff.; Günther, SK-StGB, §32 Rn. 12; Hohmann/Matt, JR 1989, 160, 162; Hoyer, JuS 1988, 89, 94ff.; Hruschka, Strafrecht AT, S. 137,141; Kioupis, Notwehr, S.65 f.; Klose , ZStW 89 (1977), 61, 86; Koch , ZStW 104 (1992), 785,790ff.; Lesch, Notwehrrecht, S. 31 ff.; Loos, FS Deutsch, S. 233,240; Ludwig, Notwehr- und Notstandsrecht, S. 89; Lüdersen, Zustand, S. 159, 166; Mitsch, GA 1986, 533, 545; ders., Provokation, S. 116; ders., JA 1989,79,84; Montenbruck, Thesen, S. 34ff.; Murmann/Rath, NStZ 1994,215 f.; Neumann, Zurechnung, S. 162ff.; ders., Modernes Strafrecht, S.215,225; Pawlik , ZStW 114 (2002), 259, 127

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entscheidende Rolle kommt dabei dem auf Aristoteles und die Stoa zurückgehenden Naturrecht zu 131 . Im Mittelpunkt dieser Lehre steht der Mensch. Dessen vernunftsmäßige Erkenntnis von der richtigen „natürlichen" Ordnung der Menschen und Dinge ist die Quelle des Naturrechts 132. Anknüpfungspunkt für das Notwehrrecht ist danach allein der jedem Individuum gegebene Selbsterhaltungstrieb 133. Bereits Cicero hat betont, dass es ein ungeschriebenes im Menschen eingepflanztes Gesetz gebe, nämlich das Gesetz, das Leben gegen jeden offenen oder geheimen Angriff von Feinden und Räubern durch jedes geeignete Mittel schützen zu dürfen 134. Damit gilt die Verteidigung in einer Notwehrsituation allein dem Schutz eigener Rechtsgüter. Ausgehend von diesem Verständnis wurde die Problematik des Verhältnisses Notwehr - staatliches Gewaltmonopol einer Lösung zugeführt: Die Legitimation des Staates liege - aufbauend auf den Vertragsgedanken Grotius' - in der durch ihn allen Menschen zu eröffnenden Möglichkeit, ihre angeborenen natürlichen Bedürfnisse und Triebe befriedigen zu können135. Damit einher geht die Pflicht des Staates zum Schutz dieser verliehenen Freiheit des Bürgers vor Eingriffen durch andere 136. Komme der Staat seiner Aufgabe nicht nach, lebe das ursprünglich - lediglich bedingt auf ihn übertragene - Selbstverteidigungsrecht des Einzelnen in vollem Umfang wieder auf 137 . Das Notwehrrecht ist nach dieser Sicht nur als ein vor dem Staat bestehendes Recht zu begreifen 138. Es folgt aus der Natur des Menschen139. Ein Widerspruch zum staatlichen Gewaltmonopol ergibt sich nicht. Es steht außerhalb des durch das Monopol abgedeckten Bereiches. Die Frage der Geltung staatlicher Bindungen für den privaten Einzelnen bei seiner Abwehrhandlung stellt sich hier somit nicht. Vor diesem Hintergrund sollen im Folgenden die Argumente einer individualistischen Deutung des § 32 StGB beleuchtet werden. Es wird sich zeigen, dass die Aus265ff.; Renzikowski, Notstand, S. 275 ff.; Runte, Rechtfertigungsgründe, S.354; Wagner, Notwehrbegründung, S. 29ff.; aus der älteren Literatur: Baumgarten, Notstand, S. 102; Frank, StrGB, §53 Anm.I2, S. 161; Oetker, VDA II, S.255f. 131 Bitzilekis, Notwehrrecht, S. 24; Courakis, Notwehr, S. 40 Fn. 89; Kühl, FS Triffterer, S. 149, 158f.; Lührmann, Tötungsrecht, S.27; Stiller, Grenzen, S.20. 132 Rüthers, Rechtstheorie, § 11 Rn.418. 133 Bitzilekis, Notwehrrecht, S.24; Courakis, Notwehr, S.40 Fn.89; Klesczewski, FS E. A. Wolff, S.225, 231; Stiller, Grenzen, S.7, 30. 134 Courakis, Notwehr, S.40 Fn. 89; Krey, JZ 1979, 702f.; Lührmann, Tötungsrecht, S.7. 135 Bitzilekis, Notwehrrecht, S.25ff.; Kühl, JuS 1993, 177, 179. 136 Lührmann, Tötungsrecht, S.28. 137 Bitzilekis, Notwehrrecht, S. 30; Hoyer, JuS 1988,89,92; Kargl, ZStW 110 (1998), 38,49; Klesczewski, FS E. A. Wolff, S.225, 231; Kühl, JuS 1993,177, 179; Lührmann, Tötungsrecht, S.28. 138 Stiller, Grenzen, S. 30. 139 JeschecklWeigend, Strafrecht AT, § 3211; Klose, ZStW 89 (1977), 61, 86; Krey, JZ 1979, 702, 713; Kühl, JuS 1993, 177, 179; ders., Strafrecht AT, §7 Rn.8; Pelz, NStZ 1995, 305, 307; Stiller, Grenzen, S. 30.

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flihrungen regelmäßig in verschieden starkem Ausmaß auf die philosophischen Grundpositionen entweder direkt zurückgreifen oder doch wenigstens als Ausgangspunkt daran anknüpfen. Bevor sich die Aufmerksamkeit jedoch den einzelnen Auffassungen zuwendet, ist es erforderlich, die Eckpunkte zu benennen, denen ein individualistisches Notwehrfundament gerecht werden muss. Die Besonderheit dieses Rechtfertigungsgrundes offenbart sich, wenn man ihn mit der Regelung des rechtfertigenden Notstandes gem. § 34 StGB vergleicht. Anders als jener setzt die Notwehr keine Abwägung zwischen geschütztem und verletztem Interesse voraus, obgleich beide dem Rechtsgüterschutz verschrieben sein sollen. Die individualistische Konzeption sieht sich also vor der Herausforderung, die fehlende Verankerung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes plausibel zu erklären. Dabei muss verständlich werden, warum bei der Konfliktlösung nach § 32 StGB der Verteidiger bevorzugt bzw. der Angreifer benachteiligt wird. Besondere Brisanz entwickelt sich dann, wenn die Interessen des Notwehrenden weniger wiegen als die seines Widersachers. Es bieten sich zwei Möglichkeiten an: Man kann entweder auf der Seite des Angegriffenen auf Umstände abstellen, die seine besondere Schutzwürdigkeit ausmachen. Zu beachten ist allerdings immer, dass die Anknüpfungspunkte einen solchen Stellenwert besitzen müssen, der einen grundsätzlich uneingeschränkten Schutz nachvollziehbar erscheinen lässt. Oder man nähert sich der Problematik aus dem Blickwinkel des Angreifers heraus, versucht also eine Begründung für dessen - von Proportionalitätsschranken losgelöste - Zurücksetzung seiner Interessen zufinden. In der Literatur werden beide Richtungen - mit weiteren Differenzierungen im Einzelnen - beschritten. Zu welchen Ergebnissen man gekommen ist, wird sogleich ausgeführt. Zuvor ist noch auf zwei weitere Punkte hinzuweisen, an denen die Lösungen zu messen sind. § 32 StGB kennt zum einen keine Ausweichpflicht. Dies erscheint - zumindest auf den ersten Blick - von einer reinen Rechtsgüterschutz-These ausgehend widersprüchlich, lehrt doch die Erfahrung, dass sich vielfach Rechtsgüter am besten durch die Vermeidung der Auseinandersetzung erhalten lassen140. Diese besondere Härte der Notwehr bedarf einer Erklärung. Als letzter Punkt stellt sich die Frage, ob die Nothilfe wesensentsprechend mit einer individualistischen Notwehrkonzeption in Einklang gebracht werden kann.

A. Das Vertragsmodell Hoyers Aus der Sicht des Angreifers heraus unternimmt Hoyer 141 eine individualistische Deutung der Notwehr. Im Mittelpunkt seiner Betrachtung steht die in dem Angriff liegende Verletzung fremder Interessen. Er befürwortet ein Vertragsmodell aufbau140 Bitzilekis , Notwehrrecht, S.79; Kargl , ZStW 110 (1998), 38, 41, 55; Klesczewski , FS E. A. Wolff, S. 225,232; Koch, ZStW 104 (1992), 785,788; Kühl, JuS 1993,177,181; ¿fers., FS Triffterer, S. 149f.; Pawlik , ZStW 114 (2002), 259, 262, 272; Roxin, ZStW 93 (1981), 68, 71; Stiller, Grenzen, S. 63. 141 In: JuS 1988, 89ff.

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1. Teil: Grundprinzipien der Notwehr

end auf der im Zeitalter der Aufklärung entwickelten These eines Gesellschaftskontraktes 142. Dieser ist eine willentliche Übereinkunft der Einzelnen, deren wesentlicher Inhalt in der Berufung eines der ihrigen besteht, als Herrscher ihren Umgang untereinander verbindlich zu regeln 143. Zweck des Zusammenschlusses ist die Sicherung der Freiheit des Einzelnen144. Kommt der Ermächtigte dieser Aufgabe nicht nach, erlischt auch die Schuld des Unterworfenen. Parallel dazu will Hoyer die Notwehr ebenfalls als eine Art Vertrag verstanden wissen145. Er geht von einer dreiseitigen Verbindung zwischen Angreifer - Rechtsordnung - Angegriffenem aus. Die eingegangenen Verpflichtungen folgert er aus einem Vergleich zwischen Notwehr und Notstand. Zunächst prüft er, ob ein synallagmatisches Verhältnis zwischen der Pflicht des Bürgers zum Unterlassen rechtswidriger Handlungen und der Garantie der Rechtsordnung zum Schutz vor rechtswidrigem Verhalten die Gestaltung der Notrechte verständlich machen kann. Dies gelingt ihm zwar für die Notwehr: Der Angreifer verletze seine Pflicht zum Unterlassen rechtswidriger Handlungen; dadurch werde die Rechtsordnung ihm gegenüber von ihrer Verpflichtung befreit, müsse also den Schutz seiner Rechtsgüter nicht mehr gewährleisten. Auf der anderen Seite werde sie durch das Zulassen des Angriffs ihren Bindungen gegenüber dem Angegriffenen nicht gerecht, der dadurch wiederum von dem Gebot der Unterlassung rechtswidriger Angriffe freigestellt werde. Seine Ausgangsthese versagt jedoch - wie er selbst konstatiert 146 - bei § 34 StGB: „Auch derjenige, der zwecks Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr ein anderes Rechtsgut angreift, handelt ja... zunächst einmal rechtswidrig." 147 Hoyer abstrahiert ausdrücklich bei der Erklärung des § 34 StGB von der Existenz dieser Norm 148 . Rechtswidrig heißt dann zunächst nichts anderes, als in die Rechte Dritter eingreifend 149. Die Rechtsordnung müsste also nach der Ausgangsposition Hoyers eigentlich aus ihrer Verpflichtung zum Rechtsgüterschutz entlassen werden. Gerade dies geschehe aber nicht. Ganz im Gegenteil beweise die Existenz des § 34 StGB, dass die Rechtsordnung an dem Rechtsgüterschutz des Notstandstäters festhalte. Er könne seine Interessen im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zur Geltung bringen. Bei entsprechender Wertigkeit bleibe es bei der Garantie der Rechtsordnung. Aus diesem Ergebnis zieht Hoyer den Schluss, dass die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Verpflichtung der Rechtsordnung eine andere sein müsse. Er er142

In: JuS 1988, 89, 92. Seelmann, Rechtsphilosophie, §8 Rn.9. 144 Kargl, ZStW 110 (1998), 38, 49. 145 In: JuS 1988, 89, 94ff. 146 In: JuS 1988, 89, 92f. 147 In: JuS 1988, 89, 92. 148 In: JuS 1988,89, 92 Fn.20. 149 Die Parallelisierung von Angreifer und Notstandstäter erscheint zweifelhaft. Der Angreifer handelt gerade rechtswidrig, während der Notstandstäter gerechtfertigt handelt. Mit der Abstrahierungsthese konstruiert Hoyer „gewaltsam" eine gleiche Ausgangslage bei § 32 und § 34 StGB. Die These ist wenig überzeugend und schafft mehr Verwirrung als Klarheit. 143

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blickt sie nunmehr in der Sicherung des Vertrauens der Rechtsgutsträger in den Bestand ihrer Rechtsgutsobjekte150. Aufgabe der Rechtsordnung sei es auch, mutmaßlichen Opfern den Eindruck zu vermitteln, sie könnten infolge der installierten Geoder Verbote darauf bauen, dass die durch die Regelungen ansprechbaren Personen ihr Verhalten an den Normen auszurichten versuchten; sie bräuchten also nicht mit rechtswidrigen Angriffen schuldhaft handelnder Personen zu rechnen 151. Diese neue These wird für die Notwehr fruchtbar gemacht: Durch das Angriffsverhalten sei die Rechtsordnung dem Angreifer gegenüber nicht mehr zu einer Sicherung seines Vertrauensinteresses verpflichtet. Sie wiederum habe durch das Zulassen des Angriffs ihre Verbindlichkeit dem Angegriffenen gegenüber verletzt. Deshalb sei dieser nicht mehr an das Gebot zur Unterlassung rechtswidriger Handlungen gebunden. Da die These mit der Notstandsregelung steht und fällt, wird sie von Hoyer dahingehend geprüft. Er gelangt zu dem Ergebnis, dass der Notstandstäter durch die Handlung seiner Pflicht nicht nachkommt und dadurch die Rechtsordnung nicht mehr zum Schutz seines Vertrauensinteresses berufen ist. Auf seiner Seite ist lediglich noch das Rechtsgüterbestandsinteresse in den Konflikt involviert, während auf der Seite des Notstandsopfers sowohl Rechtsgüterbestands- als auch Vertrauensinteresse beteiligt sind. Zu einem positiven Gütersaldo vermag der Notstandstäter nur noch bei einem wesentlichen Überwiegen seines Rechtsgüterbestandsinteresses zu gelangen. Daraus erkläre sich das Proportionalitätserfordernis. Die Theorie Hoyers muss auf Bedenken stoßen. Sie erzeugt mehr Fragen, als sie zu beantworten versucht. Mit der Deutung der Notwehr als synallagmatisches Verhältnis, bei welchem für die Rechtsordnung die zu erbringende Leistung in der Sicherung des Vertrauens der Rechtssubjekte in den Bestand ihrer Güter besteht, verlässt Hoyer bereits den von ihm befürworteten individualistischen Ansatz 152 : Besteht eine der Pflichten in der Wahrung gesellschaftlicher Interessen, dient das die geschuldeten Leistungen zusammenführende Institut eben auch diesem Zweck. Damit wird die Notwehr mittelbar doch wieder zur generalpräventiven Rechtswahrung; ein Ansatz, den Hoyer jedoch ablehnt153. Konsequenz seiner Sichtweise ist zudem das Erfordernis eines schuldhaften rechtswidrigen Angriffs. Hoyer führt aus, dass die Rechtsordnung das Vertrauen, nicht mit rechtswidrigem Verhalten schuldhaft handelnder Personen rechnen zu müssen, schütze154. Folglich begeht sie lediglich dann eine Vertragsverletzung, wenn sie einen rechtswidrig schuldhaften Angriff zulässt. Allein für diesen Fall ist der Verteidiger somit von seinen vertraglichen Verpflichtungen frei und darf sich mit den Mitteln der Notwehr verteidigen. Dieses Ergebnis ist den gleichen Einwän150 151 152 153 154

In: JuS 1988, 89, 94. In: JuS 1988, 89, 94. In: JuS 1988, 89,91. In: JuS 1988, 89,91. In: JuS 1988, 89, 94.

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1. Teil: Grundprinzipien der Notwehr

den ausgesetzt, wie die überindividualistische Sichtweise Schmidhäusers ebenfalls einen schuldhaften Angriff verlangt.

155

, der

Auch die von Hoyer vorgenommene Differenzierung der Notwehr zum Notstand überzeugt nicht. Von der Kritik an der Abstrahierungsthese 156 einmal abgesehen, sind seine Ausführungen auch im Übrigen inkonsequent. Wenn er beim § 34 StGB argumentiert, dass der Notstandstäter abstrahiert von § 34 StGB eine rechtswidrige Tat begehe, also seine Pflichten verletze, und deshalb die Rechtsordnung ihrerseits nicht mehr zum Schutz seines Vertrauensinteresses verpflichtet sei, so lässt sich dies auch für § 32 StGB aussagen. Der Notwehrtäter begeht - abstrahiert von § 32 StGB - eine rechtswidrige Tat, die eine Entpflichtung der Rechtsordnung ihm gegenüber bewirken müsste. Trotzdem bleiben nach Hoyer beim Notwehrtäter Bestands- und Vertrauensinteresse als einzubeziehende Größen im Konflikt enthalten, während er beim Notstandstäter die Lage anders beurteilt. Konsequent wäre es nach der Argumentation Hoyers, wenn er eine Entpflichtung der Rechtsordnung auch im Falle der Notwehr bejahen würde. Dann hätte er allerdings die gleiche Situation wie beim Notstand und könnte das Fehlen einer Güterabwägung bei § 32 StGB nicht mehr begründen. Wenn Hoyer diese Herangehensweise an die Notwehr nicht mitbedenkt, so liegt das wohl daran, dass er davon ausgeht, durch das Zulassen des rechtsgutsgefährdenden Verhaltens des Angreifers sei die Rechtsordnung zuerst ihren Pflichten gegenüber dem Angegriffenen nicht nachgekommen. Folglich sei dessen Reaktion kein Vertragsbruch, da mit der Pflichtverletzung der Gegenseite seine Bindungen bereits von vornherein entfallen sind. Mit dieser Sichtweise lässt sich dann jedoch der den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beinhaltende § 228 BGB nicht mehr in Einklang bringen. Auch bei diesem beginnt der Konflikt durch eine einer anderen Person zurechenbaren 157 Gefahr für ein Interesse, welche durch die Rechtsordnung nicht verhindert wird. Trotzdem entfallen die Bindungen des Notstandstäters nicht vollständig. Er darf sich nur insoweit wehren als das verletzte Rechtsgut nicht außer Verhältnis zu dem von ihm geschützten steht. Schließlich lässt sich zwar das Fehlen einer Ausweichpflicht noch mit dem Ansatz Hoyers erklären: Wenn der Notwehrtäter durch den Vertragsbruch der Rechtsordnung von jeglichen Bindungen frei wird, entfällt eben auch eine Pflicht zum Ausweichen. Unverständlich bleibt jedoch die Nothilfe 158 . Hoyer selbst bezieht sie gar nicht erst ein und kann es wohl auch nicht. Der Nothelfer steht in dem Notwehrkonflikt als Dritter außerhalb der Beziehungen. Seine vertraglichen Bindungen zur Rechtsordnung sind unabhängig von denen des Angegriffenen. Sein Handeln für diesen kann ihn selbst mangels eines Vertragsbruches der Rechtsordnung ihm gegenüber von seinen Verbindlichkeiten nicht freistellen. 155

Siehe dazu die Ausführungen im Text 1. Teil, § 2 A. a. E. Siehe die Ausführungen in Fn. 149. 157 Zurechenbar in dem Sinne, dass die Gefahr aus der Sphäre der Person stammt, in deren Güter durch die Notstandshandlung eingegriffen wird. 158 Renzikowski, Notstand, S.236. 156

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Insgesamt kann das Modell Hoyers die Notwehr nicht tragfähig begründen und hat deshalb zu Recht in der Literatur keinerlei Rückhalt erfahren. Es ist abzulehnen.

B. Das Gegenseitigkeitsverhältnis Hruschkas Ähnlich wie Hoyer geht Hruschka von einem Pflichtenverhältnis zur Begründung der Notwehr aus159. Auch er knüpft an die Verletzung fremder Interessen an. Allerdings sieht er die Notwehr nicht als Dreier-Beziehung unter Einschluss der Rechtsordnung, sondern als Zweier-Beziehung. Er reduziert sie auf das Binnenverhältnis zwischen Angreifer und Angegriffenem und argumentiert, dass sich die Rechtssubjekte gegenseitig die Einhaltung bestimmter Verbote schulden. Wenn ein Rechtssubjekt im Begriff sei, ein Verbot zu übertreten, dessen Einhaltung er dem anderen schulde, dann sei auch jener nicht mehr an das Verbot gebunden160. Durch die Pflichtverletzung des einen entfalle die Schuld des anderen ihm gegenüber. Grundlage dieser angenommenen Gegenseitigkeit sei die Gleichberechtigung der Rechtssubjekte. Wenn der bevorstehende oder geschehene Regelverstoß des einen keine Auswirkungen auf die Rechtsbefolgungspflicht des anderen habe, existiere ein Subordinationsverhältnis zwischen den Verpflichteten 161. Die Notwehr gründe aber auf einem Koordinationsverhältnis 162 und so fordere ein bevorstehender oder geschehener Regelverstoß die Anerkennung einer Reaktionsbefugnis. Für Hruschka spricht, dass er den individualistischen Ansatz nicht verlässt. Zudem schärft er den Blick für eine Betrachtung der Notwehr als interpersonalen Konflikt zwischen Angreifer und Angegriffenem. Das Fehlen einer Ausweichpflicht lässt sich zudem problemlos mit der Entpflichtung des Notwehrtäters in Gänze erklären. Allerdings erweist sich insgesamt sein Lösungsansatz als zu fragmentarisch 163: Auch bei der Zuständigkeit für eine anderen Personen Gefahr bringende Sache, auf welcher die Regelung des Defensivnotstandes gemäß § 228 BGB aufbaut, wird eine Lage geschaffen, die der Betroffene nicht zu dulden braucht. Trotzdem wird er durch § 228 BGB von seiner Verpflichtung, sich rechtsgutsgefährdender Handlungen zu enthalten, nicht vollständig befreit; § 228 BGB sieht ein anderes Reaktionsarsenal vor als die Notwehr und fordert eine Güterabwägung. Eine Unterscheidung beider kann nach dem Gegenseitigkeitsmodell nicht gelingen. Darüber hinaus lässt sich eine Fremdverteidigung in dieses Konzept ebenso wenig einbauen164 wie in das Hoyers. 159 In: FS Dreher, S. 189,198 ff.; Strafrecht AT, S. 137; zustimmend Fuchs, Notwehr, S.59f.; Hruschka folgend und weiterführend: Renzikowski , Notstand, S.221 ff., 275 ff. 160 Ähnlich Renzikowski , Notstand, S.275: „Auf die Kooperationsverweigerung des Angreifers darf der Verteidiger seinerseits mit einem vorläufigen Kooperationsabbruch reagieren." 161 Hruschka , FS Dreher, S. 189, 199. 162 So auch Renzikowski , Notstand, S.275. 163 Frister, GA 1988, 291, 300; Schmidhäuser, GA 1991, 97, 115; ablehnend auch Kioupis, Notwehr, S. 55. 164 Schmidhäuser, GA 1991,97,115. Renzikowski, Notstand, S. 296 behauptet zwar das Gegenteil, zieht aber ein systemfremdes Argument heran, nämlich das Interesse eines jeden, sich

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1. Teil: Grundprinzipien der Notwehr

Ein Weiteres kommt hinzu: Entbindet man eine Person bei der Pflichtverletzung der anderen vollständig von ihren Pflichten, so kann man nachträglich keine einzige Einschränkung für die Abwehr einführen 165. Es wird die Erlaubnis statuiert, in den Kriegszustand, den der Angreifer eröffnet hat, nun ebenfalls einzutreten 166. Somit genügt auch der Vorschlag Hruschkas nicht den an eine Notwehrkonzeption zu stellenden Anforderungen.

C. Prinzip gesteigerter Zuständigkeit Sieht man von einer alleinigen Beschreibung der Notwehr als Interessenkonflikt, bei welchem auf der Seite des Verteidigers mehr oder ranghöhere Güter Geltung beanspruchen müssen als auf der des Angreifers 167 ab, könnte man die Schärfe dieses Rechtfertigungsgrundes mit der gesteigerten Verantwortung des Letztgenannten für die Notlage erklären 168. Damit glauben einige, ein Argument gefunden zu haben, welches vom Angreifer ausgehend dessen geringere Schutzwürdigkeit zu begründen vermag. Basis dafür ist eine vergleichende Betrachtung des Aggressiv- und Defensivnotstandes sowie der Notwehr: Beim Aggressivnotstand gem. §§904 BGB, 34 StGB ist dem Notstandsopfer die Gefahr nicht zurechenbar; der Notstandstäter greift in die Rechtssphäre eines Unbeteiligten ein. Diesem Aspekt trägt das Gesetz dadurch Rechnung, dass es eine Verletzung der Rechtsgüter nur erlaubt, wenn das gerettete Interesse wesentlich schwerer wiegt. Demgegenüber regelt § 228 BGB den Zugriff auf Sachen, von denen für einen anderen eine Bedrohung ausgeht. Der Einstandspflichtige hat die Schädigung oder Zerstörung der Sachen zu dulden, weil sich diese in seinem Organisationsbein einem Angriffsfall fremder Hilfe bedienen zu können. Dieser Interesse ist sicher vorhanden, ändert aber nichts daran, dass der Angreifer gegenüber dem Nothelfer keine Pflichten auf Gegenseitigkeit verletzt hat. 165 Klesczewski, FS E. A. Wolff, S.225, 231; Samson, SK-StGB (5. Aufl.), §32 Rn.9. 166 Jakobs, Rechtfertigung und Entschuldigung IV, S. 143, 149f.; Klesczewski, FS E. A. Wolff, S.225, 231; ablehnend gegen derartige vertragliche Konzeptionen auch Alwart, JuS 1996, 953f.; Pawlik, ZStW 114 (2002), 259, 281 Fn. 106. 167 Deutlich bei Hoyer, wenn er auf der Seite des Angegriffenen Bestands- und Vertrauensinteresse und auf der des Angreifers nur noch das Bestandsinteresse als am Konflikt beteiligte Güter erblickt; auch die überindividualistischen Ansätze argumentieren in diese Richtung: Rechtsbewährungsinteresse wiegt schwerer als Güterinteresse des Angreifers. 168 Freund, Strafrecht AT, § 3 Rn. 92; Frister, GA 1988,291,301 f.; Fuchs, Notwehr, S.55 ff.; Jakobs, Strafrecht AT, 12. Abschn. Rn. 18; ders., Rechtfertigung und Entschuldigung IV, S. 143, 147f.; Köhler, Strafrecht AT, S. 238, 265; Loos, FS Deutsch, S.233, 240; Mitsch, JA 1989,79,84; ders., Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rn. 17; Montenbruck, Thesen, S.34; Murmann/Rath, NStZ 1994, 215 f.; auf die Verantwortung des Angreifers für den Konflikt weisen auch Bernsmann, ZStW 104 (1992), 290,309; Fechner, Notwehr, S. 150,179; Felber, Rechtswidrigkeit, S. 114ff.; Haas, Notwehr, S.217f., 223; Kühl, JuS 1993, 177, 179; ders., FS Triffterer, S. 149, 152; LencknerlPerron, Schönke/Schröder, StGB, §32 Rn. 1; Merten, FS Doehring, S.579, 595f.; Rudolphi, GS Armin Kaufmann, S.371, 386, 389f., 394f.; ders., JR 1991, 210f.; Schmidhäuser, GA 1991, 97, 107 hin.

§

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reich befinden, ihm also zugeordnet werden und er aufgrund dessen für die Situation zuständig ist. Der Tatsache der Verantwortlichkeit des Opfers für die Krise wird die Rechtsordnung gerecht, indem sie die Forderung aufstellt, das verletzte Gut dürfe nicht außer Verhältnis zum geschützten stehen. Im Unterschied zu §§904 BGB, 34 StGB erlaubt § 228 BGB demzufolge einen Eingriff auch dann, wenn das gerettete Interessen weniger, gleich viel oder „einfach" mehr wiegt als das beanspruchte. Der nach § 228 BGB Betroffene wird also im geringeren Umfang abgesichert als der am Konflikt gänzlich Unbeteiligte. Noch weiter gehend ist das Notwehrrecht ausgestaltet: gegen den Angreifer ist grundsätzlich losgelöst von jeglichen Verhältnismäßigkeitserwägungen jeder Eingriff zulässig. Diese nochmalige Steigerung der Einstandspflichten im Verhältnis zum Defensivnotstand des § 228 BGB soll nach einer Meinung in der Literatur 169 darauf beruhen, dass bei Letzterem der Zuständige zwar eine Gefahr für andere Rechtsgüter geschaffen habe, aber er sich eben nicht pflichtwidrig verhielt, während § 32 StGB demgegenüber einen rechtswidrigen Angriff fordere. Der Eintritt der konkreten Rechtsgütergefährdung sei bei § 228 BGB immer noch Zufall, es verwirkliche sich ein erlaubtes Risiko 170 . Das Notstandsopfer müsse sich lediglich den drohenden Eintritt des Erfolges vorhalten lassen. Den Angreifer hingegen treffe, um den Unterschied zu § 228 BGB deutlich zu machen, der Vorwurf, sein Verhalten weise neben dem Erfolgs- noch einen Handlungsunwert auf. Allein in dem Fall sei der Notwehrangreifer für den Konflikt stärker verantwortlich als der Notstandspflichtige beim Defensivnotstand. Gegen diese Erklärung der gesteigerten Zuständigkeit (Unbeteiligter - §§ 904 BGB, 34 StGB, Verantwortlicher mit Erfolgsunrecht - § 228 BGB, Verantwortlicher mit Erfolgs- und Handlungsunrecht - § 32 StGB) wird eingewendet, dass die Rechtswidrigkeit des Verhaltens von schuldlosen Personen gerade nicht zu vertreten sei. Die von der Notwehr vorausgesetzte persönliche Vorwerfbarkeit sei vielmehr nur bei einem schuldhaften Angriff zu bejahen171. Allein durch dieses Erfordernis werde die im Unterschied zu § 228 BGB stärkere Verantwortung des Einstandspflichtigen angemessen ausgedrückt. Es wird argumentiert, der Angreifer habe die Situation rechtswidrig und gleichsam sehenden Auges in allein zu verantwortender Weise heraufbeschworen I 7 2 . Er habe aufgrund seiner „Schuld" die Abwehrkosten zu dulden, auch wenn der Abwehrerfolg den drohenden Angriffsschaden weit übersteige 173. 169 Fuchs , Notwehr, S.56f.; ein objektiv unerlaubtes Verhalten zur Kennzeichnung des Unterschiedes zwischen Notwehr und Defensivnotstand halten für ausreichend auch: Fe Iber, Rechtswidrigkeit, S. 129ff.; Hirsch, FS Dreher, S.211, 214f.; Kioupis, Notwehr, S.71f.; Rudolphi , GS Armin Kaufmann, S. 371,394f. Fn.90; wohl auchMitsch, Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, §17 Rn. 17. 170 Fuchs, Notwehr, S. 57. 171 Freund, Strafrecht AT, § 3 Rn. 92,98; Haas, Notwehr, S. 234,236; Jakobs, Strafrecht AT, 12. Abschn. Rn. 16; ders., Rechtfertigung und Entschuldigung IV, S. 143, 148; Lesch, Notwehrrecht, S. 39f.; ähnlich auch Hruschka, FS Dreher, S. 189, 203f. 172 Freund, Strafrecht AT, § 3 Rn. 92; Jakobs, Strafrecht AT, 12. Abschn. Rn. 18; ders., Rechtfertigung und Entschuldigung IV, S. 143, 149. 173 Jakobs, Rechtfertigung und Entschuldigung IV, S. 143, 147.

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1. Teil: Grundprinzipien der Notwehr

Während die Notwehr also der wichtigste Fall des Verantwortungsprinzips sei, widerspiegele sich im Defensivnotstand des § 228 BGB die schwächere Form dieses Grundsatzes, nämlich das Prinzip der Veranlassung174. Eine fehlende Aus weichpflicht für den Verteidiger und seine grundsätzliche Freistellung von Verhältnismäßigkeitsüberlegungen sind mit der These, die Rechtfertigungsgründe folgen einer Kette ansteigender Zuständigkeiten für die Gefahren, ganz zwanglos zu erklären 175, wenn man innerhalb des Systems Aggressiv-, Defensivnotstand und Notwehr verharrt. Erweitert man seinen Blick aber, tauchen Zweifel auf. Auch der im Regelfall nach § 127 StPO Festzunehmende oder der in der Situation einer Selbsthilfe gem. § 229 BGB Einstandspflichtige hat die problembehaftete Lage und damit die Risiken für seine Individualinteressen zu vertreten. Er verwirklicht typischerweise Erfolgs- und Handlungsunrecht176. Trotzdem darf gegen beide nicht unverhältnismäßig vorgegangen werden 177. Hier vermochte die Konfliktzurechnung eine Freistellung von Proportionalitätserwägungen offensichtlich nicht zu begründen. Demzufolge liegt der Verdacht nahe, dass die Härte der Notwehr jedenfalls nicht allein auf dem Umstand beruht, dass der Angreifer durch sein rechtswidriges Verhalten die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts erst geschaffen hat. Die über das Handlungsunrecht noch hinausgehende Forderung nach einem schuldhaften Angriff ist außerdem, wie bereits aufgezeigt, nicht mit dem geltenden Notwehrrecht in Übereinstimmung zu bringen. §32 StGB sieht ausdrücklich keinen schuldhaften Angriff vor. Das Merkmal „rechtswidrig" als unerlaubt schuldhaft oder den terminus „Angriff" als schuldhaftes Verhalten zu interpretieren, läuft dem eindeutigen Gesetzeswortlaut zuwider. Ob sich mit dem Kriterium der Verantwortlichkeit darüber hinaus auch ein lebensgefährlicher Eingriff in Einklang bringen lässt, erscheint zumindest fraglich. Zu Recht hat Bernsmann ausgeführt 178, dass der Angreifer sich zwar „frei" gewählt 174

Jakobs, Rechtfertigung und Entschuldigung IV, S. 143,145; ähnlich insoweit: Rudolphi, GS Armin Kaufmann, S.371, 396. 175 Fuchs, Notwehr, S. 57; anders aber Kühl, JuS 1993, 177, 182; ders., Strafrecht AT, § 7 Rn. 18. 176 Eine andere Frage ist, ob zur Festnahme gem. § 1271 StPO bereits ein Tatverdacht ausreicht. Im Normalfall hat sich der Festzunehmende jedenfalls tatbestandsmäßig und rechtswidrig verhalten. 177 Für § 1271 StPO: BayObLGE 59, 38, 41; OLG Celle, MDR 1958, 443f.; OLG Oldenburg, VRS 32,274f.; OLG Stuttgart, NJW 1984,1694f.; Hilgen LR-StPO, § 127 Rn. 19; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 127 Rn. 16; Lemke, HK-StPO, § 127 Rn. 13 f.; Paeffgen, SKStPO, § 127 Rn. 20f.; für §229 BGB: RGSt 69, 308, 310, 312; Fahse, Soergel-BGB, §229 Rn. 22; Hirsch, LK-StGB, Vor § 32 Rn. 158; Johannsen, RGRK-BGB, § 229 Rn. 5; Jescheck! Weigend, Strafrecht AT, § 35 IV 1; Kühl, Strafrecht AT, §9 Rn.5; MaurachlZipf\ Strafrecht AT 1, § 29 Rn. 14; Stratenwerth, Strafrecht AT I, § 9 Rn. 135. 178 In: ZStW 104 (1992), 290, 309; ihm folgend: Lührmann, Tötungsrecht, S.71 f.; Stiller, Grenzen, S.69.

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in die Gefahren einer Notwehrlage begeben habe, das Risiko einer Lebensgefahr aber nur dann in Kauf nehmen könne, wenn § 32 StGB diese Form der Verteidigung überhaupt erlaube. Die Argumentation droht auf dem Wege zirkulär zu werden.

D. Vermeidbarkeit der Abwehrfolgen Auf das vorherige Argument der Zuständigkeit für die Situation aufbauend, führt ein Teil der Literatur als weiteren (zusätzlichen) Umstand für die Schärfe der Notwehr an, die durch die Verteidigung eintretenden Beeinträchtigungen der Interessen des Angreifers seien durch diesen vermeidbar gewesen179. Er habe es bis zum Zeitpunkt der Verteidigungshandlung in der Hand, die durch die Abwehr möglicherweise eintretenden Verletzungen abzuwenden180. Er brauche dazu nur das zu tun, wozu er ohnehin verpflichtet sei, nämlich auf die Fortsetzung des Angriffs zu verzichten 181 . Die Freistellung von jeglicher Güterabwägung und das Fehlen einer Ausweichpflicht beruhen darauf, dass sich der Angreifer selbst in keiner Notlage befinde 182 . Während sich beim Aggressivnotstand gem. § 34 StGB, § 904 BGB aus dem Bestehen einer solchen für den Betroffenen erkläre, dass die Verpflichtung zur zwischenmenschlichen Solidarität auch dann gelte, wenn er sich in schuldhafter Weise selbst in die Gefahr gebracht habe, falle dieser Gesichtspunkt bei der Notwehr weg 183 . Die Konstellation bei § 32 StGB entspräche nicht dem Fall einer schuldhaft verursachten Notstandslage, sondern dem Fall einer für den Gefährdeten selbst anders abwendbaren Gefahr 184. Dies gelte auch im Vergleich zu den Defensivnotstandsfällen 185. Auch hier befinde sich der Einstandspflichtige in einer Situation, in welcher er es nicht mehr in der Hand habe, die Beeinträchtigung durch bloßes „Aufhören" zu beenden. Die angeführte Vermeidbarkeit der Abwehrfolgen für den Angreifer als Kriterium der Unterscheidung Notwehr/Notstand hat den typischen Fall des Selbsthilferechts vor Augen, nämlich, dass der Angreifer seinen aktiven Angriff lediglich unterlassen muss. Für diesen ist das Argument durchaus nachvollziehbar. Allerdings 179

Eue, JZ 1990, 765 f.; Frister , GA 1988, 291, 301 f.; Mitsch , Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rn.36, 40; ablehnend insoweit Jakobs, Strafrecht AT, 12. Abschn. Rn. 18, Fn.34. 180 Frister, GA 1988, 291, 302; Joecks, FS Grünwald, S.251, 253; Ludwig , Notwehr- und Notstandsrecht, S. 112; Mitsch, GA 1986, 533, 545; ders., JA 1989, 79, 84; ders., Baumann/ Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rn.36, 40. 181 Eue, JZ 1990, 765 f.; Frister, GA 1988, 291, 302; Merten, FS Doehring, S.779, 795f.; Schmidhäuser, GA 1991, 97, 107. 182 Frister, GA 1988, 291, 302; Ludwig, Notwehr- und Notstandsrecht, S. 89; Mitsch, JA 1989, 79, 84. 183 Frister, GA 1988,291,302. 184 Frister, GA 1988,291,302. 185 Frister, GA 1988,291,301. 4 Kroß

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1. Teil: Grundprinzipien der Notwehr

kann ein Angriff auch in einem Unterlassen bestehen186. Denkbar sind darüber hinaus Sachverhalte, bei denen sich die Angriffsfolgen nicht durch ein bloßes Stoppen des Angriffs aufhalten lassen187. Dort ist also vom Angreifer mehr zu verlangen als ein bloßes Aufhören mit seinem Verhalten, um den Angriff gewissermaßen rückgängig zu machen und zugleich die Risiken für die eigenen Rechtsgüter zu vermeiden. Nach Frister wäre damit von einer Notstandslage auszugehen, eine Folge, welche eine bedenkliche Einschränkung des Anwendungsbereiches der Notwehr bedeuten würde 188 . Fristers Sicht, bei der Notwehrverteidigung befände sich der Angreifer nicht in einer Notlage, ist zudem widersprüchlich. Eine solche liegt allgemein formuliert beim Bestehen einer Gefahr für Rechtsgüter vor. Dass eine derartige Schadenswahrscheinlichkeit auch für den Notwehrpflichtigen zu bejahen ist, lässt sich nicht leugnen. Davon geht dann im Ergebnis auch Frister selbst aus, wenn er von einer anders abwendbaren Gefahr spricht. Eine weitere Überlegung hilft ebenfalls, die mangelnde Tragfähigkeit der Argumentation aufzudecken. Auch bei dem mit der Notwehr geistesgeschichtlich wie dogmatisch eng verbundenen Festnahmerecht189 des § 127 StPO braucht der Flüchtende lediglich seine Flucht zu beenden, um den mit der Festnahme eintretenden Gefahren - Freiheitsbeschränkungen und Körperverletzungen geringeren Ausmaßes - zu entgehen. Er hat es also ebenso wie der Angreifer bei § 32 StGB in der Hand, die Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter zu vermeiden. Trotzdem verleiht § 127 StPO keine derart weitreichende Eingriffsbefugnis wie § 32 StGB. Das gleiche gilt für die Selbsthilfe gem. §§ 229,230 BGB. Die Möglichkeit, sich den Folgen der Abwehrhandlung durch bloßes Aufhören zu entziehen, kann folglich nicht der entscheidende Punkt zur Herleitung der Schärfe des Notwehrrechts sein.

E. Abstellen auf die spezifische Lage des Angegriffenen Da keines der Argumente, welche in der Sphäre des Angreifers wurzeln, die Erscheinungsformen der Notwehr in der gesamten Breite restlos zu klären vermochte, stellt sich nunmehr die Frage, ob dies durch - gegebenenfalls zusätzliche - Anknüpfungen an Umstände aus dem Bereich des Angegriffenen gelingen kann. 186 Arzt, FS Schaffstein, S.77, 81; Fuchs, Notwehr, S.76; Günther, SK-StGB, §32 Rn.30; Lagodny, GA 1991, 300ff.; Schmidhäuser, Strafrecht AT, S. 151 Rn.59; Spendet, LK-StGB, §32 Rn.46. 187 Ein Beispiel dazufindet sich bei Jakobs, Strafrecht AT, 12. Abschn. Rn. 18 Fn.34. 188 Ablehnend auch: Fechner, Notwehr, S. 164f., der Verschiebungen in zeitlicher Hinsicht befürchtet. 189 Arzt, FS Schaffstein, S.77, 83.

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Untersucht man dessen Lage, so lässt sich im Regelfall feststellen, dass der Betroffene zum Zeitpunkt des Angriffs mit einem solchen nicht rechnete 190 und folglich ob des Unerwarteten in der Auswahl möglicher Verteidigungsmittel stark beschränkt ist. Die Schnelllebigkeit der Situation verlangt zudem häufig sofortige Entscheidungen, welche eine rationale Einschätzung der Fluchtchancen oder der Erreichbarkeit obrigkeitlicher Hilfe erheblich erschweren 191. Steigerung erfährt der spannungsgeladene Konflikt noch dadurch, dass der Verteidiger oftmals in der Abwehr ungeübt ist 192 und deshalb verstärkt dahin tendiert, das sichere, aber weit gefährlichere Schutzmittel zu ergreifen. Zusätzlich wird argumentiert, dass beim Opfer rechtswidrigen Verhaltens verständliche Emotionen geweckt werden, die, wie die Existenz des § 33 StGB zeigt, nicht unberücksichtigt bleiben dürfen 193. Teilweise wird denn auch in der Literatur diese besondere Bedrängnissituation zumindest als ein Argument begriffen, mit welchem sich die größere Schutzwürdigkeit oder -bedürftigkeit der Verteidigerinteressen erklären lasse194. Darüber hinaus führt man an, dass aufgrund der spezifischen Notlage eine Güterabwägung nicht verlangt werde, weil der Angegriffene zu ihr in der Regel sowieso nicht fähig wäre 195 . Ein unlösbarer Widerspruch dieses Ansatzes ergibt sich zunächst zu dem allgemein befürworteten Grundsatz, dass die Notwehr nicht zum Eingriff in Rechtsgüter Unbeteiligter berechtige 196. Bei der Betonung des psychischen Ausnahmezustandes müsste auch die unter Umständen nahe liegende Gefährdung Unbeteiligter privilegiert werden. Die Berufung auf § 33 StGB ist zudem nicht weiterführend. Diese Norm macht gerade deutlich, dass der Gesetzgeber die besondere Verfassung des Angegriffenen lediglich für schuldrelevant, nicht aber bedeutsam für die Frage der Rechtswidrigkeit hält 197 . Bedenken begegnet die Begründung aber auch insofern, als die fehlende Verankerung von Proportionalitätserwägungen darauf beruhen soll, dass der Notwehrende aufgrund der brisanten Situation sowieso nicht in der Lage wäre, derartige Überlegungen anzustellen. An anderer Stelle verlangt § 32 StGB ausdrücklich eine Abwägung vom Verteidiger, nämlich, wenn es darum geht, von mehreren zur Verfügung stehenden Abwehrmitteln das mildeste zu wählen. Unter dem Gesichtspunkt der Er190

Fechner, Notwehr, S. 178; Stiller, Grenzen, S.65. Fechner, Notwehr, S. 166 spricht von „Entscheidungsnotstand"; Fuchs, Notwehr, S. 18; Stiller, Grenzen, S. 65. 192 Bernsmann, ZStW 104 (1992), 290,324; Jakobs, Rechtfertigung und Entschuldigung IV, S. 143, 160f.; Kioupis, Notwehr, S.44; Koch, ZStW 194 (1992) 785, 790; Merten, Rechtsstaat, S. 57 Fn. 208; Schroeder, FS Mäurach, S. 127, 139; Wagner, Notwehrbegründung, S.30, 32. 193 Fechner, Notwehr, S. 166; Fuchs, Notwehr, S. 18. 194 Koch, ZStW 104 (1992), 785, 790; Wagner, Notwehrbegründung, S.30, 32; ausführliche Nachweise zur älteren Literatur bei Haas, Notwehr, S. 193 f. 195 Fechner, Notwehr, S. 169f., 178; Wagner, Notwehrbegründung, S.30. 196 Ludwig, Notwehr- und Notstandsrecht, S.74; 77; Renzikowski, Notstand, S. 121. 197 Ludwig, Notwehr und Notstandsrecht, S.74; Renzikowski, Notstand, S. 121. 191

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1. Teil: Grundprinzipien der Notwehr

forderlichkeit wird eine Entscheidung verlangt, die dem Verteidiger aus den gleichen Gründen, welche oben beschrieben wurden, schwer fallen wird 198 . Betont man nun an einer Stelle die Unmöglichkeit, derartige Überlegungen anzustellen, kann man an anderer Stelle nicht an ihrem Erfordernis festhalten. Die Aussage, dass die Wahl eines milderen Mittels nur anstehe, falls dafür überhaupt genügend Zeit bleibe 199 , weist keinen Ausweg. Vielmehr ergibt sich dann, dass im Falle eines temporal größeren Spielraumes sowohl eine Auswahl unter den Abwehrmöglichkeiten als auch - als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal - eine Güterabwägung zwischen den am Konflikt beteiligten Gütern vorzunehmen wäre. Die Hervorhebung einer situativen Überforderung ist folglich kein Kriterium zur Begründung der Notwehr. Mit einer alleinigen Betonung der Sondersituation des Angegriffenen kann zudem die Unterscheidung zum Notstand nicht gelingen. Der Stress und die Ungeübtheit des Betroffenen in der Gefahrenabwehr sind Umstände, die auch beim Notstand gegeben sein können200, bei welchem der Gesetzgeber nicht auf eine Güterabwägung verzichtet hat. Zweifelhaft erscheint aber vor allem, ob diese Momente einer Notlage eine Eingriffsbefugnis fundieren können, die auch vor dem Leben des Angreifers nicht Halt macht201. Eine überzeugende Notwehrbegründung muss erklären können, warum auch in extremen Fällen, wie zum Beispiel der Verteidigung von Besitz oder Eigentum, die Tötung des Angreifers erlaubt sein soll. Die isolierte Beschreibung spezifischer Gegebenheiten des Konflikts ist dazu zu wenig.

F. Individualrechtsgiiterschutz und Handlungsfreiheit als mitangegriffenes Rechtsgut Bedeutend einflussreicher in der Notwehrwissenschaft als die bloße Kennzeichnung der besonderen Stresssituation erwiesen sich die darüber hinausgehenden Überlegungen Wagners zur inhaltlichen Charakterisierung des Konflikts 202 . Sein Konzept fußt im Wesentlichen auf zwei Eckpfeilern: einmal auf der Absage an eine Interpretation der Notwehr als individuelles Se/forverteidigungsrecht und der Hinwendung zu einem Verständnis derselben als ein Recht zur Verteidigung von Indi198 Lenckner, GA 1968, 1, 5 Fn. 17; Schweden FS Maurach, S. 127, 139, meint sogar, die Verhältnismäßigkeit der beteiligten Güter sei ungleich leichter abzuschätzen als die Erforderlichkeit der Notwehrhandlung. 199 Wagner, Notwehrbegründung, S.33. 200 Fristen GA 1988, 291, 299f.; Kioupis, Notwehr, S.44; Kratzsch, StV 1987, 224, 227f.; Kühl, JuS 1993,177,182; ders., Strafrecht AT, § 7 Rn. 17; Lenckner/Perron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn. 1 a; Ludwig, Notwehr- und Notstandsrecht, S. 76; Renzikowski, Notstand, S. 121; Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn. 3, Fn. 5; Samson, SK-StGB (5. Aufl.), § 32 Rn. 8; Stiller, Grenzen, S.69. 201 Schmidhausen GA 1991, 97, 104f.; Stiller, Grenzen, S.68f. 202 In: Notwehrbegründung, S.31 ff.

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vidualinteressen und zum anderen auf der Erkenntnis, der Angreifer verletze nicht nur die materiellen Güter, wie Leben, Leib, Eigentum und dergleichen, sondern zugleich die individuelle Handlungsfreiheit des Angegriffenen 204. Die letztgenannte These folgert Wagner 205 aus einer Analyse möglicher Notwehrsachverhalte: Bei erpresserischen und räuberischen Angriffen auf das Eigentum verteidige der Angegriffene nicht nur die konkret betroffenen Werte, sondern mit der Beseitigung der Zwangslage ebenso seine individuelle Handlungsfreiheit, ein drohender Diebstahl gefährde gleichfalls Handlungs- und Verfügungsfreiheit und der Angriff auf den Gewahrsam richte sich auch gegen die Willensbildungs- und Willensbetätigungsfreiheit 206. Mit der Einbeziehung der neben den materiellen Gütern mitangegriffenen Handlungsfreiheit glaubte er einer Erklärung des Interessenvorrangs auf der Verteidigerseite näher gekommen zu sein 207 . Durch die Beeinträchtigung dieses zusätzlichen Gutes im Notwehrkonflikt ergebe sich nämlich nunmehr auf der Verteidigerseite eine Gütersumme, die andere hochrangige Interessen des Angreifers zu relativieren vermag. Dies folge nicht zuletzt aus dem hohen Rang, den die Rechtsordnung dem Grundrecht der Handlungsfreiheit beimesse. Dem Einwand, ein individualistisches Notwehrkonzept könne nicht erklären, weshalb der Angegriffenen nicht ausweichen müsse, wenn ihm dies möglich sei, halten Vertreter der Theorie entgegen208, durch eine Flucht vor dem Angreifer werde die Handlungsfreiheit des Angegriffenen nicht wieder hergestellt. Vielmehr beuge der Betroffene sich dann lediglich dem Zwang. Der erstgenannte Standpunkt Wagners entfaltet seine volle Relevanz bei der Eingliederung der Nothilfe in das Institut der Notwehr. Löse man die Notwehr vom Se/forschutzgedanken und stelle auf einen Individualrechtsgüterschutz ab, gehe es bei § 32 StGB allein um den Schutz des einzelnen angegriffenen Rechtsguts. Damit sei auch die Nothilfe individualistisch deutbar 209. Das Problem, dass sich bei der Betonung eines Selbstschutzes daraus ergebe, dass sich der Nothelfer ja nicht selber, sondern einen Dritten schütze, bestände nicht. Vom Rechtsgüterschutzverständnis 203

In: Notwehrbegründung, S. 35. In: Notwehrbegründung, S.31; ihm folgend: Fuchs , Notwehr, S.51; Günther , SK-StGB, §32 Rn. 12; Koch, ZStW 104 (1992), 785, 791, 796f.; Kratzsch, GA 1971, 65,71 f.; anerkannt wird dies auch von Haas, Notwehr, S.283f., der ausführt: „..., daß i.d.R. in dem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff, bereits der Zwang liegt, diesen hinzunehmen."; ähnlich Jakobs, Rechtfertigung und Entschuldigung IV, S. 143, 154, der schreibt: „Daß der Angreifer handeln muß, ist nicht seine freie Organisationsentscheidung, sondern wurde ihm vom Angreifer aufgezwungen." 205 In: Notwehrbegründung, S.31. 206 Dem zustimmend Kargl, ZStW 110 (1998), 38, 41 f. 207 Wagner, Notwehrbegründung, S.31. 208 Kargl, ZStW 110 (1998), 38,42; Kioupis, Notwehr, S.57 Fn. 10; Koch, ZStW 104 (1992), 785,796; Wagner, Notwehrbegründung, S.32, 57f.; ähnlich auch Fuchs, Notwehr, S.51; Pawlik, ZStW 114(2002), 259, 273. 209 Kioupis , Notwehr, S.45f., 85 f.; Stiller, Grenzen, S.62; Wagner, Notwehrbegründung, S. 35; vgl. auch Kühl, JuS 1993, 177, 179. 204

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ausgehend sei die Nothilfe Hilfe bei der Abwehr eines rechtswidrigen Individualangriffs 210 . Eine individuell fundierte Notwehr verstanden als Rechtsgüterschutzprinzip setze nicht zwingend voraus, dass sich das Opfer eines Angriffs mit eigener Hand verteidigen müsse. Vielmehr könne es die Unterstützung eines anderen in Anspruch nehmen. Trotz fehlender Bedrohung der Handlungsfreiheit beim Nothelfer dürfe dieser von Verhältnismäßigkeitserwägungen losgelöst handeln, weil es andernfalls zu absurden Konsequenzen im Verhältnis eines den Angegriffenen lediglich unterstützenden Dritten kommen würde. Mangels rechtswidriger Haupttat sei jener nicht wegen Beihilfe strafbar, während ein allein handelnder Nothelfer sich als Täter strafbar machen könnte. Dieses ungereimte Ergebnis werde noch dadurch gesteigert, dass ein rechtswidriger Angriff für den Betroffenen ein Unglücksfall gem. § 323 c StGB sein könne und folglich dann aus dieser Norm für den Hinzukommenden sogar Hilfspflichten entstehen könnten211. Um gleich mit dem letzten Punkt zu beginnen: Zwar stellt der Versuch einer Straftat unter Umständen einen Unglücksfall im Sinne des § 323 c StGB dar 212 mit der Folge der Entstehung einer Hilfspflicht für jemanden. Allerdings knüpft diese nur an einen Zeitpunkt vor eigentlichem Versuchsbeginn oder nach Versuchsabbruch oder Vollendung des Delikts an. Ein Dritter muss also das Opfer entweder vorher warnen oder nachher versorgen. Für die eigentliche Zeit der Tatbegehung kann allenfalls die Benachrichtigung staatlicher Stellen verlangt werden. Eine Pflicht zur direkten Abwehr des gegenwärtigen deliktischen Verhaltens wird dagegen nicht normiert. Andernfalls würde das Nothilferec/zi über den Rückgriff auf § 323 c StGB zu einer Nothilfep/7/c/tf. Im Übrigen aber überzeugen die Ausführungen Wagners zum Verständnis der Nothilfe. Das Institut der Notwehr umfasst von vornherein die Selbst- und die Fremdverteidigung. Eine alleinige Interpretation der Notwehr als Selbsthilferecht widerspricht dem. Oftmals ist es zwar so, dass die Verteidigung auf eigenen Selbstschutz hinausläuft. Trotzdem ist auch der Fremdschutz erfasst. Die gemeinsame Verbindung zwischen beiden kann aus einer individualistischen Sicht lediglich in dem Individualrec/ztegwterschutz begründet sein 213 . Notwehr als Selbstschutzrecht erfasst somit die Selbsthilfe zum Schutz der in Bedrängnis geratenen eigenen Rechtsgüter und die Hilfe Fremder zum Schutz der gleichen Güter. Der Gedanke des Güterschutzes stellt die eigenhändige und persönliche Verteidigung der Rechtsgüter der Hilfe zum Schutz derselben gleich 214 ; eines Rückgriffs auf überindividualistische Aspekte bedarf es zur Erklärung der Nothilfe nicht 215 . Bereits die Interpre210 Fuchs, Notwehr, S. 52; Günther, SK-StGB, § 32 Rn. 12; Kioupis, Notwehr, S. 85 f.; Renzikowski, Notstand, S.296; Stiller, Grenzen, S.62f.; Wagner, Notwehrbegründung, S.35. 2.1 Wagner, Notwehrbegründung, S.36. 2.2 Rudolphe SK-StGB, § 323 c Rn.7; Seelmann, NK-StGB, §323c Rn. 14; Spendel, LKStGB, §323c Rn.45. 2.3 Kioupis, Notwehr, S.46; Stiller, Grenzen, S.62f. 2.4 Fuchs, Notwehr, S.52.

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tation des Selbstschutzgedankens als Rechtsgliterschutzprinzip vermag die Nothilfe zu integrieren 216. Die Herausstellung des zusätzlichen Rechtsgutsangriffs auf die Handlungsfreiheit besticht zunächst durch die Einfachheit, mit der sich ein Überwiegen der Verteidigerinteressen begründen lässt. Auf Angegriffenenseite stehen sich materielles Individualrechtsgut und „vergeistigte" Handlungsfreiheit und auf der des Angreifers lediglich das durch die Abwehr möglicherweise in Not geratene materielle Individualrechtsgut im Konflikt gegenüber. Damit ergibt sich ein „Mehr" an bedrängten Werten für den Widerstand Leistenden. Dieses „Mehr" kann in seiner Addition nahezu jedes andere Einzelrechtsgut wertmäßig überholen. Allerdings erscheint es fraglich, ob dieser Schluss auch dann noch stimmt, wenn für den Angreifer ein so hohes Rechtsgut wie das Leben auf dem Spiel steht217. Der isolierte Hinweis auf die verfassungsmäßige Anbindung der allgemeinen Handlungsfreiheit 218, verstanden als die Freiheit, zu tun oder zu lassen, geht fehl. Erstens genießt auch das Eigentum verfassungsrechtlichen Schutz, so dass man mit einer derartigen Überlegung zu einer Gleichwertigkeit von Eigentum und Leben gelangen würde 219 ; ein Ergebnis, das zu Recht niemand vertritt. Und zweitens existieren auch bei verfassungsrechtlich gewährleisteten Gütern Vorrangverhältnisse. Sowohl Eigentum als auch die allgemeine Handlungsfreiheit im oben genannten Sinne sind Rechte, die grundsätzlich hinter dem Leben rangieren. Schreibt man dem Leben zudem sogar eine unvergleichbare Qualität zu, wie dies verfassungsrechtlich oftmals geschieht, kann dieser Wert schon gar kein Faktor in einer Abwägung sein 220 . Wenn Wagner nun ausführt, bei einem Zusammentreffen zweier anderer Interessen sei ein Überwiegen im Verhältnis zum Leben gegeben, ist dies nichts weiter als eine Behauptung und zugleich eine Relativierung des Lebenswertes, für welche er die Legitimation schuldig bleibt. Ein Weiteres ließe sich möglicherweise einwenden: Argumentiert man, dass auf Angegriffenenseite mit der Bedrohung bestimmter Individualrechtsgüter zugleich die allgemeine Handlungsfreiheit bedroht ist, muss dies auch für den Angreifer gelten 221 . Durch den geleisteten Widerstand soll auch er zu einem bestimmten Verhalten angehalten werden, nämlich vom Angriff abzulassen. Folglich ist dieses Interesse des Täters ebenfalls im Konflikt beteiligt. Damit aber gerät die These von einem Übergewicht auf der einen Seite ins Schwanken. 2.5 Auf solche greift man im Übrigen auch bei der im Rahmen des § 34 StGB erlaubten Notstandshilfe nicht zurück. Siehe Suppert , Notwehr, S. 374 Fn. 102. 2.6 Fuchs, Notwehr, S.52; Kühl, JuS 1993, 177, 179. 217 Zweifelnd auch: Bernsmann, ZStW 104 (1992), 290, 294, 314f.; Kargl, ZStW 110 (1998), 38, 42; Lenckner/Perron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn. 1 a; Renzikowski, Notstand, S. 119; Schmidhäuser, GA 1991, 97, 104f.; Stiller, Grenzen, S.68f. 218 Wagner, Notwehrbegründung, S.31. 2,9 Merten, FS Doehring, S.579, 589. 220 Bernsmann, ZStW 104 (1992), 290, 294; ders., Notstand, S.293f. 221 Felber, Rechtswidrigkeit, S. 89. Zu einer anderen Sicht kann man allerdings gelangen, wenn man anerkennt, dass es eine rechtlich akzeptierte Freiheit zu rechtswidrigen Handlungen nicht gibt. So Bertel, ZStW 84 (1972), 1, 34.

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Zudem ist es in Situationen der §§ 904 BGB, 34 StGB, 228 BGB ebenfalls so, dass der Bedrohte durch die Gefahr zur Hinnahme jener oder zu einer bestimmten Abwehrreaktion gezwungen ist, also auch hier die Handlungsfreiheit tangiert ist 222 . Trotzdem sind die Voraussetzungen einer Rechtfertigung anders gestaltet als in §32 StGB. Letztlich läuft die Auffassung Wagners auf nichts anderes hinaus als die Feststellung, dass das Opfer eines jeden deliktischen Vorgehens nicht nur in den materiellen Gütern betroffen ist, sondern zugleich dem Zwang unterliegt, dieses Verhalten hinzunehmen; folglich ist immer auch die Handlungsfreiheit in dem Konflikt zweier Personen beteiligt. Die rechtliche Garantie eines Individualgutes bewirkt parallel die Sicherstellung des Freiraumes zur Nutzung dieses Wertes durch den Inhaber. Das Notwehrrecht in seiner Ausformung lässt sich auf diesem Wege nicht erhellen.

G. Persönlichkeitsrecht als mitangegriffenes Rechtsgut Trotz der Ablehnung der Argumentation Wagners im Hinblick auf die allgemeine Handlungsfreiheit als ein bei der Notwehr neben der Bedrohung eines materiellen Individualrechtsguts mitangegriffenen Wertes können seiner Konzeption wichtige Impulse für eine Interpretation des § 32 StGB entnommen werden. Das gilt zunächst für die Auslegung des Selbstschutzgedankens im Sinne eines Rechtsgüterschutzprinzips. Diese Sicht ist bereits befürwortet worden 223. Ihr ist zu folgen. Auch der Versuch Wagners, aus Umständen in der Sphäre des Verteidigers die höhere Schutzwürdigkeit seiner Interessen zu begründen, weist in die richtige Richtung. Die gewählte Methode, nämlich die Herausstellung eines zusätzlichen mitbedrohten Guts, lässt tragfähige Ergebnisse erwarten 224. Allerdings ist die von Wagner ausgemachte Handlungsfreiheit in ihrer Allgemeinheit und Unspezifizierung nicht der Wert, mit dessen Hilfe man die Ausgestaltung der Notwehr widerspruchsfrei herleiten kann. Um im weiteren Verlauf der Arbeit zu einem überzeugenden Resultat zu gelangen, scheint es angebracht, nochmals kurz die Schwachstellen der vorgestellten Lösung Wagners aufzuzeigen. Diese musste sich erstens dem Einwand beugen, die allgemeine Handlungsfreiheit werde auch bei Sachgefahren im Sinne der §§ 904 BGB, 34 StGB, 228 BGB tangiert und trotzdem sei dort im Gegensatz zu § 32 StGB eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgeschrieben. Zudem sei die Handlungsfreiheit des Angreifers bei einer Angriffsabwehr ebenfalls betroffen und demzufolge im Konflikt zu berücksichtigen. Es komme also nicht zu einem Übergewicht der involvierten Verteidigerinteressen, sondern zu einer Pattsituation. Als dritter Punkt ist die 222 Frister, GA 1988,291,300; Kühl, JuS 1993,177,\S2\Lenckneri Perron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn. 1 a; Samson, SK-StGB (5. Aufl.), § 32 Rn. 8. 223 Siehe die Ausführungen im Text 1. Teil, § 3 F. 224 Bereits das RG (RGSt 16,69, 72) hat in diese Richtung argumentiert und ausgeführt, der Angegriffene habe durch das Recht auf Selbstverteidigung neben dem Vermögen seine Ehre zu schützen.

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Möglichkeit einer Relativierung des Rechtsgutes Leben durch die allgemeine Handlungsfreiheit angezweifelt worden. Diese drei Einbruchstellen sind bei der Erarbeitung einer Lösung zu beachten und zu überwinden. Beginnend mit der erstgenannten Beanstandung stellt sich das Problem, welches Gut bei einem Notwehrangriff mitbetroffen wird. Dabei muss es sich um ein Interesse handeln, welches ausschließlich von Menschen, nicht dagegen von Sachen in Frage gestellt werden kann. Als ein solcher Wert ist das in der Literatur 225 gelegentlich genannte Persönlichkeitsrecht des Menschen denkbar. Wenn Wagner die allgemeine Handlungsfreiheit hervorhebt und diese interpretiert als das Recht zu tun oder zu lassen, spricht er die Verhaltensfreiheit an, die grundsätzlich jedem Menschen garantiert ist. Durch die Verengung des Blickwinkels allein auf den Betroffenen und die Zuspitzung der Frage, ob er durch den Angriff zu irgendeinem Verhalten gezwungen wird, geht ihm allerdings ein wichtiger Aspekt verloren und ist gleichzeitig ein Schwachpunkt offenbart. Denn dieser derart allgemeine Bereich der Handlungsfreiheit wird durch gefahrbringende Sachen ebenso beschnitten - auch hier ist der Bedrohte zu einer Reaktion angehalten und stellt die ergriffene Gegenmaßnahme die Beseitigung der durch die Gefahr verursachten Zwangssituation dar. Der nicht ausreichend gewürdigte Umstand besteht in der notwendigen Anbindung der allgemeinen Handlungsfreiheit an das Persönlichkeitsrecht 226. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit wird im Rechtssystem auf zweierlei Weise gewährleistet: einmal durch den Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und zum anderen durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht 227. Beide Teilbereiche sind dabei nicht isoliert als etwas Gegensätzliches zu betrachten, sondern bedingen und durchdringen sich wechselseitig. Ersterer dient dem Aktivitätsschutz, nämlich der freien Entscheidung über eigenes Tun und Unterlassen und zweiterer dem Integritätsschutz, das heißt der Absicherung vor dem Zugriff auf die durch die Verhaltensfreiheit geschaffenen Tatbestände. Naturgemäß wirkt ein rechtswidriger Angriff auf die allgemeine Handlungsfreiheit ein 228 , aber - und das stellt Wagner nicht deutlich genug heraus - die notwehrrechtliche Brisanz resultiert 225 Fechner , Notwehr, S. 167; Kioupis, Notwehr, S.78, 80ff.; Koch , ZStW 104 (1992), 785, 791, 796f.; Neumann, Zurechnung, S. 166f.; ders ., Modernes Strafrecht, S.215, 225; Seelmann, ZStW 89 (1977), 36, 57 f.; Stratenwerth, ZStW 68 (1956), 41, 63f.; auch bei Schmidhäuser, GA 1991, 97, 129 klingt letztlich dieser Gedanke an, wenn er ausführt, die Notwehrlage sollte auf solche Angriffe beschränkt sein, in denen das Opfer selbst als Person zum Objekt gemacht wird. Aus dem älteren Schrifttum R. v. Jhering, Kampf, S. 98 Rn. 67: „In jedem Recht, sei der Gegenstand auch nur eine Uhr, erscheint die Person selber mit ihrem ganzen Recht und ihrer ganzen Persönlichkeit angegriffen und verletzt."; Levita, Notwehr, S.201: „... Recht, die, welches immer ihr materieller Inhalt sei, qualitativ insofern einander gleichstehen, als in ihrer Verletzung zugleich die Persönlichkeit selbst angegriffen wird,...". 226 Wagner nennt zwar das allg. Persönlichkeitsrecht, erörtert aber die sich daraus ergebenden Folgen nicht mehr und verharrt deshalb letztlich doch auf einer unspezifischen Handlungsfreiheit. 227 228

Degenhart, JuS 1990, 161; Dreier, Dreier, GG, Art. 21 Rn. 16 ff. So wie es von Wagner zutreffend herausgearbeitet wurde.

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daraus, dass damit zugleich das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in Frage gestellt ist. Das Vermögen des Einzelnen zur Selbstentfaltung ist nämlich nicht nur dann angesprochen, wenn der Einzelne unmittelbar in seiner Existenz aufgehoben wird, sondern auch dann, wenn die substantiellen Vorbedingungen, die ihm überhaupt die Möglichkeit zum Gebrauch des Rechts geben, ge- oder zerstört werden 229 . Beide oben genannte Teilbereiche des allgemeinen Persönlichkeitsrechts haben als gemeinsame Wurzel den Gedanken des Schutzes der Entfaltung der individuellen Persönlichkeit 230. Voraussetzung dieser Entwicklung ist die Anerkennung des Einzelnen als Person 231. Die notwendige Achtung aber können sich nur Rechtssubjekte untereinander zollen. Gerade wechselseitige Akzeptanz der Individuen ist für Identitätsentwicklung und Selbstverwirklichung unerlässlich 232. Denkt man die Überlegungen Wagners also weiter, ist es nicht die aus dem normativen Zusammenhang gerissene Handlungsfreiheit, sondern das Persönlichkeitsrecht oder genauer formuliert die Handlungsfreiheit als Teil des Persönlichkeitsrechts, welche durch den Angriff mitbetroffen ist 233 . Die Beeinträchtigung der Güter oder Interessen ist nur dann durch Notwehr abzuwendendes Unrecht, wenn das Opfer durch sie zugleich als autonome Persönlichkeit missachtet wird. Die Frage ist nunmehr, ob dieses Ergebnis der Kritik standhält. Zunächst haben sich mit der vorgenommenen Anbindung die Bedenken hinsichtlich der §§ 904 BGB, 34 StGB, 228 BGB erledigt. Die Wahrnehmung des Einzelnen als Persönlichkeit setzt zwingend die Interaktion mit anderen Menschen voraus. Die Entwicklung von Individualität fußt auf der Akzeptanz als Person durch andere. Daraus folgt umgekehrt, dass auch ein Eingriff in die Persönlichkeit lediglich durch andere Personen erfolgen kann. Sachen stellen möglicherweise Leben, Gesundheit oder Freiheit in Frage, sie vermögen aber nicht einen anderen Menschen als Persönlichkeit zu entwerten. Die Missachtung einer Person setzt mehr voraus als ihr lediglich drohende Gefahren durch Sachen. Möglicherweise könnte man vorbringen, dass bei einem vom Menschen ausgelösten Defensivnotstand analog § 228 BGB die geforderte Subjektsqualität vorliege, also auch hier eine Persönlichkeitsverletzung neben der Bedrohung eines anderen Individualrechtsgutes zu bejahen sei, trotzdem aber eine Verhältnismäßigkeitsprüfung verlangt werde. Allerdings lässt sich der Einwand für die von der Analogie zu 229

Maihofer, Rechtsstaat, S. 114. Degenhart, JuS 1990, 161; Dreier, Dreier, GG, Bd. 1, Art. 21 Rn. 15ff.; Stein/Frank, Staatsrecht, §31 II, S. 249. 231 Honneth, Anerkennung, S. 127; Koppernock, Selbstbestimmung, S.23. 232 Kargl, ZStW 110 (1998), 38, 58. 233 In diese Richtung gehen letztlich auch die Ausführungen von Kargl, ZStW 110 (1998), 38, 60, wenn er schreibt: „... was es bedeutet, wenn personenorientierte Rechtsgüter verletzt werden: Durch Mißachtung können Menschen in einem positiven Verständnis ihrer selbst erschüttert werden." Ähnlich auch Pawlik, ZStW 114 (2002), 259, 265: „Der Angegriffene verteidigt nicht einen Güterbestand gegen eine diesem drohende Schmälerung, sondern er verteidigt seinen Rechtsraum gegen Missachtung/' m

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erfassenden Fallgruppen ausräumen, in denen die Person, von welcher eine Gefahr für andere ausgeht, entweder gar nicht oder nicht sorgfaltspflichtwidrig handelt. Dann nämlich unterscheiden sich die von ihr ausgehenden Risiken nicht von denen einer Sache. Missachtung wird nicht ausgedrückt, die Persönlichkeit eines anderen nicht tangiert. Bei den ebenfalls diskutierten Sachverhalten der zum Zeitpunkt der Abwehr nicht gegenwärtigen Angriffe (z. B. Haustyrannenfälle) liegt zwar in jedem Vorgehen des späteren Notstandsopfers auch eine Persönlichkeitsverletzung des Betroffenen, so dass an sich Proportionalitätsüberlegungen entfallen müssten234. Dabei würde jedoch verkannt, dass es gerade an einer akut zugespitzten Bedrohungssituation fehlt. Der für den Gefährdeten zeitlich größere Handlungsspielraum rechtfertigt hier die grundsätzliche Verankerung von Solidarpflichten. Dass der im Notwehrkonflikt Betroffene nicht ausweichen muss, versteht sich vor dem geschilderten Hintergrund zwanglos: Durch ein Nachgeben hilft man der im Angriff liegenden Persönlichkeitsverletzung nicht ab 235 . Zweifel könnten weiterhin dahin gehend bestehen, dass möglicherweise bei einer Angriffsabwehr auch das Persönlichkeitsrecht des Angreifers auf dem Spiel steht236. Hierzu hat bereits Stratenwerth 231 überzeugend ausgeführt, dass zwar auch der Angreifer durch den Widerstand in seiner Selbstbestimmung tangiert werde, jedoch nicht in seinem Selbstbestimmungsrecht. Denn die Selbstbestimmung des anderen ist nicht schlechthin, sondern nur im Rahmen der durch die Rechtsordnung bestimmten Grenzen zu achten. Überschreitet der andere die Grenzen, so ist eine absolute Respektierung seiner Autonomie nicht mehr geboten. Das Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit umfasst nicht eine Entwicklung, die in der Vornahme rechtswidriger Angriffe mündet 238 . Nunmehr stellt sich die Frage, ob das Persönlichkeitsrecht ein so hohes Rechtsgut wie das Leben zu relativieren vermag. Die Beantwortung der Frage muss mit Blick darauf erfolgen, dass prinzipiell auch bei Gefahren für die körperliche Unversehrtheit, Eigentum, Ehre und Freiheit zu der unter Umständen lebensbedrohlichen Abwehr gegriffen werden darf. Die Kompromisslosigkeit, mit welcher die Möglichkeit einer Relativierung im Rahmen des § 32 StGB verneint wird 239 , erstaunt. Zunächst relativiert die dualistische Theorie das Rechtsgut Leben selbst, indem sie es zwar nicht hinter anderen konkret betroffenen Individualinteressen des Einzelnen sieht, wohl aber als nachrangig im Vergleich zur Rechtsordnung behandelt240. Für die An234 Derartige Überlegungen stellen sich aber dann von vornherein nicht, wenn man diese besondere Fallgruppe analog § 32 StGB behandelt. Siehe dazu Suppert , Notwehr, S. 378ff. 235 Kargl, ZStW 110 (1998), 38, 60f.; Koch , ZStW 104 (1992), 785, 796. 236 Felben Rechtswidrigkeit, S.92; Klesczewski, FS E. A. Wolff, S.225, 233. 237 In: ZStW 68 (1956), 41, 64. 238 Lührmann , Tötungsrecht, S.72; Merten , FS Doehring, S.579, 593. 239 Lenckner ¡Perron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn. 1 a; Samson, SK-StGB (5. Aufl.), § 32 Rn. 8; Schmidhäuser, GA 1991, 97, 104f.; Renzikowski, Notstand, S. 119. 240 Bockelmann, FS Dreher, S. 235,248; Haft, Strafrecht AT, S. 85; Kühl, JuS 1993,177,181; ders., Strafrecht AT, §7 Rn. 13; Lenckner, GA 1968,1, 3; Lenckner!Perron, Schönke/Schröder,

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hänger dieser Notwehrbegründung ist die Geltung der Rechtsordnung ein Wert, welcher bei einer Kollision mit dem Leben dieses überwiegen könnte. Denn schließlich erlaubt die Zwei-Elementen-These die Tötung des Angreifers grundsätzlich auch dann, wenn auf der Seite des Angegriffenen andere Werte und nicht das Lebensinteresse betroffen sind. Ein solches Zurückstehen des letztgenannten ist im Rahmen des § 34 StGB gleichfalls für den Fall anerkannt, dass das Leben einer von Terroristen bedrohten Geisel gegen wichtige Staatsbelange abzuwägen ist 241 . Des Weiteren argumentieren Teile des Schrifttums für den sogenannten Blutspendenfall im Bereich des § 34 StGB ähnlich. Nach überwiegender Ansicht 242 ist eine Blutentnahme zum Zwecke einer lebensrettenden Transfusion nicht nach § 34 StGB gerechtfertigt. Der sachliche Grund für dieses Ergebnis liegt gerade darin begründet, dass der Anspruch des Einzelnen auf Selbstbestimmung und Respektierung als Person in eine Abwägung mit dem Rechtsgut Leben treten kann und zumindest im Rahmen des § 34 StGB zu dem Resultat führt, in diesem Verhältnis ein wesentliches Überwiegen des letztgenannten über das erstgenannte nicht anzunehmen. Eine vergleichbare Sachlage kennzeichnet die Problematik der Sterbehilfe. Für die indirekte Euthanasie ziehen Teile der Literatur § 34 StGB heran. Die Autonomie des Rechtsgutsinhabers, sein Achtungsanspruch auf menschliche Würde sei in diesen Sachverhalten als wesentlich gewichtiger im Verhältnis zu den Lebensinteressen anzusehen243. Selbst für die Problematik der direkten Euthanasie wird - allerdings nur in Extremsituationen - ein solches Ergebnis vertreten 244. Betrachtet man außerdem die der Notwehr nahen Fälle des Defensivnotstandes, etwa den der Tötung des schlafenden „Haustyrannen" oder die Tötung des Kindes während der Geburt zur Rettung des Lebens der Mutter bzw. zur. Vermeidung schwerer Gesundheitsschäden lässt sich die These von der Unabwägbarkeit des Rechtsguts Leben nicht halten 245 . In beiden Fällen bejaht ein großer Teil der LiteraStGB, § 32 Rn. 1 a; Roxin, ZStW 93 (1981), 68,71; ders., Strafrecht AT I, § 15 Rn.47; Wessels/ Beulke, Strafrecht AT, Rn.339; kritisch dazu: Bernsmann, ZStW 104 (1992), 290, 304, 312, 316ff.; Renzikowski, Notstand, S. 106. 241 Krey, ZRP 1975,98 f.; Kühl, Strafrecht AT, § 8 Rn. 113; Neumann, NK-StGB, § 34 Rn. 73; Roxin, Strafrecht AT I, § 16 Rn. 27. 242 Günther, SK-StGB, § 34 Rn.51; Hirsch, LK-StGB, § 34 Rn. 68; Lenckner! Perron, Schönke/Schröder, StGB, § 34 Rn. 41 e, 47; Otto, Strafrecht AT, § 8 Rn. 185; Schneider, Behandlung, S. 252f.; Stratenwerth, Strafrecht AT I, § 9 Rn. 109. 243 BGHSt 42,301,305; Dolling, JR 1998,160ff.; Hirsch, LK-StGB, Vor § 32 Rn.216, § 34 Rn. 75; Kühl, Strafrecht AT, § 8 Rn. 164; Küpper, Strafrecht BT 1, Teil 1, § 1 Rn. 23; Kutzer, NStZ 1994,110, 115; Neumann, NK-StGB, § 34 Rn. 37; Otto, Strafrecht BT, § 6 Rn. 34; ders., Jura 1999, 434, 440f.; Schreiber, NStZ 1986, 337, 340f. 244 Vgl.: Herzberg, NJW 1986, 1635, 1639ff.; ders., JZ 1988, 182, 186, insbes. Fn.22; ders., NJW 1996, 3043, 3047; Kutzer, NStZ 1994, 110, 113; Merkel, JZ 1996, 1145, 1150f.; Neumann, NK-StGB, § 34 Rn. 38, 85; Otto, Strafrecht BT, § 6 Rn. 35, 37; ders., Jura 1999, 434, 441. 245 Jakobs, Strafrecht AT, 13. Abschn. Rn.21; Krey, Jura 1979, 316f., 320; Neumann, NKStGB, §34 Rn.73, 86; Schneider, Behandlung, S.250, 254f.

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246

tur eine Rechtfertigung des Täters . Wird nun eingewendet, in diesen Sachverhalten beruhe die Zurücksetzung des Lebensinteresses nicht auf einem ihm vorgehenden anderen Wert, sondern auf dem Umstand der Zuständigkeit für die Situation247, gilt dieses Argument gleichermaßen für die Notwehr. Bei jener ist der Angreifer sogar noch stärker für die ihm drohende Lebensgefahr verantwortlich. Am Ergebnis ändert sich nichts: Das Lebensrecht ist in bestimmten Konstellationen weniger schutzwürdig. Die Beispiele zeigen zweierlei: zum einen kann das Lebensinteresse an einer Abwägung mit anderen Rechtsgütern teilhaben und zum anderen wird in bestimmten Konstellationen bereits die Auffassung vertreten, dass das Persönlichkeitsrecht einen Wertvorrang auch vor dem Leben zu begründen vermag. Nun müssen die Meinungen zugegebenermaßen nicht richtig sein. Erforderlich ist also eine dogmatisch überzeugende Begründung für den Wertvorrang des Persönlichkeitsrechts vor dem Rechtsgut Leben. Betrachtet man allein die §§ 34, 35 StGB fällt auf, dass das Leben nicht nur an erster Stelle genannt, sondern dass das Persönlichkeitsrecht gar nicht aufgeführt wird. Formal ließe sich also der überragende Stellenwert des Lebens bereits aus dem Wortlaut der angeführten Normen ablesen. Allerdings herrscht Einigkeit 248 darüber, dass lediglich mit dem Wörtlaut ein Interessenvorrang nicht zu begründen ist. Weiteres Indiz zur Einstufung eines Rechtsguts könnten die zum Schutz der Güter erlassenen Strafvorschriften mit ihren Strafandrohungen sein 249 . Aber auch dies führt für die vorliegende Wertekollision nicht weiter, ist doch das Persönlichkeitsrecht als solches strafrechtlich nicht in Gänze, sondern allenfalls in Teilen geschützt. Aus einer zivilrechtlichen Gewährleistung eine Nachrangigkeit gegenüber strafrechtlich geschützten Rechtsgütern anzunehmen, wird allgemein abgelehnt250. Für den vorliegenden Konflikt könnte allein ein Blick auf die verfassungsgemäß abgesicherten Wertvorstellungen eine Antwort ermöglichen. 246 Zur Tötung des schlafenden Haustyrannen: Neumann, NK-StGB, § 34 Rn. 90; Renzikowski, Notstand, S.268f.; zur Tötung des Kindes: Eser, Schönke/Schröder, StGB, Vorbem. §§ 218ff. Rn.41; Günther, SK-StGB, § 34 Rn.43; Hirsch, LK-StGB, §34 Rn.74; Jakobs, Strafrecht AT, 13. Abschn. Rn.22; JeschecklWeigend, Strafrecht AT, §33 IV2c, §33 IV 5; Kühl, Strafrecht AT, § 8 Rn. 139; Neumann, NK-StGB, § 34 Rn.91; Otte, Defensivnotstand, S. 145 ff., 208; Roxin, Strafrecht AT I, § 16 Rn. 70. 247 Roxin, Strafrecht AT I, § 16 Rn. 37. 248 Kühl, Strafrecht AT, § 8 Rn. 107ff.; LencknerlPerron, Schönke/Schröder, StGB, § 34 Rn. 43; Mitsch, Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rn.69; TröndlelFischer, StGB, §34 Rn. 10. 249 Herzog, NK-StGB, § 34 Rn. 71; Kühl, Strafrecht AT, § 8 Rn. 109, 111; Lencknerl Perron, Schönke/Schröder, StGB, §34 Rn.43; MaurachlZipf, Strafrecht AT 1, §27 Rn. 29; Roxin, Strafrecht ATI, §16 Rn. 23. 250 Günther, SK-StGB, § 34 Rn. 42; Herzog, NK-StGB, § 34 Rn. 71; Kühl, Strafrecht AT, § 8 Rn. 112; Lencknerl Perron, Schönke/Schröder, StGB, §34 Rn.43; Roxin, Strafrecht AT I, § 16 Rn.24.

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1. Teil: Grundprinzipien der Notwehr

Das Persönlichkeitsrecht leiten Rechtsprechung und Literatur überwiegend aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ab 251 . Erst im Anschluss daran schützt Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG das Recht auf Leben ausdrücklich. Aus dieser Gesetzessystematik lässt sich folgern, dass das Rechtsgut Leben jedenfalls nicht höher als das Persönlichkeitsrecht einzustufen ist. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass ein Leben keinen Wert besitzt, wenn es dem Individuum nicht möglich ist, sich als Persönlichkeit zu entfalten. Umgekehrt ist ein Selbstbestimmungsrecht ohne Lebensrecht nicht denkbar. Beide Güter stehen in untrennbarem Zusammenhang zueinander. Rangmäßig sind sie als zumindest gleichwertig zu behandeln. Daraus folgt für die Notwehrproblematik: Durch die hohe verfassungsmäßige Anbindung des Persönlichkeitsrechts kann dieses, gepaart mit einem durch den gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff unmittelbar betroffenen Individualrechtsgut, einen Interessenvorrang vor dem Lebensrecht des Angreifers begründen. Immer wieder wird gegen eine rein individualistische Betrachtungsweise der Einwand erhoben, die Notwehreinschränkungen nicht erklären zu können252. Die Bewährungsprobe des vorgeschlagenen Ansatzes bemisst sich folglich nach seiner Tauglichkeit zur Lösung problematischer Sonderfälle. Die grundsätzlich anerkannten gegenwärtigen Begrenzungen betreffen die Angriffe Schuldloser (Kinder, Jugendliche, Geisteskranke, schuldlos Irrende, Volltrunkene), die Sachverhalte der vom Angegriffenen veranlassten Notwehrlage und die Abwehr von Eingriffen in ganz geringwertige Sachen. Daneben vertreten Teile der Literatur und der Rechtsprechung noch für eine vierte Sondersituation eine Einschränkung des Notwehrrechts und zwar bei Angriffen in engen persönlichen Beziehungen253. Da diese Fallgruppe jedoch derzeit hinsichtlich der Annahme möglicher Sonderpflichten in starke Kritik 2 5 4 geraten ist und sich darüber hinaus verstärkt die Meinung 255 durchsetzt, Notwehr sei in vollem Umfang erlaubt, soll sie hier außer Betracht bleiben. 251 BVerfGE 34, 269, 282f.; 35, 202, 220f.; 54, 148, 152f.; 72, 155, 167; 79, 256, 268f.; BVerfG, NJW 2002,3619; 3621; Degenhart, JuS 1990,161; Dreier, Dreier, GG, Art. 21 Rn. 16; Erichsen, Isensee/Kirchhof, Staatsrecht VI, § 152 Rn.52ff.,Jarass, NJW 1989,857ff.; Schmitt Glaeser, Isensee/Kirchhof, Staatsrecht VI, § 129 Rn.9, 27 ff. 252 Bitzilekis, Notwehrrecht, S.28; Fechner, Notwehr, S. 165 (allerdings mit Ausnahme der Angriffe Schuldloser); Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 3212; Klesczewski, FS E. A. Wolff, S.225, 233; Lenckner!Perron, Schönke/Schröder, StGB, §32 Rn.47. 253 BGH, NJW 1975,62; BSG, JZ 2000,96f.; Ebert, Strafrecht AT, S.78f.; EserlBurkhardt, Strafrecht AT I, S. 123 Rn. 37; Günther, SK-StGB, § 32 Rn. 130; Jakobs, Strafrecht AT, 12. Abschn. Rn.58; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, §32 III 3 a; Köhler, Strafrecht AT, S.275; Lenckner!Perron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn. 53; Marxen, Notwehr, S. 38 ff.; Neumann, Zurechnung, S. 168; Roxin, ZStW 93 (1981), 68, lOOff; ders., Strafrecht AT I, § 15 Rn. 83; Stratenwerth, Strafrecht AT I, § 9 Rn. 88; TröndlelFischer, StGB, § 32 Rn. 19; Wessels!Beulke, Strafrecht AT, Rn. 345. • 254 Freund, Strafrecht AT, § 3 Rn. 123 ff.; Herzog, NK-StGB, § 32 Rn. 110ff.; Kioupis, Notwehr, S. 82f.; Kühl, Strafrecht AT, §7 Rn. 198ff.; Otto, Strafrecht AT, § 8 Rn.90ff; Pitsounis, Modernes Strafrecht, S.227, 250ff.; Renzikowski, Notstand, S.310ff. 255 Freund, Strafrecht AT, § 3 Rn. 125; Frister, GA 1988, 291, 307ff.; Geilen, JR 1976, 314ff.; Kioupis, Notwehr, S. 82f.; Mitsch, Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rn.42;

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ndividualistische Notwehrkonzeptionen

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Die Ausgestaltung der übrigen Eingrenzungen des ansonsten weiten Widerstandsrechts gem. § 32 StGB sowie ihre Herleitung und Begründung sind über die prinzipielle Akzeptanz einer Eindämmung überhaupt, im Detail sehr umstritten. Zunehmende Einigkeit ist in den letzten Jahren lediglich dahin gehend erfolgt, dass Grundlage einer Zurückstufung nur die Prinzipien des Abwehrrechts selbst sein können256. Die Heranziehung externer Grundsätze 257 (Verhältnismäßigkeit, Zumutbarkeit, Rechtsmissbrauch) birgt die Gefahr der willkürlichen Aufweichung eines der wichtigsten Selbsthilferechte des Einzelnen. Zudem besteht das Risiko, durch die Berufung auf notwehrfremde Gedanken Generalklauseln zu installieren, die nicht nur die Struktur des § 32 StGB gänzlich verändern, sondern darüber hinaus durch die in ihnen angelegte Weite praktisch jedes möglicherweise erwünschte Ergebnis zu begründen vermögen. Die Dogmatik aber bliebe auf der Strecke. Deshalb soll im nächsten Abschnitt in der gebotenen Kürze der Versuch unternommen werden, aus dem oben vorgeschlagenen Ansatz heraus, das in bestimmten Fällen als zu hart empfundene Notwehrrecht einzuschränken. Bei schuldlos handelnden Personen 258 ist allgemein anerkannt 259, dass das Notwehrrecht zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, wohl aber nicht in aller Schärfe anwendbar ist. Geht man davon aus, dass sich die Härte des Abwehrrechts aus der gleichzeitig mit dem konkreten Individualangriff erfolgten Persönlichkeitsverletzung erklärt, bedeutet dies für die behandelte Fallgruppe Folgendes: Das allgemeiOtto , Strafrecht AT, §8 Rn.91; Renzikowski , Notstand, S.311; Samson, SK-StGB (5. Aufl.), § 32 Rn.48; Spendet, LK-StGB, § 32 Rn. 310; jüngere BGH-Entscheidungen gehen auf eine Notwehreinschränkung in derartigen Verhältnissen nicht mehr ein; siehe: BGH, StV 1994, 651; BGH, NStZ 1996,433 f. 256 BGHSt 24,356, 359; BSG, JZ 2000,96f.; Amelung, GA 1981, 381,391; Bitzilekis, Notwehrrecht, S. 106f.; Blei, Strafrecht I AT, § 39 III; Ebert, Strafrecht AT, S. 77; Eserf Burkhardt, Strafrecht AT I, S. 122 Rn. 33; Freund, Strafrecht AT, § 3 Rn. 126; Günther, SK-StGB, § 32 Rn. 105 f.; Haft, Strafrecht AT, S. 87; Herzog, NK-StGB, § 32 Rn.98; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, §32 III 3; Kioupis, Notwehr, S.77; Kühl, JuS 1993, 177, 181; ders., FS Triffterer, S. 149, 151; ders., Strafrecht AT, §7 Rn. 164; Lenckner/Perron, Schönke/Schröder, StGB, §32 Rn.43,47; Neumann, Zurechnung, S. 167; Otto , FS Würtenberger, S. 129,138; ders., Strafrecht AT, § 8 Rn. 93; Roxin, ZStW 93 (1981), 68, 70; ders., Strafrecht AT I, § 15 Rn. 55f.; Schünemann, GA 1985, 341, 368; Stiller, Grenzen, S. 128; Wagner, Notwehrbegründung, S.44f., 64. 257 Vgl. Bernsmann, ZStW 104 (1992), 290, 306ff.; Bockelmann, FS Dreher, S.235, 248 f.; Koch, ZStW 104 (1992), 785, 801 ff.; Renzikowski, Notstand, S.301 ff. 258 Wobei über die einzubeziehenden Fälle im Einzelnen Streit herrscht. 259 BSG, JZ 2000, 96, 98; Blei, Strafrecht I AT, § 39 II 3, § 39 III 2 a; Ebert, Strafrecht AT, S. 78; EserlBurkhardt , Strafrecht AT I, S. 122 Rn. 34; Günther, SK-StGB, § 32 Rn. 118; Herzog, NK-StGB, §32 Rn. 101; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, §32 III 3 a; Kioupis, Notwehr, S. 77 f.; Köhler, Strafrecht AT, S. 273; Krause, GS Hilde Kaufmann, S.673,679; Kühl, FS Triffterer, S. 149, 151; ders., Strafrecht AT, §7 Rn. 195f.; Lenckner/Perron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn. 52; Maurach/Zipf Strafrecht AT 1, § 26 Rn. 38; Mtisch, Baumann/Weber/ Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rn.40; Roxin, ZStW 93 (1981), 68, 81; ders., Strafrecht AT I, § 15 Rn. 57ff.; Samson, SK-StGB (5. Aufl.), §32 Rn.45; Schröder, JR 1962, 187f.; Seelmann , ZStW 89 (1977), 36, 39; Stratenwerth, Strafrecht AT I, § 9 Rn. 82; TröndlelFischer, StGB, § 32 Rn. 19; Wessels/Beulke, Strafrecht AT, Rn. 344.

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1. Teil: Grundprinzipien der Notwehr

ne Persönlichkeitsrecht, welches bei der Notwehr in Frage steht, fußt auf der gegenseitigen Akzeptanz der Rechtsadressaten als Persönlichkeit. Diese Anerkennung ist zwar auch Schuldlosen zu zollen, sie selbst sind aber nicht in der Lage, ihrerseits dem anderen die geschuldete Achtung zu gewähren 260. Ihre Fähigkeiten dazu sind von vornherein eingeschränkt. Dessen ist sich auch die von ihnen angegriffene Person bewusst. Sein Persönlichkeitsrecht kann von diesen Menschen nicht in dem Maße verletzt werden, wie dies von voll autonomen Personen möglich ist 261 . Angegriffener und Schuldloser begegnen sich nicht auf gleicher Ebene, ein Schuldloser vermag den anderen als Persönlichkeit nicht in Frage zu stellen. Folglich ist das Persönlichkeitsrecht ein nicht mit zu berücksichtigender Wert im Notwehrkonflikt. Es stehen sich nur die konkret betroffenen Individualrechtsgüter gegenüber. Die Lage ähnelt damit der des Notstandes, wobei zu veranschlagen ist, dass vom Schuldlosen die Gefahren ausgehen. Aus der Vergleichbarkeit der Situation mit der des Defensivnotstandes ergibt sich zunächst, dass dem Angegriffenen ein Ausweichen angesonnen werden kann. Ist dies zum Schutze seiner Rechtsgüter nicht möglich, darf er zwar von der Schutz- zur Trutzwehr übergehen, ist aber im Maß der Verteidigung auf die Proportionalität der Güter im Sinne des § 228 BGB festgelegt. Das bedeutet, er kann seine Interessen soweit verteidigen als der angerichtete Schaden beim Schuldlosen nicht außer Verhältnis zum erzielten Vorteil beim Angegriffenen steht. Auch die Einschränkungen bei der Verteidigung ganz geringwertiger Sachen lassen sich aus dem hier bevorzugten Erklärungsmodell herleiten. Man muss sich nochmals vergegenwärtigen, dass beim Notwehrkonflikt eine Persönlichkeitsverletzung vermittelt über das konkret betroffene Individualrechtsgut im Raum steht. Hat jenes einen unbedeutenden Wert ist zugleich seine Relevanz für die Entfaltung der Persönlichkeit entsprechend vermindert. Je weiter die konkret betroffenen Individualinteressen vom Kernbereich der Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten der Person entfernt sind, desto unmaßgeblicher wird letztlich der Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht selbst. Sind damit sowohl individuell konkret betroffenes Rechtsgut als auch Persönlichkeitsrecht als so geringfügig anzusehen, dass sie selbst in ihrer Summe das Interesse des Angreifers nicht überwiegen können, darf die Notwehr nicht in voller Stärke ausgeübt werden. Notwehreinschränkungen sind die notwendige Folge. Bei der Abwehr eines vom Angegriffenen selbst veranlassten Angriffs liegen die Dinge komplizierter. Zunächst gilt es zwei Konstellationen zu unterscheiden: einmal die absichtlich oder vorsätzlich schuldhaft herbeigeführte Notwehrlage und zum anderen den sonst verschuldeten Angriff. 260

Pawlik, ZStW 114 (2002), 259, 274f.; vgl. auch BayObLG, StV 1999, 147: „Grundgedanke der Einschränkung des Notwehrrechts ist, daß dem Angreifer in derartigen Konstellationen (Anmerkung Verfasserin: es geht um Angriffe Betrunkener) regelmäßig das Bewußtsein fehlt, gegenseitige Anerkennung als Grundlage des Rechtsverhältnisses zu negieren." 261 Ähnlich Kioupis, Notwehr, S.78.

§ 3 Individualistische Notwehrkonzeptionen

65

Bei der ersten Fallgruppe ist zu berücksichtigen, dass das Vorgehen des Angreifers dem Angegriffenen letztlich gerade nicht unerwünscht, sondern höchst willkommen ist. Das war das erstrebte Ziel seiner Provokation. Somit liegt durch das rechtswidrige Handeln des Täters keine Persönlichkeitsverletzung des Provokateurs vor. Vielmehr realisiert sich sein Gesamtplan; das Geschehen ist also durch die Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts gezeichnet. Damit kann er sich nicht auf die Verletzung seiner Autonomie berufen 262. Im Notwehrkonflikt verbleiben lediglich seine konkret betroffenen Individualrechtsgüter. Wiederum ähnelt die Lage damit auf den ersten Blick der des Defensivnotstandes. Allerdings besteht hier anders als bei der oben behandelten Fallgruppe der Angriffe Schuldloser die Besonderheit, dass der Angegriffene durch seine Provokation den Konflikt mitverschuldet hat. Die Verantwortung des Provokateurs für die Situation trifft mit der Zuständigkeit des Eingriffsopfers, begründet durch dessen rechtswidrigen Angriff, zusammen. In einer solchen Konstellation demjenigen, der für die Gefahr ebenfalls verantwortlich ist, die Befugnisse im defensiven Notstand ungeschmälert zukommen zu lassen, erscheint nicht angemessen263. Man kann argumentieren, dass sich die beiderseitige Beteiligung an der Herbeiführung der Rechtsgutsgefahren aufhebe 264. Dann gelangt man letztlich zu einer Situation ähnlich der des Aggressivnotstandes. Der Provokateur muss zu seiner Rechtfertigung ein wesentlich überwiegendes Individualinteresse auf seiner Seite geltend machen können. Bei den in sonstiger Weise verschuldeten Notwehrfällen kann von einer derartigen Realisierung selbst wahrgenommener Autonomie keine Rede sein. Der Betroffene hat die Veranlassung eines anderen zu einem rechtswidrigen Vorgehen gegen ihn gerade nicht vorhergesehen, es entsprach nicht einem selbstbestimmten Gesamtplan. Er hat keine Situation manipuliert und wird von der Entwicklung ebenso überrascht, wie jedes anderen Angriffsopfer. Folglich kann er sich auf die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts berufen. Für eine Einschränkung des Notwehrrechts besteht kein Bedarf.

262 263 264

5 Kroß

Kioupis , Notwehr, S. 81; Wagner, Notwehrbegründung, S.71. Eue , JZ 1990, 765 ff.; Küpper , JuS 1990, 184, 188. Kühl , Strafrecht AT, § 8 Rn. 143.

2. Teil

Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB § 1 Einwände gegen Notwehr bei Schweigegelderpressungen Bevor die eigentlichen Notwehrvoraussetzungen im Mittelpunkt der Arbeit stehen, sind Bedenken auszuräumen, die quasi von vornherein gegen die Zulassung einer Verteidigung gem. § 32 StGB wider Angriffen, die aus der Androhung der Offenbarung eines Geheimnisses bestehen, erhoben werden könnten. Um die Besonderheit der zu bearbeitenden Fallkonstellationen nicht aus den Augen zu verlieren, sei darauf hingewiesen, dass drei Sachverhalte gedanklich auseinander zu halten sind. Der möglicherweise notwehrauslösende Angriff besteht zunächst einmal grob gekennzeichnet in der Inaussichtstellung eines Übels, um einen Vermögens vorteil zu erlangen. Damit ist bei entsprechenden Gegenmaßnahmen also der Bereich von Notwehr gegen Erpressungen 1 angesprochen. Allerdings ist die Besonderheit, dass das in Aussicht gestellte Übel nicht „lediglich" ein Nachteil für Leib, Leben oder Eigentum, sondern die Offenbarung von Tatsachen ist, welche für den Betroffenen mehr oder weniger einschneidende Veränderungen in seiner persönlichen Sphäre mit sich bringen 2. Der Täter benutzt unmoralisches3, gesellschaftlich geächtetes4 oder strafbares 5 Verhalten des Opfers als Druckmittel und verwirklicht so mit seiner Handlung eine bestimmte Form der Erpressung, die sogenannte Chantage6 bzw. 1 Ob es sich in jedem Fall der hier besprochenen Sachverhaltskonstellationen der angedrohten Enthüllung kompromittierender Tatsachen zur Erlangung eines Vermögens Vorteils tatsächlich tatbestandsmäßig um eine Erpressung handelt, sei einer Erörterung an späterer Stelle vorbehalten. 2 Zu den Anwendungsfeldem dieser Form der Erpressung ausführlich Krause, FS Spendel, S. 547 ff. 3 Siehe dazu: BGH, NJW 1993, 1484f. - außerehelicher Geschlechtsverkehr. 4 Bsp. dazu bei: Hoffmann, Kriminalistik 1976, 364, 366 - homosexuelle und unzüchtige Handlungen; Amelung, GA 1982, 381 f. - Erpressung des ehemaligen britischen Parteiführers Jeremy Thorpe mit der Drohung, die homosexuelle Beziehung an die Öffentlichkeit zu bringen. 5 Bsp. dazu bei: Novoselec, NStZ 1997, 218 - bewaffneter Raubüberfall auf einen Werttransporter. 6 RGSt 64,379, 381; Arzt/Weber, Strafrecht BT, § 18 Rn. 20; Engelhard, Chantage-Problem, S. 1; Günther, SK-StGB, §32 Rn.77, §253 Rn.37f.; Herdegen, LK-StGB, §253 Rn.4, 25; Krause, MschrKrim 1969, 214.

§ 1 Einwände gegen Notwehr bei Schweigegelderpressungen

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Schweigegelderpressung 7 . Das Gegenstück dieser ist die Bedrohungserpressung 8 , bei welcher meistens Straftaten des Erpressers (man denke an Mord oder Brandstiftung) in Aussicht gestellt werden 9 . Nach dem Strafgesetzbuch sind beide Konstellationen, anders als zum Beispiel i m französischen 10 , im älteren schweizerischen 11 oder im kroatischen Recht 1 2 von einer Norm (§ 253 StGB) ohne besondere Hervorhebung der Chantage erfasst. Die tatbestandsmäßige Gleichschaltung von Schweigegeld- und Bedrohungserpressung i m deutschen Recht darf nicht zu der Annahme verleiten, auch die Lösung der Notwehrproblematik bei derartigen Erpressungsversuchen ließe sich auf vollkommen identischem Wege erzielen. In Bezug auf eine Rechtfertigung gem. § 32 StGB unterscheiden sich die Fälle in einem Punkt erheblich 1 3 . Abgesehen von Vermögen und Willensfreiheit sind mit dem angekündigten Übel völlig verschiedene Interessen angesprochen, die neben den genannten ebenfalls mit der Abwehr wahrgenommen werden sollen. Geht es bei der Bedrohungser7 Diese Form der Erpressung wird auch als „ausbeuterische Erpressung" bezeichnet. Vgl.: Blume!Fuhrmann!Grimme!Sindberg, Kriminalistik 1992, 555; GroßIGeerds, Kriminalistik, Bd. I, S. 295; Kaiser, Kriminologie, § 60 Rn. 8. 8 Blume!Fuhrmann!Grimme!Sindberg, Kriminalistik 1992, 555; GroßIGeerds, Kriminalistik, Bd. I, S.295; Krause, FS Spendel, S.547 Fn.2; Schima, Erpressung, S. 106, 116. 9 Für das Vorkommen beider Formen der Erpressung in der Praxis gilt: Ein Viertel aller Fälle entfällt auf die Erpressung mit der Androhung einer eigenen Straftat des Erpressers und drei Viertel entfallen auf die sogenannte Schweigegelderpressung. Vgl.: Blume!Fuhrmann! Grimme/Sindberg, Kriminalistik 1992,555; Kaiser, Kriminologie, §60Rn. 10; Maurach!Schroeder! Maiwald, Strafrecht BT 1, §42 Rn. 15. 10 Art.312 -1 Code penal : Räuberische Erpressung begeht, wer durch Gewalt, Drohung mit Gewalt oder durch Zwang eine Unterschrift, eine Verpflichtung oder einen Verzicht, die Offenbarung eines Geheimnisses oder die Übergabe von Geld, Wertgegenständen oder irgendeinem Vermögensgut erwirkt. Art.312 -10 Code penal. Erpressung begeht, wer durch die Drohung, ehrenrührige oder rufschädigende Tatsachen zu offenbaren oder jemanden anzulasten, entweder eine Unterschrift, eine Verpflichtung oder einen Verzicht oder die Offenbarung eines Geheimnisses oder die Übergabe von Geld, Wertgegenständen oder irgendeinem Vermögensgut erwirkt. 11 Art. 156 Ziff. 1 SchwStGB in der Fassung bis zum 1.1.1995:1. Wer jemanden durch Gewalt oder schwere Drohung, oder nachdem er ihn auf andere Weise zum Widerstand unfähig gemacht hat, nötigt, ihm oder einem anderen einen unrechtmäßigen Vermögensvorteil zu gewähren, wer jemanden durch die Ankündigung, er werde etwas bekanntmachen, anzeigen oder verraten, was ihm oder einer ihm nahestehenden Person nachteilig ist, veranlaßt, sein Schweigen durch Vermögensleistungen zu erkaufen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis bestraft. Mit der Freiheitsstrafe kann Buße verbunden werden. 12 Art. 140 StG RK: „Wer in der Absicht, sich oder einem anderen einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, einen anderen durch Gewalt oder ernsthafte Drohung nötigt, etwas zum Nachteil des eigenen oder fremden Vermögens zu tun oder zu unterlassen, wird mit Gefängnis von 3 Monaten bis zu 5 Jahren bestraft." Art. 141 StG RK: „Wer in der Absicht, sich oder einem anderen einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, einen anderen durch Drohung, über ihn oder einen ihm Nahestehenden etwas, das für Ehre und Würde zum Nachteil gereichen kann, zu offenbaren, nötigt, zum Nachteil des eigenen oder fremden Vermögens etwas zu tun oder zu unterlassen, wird mit Gefängnis von 3 Monaten bis zu 5 Jahren bestraft." 13 So auch Novoselec, NStZ 1997, 218f.

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

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pressung um die Abwendung von Schäden körperlicher (Leib, Leben) oder materieller Art (Besitz, Eigentum), spielt bei der Schweigegelderpressung das Bedürfnis des Betroffenen an der Geheimhaltung bestimmter für ihn im Hinblick auf Ehre, Familie, Beruf, Unbescholtenheit etc. nachteiliger Tatsachen eine wesentliche Rolle. Innerhalb dieser Gruppe wiederum nimmt die Androhung der Offenbarung einer vom Bedrohten begangenen Straftat einen Sonderplatz ein, ist hier doch das primäre Handlungsmotiv, von - berechtigter - Strafverfolgung verschont zu bleiben. Während der mit der Begehung einer gegen ihn gerichteten Straftat Bedrängte sich im Regelfall mit einem Gang zur Polizei nichts vergibt, sondern ganz im Gegenteil damit rechnen kann, dass dies der einzig Erfolg versprechende Weg zur Aufhaltung des Erpressers und damit zur Wahrung seiner Rechtsgüter ist, stellt sich für das Chantageopfer die Lage anders dar. Im Regelfall scheut es hier häufig die Einschaltung staatlicher Organe in die Abwehr des Chantage-Angriffs, muss es doch bei einer Einbeziehung polizeilicher Hilfe mit der Aufdeckung des gehüteten Geheimnisses und den sich daran anknüpfenden, mehr oder weniger weit reichenden Unannehmlichkeiten rechnen. Das Bedürfnis, staatliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen, hält sich in solchen Fällen infolgedessen in Grenzen. Viel stärker als bei der Bedrohungserpressung wird der mit der angedrohten Enthüllung kompromittierenden Verhaltens unter Druck Gesetzte versuchen, den Erpresser im Alleingang auszuschalten. Das Problematische daran ist, dass der Bedrohte die Verteidigung aus Furcht vor Bloßstellung nicht für Außenstehende erkennbar gestalten wird. Sämtliche Abwehrhandlungen müssen aus seiner Sicht im Dunklen und Verborgenen stattfinden. Ansonsten hätte er aufgrund der nach außen wahrnehmbaren Verwirklichung von Tatbeständen mit strafrechtlichen Ermittlungen zu rechnen. Im Rahmen dieser wäre er dann zu seiner Rechtfertigung gezwungen, die Erpressung und eben auch das angedrohte Übel zu offenbaren. Daran aber ist ihm nicht gelegen. Sollte ihm dies dagegen gleichgültig sein, wäre für ihn kein Grund ersichtlich, sich nicht an die Behörden zur Abwehr der Erpressung zu wenden. Hat er an der Geheimhaltung generell kein Interesse, muss er sich dies bereits bei der Auswahl des mildesten Mittels entgegenhalten lassen. Billigt man dem Erpressten also das Bedürfnis nach Geheimhaltung des kompromittierenden Verhaltens zu, stellt sich die Frage, ob der dann - aus der Sicht des Betroffenen - notwendige Kampf im Geheimen von vornherein gegen die Zulassung einer Notwehr spricht. Auf ein Weiteres ist hinzuweisen: Bei einer Verteidigung gegen die angedrohte Offenbarung einer Straftat handelt der solchermaßen unter Druck Gesetzte, um ein berechtigtes Strafverfahren zu verhindern. Diesem Motiv spricht Novoselec den Status eines schutzwürdigen Interesses ab14. Er folgert dann, dass, da kein schutzwürdiges Interesse gegeben sei, die Zulassung der Notwehr die Rechtsordnung in ihrem 14

In: NStZ 1997,218,220.

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Wesen in Frage stellen würde . Zwar würdigt Novoselec den angeführten Gesichtspunkt unter dem Aspekt des Rechtsbewährungsprinzips 16. Trotzdem ist auch nach der hier befürworteten Notwehrkonzeption 17 auf den Einwand einzugehen. Denn auch eine rein individualistisch fundierte Notwehr muss sich an die Maßstäbe halten, welche die Rechtsordnung verbindlich für alle aufgestellt hat. Es kann nicht eine Notwehr erlaubt sein, die geeignet ist, Verbindlichkeiten des Rechts zu negieren. Schließlich ist für die zuletzt angesprochene Fallgruppe der angedrohten Anzeige einer Straftat die Wirkung des § 154 c StPO zu klären. Die Norm führen einige18 als Wertentscheidung des Gesetzgebers gegen die Zulassung der Notwehr an. Dies gilt es zu hinterfragen. Am Ende des Abschnitts wird der Frage nachgegangen, ob kriminalpolitische Erwägungen einen Ausschluss der Notwehr begründen können.

A. Heimlichkeit der Notwehr Die Heimlichkeit, mit der die Abwehrhandlung zur Wahrung des kompromittierenden Geheimnisses vollzogen werden muss, hat manchen Autor veranlasst, dem Erpressungsopfer ein Notwehrrecht ganz oder teilweise abzusprechen. Esfinden sich die Ausführungen, dass von der Rechtsordnung ein Kampf im Dunkeln nicht gebilligt werden könne19 oder, dass ein Selbsthilferecht, welches die Hilfe der Organe des Staates zu scheuen hat und begrifflich die Nothilfe eines Polizisten ausschließe, dogmatisch ein Unikum sei und nicht dem allgemeinen Rechtsgefühl entspreche20. Das grundsätzliche Unbehagen gegen eine heimliche Selbstverteidigung lässt sich mit einem Satz von Kant 21 zusammenfassen: „Alle auf das Recht anderer bezogene Handlungen, deren Maxime sich nicht mit der Publizität verträgt, sind unrecht." Es ist zu prüfen, ob diese These auch für die Notwehrproblematik Geltung beanspruchen kann.

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In: NStZ 1997, 218, 220. In: NStZ 1997,218,220. 17 Vgl. dazu die Ausführungen im Text 1. Teil, § 3 G. Arzt , MDR 1965, 344f.; Arzt/Weber , Strafrecht BT, § 18 Rn.20; Baumann, MDR 1965, 346. 19 Amelung, NStZ 1998, 70f.; Arzt, MDR 1965, 344f.; Fuchs, Notwehr, S. 115f. 20 Arzt, MDR 1965, 344f.; ders., JZ 1973, 506, 508 Fn. 19. 21 Zum ewigen Frieden, Anh. II. 16

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

I. Die Auffassung Amelungs Ausdrücklicher Anhänger der These Kants ist Amelung 22. In seiner grundlegenden Arbeit aus dem Jahre 198223 entwickelt er für das Problem der Notwehr gegen die erpresserische Androhung kompromittierender Enthüllungen eine Lösung, die sich an der genannten Maxime orientiert 24. Amelung 25 unterteilt die denkbaren heimlichen Reaktionen des Betroffenen gegen die erpresserische Androhung kompromittierender Enthüllungen in zwei Gruppen. Die eine erfasst solche Verteidigungsmaßnahmen, bei denen dem isolierten Handlungsakt trotz der heimlichen Vorgehensweise das Risiko immanent ist, als solcher erkannt zu werden. Der Erfolg wird als - scheinbarer - Rechtsbruch in der Außenwelt sichtbar. Demgegenüber stehen Abwehrhandlungen, die faktisch besonders gut gegen die Kenntnisnahme und Fehldeutungen durch unbeteiligte Dritte gesichert sind. Eine Wahrnehmung der Vorgänge außerhalb der Zweierbeziehung Erpresser - Erpresster ist hier nahezu ausgeschlossen. Zu den erstgenannten gehören nach ihm vor allem die gewaltsamen Selbsthilfehandlungen des Erpressten, während die zweite Gruppe insbesondere die Akte „kommunikativer Gegenwehr" 26 bzw. der „Fixierung des Erpresserverhaltens" ausmachen. Für die erste Verteidigungskonstellation nennt Amelung als Beispiele die Tötung des Erpressers oder einen Einbruch bei diesem, um belastendes Material zu finden. Da die Taten im Verborgenen geschehen müssten, die Verteidigungshandlung also so anzulegen sei, dass sie nicht als „Notwehr" erkennbar wird und der Erpresste auch im Nachhinein das, was den Rechtsgenossen als schwerer Rechtsbruch erscheint, als solchen bestehen lassen müsste, haben derartige Maßnahmen aufgrund der ihnen - nach Amelung zukommenden27 - immanenten Gefahr faktischer Kenntnisnahme rechtserschütternde Wirkung 28 . Anders als in den Normalfällen der Notwehr stärken diese Abwehrreaktionen, deren Anlass im Dunkeln bleibt, nicht das Vertrauen in die Geltung des Rechts, sondern wecken im Gegenteil Zweifel an seiner Wirksamkeit 29. Von einem dualistischen Notwehrmodell ausgehend30 spricht 22

In: NStZ 1998, 70f. In: GA 1982, 381 ff., 391 ff. 24 Zwar taucht die ausdrückliche Berufung auf den Satz Kant's erst in dem Aufsatz aus dem Jahre 1998 auf, nichtsdestotrotz ist er indirekt auch für die Ausführungen aus dem Jahre 1982 maßgebend. 25 In: GA 1982, 381, 392ff., 397ff.; NStZ 1997, 70f. 26 Amelung umfasst mit diesem Begriff die Täuschungen und Drohungen zum Zwecke der Herausgabe belastender Unterlagen. Vgl. GA 1982, 381, 398. 27 In: GA 1982, 381, 393; NStZ 1997, 70f. 28 Vgl. auch Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn. 89. 29 Insoweit zustimmend Wagner, Notwehrbegründung, S.75 Fn.49. 30 In: GA 1982, 381, 392f; NStZ 1997, 70f. 23

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Amelung derartigen rechtserschütternden heimlichen Selbsthilfehandlungen eine rechtsbestätigende Wirkung weitestgehend ab 31 . Vielmehr widersprächen sie sogar dem Notwehrzweck der Rechtsbewährung32 und können infolgedessen nicht zulässig sein33. Anders sei dies aber bei den gewaltlosen Selbsthilfehandlungen der „kommunikativen Gegenwehr" bzw. der „Fixierung des Erpresserverhaltens". Diese sind so konzipiert, dass Erpresser und Erpresster unter sich bleiben. Als ein anschauliches Beispiel dafür führt Amelung die heimliche Aufnahme telefonischer Anrufe des Erpressers an34. Da diese sowohl faktisch als auch rechtlich durch Schutzzonen wie das Hausrecht und den Gewahrsam an den Aufnahmen gegen die Wahrnehmung und Fehldeutung durch Unbeteiligte besonders gesichert sind, sei die Gefahr der Erschütterung des Rechtsvertrauens Dritter hier ungleich geringer zu veranschlagen als bei heimlicher Gewalt35. Dem geringfügigen Risiko, das verbleibe, stehe die Gewissheit gegenüber, dass das Recht für den Erpresser erkennbar bestätigt wird 36 . Die Spannungen der Abwehrhandlung zum Rechtsbewährungsprinzip bewegten sich deshalb gegen Null 37 . Aufgrund dessen könnten derartige Selbstverteidigungsmaßnahmen des Erpressten hingenommen werden. II. Stellungnahme 1. Historische Rechtslage Ein Blick auf die historischen Wurzeln der Notwehr scheint die Lösung Arnelungs , welche in Anspruch nimmt, das grundsätzliche Unbehagen gegen eine heimliche Notwehrhandlung auf einen rechtlichen Begriff zu bringen 38, zu festigen. Die Abneigung gegen eine im Verborgenen stattfindende Selbsthilfe ist alt. Bereits das dem Rachegedanken entstammende archaische Recht zur Tötung des auf handhafter Tat betroffenen Angreifers, das oftmals als Vorläufer des Notwehrrechts erachtet wird 39 , sah vor, dass die Tötung mittels Erhebung von Geschrei, dem 31

In: GA 1982, 381, 393; ebenso Sternberg-Lieben , JA 1996, 299, 303. Amelung , NStZ 1997,70f.; ebenso Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn. 89; Sternberg-Lieben , JA 1996,299,303; ähnlich auch Gropp , Strafrecht AT, § 6 Rn. 88: Epresster ist kein glaubwürdiger Verteidiger der Rechtsordnung; kritisch Spendet , LK-StGB, § 32 Rn. 134, Fn. 269: Argumentation über das Rechtsbewährungsprinzip ist eine abzulehnende Konstruktion. 33 Die Lösung siedelt Amelung bei dem Notwehrmerkmal der Gebotenheit an. Vgl.: GA 1982, 381, 391; NStZ 1997, 70f. 34 In: GA 1982, 381,400. 35 In: GA 1982, 381,401. 36 In: GA 1982, 381,398. 37 In: GA 1982, 381,398. 38 Vgl. in GA 1982, 381,393. 39 Mayen Strafrecht AT (1967),§2211 b; Spendet, LK-StGB, §32 Rn. 18. 32

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

sogenannten „Gerüfte" offenbart werden musste40. Diese Verklarungspflicht findet sich ebenfalls in dem aus dem 5. Jh. v. Chr. stammenden-Zwölftafelgesetz. Danach war es erlaubt, den auf frischer Tat betroffenen nächtlichen Dieb zu töten; doch musste dies mit lautem Geschrei kundgetan werden 41. Daneben war es gestattet, den bei Tage ergriffenen Dieb zu erschlagen, wenn er sich bewaffnet zur Wehr setzte, wobei hier auch die Kundgabe mit Geschrei nötig war 42 . Und gleichfalls sind aus dem Mittelalter Verklarungsregeln bekannt. Eike von Repgow's Sachsenspiegel (erstes Drittel des 13. Jh.) bestimmte in Ziff. II 1443, dass straf- und bußgeldlos die Tötung in Notwehr zur Rettung aus Not nur dann war, wenn der in Notwehr Handelnde bei dem Leichnam blieb, um ihn vor Gericht zu bringen 44. Selbst im 19. Jh. haben noch viele Gesetzbücher {Art. 136 Bayrisches Strafgesetzbuch (1813)45; Art. 105 Strafgesetzbuch für das Königreich Württemberg (1839); § 168 CriminalGesetz-Buch für das Herzogthum Braunschweig (1840); Art. 81 Criminalgesetzbuch für das Königreich Hannover (1840)} eine Pflicht des Notwehrübenden zur Anzeige von der Tötung des Angreifers vorgesehen46. Der kurze Blick in die Geschichte macht zweierlei deutlich: Es gab zum einen das Prinzip, dass bereits die Verteidigungshandlung selbst offen wahrnehmbar durch andere vorgenommen werden musste. Zu diesem Zweck war bei der Tötung Geschrei zu erheben. Und es existierte der Gedanke, die Tat jedenfalls nach der Abwehrhandlung, zu offenbaren - durch Verharren beim Leichnam, um ihn vor Gericht zu bringen oder durch die Pflicht zur Anzeige der Tötung. Mit beiden Aspekten dieser sogenannten Verklarung 47 kollidieren die hier thematisierten Notwehrhandlungen. Die private Verteidigung selbst muss im Gehei^ Krey, JZ 1979, S.702f. 41 Günther, SK-StGB, §32 Rn.77; Krey, JZ 1979, 702f.; Stiller, Grenzen, S.9. 42 Krey, JZ 1979, 702 f. 43 „Schlägt ein Mann einen andern in der Not zu Tode und wagt es nicht, aus Angst für sein Leben, bei ihm zu bleiben, damit er ihn vor Gericht bringe und über ihn richte; und kommt nun ohne den Toten vor Gericht und bekennt es und bietet sich darum zu Recht, so soll man ihm sein Leben darum nicht aberkennen. Dem Richter soll man... Bußgeld... zuerkennen und den Verwandten ihr Wergeld..." Der Originaltext ist bei Schmidt, Strafrechtspflege, S.75 wiedergegeben. Die hier zitierte Fassung in Neuhochdeutsch ist Keller, Notwehr, S.4f. entnommen. 44 Krey, JZ 1979, 702, 704; Oetker, VDA Bd. II, S.255, 297. 45 Art. 136 [Anzeigepflicht bei Notwehr] Wer in Nothwehr einen Anderen verwundet oder getödtet hat, ist schuldig, den Vorfall der nächsten Obrigkeit schleunigst anzuzeigen. Wer dies unterläßt, oder gar den Vorfall zu verheimlichen trachtet, hat, wenngleich nachher der gefährliche Angriff des Andern erwiesen worden, dennoch die Vermuthung überschrittener Nothwehr wider sich. Ergiebt die Untersuchung das Gegentheil dieser Vermuthung, so soll derselbe zwar in Ansehung der Verwundung oder Tödtung losgesprochen; jedoch wegen der Verheimlichung oder der unterlassenen Anzeige zu viertägigem bis einmonatlichem Gefängnisse verurtheilt werden. Zit. nach Buschmann, Textbuch, S.476. 46 Oetker, VDA Bd.II, S.255, 297. 47 Zu diesem Institut siehe auch: Amelung, GA 1982, 381, 403.

§ 1 Einwände gegen Notwehr bei Schweigegelderpressungen

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men erfolgen und auch eine nachträgliche Offenbarung kommt ernstlich nicht in Betracht. Aber um aus dem geschichtlich begründeten Widerwillen ein allgemeines Prinzip gegen die Zulassung einer heimlich stattfindenden Notwehr herleiten zu können, fragt sich, wie viel von dem historischen Wurzelwerk heute überhaupt noch vorhanden ist.

2. Aktuelle Rechtslage Ein Blick auf die Rechtfertigungsgründe zeigt, dass es eine Pflicht zur Verklarung der Nothandlung heute nicht mehr gibt. Vom Betroffenen, der sich in einer Notlage befindet, wird nicht verlangt, Maßnahmen vorzunehmen, die zur Aufdeckung der Situation und seiner Verteidigungshandlung führen. Von einem derartigen Erfordernis hat sich das Recht schon sehr lange verabschiedet. Etwas jünger ist die Streichung solcher Verklarungsregeln, welche nach einer Notwehrtat die Anzeige von der Tötung des Angreifers vorsahen. Erst durch den Erlass des RStrGB wurden solche in den Landesrechten verankerte Bestimmungen48 beseitigt49. Aus der gänzlichen Aufhebung der Verklarungspflicht wird mehrheitlich 50 die Konsequenz gezogen, dass eine Notwehrrechtfertigung heute nicht mehr daran scheitern kann, dass der Täter seine Abwehrhandlung im Stillen und Geheimen vornimmt oder nach ihrer Beendigung Dritte nicht über die Tat informiert. Abgesehen von der hier problematisierten Fallgruppe des Widerstandes gegen einen Chantageversuch vertrete man auch in sonstigen Fällen nicht, Straflosigkeit wegen Notwehr setze voraus, dass der Angegriffene seine Abwehr wahrnehmbar durch andere gestalte oder zumindest im Nachhinein die Tat und ihren Anlass offenbare 51. Eine zur Abwendung eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs notwendige Verletzung von Rechtsgütern des Angreifers bleibe auch dann gem. § 32 StGB gerechtfertigt, wenn die Notwehrhandlung als solche von Dritten unbeobachtet vonstatten geht, wenn lediglich der Erfolg der Handlung wahrgenommen wird und wenn sich dieser für unbeteiligte Dritte mangels Kenntnis der Tatumstände und des -grundes dann als Erfolg eines Rechtsbruchs darstellt 52. Der bloße Anschein eines Rechtsbruchs könne eine Beschränkung oder einen Ausschluss des Notwehrrechts nicht rechtferti48 Art. 136 Bayerisches Strafgesetzbuch (1813); Art. 105 Strafgesetzbuch für das Königreich Württemberg (1839); § 168 Criminal-Gesetz-Buch für das Herzogthum Braunschweig (1840), Art. 81 Criminalgesetzbuch für das Königreich Hannover (1840). 49 Oetker, VDA Bd.II, S.255, 297. 50 Eggert, NStZ 2001, 225, 229; Günther, SK-StGB, §32 Rn.77; Haug, MDR 1964, 548, 552; Novoselec, NStZ 1997, 218, 220; Wagner, Notwehrbegründung, S.74 Fn.49; zweifelnd Jakobs, Strafrecht AT, 12. Abschn. Fn.49. 51 Eggert, NStZ 2001, 225, 229; Günther, SK-StGB, §32 Rn.77. 52 Eggert, NStZ 2001, 225, 229.

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB 53

gen . Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Ob eine Tat durch Notwehr gerechtfertigt ist, ist eine Frage rein normativer Natur und unabhängig davon, ob zum Beispiel die Leiche des Angreifers gefunden und ein staatliches Verfahren eingeleitet wird. Auch wenn nach einer Tat, die von den in § 32 StGB normierten Voraussetzungen gedeckt ist, niemals ein förmliches Verfahren stattfindet und mit der Feststellung „gerechtfertigt wegen Notwehr" endet, ist die Tat aufgrund der Regelung des § 32 StGB kein Unrecht 54. Wenn Amelung 55 trotz der geschilderten aktuellen Rechtslage behauptet, auch heute noch sei dem Notwehrrecht das Institut der Verklarung immanent, postuliert er eine Bedingung zur Rechtfertigung, die sich im Wörtlaut des § 32 StGB nicht wiederfindet. Er reduziert den Anwendungsbereich der Norm zu Lasten des Notwehrtäters und verstößt damit gegen Art. 103 Abs. 2 GG.

3. Einwände speziell gegen die Lösung Amelungs Abgesehen von den grundsätzlichen Bedenken gegen eine dualistische Interpretation der Notwehr 56 und die unter Rückgriff auf dieses Fundament zu erzielenden Resultate57 vermag die Lösung Amelungs auch bei Zugrundelegung eines solchen Verständnisses nicht zu überzeugen. Auffallend ist zunächst, dass Amelung zwar prinzipiell gegen heimliche Selbstverteidigungsakte Unbehagen hegt, dieses aber dann gänzlich ablegt, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die so sehr im Verborgenen stattfinden, dass - nach seiner Sicht - die Gefahr einer Wahrnehmung durch Unbeteiligte nahezu ausgeschlossen ist. Mangels Kenntnisnahme durch Dritte komme es namentlich in den Fällen der „kommunikativen Gegenwehr" und der „Fixierung des Erpresserverhaltens" nicht zu einer Rechtserschütterung 58. Amelung übersieht, dass die Bevölkerung aber in diesen Sachverhalten auch nichts von einer Durchsetzung des Rechts gegen das Unrecht bemerkt und jedenfalls insofern eine Rechtsbewährung ebenso zweifelhaft erscheint59. Entscheidende Legitimation der Notwehrregelung soll nach seinem dua53

Eggert, NStZ 2001, 225, 229. Novoselec, NStZ 1997, 218, 220. 55 In: GA 1982, 381,403. 56 Vgl. dazu die Ausführungen im Text 1. Teil, § 1. 57 Die Unbestimmtheit des Rechtsbewährungsgedankens wird besonders deutlich, wenn Amelung (GA 1982, 381, 390 Fn.45 a, 394) unter Berufung auf das Rechtsbewährungsprinzip den Hausfriedensbruch wegen der mit ihm einhergehenden generellen Rechtserschütterung als nicht durch Notwehr gerechtfertigt ansieht, während Roxin (Strafrecht AT I, § 15 Rn. 90) und Sternberg-Lieben (JA 1996, 299, 303) unter Zugrundelegung des gleichen Prinzips zum gegenteiligen Ergebnis gelangen; vgl. dazu auch: Lenckner/Perron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn. 18; Wagner, Notwehrbegründung, S.75 Fn.49. 58 In: GA 1982, 381,398,401. 59 Ähnlich Novoselec, NStZ 1997, 218, 220. 54

§ 1 Einwände gegen Notwehr bei Schweigegelderpressungen

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listischen Notwehrverständnis in überindividualistischer Hinsicht jedoch nicht die fehlende rechtserschütternde Wirkung der Verteidigungshandlung, sondern die mit ihr einhergehende Stärkung des Vertrauens der Rechtsgemeinschaft in die Geltung des Rechts sein60. Lässt man die Konstellationen der „kommunikativen Gegenwehr" und der „Fixierung des Erpresserverhaltens" einmal außer Betracht, laufen die Ausführungen Amelungs auf die Annahme hinaus, zu einer tatsächlichen Rechtsbewährung durch eine Verteidigungshandlung im Sinne einer Stärkung des Bewusstseins der Bürger von der Wirksamkeit des Rechts komme es nur bei einer offenkundigen Auseinandersetzung der Kontrahenten61. Dabei muss der Konflikt so gestaltet sein, dass der Anlass entweder sofort oder jedenfalls später erkennbar wird 62 . Zuzugeben ist Amelung , dass generalpräventive Auswirkungen von einem Kampf im Dunklen in der Tat nicht zu erwarten sind. Allerdings setzt sich auch hier gegebenenfalls das Recht gegen das vom Erpresser initiierte Unrecht durch und jedenfalls insofern verteidigt der Erpresste die Rechtsordnung63. Darüber hinaus kann auch einer Spezialprävention nicht das Wort geredet werden. Der Erpresser selbst vermag die Verteidigungshandlung mit dem vorangegangenen Rechtsbruch zu verknüpfen 64. Diese erkennbare Bestätigung des Rechts für den Erpresser führt Amelung bei den gewaltlosen Selbsthilfehandlungen als Argument dafür an, dass sich die Spannungen derartiger Maßnahmen zum Rechtsbewährungsprinzip gegen Null bewegen65. Bei den gewaltsamen Reaktionen des Erpressten dagegen zieht er die soeben noch als maßgeblich angeführte Schlussfolgerung nicht. Seine zur Begründung herangezogene Argumentation ist somit in sich nicht widerspruchsfrei. Die aufgezeigte Möglichkeit, auch bei einer heimlichen Notwehr Auswirkungen überindividualistischer Art begründen zu können, macht aber einmal mehr die Schrankenlosigkeit des überindividualistischen Aspekts deutlich66. Festgestellt werden kann jedoch, dass ein dualistisches Notwehrverständnis der Notwehrrechtfertigung von im Verborgenen stattfindenden Abwehrmaßnahmen nicht notgedrungen entgegensteht. Etwas pauschalisierend bedeutet Amelungs Lösungsvorschlag im Ergebnis, heimliche gewaltlose Selbstverteidigungsakte zuzulassen und gewaltsame zu ver60

In: GA 1982, 381, 392 f. Und zwar nach Amelungs Auffassung (GA 1982, 381, 392f.; NStZ 1997, 70f. Fn.9) bei einem Angriff gegen die empirische Geltung des Rechts, der nur als „offener" in Frage kommt (vgl. Hirsch , FS Dreher, S.211, 221) und bei der darauf erfolgenden offenkundigen Verteidigung. 62 Vgl. Amelung , GA 1982, 381, 392. 63 So auch Eggert , NStZ 2001, 225, 228. 64 Das bejaht Amelung, GA 1982, 381, 393 selbst. 65 In: GA 1982, 381,398. 66 Fuchs , Notwehr, S. 117 spricht zu Recht von einem nach Belieben einsetzbaren Instrument zur Begründung von Notwehreinschränkungen. 61

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

bieten. Damit koppelt er die Frage der Erlaubtheit privater Notwehr an die Frage der Gewalt67. Dieses ist unrichtig. Prinzipiell gestattet die Regelung des § 32 StGB zur Abwehr eines rechtswidrigen, gegenwärtigen Angriffs die Anwendung von Gewalt, wenn sie sich innerhalb des durch das Erforderlichkeitskriterium abgesteckten Bereiches bewegt. Die Rechtfertigung einer tatbestandsmäßigen Handlung hängt nicht davon ob, ob sie durch Gewalt gekennzeichnet ist, sondern für die Zulässigkeit der Gewaltausübung ist entscheidend, ob das Notwehrrecht vorliegt 68. In praktischer Hinsicht ist Folgendes einzuwenden: Eine absolute Abgrenzung solcher heimlicher Verteidigungsmaßnahmen mit rechtserschütternder Wirkung von solchen ohne erscheint nur schwer möglich. Auch gewaltsame Verteidigungshandlungen, bei denen Amelung von einem generellen rechtserschütternden Effekt ausgeht69, können - ähnlich wie die heimliche Tonbandaufnahme - so gestaltet sein, dass es allein bei der Auseinandersetzung zwischen Erpresstem und Erpresser bleibt und Dritte niemals und unter keinen Umständen von der gewalttätigen Verteidigung erfahren. Hier unter Berufung auf die dennoch stets denkbare Gefahr einer Kenntnisnahme durch Dritte eine Rechtserschütterung zu bejahen, hieße konsequenterweise von dem gleichen theoretischen Risiko bei den Akten „kommunikativer Gegenwehr" ober der „Fixierung des Erpresserverhaltens" auszugehen. Auch bei einer heimlichen Tonbandaufnahme ist zum Beispiel die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass Dritte den Aufnahmeakt als solchen ohne die weiterführende Kenntnis denkbarer rechtfertigender Umstände wahrnehmen, etwa durch bloße Beobachtung. Dies würde dann aber bedeuten, dass man in einem solchen Fall eine Rechtserschütterung ebenfalls bejahen müsste. Im Ergebnis läuft der Lösungsvorschlag Amelungs darauf hinaus, dass man in jedem einzelnen Fall fragen müsste, ob mit der vorgenommenen privaten Verteidigungshandlung eine rechtserschütternde Wirkung verbunden war oder nicht 70 . Allein letzterenfalls wäre nach diesem Standpunkt die eigenhändige Verteidigung trotz ihrer Heimlichkeit zulässig. Als Fazit bleibt also festzuhalten, dass die Heimlichkeit, mit welcher die private Angriffsabwehr erfolgen muss, nicht von vornherein gegen eine Notwehrrechtfertigung spricht 71. Wollte man für die offene Auseinandersetzung reden, hieße das schließlich nichts anderes als die Notwehr umzudeuten in ein Institut, durch welches Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass in einem Verfahren Zweifel daran bestehen, ob die als Notwehrtat geschilderte Handlung nicht in Wirklichkeit eine verbrecherische Gewalttat darstellt 72. 67

Novoselec, NStZ 1997, 218, 220. Novoselec, NStZ 1997, 218, 220. 69 In: GA 1982,381,393. 70 Wobei allerdings vollkommen ungeklärt ist, nach welchen Maßstäben eine Rechtserschütterung überhaupt messbar sein soll. Ebenso wenig wie eine Rechtsbewährung empirisch nachweisbar sein wird, dürfte dies bei einer Rechtserschütterung gelingen. 71 Im Ergebnis ebenso Wagner, Notwehrbegründung, S.75 Fn.49. 72 Vgl. auch Pitsounis, Modernes Strafrecht, S.227, 241 f. 68

§ 1 Einwände gegen Notwehr bei Schweigegelderpressungen

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B. Wesen der Rechtsordnung Nach Novoselec 73 hat das Chantage-Opfer nicht das Recht, eine legale Strafanzeigeerstattung und ein legales künftiges Strafverfahren zu vereiteln. Die Verhinderung strafrechtlicher Nachteile sei kein Rechtsgut, das einen Schutz durch Notwehr verdienen würde. Verteidigt sich der Betroffene, der mit der Ankündigung der Offenbarung einer Straftat erpresst wird, handele es sich nicht um einen Kampf des Rechts gegen das Unrecht. Vielmehr sei mangels notwehrfähigen Rechtsguts auf der Seite des Angegriffenen die Auseinandersetzung als Konflikt zweier Unrechte zu bezeichnen74. Dem Erpressten ein Notwehrrecht zu gewähren, hieße deshalb, die Rechtsordnung in ihrem Wesen in Frage zu stellen. Offen bleiben kann hier erst einmal, ob es sich bei dem Interesse, die Anzeige einer Straftat zu verhindern, tatsächlich um kein schutzwürdiges Motiv handelt. Dieser Frage wird unter dem Gesichtspunkt der notwehrfähigen Interessen die erforderliche Aufmerksamkeit zugewandt. Hier soll davon ausgegangen werden, dass das Interesse nicht schutzwürdig ist. Ist damit eine Aussage für das Notwehrrecht in dem allein relevanten Sachverhalt der Offenbarung einer Straftat getroffen? Dagegen spricht Folgendes: Es ist nicht nur dieses Interesse, welches der Angegriffene zu verteidigen sucht, sondern ebenso schützt er Willensfreiheit und Vermögen. Versagt man ihm aufgrund eines „verbotenen" Interesses auch die Verteidigung der anderen betroffenen Werte, stellt sich die Frage der Legitimation für deren Aufopferung. Im Falle der Schweigegelderpressung ist es also nicht nur ein „Unrecht" 75 , welches verteidigt wird, sondern daneben treten andere rechtlich geschützte Interessen. Die Aussage vom „Kampf zweier Unrechte" erfasst somit die Konfliktlage nicht vollständig. Aus diesem Grunde können aus ihr keine Auswirkungen für die thematisierte Notwehrkonstellation gewonnen werden. Im Übrigen kommt bei einem Dieb, der sich mit Mitteln der Notwehr gegen einen zweiten seiner Sorte verteidigt, niemand auf die Idee, Notwehr aus grundsätzlichen Erwägungen zu versagen. Dabei verfolgt auch der Dieb ein rechtlich missbilligtes Interesse, nämlich den Erhalt der gestohlenen Sachen. Ein zweiter Einwand richtet sich gegen die Gleichsetzung des Verhaltens des Erpressers mit dem Verteidigungshandeln seines Opfers. Mit der Charakterisierung der Auseinandersetzung als Konflikt zweier Unrechte stellt man die Gegenwehr des Opfers mit dem rechtswidrigen Handeln des Angreifers auf eine Stufe. Dabei wird zum einen die primäre Verantwortlichkeit für die Kollision der Rechtsgüter übergangen und zum anderen übersehen, dass der Angegriffene bei der Abwehr einer Erpressung auch rechtlich geschützte Interessen verteidigt. Qualitativ ist somit das bei einer Verteidigung möglicherweise gesetzte „Unrecht" des Chantage-Opfers ein an73

In: NStZ 1997,218,220. In: NStZ 1997, 218, 221. 75 Unterstellt sei an dieser Stelle, dass das in Frage stehende Interesse, strafrechtliche Ermittlungen abzuwenden, tatsächlich rechtlich nicht geschützt ist. 74

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

deres als das vom Angreifer verwirklichte, welches die Reaktionen des Angegriffenen erst provoziert hat. Letztlich muss auch die Argumentation, die Zubilligung eines Notwehrrechts würde die Rechtsordnung in ihrem Wesen in Frage stellen, Widerspruch erfahren. Es ist höchst unbestimmt, was das Wesen der Rechtsordnung ausmacht. Insofern kann die bloße Verwendung eines Schlagwortes keine tragfähige Begründung ersetzen.

C. Bedeutung des § 154c StPO Nunmehr stellt sich die Frage, ob die Existenz der Vorschrift des § 154 c StPO eine Entscheidung zu Lasten des Notwehrrechts des Erpressten beinhaltet. Nach § 154 c StPO kann die Staatsanwaltschaft für den Fall, dass jemand Opfer einer Nötigung oder Erpressung durch die Drohung, eine Straftat zu offenbaren, geworden ist, von der Verfolgung der Tat, deren Offenbarung angedroht worden ist, absehen. Voraussetzung ist allerdings, dass nicht wegen der Schwere der Tat eine Sühne unerlässlich ist. Die Vorschrift hat einige Autoren 76 zu der Auffassung veranlasst, der Gesetzgeber sei nicht von einem Notwehrrecht des mit der Enthüllung einer Straftat Erpressten ausgegangen und habe hierfür einen Ersatz geschaffen. Für den Betroffenen bedeute die Existenz des § 154 c StPO, dass ihm nur die Alternative zwischen Zahlung und Anzeige bleibe77. Es findet sich allerdings weder in der Literatur noch in den Gesetzesmaterialien ein Beleg für die These von der Ersetzung des - nicht gewünschten - Notwehrrechts durch die Regelung des § 154 c StPO. Als Grund für die Einführung des § 154 c StPO (vormals § 154 b StPO78) wird vielmehr angegeben, dass mit der Norm ein besseres Mittel zur Bekämpfung der Chantage geschaffen werden sollte79. Durch die Möglichkeit, Straffreiheit zu erlangen, wollte man die Anzeige- und Aufklärungsbereitschaft des Erpressten steigern 80. Man sah in dem Erpresser den schlimmeren Rechtsbrecher. Vor diesem kriminalpolitischen Hintergrund aber kann man auch an Stelle der Ersatzthese die - ebenso plausibel klingende - Behauptung vorbringen, neben dem Notwehrrecht sollte ein zweites Instrument im Kampf gegen das Erpressertum geschaffen werden, das insbesondere dann eingreift, wenn sich 76 Arzt, MDR 1965, 344f.; ders. JZ 2001, 1052f.; Arzt/Weber, Strafrecht BT, § 18 Rn. 20; Baumann, MDR 1965, 346. 77 Baumann, MDR 1965, 346. 78 Eingeführt durch Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Strafverfahrens und des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 28.6.1935 (RGB1.I, 846). 79 Vgl. zu § 154b StPO: Lehmann, DJ 1935,999,1004; Schlüter, JW 1935,2329,2331; vgl. zu § 154c StPO: Krause, FS Spendel, S.547, 551; Radtke, Strafklageverbrauch, S.251, 254; Rahn, Kriminalpolitische Gegenwartsfragen, S.227, 234; Rieß, LR-StPO, § 154c Rn. 1. 80 Rieß, LR-StPO, § 154 c Rn. 1.

§ 1 Einwände gegen Notwehr bei Schweigegelderpressungen

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d^s Opfer einer Erpressung selbst nicht zu einer wirksamen Verteidigung im Stande fühlt. Da sich jedoch weder für die eine noch für die andere Aussage Beweise finden lassen, erweist sich eine Berufung auf Vorstellungen des Gesetzgebefs als nicht sonderlich ergiebig. Zudem wäre mit § 154 c StPO auch nur ein sehr unvollständiger Ersatz für ein Notwehrrecht des mit der Enthüllung einer Straftat Erpressten geschaffen. Grundsätzlich erlaubt § 32 StGB dem solchermaßen Angegriffenen unabhängig von Art, Schwere und Bedeutung der Straftat eine Verteidigung. Sollte § 154 c StPO tatsächlich die Regelung des § 32 StGB ersetzen, dürften die genannten Umstände für die Entscheidung über das Absehen von einem Verfahren gegen den Erpressten ebenfalls keine Rolle spielen. § 154 c StPO enthält aber die Einschränkung, dass eine derartige Handlungsweise der Staatsanwaltschaft zugunsten des Erpressten nur in Betracht kommt, wenn nicht wegen der Schwere der Tat eine Sühne unerlässlich ist. Damit besteht hinsichtlich eines bestimmten Kreises von Straftaten des Erpressten von vornherein keine Option, von einer Strafverfolgung wegen eben dieser Taten abzusehen. Gewisse Konstellationen werden somit von der Regelung des § 154c StPO gar nicht erfasst. Die strafprozessuale Norm schafft kein vollwertiges Äquivalent für das - nach dieser Ansicht - versagte Notwehrrecht. Setzt man sich über diese Einwände hinweg und nähert sich dem Problem von der anderen Seite, könnte man argumentieren, dass dem Betroffenen mit der Versagung des privaten Selbsthilferechts gem. § 32 StGB jedenfalls kein bitteres Unrecht geschehe: Er läuft bei einer danach notwendigen Einschaltung staatlicher Organe in die Abwehr der Erpressung nur Gefahr, die Nachteile seines früheren Verhaltens zu ernten 81. Das ist nicht mehr und nicht weniger, als wenn sonst ein Dritter, die Ge-sellschaft oder ein Strafverfolgungsorgan von der strafbaren Handlung erfahren hätte 82 . Jedoch macht die Existenz des § 154 c StPO demgegenüber gerade deutlich, dass das deutsche Recht nicht dem Kantschen Grundsatz: „Jedermann widerfahre das, was seine Taten wert sind" folgt 83 . Die Einstellungsmöglichkeit hinsichtlich der Straftat des Erpressten zeigt, dass er nicht das erhält, was er eigentlich verdient. § 154 c StPO trifft demzufolge keinerlei Aussage für das Notwehrrecht des Erpressungsopfers. Aus der Vorschrift lässt sich ein Ausschluss von Notwehr gegen Nötigung und Erpressung mit der Offenbarung einer Straftat schlechthin nicht herleiten84.

81 82 83 84

So: Baumann, MDR 1965, 346f.; Novoselec , NStZ 1997, 218, 221. Baumann, MDR 1965, 346 f. Amelung , NStZ 19*98, 70f. Amelung, GA 1982, 381, 389; Suppert, Notwehr, S.272.

2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

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D. Kriminalpolitische Erwägungen Ein kriminalpolitischer Gesichtspunkt, der gegen die Zulassung von Notwehr sprechen soll, wird von Baumann85 aufgeworfen: Eine Gestattung von Notwehr in diesem Bereich führe zu nackter Gewalt und zu einem unübersehbaren Netz von Erpressung und Gegenerpressung und das auch in Bereichen schwerer Kriminalität. Das ist richtig. Allerdings lassen sich diese Konsequenzen genauso behaupten, wenn man dem Betroffenen das Notwehrrecht abspricht. In diesem Fall könnten Erpresser ihre Forderungen nahezu risikolos durchsetzen. Hemmungen, die auf der Gefährlichkeit der Abwehr des Opfers gründen, fielen weg. Die Kenntnis von Straftaten würde eine einträgliche und ungefährliche Basis für Erpressungen bieten. Insofern könnte man auch wie Eggert 86 argumentieren, der einen besonders deutlichen Widerspruch zu dem Interesse an der Vermeidung von Schweigegelderpressungen ausmacht, wenn durch eine Einschränkung oder einen Ausschluss der Notwehr auch noch die Risiken begrenzt werden, die mit rechtswidrigem Verhalten im Allgemeinen aufgrund der Möglichkeit privater Gegenwehr verbunden sind. Kriminalpolitische Erwägungen helfen somit nicht weiter.

§ 2 Vorliegen einer Notwehrlage Nachdem grundsätzliche Bedenken gegen eine Notwehr in den hier problematisierten Fallgruppen ausgeschlossen werden konnten, richtet sich das Augenmerk nunmehr auf die speziellen Rechtfertigungsvoraussetzungen des § 32 StGB. Eine Rechtfertigung nach dieser Vorschrift setzt zunächst eine Notwehrlage voraus. Nach der Formulierung des Gesetzes bedeutet das, dass der Bedrängte handeln muss, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden. Die Notwehrlage ist also erst einmal grob umschrieben durch drei Besonderheiten: Angriff, Gegenwärtigkeit des Angriffs und Rechtswidrigkeit des Angriffs. Traditionell 87 werden die genannten Voraussetzungen isoliert voneinander erörtert, was, wie sich zeigen wird, zu gewissen Ungereimtheiten führt. Darüber hinaus bestehen im Detail Differenzen. Bei dem - in den Abhandlungen durchgängig an erster Stelle begutachteten - Merkmal „Angriff" ist Einigkeit 88 lediglich noch insofern zu konstatieren als die inhaltliche Ausdeutung in Bezug auf den Terminus „von sich oder einem anderen" erfolgen muss. Über die Einzelheiten der Begriffsbestimmung gehen die Darstellungen dann auseinander. 85

In: MDR 1965, 346. In: NStZ 2001,225,229. 87 Vgl. nur: Günther, SK-StGB, §32 Rn.21, 56, 65; LencknerlPerron, Schönke/Schröder, StGB, §32 Rn.3, 13, 19/20. 88 Günther, SK-StGB, § 32 Rn. 34; Kühl, Strafrecht AT, § 7 Rn. 34; Lencknerl Perron, Schönke/Schröder, StGB, §32 Rn. 4; Mitsch, Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rn. 8; Sternberg-Lieben, JA 1996, 299, 301. 86

§ 2 Vorliegen einer Notwehrlage

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A. Angriff Die angedrohte Offenbarung des Geheimnisses zur Erlangung eines Vermögensvorteils muss zunächst ein Angriff gem. § 32 StGB sein. Bevor auf die herkömmlichen Definitionsversuche zu diesem Merkmal eingegangen wird, sollen zunächst zwei Auffassungen einer Prüfung unterzogen werden, die speziell für die hier thematisierte erpresserische Drohung bereits einen Angriff im Sinne des Notwehrrechts verneinen. I. Ablehnung eines Angriffs bei Erpressungsversuchen 1. Angriff als gewalttätiges Vorgehen Nach Mayer 89 ist ein Angriff zunächst eine auf eine unrechtmäßige Veränderung der Außenwelt abzielende Handlung. Um diese weiter einzugrenzen, geht der Autor davon aus, dass nur solche Rechtsverletzungen, die eine Störung des öffentlichen Friedens bedeuten, als notwehrrelevant in Betracht kommen. Diese relativ unbestimmte Beschreibung konkretisiert er dahin gehend, dass eine Abwehr gem. § 32 StGB nur bei gewalttätigem Verhalten, welches sich mittelbar oder unmittelbar gegen eine Person richtet, zulässig sein soll. Als Begründung für eine derart restriktive Interpretation führt er an, bei dem Ausdruck „Angriff" handele es sich rechtsgeschichtlich um eine Übersetzung des römischen Begriffs der vis. Zudem beruft sich Mayer auf die Notwehreinschränkungen in Art. 2 Abs. 2 a MRK, nach welchem die Tötung dann als erlaubt angesehen wird, wenn sie die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewa/tanwendung sicherstellt (Hervorhebung durch die Verfasserin). Sollte das Erfordernis eines Angriffs tatsächlich nur gewalttätiges Vorgehen erfassen, so wäre eine Not Wehrrechtfertigung in den Fällen der Verteidigung gegen erpresserische Drohungen bereits an dieser Stelle abzulehnen. Zu Recht hat Mayer jedoch keinerlei Gefolgschaft gefunden. Seine Argumente vermochten niemanden zu überzeugen. Unabhängig von der auch heute noch umstrittenen Frage der Geltung der MRK im Verhältnis zwischen Privatpersonen, geht der Hinweis auf sie fehl. Art. 2 Abs. 2 a MRK beschränkt nach seinem ausdrücklichen Wortlaut nur das Recht zur Tötung, andere Notwehrakte dagegen bleiben unberührt 90. Der Umstand, dass die Tötung nur bei rechtswidriger Gewaltanwendung erlaubt ist, lässt nicht den Schluss zu, auch weniger einschneidende Widerstandsakte seien allein bei physisch wirkendem Zwang zulässig. Vielmehr liegt umgekehrt die Annahme, mildere Abwehrhandlungen sollten auch bei solchen Angriffen möglich sein, die nicht gewalttätig sind, näher. 89 90

6 Kroß

In: Strafrecht AT (1967), § 22 II 1. Amelung , GA 1982, 381, 384; Suppert, Notwehr, S.255.

2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

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Noch weniger kann der Hinweis auf eine Übersetzung eine Einschränkung untermauern 91. Der terminus „Angriff" umfasst nach seinem heutigen Wortsinn sowohl gewalttätiges als auch das subtilere gewaltlose Vorgehen gegen einen anderen. Diese aktuelle Bedeutung muss die ausschlaggebende sein. Der Gesetzgeber hat eine gegenteilige Auffassung, etwa durch eine Einschränkung des § 32 StGB auf gewaltsame, tätliche oder körperlich wirkende Angriffe, nicht zu erkennen gegeben. Darüber hinaus enthält die Notwehrvorschrift des deutschen Rechts keinen Katalog notwehrfähiger Güter, wie zum Beispiel die des österreichischen StGB 92 , wonach eine Verteidigung sogenannter vergeistigter Rechtsgüter (Ehre, Willensfreiheit und dergleichen) ausgeschlossen ist 93 . Somit erfasst die Regelung des § 32 StGB auch den atypischen Fall des Tätervorgehens, nämlich den langsam auf die Psyche des Opfers einwirkenden Zwang. Hinzu kommt, dass sich bei einer restriktiven Interpretation des Angriffs-Begriffs eine empfindliche Rechtfertigungslücke ergibt 94. Wie Suppert zutreffend beschrieben hat, besteht gerade in der modernen technisierten und technologisch immer weiter fortschreitenden Gesellschaft ein rechtspolitisches Bedürfnis dafür, gegen das gewaltlos wirkende Schädigungspotential umfassende Abwehrrechte bereitzuhalten. Schließlich macht es vom Betroffenen aus gesehen weder für seine direkt tangierten Individualrechtsgüter noch für seine Persönlichkeit einen entscheidenden Unterschied aus, ob die Verletzung mittels Gewaltanwendung oder mittels eines auf die Psyche einwirkenden Verhaltens vorgenommen wird. Das Ergebnis besteht in beiden Fällen in einer Gefährdung oder sogar Schädigung rechtlich geschützter Werte. 2. Angriff als unmittelbare Rechtsgutsverletzung Ein erpresserischer Angriff zeichnet sich durch seine vielfachen Auswirkungen auf mehrere Rechtsgüter aus (Vermögen, Willensfreiheit etc.). Eine weitere Besonderheit liegt darin, dass die Einwirkung auf das Vermögen nicht vom Täter unmittelbar vorgenommen wird. Dieser bedient sich des anderen als Werkzeug gegen sich selbst. Ein Vermögensschaden realisiert sich erst, wenn das Opfer dem Angreifer die Vermögensgegenstände übergibt. Dieselbe mittelbare Rechtsgutsverletzung glaubt Müller 95 in Bezug auf das Rechtsgut Willensfreiheit feststellen zu können. Eine Verletzung der Willensent91

Vgl. auch Amelung, GA 1982, 381, 384. § 3 Abs. 1 S. 1 öStGB: Nicht rechtswidrig handelt, wer sich nur der Verteidigung bedient, die notwendig ist, um einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Freiheit oder Vermögen von sich oder einem anderen abzuwehren. Nach h. A. im österreichischen Schrifttum meint Freiheit dabei nicht die Willensfreiheit. Vgl. Fuchs, Notwehr, S. 116; ders., Strafrecht AT, S. 133. 93 Vgl. Fuchs, Notwehr, S. 106f., 116. 94 Suppert, Notwehr, S. 257. 95 In: NStZ 1993,366, 368. 92

§ 2 Vorliegen einer Notwehrlage

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Schließungsfreiheit komme nur in Betracht, wenn der Bedrohte den vom Täter beabsichtigten Entschluss fasst. Der Täter halte also auch hier die Rechtsgutsverletzung nicht selbst in den Händen. Weder könne er sicher sein, dass es überhaupt zu einer solchen kommt, noch könne er bestimmen, wann das Opfer resigniert und auf die Forderungen eingeht. Aus dieser im Hinblick auf beide Rechtsgüter nur mittelbaren Rechtsgutsverletzung folge, dass kein Angriff im Sinne des § 32 StGB gegeben sei96. Im Ergebnis nimmt Müller also einen notwehrauslösenden Angriff allein bei einer unmittelbaren direkten Einflussnahme des Täters auf die Rechtssphäre des Opfers an. Damit nähert er sich letztlich der Position Mayers. Der von ihm geforderte direkte Zugriff auf die Rechtsgüter des Opfers liegt regelmäßig ausschließlich bei Gewalttätigkeiten gegen dieses vor 97 . Die oben geäußerten Einwände gelten deshalb hier gleichermaßen. Darüber hinaus übersieht Müller, dass das Charakteristikum einer Zwangseinwirkung gerade darin besteht, dass das Opfer die theoretischen Alternativen hat, zu widerstehen oder nachzugeben. Die Drucksituation des Opfers, sich entscheiden zu müssen, macht gerade die Beherrschungsqualität des Täters aus. Müller verwechselt den Begriff „Angriff" mit dem einer vollzogenen Rechtsgutsverletzung. Der Schaden selbst mag erst durch das Opfer realisiert werden. Der Angriff allerdings beginnt schon mit der Verursachung einer Situation, die das Opfer möglicherweise veranlasst, den vom Täter bezweckten Erfolg herbeizuführen. Selbst wenn der Bedrohte standhaft bleiben sollte, ändert dies nichts daran, dass er vom Täter attackiert wurde. Zudem führt die Argumentation Müllers in den „Normar'Fällen der mittelbaren Täterschaft zu unvertretbaren Ergebnissen. Denn auch hier hätte das Werkzeug im Falle einer Zwangseinwirkung die Alternative zu widerstehen. Trotzdem wird die Tatherrschaft des Hintermannes deswegen nicht verneint 98. Letztendlich gilt der von Eggert 99 zutreffend herausgearbeitete Grundsatz, dass, wenn der Täter im Falle der Völlendung von Delikten nach den §§253,263 StGB als Urheber der Rechtsgutsverletzung durch eine erfolgte Selbstschädigung gilt, er vor Vollendung konsequenterweise auch als Urheber einer Rechtsgutsbedrohung durch eine mögliche Selbstschädigung angesehen werden muss. Die an den äußeren Vorgang des Angriffs selbst anknüpfenden Versuche einer frühzeitigen Ausscheidung des Notwehrrechts gegen erpresserische Drohungen erweisen sich damit beide als nicht tragfähig.

96 Ihm folgend Maurach! Schroederl Maiwald, Strafrecht BT 1, § 42 Rn. 16, wobei eine Ausnahme wohl dann gemacht werden soll, wenn der Täter die Entschließung des Opfers sofort durchsetzen kann. 97 So auch Novoselec, NStZ 1997, 218f. 98 Novoselec, NStZ 1997,218f.; ablehnend auch/tojtm, Strafrecht AT I, § 15 Rn.90, Fn. 169. " I n : NStZ 2001, 225 f.

6*

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II. Herkömmliche Begriffsbestimmungen Die überwiegende Ansicht beschreibt einen Angriff als jede durch einen Menschen drohende Verletzung rechtlich geschützter Interessen100. Etwas enger formulieren die Autoren, die eine unmittelbare Bedrohung der Interessen fordern 101. Das Wörtchen „unmittelbar" lässt theoretisch Interpretationen in zwei Richtungen zu: Zunächst ist denkbar, dass durch den Ausdruck mittelbar auf den Täter zurückführbare Rechtsgutsbedrohungen als ein Notwehrrecht auslösender Angriff ausgeschlossen werden sollen 102 . Eine derartige Wirkung wird jedoch von den Vertretern der oben aufgeführten Auffassung nicht angestrebt. Vielmehr soll durch die Einfügung eine etwas deutlichere zeitliche Einschränkung erfolgen. Gemeint ist, dass die Interessen des Betroffenen bereits akut bedroht sein müssen103. Grundlage beider Umschreibungen ist die Erkenntnis, dass Voraussetzung für das Vorliegen eines Angriffs zumindest eine irgendwie geartete Berührung rechtlich geschützter Interessen durch einen anderen Menschen sein muss. Zusätzlich ist in den Definitionen noch ein temporaler Aspekt enthalten. Die Worte „drohende Verletzung" und „unmittelbare Bedrohung" weisen auf eine gewisse zeitliche Nähe eines möglichen Schadenseintritts hin. Die eigentliche zeitliche Limitierung soll aber offenbar erst bei dem Merkmal der „Gegenwärtigkeit" erfolgen. Nach gängiger Meinung 104 ist ein Angriff dann gegenwärtig, wenn er unmittelbar bevorsteht, begonnen hat oder noch andauert. III. Kritik Die soeben beschriebene Vorgehens weise vermag nicht zu überzeugen: Aufgrund der isolierten Betrachtung der Erfordernisse „Angriff" und „gegenwärtiger Angriff" kommt es zu einer überflüssigen Häufung gleicher Ausdrücke durch all jene, die bereits zur Auslegung des Begriffs „Angriff" eine temporale Komponente einführen 105. Besonders deutlich wird dies vor allem bei der zweiten oben 100 Freund, Strafrecht AT, § 3 Rn. 95; Gropp, Strafrecht AT, § 6 Rn. 68; Jakobs, Strafrecht AT, 12. Abschn. Rn. 3; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 32 II 1 a; MaurachlZipf, Strafrecht AT 1, § 26 Rn. 8; Mitsch, Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rn. 4; Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn.6; Samson; SK-StGB (5. Aufl.), §32 Rn. 13; Welzel, Strafrecht, S.84. 101 Herzog, NK-StGB, § 32 Rn. 3; Kühl, Strafrecht AT, § 7 Rn. 23; Lenckner! Perron, Schönke/Schröder, StGB, §32 Rn.3; Spendel\ LK-StGB, §32 Rn.23; Tröndle! Fischer, StGB, §32 Rn.4. 102 So Müller, NStZ 1993, 366, 368. 103 Kühl, Strafrecht AT, § 7 Rn. 23. 104 Herzog, NK-StGB, § 32 Rn. 25; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 32 II 1 d; Roxin, Strafrecht ATI, § 15 Rn. 21; Spendel, LK-StGB, §32 Rn. 115; Wessels!Beulke, Strafrecht AT, Rn. 328. 105 Ludwig, Notwehr- und Notstandsrecht, S.84; Schroeder, JuS 1980, 336.

§ 2 Vorliegen einer Notwehrlage

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skizzierten Anschauung, die eine unmittelbare Bedrohung rechtlich geschützter Interessen für notwendig hält. Führt man die Umschreibungen der Merkmale „Angriff" und „gegenwärtig" zusammen, läge ein gegenwärtiger Angriff in jeder unmittelbar bevorstehenden unmittelbaren Bedrohung rechtlich geschützter Interessen durch einen Menschen. Dieser Pleonasmus legt es nahe, eine getrennte Erörterung zu unterlassen und vielmehr die Gegenwärtigkeit zugleich mit ihrem Bezugsobjekt „Angriff" zu erklären. Während dann also für die Bejahung eines Angriffs jede irgendwie geartete Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen ausreicht 106, erfolgt eine zeitliche Beschränkung ausschließlich durch das Erfordernis eines gegenwärtigen Angriffs. Das von Kratzsch 107 angeführte Unbehagen gegen eine derart weite Umschreibung des Angriffs - dadurch würden von der Angriffsdefinition i. S. d. § 32 StGB auch Situationen erfasst, die lediglich eine vom Menschen erzeugte Notstandsgefahr i. S. d. § 34 StGB darstellten - vermag eine andere Methode allein nicht zu rechtfertigen. Obwohl von ihm in Abrede gestellt, erfolgt die Trennung der von den Vorschriften jeweils erfassten Sachverhaltsbereiche trotzdem, allerdings auf einer anderen Prüfungsebene - der Gegenwärtigkeit. Die von Kratzsch 108 erhobenen Bedenken gegen die Möglichkeit einer zeitlichen Grenzziehung zwischen Notwehr und rechtfertigendem Notstand durch das Merkmal „gegenwärtig" überzeugen ebenfalls nicht. Nach ihm könne diese Funktion lediglich dem Terminus „Angriff" im Gegensatz zur „Gefahr" zukommen109. Das Merkmal der „Gegenwärtigkeit" sei zur Abgrenzung nicht geeignet, da es beide Vorschriften postulieren 110. Kratzsch übersieht, dass sich die Bestimmung der jeweiligen Schutzbereiche aus der Gegenüberstellung der Wortgruppen „gegenwärtiger Angriff" und „gegenwärtige Gefahr" ergeben kann und muss. Aus dem Zusammenspiel der Begriffe „Angriff" und „Gefahr" mit dem Terminus der „Gegenwärtigkeit" ist die Möglichkeit einer unterschiedlichen Definition eröffnet 111. Eine solche Vorgehens weise steht nicht, wie er zu suggerieren versucht, im Widerspruch zur juristischen Methodenlehre; diese fordert eine übereinstimmende Auslegung gleicher Begriffe gerade nicht 112 . Für die Arbeit ergibt sich daraus der Verzicht einer isolierten temporalen Einschränkung beim Merkmal „Angriff". Die bessere Verankerung für die notwendige zeitliche Limitierung ist die inhaltliche Bestimmung dessen, was einen gegenwärtigen Angriff ausmacht. Die inhaltliche Komponente des Begriffs „Angriff" ist damit allein die Beeinträchtigung notwehrfähiger Interessen. 106

So: Köhler, Strafrecht AT, S. 266. In: StV 1987, 224. 108 In: StV 1987, 224, ausdrücklich in Fn. 1, in welcher er klarstellt, dass er nicht Roxin (Tjong-Gedächtnisschrift, 1985, 137 ff.) folgt. 109 Kratzsch, StV 1987, 224. 110 Kratzsch, StV 1987, 224f., ähnlich auch Ludwig, Notwehr- und Notstandsrecht, S.83. 111 Hillenkamp, Vorsatztat, S. 116 f. 112 Larenz, Methodenlehre, S.321 f.; Laubenthal, JA 1990, 38. 107

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IV. Angriff als Beeinträchtigung notwehrfähiger Interessen Im Falle der in Aussicht gestellten Offenbarung wahrer Tatsachen zur Erzielung eines Vermögensvorteils werden die Willensfreiheit, das Vermögen und die Ehre bzw. das Ansehen des Betroffenen als die durch die Drohung tangierten Güter ausgemacht113. Zusätzlich nennen einige 114 , speziell für den Fall der in Aussicht gestellten Kundmachung einer Straftat, das Interesse des Straftäters an der Vermeidung staatlicher Strafverfolgung. Mit dieser Aufzählung erschöpfen sich zumeist die Ausführungen. Zwei wichtige Punkte bleiben unangesprochen und damit ungeklärt: 1. Die Benennung eines aus der Sicht des Bedrohten verteidigungswürdigen Handlungszieles kann nicht die Feststellung ersetzen, dass dieses auch rechtlichen Schutz genießt. Nicht jedes verständliche, nachvollziehbare, natürliche Interesse ist auch ein rechtlich abgesichertes115. Aber erst wenn das der Fall ist, kann der Schluss auf ein notwehrfähiges Interesse gelingen. Die in Betracht kommenden Güter müssen dabei nicht strafrechtlich gewährleistet sein. Ausreichend ist jede Art rechtlicher Anerkennung 116. Dieser weit reichende Schutzbereich der Notwehr erklärt sich zunächst aus ihrer allgemeinen Geltung in der gesamten Rechtsordnung. Zum anderen würde eine Beschränkung auf lediglich strafrechtlich geschützte Güter 117 bedeuten, dass ein Angriff nur bei einer mit Strafe bedrohten Handlung vorläge, denn der Strafrechtsschutz entfaltet sich ausschließlich gegen die jeweils im Tatbestand verankerte Angriffsform. Das aber würde das Notwehrrecht weit gehend entwerten. Als Problem stellt sich die Frage des rechtlichen Schutzes allerdings nur bei dem Interesse des Straftäters, seine Bestrafung zu verhindern, dar. Dagegen sind Willensfreiheit, Vermögen und Ehre eindeutig zum einen durch das Strafgesetzbuch geschützte Rechtsgüter, wie die Verbotsnormen der §§ 240,253,185 ff. StGB zeigen. Daneben ist aber auch eine zivilrechtliche Absicherung, vor allem durch § 823 BGB, zu verzeichnen. Aus welcher Norm sich im konkreten Fall die Notwehrfähigkeit des einzelnen Interesses ergibt, wird der Verlauf der Arbeit zeigen. 2. Ob die Ankündigung einer Offenbarung die genannten Werte aber tatsächlich tangiert, ist damit noch nicht nachgewiesen. Nur wenn eine solche Feststellung 113 Amelung, GA 1982,381,388; Arzt, MDR 1965,344; Baumann, MDR 1965,346; Eggert, NStZ 2001, 225f.; Haug, MDR 1964, 548, 551 f.; Novoslec, NStZ 1997, 218f.; Suppert, Notwehr, S. 259. 1.4 Amelung, GA 1982, 381, 388; Haug, MDR 1964, 548, 552; Suppert, Notwehr, S.259f. 1.5 Neumann, NK-StGB, § 34 Rn.23, 26; speziell für das im Strafprozessrecht relevante Interesse, sich nicht selbst einer Straftat bezichtigen zu müssen, siehe: Lesch, ZStW 111 (1999), 624, 637; Pawlik, GA 1998, 378f. 116 Günther, SK-StGB, § 32 Rn. 34; Jakobs, Strafrecht AT, 12. Abschn. Rn. 3; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 32 II 1 b; Kühl, Strafrecht AT, § 7 Rn. 34; MaurachlZipf,\ Strafrecht AT 1, §26 Rn. 10ff.; Witsch, Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rn.8; Roxin, Strafrecht ATI, §15 Rn.30. 117 So aber Pocke, Notwehr, S. 11 f.

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getroffen werden kann, verteidigt der Abwehrende seine durch den Angriff betroffenen notwehrfähigen Individualrechtsgüter und damit zugleich seine mittelbar in Frage gestellte Persönlichkeit. Die beiden aufgeworfenen Probleme müssen bei der Erörterung der notwehrfähigen Güter berücksichtigt werden. Das Streben nach einer Wahrung des Ansehens steht dabei am Beginn der Untersuchung. Hier wird auf zweierlei einzugehen sein: Einmal auf die Fallgruppe der Offenbarung kompromittierender Tatsachen, die keine Straftat beinhalten und zum anderen auf die Konstellation der Androhung der Kundgabe einer Straftat. Die sich herausstellenden Ergebnisse lassen Auswirkungen für die Prüfung einer Verletzung der Willensfreiheit durch die Androhung der Offenbarung erwarten. Die rechtliche Bewertung einer Drohung, welche ein rechtmäßiges Übel beinhaltet, gehört nach wie vor zu den umstrittenen Fragen im Rahmen der §§240,253 StGB. Bevor auf das Rechtsgut der Willensfreiheit eingegangen wird, soll aber dem Interesse des Straftäters an einer aktiven Verhinderung einer Strafverfolgung verstärkte Beachtung geschenkt werden. Die Art der Verteidigung ist hier nicht ohne Grund in die Umschreibung des Interesses einbezogen. Es wird sich zeigen, dass erhebliche Schwierigkeiten bestehen, gerade das Interesse an einer aktiven Vereitelung der Strafverfolgung als notwehrfähig anzusehen. Die bei anderen Werten unübliche und auch überflüssige Verknüpfung mit der Form ihrer Verteidigung ist bei dem in Frage stehenden Interesse nötig, da dass Gesetz selbst - wie sich herausstellen wird - den Schutz von der Art der, durch den Betroffenen vorzunehmenden, Realisierung abhängig macht. Die vorgeschlagene Prüfungsreihenfolge empfiehlt sich, da das soeben umschriebene Bedürfnis mit dem Ansehen des Bedrohten eng verbunden ist. Deutlich ist die Verzahnung vor allem für den Fall der Äußerung des Vorwurfs einer Straftat Dritten gegenüber, also bei einer Strafanzeige gegenüber den dafür zuständigen Behörden. Auf der einen Seite wird hier das subjektive Schamgefühl - Dritte sollen von der „Schandtat nichts erfahren - und auf der anderen Seite die Angst vor Strafverfolgung unmittelbar ausgelöst. Innerhalb dieser Untersuchung ist dann auf die Frage einzugehen, wann von einem rechtlich geschützten im Gegensatz zu einem bloß natürlichen Interesse die Rede sein kann. An und für sich ist der Terminus, der naturgemäß auch für die anderen Güter Bedeutung erlangt, vorab, gleichsam als allgemeine Regel, zu klären. Die Arbeit folgt trotzdem einem anderen Aufbau. Dieser rechtfertigt sich aufgrund folgender Überlegungen: Mit Ausnahme des Interesses an der Verhinderung staatlicher Strafverfolgung sind die anderen Werte - wie bereits erwähnt - als eindeutig rechtlich geschützt anerkannt. Es sind unbestreitbar durch Straf- und Zivilrecht gewährleistete Individualrechtsgüter. Diese erneut - nämlich nach den in einem allgemeinen Teil gefundenen Ergebnissen - einer Prüfung zu unterziehen, ist überflüssig. Andere Resultate als die Feststellung ihrer Rechtsgutsqualität sind nicht zu erwarten. Zudem ermöglicht es eine Begriffsbestimmung, die einen unmittelbaren Bezug

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auf das in Frage stehende Interesse herstellt, die Untersuchung anschaulicher zu gestalten. Die sofortige Fruchtbarmachung einer gefundenen Ausgangsbasis auf die konkret problematische Fallbearbeitung verspricht darüber hinaus auch eine gedankliche Kontrolle der Tauglichkeit der gefundenen Definition. Am Schluss des Abschnitts steht die Erörterung des Rechtsguts Vermögen. Es wird sich zeigen, dass die Bedrohung der genannten Werte durch die hier behandelte Form der angekündigten Bloßstellung zur Erzielung eines Vermögens Vorteils nicht unumstritten und eine genauere Spezifizierung der betroffenen Rechtsgüter erforderlich ist. Jakobs bemerkt - allerdings beschränkt auf das Rechtsgut der Willensfreiheit - dazu, dass die Versuche einer Einschränkung des Notwehrrechts in diesem Bereich (nämlich der Verteidigung gegen die Drohung mit einem erlaubten Übel) ihre Plausibilität aus dem Umstand der tatbestandlichen Einordnung der Drohung mit wahren Enthüllungen ziehen118. 1. Die Ehre als rechtlich geschütztes Interesse Vor dem Hintergrund einer angedrohten Preisgabe negativer Tatsachen über das Opfer ist eine Verletzung seines Ansehens denkbar 119. Eine Drucksituation für dieses, welche es zu dem anvisierten Verhalten veranlassen soll, hat der Täter nur geschaffen, wenn der Bedrohte ein Interesse an der Geheimhaltung des kompromittierenden Sachverhalts hat. Sowohl bei der angekündigten Offenbarung einer tatsächlich begangenen Straftat als auch bei der Androhung, unmoralisches oder sonst sittlich bedenkliches Verhalten aufzudecken, ist ein derartiges Motiv des Betroffenen nicht von der Hand zu weisen. Es wurzelt in seiner Furcht vor einer Herabsetzung der sozialen Stellung. Das Bedürfnis des Einzelnen, seine Reputation in der Gesellschaft zu wahren, schützt die Rechtsordnung für das Verhältnis zweier privater Rechtssubjekte untereinander sowohl durch das Strafrecht als auch durch das Zivilrecht. Der Schutz des Strafrechts beschränkt sich nach den §§185 ff. StGB in diesem Bereich dabei vor allem auf die Ehre, während die zivilrechtlichen Gewährleistungen sowohl die Ehre als auch darüber hinaus gehend und umfassenderer das allgemeine Persönlichkeitsrecht einbeziehen. Die weitere Untersuchung muss zeigen, ob durch die angekündigte Kundgabe die in den jeweiligen Rechtsgebieten grundsätzlich geschützten Werte im konkreten Fall tangiert sind.

118 119

In: Strafrecht AT, 12. Abschn., Fn.49. Bejaht wird eine solche von Eggert, NStZ 2001, 225f., insbes. Fn. 8.

§ 2 Vorliegen einer Notwehrlage

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a) Strafrechtlicher Schutz Das Inaussichtstellen einer Strafanzeige beinhaltet den Vorwurf, eine Straftat begangen zu haben. Der Bedrohte wird mit seiner tatsächlichen StrafFälligkeit in der Vergangenheit konfrontiert. Bei der Ankündigung der Offenbarung sonstiger kompromittierender Tatsachen macht sich der Täter ebenfalls Verhaltensweisen des Opfers zu nutze, die von diesem tatsächlich vorgenommen wurden 120. Es stellt sich die Frage, ob durch das Vorhalten derartig wahrer negativer Tatsachen die Ehre des Betroffenen überhaupt angetastet sein kann. Bei der hier im Blickpunkt stehenden Ankündigung kann das Rechtsgut Ehre grundsätzlich auf zweierlei Weise tangiert sein: einmal zeitlich unmittelbar durch den Vorhalt dem Opfer selbst gegenüber und zum anderen für die Zukunft durch die Mitteilung, Dritte über die wahren Tatsachen in Kenntnis zu setzen. Im ersten Fall geht es folglich um eine Verletzung des Beleidigungsverbots aus § 185 StGB und im zweiten Fall - lediglich - um das Inaussichtstellen eines Eingriffs in die Kundgabeverbote der §§ 186, 187 StGB. Neben einer möglichen Ehrverletzung aufgrund der Äußerung selbst kann sich eine solche aber auch gem. § 192 StGB aus der Form oder den Umständen, unter denen sie erfolgt, ergeben. Unabhängig von der Frage des Wahrheitsbeweises herrscht heute Einigkeit 121 darüber, dass nach dem Strafgesetzbuch der von einer nachweislich wahren Äußerung Betroffene keinen strafrechtlichen Schutz erfährt, es sei denn die Beleidigung folgt aus der Form der Mitteilung, § 192 StGB. Diese Auffassung stützt sich auf den so genannten normativen Ehrbegriff 122, nach welchem unter Ehre nur die verdiente Anerkennung zu verstehen ist 123 . Ehre sei der wahre Geltungswert einer Person und der sich daraus ergebende personale Status, entsprechend respektiert, nämlich hinsichtlich dieses Achtungsanspruches nicht unverdient herabgesetzt zu werden 124. Wenn 120 Unproblematisch stellt sich die Rechtslage dar, wenn der Täter versucht, das Opfer mit der Ankündigung ersonnener Verfehlungen unter Druck zu setzen. In diesem Fall der Konfrontation mit falschen Tatsachen kann unzweifelhaft von einem Ehrangriff ausgegangen werden. 121 Bemmann, MDR 1956,387, 389, der*. FS E. A. Woff, S.33,35 f.; Erhardt, Kunstfreiheit, S. 166f.; Herdegen, LK-StGB, § 192 Rn. 1; Lenckner, Schönke/Schröder, StGB, § 192 Rn. 1; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT 1, §25 Rn. 42/43; Merz, Ehrenschutz, S.26, 28; Otto, Strafrecht BT, § 32 Rn. 14/15; Rengier, Strafrecht BT II, § 29 Rn. 15, 30; Rudolphi, SKStGB, § 192 Rn. 1; Sax, JZ 1976, 80 f. 122 Demgegenüber stellte der heute nicht mehr vertretene faktische Ehrbegriff darauf ab, ob eine Person sich durch die Äußerung in ihrer Ehre angegriffen fühlt bzw. ob ihr guter Ruf beeinträchtigt wird. Vgl.: Helle, Persönlichkeit, S.6f.; Hirsch, Ehre, S. 1 ff.; Liepmann, Beleidigung, S. 14. 123 Arzt/Weber, Strafrecht BT, § 7 Rn. 6, 8; Gössel, Strafrecht BT I, S. 348 Rn. 4; Hirsch, Ehre, S.29ff.; Lackner/Kühl, StGB, Vor § 185 Rn. 1; Merz, Ehrenschutz, S.8; Otto, Strafrecht BT, §32 Rn. 14; Rudolphi, SK-StGB, Vor § 185 Rn.5; Tenckhoff, JuS 1988,199, 202f.; TröndlelFischer, StGB, Vor § 185 Rn.5; Welzel, Strafrecht, S.303f.; Wessels!Hettinger, Strafrecht BT 1, Rn.464. 124 Arzt ¡Weber, Strafrecht BT, §7 Rn. 2; Hirsch, Ehre, S. 3, 29 ff.; ders., FS E.A. Wolff, S. 125, 136; Welzel, Strafrecht, S.303.

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

nur der begründete, nicht aber der unbegründete, irrtümlich in der Gemeinschaft angenommene Achtungsanspruch geschützt ist, erscheint durch die Kundgabe der Wahrheit die Ehre des anderen gerade in ihrem rechten Licht 125 . Es wird lediglich der „schöne Schein" beseitigt. Auf dessen Aufrechterhaltung hat der Einzelne keinen Anspruch. Auf § 185 StGB kann also zur Begründung der Notwehrfähigkeit des Interesses an der Geheimhaltung der Straffälligkeit oder anderer Negativtatsachen nicht zurückgegriffen werden. Die Systematik der Normen lässt darüber hinaus den Schluss zu, dass auch für den Fall der Verwirklichung der Ankündigung der dadurch Betroffene keinen Schutz erfährt, sofern es sich um nachweislich wahre Tatsachen handelt. Der Straftatbestand der Verleumdung (§ 187 StGB) verlangt das Behaupten oder Verbreiten unwahrer Tatsachen. Die Norm der üblen Nachrede (§ 186 StGB) postuliert die Nichterweislichkeit der ehrenrührigen Tatsache nach überwiegender Auffassung als objektive Bedingung der Strafbarkeit 126. Das bedeutet: Im Falle des Gelingens des Wahrheitsbeweises entfällt die Strafbarkeit, andernfalls bleibt der Äußernde strafbar, und zwar unabhängig davon, ob die Behauptung tatsächlich wahr oder unwahr ist. Er trägt das Risiko, dass der Wahrheitsbeweis nicht erbracht werden kann. Der Grundsatz „in dubio pro reo" findet keine Anwendung. Da vorliegend die behauptete Tatsache aber erweislich wahr ist, würde eine Strafbarkeit nach § 186 StGB im Falle der Realisierung der Drohung von vornherein nicht in Betracht kommen. Auch hier kann sich allenfalls aus der Form bzw. den Umständen der Publikation eine strafbare Beleidigung gem. § 192 StGB, der jedenfalls 127 für alle Beleidigungsdelikte, die durch Tatsachenbehauptungen begangen werden können, gilt 1 2 8 , ergeben. Die §§ 186, 187 StGB fallen zur Begründung eines notwehrfähigen Interesses, welches durch das Tätervorgehen beeinträchtigt sein könnte, ebenso aus. Im weiteren Fortgang ist nunmehr zu untersuchen, ob durch die Ankündigung der Offenbarung wahrer Tatsachen die Voraussetzungen der bereits angesprochenen Formalbeleidigung i.S.d. § 192 StGB vorliegen. Eine derartige Ehrverletzung kann sich lediglich aus der Form oder den Umständen ergeben, unter denen die Bloßstellung erfolgt. Entscheidend ist, dass die Tatsachenäußerung durch die sie begleitenden Umstände ein ehrabsprechendes Gewicht erhält 129 . Nur wenn der Äußernde das durch die Wahrheit der Tatsache gebildete Maß nicht wahrt, greift der Schutz des 125

Bemmann, MDR 1956, 387, 389; Brossette, Wahrheit, S.54. Arzt/Weber, Strafrecht BT, § 7 Rn. 18; Herdegen, LK-StGB, § 186 Rn. 12; Lackner/Kühl, StGB, § 186 Rn.7; Lenckner, Schönke/Schröder, StGB, § 186 Rn. 10; Rengier, Strafrecht BT II, §29 Rn.9. 127 Umstritten ist, ob er darüber hinaus auch für Verunglimpfungen gem. § 189 StGB gilt. Bejahend: Rudolphe SK-StGB, § 192 Rn. 1 m. w.N.; verneinend: Tröndle/Fischer, StGB, § 192 Rn. 1; Zaczyk, NK-StGB, § 192 Rn. 2. 128 Herdegen, LK-StGB, § 192 Rn. 1 \ Lackneri Kühl, StGB, § 192 Rn. 1; Lenckner, Schönke/ Schröder, StGB, § 192 Rn.2; Rudolphi, SK-StGB, § 192 Rn. 1; Tröndlel Fischer, StGB, § 192 Rn. 1; Zaczyk, NK-StGB, § 192 Rn. 2. 129 Hirsch, Ehre, S. 223. 126

§ 2 Vorliegen einer Notwehrlage

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Strafgesetzbuches ein. Allein in diesem Fall muss der Betroffene die Äußerung einer wahren Tatsache ihm selbst oder einem Dritten gegenüber nicht aushalten130. Die Form des Behauptens oder Verbreitens betrifft die Art und Weise der Äußerung. Eine Missachtung durch den Vorhalt dem Opfer selbst gegenüber (§§ 192,185 StGB) ist anzunehmen, wenn die Kundgabe des Tatsacheninhalts nicht in einer ihm adäquaten Form erfolgt 131 . Indizien dafür können die Ausdrucks weise 132 oder der Ton der Äußerung sein 133 . Namentlich eine besonders höhnische oder gehässige Einkleidung kann zu einer Formalbeleidigung führen 134. Solange sich die Äußerung aber in dem sachlichen Vorwurf der Straffälligkeit oder des unmoralischen Verhaltens erschöpft, liegt keine derartige formale Entgleisung vor. Auch aus den Umständen der Äußerung, d. h. aus den zu ihr hinzutretenden Momenten, die für ihre Würdigung als ehrverletzend bedeutsam sind (Ort der Äußerung, Zeitpunkt, Situation im Ganzen)135, lässt sich aus dem schlichten Vorwurf allein dem Betroffenen gegenüber kein Exzess folgern. Allerdings erschöpft sich die Kommunikation zwischen den Beteiligten darin gerade nicht. Vielmehr droht der Täter ja die Kundgabe der Tatsachen gegenüber Dritten an. Für die Beurteilung einer etwaigen Ehrverletzung durch die Ankündigung einer Strafanzeige (§§ 192, 186, 187 StGB) ergibt sich dafür Folgendes: Die in § 158 StPO jedermann eingeräumte Befugnis, den Strafverfolgungsbehörden ein strafbares Verhalten mitzuteilen, ist Ausfluss des Petitionsrechtes aus Art. 17 GG 136 . Da es ein Selbsthilferecht nur in einem sehr begrenzten Umfang gibt, stellt eine Strafanzeige für das Opfer oder einen Dritten gerade die einzig mögliche adäquate Reaktion auf eine Straftat dar. Die Beurteilung des angemessenen Maßes ist dabei unabhängig von den mit der Offenlegung nebenher verfolgten Interessen137. Form und Umstände halten sich in den durch die Wahrheit der Tatsache gebildeten Grenzen. Die Realisierung der angekündigten Strafanzeige stellt somit keine Formalbeleidigung gem. § 192 StGB dar. Folglich ist durch ihre bloße Inaussichtstellung die Ehre des von der Anzeige Betroffenen unter dem Gesichtspunkt des § 192 StGB ebenfalls nicht tangiert, obwohl der Drohende mit seiner Ankündigung missbilligte Zwecke verfolgt. Anders kann der Fall dann sein, wenn damit gedroht wird, die Straftat oder auch anderes gesellschaftlich nicht akzeptiertes Verhalten einer breiten Öffentlichkeit, zum Beispiel durch Publikation in einer Zeitschrift 138 , Aushang in einem Schaukas130 131 132 133 134 135 136 137 138

Zaczyk, NK-StGB, § 192 Rn. 1. Zaczyk, NK-StGB, § 192 Rn. 3. Lenckner, Schönke/Schröder, StGB, § 193 Rn.28. Lenckner, Schönke/Schröder, StGB, § 193 Rn.28; Rudolphi, SK-StGB, § 192 Rn.4. Lenckner, Schönke/Schröder, StGB, § 193 Rn.28; Rudolphi, SK-StGB, § 192 Rn.4. Zaczyk, NK-StGB, § 192 Rn.4. Deutsch, NJW 1982, 680f.; Rieß, LR-StPO, § 158 Rn.6. Dürig, Maunz/Dürig, GG, Art. 17 Rn.39. Vgl. dazu: RGSt 64, 379ff.; BGH, NStZ 92, 278; BGH, NStZ 1993, 282.

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ten , Kundgabe auf einer Versammlung oder ähnlich 140 zugänglich zu machen. In einem derartigen Fall der „Anprangerung" können Form und Umstände außerhalb der durch die Wahrheit der Tatsache vorgegebenen Grenzen liegen und zu einer Ehrverletzung führen. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die publizierte Tatsache kein solches Gewicht hat, dass die Öffentlichkeit an ihr ein Interesse hat 141 . Zu denken sind hier vor allem an Veröffentlichungen aus der Intimsphäre des Bedrohten. Durch die Kundmachung wird derartigen Vorgängen ein an sich nicht vorhandenes Gewicht verliehen und dadurch der Betroffene in seiner Ehre mehr herabgesetzt, als dies aufgrund der negativen Tatsachen gerechtfertigt ist. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass allein für die letztgenannte Konstellation ein strafrechtlich abgesicherter Schutz der Ehre in Betracht kommt. Nur für diesen Bereich kann also bisher von einem notwehrfähigen Interesse ausgegangen werden. Für die anderen angesprochenen Fallvarianten, insbesondere der Androhung einer Strafanzeige, ist ein strafrechtlich abgesichertes notwehrfähiges Ehrinteresse nicht tangiert. b) Zivilrechtlicher Schutz Hinsichtlich dieser Sachverhaltsgruppen bleibt zu untersuchen, ob die dadurch betroffenen Interessen eventuell zivilrechtlich geschützt sind. Wie bereits erwähnt 142 , reicht auch eine zivilrechtliche Absicherung zur Begründung der Notwehrfähigkeit eines bestimmten individuellen Belanges aus. In Betracht kommen als über § 823 BGB gewährleistete Rechtsgüter die Ehre und das weiter gefasste allgemeine Persönlichkeitsrecht 143. Zwar hat der Gesetzgeber die Ehre nicht ausdrücklich in die Aufzählung der Rechtsgüter des § 823 Abs. 1 BGB aufgenommen. Doch schon seit jeher wurde der Schutz der Ehre als - zumindest - über § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. §§ 185 ff. StGB gewährleistet angesehen144. Die zivilrechtliche Absicherung in diesem Rahmen kann 139

Vgl. dazu: OLG Frankfurt, NJW 1947/48, 226. Vgl. dazu: BVerfG, NJW 2002, 741 - Ankündigung der Eintragung im „Schuldnerspiegel" im Internet; RGSt 6,405 ff. - Ankündigung der Aufnahme in eine Liste säumiger Schuldner, welche Unternehmern regelmäßig zugesandt wird; OLG Braunschweig, MDR 1948, 186 f. - Entfesselung von Mundpropaganda; OGH, ÖJZ 1964,497 - Ankündigung der Verfolgung eines Schuldners mit einem Kombi-Wagen, der die Aufschrift trägt: „Inkasso A. schafft es so oder so, Schuldeintreibung"; LG Hamburg, MDR 1992,522 - Sendung eines Telefax, das Strafverfahren zum Gegenstand hat, an Büroadresse des Betroffenen; zu Methoden der Schuldneranprangerung siehe ausführlich Edenfeld, JZ 1998, 645. 141 Edenfeld, JZ 1998, 645, 648; Herdegen, LK-StGB, § 192 Rn.7; Rudolphe SK-StGB, §192 Rn.6. 142 Vgl. die Ausführungen im Text 2. Teil, §2 A.IV. 143 Zur Erfassung des Persönlichkeitsrechts als notwehrfähiges Gut: OLG Düsseldorf, NJW 1994, 1971. 144 Vgl. Helle, Persönlichkeit, S.5. 140

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notgedrungen nicht anders ausfallen als der soeben untersuchte strafrechtliche Schutz. Eine rechtliche Anerkennung des Interesses, nicht durch wahre Mitteilungen bloßgestellt zu werden, lässt sich auf diesem Weg dogmatisch ebenfalls nicht ableiten, es sei denn es liegen wiederum die Voraussetzungen des § 192 StGB vor. Möglicherweise ergibt sich aber ein anders lautendes Ergebnis unter dem Aspekt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts 145. Dieses ordnet der BGH 1 4 6 nunmehr seit langem dem Schutzbereich des § 823 Abs. 1 BGB zu. Anknüpfungspunkt ist die tatbestandliche Voraussetzung „sonstiges Recht". Nach der überwiegenden Meinung in der Literatur 147 wird dabei die Ehre zunächst als Teilbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begriffen. Was aber aus zivilrechtlicher Sicht den Begriff der Ehre inhaltlich ausmacht, ist weit gehend in der Rechtsprechung und Lehre ungeklärt geblieben148. In den Entscheidungen der Gerichte 149, die sich mit dem Schutz der Ehre auseinandersetzen, finden sich oftmals lediglich Ausführungen zum Rechtsgut des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. In der Literatur 150 verweist man - sofern der Ehrbegriff doch erörtert wird - auf das strafrechtliche Schrifttum. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass ein eigenständiger zivilrechtlicher Ehrbegriff nicht existiert 151. Die Übernahme des strafrechtlichen Ehrbegriffs führt damit auch an dieser Stelle zu den oben gefundenen Ergebnissen: Wahre Tatsachenbehauptungen allein, unabhängig von den sie begleitenden Umständen, sind keine Ehrverletzungen 152. Das Rechtsgut „Ehre" kann grundsätzlich nur durch Werturteile oder unwahre Tatsachenbehauptungen angegriffen werden 153. Eventuell kann ein notwehrfähiges Interesse aber aus einem anderen Gesichtspunkt gefolgert werden: Weit gehend anerkannt in der zivilrechtlichen Lehre ist 145

Zu beachten ist, dass es sich hierbei nicht um das bei jedem Angriff im Sinne des § 32 StGB mittelbar tangierte Persönlichkeitsrecht des Betroffenen handelt. Im vorliegenden Abschnitt geht es allein um die Frage, ob zusätzlich zu der bei einem Angriff stets vorgenommenen Störung des gegenseitigen Achtungsverhältnisses durch die besondere Form des Angriffs hier das Persönlichkeitsrecht bereits unmittelbar als konkretes Individualrechtsgut gefährdet ist. 146 BGHZ 13, 334; 24, 72, 77; 26, 349, 354; 27, 284, 286; 30, 7, 11; 35, 363, 365; 50, 133, 143. 147 Arzt, JuS 1982,717,725; Beater, Presse, S.70; Baston-Vogt, Persönlichkeitsrecht, S.411; Hager, AcP 196 (1996), 168, 172; Rixecker, MünchKomm, BGB, Anh. § 12 Rn.60; Stark, Ehrenschutz, S. 167; Zeuner, Soergel, BGB, § 823 Rn.90. 148 Stark, Ehrenschutz, S.30f. 149 Vgl. OLG München, AfP 1977, 282f. 150 Bussfeld, Charakter, S. 77; Mackeprang, Ehrenschutz, S. 19f., Wellbrock, Persönlichkeitsschutz, S. 35 f. 151 Baston-Vogt, Persönlichkeitsrecht, S.414; Stark, Ehrenschutz, S.31. 152 Baston-Vogt, Persönlichkeitsrecht, S.416 Fn. 1024; ErmanlEhmann, BGB, Anh. § 12 Rn. 230; Rixecker, MünchKomm, BGB, Anh. § 12 Rn. 61; Timm, Tatsachenbehauptungen, S.27, 64; Weitnauer, DB 1976, 1413. 153 Brossette, Wahrheit, S. 113; Rixecker, MünchKomm, BGB, Anh. § 12 Rn.61.

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nämlich die grundsätzliche Möglichkeit der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts über den Teilbereich „Ehre" hinaus durch das Aufstellen und Verbreiten wahrer Tatsachen in der Öffentlichkeit 154. Man könnte im Falle einer Strafanzeige oder der Veröffentlichung kompromittierender Tatsachen namentlich daran denken, dass das Diskretionsinteresse des Betroffenen als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsinteresses tangiert ist 155 . Der Persönlichkeitsschutz umfasst mit diesem Ausschnitt das Recht des Einzelnen, selbst darüber zu bestimmen, ob Informationen, welche geeignet sind, ihn in seinem jeweiligen sozialen Umfeld zu diskreditieren, an die Öffentlichkeit gelangen156. Bei dem sehr weiten, mit einem abstrakt-generellen Schutzbereich versehenen allgemeinen Persönlichkeitsrecht lässt sich allerdings eine Verletzung nur aufgrund einer einzelfallbezogenen Güter- und Interessenabwägung feststellen 157. Als eine weitere Schranke des persönlichkeitsrechtlichen Schutzes wird die Duldung sozialadäquater Eingriffe angesehen158. Durch eine Straftat des Bedrohten werden nicht nur die privaten Belange des Opfers der Straftat, sondern auch die der Allgemeinheit berührt. Ein staatlicher Strafanspruch entsteht. Die Strafanzeige stellt die einzig adäquate Reaktion des Einzelnen auf eine ihm bekannt gewordene Straftat dar. Hieraus eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Straftäters ableiten zu wollen, liefe den Wertungen des Rechts zuwider. Zudem wird die Mitteilung nicht gegenüber einer breiten Öffentlichkeit getätigt, sondern den staatlichen Behörden gegenüber, die an der Information ein berechtigtes Interesse haben. Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass durch die Ankündigung einer Strafanzeige auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des davon Betroffenen nicht berührt ist. Der Schutzbereich des § 823 Abs. 1 BGB ist nicht eröffnet. Anders stellt sich die Situation dagegen bei der Veröffentlichung kompromittierender Tatsachen, einschließlich einer Straftat, in den Medien dar. Besteht für deren Bekanntmachung kein sachlicher Grund, weil insbesondere keine Person des öffentlichen Lebens im Mittelpunkt steht oder Interessen der Allgemeinheit nicht angesprochen werden, kommt eine Verletzung des Anspruchs auf Diskretion in Betracht. Diese steht um so deutlicher im Raum, je mehr die Publikation die Wirkung einer Anprangerung erhält 159 und durch eine tendenziöse Berichterstattung gekennzeichnet ist. Weitere Umstände, die für einen Eingriff in die Persönlichkeit sprechen, wären das Wiederaufgreifen lange zurückliegender Verfehlungen ohne ersichtlichen 154 Arzt, JuS 1982,717,725; Beater, Presse, S.70; Baston-Vogt, Persönlichkeitsrecht, S.416 Fn. 1024; Brossette, Wahrheit, S. 113f.; Hager, Staudinger, BGB, § 823 Rn.C 147. 155 Baston-Vogt, Persönlichkeitsrecht, S.397, 416 Fn. 1024; Edenfeld, JZ 1998, 645, 650. 156 Baston-Vogt, Persönlichkeitsrecht, S. 400f.; Hager, Staudinger, BGB, § 823 Rn. C 147. 157 Baston-Vogt, Persönlichkeitsrecht, S. 152ff. 158 Baston-Vogt, Persönlichkeitsrecht, S. 157. 159 Edenfeld, JZ 1998, 645, 650 für den Fall der medialen Schuldneranprangerung.

§ 2 Vorliegen einer Notwehrlage

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Bezug für die Gegenwart oder die breite Aufmachung von Vorgängen, welche die Intimsphäre der Person betreffen. Der mit einer derartigen Berichterstattung Bedrohte könnte sich zu seiner Verteidigung darauf berufen, in einem notwehrfähigen Interesse, nämlich seinem Diskretionsbedürfnis als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, beeinträchtigt zu

c) Zusammenfassung Die Untersuchungen haben ergeben, dass die Ehre des Bedrohten bei einer Offenbarung wahrer Tatsachen allein unter den Voraussetzungen einer Formalbeleidigung betroffen ist. Liegen die dafür erforderlichen besonderen Umstände nicht vor, erschöpft sich die Tathandlung also vor allem in dem sachlichen Vorwurf der Negativtatsachen und der Androhung bloßer Veröffentlichung ohne „Anprangerung" bzw. der Strafanzeige, ist eine Ehrverletzung nicht denkbar. Darüber hinaus kann ein Eingriff in das mit der Ehre eng verbundene zivilrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht ebenfalls nur bei Hinzutreten weiterer Umstände bejaht werden. Sieht man von solchen Konstellationen ab, wird durch die Androhung der Offenbarung einer Straftat oder sonst kompromittierender Tatsachen weder die Ehre noch das allgemeine Persönlichkeitsrecht angegriffen. Damit stellt das subjektive Gefühl des Betroffenen, durch den Vorwurf einer Straftat oder eines kompromittierenden Verhaltens in seinem Ansehen oder allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschmälert zu sein, kein notwehrfähiges Rechtsgut dar. Zur Verteidigung allein dieses Interesses kann aus § 32 StGB als unrechtsausschließender Rechtfertigungsgrund keine Berechtigung zur Verletzung der Rechtssphäre des Angreifers abgeleitet werden. Welche Konsequenzen sich aus dem gefundenen Ergebnis für die Frage der Zulässigkeit einer Notwehr gegen die Drohung mit einer Veröffentlichung zur Erlangung finanzieller Vorteile insgesamt folgern lassen, wird an späterer Stelle erörtert. Nur unter den Voraussetzungen der Formalbeleidigung bzw. der „Anprangerung" kann sich für den Betroffenen ein notwehrfähiges Rechtsgut ergeben. 2. Das Interesse an der Vermeidung strafrechtlicher als rechtlich geschütztes Gut

Verfolgung

Mit seiner Abwehrhandlung will der mit einer Strafanzeige Bedrohte - neben anderen bereits benannten Zielen - auch die Einleitung einer strafrechtlichen Verfolgung verhindern. Der Täter soll in dem Bestreben, die staatlichen Stellen entweder überhaupt oder fundiert durch Beweisstücke über eine vom anderen begangene Straftat zu informieren, aufgehalten werden. Aus der psychischen Zwangssituation 160 Für diese Fälle der Anprangerung folgt die Notwehrfähigkeit des betroffenen Interesses aber auch aus § 192 StGB. Vgl. die Ausführungen im Text 2. Teil, § 2 A. IV. 1. a).

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des mit seiner Vergangenheit und ihren möglichen Konsequenzen Konfrontierten (strafrechtliche Sanktion oder Zahlung einer gewissen Geldsumme an den Drohenden), die diesen letztlich zu einer Reaktion motiviert, folgt parallel dazu für ihn zugleich die „bittere" Erkenntnis, sich nicht an die Polizei zur Erlangung von Hilfe gegen den Widersacher ohne die Offenbarung der eigenen Straftat wenden zu können. Das Interesse an einer Verhinderung behördlicher Maßnahmen wird damit auf zweierlei Weise im Notwehrrecht relevant: Einerseits geht es um das Bedürfnis, die staatliche Strafberechtigung zu verhindern bzw. zu vereiteln. Verhaltensweisen, die auf einer solchen Zielvorstellung gründen, lassen sich unter den Begriff der „Selbstbegünstigung" zusammenfassen 161. Es stellt sich die Frage, ob das hier in Rede stehende Streben nach aktiver Selbstbegünstigung als rechtlich geschütztes Interesse notwehrfähig ist. Andererseits wird der genannte Aspekt bedeutsam im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung der Notwehrhandlung. Wenn als einzig erforderliches Mittel die Inanspruchnahme von staatlicher Hilfe in Betracht kommen sollte, ist das Prinzip des Verbotes eines Zwangs zur Selbstbelastung unmittelbar angesprochen. Denn ein für notwendig erachteter Gang zur Polizei nötigt den Bedrohten zu einer Offenlegung seiner misslichen Lage. Um die staatlichen Behörden zu einer Reaktion zu veranlassen, müsste er erklären, in der Vergangenheit straffällig geworden zu sein und nun mit einer Strafanzeige unter Druck gesetzt zu werden. Mit anderen Worten: Postuliert man als zu ergreifendes Mittel die Inanspruchnahme der Polizei, hat dies für den Bedrohten die Konsequenz, eine selbstbelastende Aussage machen zu müssen. Darauf wird im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung zurückzukommen sein. Im Fortgang der Arbeit ist in dem folgenden Abschnitt zunächst zu klären, ob das Interesse des Bedrohten an der aktiven Verhinderung strafrechtlicher Ermittlungsmaßnahmen als notwehrfähig angesehen werden kann. Hier stellt sich jetzt mit einiger Dringlichkeit die eingangs bereits erwähnte Frage nach einer für die Untersuchung verbindlichen Begriffsbestimmung des notwehrfähigen Interesses. a) Der Begriff des notwehrfähigen Interesses Nach nahezu einhelliger Auffassung 162 wird die Voraussetzung des notwehrfähigen Interesses mit den Termini „rechtlich geschützte Interessen" umschrieben. Soweit ersichtlich findet sich nur ganz vereinzelt 163 die Formulierung des „rechtlich anerkannten (Hervorhebung durch die Verfasserin) Zustandes oder Interesses". 161

Hoffmann, Selbstbegünstigung, S. 11; Schneider, Selbstbegünstigungsprinzip, S. 15. Herzog, NK-StGB, § 32 Rn. 3; JeschecklWeigend, Strafrecht AT, § 32 II 1 b; Lackneri Kühl, StGB, § 32 Rn. 2; Mitsch, Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rn.4; Lencknerl Perron, Schönke/Schröder, StGB, §32 Rn.4. 163 Haft, Strafrecht AT, S. 85; Maurach/Zipf Strafrecht AT 1, § 26 Rn. 10; Spendel, LKStGB, §32 Rn.23. 162

§ 2 Vorliegen einer Notwehrlage

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Auf den ersten Blick scheint es so, als ob durch das Erfordernis eines „lediglich" rechtlich anerkannten Zustandes oder Interesses der Kreis möglicher notwehrfähiger Güter erheblich erweitert ist, denn von einem Anerkenntnis durch das Recht kann schon dann gesprochen werden, wenn dem Interesse an irgendeinem Punkt in der Rechtsordnung Rechnung getragen wird. Wie sich dieses „Rechnungtragen" gestaltet, ist dabei ganz unerheblich. Anerkannt in einem derartig weiten Sinn kann ein Wert etwa auch für den Fall sein, dass sich aus einem Gesetz die Kenntnis seiner Existenz folgern lässt. Bei einer dem entsprechenden Auslegung gibt es kaum einen Wert, welcher nicht den Status eines notwehrfähigen Interesses beanspruchen könnte 164 . In einer solch uferlosen Weite lässt sich die angeführte Formulierung freilich nicht verstehen. Aus den Anmerkungen, die sich an die derartig lautende Definition anschließen, ersieht man, dass das Wort „geschützt" lediglich durch das Verb „anerkannt" ersetzt wurde, ohne damit der Definition einen anderen als den herkömmlichen Sinn geben zu wollen. Zur Vermeidung der beschriebenen Irritationen wird für die Bearbeitung als Ausgangspunkt der Interpretation an den Termini „rechtlich geschützt" festgehalten. Allerdings ist durch die Gleichsetzung des notwehrfähigen Interesses mit einem rechtlich geschützten noch nicht viel gewonnen. Das Merkmal „Interesse" steht in der Strafrechtswissenschaft selbst nicht eindeutig fest 165. Schon Welzel 166 bemerkte, dass die Bezeichnung „Interesse" sprachlich der ärgste Proteus sei und sie wie kein anderes Wort begrifflich vermöge, über alles einen Schleier des Halbdunkels zu legen, der um so gefährlicher sei, als er nicht ganz verdunkele, sondern scheinbar zulasse, die Dinge zu unterscheiden. Dementsprechend gibt es zahlreiche Versuche zu definieren, was ein „Interesse" ist 167 . Vorliegend wird als solches jedes individuell empfundene Bedürfnis und jeder Wunsch aufgefasst 168. Notwendige begrenzende Voraussetzung für eine Bewertung der subjektiven Handlungsmotive ist aber darüber hinausgehend noch, dass diese in einen Zusammenhang mit bestimmten, sie auslösenden Gegenständen oder Zuständen gebracht werden. Ansonsten würde der Begriff sich durch eine völlige inhaltliche Leere auszeichnen und unbrauchbar sein169. Unter Zugrundelegung dieser Überlegungen ist das Handlungsmotiv des Bedrohten - Verhinderung einer strafrechtlichen Verfolgung - als Interesse im genannten Sinne anzusehen. Unausweichliche Folge dieser Auslegung ist aber trotz der 164

Vgl. Neumann, NK-StGB, § 34 Rn. 24. Lenckner, Notstand, S. 124; Meißner, Interessenabwägungsformel, S. 149. 166 In: ZStW 58 (1946), 491, 509; dem zustimmend Lenckner, GA 1985, 295, 301. 167 Zu jüngeren Untersuchungen siehe: Delonge, Interessenabwägung, S. 10, 26ff.; Meißner, Interessenabwägungsformel, S. 149 ff., beide jeweils m.w.N. 168 Delonge, Interessenabwägung, S. 10f., 26ff.; Lampe, FS Welzel, S. 151 ff.; gegen eine Einbeziehung besonderer Motivationen in den Kreis der verteidigungswürdigen Interessen wohl Neumann, NK-StGB, § 34 Rn. 26, der diesen im Rahmen der Schuld Rechnung tragen will. 169 Hubmann, AcP 155 (1956), 85,95 f.; Lenckner, Notstand, S. 124f.; ders., GA 1985, 295, 301. 165

7 Kroß

2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

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Einschränkungsversuche, dass es möglich bleibt, jedes Handlungsziel als Interesse begreifen zu können. Diese Weite birgt für das Notwehrrecht allerdings nicht die Gefahr allzu großer Uferlosigkeit, denn, wie oben bereits erwähnt 170, erfolgt die eigentliche Aussonderung der zu einer Verteidigung berechtigenden notwehrfähigen Interessen aus dem größeren Bereich der natürlichen nachvollziehbaren Bedürfnisse durch das Erfordernis ihres rechtlichen Schutzes. Unter bewusster Überschneidung mit dieser limitierenden Notwendigkeit, aber wohl ebenso, um dem Begriff des Interesses etwas klarere Konturen zu geben als dies durch die bloße Interpretation als Begehren bzw. Wunsch möglich ist, wird gemeinhin der Bereich, welcher als rechtlich geschützte Interessenssphäre für den hier allein im Mittelpunkt stehenden Fall der Beeinträchtigung privater Belange des Bedrohten angesehen werden kann, damit umschrieben, dass alle Individualrechtsgüter not wehrfähig sind 171 . Der dann oftmals 172 folgende Hinweis auf die in § 34 StGB ausdrücklich aufgezählten Werte verdeutlicht die gedankliche Verbindung der Begrifflichkeit „Individualrechtsgut" mit den zunächst nach dem materiellen Recht geschützten Rechtsgütern. Sollte das betroffene Gut etwa bereits vom Strafrecht gesichert sein, macht die praktische Fallbearbeitung zumeist keine größeren Schwierigkeiten. Wenn sich dagegen herausstellt, dass die Lösung nicht derartig einfach zu finden ist, gewinnt die Erkenntnis, dass das Notwehrrecht nicht auf den Schutz strafrechtlich gewährleisteter Güter beschränkt ist 173 , sondern auch andere Werte als notwehrfähig klassifiziert werden können, Bedeutung. Für die Befürwortung der Notwehrfähigkeit eines Interesses ist immer der Nachweis erforderlich, dass sich aus gesetzlichen Bestimmungen, einschließlich der Generalklauseln, oder aus allgemeinen Rechtsprinzipien der Schutz der handlungsmotivierenden individuellen Bedürfnisse ergibt 174 . b) Selbstbegünstigungsinteresse als notwehrfähiges Interesse Bevor der soeben umrissene letzte Gesichtspunkt aber überhaupt relevant werden kann, ist abzuklären, ob sich das Selbstbegünstigungsinteresse nicht schon als durch materielles Strafrecht gewährleistetes Individualrechtsgut auffassen lässt. 170

Vgl. die Ausführungen im Text 2. Teil, §2 A.IV. Vgl.: Günther, SK-StGB, § 32 Rn. 34; Herzog, NK-StGB, § 32 Rn. 14; Lackner/Kühl, StGB, §32 Rn. 3; Lenckner/Perron, Schönke/Schröder, StGB, §32 Rn.5; Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn. 30; Spendet, LK-StGB, § 32 Rn. 164. 172 Günther, SK-StGB, § 32 Rn. 34f.; Herzog, NK-StGB, § 32 Rn. 14; LencknerIPerron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn. 5. 173 Günther, SK-StGB, § 32 Rn. 34; Jakobs, Strafrecht AT, 12. Abschn. Rn. 3; JescheckfWeigend, Strafrecht AT, § 32 II 1 b; Kühl, Strafrecht AT, § 7 Rn. 34; Lenckner!Perron, Schönke/ Schröder, StGB, §32 Rn.4; MaurachlZipf, Strafrecht AT 1, §26 Rn. 10ff.; Mitsch, Baumann/ Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rn. 8; Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn. 30. 174 Vgl. Lenckner, Notstand, S.75 für das notstandsfähige Rechtsgut. 171

§ 2 Vorliegen einer Notwehrlage

aa) Selbstbegünstigungsinteresse

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als Individualrechtsgut

Der Begriff des Rechtsgutes ist seit langem außerordentlich umstritten. Bis in die heutige Zeit ist es nicht gelungen, den Terminus so zu bestimmen, dass er eine rechtlich fundierte und inhaltlich befriedigende Abgrenzung ermöglicht 175. Die Diskussion wird vor allem vor dem Hintergrund der Legitimation des Strafrechts geführt. Es gilt die Forderung, dass das Strafrecht nur „Rechtsgüter" schützen dürfe 176. Ziel der Bemühungen ist die Erarbeitung von Maßstäben, die eine Bewertung dahin gehend zulassen, wann ein natürliches Interesse des Einzelnen oder der Allgemeinheit als ein so wertvolles Gut aufgefasst werden muss, dass für den Fall seiner Gefährdung und/oder Verletzung die Aufstellung einer Strafdrohung gerechtfertigt ist 177 . Auf eine ausführliche Darstellung des Diskussionsstandes und eine „Durchleuchtung" kann vor dem Hintergrund der Thematik verzichtet werden. Es fragt sich nämlich nicht, ob das Selbstbegünstigungsinteresse eine Gegebenheit oder Zwecksetzung ist, welche für das Zusammenleben der Menschen in einer Gemeinschaft so unentbehrlich ist, dass zu ihrer Absicherung ein Straftatbestand geschaffen werden muss, sondern gerade umgekehrt, ob Normen bereits existieren, die einen Schutz bieten. Die Beurteilung der Notwehrfähigkeit orientiert sich nur an bereits vorhandenen Regeln oder Rechtsprinzipien. Ein Interesse ist dann als rechtlich geschützt anzusehen, wenn sich mit Hilfe der teleologischen Auslegung einer Norm gerade die Gewährleistung dieses Wertes ergibt. Dabei muss die Absicherung bezweckt und darf nicht lediglich unselbständiger Reflex sein. Ein Schutz ist insbesondere dann zu bejahen, wenn seine Durchsetzung durch die Androhung strafrechtlicher oder außerstrafrechtlicher Sanktionen (etwa öffentlich rechtlicher Maßnahmen oder auch zivilrechtlicher Schadensersatzpflichten) für den Fall einer Zuwiderhandlung forciert werden soll 178 . Eine Norm, die das Selbstbegünstigungsinteresse des Täters ausdrücklich in dem Sinne garantiert, dass diesen Wert in Frage stellende Verletzungs- oder Gefährdungshandlungen unter ein Verbot gestellt sind, kennt das materielle Strafrecht naturgemäß nicht. Die Existenz einer solchen allgemeinen, das Streben nach Straflosigkeit schützenden Regelung, welche generell alle selbstbegünstigenden Handlungen erfasst, würde das Strafrecht, dessen Ziel vor allem die Bestrafung des Rechtsbrechers ist, geradezu auf den Kopf stellen. Rechtsschutz für eine Selbstbegünstigungshandlung ließe sich möglicherweise aber auch dann bejahen, wenn als logische Konsequenz aus einer Norm des Strafgesetzbuches die Privilegierung eines derartigen Interesses folgen würde. Bei der 175

Roxin, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 5; Stratenwerth , FS Lenckner, S. 377 ff. Roxin , Strafrecht AT I, § 2 Rn. 2; Jescheck/Weigend , Strafrecht AT, § 1 III 1; Maurachl Zipf, Strafrecht AT 1, § 19 Rn. 4; Otto , Strafrecht AT, § 1 Rn.25; Weber , Baumann/Weber/ Mitsch, Strafrecht AT, § 3 Rn. 10. 177 Gropp, Strafrecht AT, § 3 Rn. 26. 178 Delonge , Interessenabwägung, S.22 Fn.5. 176

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

Suche nach einer solchen Regelung rückt der Tatbestand des § 258 Abs. 1 und Abs. 5 StGB in das Blickfeld. § 258 Abs. 1 StGB belangt denjenigen, der absichtlich oder wissentlich vereitelt, dass ein anderer bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird. Als tatbestandliches Unrecht ist nur die Fremdbegünstigung erfasst. Aus der Umschreibung des gesetzlichen Tatbestandes ergibt sich damit zugleich die Straflosigkeit strafvereitelnder Selbstbegünstigungshandlungen. Die selbstbegünstigende Verhaltensweise, hier unabhängig davon, ob sie sich in Aktivität oder Passivität äußert, genießt also im Rahmen der Strafvereitelung eine Privilegierung. Diese Wertentscheidung des Gesetzgebers verstärkt noch der § 258 Abs. 5 StGB. Nach seinem Willen tritt nämlich Straflosigkeit auch für den ein, der durch die Tat zugleich ganz oder zum Teil vereiteln will, dass er selbst bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird. Wenn also Selbst- und Fremdbegünstigungskomponente zusammentreffen, dann ist die erstere die ausschlaggebende. Mit der festgestellten Privilegierung des Selbstbegünstigungsinteresses ist allerdings nur ausgesagt, dass der Gesetzgeber im Rahmen des § 258 StGB das natürliche Interesse des Straftäters an der Vereitelung seiner eigenen Bestrafung anerkennt - im weiten Sinne dieses Wortes. Mehr ist dem § 258 StGB nicht zu entnehmen. Für die Bejahung der Notwehrfähigkeit der Selbstbegünstigungsabsicht gerät der alleinige Bezug auf den § 258 Abs. 1, Abs. 5 StGB zudem auch zu kurz. Zunächst ist allgemeine Ansicht in Schrifttum 179 und Rechtsprechung180, dass die Straflosstellung des sich selbst begünstigenden Täters nur für den § 258 StGB gilt. Sobald die Vereitelungshandlung zugleich noch den Tatbestand eines anderen Gesetzes erfüllt, soll der Handelnde strafbar bleiben. Die Handlungsfreiheit einer Person finde ihre Grenze dort, wo sie sich mittels Verwirklichung eines Straftatbestandes geltend mache. Sobald der Täter neues Unrecht begehe, um die Entdeckung einer früheren Straftat zu verhindern, verlange die Rechtsordnung, dass man eher die Sühne für begangenes Unrecht auf sich nehme als neues zu setzen. Ein weiterer Aspekt, der gegen einen vorschnellen Schluss auf ein rechtlich geschütztes Interesse spricht, ist folgender: Das Strafgesetzbuch enthält Tatbestände, bei denen das Selbstbegünstigungsmotiv gerade nicht privilegierend, sondern im Gegenteil strafbegründend oder -schärfend wirkt. Zu nennen sind die Strafbestimmungen über die Gefangenenmeuterei (§121 StGB), das unerlaubte Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB), den Verdeckungsmord (§211 Abs. 2, 3. Gruppe StGB) und die Vornahme gefährlicher Eingriffe in den Bahn-, Schiffs-, Luft- und Straßenverkehr in 179

Arzt/Weber, Strafrecht BT, §26 Rn. 13; Berthold, Selbstbezichtigung, S. 17; Otto, Strafrecht BT, §96 Rn. 18; Rengier, Strafrecht BT I, §21 Rn. 16; Ruck, § 142 StGB, S.49; Ruß, LKStGB, §258 Rn. 31; Stree, Schönke/Schröder, StGB, §258 Rn. 34; Verrel, Selbstbelastungsfreiheit, S. 87. 180 RGSt 63,233,235; 68,286,289; 72,20,23; 74,44,47; 76,190ff.; BGHSt 2,375,378; 5, 75,81; 15, 53f.

§ 2 Vorliegen einer Notwehrlage

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der Absicht, eine andere Straftat zu verdecken (§§ 315 Abs. 1, 3, 315b Abs. 1, 3 StGB). Daneben existieren Normen (§§ 145 d, 164 StGB), bei denen die Selbstbegünstigungsabsicht mangels Vorliegens eindeutiger tatbestandlicher Vorgaben keine einheitliche, den Täter entweder belastende oder privilegierende Bewertung erfährt. Es bleibt also zu konstatieren, dass das Interesse an der eigenen Begünstigung bei vielen Regelungen in ganz unterschiedlicher Weise im Strafgesetzbuch Berücksichtigung gefunden hat. Die Folgen, die sich an ein Verhalten getragen von der Motivation der Selbstbegünstigung anknüpfen, reichen von völliger Straffreiheit bis zu einer Strafschärfung. Mit einem Hinweis auf das materielle Strafrecht lässt sich folglich nicht befriedigend begründen, warum das natürliche Interesse des Einzelnen an einer Vereitelung strafrechtlicher Verfolgungsmaßnahmen, welches durchaus in §258 StGB eine Verankerung gefunden hat, einen darüber hinausgehenden rechtlichen Schutz erfahren haben soll. Bis hierher hat sich somit aus dem materiellen Strafrecht lediglich eine eng begrenzte Anerkenntnis des Interesses, selbstbegünstigende Handlungen anzustreben, entnehmen lassen. Eine Norm, welche die rechtliche Absicherung eines derartigen Bedürfnisses nach ihrer Zielsetzung gerade gewährleistet, konnte nicht ausgemacht werden. Das Selbstbegünstigungsinteresse lässt sich somit nicht als materiell-strafrechtliches Individualrechtsgut begreifen. bb) Rechtsschutz aus strafprozessualen

Normen

Zu untersuchen ist nunmehr, ob das Motiv des Bedrohten als in sonstiger Weise rechtlich geschützter Wert aufgefasst werden kann. Möglicherweise ließe sich eine rechtliche Absicherung aus den Regelungen des Strafverfahrensrechts herausarbeiten. Denkbar ist die Herleitung einer - mit welchem Umfang auch immer versehenen - Gewährleistung aus dem alten einer langen Rechtstradition entsprechenden Prinzip 181 „nemo tenetur se ipsum accusare". Dieses besagt heute nach herrschender Auffassung 182, dass es jedermann gänzlich freistehe, selbst (eigenverantwortlich) darüber zu befinden, ob und inwieweit er zur eigenen Überführung tätig beitragen bzw. sich durch aktives Tun selbst bezichtigen wolle. Etwas schlagwortartig wird der Gedanke auch mit den Begriffen „Selbstbezichtigungsfreiheit" 183 bzw. „Selbstbelastungsfreiheit" 184 gekennzeichnet. Sollte der genannte Grundsatz tatsächlich eine positiv rechtliche Anerkennung 185 für das Strafverfahren gefunden haben, fragt 181 Zur historischen Entwicklung vgl.: Dingeldey, JA 1984, 407f.; v. Gerlach, FS Hanack, S. 117, 130ff.; Schroeder, Strafprozeßrecht, Rn. 371 f. 182 BGHSt 40, 66, 71; Eser, ZStW 79 (1967), 213, 218f.; Roxin, NStZ 1995, 465f.; Sternberg-Lieben, Jura 1995, 299, 308 f. 183 Lesch, KMR-StPO, § 136 Rn. 14. 184 Rogall, SK-StPO, Vor § 133 Rn. 130 ff. 185 Verneinend Lesch, KMR-StPO, § 136 Rn. 17.

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

sich weiterführend, ob man auf seiner Grundlage auch eine generelle Abwehrbefugnis jedenfalls prinzipiell dahin gehend bejahen kann, dass der Staat bei einem durch Selbstbegünstigung motivierten Handeln auf dieses in privilegierender Weise Rücksicht nehmen muss. Dies könnte etwa geschehen, indem die Möglichkeit eingeräumt wird, aufgrund einer vorzunehmenden Abwägung 186 den in Selbstbegünstigungsabsicht handelnden Straftäter in bestimmten Maßen von Strafverfolgungsgefahren freizustellen. Die Überlegung zu rechtlicher Verankerung und Schutzumfang einer Selbstbezichtigungsfreiheit muss zunächst für das Strafverfahren selbst vorgenommen werden. Sollte man in diesem Bereich zu einer Bejahung der aufgeworfenen Fragen kommen, ist zu prüfen, ob sich daraus Konsequenzen für das materielle Strafrecht ergeben können. Auswirkungen des nemo-tenetur-Grundsatzes auch im materiellen Strafrecht werden von der Rechtsprechung187 und Teilen der Lehre 188 jedenfalls grundsätzlich befürwortet. (1) Verneinung eines Rechtsanspruchs auf Selbstbelastungsfreiheit Bereits die Basis für die Ableitung eines rechtlichen Schutzes im Hinblick auf das Interesse, aktiv eine Strafverfolgung zu verhindern, nämlich eine rechtlich vorgegebene Gewährleistung des Bedürfnisses, passiv durch Schweigen eine strafrechtliche Überführung zu vereiteln, wird von Leschm in Zweifel gezogen. Es sei Rechtsprechung und Literatur nicht gelungen, nachzuweisen, dass das zweifellos vorhandene kreatürliche Interesse des Beschuldigten an einer Verschonung vor Selbstbezichtigung als natürliches „Schamgefühl" oder „Selbsterhaltungsinteresse" per se bereits eine positiv-rechtliche Anerkennung finden muss190. Unter Zugrundelegung einer Untersuchung Pawliks 191 verneint Lesch einen Rechtsschutz für das Selbsterhaltungsinteresse. Denn der Einzelne trete im Recht nicht etwa als „biologisch-zoologische Einheit Mensch" auf, sondern stets als Person. Eine solche wiederum sei maßgeblich durch das Synallagma von Organisationsfreiheit und Folgenverantwortung definiert. Eine Person könne deshalb immer nur derjenige sein, der auf die Einheit seiner Lebensgeschichte festgelegt sei und dem es daher nicht gestattet werde, vor seiner Vergangenheit, das heißt vor der von ihm begangenen Straftat davonzulaufen. Statuiere man einen Rechtsanspruch auf eine 186

Kritisch zur Einführung einer Abwägung Pawlik, GA 1998, 378 f. BVerfGE 56, 37 ff. 188 Berthold, Selbstbezichtigung, S.9, 15; Hoffmann, Selbstbegünstigung, S.56; Reiß, Besteuerungsverfahren, S.200; Rogall, SK-StPO, Vor § 133 Rn. 130; ders., JR 1993, 380f. 189 In: KMR-StPO, § 136 Rn. 17f.; ders., in: Strafprozessrecht, S. 103, Rn.245f.; ders., in: ZStW 111 (1999), 624, 637. 190 Lesch, KMR-StPO, § 136 Rn. 17; ähnlich auch Ulsenheimer, GA 1972, 1, 24. 191 In: GA 1998, 378ff. 187

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Selbstbezichtigungsfreiheit, würde wegen der damit einhergehenden Eskamotierung des Verantwortungsprinzips und seiner Ersetzung durch eine schier subjektivistische Gesinnungsethik die Qualität des Beschuldigten als Person zerstört, und er würde stattdessen auf die Stufe einer tiergleich-kreatürlichen Existenz herabgesetzt. Nach Lesch ist folglich schon ein Recht auf Selbstbezichtigungsfreiheit, welches lediglich Passivität verbürgt, nicht anzuerkennen192. Das in § 136 Abs. 1, S. 2 StPO vorausgesetzte Privileg der Aussagefreiheit ist nach ihm vielmehr nur als ein Aspekt des Rechts auf eine freie Disposition für die Art und Weise der Verteidigung zu begreifen. Das bedeutet, dass die sogenannte Selbstbezichtigungsfreiheit des Beschuldigten allein als ein unselbstständiger Reflex des Rechts auf freie Verteidigungsauswahl im Strafverfahren entstehen kann 193 . Verneint man aber bereits einen rechtlich abgesicherten Anspruch auf die Freiheit, sich nicht selbst durch Aussagen oder Auskünfte belasten zu müssen, kann man auf der Basis eines solchen Verständnisses konsequenterweise nicht mehr zu einer Ableitung eines rechtlichen Schutzes aktiver Selbstbegünstigungshandlungen gelangen. Damit ist das in Frage stehende Interesse nach diesem Ausgangspunkt konsequenterweise als nicht notwehrfähig einzustufen. (2) Die traditionelle Ansicht Nach ganz überwiegender Meinung 194 wird der nemo-tenetur-Grundsatz in der Strafprozessordnung zwar nicht ausdrücklich erwähnt, jedoch von ihr als selbstverständlich vorausgesetzt. Diese Behauptung wird mit dem Hinweis auf die in der Strafprozessordnung verankerten BelehrungsVorschriften belegt. Für die Vernehmung des gem. § 115 StPO verhafteten Beschuldigten sieht § 115 Abs. 3, S. 1 StPO die Pflicht vor, den Beschuldigten auf „sein Recht hinzuweisen, sich zur Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen". Ebenso ist der gem. § 127 StPO vorläufig Festgenommene aufgrund der Verweisung in § 128 Abs. 1, S. 2 StPO auf §115 Abs. 3, S. 1 StPO auf sein diesbezügliches Recht aufmerksam zu machen. Nach der - zumeist vorrangig genannten - Norm des § 136 Abs. 1, S. 2 StPO ist der Beschuldigte bei Beginn der ersten Vernehmung darüber zu belehren, „dass es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen...". Diese Regelung gilt ausweislich der §§ 163 a Abs. 3, S. 2 und 163 a Abs. 4, S. 2 StPO sowohl für die Vernehmungen durch die Staatsanwaltschaft als auch für die der Beamten des Polizeidienstes. Schließlich sieht §243 Abs. 4, S. 1 192

In:KMR-StPO, §136 Rn.18. Lesch, ZStW 111 (1999), 624, 638. 194 BayObLG, StV 2002, 179f.; BärleinlPananis/Rehmsmeier, NJW 2002, 1825; Dietrich, Selbstbelastung, S. 32; HallerlConzen, Strafverfahren, Rn. 161; Hanack, LR-StPO, § 136 Rn.21; Kleinknecht/Mayer-Goßner, StPO, § 136 Rn.7; Lemke, HK-StPO, § 136 Rn. 17; Pfeiffer, StPO, § 136 Rn. 4; Rogall, SK-StPO, Vor § 133 Rn. 130; ders., Beschuldigte, S. 109f.; Schneider, Selbstbegünstigungsprinzip, S.37. 193

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StPO für die Hauptverhandlung die Anordnung vor, dem Angeklagten zu erklären, „dass es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen." Aus den Formulierungen wird die Verweisung der BelehrungsVorschriften auf ein außerhalb der StPO stehendes Recht - den nemo-tenetur-Grundsatz, welchen man überwiegend als Basis der sogenannten Aussagefreiheit ansieht195, - deutlich. Bekanntermaßen 196 beinhaltet diese auf der einen Seite und in erster Linie eine negative Abwehrfunktion: durch das Recht zur Verweigerung von aktiver Mitwirkung soll der Beschuldigte vor jedem Zwang zur Selbstbelastung geschützt werden. Eine positive Funktion entfaltet die Aussagefreiheit durch die Gewährung des Rechts, aktiv an der Verteidigung mitzuwirken. Überwiegend werden Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG als verfassungsrechtliche Grundlage des Verbotes von Zwang zur Selbstbelastung herangezogen 197. Jeder Zwang zur Selbstbezichtigung sei als Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit sowie als Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechtes zu beurteilen. Daneben wäre aber auch die Menschenwürdegarantie tangiert, denn der Zwang, durch eigene Aussagen die Voraussetzungen für eine strafgerichtliche Verurteilung oder die Verhängung entsprechender Sanktionen liefern zu müssen, sei unzumutbar und mit der Würde des Menschen unvereinbar. Diese gebiete die freie Entscheidung des Beschuldigten darüber, ob er als Werkzeug zu seiner eigenen Überführung benutzt werden dürfe. Zudem ist das Verbot des Selbstbelastungszwanges für das innerstaatliche Recht einfachgesetzlich ausdrücklich in Art. 14 Abs. 3 lit. g IPBPR festgeschrieben 198. Da195 BGHSt 38, 302, 305f.; Gundlach, AK-StPO, § 136 Rn. 16; Hanack, LR-StPO, § 136 Rn. 21; Rieß, LR-StPO, Einl. Abschn. I, Rn.88; Rogall, JR 1993, 380f.; ders., SK-StPO, Vor § 133 Rn.66; Sternberg-Lieben, Jura 1995, 299, 308. 196 BärleinIPananislRehmsmeier, NJW 2002, 1825; Eser, ZStW 79 (1967), 213, 219; Rogall, Beschuldigte, S.42; Saiger, Schweigerecht, S. 17; Schneider, Selbstbegünstigungsprinzip, S.30. 197 BVerfGE 56, 37,41 f.; 95, 220, 241; BVerfG, wistra 1988, 302; BVerfG, StV 1995, 505; StV 1999, 71; BGHSt 36, 328, 332; 38, 214, 220; BGH, JZ 1997, 737, 739; KG, NStZ 1995, 146; OVG Koblenz, NJW 1982, 1414; Bärlein/Pananis/RehmsmeieT, NJW 2002, 1825; Besson, Steuergeheimnis, S.80f.; Böse, wistra 1999, 451; Dietrich, Selbstbelastung, S.44; Dingeldey, NStZ 1984,529; Gollwitzer, LR-StPO, Art. 14 IPBPR Rn.249; Hellmann, Strafprozeßrecht, Teil II, §5 Rn.7; ders., JZ 2002,617; Kopf, Selbstbelastungsfreiheit, S.61; Magdowski, Verkehrsunfallflucht, S. 68; Meyer, JR 1986, 170; Nothhelfer, Selbstbezichtigungszwang, S. 77ff.; Otto, wistra 1983, 233; Pfeiffer, StPO, § 136 Rn.4; Reiß, NJW 1982, 2540f.; Renzikowski, JZ 1997,710; Rogall, Beschuldigte, S. 139ff., 148; ders., SK-StPO, Vor § 133 Rn. 132; Ruck, § 142, S. 58; Rüping/Kopp, NStZ 1997, 530, 533; Schäfer, Strafverfahren, Rn. 1227; v.Stetten, JA 1996,55; Stürner, NJW 1981,1757f.; Weichert, Selbstbestimmung, S. 123; Wölfl, Verwertbarkeit, S.46; kritisch Böse, GA 2002, 98 ff. 198 BVerfGE 56, 37, 43; BGH, NJW 2002, 1509f.; Bärlein/Pananis/R&hmsmti&T, NJW 2002, 1825; Berthold, Selbstbezichtigung, S. 13; Besson, Steuergeheimnis, S. 74; Beulke, Strafprozeßrecht, Rn. 125; Dietrich, Selbstbelastung, S. 34f.; Dingeldey, NStZ 1984, 529; Gollwitzer, LR-StPO, Art. 14 IPBPR Rn. 248; Hanack, LR-StPO, § 136 Rn.21; Hellmann, Strafprozeßrecht, Teil II, §5 Rn.7; Rieß, LR-StPO, Einl. Abschn. I Rn.88; Rogall, SK-StPO, Vor § 133 Rn. 131; Schäfer, FS Dünnebier, S. 11; Schroeder, Strafprozeßrecht, Rn.371; Stern-

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nach darf ein wegen einer strafbaren Handlung Angeklagter nicht gezwungen werden, gegen sich selbst als Zeuge auszusagen oder sich schuldig zu bekennen. Zwar beschränkt sich das Verbot des Art. 14 Abs. 3 lit. g IPBPR seinem Wortlaut nach auf den Zwang bei Personen in Verfahren, in denen sie selbst einer strafbaren Handlung beschuldigt werden. Allerdings wird die Bestimmung zugunsten aller einer Auskunftspflicht unterworfenen Personen weit ausgelegt, da auch sie schutzwürdig sind, sobald sie sich bei Erfüllung der Offenbarungspflicht selbst einer strafbaren Handlung bezichtigen müssten199. Damit hat die Selbstbelastungsfreiheit in zweifacher Weise positiv-rechtliche Anerkennung gefunden. Einfachgesetzlich in Art. 14 Abs. 3 lit. g IPBPR und verfassungsrechtlich durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG 2 0 0 . Der Auffassung Leschs, die Selbstbezichtigungsfreiheit ergäbe sich lediglich als unbewusster Reflex aus einer umfassenderen Freiheit zur eigenverantwortlichen Verteidigungsauswahl, ist nicht zuzustimmen. Es existiert ein Rechtsanspruch auf die Freiheit, sich nicht durch eigene Einlassungen selbst belasten zu müssen. Das Verbot der Anwendung von Zwang zur Selbstbelastung ist ein Rechtssatz, der Bestandteil der Rechtsordnung ist 201 . Die traditionelle Interpretation geht allerdings davon aus, dass der nemo-teneturGrundsatz ein negatives Abwehrrecht beinhaltet, welches dem Beschuldigten die Garantie einräumt, durch den Staat nicht zu einer aktiven Mitwirkung an der eigenen Überführung gezwungen werden zu können 202 . Mit einer derartigen Auslegung unmittelbar einher gehen die Grenzen dieses Rechtsgrundsatzes. Es wird allein Passivität gewährleistet. Das Gesetz nimmt Selbstbegünstigungen, die sich auf ein „Nichtstun" belaufen, in Kauf, ja schützt sie sogar, indem es den diese überwindenden Zwang ausdrücklich verbietet, § 136 a StPO. Dem Beschuldigten dürfen keinerlei Handlungspflichten auferlegt werden, wenn er sich durch solche selbst belasten würde. Er darf also „nichts tun", auch wenn er sich dadurch hinsichtlich der Strafverfolgung einen Vorteil verschafft.

berg-Lieben, Jura 1995, 299, 309; Verrel, Selbstbelastungsfreiheit, S.9; Weichen, Selbstbestimmung, S. 123; zweifelnd: Bosch, nemo-tenetur-Prinzip, S.24ff. 199 Besson, Steuergeheimnis, S.74; Dietrich, Selbstbelastung, S.35; Dingeldey, JA 1984, 407, 409; Rogall, Beschuldigte, S. 116ff.; ders., SK-StPO, Vor § 133 Rn. 131; zweifelnd Gollwitzer, LR-StPO, Art. 14 IPBPR Rn. 248. 200 Hinzuweisen ist noch darauf, dass in Art. 52 Abs. 5 der Verfassung des Landes Brandenburg eine ausdrückliche Verankerung des nemo-tenetur-Prinzips zu finden ist. Die Regelung lautet: (5) Niemand darf gezwungen werden, gegen sich selbst oder durch Gesetz bestimmte hestehende Personen auszusagen. Folglich lässt sich im bundesdeutschen Verfassungsrecht auch eine explizite Verankerung des Grundsatzes nachweisen. 201 Eser, ZStW 79 (1967), 213,221; Rogall, Beschuldigte, S.61; Schmidt, NJW 1968,1209, 1213. 202 Bärlein/Pananis/RehmsmeieT, NJW 2002,1825f.; Dietrich, Selbstbelastung, S.48; Magdowski, Verkehrsunfallflucht, S.68; Nothhelfer, Selbstbezichtigungszwang, S. 91 f.; Paeffgen, Untersuchungshaft-Recht, S.69; Schneider, Selbstbegünstigungsprinzip, S.30; Verrel, Selbstbelastungsfreiheit, S.87.

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

Auf der anderen Seite dürfen ihn aber Pflichten zu Duldung und Passivität treffen und zwar auch angesichts der Gefahr, dass er sich durch das von ihm verlangte passive Verhalten belastet. So hat er nicht nur das Strafverfahren überhaupt über sich ergehen zu lassen, sondern muss in bestimmten Fällen auch Zwangsmaßnahmen hinnehmen, von der Untersuchungshaft bis zur Beschlagnahme und körperlichen Untersuchung. Als Beispiel seien die §§81 f. StPO herausgegriffen. Nach § 81 StPO kann das Gericht zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten anordnen, dass dieser in ein psychiatrisches Krankenhaus gebracht und dort beobachtet wird. Gestattet ist auf der einen Seite nur eine „beobachtende Untersuchung", aktive Mitwirkungspflichten sind dem Beschuldigten nicht auferlegt. Auf der anderen Seite ist er aber verpflichtet, der Anordnung des Gerichtes Folge zu leisten. Es trifft ihn eine Duldungspflicht im Hinblick auf die beobachtende Untersuchung. Ebenso legt § 81a StPO dem Beschuldigten nur eine Duldungspflicht auf. Gestattet sind körperliche Untersuchungen, Entnahmen von Blutproben und andere körperliche Eingriffe. Eine aktive Mitwirkung des Betroffenen darf nicht verlangt werden. Die Befugnis des Gesetzgebers, Pflichten aufzustellen, die zu passiven Selbstbelastungen führen, ist also durch den nemo-tenetur-Grundsatz nicht ausgeschlossen203. Das heißt, wenn ein solches, Passivität des Beschuldigten erstrebendes Gebot besteht, dann sind die dagegen von ihm ergriffenen aktiven Selbstbegünstigungshandlungen verboten. Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass aktive Eingriffsrechte des Beschuldigten in Güter Dritter nicht aus dem Schutzbereich des nemo-tenetur-Grundsatz hergeleitet werden können204. Diese Begrenzung muss dann konsequenterweise auch für die Einflussnahme des nemo-tenetur-Grundsatzes im materiellen Strafrecht gelten. Das Motiv des Täters, die eigene Bestrafung zu vereiteln, verschafft ihm keine Befugnis zur Begehung weiterer Straftaten durch aktives Handeln205. Erlaubt ist ihm allenfalls passives Verhalten. Zuweilen wird versucht 206, die entscheidende Grenzlinie zwischen Passivität und Aktivität in Zweifel zu ziehen mit dem Hinweis, dass die Strafverfolgungsgefahren bei beiden Arten der Selbstbelastung gleich groß seien. Es ließe sich zudem nur schwer begründen, warum die Menschenwürde lediglich dann tangiert sein soll, wenn man - durch Gewalt oder Drohung - zum Handeln gezwungen wird und nicht auch schon dann, wenn man sich nicht dagegen wehren kann, dass etwas mit einem gemacht wird 207 . Unter dem Gesichtspunkt des Selbstschutzes stünde es gleich, ob 203

Schneider, Selbstbegünstigungsprinzip, S.30. Bosch, nemo-tenetur-Prinzip, S. 192; Ruck, § 142 StGB, S.49f.; Schneider, Selbstbegünstigungsprinzip, S.30; Verrel, Selbstbelastungsfreiheit, S.88. 205 BVerfGE 16,191,194; Erdmann, Selbstbegünstigungsgedanke, S. 58 f.; Rogall, Beschuldigte, S. 158. 206 Bosch, nemo-tenetur-Prinzip, S.47, 279; Kühne, Beweisverbote, S.54f.; Reiß, Besteuerungsverfahren, S. 174f., 187, 201; Sautter, AcP 161 (1962), 215, 250; Wolfslast, NStZ 1987, 103 f. 207 Kopf Selbstbelastungsfreiheit, S. 163, 165ff.; Wolfslast, NStZ 1987, 103f. 204

§ 2 Vorliegen einer Notwehrlage

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der Beschuldigte als handelndes oder als duldendes Werkzeug zur Selbstüberführung verpflichtet ist 208 . Hinzu komme die Tatsache, dass die Grenzen zwischen Aktivität und Passivität fließend sein können209. Während nach diesem Standpunkt in den Anwendungsbereich des nemo-tenetur-Prinzips erweiternd auch das Verbot passiver selbstbelastender Duldungspflichten aufgenommen werden soll, geht Kühne210 noch einen Schritt weiter. Er fordert sogar, dass der Staat jegliche Form von aktiven Selbstbegünstigungshandlungen des Bürgers dulden müsse. Damit erweitert Kühne den durch den nemo-tenetur-Grundsatz geschützten Anwendungsbereich auf alle Arten aktiver Selbstbegünstigung, sogar auf diejenigen, die mit einer neuerlichen Rechtsgutsverletzung einhergehen. Trotz der vorgebrachten Einwendungen kann eine Gleichbehandlung nicht überzeugen. Bereits das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass passive Duldungs- und Verhaltenspflichten in die personale Freiheit der Willensentschließung jedenfalls weniger eingreifen als die Nötigung, durch eigene Äußerungen (also aktive Verhaltenspflichten) strafbare Handlungen offenbaren zu müssen211. Zutreffend weist Rogall darauf hin, dass das Wesen des nemo-tenetur-Grundsatzes nicht darin besteht, dass ein Beweisergebnis unter Inanspruchnahme des Beschuldigten produziert wird, sondern dass das Entscheidende die Tatsache ist, dass der Beschuldigte es gezwungenermaßen den Strafverfolgungsbehörden selbst präsentieren soll 212 . Schwierigkeiten in der Bewertung des Verhaltens als Tun oder Unterlassen, wie sie auch im materiellen Recht bei der Abgrenzung Begehungsdelikt - Unterlassungsdelikt auftreten, können die Notwendigkeit einer grundsätzlich unterschiedlichen Behandlung nicht aufheben. Auf die Ebene der Selbstbegünstigungen gehoben, ist festzuhalten, dass aktive und passive Selbstbegünstigung zwei substantiell völlig verschiedene Ausprägungen ein und derselben Motivationslage sind 213 . Aktive rechtsgutsbeeinträchtigende Selbstbegünstigungen sind sowohl nach dem Strafprozessrecht als auch nach dem materiellen Strafrecht mit der einen Ausnahme des § 258 StGB als nicht rechtlich geschützt anzusehen. Die Einbeziehung aktiver Selbstbegünstigungshandlungen in den Schutzbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes mit der Folge des Verbotes, passive Selbstbelastungspflichten aufzustellen, würde die kriminalpolitisch zweifelhafte Konsequenz haben, dass dem Straftäter bei nahezu jedem Delikt der Einwand zugebilligt wird, er habe in Ausübung einer Selbstbegünstigungsabsicht gehandelt und deshalb zulässigerweise in Rechte Dritter eingegriffen.

208

Sauter, AcP 161 (1962), 215, 250. Bosch, nemo-tenetur-Prinzip, S.47. 2.0 In: Beweisverbote, S. 55; dagegen Schneider, Selbstbegünstigungsprinzip, S.33f.; dem zustimmend Verrel, Selbstbelastungsfreiheit, S.88 Fn.543, S.95. 2.1 BVerfGE 56, 37, 42f.; dagegen Reiß, Besteuerungsverfahren, S. 176. 212 Rogall, SK-StPO, Vor § 133 Rn. 141. 213 Ruck, § 142 StGB, S.49. 209

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

c) Ergebnis Das Verbot der Anwendung von Zwang zur Selbstbelastung ist zwar in der StPO nicht ausdrücklich erwähnt, aber verfassungsrechtlich gewährleistet. Aus ihm ergibt sich der rechtliche Schutz passiver Selbstbegünstigungshandlungen. Der Schutzbereich des im Grundgesetz verankerten nemo-tenetur-Prinzips erfasst aber nicht die aktiven neuerlich rechtsgutsverletzenden auf Eigennutz motivierenden Verhaltensweisen. Das Bedürfnis, derartige Aktivitäten zum Selbsterhalt vorzunehmen, ist rechtlich nicht abgesichert. Damit kann das entsprechende Interesse nicht als notwehrfähig angesehen werden 214. 3. Willensfreiheit

als notwehrfähiges

Interesse

Häufig wird in der Auseinandersetzung um die notwehrfähigen Rechtsgüter bei der Abwehr der drohenden Ankündigung wahrer Tatsachen die Willensfreiheit als völlig unproblematisch durch den Täter tangiertes, verteidigungswürdiges und -bedürftiges Gut genannt215, dessen rechtlicher Schutz sich eben auch bei der angekündigten Enthüllung wahrer Begebenheiten aus den Normen der Nötigung und Erpressung gem. §§ 240, 253 StGB ergäbe 216. Und auch der bisherigen Arbeit lag die Annahme zugrunde, dass der Bedrohte Opfer eines Erpressungsversuchs ist. Diese Position soll im folgenden Abschnitt hinterfragt werden. Bei der Berufung auf eine strafrechtliche Absicherung einzelner individueller Belange ist zu beachten, dass vielfach die Rechtsgüter nicht gegen jede Art Beeinträchtigung schlechthin, sondern lediglich gegen bestimmte Angriffsformen geschützt sind. Zudem ist genau zu prüfen, welche Teile bzw. Bereiche des oftmals ziemlich allgemein und damit sehr weit gekennzeichneten Interesses speziell gewährleistet werden 217. An diesen Überlegungen gehen die bisherigen Stellungnahmen - soweit ersichtlich - vorbei. Die Ursache dafür ist in dem Verständnis der §§ 240, 253 StGB zu erblicken. Nach überwiegender Meinung 218 ist das in den genannten Tatbeständen verankerte Rechtsgut „Willensfreiheit" in einem dem Recht vorgelagerten „natürlichen" Sinn zu verstehen. Ein Eingriff in die Willensfreiheit und damit ein Tat2,4

So auch Novoselec, NStZ 1997, 218, 220. Amelungy GA 1982, 381, 388; Arzt/Weber, Strafrecht BT, § 18 Rn. 20; Eggert, NStZ 2001, 22f.; Haug, MDR 1964, 548, 551; Herzog, NK-StGB, §32 Rn. 32; Novoselec, NStZ 1997, 218ff.; Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn.29; Roxin/Schünemann/Hajfke, Klausurenlehre, S. 67, 72; Spendel, LK-StGB, § 32 Rn. 134. 216 Für eine Einordnung des derartigen Tätervorgehens als Erpressung auch: Günther, SKStPO, §253 Rn. 13; Herdegen, LK-StGB, §253 Rn.4; LacknerlKühl, StGB, §253 Rn. 10; Mäurach! Schroederl Maiwald, Strafrecht BT 1, §42 Rn. 26; Mitsch, Strafrecht BT 2, Bd. 1, §6 Rn. 25; RGSt 64, 379, 381 ff.: bejaht wird in dem zugrundeliegenden Fall eine Erpressung ausdrücklich auch dann, wenn die angekündigte Bloßstellung rechtlich erlaubt ist. 217 So werden zum Beispiel grundsätzlich Angriffe auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht als notwehrfähig angesehen. Da die Grenzen jedoch unscharf sind, erfolgt zumeist eine genaue Präzisierung der Sphären, die unter einen Schutz (gleich welcher Art) gestellt sind. 215

§ 2 Vorliegen einer Notwehrlage

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erfolg liegt immer schon dann vor, wenn das Opfer in seiner rein tatsächlichen Fähigkeit, einen Willen zu bilden bzw. zu betätigen, beeinflusst wird. Auf einer derartigen Grundlage lässt sich das hier im Blickpunkt stehende Täterverhalten nur als tatbestandliche Erpressung gem. § 253 StGB würdigen, wobei von einem vollendeten Delikt erst im Falle der (jedenfalls teilweisen) Zahlung durch das Opfer ausgegangen werden kann 219 . Innerhalb der Notwehrdogmatik ist bei einer derartigen Erfassung des Täterunrechts der rechtliche Schutz des Opfers in seiner solcherart verstandenen Willensfreiheit logisch unzweifelhaft zu bejahen. Gegen die von der überwiegenden Auffassung vorgenommene Kennzeichnung des gem. §§ 240,253 StGB geschützten Rechtsguts der Willensfreiheit erheben sich nun aber seit längerem und in jüngerer Zeit wieder vermehrt gewichtige Stimmen. Die Problematik betrifft gerade die Fälle der Ankündigung rechtmäßigen Verhaltens durch den Täter. Zur Erinnerung: Sollten bei der Androhung der Offenbarung wahrer Tatsachen weder die engen Voraussetzungen einer Formalbeleidigung gem. § 192 StGB noch die einer Persönlichkeitsrechtsverletzung nach § 823 BGB vorliegen, wird mit dem angedrohten Übel erlaubtes Handeln in Aussicht gestellt. Das zeigt sich besonders deutlich in dem Fall der Androhung einer Strafanzeige, auf den sich deshalb die folgenden Ausführungen konzentrieren werden 220. Griffen die von einigen Autoren vorgebrachten Einwände durch, wäre die, der Bejahung einer Notwehrfähigkeit zugrundeliegende, Ausgangsthese: - Das Verhalten des Drohenden stellt einen Erpressungsversuch dar. - zu Fall gebracht. Die Suche nach einem rechtlichen Schutz müsste dann gegebenenfalls über das Strafrecht hinaus ausgedehnt werden. Aufgrund der beschriebenen Relevanz für die Frage der Notwehrfähigkeit sind im Folgenden die von der Gegenansicht vorgebrachten Argumente darzustellen und auf ihre Tragfähigkeit zu prüfen. a) Rechtlich garantierte Freiheit Die von Jakobs 221 begründete Meinung wendet sich gegen die traditionell vorgenommene tatbestandsmäßige Erfassung des unrechtsrelevanten Verhaltens als Er218 Eser , Schönke/Schröder, StGB, § 240 Rn. 1, 1 a; Herdegen , LK-StGB, § 249 Rn. 1; Lackner/Kühl , StGB, §240 Rn. 1; Schäfer , LK-StGB, §240 Rn.2; Tröndle/Fischer, StGB, §240 Rn. 2 jeweils m.w. N. 2,9 Eser , Schönke/Schröder, StGB, §253 Rn.23 ff.; Herdegen , LK-StGB, § 253 Rn.28; LacknerlKühl , StGB, §253 Rn.ll. 220 Werden durch das angedrohte Übel dagegen rechtlich geschützte Werte tangiert (z. B. Ehre oder Persönlichkeit), ist unproblematisch von einem Erpressungsversuch auszugehen. In einem solchen Fall der Androhung der Offenbarung kompromittierender Tatsachen ist auch die Willensfreiheit als notwehrfähiges Rechtsgut ohne Zweifel betroffen. 221

In: FS Peters, S. 69ff.; GS Hilde Kaufmann, S.791 ff.

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

pressung. Ausgehend von einer einschränkenden Bestimmung des Rechtsgutes der Nötigung bzw. Erpressung im Vergleich zu dem von der herrschenden Meinung befürworteten Schutz einer „vorrechtlichen" Willensfreiheit, führt sie zu dem Ergebnis, dass in den Fällen der Androhung rechtmäßiger Aktivitäten weder der Tatbestand der Nötigung, noch - bei erstrebtem Vermögensvorteils - der einer Erpressung bzw. eines Versuchs erfüllt ist. Jakobs 222 argumentiert, dass Schutzgegenstand der Norm gegen Nötigung nicht die tatsächliche Freiheit zur Verwirklichung eines inhaltlich beliebigen Willens sein kann 223 , denn andernfalls wäre auch die „tatsächliche Freiheit des Nötigers zur Nötigung an sich" geschützt224; das würde aber auf die Konstituierung eines prinzipiell rechtswidrigen Rechtsguts hinauslaufen 225. Das Recht könne nicht, ohne sich selbst zu widersprechen, einerseits die Freiheit zu einem bestimmten Handeln anerkennen und andererseits eine Pflicht zu einem gegenteiligen Verhalten aufstellen 226. Die Frage, ob der Täter durch seine Aktivitäten in die Freiheit eines anderen eingreift, ist nach Jakobs durch einen Vergleich mit der hypothetischen Lage ohne Nötigung zu bestimmen227. Wenn das Opfer bereits rechtlich gebunden gewesen sei, habe es keine Freiheit mehr zur Verfügung, welche durch Nötigung eingeschränkt werden könne228. Sei der Betroffene zum Beispiel vertraglich verpflichtet, eine bestimmte Geldsumme zu zahlen, stelle weder die Androhung einer Leistungsklage noch das Verprügeln des säumigen Schuldners eine Nötigung zur Zahlung dar 229 . An dem Ergebnis ändere auch die Überlegung nichts, dass - wenn der Täter die Drohung nicht ausführt - dem Bedrängten die zuvor rechtlich verlorene Freiheit faktisch wieder zuwachse. Denn nicht jede Freiheit, die ein anderer tatsächlich ermöglichen kann, sei Rechtsgut des § 240 StGB 230 . Der Tatbestand ist nach dieser opferbezogenen Sichtweise nur dann erfüllt, wenn rechtlich garantierte Verhaltensalternativen beschnitten werden 231. Jakobs sieht folglich als Rechtsgut allein die rechtlich garantierte Freiheit an; lediglich der Verlust solcherart begrenzter Freiheit kann nach ihm Erfolg einer Nötigung sein 232 . Wo dem Opfer diese Freiheit nicht gegeben sei, kom222

Jakobs grundsätzlich zustimmend: Lesch, StV 1993, 578f.; ders., JA 1995, 889, 896; Timpe, Nötigung, S.27ff.; ders., JuS 1992, 748, 751. 223 In: FS Peters, S.69. 224 Ebenso Timpe, JuS 1992,748,751; anders wohl Schmidhäuser, GA 1991,97,119 Fn. 82. 225 Jakobs, FS Peters, S.69 f. 226 Jakobs, GS Hilde Kaufmann, S.791, 797; ebenso Timpe, Nötigung, S.20; ders., JuS 1992, 748,751. 227 In: FS Peters, S.69, 75. 228 Timpe, Nötigung, S.28. 229 Jakobs, GS Hilde Kaufmann, S.791, 799. 230 Jakobs, FS Peters, S. 69, 75 f. 231 Fuchs, Notwehr, S. 116; Jakobs, FS Peters, S.69, 76. 232 In: GS Hilde Kaufmann, S.791, 797; grundsätzlich zustimmend Frisch, Verhalten, S. 135 ff., wobei Frisch aber in den Fällen der Drohung mit einer berechtigten Strafanzeige über

§ 2 Vorliegen einer Notwehrlage

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me eine Nötigung nicht in Betracht, und zwar unabhängig davon, ob der Täter die Drohung mit inkonnexen Zwecken verbindet oder nicht 233 . Speziell für den hier besonders interessierenden Fall der in Aussicht gestellten berechtigten Strafanzeige oder der erlaubten Offenbarung kompromittierenden Verhaltens nennt Jakobs als Charakteristikum gegenüber dem zuvor beispielhaft beschriebenen Sachverhalt der vertraglichen Verpflichtungen zwischen den Beteiligten, dass der Bedrängte zwar rechtlich gebunden ist, aber nicht dem Drohenden, sondern dem Staat oder einem Dritten gegenüber; der Unfreiheit des Opfers korrespondiert keine rechtlich garantierte Freiheit des Täters 234. Bedeutsam sei - nunmehr unter überraschender Betonung einer täterbezogenen Sichtweise - allein der Umstand, dass der Drohende das in Aussicht Gestellte ausführen darf. Die Zufügung des angekündigten Übels beschränkt folglich nach Jakobs auch in den Fällen der rechtlichen Bindung Dritten gegenüber keine dem Betroffenen zustehende Freiheit. Durch die Verknüpfung der Ausführung mit dessen Verhalten, also durch die Drohung, erweitert der Täter zwar seine Freiheit, da er, sofern er Erfolg hat, die ihm genehme Opferreaktion erhält, aber er vergrößert auch den Handlungsspielraum des Bedrängten, weil er ihm neben der Alternative, durch die Ausführung belastet zu werden, eine weitere eröffnet 235. Jede dem Opfer gebotene zusätzliche Möglichkeit bringe diesem aber ein Plus an Freiheit und mache nicht unfrei. Folglich stelle das Verhalten des Täters auch in diesen Fällen keine Nötigung dar 236 . Jakobs argumentiert also folgendermaßen: 1. §§240,253 StGB schützen nur die rechtlich garantierte bzw. anerkannte Freiheit. 2. Soweit das Opfer dem Täter rechtlich verpflichtet ist und Letzterer mit seiner Drohung lediglich die Pflichterfüllung durch Ersteren anstrebt, wird nicht in die rechtlich garantierte Freiheit eingegriffen, und zwar unabhängig davon, ob das angedrohte Übel rechtmäßig oder rechtswidrig ist. 3. Dieses Ergebnis gilt für den Fall der Androhung eines rechtmäßigen Übels auch dann, wenn die Pflicht des Opfers nicht dem Täter, sondern einem Dritten gegenüber besteht. den Gedanken der Überschreitung der Privatpersonen nur zu bestimmten Zwecken zugestandener Kompetenzen, im Falle der Verfolgung unsittlicher Anliegen zu einer strafbaren Nötigung gelangt; vgl. ebenda, S. 137, Fn. 151; vgl. auch Timpe, Nötigung, S.27f., wobei Timpe von rechtlich allgemein anerkannter Freiheit spricht; allgemein anerkannt soll heißen, dass die Freiheit im besonderen Zusammenhang einer Rechtfertigungslage den Schutz verlieren kann; ders., JuS 1992, 748,751. 233 Jakobs, FS Peters, S.69, 79. 234 In: FS Peters, S.69, 81. 235 In: FS Peters, S.69, 82. 236 Jakobs, FS Peters, S.69, 85f.; ebenso Timpe, Nötigung, S. 149ff.

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

Aus der als absurd empfundenen Konsequenz, dass für den Fall der Annahme der rein tatsächlichen Freiheit der Willensbildung und -betätigung als Schutzgut der Schläger selbst gegenüber seinem sich mit den Mitteln der §§240,253 StGB verteidigendem Opfer geschützt wäre, schließt sich Horn der Meinung Jakobs zur Begrenzung des geschützten Rechtsgutes auf die rechtlich garantierte Freiheit an 237 . Auch nach ihm scheidet in den Fällen der Androhung rechtmäßigen Verhaltens eine strafbare Nötigung aus 238 . Als Beleg dafür kehrt Horn den Erst-Recht-Schluss Knödels 239 zur Erweiterung des Gewaltbegriffs - „... wenn schon das bloße Inaussichtstellen künftiger empfindlicher Übel zur Überwindung eines widerstrebenden Willens strafbar ist, dann muß erst recht die gegenwärtige Zufügung solcher Übel zum selben Zweck strafbar sein..." - um: Was man dem anderen zufügen darf, darf man ihm auch vorher ankündigen240. Die von Teilen der Literatur für das Inaussichtstellen einer Unterlassung vertretene Auffassung 241, dass dann keine Drohung mit einem empfindlichen Übel im Sinne der §§ 240, 253 StGB vorliegt, wenn keine Rechtspflicht zum Handeln besteht - die Unterlassung also rechtmäßig ist wird für die Ankündigung eines aktiven erlaubten Handelns fruchtbar gemacht242. Beide Fallgruppen seien „über einen einheitlichen Leisten zu schlagen"243. Für den von Jakobs und Horn vertretenen Standpunkt spricht in erster Linie, dass eine widerspruchsfreie und damit letztlich klare Herleitung des über §§ 240, 253 StGB geschützten Rechtsguts gelingt. Zudem wird eine frühe Ausscheidung der Konstellationen ermöglicht, in denen das Opfer gerade dem Täter gegenüber rechtlich verpflichtet ist und Letzterer mit einem in sein Belieben gestellten rechtmäßigen Übel droht. Das sind zum Beispiel die Sachverhalte, in denen der Gläubiger seinem Schuldner im Falle der Nichtzahlung der fälligen Schuld mit einer Klage droht oder in denen der Richter dem ordnungsgemäß geladenen Zeugen ein Ordnungsgeld im Fall des Nichterscheinens in Aussicht stellt. Eine Abgrenzung strafrechtsirrele237

In: SK-StGB, §240 Rn.2,3. Horn, SK-StGB, § 240 Rn. 3. An welcher Stelle diese Auffassung zum Schutzgut dogmatisch umzusetzen ist, also an welchen Tatbestandsmerkmalen (ob bei dem Nötigungserfolg, dem Nötigungsmittel oder der Verwerflichkeit) sei nach ihm zweitrangig; anders noch in NStZ 1983,498. Im Unterschied zu Jakobs verneint Horn (SK-StGB, §240 Rn.47; ähnlich auch Kindhäuser, Strafrecht BT II, Bd. 1, § 12 Rn. 9) eine Freiheitsbeschränkung aber ausschließlich dann, wenn die Ausführung des angedrohten Verhaltens einem rechtlich geordneten Verfahren entspricht. Während Erstererfür den Fall, dass der Gläubiger seinen säumigen Schuldner durch Prügel zur Zahlung zwingt, der Auffassung ist, es läge zwar Körperverletzung, aber keine Nötigung vor, da das Recht dem Schuldner kein Recht zur Nichtzahlung einräume, vertritt Horn hier die Meinung, der Täter begehe eine Nötigung, weil auch die Umgehung des zugehörigen Verfahrens durch den Gläubiger das Unrecht eines Delikts gegen die Verhaltensfreiheit mitbegründet. 239 In: Begriff der Gewalt, S. 54. 24 ° In: NStZ 1983, 497f.; SK-StGB, §240 Rn.43. 241 Arzt/Weber, Strafrecht BT, § 9 Rn. 50f.; Roxin, JuS 1964,373,377; Schubarth, JuS 1981, 726f.; WesselstH ettinger, Strafrecht BT 1, Rn.414. 242 Horn, SK-StGB, § 240 Rn. 44. 243 Horn, NStZ 1983, 497, 498. 238

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vanter Fälle erfolgt, jedenfalls nach der insoweit konsequent zu Ende gedachten Meinung Jakobs, bereits auf der Tatbestandsebene und nicht erst bei der Rechtswidrigkeitsprüfung mit der umstrittenen und gegen moralisierende Wertungen nicht resistenten Verwerflichkeitsklausel. Der Tatbestand gewinnt so an Profil 244 . In seiner Tragweite nicht zu unterschätzen ist ferner, dass dieser Lösungsansatz sowohl für das Drohen mit einem rechtmäßigen Tün als auch für das Inaussichtstellen eines rechtmäßigen Unterlassens eine einheitliche Beurteilung ermöglicht 245. b) Prüfung eines Eingriffs in die rechtlich garantierte Freiheit Bei der Frage, ob der Drohende in den hier problematisierten Fallgruppen in rechtlich garantierte Freiheiten des Bedrohten eingreift, setzt die Kritik an der Argumentation Jakobs an. Eine überzeugende Begründung, warum die Sachverhalte, in denen das Opfer dem Täter gegenüber zu dem abgenötigten Verhalten rechtlich verpflichtet ist (Zwei-Personen-Verhältnis), gleichzusetzen sind mit denen, in welchen das Opfer einem Dritten gegenüber gebunden ist und der Täter ein Verhalten verlangt, auf welches er selbst keinen Anspruch hat (Drei-Personen-Verhältnis), gelingt nicht. Nach Jakobs ist in den Zwei-Personen-Verhältnissen danach zu fragen, ob das Opfer dem Täter zur Vornahme des angestrebten Verhaltens auch ohne Drohung rechtlich verpflichtet ist 246 . Bei einer Übertragung dieser Überlegung auf das Drei-Personen-Verhältnis der Schweigegelderpressung mit der Androhung einer Strafanzeige ergibt sich folgendes: Das Opfer ist als Delinquent dem Staat gegenüber verpflichtet. Aber es besteht weder eine Obliegenheit zur Zahlung, noch eine irgendwie geartete Schuld dem Drohenden gegenüber. Ohne die Ankündigung einer Strafanzeige wäre also das Opfer nicht zur Zahlung an den Täter angehalten. Das bedeutet im Ergebnis eine Beanspruchung des Opfers, ohne dass dem eine entsprechende Verpflichtung korrespondiert. Folglich wird ihm Freiheit genommen. Entsprechendes gilt für die Bedrohung mit rechtmäßiger kompromittierender Veröffentlichung bestimmter Geschehnisse. Dieses Ergebnis erkennt letztlich wohl Jakobs sogar an, wenn er die Chantage als einen Fall bezeichnet, bei welchem die dem Opfer rechtlich genommene Freiheit nicht dem Täter zusteht247. Er versucht seine These aber mit dem Argument zu retten, dass das Opfer auf jeden Fall verpflichtet ist, eine Belastung (gleich welchen Inhalts) hinzunehmen248. Eine solche Begründung vermag indes ebenfalls nicht zu tragen. Die Pflicht, möglicherweise strafrechtliche Ermittlungen zu dulden, kann nicht unter dem Sammelbegriff der Belastung mit einer Zahlung an den Täter gleichgesetzt werden. Der durch die Drohung angestrebte Nötigungserfolg ist nicht die Auf244 245 246 247 248

8 Kroß

Bergerhoff, Boykott, S. 103; Fezer, GA 1975, 353, 355. Horn, NStZ 1983, 497ff. In: FS Peters, S. 69, 79. In: FS Peters, S.69,81. In: FS Peters, S. 69, 82.

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

erlegung irgendeines Übels, sondern die Zufiigung eines ganz konkreten Nachteils, nämlich die Zahlung einer gewissen Geldsumme. Lediglich hinsichtlich dieses verfolgten konkreten Eingriffs stellt sich die Frage, ob das Opfer einer rechtlichen Bindung unterliegt. Der Nötigungserfolg - Einschränkung der rechtlich garantierten Freiheit - kann also in Drei-Personen-Verhältnissen auch bei Androhung eines an sich rechtmäßigen Mittels erreicht werden. Der Tatbestand der Erpressung ist dementsprechend eröffnet. Der von Horn gezogene Schluss, dass man das, was man dem anderen zufügen, ihm auch vorher ankündigen darf, selbst wenn die Ankündigung mit einer inkonnexen Bedingung verknüpft ist 249 , rechtfertigt ebenso wenig ein anderes Ergebnis. Horn gibt keine Antwort darauf, warum aus der „primären Verhaltensfreiheit" des Täters, eine Handlung vorzunehmen, die „sekundäre Freiheit" folgen soll, für ein bestimmtes Verhalten einen Preis fordern zu dürfen 250. Die §§ 240, 253 StGB schützen aber das Opfer gerade auch vor einer durch einen anderen unberechtigt vorgenommenen Inanspruchnahme der Freiheit, für ein Verhalten einen inkonnexen Preis zu verlangen. Das zeigt ein Blick auf die Fälle, in denen der Täter zu einer bestimmten Handlung verpflichtet ist (zum Beispiel zu einer Hilfeleistung bei § 323 c StGB, zu einem Entfernen bei § 123 Abs. 1,2. Alt. StGB) und damit droht, dem Gebot nicht nachzukommen, falls ihm nicht ein bestimmter Preis dafür bezahlt wird 251 . Bei einer solchen Konstellation wird mit der Bestrafung aus dem entsprechenden Unterlassungsdelikt bereits das Unrecht abgegolten, welches sich in der Unterlassungsandrohung widerspiegelt, nämlich nicht unverzüglich geholfen bzw. sich nicht unverzüglich entfernt zu haben. Damit ist aber das vom Täter verwirklichte Unrecht noch nicht vollkommen erfasst. Er hat nämlich zumindestens auch versucht, aus der Lage des Opfers, Kapital zu schlagen, und zwar, um seine Machtposition zu stärken. Dieser Umstand wird allein durch die §§ 240, 253 StGB abgegolten. c) Ergebnis Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass durch die Art und Weise der Ankündigung in die rechtlich garantierte Freiheit, nicht durch legale Mittel zu einem inkonnexen Verhalten gezwungen werden zu können, eingegriffen wird. Die Tatbestände der §§ 240, 253,22,23 StGB sind in diesen Fällen durch den Drohenden ebenso verwirklicht wie in den Sachverhalten, bei denen die Realisierung des angedrohten Übels wegen einer Ehr- oder Persönlichkeitsrechtsverletzung rechtswidrig ist. Das durch die angeführten Tatbestände gewährleistete Rechtsgut „Freiheit der Willensentschließung bzw. Willensbetätigung" im Sinne einer rechtlich garantierten Freiheit ist als notwehrfähiges Interesse durch das Vorgehen des Drohenden in Mitleidenschaft gezogen. 249 250 251

In: SK-StGB, §240 Rn.43. Arzt, FS Lackner, S.641, 346. Arzt, FS Lackner, S.641 f.

§ 2 Vorliegen einer Notwehrlage

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4. Vermögen als rechtlich geschütztes Interesse Einhellig 252 wird das Vermögen des Genötigten als durch den Angriff des Täters bedrohtes notwehrfähiges Rechtsgut angesehen. Diese Annahme ist grundsätzlich ohne weiteres einsichtig: Das vom Betroffenen zu zahlende Geld gehört zu dessen Vermögen, welches durch die Norm des § 253 StGB vor Verletzungen bzw. beabsichtigten Eingriffen der vorliegenden Art abgesichert ist. Da tatbestandlich ein Erpressungsversuch vorliegt, folgt daraus, dass das vom Täter erstrebte Geld als Vermögen des Opfers unter rechtlichem Schutz steht. Einzig für den - allerdings wohl nicht gänzlich unüblichen - Fall, dass das vom Drohenden anvisierte Geld aus der oder einer anderen Straftat stammt, die zu offenbaren angekündigt wird (Diebstahl, Raub, Erpressung), könnte die oben angeführte Ableitungskette (Geld = Vermögen = Rechtsgut im Sinne des § 253 StGB = rechtlich geschütztes Interesse im Sinne des § 32 StGB) ins Wanken geraten. Denn für diesen Sachverhalt stellt sich die Frage, ob das solcherart in den Besitz des Bedrohten gelangte Geld tatsächlich zum schutzwürdigen Vermögen der Vermögenstatbestände des StGB gehört. Genauer formuliert geht es um die Problematik der Behandlung deliktisch erlangten Besitzes im Bereich der Vermögensdelikte. Bekanntlich ist die hier angeführte Konstellation eine derer, an denen sich der Streit zwischen wirtschaftlichem und juristisch-ökonomischem Vermögensbegriff entfacht 253. Um sich allerdings nicht in den Tiefen der Vermögenslehren zu verlieren, ist es zunächst erforderlich, den für die Untersuchung vorgegebenen Rahmen in dem speziellen Fall genau zu umreißen: Die Notwehrfähigkeit und somit der rechtliche Schutz des deliktisch erlangten Besitzes an dem vom Bedrohten an den Erpresser herauszugebenden Geld steht im Mittelpunkt der Erörterung. Eine zur Notwehrfähigkeit führende rechtliche Absicherung kann sich, muss sich dabei aber nicht aus den Normen des StGB ergeben. Jeder rechtliche Schutz des individuellen Interesses gleich welcher Art, namentlich auch eine zivilrechtlich verankerte Gewähr, genügt. Vor diesem theoretischen Hintergrund lässt sich ein das Notwehrrecht auslösender ausreichender rechtlicher Schutz des angegriffenen deliktischen Besitzes am Geld auf verschiedene Weise bejahen: Man kann zunächst den nahe liegenden Weg über das StGB gehen. Unter der Voraussetzung einer Zugehörigkeit zum strafrechtlich garantierten Vermögen ergibt sich konsequenterweise der für die Notwehrfähigkeit erforderliche rechtliche Schutz des entsprechenden Interesses. Der strafrechtliche Schutz vor Vermögensverschiebungen wird vor allem durch die §§ 253, 263 und 266 StGB gewährleistet. 252 Amelung, GA 1982, 381, 388; Arzt, MDR 1965, 344; Arzt/Weber, Strafrecht BT, § 18 Rn. 20; Eggert, NStZ 2001, 225 f.; Gropp, Strafrecht AT, § 3 Rn. 87; Haug, MDR 1964, 548, 551; Novoselec, NStZ 1997, 218f.; Roxin/Schünemann/Haffke, Klausurenlehre, S.67, 72. 253 Überblick dazu bei Küper, Strafrecht BT, S. 343.

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

Sieht man nun als Vermögen die Gesamtheit der einer Person zustehenden wirtschaftlichen Güter an, ohne dass es darauf ankommt, ob sie ihr zu Recht zustehen und rechtlich anerkannt sind (wirtschaftlicher Vermögensbegriff) 254, ist das aus einer Straftat stammende Geld zum Vermögen einer Person zu zählen. Das Haben einer Sache, mag sie auch durch eine deliktische Handlung erlangt worden sein, stellt wirtschaftliche Macht dar. Durch die Weggabe wird das Opfer wirtschaftlich gesehen tatsächlich ärmer. Problematischer ist die Entscheidung für die Vertreter der juristisch-ökonomischen Vermögenslehre 255. Diese fordern zwar auch wirtschaftliche Positionen für die Zuordnung zum Vermögen, allerdings machen sie Ausnahmen von unterschiedlicher Tragweite. Ein Teil nimmt an 256 , dass die Verfügbarkeit eines Gutes unter dem Schutz der Rechtsordnung stehen müsse. Nach anderen 257 genügt es, wenn die Verfügbarkeit mit Billigung der Rechtsordnung oder wenigstens ohne deren Missbilligung realisiert werden kann. Hinsichtlich des deliktisch erlangten Besitzes haben sich zwei Lager innerhalb der juristisch-ökonomischen Vermögenslehre gebildet. Auf der einen Seite wird auch der fehlerhafte Besitz zum Vermögen im Sinne der §§ 253, 263, 266 StGB gezählt 258 . Die notwendige rechtliche Absicherung ergäbe sich aus den §§ 859 ff. BGB. Diese Normen schützten den unrechtmäßigen Besitzer in der Realisierung seiner Herrschaftssphäre gegenüber jedem Dritten. Die widerrechtliche Besitzlage sei bis zur Wiederherstellung des wirklichen Rechts eine von jedermann zu respektierende Position. Gegenüber Dritten, also nicht in Bezug auf den Eigentümer, sei der Besitzschutz ein endgültiger. Die gegen eine Vermögenszugehörigkeit eingewandte Vorläufigkeit des Besitzes beziehe sich lediglich auf das Verhältnis Besitzer - Eigentümer. Nach dieser Meinung ergibt sich die Notwehrfähigkeit folglich ebenso wie nach der wirtschaftlichen Vermögenslehre über den Weg der Zugehörigkeit des deliktisch erlangten Gutes zum strafrechtlich geschützten Vermögen. Die konkurrierende Ansicht verneint einen für die Vermögenszugehörigkeit ausreichenden rechtlichen Schutz gem. §§ 859ff. BGB 2 5 9 . Sie beruft sich darauf, dass 254 BGHSt 2, 364, 365; 3, 99, 102; 8, 254, 256; 15, 83, 86; 16, 220f.; KG, NJW 2001, 86; Eser, Strafrecht IV, S. 103 Rn.26ff.; Krey, Strafrecht BT II, Rn.433ff. 255 Franzheim, GA 1960, 269, 277; Lackner, LK-StGB, §263 Rn. 127 ff.; Mitsch, Strafrecht BT 2, Bd. 1, § 6 Rn. 51; Rengier, Strafrecht BT 1, § 13 Rn. 59; Samson!Günther, SK-StGB, §263 Rn. 118; Tenckhojf\ JR 1988, 126, 128; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT 2, Rn.535. 256 Foth, GA 1966, 33, 42; Franzheim, GA 1960, 269f., 277; Gutmann, MDR 1963, 3, 5. 257 Cramer, JuS 1966, 472, 475; Lenckner, JZ 1967, 105, 107. 258 Hellmann, Rechtfertigungsgründe, S. 135; Lackner, LK-StGB, §263 Rn. 133; Rengier, Strafrecht BT I, § 13 Rn. 59; Wessels! Hillenkamp, Strafrecht BT 2, Rn.535; Tenckhojf, JR 1988, 126, 128; Thiel, Rechtfertigungsgründe, S.261; s.a. Otto, Vermögensschutz, S.55f. 259 Cramer, Vermögensbegriff, S.225; Gallas, FS Eberhard Schmidt, S.401, 426f.; Mäurach! Schroeder!Maiwald, Strafrecht BT 1, §41 Rn. 99; Mitsch, Strafrecht BT 2, Bd. 1, §6 Rn. 51; Samson!Günther, SK-StGB, § 263 Rn. 118.

§ 2 Vorliegen einer Notwehrlage

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die an § § 859 ff. BGB geknüpften Rechts Wirkungen lediglich dem Rechtsfrieden dienen sollen und darüber hinaus vorläufiger Natur seien. Diese Vergänglichkeit spreche dagegen, den bloßen Besitz zu den Bestandteilen des strafrechtlich geschützten Vermögens zu rechnen. Denn Aufgabe der Strafdrohungen sei nicht die Wahrung des Rechtsfriedens, sondern Schutz vor einem Zugriff auf das, was die Rechtsordnung dem Einzelnen als das Seine zuteilt und was als solches vor ihr Bestand hat. Würde man auch den deliktischen Besitz als Vermögen begreifen, komme es - mittelbar - zu einer Unterstützung der Rechtsverletzung durch den deliktischen Besitzer 260. Damit ist allerdings - auch wenn man die letztgenannte Meinung favorisiert - einer Notwehrfähigkeit des deliktischen Besitzes noch nicht das Wort geredet. Denn - wie bereits mehrfach betont - kann sich der für § 32 StGB ausreichende rechtliche Schutz des in Frage stehenden Interesses auch aus den Normen des Zivilrechts ergeben. Allerdings zeichnet sich die Thematik der auf einem zivilrechtlichen Schutz begründeten Notwehrfähigkeit des solcherart erlangten Besitzes als gleichermaßen problematisch aus. Dies rührt im Wesentlichen aus dem umstrittenen Verhältnis der Besitzkehrvorschrift des § 859 Abs. 1 BGB zu der Regelung des § 32 StGB her. Vor dem Hintergrund der Auffassung, dass der § 859 Abs. 1 BGB eine zivilrechtliche Spezialregelung in Bezug auf die Notwehrvorschrift darstelle 261, wird von Suppert vertreten 262, dass alle Güter, die durch außerstrafrechtliche Bestimmungen verteidigt werden dürfen, nicht notwehrfähig seien. Der Katalog der notwehrfähigen Güter wird quasi von außen her eingeschränkt. Eine derartige Vorgehens weise überzeugt nicht. Die Möglichkeit einer anderweitig vorgesehenen Abwehr hat keine Auswirkungen auf die für die Notwehrfähigkeit allein entscheidende Frage, ob das zur Diskussion stehende Interesse rechtlich geschützt ist. Der von Suppert angeführte Umstand betrifft allein das Konkurrenzverhältnis der Rechtfertigungsgründe 263. Einen anderen Weg geht Felber 264. Er versucht anhand teleologischer Erwägungen, die Notwehrfähigkeit mit dem Argument zu verneinen, der Besitz sei eine schlichte Tatsache, nämlich die tatsächliche Beziehung zu einer Sache und damit kein schützenswertes Rechtsgutsobjekt. § 859 Abs. 1 BGB gewährt seiner Meinung nach keinen „Rechts"-Schutz, sondern dient im Interesse der Friedenswahrung nur der Aufrechterhaltung des status quo. Damit setzt er sich aber in Widerspruch zu den tatsächlich existierenden Besitzschutzregelungen, die gerade verdeutlichen, dass das Bedürfnis am Behalten einer Sache rechtlich anerkannt ist. Zwar dienen die 260 Diese Argumentation übersieht allerdings, dass bei einer Verneinung der Vermögenszugehörigkeit nunmehr der nachfolgend unerlaubt Handelnde privilegiert wird, bei dem dies wohl ebenso wenig gerechtfertigt ist, wie beim deliktischen Besitzer. 261 Aus dem strafrechtlichen Schrifttum: Günther, SK-StGB, §32 Rn.46; Suppert, Notwehr, S. 268; aus dem zivilrechtlichen Schrifttum: ErmanIWerner, BGB, § 859 Rn. 2; Mühl, Soergel, BGB, §859 Rn. 1. 262 In: Notwehr, S.268. 263 Siehe dazu: Hellmann, Rechtfertigungsgründe, S. 137 ff.; Hirsch, LK-StGB, Vor § 32 Rn.68. 264 In: Rechtswidrigkeit, S. 187 f.

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

§§ 858 ff. BGB in erster Linie dem Rechtsfrieden 265, um dieses Ziel aber zu erreichen, wird der gegenwärtige Besitzer in seiner Herrschaftsbeziehung zu der Sache geschützt, und dieses sogar unabhängig davon, ob der Besitz rechtmäßig ist oder nicht. Mehr als eine derartige Absicherung des Interesses ist für seine Notwehrfähigkeit gem. § 32 StGB nicht erforderlich. Mit der herrschenden Meinung 266 ist vielmehr davon auszugehen, dass § 859 Abs. 1 BGB ein Fall der Notwehr ist. Als Rechtfertigungsgrund bedürfte es eigentlich dieser Regelung nicht. Gleichwohl ist sie nicht überflüssig; im Gegenteil aus ihr kann die Antwort auf die Frage der Notwehrfähigkeit des deliktisch erlangten Besitzes entnommen werden. Insofern bietet sie wichtige Präzisierungen für die Notwehr. Zunächst einmal stellt sie klar, dass auch der deliktisch erlangte Besitz rechtlich geschützt und damit notwehrfähig ist 267 . Darüber hinaus bezeichnet sie genau die Angriffsrichtung, gegen die sich die Verteidigung richten darf: Es muss sich um eine drohende Besitzentziehung oder Besitzstörung handeln268. Das bedeutet im Ergebnis, dass der deliktisch erlangte Besitz insofern rechtlichen Schutz genießt, als er durch Besitzentziehung oder -Störung beeinträchtigt wird. Eine Besitzentziehung liegt in jeder Handlung, die dem Besitzer die tatsächliche Gewalt total und dauernd nimmt 269 . Als ein derartiger Vorgang werden nicht nur die Anwendung von Gewalt, sondern auch psychisch wirkende Maßnahmen angesehen 270 . Voraussetzung ist allerdings, dass bei den letztgenannten Beeinflussungen eine möglicherweise abgerungene Zustimmung zum Besitzverlust nicht auf einem freien Entschluss beruht und damit die Besitzentziehung im Ergebnis ohne den Willen des unmittelbaren Besitzers erfolgt 271 . Da vorliegend mittels einer Drohung versucht wird, den Bedrohten zur Aufgabe seines Besitzes zu veranlassen, ist eine anvisierte besitzentziehende Einwirkung gegen den Willen des Opfers zu bejahen. Die Notwehrfähigkeit des deliktisch erlangten Besitzes am Geld ist somit auch für die erörterte Sonderfallgruppe gegeben.

265 Joost, MünchKomm, BGB, Vor. § 854 Rn. 15f. m. w. N.; a. A. Bund, Staudinger, BGB, Vorbem. §§ 854ff. Rn. 18, der neben der friedenswahrenden Funktion vor allem den Schutz der Kontinuität in den faktischen Beziehungen zu den Sachen, mit denen sich jemand umgibt, als rechtspolitischen Grund der Regelung begreift. 266 Aus dem strafrechtlichen Schrifttum: Hellmann, Rechtfertigungsgründe, S. 135ff.; Schmidhäuser, Strafrecht AT, S. 171 f. Rn. 99; Spendet, LK-StGB, § 32 Rn. 180; Welzel, Strafrecht, S.93; aus dem zivilrechtlichen Schrifttum: BaurtStürner, Sachenrecht, §9 Rn. 11; Joost, MünchKomm, BGB, § 859 Rn. 2; Schwab!Prutting, Sachenrecht, § 13 Rn. 112; Bund, Staudinger, BGB, § 859 Rn. 2, 5; Westermann, Sachenrecht I, S. 147; Wieling, Sachenrecht, § 5 III 1 a. 267 Joost, MünchKomm, BGB, § 859 Rn. 2; Westermann, Sachenrecht I, S. 147. 268 Bund, Staudinger, BGB, § 859 Rn.7. 269 Bund, Staudinger, BGB, § 858 Rn. 12. 270 LG Kiel, MDR 1949, 366; Mühl, Soergel, BGB, §858 Rn. 12; Bund, Staudinger, BGB, § 858 Rn. 12f. 27 1 Eichler, Sachenrecht II 1, S. 243 f.

§ 2 Vorliegen einer Notwehrlage

5. Persönlichkeitsverletzung

als mittelbar betroffenes

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Rechtsgut

Mit der Feststellung eines Eingriffs in konkrete Individualrechtsgüter des Bedrohten steht ein Angriff auf notwehrfähige Interessen fest. Damit ist entsprechend dem hier vertretenen individualistischen Notwehrmodell zugleich ausgesagt, dass der Täter durch seine Handlung das zwischen ihm und dem Opfer bestehende gegenseitige Achtungs- und Anerkennungsverhältnis aufkündigt. Indem er sein Opfer mit einem Angriff auf dessen rechtlich geschützte Güter überzieht, negiert er ihn in seinem Persönlichkeitsrecht. Diese mittelbare Rechtsverletzung tritt neben die unmittelbaren Beeinträchtigungen. 6. Zusammenfassung Die Untersuchung zu den not wehrfähigen Interessen hat ergeben, dass bei der Androhung der Offenbarung kompromittierender wahrer Tatsachen die Freiheit der Willensbildung und -betätigung und das Vermögen/Besitz des Bedrohten als rechtlich geschützte Interessen zu einer Verteidigung gem. § 32 StGB berechtigen können. Das Rechtsgut Ehre und das Diskretionsinteresse als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind für die hier problematischen Fallgruppen nur bei Hinzutreten weiterer Umstände als durch das Vorgehen des Drohenden gefährdet anzuerkennen. Erschöpft sich die Handlung des Täter dagegen in der schlichten Konfrontation des Opfers mit seinem früheren Verhalten und in der Ankündigung erlaubter Veröffentlichung kann sich der Betroffene zur Verteidigung mangels Störung dieser Interessen nicht auf sie berufen. Für die Erpressung mit der Offenbarung einer Straftat ist dem Erpressten die Einwendung, er habe sich verteidigt, um die drohende Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen abzuwenden, verwehrt. Dieses menschlich nachvollziehbare Motiv stellt kein rechtlich geschütztes und damit notwehrfähiges Rechtsgut dar. Lediglich hinsichtlich der festgestellten durch die Bedrohung betroffenen Rechtsgüter ist im Fortgang der Arbeit zu untersuchen, ob durch das Verhalten des Drohenden die weiteren Voraussetzungen eines notwehrauslösenden Angriffs bejaht werden können. B. Gegenwärtiger Angriff Mit dem Erfordernis, dass nur gegenwärtige Angriffe abgewehrt werden dürfen, stellt § 32 StGB eine eindeutige temporale Einschränkung für eine rechtlich zulässige Verteidigung auf. Einhellig 272 geht man davon aus, dass ein Angriff dann gegenwärtig ist, wenn er unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch fortdauert. Be27 2

Herzog, NK-StGB, § 32 Rn. 25; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 32 II 1 d; Lenckner! Perron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn. 13 ff.; Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn. 20; Spendel, LK-StGB, § 32 Rn. 115; Wagner, Notwehrbegründung, S. 50f.; Wessels!Beulke, Strafrecht AT, Rn. 328.

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

zugspunkt der Verletzungshandlung ist dabei das konkret betroffene Individualrechtsgut 273. Entscheidend für die zeitliche Eingrenzung nach vorne ist, ob das Verhalten des Gegners unmittelbar in eine Rechtsgutsverletzung umschlagen kann 274 . Nach hinten ist erforderlich, dass der Angriff noch nicht mit der endgültigen Verletzung des notwehrfähigen Gutes abgeschlossen ist 275 . Insofern ist die Definition der Gegenwärtigkeit allein individualistisch geprägt 276. Dies kann konsequenterweise nur richtig sein, wenn man - wie hier - ein individualistisches Notwehrmodell zugrunde legt. Das Merkmal der Gegenwärtigkeit gehört im Falle der angedrohten Offenbarung wahrer Tatsachen zur Erzielung eines Vermögensvorteils zu den umstrittensten Punkten seit der Entdeckung der Problematik. Hauptgrund der Kontroverse ist vor allem das unterschiedliche Herangehen an die Prüfung der Voraussetzung. Auf der einen Seite stehen diejenigen277, welche die Untersuchung der Gegenwärtigkeit des Angriffs für jedes der durch den Erpressungsversuch betroffenen notwehrfähigen Interessen (Willensfreiheit, Vermögen/Besitz) getrennt vornehmen. Den Gegenpol dazu bildet die Ansicht 278 , die einer einheitlichen Betrachtung des Erpressungsversuches im Ganzen den Vorzug gibt. Die im Wesentlichen von Arzt und Baumann in der Auseinandersetzung mit einem von Haug verfassten Aufsatz 279 begründete Befürwortung 280 einer isolierten 27 3 MaurachlZipf Strafrecht AT 1, § 26 Rn. 23; Suppert, Notwehr, S. 276; Wagner, Notwehrbegründung, S.51; Wölfl, Verwertbarkeit, S. 182. 274 BGH, NStZ 2000,365; Bockelmann/Volk, Strafrecht AT, § 15 B11 c, Hruschka, Strafrecht AT, S. 132; Kühl, Strafrecht AT, § 7 Rn. 40; MaurachlZipf Strafrecht AT 1, § 26 Rn. 23; Spendet, LK-StGB, §32 Rn. 118. 27 5 MaurachlZipf Strafrecht AT 1, §26 Rn.23; Spendet, LK-StGB, §32 Rn. 122; Wessels! Beulke, Strafrecht AT, Rn. 328. 276 Die Frage der Gegenwärtigkeit eines Angriffs auf die Geltung der Rechtsordnung wird auch von Vertretern der überindividualistischen oder dualistischen Notwehrmodelle nicht gestellt. Vgl. dazu auch die Ausführungen im Text 1. Teil, § 2 A. 27 7 Arzt, MDR 1965, 344; ders., JZ 2001, 1052f., insbes. Fn.7; ArztlWeber, Strafrecht BT, § 18 Rn.20; Baumann, MDR 1965, 346; Jakobs, Strafrecht AT, 12. Abschn. Fn.49; Lenckner, Schönke/Schröder, StGB, 24. Aufl., § 32 Rn. 16 (anders nunmehr Lenckner!Perron, Schönke/ Schröder, StGB, 26. Aufl., § 32 Rn. 18); MaurachlZipf, Strafrecht AT 1, § 26 Rn. 26; Tenckhoff, JR 1981, 255f.; s.a. KG, JR 1981, 254. 27 8 Amelüng, GA 1982, 381, 384f.; ders., NStZ 1998,70; Eggert, NStZ 2001,225f.; EisenberglMüller, JuS 1990, 120, 122; Günther, SK-StGB, §32 Rn.66, 76; Frank, Tonbandaufnahmen, S.52f.; Haug, MDR 1964, 548, 551; Herzog, NK-StGB, §32 Rn.32; Jung, NK-StGB, § 201 Rn. 19; Klug, FS Sarstedt, S. 101, 124; LacknerlKühl, StGB, § 32 Rn.4; Lenckner!Peron, Schönke/Schröder, § 32 Rn. 18; Liermann, Tonbandaufnahme, S.39; Mitsch, Baumann/Weber/ Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rn. 11; Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn.28; RoxinlSchünemannl Haffke, Klausurenlehre, S.67, Iii.; Schünemann, LK-StGB, §201 Rn.40; Spendet, LK-StGB, §32 Rn. 134.; Sternberg-Lieben, JA 1996, 299, 302f.; Suppert, Notwehr, S.272ff.; Wessels! Beulke, Strafrecht AT, Rn. 328; Wölfl, Verwertbarkeit, S. 182; Wormer, Privatsphäre, S. 251 f. 27 9 Haug, MDR 1964, 548 ff. 280 Arzt, MDR 1965, 344; ders., JZ 2001, 1052f., insbes. Fn.7; Arzt/Weber, Strafrecht BT, § 18 Rn.20; Baumann, MDR 1965, 346; Jakobs, Strafrecht AT, 12. Abschn. Fn.49; Lenckner,

§ 2 Vorliegen einer Notwehrlage

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Vorgehensweise gelangt zunächst zu dem Ergebnis, dass der sich gegen das Rechtsgut Vermögen richtende Angriff zwar gegenwärtig sei, aber durch einfaches Nichtzahlen abgewendet werden könnte; jedes andere Mittel sei nicht mehr das mildeste im Sinne der Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung 281. Bedeutsamer ist allerdings die Behauptung, die Willensfreiheit werde nur im Zeitpunkt des Ausspruches der Drohung gegenwärtig angegriffen. Nach dem Ausspruch des letzten Wortes sei der Angriff beendet und damit nicht mehr gegenwärtig 282. Für das Prinzip, im Hinblick auf die Frage der Gegenwärtigkeit nach Rechtsgütern getrennt zu prüfen, könnte zunächst die Tatsache sprechen, dass in Notwehrsituationen häufig mehrere Werte betroffen sind. Zu nennen ist etwa eine körperliche Attacke auf einen anderen, bei der sowohl die Gesundheit als auch das Eigentum an den vom Opfer getragenen Sachen verletzt werden. Fallen während der Auseinandersetzung zudem noch Schimpfwörter, ist auch eine Beeinträchtigung der Ehre denkbar. Für solche Sachverhalte besteht Konsens darüber, dass die Frage der Gegenwärtigkeit des Angriffs für jedes Rechtsgut gesondert gestellt werden muss und dass die Antwort je nach Rechtsgut unterschiedlich ausfallen kann 283 . Allerdings zeichnet einen nötigenden bzw. erpresserischen Angriff im Gegensatz zu den der Trennungspraxis zugrundeliegenden Fallgestaltungen aus, dass das angedrohte Übel über eine gewisse Zeitdauer wie ein Damoklesschwert über dem Opfer hängen und letztlich dessen Entscheidung in die vom Täter gewünschten Bahnen lenken soll. Die verletzten bzw. zu verletzenden Rechtsgüter stehen also gerade nicht losgelöst nebeneinander, sondern der Eingriff in das eine (Willensfreiheit) ist notwendiges Mittel, um eine über das Opfer selbst vermittelte Beeinträchtigung des anderen (Vermögen) erreichen zu können. Aufgrund dieses Unterschiedes kann die oben beschriebene anerkannte isolierte Prüfung in den anders konstruierten Fällen des Nötigungs- bzw. Erpressungsversuchs keine Relevanz entfalten und insofern einer Gesamtbetrachtung nicht entgegengehalten werden. Bedeutsamer ist jedoch, dass neben dem eher formalen Argument der Praxis auch die zum Beweis der Behauptung angeführten inhaltlichen Erläuterungen nicht zu überzeugen vermögen: Nach Arzt 284 ist eine einheitliche Beantwortung der Frage, ob ein gegenwärtiger Angriff vorliegt, gar nicht möglich. Denn von der Zahlungsaufforderung bis zur Zahlung sei allein das Vermögen betroffen. Die Willensfreiheit sei erst mit dem Zeitpunkt des Ausspruchs der Drohung angegriffen. Deren Dauerwirkung auf das Schönke/Schröder, StGB, 24. Aufl., § 32 Rn. 16; Maurach/Zipf,\ Strafrecht AT 1, § 26 Rn. 26; Tenckhoff, JR 1981, 255f.; s.a. KG, JR 1981, 254. 281 Arzt, MDR 1965, 344; Arzt/Weber, Strafrecht BT, § 18 Rn.20; Fuchs, Notwehr, S. 115; Jakobs, Strafrecht AT, 12. Abschn. Fn.49. 282 KG, JR 1981, 254; Arzt, MDR 1965, 344; ders., JZ 2001, 1052 Fn.2; Baumann, MDR 1965, 346; Tenckhoff,, JR 1981, 255 f. 283 Kühl, Strafrecht AT, § 7 Rn. 51; ders., Jura 1993, 57, 63; Rudolphi, Fälle AT, S. 17. 284 In: MDR 1965, 344; Intimsphäre, S.92; JZ 2001, 1052f., Fn.7.

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

Opfer ändere nichts daran, dass mit dem letzten Wort der Mitteilung der Angriff auf die Willensfreiheit beendet sei, denn der zeitliche Rahmen mache aus der Erpressung noch keinen Dauerangriff. Bereits das an erster Stelle angeführte Argument gibt Anlass zu Zweifeln. Arzt missachtet, dass es sich um einen Erpressungsversuch handelt, der nicht in einen drohenden und einen fordernden Teil aufgespalten werden kann. Es handelt sich um eine Täterhandlung, die einen einheitlichen Vorgang darstellt. Die differenzierende Betrachtungsweise ist falsch und findet im Gesetz keine Stütze. Der Tatbestand der Erpressung erfasst gerade die Verknüpfung des Einsatzes von Nötigungsmitteln zur Erzielung eines Vermögensvorteils als eigenständiges spezifisches Unrecht. Die von Arzt vorgeschlagene Isolierung würde im Ergebnis dazu führen, das Täterverhalten lediglich als Bedrohung einerseits und als Aufforderung zu einer Vermögensverschiebung andererseits zu erfassen. Das Wesentliche der Opfereinwirkung, die Verbindung zwischen beiden, gerät damit aus dem Blickfeld. Zugegebenermaßen haben zwar die strafrechtlichen Begrifflichkeiten keine bindende Wirkung für die Auslegung des § 32 StGB 285 . Dieser Grundsatz besagt aber lediglich, dass sich aus der Straftatbestandsdogmatik nicht notgedrungen festgelegte Konsequenzen für die Auslegung des § 32 StGB ergeben. Trotz des Prinzips der Irrelevanz kann sich die Betrachtungsweise des Angriffs im Rahmen des § 32 StGB durchaus mit der tatbestandsmäßigen Erfassung des Täterverhaltens decken. Gerade weil die Verbindung des Nötigungsmittels mit dem angestrebten Erfolg die Eigenart des gewählten Angriffs ausmacht, muss auch für das Notwehrrecht die spezifische Verklammerung des Freiheitsangriffs und der vom Opfer selbst vorzunehmenden Vermögensschädigung gewahrt bleiben 286 . Gegen die Behauptung, mit dem Ausspruch der Drohung sei diese beendet, hat Amelung 287 zutreffend angeführt, dass dies allein von einem rein naturalistischen Standpunkt her verständlich erscheine. Nur wenn man die Drohung als physikalischen Vorgang ansähe, wäre dieser mit der letzten sprachlich erzeugten Wellenbewegung beendet. Gegen eine derartige Auffassung spricht jedoch die Schaffung von Straftatbeständen (Nötigung, Erpressung), die gerade auf die psychologischen Folgen einer derartigen Androhung abstellen288. Ergänzen lässt sich dies noch dahin gehend, dass es auch dem Täter selbst als notwendiges Zwischenziel der erwünschten Bereicherung letztlich auf den Nachhall seiner Worte beim Opfer ankommt. Erst diese Weiterwirkung, der auf dem Bedrohten lastende Druck, eröffnet den Weg zu dem verfolgten Vermögens vorteil. Und letztendlich steigert sich die Intensität der Willensbeeinflussung sogar noch, je näher der Ablauf der vom Erpresser eingeräumten Bedenkzeit herannaht 289. 285 286 287 288 289

Suppert, Notwehr, S.278. Ähnlich auch Suppert, Notwehr, S.280. In: GA 1982, 381,385. Amelung, GA 1982, 380, 385; Suppert, Notwehr, S.279. Fuchs, Notwehr, S. 115.

§ 2 Vorliegen einer Notwehrlage

123

Zudem scheint sich auch Arzt seiner Argumentation nicht sicher zu sein, wenn er ausführt, dass die Beurteilung der Gegenwärtigkeit bei einer anonymen Drohung anders aussehen könne; je nach Bedeutung des bedrohten Rechtsgutes ließe sich nach ihm hier eine gegenwärtige Drohung annehmen290. Warum die Kenntnis vom Täter und der Rang des Gutes Auswirkungen haben sollen auf die nach zeitlichen Kriterien zu beurteilende Frage der Gegenwärtigkeit, bleibt allerdings im Dunkeln. Baumann291 wählt einen ähnlichen Ansatzpunkt wie Arzt, wenn er vertritt, dass nach dem Ausspruch von Forderung und Drohung der Angriff deshalb als beendet angesehen werden müsse, weil die Erpressung kein Dauer-, sondern ein Zustandsdelikt sei. Zwar könne die Freiheit der Willensentschließung über eine gewisse Zeit beeinträchtigt werden. Das mache die Erpressung aber nicht zu einem Dauerdelikt im technischen Sinn. Auch die Versuchssituation rechtfertige keine andere Sichtweise. Als Konsequenz der Zuordnung zu den Zuständsdelikten ergäbe sich, dass „Gegenwärtigkeit'4 nicht während der gesamten Dauer des Zustandes angenommen werden könne. Ansonsten würde man die Notwehr in eine Selbstjustiz mit dem Ziele der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes verfälschen. Seine Argumentation versucht er mit einer Parallele zu dem Delikt der Beleidigung zu untermauern. Bei dieser könne Notwehr ebenfalls nicht zum Zwecke der Rücknahme der herabwürdigenden Äußerung eingesetzt werden, obwohl auch hier - ähnlich wie bei der Drohung die Zwangswirkung - die ausgesprochene Ehrverletzung fortwirke, während der Angriff auf die Ehre selbst mit Abschluss der beleidigenden Worte beendet sei 292 . Der angeführte zwingende Schluss von der Deliktsnatur auldie_Qegenwärtigkeit des Angriffs trägt nicht: Zunächst handelt es sich bei den Ausdrücken (Dauer-/Zustandsdelikt) um Topoi des Strafrechts, und diese sind für die Auslegung der Voraussetzungen der Notwehr grundsätzlich irrelevant 293. Denn ein Rechtfertigungsgrund, der für die Gesamtrechtsordnung Wirkung entfaltet, darf nicht einseitig an dem Begriffskanon eines Teilrechtsgebietes (nämlich des materiellen Strafrechts) ausgerichtet sein 294 . Daneben spricht gegen die Argumentation Baumanns aber vor allem Folgendes: Mit Hilfe der verwendeten Kategorien sollen möglichst schematische und damit einheitliche Antworten auf Fragen ermöglicht werden, die mit dem zeitlichen Fortgang einer strafbaren Handlung verbunden sind. Zu denken ist etwa an die Problematiken des Zurechnungszeitraumes für straferhöhende Umstände, der Qualifikation von Förderungshandlungen als Mittäterschaft und Beihilfe und des Beginns der Verjährungsfrist 295. Das auffallende Kennzeichen eines Dauerdeliktes im Gegensatz 290

In: Intimsphäre, S. 92. Baumann, MDR 1965, 346f. 292 So auch: Lenckner, GA 1961, 299, 301; Mitsch, JuS 1992, 289 f. 293 Suppert, Notwehr, S.274. 294 Suppert, Notwehr, S. 276. 295 Hruschka, GA 1968,193,194f.; Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 107; Weber, Baumann/ Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 8 Rn. 57 ff. 291

124

2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

zu den Zuständsdelikten besteht in diesem Zusammenhang dabei darin, dass über die Tatvollendung hinaus das deliktische Handeln weitergeht 296. Dieser Zeitpunkt ist aber bei der hier bearbeiteten Thematik noch gar nicht relevant. Der Drohende hat mit dem Ausspruch seiner Forderung und dem Inaussichtstellen eines Übels erst die Grenze des Versuchs (in der Regel des beendeten Versuchs) erreicht. Bis zum Eintritt wenigstens einer konkreten Vermögensgefährdung ist die Erpressung noch nicht vollendet. Für die Beantwortung der Frage nach der Gegenwärtigkeit eines Angriffs im Rahmen eines strafrechtlichen Versuchs kann nun nicht auf eine Deliktseinteilung zurückgegriffen werden, die ausschließlich für vollendete Delikte Geltung beansprucht. Bei dem zur Untermauerung der Argumentation angeführten vorgeblich gleich gelagerten Beleidigungsfall übersieht Baumann schließlich ebenfalls, dass der für die Ehrverletzung zu bejahende Vollendungszeitpunkt bei der in Frage stehenden Fallgestaltung noch gar nicht eingetreten ist, so dass sich die beiden Sachverhalte in einem wesentlichen Punkt unterscheiden, eine Parallele also gerade nicht möglich ist. Und letztlich hat auch der BGH entschieden297, dass eine Beleidigung - unabhängig von dem Fall einer unmittelbaren Wiederholungsgefahr - solange gegenwärtig im Sinne des Notwehrrechtes ist, wie die Achtungsbeeinträchtigung mit dem Willen des Beleidigers fortwirkt und ihrer Art nach durch Notwehr überhaupt abgewehrt werden kann. Weiter hat der Senat ausgeführt, dass es nicht angehe, Äußerung und Wirkung der Beleidigung willkürlich derart voneinander zu trennen, dass die vom Beleidiger gewollte Fortdauer der Ehrkränkung, die er, wenn er es wollte, jederzeit zurücknehmen könnte, aber zweckbewusst bestehen lässt, als nicht gegenwärtiger Angriff, sondern nur noch als bloßer Erfolg der Beleidigung gelte. In Anlehnung an die Meinungen Arzt's und Baumanns stellt Tenckhoff 198 als Argument seiner ebenfalls eine isolierte Betrachtung befürwortenden Auffassung heraus, dass die Gesamtbetrachtung zu einem unzulässigen Austausch des Elements führe, auf welches die Gegenwärtigkeit bezogen sein muss. Im Falle der versuchten Erpressung sei nicht mehr der Angriff, sondern nur die aus diesem Verhalten resultierende Gefahr einer zukünftigen Schädigung gegenwärtig. Diese Meinung ist nicht schlüssig. Zum einen vermischt Tenckhoff die Bedrohung der Willensfreiheit und die des Vermögens, obwohl er doch gerade für eine isolierte Betrachtung streitet. Die Gefahr einer zukünftigen Schädigung besteht nämlich nur für das Rechtsgut Vermögen. Die Verletzung der Willensfreiheit dagegen ist nach dem von ihm favorisierten Ansatzpunkt bereits beendet. Zum anderen hat sich beim Erpressungsversuch die Gefahr für das Rechtsgut Vermögen bereits so sehr verdich296

Hruschka, GA 1968, 193, 197; Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 105; Suppert, Notwehr, S.274; Weber, Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, §8 Rn.56. 297 BGH St 1 StrR 452/52 vom 1.12.1953, zitiert nach Pfeiffer!Maul/Schulte, StGB, §53 Anm. 4. 298 In: JR 1981, 255f.; s.a. Lenckner, Schönke/Schröder, StGB (24. Aufl.), §32 Rn. 16.

§ 2 Vorliegen einer Notwehrlage

125

tet, dass völlig unbestritten auch von den Vertretern der atomistischen Betrachtungsweise im Hinblick auf dieses Interesse ein gegenwärtiger Angriff bejaht wird 299 . Folgt aus der Auseinandersetzung, dass bei einer Drohung mit einer Strafanzeige oder mit der Offenbarung anderen kompromittierenden Verhaltens der Lebensvorgang in Bezug auf die Frage der Gegenwärtigkeit eines Angriffs im Sinne des § 32 StGB als ein einheitlicher zu betrachten ist, kann im Hinblick auf das bereits erreichte Versuchsstadium der Erpressung nur von einem begonnenen, aber noch nicht beendeten Angriff seitens des Täters ausgegangen werden. Damit ist die Gegenwärtigkeit des Angriffs auf notwehrfähige Güter des Opfers zu bejahen.

C. Rechtswidriger Angriff Die letzte Besonderheit einer Notwehrsituation im Gegensatz zu einer bloßen von Menschen oder Sachen ausgelösten Notstandslage ist das Erfordernis eines rechtswidrigen Angriffs. Um dieses Merkmal wird seit jeher in der Notwehrdogmatik gerungen. Der Streit konzentriert sich auf die Frage, ob die Rechtswidrigkeit des Angriffs inhaltlich genau so zu bestimmen ist, wie die Strafrechtswidrigkeit der tatbestandsmäßigen Handlung. Dagegen könnte die von der Notwehrvoraussetzung im Vergleich zur allgemeinen Strafrechts Widrigkeit différente Funktion sprechen: Geht es bei der Letzteren um die Begründung der Strafbarkeit des Täters, steht bei der Ersteren gerade die Herleitung der Straflosigkeit des sich Wehrenden zur Entscheidung an. So einleuchtend diese Überlegung auch ist, sie zwingt lediglich zu dem allgemein anerkannten Schluss300, Rechtswidrigkeit des Angriffs nicht nur anzunehmen, wenn eine straftatbestandsmäßige Handlung gegeben ist, sondern vor dem Hintergrund der Funktion und der Geltung des § 32 StGB in der Gesamtrechtsordnung auch eine außerstrafrechtliche Rechtswidrigkeit ausreichen zu lassen. Topoi des Strafrechts haben keine bindende Wirkung für die Notwehrbegrifflichkeiten. Über die inhaltlichen Bestimmungen des Rechtswidrigkeitsmerkmals selbst ist damit noch nichts ausgesagt. Nach überkommener Auffassung ist ein Angriff bereits dann als rechtswidrig anzusehen, wenn das Erfolgsunrecht eingetreten ist bzw. einzutreten droht 301 . Da ausschlaggebender Maßstab lediglich eine etwaige Duldungspflicht hinsichtlich des Eingriffs durch den Betroffenen ist, spricht für diesen Standpunkt die Möglichkeit klarer und eindeutiger Entscheidungen darüber, wann der Angriff rechtswidrig bzw. 299

Arzt, MDR 1965, 344; Arzt/Weber, Strafrecht BT, § 18 Rn.20. Günther, SK-StGB, § 32 Rn. 56; Kühl, Strafrecht AT, § 7 Rn. 59; Lackner/Kühl, StGB, § 32 Rn.5; Mitsch, Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 16 Rn. 10, § 17 Rn. 16. 301 BaumannIWeber, Strafrecht AT, §21 II 1 aß; Blei, Strafrecht I AT, §3912; Bockelmannl Volk, Strafrecht AT, § 15 B11 d; Ebert, Strafrecht AT, S. 75; Focke, Notwehr, S. 27f.; Geilen, Jura 1981, 256; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 32 II 1 c; Scheffler, Jura 1992, 352, 354; Spendel, LK-StGB, §32 Rn.57. 300

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

rechtmäßig ist 302 . In der Konsequenz bedeutet diese These, dass insbesondere gegen sorgfaltsgemäß Handelnde Notwehr verübt werden darf, sofern nur von diesen ein vom anderen nicht zu duldender Erfolg ausgeht. Durch die Realisierung des Erfolgsunwerts sollen die Grenzen überschritten sein, bis zu denen jeder Einzelne, um der notwendigen Einfügung in das gesellschaftliche Leben willen, verpflichtet ist, Beeinträchtigungen seiner Interessen hinzunehmen303. Teilt man die vorgeschlagene Sichtweise, muss man den sich erlaubterweise bewegenden „Angreifer" wie einen vorsätzlich oder pflichtwidrig gegen das Recht verstoßenden behandeln; er wird zum Opfer des scharfen Notwehrrechts, nur weil er „schicksalshaft" einen rechtsgutsbedrohenden Ursachenverlauf ausgelöst hat 304 . Damit verharrt man in den naturalistischen Kategorien von Kausalität und Schaden; ob der „Angreifer" für den entstandenen Konflikt überhaupt zuständig ist, bleibt unberücksichtigt 305. Gerade in der fehlenden Verantwortung für die schadensgeneigte Situation liegt jedoch der eine Ungleichbehandlung tragende wesentliche Unterschied. Zudem verwischen die Grenzen zum Defensivnotstand. Auch bei diesem steht ein Erfolg bevor, den der Bedrohte nicht hinnehmen muss. Deshalb kann er sich - unter dem Erfordernis einer Abwägung der widerstreitenden Belange - wehren. Verzichtet nun demgegenüber § 32 StGB auf derartige Proportionalitätserwägungen und erlaubt gegenüber Menschen eine schonungslosere Verteidigung als gegen Sachen, kann dies nur daran liegen, dass zum drohenden Erfolgsunwert ein Handlungsunwert hinzutritt 306 . Infolgedessen ist mit der herrschenden Meinung 307 ein Angriff erst dann als rechtswidrig 308 einzustufen, wenn er Verhaltensunrecht darstellt und die Herbeiführung eines Erfolgsunrechts bei einem der Notwehr zugänglichen Interesse befürchten lässt. Nach der Lehre vom Erfolgsunrecht würde man vom Einzelnen verlangen, auf erlaubte, aber potentiell gefahrgeneigte Tätigkeiten zu verzichten, um das Risiko einer Notwehrverteidigung zu vermeiden 309. Ein solches Gebot kann in der heutigen hochtechnisierten und störungsanfälligen Umwelt gar nicht eingehalten werden. 302

BaumannIWeber, Strafrecht AT, § 21 II 1 aß. Bockelmann/Volk, Strafrecht AT, § 15 B11 d. 304 Hirsch, FS Dreher, S.211, 214. 305 Jakobs, Strafrecht AT, 12. Abschn. Rn. 16 ff. 306 Graul, JuS 1995, 1049, 1052f.; Hirsch, FS Dreher, S.211, 214f. 307 Bitzilekis, Notwehrrecht, S. 114f.; EsertBurkhardt, Strafrecht I, S. 119 Rn. 16; Felber, Rechtswidrigkeit, S. 139ff.; Freund, Strafrecht AT, §3 Rn. 102; Graul, JuS 1995, 1049, 1052; Herzog, NK-StGB, §32 Rn.34; Hirsch, FS Dreher, S.211, 214f.; LacknerlKühl, StGB, §32 Rn. 5; Lenckner!Perron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn. 21; MaurachlZipf, Strafrecht AT 1, §26 Rn. 14ff.; Mitsch, Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rn. 17; Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn. 14; ders., FS Jescheck I, S.457 f.; ders., ZStW 93, (1981), 68,84; Schumann, JuS 1979, 559f.; Wagner, Notwehrbegründung, S.53f. 308 Anders dagegen Gropp, Strafrecht AT, § 6 Rn. 69 ff. und Günther, SK-StGB, § 32 Rn. 27, 56, 61, die bei einem fehlenden Handlungsunwert schon das Merkmal „Angriff" ablehnen. 309 Mitsch, Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rn. 17. 303

§ 2 Vorliegen einer Notwehrlage

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Dass zur Begründung der Rechtswidrigkeit des Angriffs zum Erfolgs- noch ein Handlungsunwert hinzutreten muss, leitet sich zudem dogmatisch aus dem hier vertretenen individualistischen Notwehrmodell ab. Im heutigen Zusammenleben der Menschen sind zahlreiche Handlungsweisen gestattet, die als im Rahmen des „gesellschaftlich zu Tolerierenden" dem Betroffenen auch dann zuzumuten sind, wenn die Persönlichkeitssphäre angetastet wird. Zu denken sind etwa an Ton- und Bildaufnahmen im normalen geschäftlichen Verkehr, an Berichterstattungen über Personen der Zeitgeschichte, an Satire und Karikaturen, die eine Identifizierung des damit Gemeinten ermöglichen. In diesen Zusammenhang gehören auch Äußerungen, die sich im Rahmen der Meinungsfreiheit halten. Da derartige Aktivitäten erlaubt sind, kann der Grundgedanke des durch einen Angriff mitbetroffenen Persönlichkeitsrechts nur gegenüber Angreifern, die sich pflichtwidrig verhalten, zum Tragen kommen. Verhält sich der „Angreifer" dagegen pflichtgemäß, ist also die Persönlichkeitsrechtsbeschneidung von vornherein hinzunehmen, hat der Gedanke einer Wiederherstellung des Achtungsverhältnisses durch die Angriffsabwehr keine Berechtigung. Über die Notwendigkeit eines hinzutretenden Handlungsunwertes noch hinausgehend verlangt eine Auffassung in der Literatur, dass neben der Rechtswidrigkeit des Angriffs noch schuldhaftes Handeln gegeben sein muss310. Jakobs geht vom gleichen Ansatz aus, will Notwehr aber nur bei evident schuldlosen Angriffen ausschließen311. Demgegenüber fordert Schmidhäuser sogar, einen vorsätzlichen und bewusst unerlaubten Angriff 312 . Diesen Theorien steht jedoch der klare Wortlaut des Gesetzes entgegen. Die Kategorien „rechtswidrig" und „schuldhaft" werden ausdrücklich unterschieden. Es wäre erstaunlich, wenn mit der Begrifflichkeit eines rechtswidrigen Angriffs nun unter Verwischung der termini ein schuldhafter gemeint sein würde 313 . Zudem sind weder Vorsatz noch Verschulden für den Angegriffenen erkennbar. Dieses in der Bedrängnissituation der Notwehr zu verlangen, läuft auf deren Aushöhlung hinaus314. Hinzuweisen ist noch darauf, dass dann gegen den im entschuldigenden Notstand Handelnden keine Notwehr verübt werden könnte. § 35 StGB würde faktisch wie ein Rechtfertigungsgrund wirken. Die Differenzierung zwischen beiden wäre somit aufgegeben 315. Für die Konstellationen, in denen das in Aussicht gestellte Übel wegen weiterer besonderer Umstände schon als Ehr- oder Persönlichkeitsrechtsbedrohung anzusehen war, konnte unproblematisch wegen der Rechtswidrigkeit des angedrohten Ver310

Fristen GA 1988, 291, 305; Krause , FS Bruns, S.71, 83. In: Strafrecht AT, 12. Abschn. Rn. 16ff. 3.2 In: FS Honig, S. 185, 194ff.; GA 1991, 97, 129. 313 Bitzilekis , Notwehrrecht, S. 111; Hirsch , FS Dreher, S.211,216; Kühl , Jura 1993,57,64; Roxin , FS Jescheckl, S. 457 f., 459; anders argumentieren aber Hruschka , Strafrecht AT, S. 141; Jakobs , Strafrecht AT, 12. Abschn. Rn. 16; Krause , GA 1979,329,332f.; Otto , FS Würtenberger, S. 129, 140ff.; ders ., Strafrecht AT, § 8 Rn.20ff. 3.4 Wagner , Notwehrbegründung, S.52. 3.5 Bitzilekis , Notwehrrecht, S. 113; Hirsch , FS Dreher, S.211, 218. 3.1

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

haltens ein Erpressungsversuch angenommen werden. Erfolgs- und Handlungsunrecht sind in diesen Fällen ohne weiteres zu bejahen. Vor dem Hintergrund der Drohung mit einem erlaubten Verhalten - berechtigte Strafanzeige bei den zuständigen Behörden/zulässige Veröffentlichung kompromittierender Tatsachen - ist zunächst denkbar, dass das für das Rechtswidrigkeitsurteil erforderliche Unrecht nicht verwirklicht ist. Allerdings ist herausgearbeitet worden 316 , dass auch in diesen Sachverhalten tatbestandsmäßig ein Erpressungsversuch vorliegt. Damit ergibt sich zugleich, dass mit der bevorstehenden Vermögensverschiebung und mit der andauernden Einflussnahme auf die Willensfreiheit der Eintritt des Erfolgsunwertes droht. Nicht erlaubtes Handeln, sondern aufgrund der inkonnexen Verbindung von Mittel und Zweck nicht mehr sozial adäquates, rechtswidriges Verhalten wird durch den Täter zur Realisierung seines Ziels vorgenommen. Durch das vorsätzliche Vorgehen des Täters gegen sein Opfer realisiert sich darüber hinaus auch hier das Handlungsunrecht. Bei der in Frage stehenden Drohung zur Erlangung eines geldwerten Vorteils ist demzufolge von einem rechtswidrigen Angriff im Sinne des § 32 StGB auszugehen.

§ 3 Verteidigungshandlung Nachdem die Begründung einer Notwehrlage durch die erpresserische Androhung der Offenbarung kompromittierender Tatsachen als gegenwärtiger rechtswidriger Angriff bejaht werden konnte, wendet sich die Untersuchung nunmehr der vom solcherart Bedrängten vorgenommenen Verteidigung zu. Für die rechtliche Zulässigkeit der Selbsthilfe stellt § 32 Abs. 2 StGB seinem Wortlaut nach die Voraussetzung der Erforderlichkeit der Widerstandshandlung auf. Traditionell wird ein Tun dann als erforderlich erachtet, wenn es zur Abwehr des Angriffs geeignet ist und unter mehreren gleichermaßen geeigneten Mitteln das mildeste darstellt 317. Das Merkmal der Geeignetheit der Notwehrhandlung ist nach einer langen Zeit des Schattendaseins in der jüngsten Vergangenheit verstärkt in die Diskussion geraten 318 . Der Streit wird vor allem um die Behandlung sogenannter „symbolischer Verteidigungsarten" geführt. Darunter versteht man solche, die den Abwehrerfolg nach 316

Vgl. die Ausführungen im Text 2. Teil, § 2 A. IV. 3. b). Eberl, Strafrecht AT, S.75f.; Gropp, Strafrecht AT, §6 Rn.79; Günther, SK-StGB, §32 Rn. 88; Jakobs, Strafrecht AT, 12. Abschn. Rn. 30; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 32 II 2b; Köhler, Strafrecht AT, S. 269; Kühl, Strafrecht AT, § 7 Rn. 89; LencknerlPerron, Schönke/ Schröder, StGB, § 32 Rn. 34; Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn.42; Sternberg-Lieben, JA 1996, 299, 305; Tröndlei Fischer, StGB, §32 Rn. 16c, 16d; Wagner, Notwehrbegründung, S.54f.; Wessels!Beulke, Strafrecht AT, Rn. 335. 3.8 Vgl. nur: Alwart, JuS 1996, 953 ff.; Joecks, FS Grünwald, S.251 ff.; Warda, Jura 1990, 344ff.; ders., GA 1996, 405ff. 3.7

§ 3 Verteidigungshandlung

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objektiver und subjektiver ex ante-Sicht nicht einmal teilweise herbeizuführen vermögen319. Da es im Rahmen der vorliegenden Arbeit aber nur um die Zulässigkeit des mindestens partiell erfolgreichen Widerstands gegen den Erpresser gehen soll 320 , kann die abstrakte Erfassung des Begriffs der Geeignetheit ungeachtet der neuerlichen Auseinandersetzungen in der gebotenen Kürze behandelt werden. Mehr Raum ist hingegen der Frage der Geeignetheit ganz konkreter Abwehrmittel in den hier zu erörternden Konstellationen einzuräumen. Die theoretisch denkbare Vielzahl möglicher Reaktionen des Betroffenen auf die Bedrohung macht es notwendig, die Palette auf wirklichkeitsnahe Verteidigungshandlungen zu reduzieren und aus den verbleibenden Fällen die besonders umstrittenen vertiefter zu behandeln. Nach der Untersuchung dieses Aspektes der Erforderlichkeit widmen sich die folgenden Ausführungen der zweiten Seite der genannten Voraussetzung, dem Einsatz des mildesten Mittels. Interessant wird hier insbesondere die Problematik der Inanspruchnahme staatlicher Hilfe. Dieser Punkt entfaltet für die thematisierten Sachverhalte eine zugespitzte Brisanz, weil, abgesehen von den seit Jahren geführten Diskussionen, hinzukommt, dass ein Ersuchen an die Behörden bei einer Erpressung mit der angedrohten Aufdeckung einer Straftat zugleich eine Selbstbelastung des Bittstellers und in den sonstigen Fällen eine Offenbarung des von ihm gehüteten Geheimnisses bedeutet.

A. Geeignetheit der Verteidigung I. Abstrakte Bestimmung des Begriffs 1. Ableitung des Kriteriums

der Geeignetheit

Wie bereits erwähnt, bestimmt die herkömmliche Auffassung die Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung danach, ob sie zur Herbeiführung des Abwehrerfolges überhaupt geeignet war und ob sie das mildeste Mittel unter mehreren gleich geeigneten darstellt 321. Dem ersten Teil der Definition liegt der Gedanke zugrunde, dass die Geeignetheit Begriffsbestandteil der Erforderlichkeit ist 322 . Dies ist überzeugend: Die zur Zielerreichung untaugliche Handlung kann nicht die zu eben diesem Ziel erforderliche sein 323 . Da eine für den Zweck unbrauchbare Maßnahme eine von 3,9 320

Günther, SK-StGB, §32 Rn.94; Warda, GA 1996,405, 411. Allein dann wird die durch die Arbeit speziell aufgeworfene Thematik überhaupt rele-

vant. 321

Vgl. die in Fn. 317 Genannten. Kühl, Jura 1993, 118, 120; ders., Strafrecht AT, §7 Rn.94; Sternberg-Lieben, JA 1996, 299, 307; Warda, Jura 1990, 344; ders., GA 1996,405. 323 Jakobs, Strafrecht AT, 12. Abschn. Rn. 34; Kühl, Jura 1993, 118, 120; ders., Strafrecht AT, § 7 Rn. 94; Warda, Jura 1990, 344. 322

9 Kroß

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

der Rechtsordnung niemandem aufzuerlegende sinnlose Belastung darstellt, ist die Einbeziehung des Geeignetheitskriteriums auch sachlich gerechtfertigt 324. Einen anderen Anknüpfungspunkt für die Verankerung des Geeignetheitsaspekts meint Mitsch 325 ausgemacht zu haben. Er leitet das Erfordernis direkt aus dem Begriff der Verteidigung ab. Nach ihm weist eine Handlung nur dann die Qualität einer Verteidigung auf, wenn sie objektiv zur Abwehr des Angriffs tauglich erscheint. Den terminus „Tauglichkeit" setzt er gleich mit den Ausdrücken „Geeignetheit" oder „objektive Zweckhaftigkeit". In der Sache bedeutet dies jedoch keinen Unterschied. Soweit dem Erfordernis einer geeigneten Abwehrmaßnahme entgegengehalten wird, dass dem in aussichtsloser Lage befindlichen Opfer nicht zugemutet werden könne, in einer derartigen Situation quasi reaktionslos zu verharren und so zum Spielball des Angreifers zu werden 326 und deshalb davon ausgegangen werden müsse, dass die Erforderlichkeit nicht prinzipiell eine Eignung voraussetze327, kann an dieser Stelle nur so viel gesagt werden: Ein Rechtsgefühl vermag zwar ein dogmatisch gefundenes Ergebnis zu stützen, nicht aber dieses ohne sachlichen Rückhalt zu ersetzen. Zum anderen verengt sich durch eine weite Auslegung der Geeignetheit - wie noch zu zeigen sein wird - der Bereich, in welchem wegen Ungeeignetheit des Abwehrmittels die Rechtfertigung zu versagen ist, so sehr, dass die divergierenden Auffassungen regelmäßig praktisch irrelevant werden.

2. Inhaltliche Bestimmung der Geeignetheit Will man sich dem Begriff der Geeignetheit inhaltlich nähern, muss man dies auf zweierlei Weise tun. Zunächst einmal ist der Abwehrerfolg zu bestimmen, den die Verteidigungshandlung mindestens haben muss und maximal haben darf. Zum anderen ist auf der Skala möglicher Eignungsgrade der für die Notwehr entscheidende herauszufiltern. Die Frage nach der maximalen Vorgabe ist leicht zu beantworten. Der Betroffene darf jedes Mittel wählen, das zur sofortigen und sicheren Beendigung des Angriffs führt 328 . Diese Umschreibung betrifft allerdings nur das Höchstmaß der Gegenwir324

Warda, Jura 1990, 344f. In: Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rn. 18. 326 Herzog, NK-StGB, § 32 Rn. 63. 327 Alwart, JuS 1996,953; Herzog, NK-StGB, §32 Rn.63; Samson, SK-StGB (5. Aufl.), § 32 Rn.42; Spendet, LK-StGB, §32 Rn.237; Sternberg-Lieben, JA 1996, 299, 307; Stratenwerth, Strafrecht ATI, §9 Rn.74. 328 Aus der Rspr. des BGH: NJW 1980, 2263; NStZ 1981,138; NStZ 1982, 285; StV 1986, 15; NStZ 1987, 172 und 322; NStZ 1989, 474; NJW 1989, 3027; StV 1990, 543; NStZ 1991, 32f.; NStZ 1997,96; NStZ 1998, 508f.; StV 1999, 143f.; StV 1999,145f.; Bockelmann/Volk, Strafrecht AT, § 15 B12b; Ebert, Strafrecht AT, S. 76; Fuchs, Notwehr, S. 125; Geilen, Jura 1981,308,315; Gropp, Strafrecht AT, § 6 Rn.79; Günther, SK-StGB, §32 Rn.91; Herzog, NK325

§ 3 Verteidigungshandlung

131

kung; es wird der Erfolg näher bezeichnet, bis zu dem die Reaktion gehen darf 329 . Oftmals steht dem Angegriffenen jedoch ein derartig effizientes Verteidigungsmittel gar nicht zur Verfügung, oder er kann es aufgrund der besonderen Kampfsituation nicht oder nicht wirksam einsetzen. Darf er dann auch eine zur endgültigen Ausschaltung des Angriffs ungeeignete Handlung vornehmen? Die Antwort muss bei dem herbeizuführenden Abwehrerfolg ansetzen. Ist das Notwehrrecht allein dem Individualrechtsgüterschutz verschrieben, muss als Erfolg bereits gelten, wenn der Angriff auf ein konkretes rechtlich geschütztes Interesse 330 in seiner Wirkung abgeschwächt, verzögert oder dem Umfang nach vermindert wird 331 . Dabei ist die Beeinflussung des Angriffserfolges in seiner konkreten Gestalt der entscheidende Gesichtspunkt332. Geeignet ist somit auch die Verteidigung, die eine Gutsverletzung unterhalb des vom Täter insgesamt verfolgten Ziels in qualitativer oder quantitativer Hinsicht verringert. Bereits mit einem derartig weiten Verständnis dessen, was im Sinne des Notwehrrechts zur Abwehr tauglich ist, wird die Position des Angegriffenen sehr gestärkt. Ihre materielle Berechtigung findet diese Begünstigung in dem Umstand, dass auf der anderen Seite des Konflikts eine Person steht, die jenen erst durch ihr rechtswidriges Verhalten zu verantworten hat und durch ihren Angriff nicht nur konkrete Individualrechtsgüter, sondern zudem das Persönlichkeitsrecht des Angegriffenen in Frage stellt. Und allein gegen diese Person richtet sich schließlich die Abwehr. Interessen unbeteiligter Dritter werden nicht berührt. Insofern ist, anders als bei den Notstandsrechten, hinsichtlich aller Eingriffsvoraussetzungen und also auch der Geeignetheit ein großzügiger Maßstab angebracht. Dieser spiegelt sich noch zusätzlich bei der Bestimmung des Grades der Eignung wider. Während nur vereinzelte Stimmen in der Literatur 333 darauf abstellen, ob die gewählte Handlung den Abwehrerfolg sicherstellt, befürwortet die überwiegende Ansicht 334 , ausgehend von der eben dargestellten Besonderheit der Notwehr, richtigerweise den Standpunkt, dass geeignet alle nicht von vornherein aussichtslosen StGB, § 32 Rn. 62; Köhler, Strafrecht AT, S. 269; Kühl, Jura 1993, 118, 120; ders., Strafrecht AT, § 7 Rn. 88; Mitsch, Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rn. 25; Otto, Strafrecht AT, §8 Rn.43f.; Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn.43; Rudolphe GS Armin Kaufmann, S.371, 387; Spendel, LK-StGB, § 32 Rn.237; Sternberg-Lieben, JA 1996,299,304; Warda, Jura 1990,344, 346; Wessels!Beulke, Strafrecht AT, Rn.335. 329 Warda, Jura 1990, 344, 346. 330 Joecks, FS Grünwald, S. 251, 261. 331 OLG Düsseldorf, NJW 1994,1971f.; Günther, SK-StGB, §32 Rn.91; Joecks, FS Grünwald, S. 251,261; Kühl, Jura 1993,118,121; ders., Strafrecht AT, § 7 Rn. 95; LencknerlPerron, Schönke/Schröder, §32 Rn.35; Warda, Jura 1990, 344, 346f. 332 Joecks, FS Grünwald, S.251, 261. 333 Born, Rechtfertigung, S. 144; Krüger, JA 1989,49. 334 Frisch, Vorsatz, S.424; Herzberg, JA 1986, 190, 199; Kühl, Jura 1993, 118, 121; ders., Strafrecht AT, § 7 Rn. 98; Lencknerl Perron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn. 35; Warda, Jura 1990, 344, 350. *

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

Verteidigungshandlungen sind. Ausreichend ist jede noch so gering wahrscheinliche, nicht sicher auszuschließende kleinste Chance335.

3. Sicht zur Beurteilung der Geeignetheit Als letzter Punkt dieses Teils bleibt noch zu klären, welche Sichtweise zur Prüfung der Geeignetheit angewandt werden muss. Im Wesentlichen besteht in Schrifttum 336 und Rechtsprechung337 Einigkeit darüber, dass zur Bestimmung der Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung und somit auch zur Beurteilung der Geeignetheit des eingesetzten Mittels eine ex-antePrognose aus Sicht eines objektiven Beobachters das Richtmaß ist. Vereinzelt wird eine rein subjektive Betrachtung vertreten 338. Danach soll für die Rechtfertigung allein die Sicht des Abwehrenden über die Eignung und Erforderlichkeit des von ihm eingesetzten Mittels ausschlaggebend sein. Dieser Auffassung ist entgegenzuhalten, dass sich so nicht erklären lässt, wieso die Kompensation des Erfolgsunwertes von Vorstellungen des Täters auf der Rechtfertigungsebene abhängen soll. Zudem führt die Meinung zu einer sehr erheblichen Ausdehnung der Rechtfertigung, die wohl kaum mehr akzeptabel ist 339 . Vom Standpunkt des Angreifers aus ist bedenklich, dass er eine objektiv unnötige Rechtsgutseinbuße hinnehmen muss340. Ebenso problematisch wie die gerade erwähnte Modifizierung des herrschenden Standpunkts sind aber auch die Stellungnahmen, die eine ex-post Betrachtung befürworten 341. Ist es Aufgabe strafrechtlicher Erlaubnissätze, menschliches Verhalten zu steuern 342, müssen die Rechtfertigungsvoraussetzungen der Begrenztheit des 335

Freund, Strafrecht AT, §3 Rn. 109; Günther, SK-StGB, §32 Rn.91; Sternberg-Lieben, JA 1996, 299, 307; Warda, GA 1996, 405 f. 336 Bockelmann/Volk, Strafrecht AT, § 15BI2d; Gropp, Strafrecht AT, §6 Rn.79; Günther, SK-StGB, § 32 Rn. 90; Herzog, NK-StGB, § 32 Rn. 60; JeschecklWeigend, Strafrecht AT, § 32 II 2b; Kühl, Jura 1993, 118, 122; ders., Strafrecht AT, §7 Rn. 107; LacknerlKühl, StGB, §32 Rn. 10; LencknerlPerron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn. 34; Mitsch, Baumann/Weber/ Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rn. 26; Otto, Strafrecht AT, § 8 Rn.45; Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn. 46; Schröder, JuS 2000, 235, 241; Spendet, LK-StGB, §32 Rn.219; Sternberg-Lieben, JA 1996, 299, 305; Tröndlei Fischer, StGB, §32 Rn. 16af.; Warda, Jura 1990, 344, 348; ders., GA 1996, S.405 f.; Wessels!Beulke, Strafrecht AT, Rn.337; Wolter, Zurechnung, S. 137f. 337 BGH, NJW 1969, 802; BGH, StV 1999, 143, 145. 338 Born, Rechtfertigung, S. 151; Jakobs, Strafrecht AT, 12. Abschn. Rn. 34; Zielinski, Handlungsunwert, S. 248 ff. 339 Rudolphi, GS Armin Kaufmann, S.371, 388. ™Kühl, Jura 1993, 118, 121. 341 Müther, Möglichkeitsvorstellungen, S. 32ff.; Samson, SK-StGB (5. Aufl.), §32 Rn.41 i.V. m. §34 Rn.l9ff. 342 Frisch, Vorsatz, S. 425 ff.; Rudolphi, GS Schröder, S.73, 80f.; ders., GS Armin Kaufmann, S.371, 377, 383.

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§ 3 Verteidigungshandlung 343

menschlichen Erkenntnisvermögens angepasst werden . Dieser Funktion kann eine Auslegung nicht gerecht werden, die lediglich ex-post nach dem Erfolg der Abwehrhandlung fragt. Damit ist an der überwiegenden Auffassung festzuhalten. Umstritten ist allerdings, welche Umstände der Eignungsprognose zum Zeitpunkt des Angriffs zugrunde zu legen sind. Ein Teil 344 zieht die objektiv gegebenen, also auch die erst nachträglich bekannt werdenden Tatsachen ein. Andere 345 stellen dagegen lediglich auf die zum Zeitpunkt des Angriffs erkennbaren Umstände ab. Für die zweite Auffassung soll also das Urteil eines objektiven Beobachters nach dem Wissensstand des Angegriffenen ausschlaggebend sein. Auswirkungen haben die unterschiedlichen Ansätze regelmäßig in den Sachverhalten, in denen sich der Notwehrtäter über die Gefährlichkeit des Angriffs irrt, sei es, weil er einen objektiv ungefährlichen Angriff für gefährlich hält, sei es, weil er einen wirklich gefährlichen Angriff unterschätzt. Im ersteren Fall wäre die zur Abwehr des scheinbar gefährlichen Angriffs vorgenommene Handlung zwar nach beiden Ansichten geeignet346, aber nach der auf objektiv gegebene Umstände abstellenden Meinung möglicherweise nicht die mildeste. Hier könnte dem Täter nur über die Regeln des Erlaubnistatbestandsirrtums geholfen werden 347. Nach der anderen These deckt § 32 StGB jede Verteidigung, die aus der ex-ante Sicht eines besonnenen Beobachters erforderlich ist, um das als gefährlich erscheinende Vorgehen einer Person wirkungsvoll abzuwenden348. Ein Irrtum des Notwehrenden geht also zu Lasten des Angreifers und ändert an der Notwendigkeit der Abwehrmaßnahme nichts 349 . In der zweiten Konstellation der Unterschätzung wäre wiederum nur nach der auf die Vorstellung des Betroffenen abstellenden Variante eine Rechtfertigung zu erlangen, während vom abweichenden Standpunkt aus die vollzogene Verteidigung vielfach ungeeignet sein dürfte 350. Auch hier wären dann die Regeln des Erlaubnistatbestandsirrtums anwendbar. 343

Frisch, Vorsatz, S.426; Herzberg, JA 1989,243, 247f.; Rudolphi, GS Armin Kaufmann, S. 371, 383, der daraus folgert, dass alle objektiven Rechtfertigungselemente einer ex-ante-Beurteilung unterworfen sein müssen; Schröder, JuS 2000, 235, 240. 344 Geilen, Jura 1981, 308, 315; Günther, SK-StGB, §32 Rn.90; Kühl, Strafrecht AT, §7 Rn. 107; LencknerlPerron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn. 34; Mitsch, JA 1989, 79, 87; Otto, Strafrecht AT, § 8 Rn.45; Spendel, LK-StGB, § 32 Rn. 218 ff.; Warda, Jura 1990,344,348. 345 Bockelmann/Volk, Strafrecht AT, § 15BI2d; Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn.46; Rudolphi, GS Schröder, S.73, 83f.; ders., GS Armin Kaufmann, S.371, 388; Schlüchter, FS Lenckner, S. 312, 316; Schröder, JuS 2000,235,241; Wessels/Beulke, Strafrecht AT, Rn. 337; Wolter, Zurechnung, S.38, 137ff., 171 f. 346 Warda, Jura 1990, 344, 348. 347 Günther, SK-StGB, § 32 Rn. 90; LencknerlPerron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn. 34. 348 Wessels!Beulke, Strafrecht AT, Rn. 338. 349 Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn.46 nennt dies ein kriminalpolitisch wünschenswertes Ergebnis. 350 Kühl, Strafrecht AT, § 7 Rn. 109; Warda, Jura 1990, 344, 348.

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

II. Konkrete Verteidigungshandlungen 1. Einwirkungen

zum Auffinden

von Erpresser und Beweismaterial

a) Tonbandaufnahme gem. §201 StGB Zu der rechtlich in vielerlei Hinsicht problematischsten Verteidigungshandlung zählt die Aufnahme des erpresserischen Anrufs auf ein Tonband. Regelmäßig wird dies dann vorkommen, wenn der Täter die Erpressung vorher angekündigt hat oder seine Drohung mehrere Male wiederholt. Das Opfer kann durch eine derartige Aktion mehrere Ziele anstreben: Zunächst wird es sich durch das Festhalten der Stimme erhoffen, den Täter zu identifizieren. Darüber hinaus erhält er mit der Aufnahme möglicherweise ein Beweismittel zur Überführung seines Widersachers. Und schließlich kann er diesen eventuell durch die Konfrontation mit dem Mitschnitt von der Erpressung abbringen. Zur Notwehrproblematik führt die Handlung allerdings nur dann, wenn der sich Verteidigende den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, denn allein in dem Fall stellt sich die Frage seiner Rechtfertigung. Bei einer Tonbandaufnahme und deren weiteren Verwendung könnten Verstöße gegen die in § 201 StGB normierten Verbote begangen worden sein. § 201 StGB sichert - abgeleitet aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht - zum einen das Recht auf Bestimmung der Reichweite einer Äußerung und zum anderen die Unbefangenheit des gesprochenen Wortes ab 351 . Ausgehend von diesem Schutzgegenstand stellt sich als erstes die Frage, ob ein Erpresser, der seine Drohung telefonisch vornimmt, überhaupt in den Genuss der Gewährleistungen des §201 StGB kommt. aa) Tatbestandsausschluss Bereits auf der Ebene des Tatbestandes soll nach einigen Ansätzen das Problem der Aufnahme strafbarer Äußerungen einer Lösung zugeführt werden. Da sich im Falle der Verneinung des Tatbestandes die Frage einer Rechtfertigung gar nicht mehr stellen würde, besteht die Notwendigkeit, ihnen nachzugehen. (1) Ausschluss mangels Vertraulichkeit des Wortes Im Gesetzgebungsverfahren verfolgten einige die Idee, den objektiven Tatbestand auf solche Kundmachungen zu beschränken, bei denen mit vertraulicher Behand351

Lenckner, Schönke/Schröder, StGB, §201 Rn.2.

§ 3 Verteidigungshandlung

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lung zu rechnen ist . Ansonsten, wurde angenommen, fehle der Zusammenhang mit der Persönlichkeit 353. Anknüpfen könnte ein derartiges Verständnis auch heute noch an die amtliche Gesetzesüberschrift „Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes" 354 . Nach diesem Ansatz 355 käme es in den hier problematisierten Sachverhalten in Betracht, dem sich äußernden Straftäter den Schutz des §201 StGB zu versagen, ist doch - jedenfalls in den Normalfällen der Erpressung - mit der Einschaltung der Polizei zu rechnen. Die Vertraulichkeit des Wortes steht also in diesen Fällen von vornherein sehr in Frage. Bei der Schweigegelderpressung allerdings verhält es sich so, dass durch die angedrohte Offenbarung kompromittierender Tatsachen die Informierung Dritter darüber vom Erpresser als unwahrscheinlich angesehen wird. Dass man in diesen Sachverhalten nicht also letztlich doch von „vertraulichen" Äußerungen ausgehen muss, erscheint nahe liegend. Die eben gezeigten Schwierigkeiten einer Grenzziehung um das Merkmal „vertraulich" haben schließlich auch in den Beratungen der Großen Strafrechtskommission dazu geführt, den terminus „nicht öffentlich" nicht durch das Wort „vertraulich" zu ersetzen356. Insofern verdient die überwiegende Meinung 357 Zustimmung, die besagt, dass § 201 StGB keine inhaltlichen Anforderungen im Sinne einer besonderen Vertraulichkeit stellt 358 . Auch die in einer Atmosphäre des Misstrauens geführten Gespräche sind gegen Fixierung und Abhören schutzbedürftig 359. (2) Ausschluss wegen Verwirkung Wesentlich mehr Relevanz für die Schweigegelderpressungen beinhaltet ein auf die Rechtsprechung zurückgehender Lösungsansatz. Der BGH 3 6 0 hat in seiner Ton352 Dreher, Niederschr.GStrRKomm., Bd. 9, 190, 192; Lange, Niederschr.GStrRKomm., Bd. 9, 188; Rösch, Niederschr.GStrRKomm., Bd. 9, 191; Schwalm, Niederschr.GStrRKomm., Bd. 9, 154ff.; vgl. dazu auch Arzt, Intimsphäre, S.238. 353 Roessler, Vertraulichkeit, S. 113. 354 Vgl. Frank, Tonbandaufnahmen, S.47. 355 Ursprünglich sollten wissenschaftliche, geschäftliche und berufliche Äußerungen, sowie Aussagen im Strafverfahren, die auf Tonband aufgenommen wurden, aus dem Strafrechtsschutz ausgeklammert werden. Vgl. Schwalm, ZStW 74 (1962), 488, 497. 356 Arzt, Intimsphäre, S.238; Frank, Tonbandaufnahmen, S.47 f. 357 Arzt, Intimsphäre, S. 238 f.; Arzt/Weber, Strafrecht BT, § 8 Rn. 14; Frank, Tonbandaufnahmen, S. 48; Helle, Persönlichkeitsrechte, S.252; Jung, NK-StGB, §201 Rn.2; Lackneri Kühl, StGB, §201 Rn.2; Lenckner, Schönke/Schröder, StGB, §201 Rn.5; TröndlelFischer, StGB, §201 Rn.2. 358 Das hätte für die hier besprochene Fallgruppe der Schweigegelderpressung zudem wohl die befremdliche Konsequenz, dass die viel subtilere Drohung mit der Offenbarung kompromittierender Tatsachen, bei der dem Opfer an sich von vornherein der Weg zur Polizei erschwert ist, unter dem Schutz des § 201 StGB steht, während die Fälle der Erpressung, in denen sich das Opfer an die Polizei wenden kann, vom Schutz des §201 StGB ausgenommen sind. 359 Arzt, Intimsphäre, S.239. 360 BGHSt 14, 358,361.

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

bandentscheidung aus dem Jahre 1960 die Meinung vertreten, dass derjenige, der die Grenzen des Rechts am gesprochenen Wort rechtswidrig überschreite, sich der ausschließlichen Bestimmung über sein Wort begebe. Sich daran orientierend führt Schmitt 361 aus: Derjenige, der das Medium der Sprache zu einer tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Straftat missbrauche, verwirke das Recht am gesprochenen Wort jedenfalls insoweit, als er nicht mehr gegen heimliche Tonbandaufnahmen eben dieser Äußerung geschützt sei. Später wurde diese Argumentation mit einer These des BGH aus seiner Tagebuchentscheidung kombiniert. Dort hatte der BGH argumentiert, die Entfaltung, nicht der Verfall der Persönlichkeit, werde durch die Grundrechte geschützt362. Übertragen auf §201 StGB bedeutete dies, dass derjenige, der eine strafbare Äußerung mache, nicht seine Persönlichkeit entfalte, sondern Zeugnis von ihrem Verfall ablege363. Insofern stünde ihm der Schutz des § 201 StGB nicht zu. Konsequenz für den erpresserischen Telefonanrufer wäre, dass er gegen den Mitschnitt seiner Äußerungen nicht geschützt wäre. Dieses wiederum hätte für das Opfer die Folge, mit der Aufnahme von vornherein keine unrechtmäßige Handlung zu vollziehen. Die Problematik einer Notwehrrechtfertigung würde sich nicht mehr stellen. Der oben beschriebene Standpunkt von der Verwirkung des strafrechtlichen Schutzes sah sich allerdings von Anfang an erheblichen Bedenken ausgesetzt. Sax 364 hat überzeugend dargelegt, dass Persönlichkeitsverfall keine echte Alternative zur Persönlichkeitsentfaltung darstellt, sondern lediglich eine andere Bezeichnung für eine Persönlichkeitsentwicklung zum Bösen ist. Zudem sind die Grenzen zwischen dem, was schon als Verfall und dem, was noch als Entfaltung der Persönlichkeit gelten soll, schwierig zu bestimmen365. Und was soll der Maßstab für die Einordnung sein: strafbares Verhalten, sonst rechtswidriges Tun oder lediglich sittlich negativ bewertetes Handeln? Schließlich muss sich die Verwirkungsthese die Frage gefallen lassen, warum der Erpresser zwar den Schutz über sein gesprochenes Wort verwirkt haben soll, nicht aber den über die zur Erpressung ebenfalls eingesetzten Rechtsgüter wie Leib, Leben, Eigentum366. In diese soll das Opfer nur nach Rechtfertigungsgrundsätzen eingreifen dürfen. Nach alledem ist die Auffassung von Verwirkung bzw. Verfall als widerlegt anzusehen367. 361

In: JuS 1967, 19, 23. BGHSt 19, 325,331. 363 KG, JR 1981, 254f. 364 In: JZ 1965, 1 f. 365 Wölfl, Verwertbarkeit, S.65. 366 Arzt, Intimsphäre, S.97; Klug, FS Sarstedt, S. 101, 123. 367 Arzt, Intimsphäre, S.97; Frank, Tonbandaufnahmen, S.46f.; Geppert, JR 1988, 471 f.; Gössel, GA 1991, 483, 506; Helle, Persönlichkeitsrechte, S. 289; Nelles, FS Stree/Wessels, 362

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(3) Teleologische Tatbestandsreduktion bei Kommunikationsdefiziten Nach Frank 368 schützt § 201 StGB das mit einer Unbefangenheit einhergehende Kommunikationsbedürfnis. Ein Bedürfnis nach unbefangener Kommunikation im Sinne eines Hin und Her und Für und Wider hat nach Frank 369 aber nicht, wer andere unter Druck setze, also eine Nötigung oder Erpressung begehe. Denn hier herrschten nicht Unbefangenheit und Vertrauen, sondern Zwang und Argwohn. Der Äußerung fehle die Eignung für eine auf einen Prozess hinauslaufende Kommunikation. Eine geistige Auseinandersetzung sei nicht möglich. Bereits das Abstellen auf eine unbefangene und vertrauliche Kommunikation weist auf die Nähe des von Frank selbst abgelehnten370 Tatbestandsausschlusses mangels Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes hin. Insofern ist diese Lösung den gleichen Bedenken ausgesetzt. Abgesehen davon erscheint es denkbar, dass auch bei einer Erpressung eine gewisse Kommunikation, etwa über die Höhe der abgepressten Summe, möglich ist. Setzt man sich über diesen Einwand hinweg, ist jedoch mit Wölfl 371 davon auszugehen, dass sich das Recht auf autonome Darstellung in der Öffentlichkeit nicht im Schutz kommunikationsgeeigneter Äußerungen erschöpft. Insoweit vermag auch dieses letzte Modell einer tatbestandlichen Ausscheidung erpresserischer Äußerungen aus dem Schutzbereich des §201 StGB nicht zu überzeugen. Damit stellt sich die Frage einer Notwehrrechtfertigung. Bevor aber speziell darauf eingegangen wird, sollen im Vorfeld die Alternativen geprüft werden, hinsichtlich derer das Erpressungsopfer überhaupt tatbestandsmäßig gehandelt haben könnte. bb) Tatbestandsverwirklichung (1) §201 Abs. 1 Nr. 1 StGB Nimmt das Opfer Drohung und Geldforderung seines Widersachers auf ein Tonband oder eine Kassette auf, verwirklicht es den Tatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Bei einer telefonisch in Aussicht gestellten Offenbarung kompromittierender Tatsachen für den Fall der Nichtzahlung handelt es sich um nichtöffentlich 372 geS.719,722 Fn. 11; Schünemann, LK-StGB, §201 Rn.5; Suppert, Notwehr, S.201 f.; Tenckhoff, JR 1981, 255 f.; Wölfl, Verwertbarkeit, S.65f. 368 i n : Tonbandaufnahmen, S.49ff. 369

In: Tonbandaufnahmen, S.53. In: Tonbandaufnahmen, S.47f. 371 In: Tonbandaufnahmen, S.66. 372 Zu dem Meinungsstreit, der um dieses Merkmal geführt wird, vgl. Schünemann, LKStGB, §201 Rn. 7 f. 370

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sprochene Worte. Der Erpresser ist anderer im Sinne der Vorschrift. Der Gedanke, dem Adressaten einer Äußerung die Dispositionsbefugnis darüber einzuräumen, wem das gesprochene Wort des anderen zugänglich gemacht werden soll, hat sich nicht durchsetzen können373. Demzufolge ist „anderer" im Sinne des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht nur eine externe Person, welche die Kommunikation zweier anderer belauscht und aufnimmt, sondern auch der Gesprächspartner des Aufnehmenden selbst374. Mit der Fixierung der Äußerung auf Tonband oder Kassette noch während der Erpresser spricht, ist sie auf einem Tonträger aufgenommen. Umstritten ist die Bedeutung des Wortes „unbefugt". Nach überwiegender Ansicht handelt es sich um einen Hinweis des Gesetzgebers auf die besondere Häufigkeit von Rechtfertigungsgründen in diesem Bereich 375. Damit beinhaltet der terminus „unbefugt" lediglich die Kennzeichnung der Rechtswidrigkeit als allgemeines Deliktsmerkmal. Andere sprechen der Formulierung eine doppelte Bedeutung zu 376 : Erfolgt die Aufzeichnung im Einverständnis und/oder mit Kenntnis des Sprechers, sei bereits der Tatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB ausgeschlossen. Sonstige Umstände dagegen, die das Verhalten des Täters zu einem „befugten" machen, hätten lediglich rechtfertigende Wirkung. Da es entsprechend der Thematik der Arbeit regelmäßig um eine heimliche Handlung gegen den Willen des Erpressers gehen wird, entfaltet der Streit praktisch kaum Relevanz. Deshalb kann er hier unberücksichtigt bleiben. Als Ergebnis steht fest, dass das Opfer einer Erpressung mit der Aufnahme der Äußerung auf Tonband oder Kassette tatbestandsmäßig im Sinne des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB handelt. (2) §201 Abs. 1 Nr. 2, 1. Alt. StGB Wie schon angedeutet, erschöpft sich die Aktion des Bedrohten nicht in der bloßen Fixierung des Gesprächs. Damit hätte er im Hinblick auf den erpresserischen Angriff noch nichts gewonnen. Vielmehr wird er mit der Aufnahme in irgendeiner Weise verfahren. Zunächst kommt in Betracht, dass er sie sich selbst anhört. Dann könnte er eine Kopie herstellen und entweder diese oder die Originalaufzeichnung der Polizei vorspielen, sollte er seine Skrupel wegen der Offenbarung einer von ihm begangenen Straftat oder anderer kompromittierender Tatsachen überwinden. Denkbar ist darüber hinaus, dass er den Gesprächsinhalt der Polizei wiedergibt oder 373

Vgl. dazu: Suppert, Notwehr, S. 206ff.; Wormer, Privatsphäre, S. 146ff. Suppert, Notwehr, S. 209. 375 Küpper, Strafrecht BT 1, Teil I, §5 Rn.24; Samson, SK-StGB, Vor §201 Rn.6; Schünemann, LK-StGB, §201 Rn.27. 376 Jung, NK-StGB, §201 Rn.6; Lenckner, Schönke/Schröder, StGB, §201 Rn. 13f., 29; Maurach/Schroetter!Maiwald, Strafrecht BT 1, §29 Rn.59; Wormer, Privatsphäre, S. 154ff., 228 ff. 374

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dem Erpresser Aufnahme oder Kopie vorspielt, um diesem zu demonstrieren, dass man etwas gegen ihn in der Hand habe. Mit all diesen Handlungen könnte der Bedrohte den Tatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 2, 1. Alt. StGB erfüllt haben. Das setzt voraus, dass seine Benutzung der Aufzeichnung ein Gebrauchen im Sinne der Vorschrift darstellt. Gebrauchen ist das Verwenden der Tonaufnahme zum Abspielen oder Kopieren 377. Dabei ist der Tatbestand auch dann bereits erfüllt, wenn der Täter beim Abspielen keine anderen Zuhörer hat als sich selbst378. Das Reproduzieren der Aufnahme auf einen Tonträger stellt ebenfalls ein Gebrauchen dar, und zwar sogar dann, wenn der Täter dabei nicht nochmals Kenntnis von der Aufzeichnung nimmt 379 . Das von Samson380 angeführte Gegenargument vermag nicht zu überzeugen. Nach ihm kommt ein Gebrauchen nur dann in Betracht, wenn sich die Gefahr realisiert, die durch die Aufnahme begründet wurde. Dies setze Kenntnis vom Inhalt voraus. Mit der Fixierung einer Äußerung geht aber nicht nur das Risiko jederzeitiger Kenntnisnahme durch Dritte einher, sondern auch das einer jederzeitigen Reproduzierbarkeit. Diese verwirklicht sich dabei ganz unabhängig davon, ob der Kopierende Kenntnis nimmt oder nicht. Nach anderer Meinung 381 dagegen soll die Übertragung auf einen weiteren Tonträger kein Gebrauchen, sondern die Aufnahme des nicht öffentlich gesprochenen Wortes im Sinne des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB sein. Dieser Auffassung wurde richtigerweise entgegengehalten, dass beim Herstellen einer Kopie kein „gesprochenes" Wort aufgezeichnet, sondern lediglich eine „Tonkonserve" vervielfältigt wird 382 . Das tatbestandliche Unrecht des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt nur, wer während des Sprechens die Aufzeichnung herstellt. Spielt das Opfer einer Erpressung der Polizei die Originalaufzeichnung vor, handelt es sich ebenfalls um ein Gebrauchen 383. Sogar wenn der Bedrohte nur die Kopie Dritten hörbar macht, verwendet er im Ergebnis die erste Aufnahme und erfüllt den Tatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 2, 1. Alt. StGB 384 . Denn das Gesetz verbietet nicht ausdrücklich allein den Gebrauch des Originaltonträgers, sondern weiter gefasst den der Aufnahme. 377 OLG Düsseldorf, NJW 1995,975; Jung, NK-StGB, §201 Rn.7; Küpper, Strafrecht BT 1, Teil I, §5 Rn. 21; Lackner/Kühl, StGB, §201 Rn.4; Lenckner, Schönke/Schröder, StGB, §201 Rn. 17; Maurachl SchroederlMaiwald, Strafrecht BT 1, §29 Rn.61; Schünemann, LK-StGB, §201 Rn. 14; Wessels! Hettinger, Strafrecht BT 1, Rn.531. 378 Lackner/Kühl,StGB, §201 Rn.4;Lenckner,Schönke/Schröder,StGB, §201 Rn. 17;Mäurach! Schroederl Maiwald, Strafrecht BT 1, §29 Rn.61; TröndlelFischer, StGB, §201 Rn.4. 379 Lenckner, Schönke/Schröder, StGB, §201 Rn. 17; Schünemann, LK-StGB, §201 Rn. 14. 380 In: SK-StGB, §201 Rn. 12; ihm folgend Schmitz, JA 1995, 118f. 381 Gössel, Strafrecht BT I, §37 Rn. 19; Tröndlel Fischer, StGB, §201 Rn.4. 382 Küpper, Strafrecht BT 1, Teil I, § 5 Rn. 20; LacknerlKühl, StGB, § 201 Rn. 3; Lenckner, Schönke/Schröder, StGB, §201 Rn. 17; Samson, SK-StGB, §201 Rn.7; Schünemann, LKStGB, §201 Rn. 12, 14. 383 Tröndlel Fischer, StGB, §201 Rn.4. 384 Samson, SK-StGB, §201 Rn.7, 12; Schünemann, LK-StGB, §201 Rn. 14.

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Die bloße Wiedergabe des Gesprächsinhalts an Dritte ist allerdings kein Gebrauchen, denn damit wird nicht die Aufzeichnung als Mittel erneuten Hörbarmachens genutzt385. Wird die Aufnahme oder eine von ihr hergestellte Kopie dem Erpresser zur Kenntnis gebracht, etwa um ihn dadurch von seiner Tat abzubringen, liegt ebenfalls ein Gebrauchen vor. Das ist dann unzweifelhaft, wenn der Aufnehmende sich die Aufzeichnung durch die Handlung zugleich selbst vorspielt. Aber auch wenn dies ausbleibt, stellt das Hörbarmachen gegenüber dem ursprünglichen Sprecher ein Gebrauchen dar. Denn nach dem Schutzzweck der Norm soll ein Gesprächsteilnehmer die Kommunikation gerade frei von der Befürchtung führen können, später auf eine Äußerung festgelegt zu sein, die dann sogar noch gegen seinen Willen verwertet werden könnte. Da ein Straftäter diesen Schutz nicht verwirkt 386 , gilt diese Garantie gleichermaßen für den Erpresser. Steht danach ein Gebrauchen im Sinne der Vorschrift fest, fragt sich nunmehr, wie die Formulierung „eine so hergestellte Aufnahme" zu verstehen ist. Dazu werden im Wesentlichen drei Meinungen vertreten. Nach einer Auffassung 387 soll sich die Formulierung nicht auf das Wort „unbefugt" beziehen. Das bedeutet, dass auch bei einer rechtmäßigen Aufnahme die weitere Verwendung rechtswidrig sein kann. Für die Zulässigkeit des Gebrauchs ist entweder das Fortbestehen des die Aufnahme legitimierenden Rechtfertigungsgrundes oder das Eingreifen eines neuen erforderlich. Demgegenüber führen andere aus 388 , dass aus der Befugtheit der Aufnahme zugleich die Zulässigkeit ihres Gebrauchs folge. Der Verweis auf eine „so hergestellte Aufnahme" schließt also das Wort „unbefugt" mit ein. Ist demzufolge der umstrittene terminus in § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB nur als allgemeiner Hinweis auf die Rechtswidrigkeit zu verstehen, rückt er nach diesem Ansatz im Hinblick auf §201 Abs. 1 Nr. 2 StGB in den Rang eines Tatbestandsmerkmales auf. Die dritte Ansicht differenziert 389. Ausgehend von einem Verständnis, das dem terminus „unbefugt" nur insoweit Tatbestandsqualität im Sinne des § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB zumisst, als die Fixierung ohne Einwilligung oder ohne Wissen des Sprechers vorgenommen sein muss 390 , gelangt sie zu folgenden Erkenntnissen: Ist die Aufnahme mit Wissen oder Einverständnis des Betroffenen hergestellt, ist auch 385

Lenckner, Schönke/Schröder, StGB, §201 Rn. 17; Schünemann, LK-StGB, §201 Rn. 14. Vgl. Ausführungen im Text 2. Teil, § 3 A. II. 1. a) aa) (2). 387 Rudolphi, FS Schaffstein, S.433, 447; Schmitt, JuS 1967, 19, 24; Suppert, Notwehr, S.290f.; Tenckhoff\ JR 1981, 255, 258. 388 KG, JR 1981,254f.; OLG Düsseldorf, NJW 1995,975 f.; Kleinknecht, NJW 1966,1537, 1543 f.; Otto, Strafrecht BT, §34 Rn.5; Wessels! Hettinger, Strafrecht BT 1, Rn.536. 389 Blei, Strafrecht II BT, § 31 III 2; Helle, Persönlichkeitsrechte, S. 265; Lenckner, FS Baumann, S. 135, 146ff.; ders., Schönke/Schröder, StGB, §201 Rn. 16. 390 Vgl. dazu die Ausführungen im Text 2. Teil, § 3 A. II. 1. a)bb) (1). 386

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der Gebrauch nach § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB erlaubt, da die Aufnahme nicht unbefugt hergestellt wurde. Ist die Fixierung der Äußerung dagegen in Notwehr/Notstand zustande gekommen, kann trotzdem ein Interesse daran bestehen, die Nutzung zu verbieten. Insofern ist für die Verwendung ein gesonderter Rechtfertigungsgrund erforderlich 391 . Die Meinung überschneidet sich damit mit der zuerst dargestellten. Hält man sich vor Augen, dass nicht nur das Aufnehmen, sondern auch die Verwendung selbst einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellt, erscheint es überzeugender, dafür eine gesonderte Rechtfertigung zu verlangen. Schließlich ist es nicht undenkbar, dass jemand auch mit einer ursprünglich rechtmäßig (z.B. nach §§ 32, 34 StGB gerechtfertigt) hergestellten Aufnahme missbräuchlich verfährt. Für den weiteren Fortgang der Arbeit bedeutet dies, dass für jede der Tathandlungen die Frage nach der Rechtfertigung gesondert aufgeworfen ist. Bevor darauf zurückgegriffen wird, ist aber zunächst weiter zu prüfen, welche Tatbestandsalternativen das Erpressungsopfer im Zusammenhang mit einer Nutzung der Tonbandaufzeichnung verwirklichen könnte.

(3) § 201 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt. StGB Überlässt der Bedrohte der Polizei die Tonträger mit Originalaufzeichnung oder Kopie, macht er die Aufnahme Dritten im Sinne der 2. Alt. des § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB zugänglich392. Aber auch wenn er sie lediglich vorspielt, liegt neben dem Gebrauchen nach der 1. Alt. noch ein Zugänglichmachen im Sinne der 2. Alt. vor 393 . Insofern überschneiden sich die Tathandlungen. Kommt der Erpresste auf die Idee, seinen Gegenspieler im Wege einer Gegennötigung mit der Aufnahme zu konfrontieren oder ihm sogar eine Kopie zuzusenden, verwirklicht er nicht den Tatbestand des § 201 Abs. 1 Nr. 2, 2. Alt. StGB. Der Erpresser als der Sprechende, dessen Äußerung aufgezeichnet wurde, kann nicht Dritter im Sinne der Vorschrift sein. Aus dem Wortlaut der Norm geht hervor, dass zwischen Täter („wer"), Sprechendem („anderer") und Dritten zu unterscheiden ist.

(4) § 201 Abs, 2 Nr. 2, 1. Alt. StGB Gibt der Erpresste den Inhalt der Aufnahme wörtlich oder im Wesentlichen der Polizei wieder, nimmt er keine tatbestandsmäßige Handlung gem. § 201 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. StGB vor, denn bei einer Benachrichtigung der Polizei handelt es sich nicht um eine öffentliche Mitteilung. Es fehlt die Gefahr, dass die Äußerung von unbe391 392 393

Im Ergebnis ebenso Schünemann, LK-StGB, §201 Rn. 13a.E. Lenckner, Schönke/Schröder, StGB, §201 Rn. 17. Lenckner, Schönke/Schröder, StGB, §201 Rn. 17.

142

2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

stimmt vielen, individuell nicht feststehenden Personen wahrgenommen wird 394 . Weil die Polizeibeamten durch ihre Funktion „innerlich verbunden" sind, gelten sie nur als ein Adressat 395. Die Zahl potentieller Zuhörer ist damit bestimmt. Die Bedeutung der sogenannten Bagatellklausel396 gem. § 201 Abs. 2, S. 2 StGB kann mangels Tatbestandsmäßigkeit hier außer Betracht bleiben397. cc) Rechtfertigung Hat sich im bisherigen Verlauf gezeigt, dass das Opfer mit der Aufnahme des Telefonanrufes des Erpressers und der weiteren Verwendung dieses Tonträgers in bestimmten Fällen tatbestandsmäßige Handlungen im Sinne des §201 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB vornimmt, stellt sich nunmehr die Frage ihrer Rechtfertigung und dabei insbesondere zunächst ihrer Geeignetheit, den gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff abzuwehren. Zur Beantwortung wurde bereits herausgearbeitet, dass aus der Zulässigkeit der Aufnahme nicht zwangsläufig auch die ihres Gebrauchs folgt. Vielmehr ist für diesen die Problematik einer Rechtfertigung gesondert anzusprechen und zu lösen. Allerdings kann sich die Erlaubnis zum Gebrauch aus dem Fortbestehen der die Aufnahme rechtfertigenden Umstände ergeben 398. Das setzt aber voraus, dass zum Zeitpunkt der Verwendung der Tonaufnahme ebenfalls sämtliche Erfordernisse des Rechtfertigungsgrundes vorliegen. (1) Rechtfertigung der Aufnahme Zahlreiche Stimmen in der Rechtsprechung399 und im Schrifttum 400, die sich mit der Problematik einer Notwehrrechtfertigung von Tonbandaufzeichnungen befasst haben, befürworten recht pauschal die Erforderlichkeit und somit auch die Geeignetheit der Aufnahme selbst, den erpresserischen Angriff abzuwehren. Zwar nimmt 394

Zu dem Merkmal der „öffentlichen Mitteilung": Jung, NK-StGB, §201 Rn. 12; Küpper, Strafrecht BT 1, Teil I, §5 Rn.23; Lenckner, Schönke/Schröder, StGB, §201 Rn.26; Schünemann, LK-StGB, §201 Rn.23. 395 Vgl. Zaczyk, NK-StGB, § 186 Rn.28, der dies im Rahmen des § 186 StGB für die Beamten einer Staatsanwaltschaft bejaht. 396 Siehe dazu Lenckner, Schönke/Schröder, StGB, §201 Rn.27. 397 Allerdings wird man annehmen können, dass bei einer Mitteilung an die Polizei über eine Straftat (die Erpressung) keine berechtigten Interessen des Erpressers betroffen sind. 398 Schmitt, JuS 1967, 19, 24; Suppert, Notwehr, S.291. 399 BGH, NJW 1958, 1344f.; BGHZ 27, 284, 289f.; KG, NJW 1967, 115f.; OLG Celle, NJW 1965, 1677, 1679; OLG Düsseldorf, NJW 1966, 214. 400 Däubler, CR 1994, 754, 756; Gramse, AnwBl. 1980,433,437; Haug, MDR 1964, 548, 551 ,ders., NJW 1965,2391 f.; Jung, NK-StGB, §201 Rn. 19; Kohlhaas, NJW 1972,238,240; Liermann, Tonbandaufnahme, S. 39 für anonymen Erpresser; Otto, FS Kleinknecht, S.319, 334; Roggemann, Tonband, S. 100; Rupprecht, DVB1. 1974, 579f.; Samson, SK-StGB, §201 Rn.25; Schünemann, LK-StGB, §201 Rn.40; Vahle, DVP 1998, 452, 455.

§ 3 Verteidigungshandlung

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ein Teil eine Rechtfertigung nur unter dem Gesichtspunkt der notwehrähnlichen Lage 401 an 402 , aber auch hier besteht die Notwendigkeit der Zweckgeeignetheit der Maßnahme zur Abwendung der Rechtsgüterbedrohung 403. Allerdings übersehen einige, dass durch die bloße Aufzeichnung der Worte des Erpressers auf ein Band oder eine Kassette, auf diesen in keiner Weise ein Zwang wirkt, sein Vorgehen aufzugeben 404. Die gerade ausgesprochene Drohung mit ihren Auswirkungen auf die Willensfreiheit, das Vermögen und möglicherweise Ehre und das Persönlichkeitsrecht kann durch die Aufnahme auf einen Tonträger nicht verhindert werden 405. Dies gilt um so mehr, als die Fixierung regelmäßig heimlich erfolgt. Weiß der Erpresser nicht einmal, dass seine Äußerung beweisbar gemacht wird, geht er also davon aus, alles laufe störungsfrei ab, ist kein Anreiz für ihn da, von seinem Vorhaben abzulassen406. Insofern bietet die Tonaufnahme streng genommen vom ex-ante-Standpunkt eines objektiven Beobachters nicht einmal die kleinste Chance, den Angriff auf die Willensfreiheit oder das Vermögen wenigstens teilweise zu erschweren. Einen derartigen Erfolg kann allerdings die weitere Verwendung des Tonträgers herbeiführen. Deshalb soll in einem nächsten Schritt geprüft werden, ob der Gebrauch der Aufzeichnung gerechtfertigt ist, um sodann zu überlegen, welche Auswirkungen sich aus einer Bejahung für die Rechtfertigung der Aufnahme selbst ergeben.

(2) Rechtfertigung des Gebrauchs und der Zugänglichmachung für Dritte Erkennt das Opfer den Drohenden im Zeitpunkt des Anrufes nicht oder ist er ihm gänzlich unbekannt, kann die Tonaufnahme durch ihr Abspielen dazu dienen, diesen zu identifizieren. Regelmäßig lässt sich ein solcher Erfolg nur dadurch erreichen, dass der Polizei die Aufnahme zugänglich gemacht und stimmtechnisch ausgewertet wird. Überwindet der Erpresste seine Scheu vor der Einschaltung staatlicher Organe jedoch nicht, ist es auch denkbar, dass ihm die Überführung des Täters selbst gelingt. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Erpresser aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis des Opfers stammt. 401

Dies resultiert aus der Verneinung eines gegenwärtigen Angriffs. OLG Celle, NJW 1965, 1677, 1679; Roggemann, Tonband, S. 100. 403 Vgl. Geilen, Jura 1981, 200, 210; Suppert, Notwehr, S.383. 404 Arzt, Intimsphäre, S. 80; ders., JR 1978,170; EisenberglMüller, JuS 1990,120,122; Nelles, FS Stree/Wessels, S.719, 733; Schmitt, JuS 1967, 19, 24; Suppert, Notwehr, S.248; Wölfl, Jura 2000, 231, 233; Wormer, Privatsphäre, S.243. 405 Schmitt, JuS 1967, 19, 24. 406 Vgl. Hermann, Tonbandaufnahme, S.38f. 402

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

In beiden Fällen ist durch die Verwertung der Tonbandaufnahme die Chance eröffnet, den Täter dingfest zu machen, bevor es zur Vermögensübergabe kommt. Vermag auch der Angriff auf die Willensfreiheit nicht mehr vollständig abgewendet zu werden, wird er doch in seinen Auswirkungen verringert und eine Vermögensbeeinträchtigung gar gänzlich vereitelt. Insofern eröffnet die Nutzung der Tonaufnahme die Möglichkeit, den erpresserischen Angriff jedenfalls teilweise abzuschwächen. Auch wenn schließlich eine Überführung gar nicht gelingen sollte, ist dies unbeachtlich. Denn ex-ante vom Standpunkt eines objektiven Beobachters aus betrachtet, lässt sich eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit nicht ausschließen. Das reicht, wie herausgearbeitet wurde 407 , im Rahmen der Erforderlichkeit. Eine zweite Verteidigungsstrategie mag darin bestehen, dass das Opfer mit Hilfe der Aufnahme nun seinerseits versucht, den Täter zu zwingen, von seinem Vorhaben abzulassen. Spielt es diesem den Tonträger oder dessen Kopie vor oder zieht es eine Kopie, die es dann dem Erpresser übergibt, handelt es sich ebenfalls um einen Gebrauch im Sinne des § 201 Abs. 1 Nr. 2 StGB 408 . Selbst wenn eine derartige „Gegennötigung" unter Verwendung der Aufnahme vielfach nicht von Erfolg gekrönt sein wird 409 , weil der Erpresste regelmäßig mehr zu verlieren hat als der Erpresser, besteht doch zumindest die Möglichkeit, dass dieser von seinem Plan Abstand nimmt. Beide Abwehralternativen mit ihren unterschiedlichen Formen des Gebrauchs bzw. des Zugänglichmachens stellen somit geeignete Handlungen zur Abwehr des Angriffs dar 410 . Da während der gesamten Zeit des ersten erpresserischen Anrufs bis zur endgültigen Zahlung von einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff im Sinne des Notwehrrechts auszugehen ist 411 , lebt der die Aufnahme möglicherweise rechtfertigende Angriff auch für die Zeit der oben beschriebenen Nutzbarmachung der Aufnahme fort.

407

Vgl. die Ausführungen im Text 2. Teil, § 3 A. 1.2. Vgl. die Ausführungen im Text 2. Teil, § 3 A. II. 1. a) bb) (2). 409 Vgl. Haug, MDR 1964, 548, 550. 4,0 Für eine Bejahung der Eignung des Gebrauchs zur Abwehr des erpresserischen Angriffs auch: Däubler, CR 1994, 754, 756; Klug, FS Sarstedt, S. 101, 117, 125; Lenckner, Schönke/ Schröder, StGB, § 201 Rn. 31 a; Spendel, LK-StGB, § 32 Rn. 133; Sternberg-Lieben, JA 1996, 299, 303. 411 Vgl. die Ausführungen im Text 2. Teil, §2B., C. 408

§ 3 Verteidigungshandlung

145

(3) Auswirkungen einer Rechtfertigung der Verwendung des Tonträgers auf die Aufnahme Ist nun die Verwendung einer zunächst tatbestandsmäßig produzierten Aufnahme - möglicherweise 412 - gerechtfertigt, fragt sich, ob nicht auch die Aufzeichnung selbst erlaubt sein muss. Das Rechtsgefühl scheint dies nahe zu legen, wäre es doch zweifelhaft, die Besorgung des Mittels, welches zu einer wirksamen Verteidigung notwendig ist, unter Strafe zu stellen, den Gebrauch selbst aber zuzulassen. Die Besonderheit der thematisierten Sachverhalte äußert sich darin, dass die Verteidigung aus mehreren Akten besteht. Dass dies möglich ist, ist seit langem bekannt und im Hinblick zum Beispiel auf die antizipierte Notwehr ausführlich behandelt 413 . Stellten sich dort allerdings entsprechend der aktuellen Gesetzeslage die Probleme der Gegenwärtigkeit des Angriffs und der Erforderlichkeit der Verteidigung 414 , besteht das Interessante und auch der Unterschied der vorliegenden Konstellation darin, dass schon die Vorbereitung der eigentlich effektiven Verteidigungshandlung den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt 415 . Da aber zwischen der Vorbereitung und der eigentlichen Verteidigung ein derartig enger und untrennbarer Zusammenhang dergestalt festzustellen ist, dass ohne den Vorbereitungsakt eine Abwehr in der Art schlechthin ausgeschlossen ist, hat bereits Supperr 416 die These begründet, auch die Aufnahme selbst müsse durch Notwehr gerechtfertigt sein. Dem ist beizupflichten. Durch die Aufzeichnung der Drohung eröffnet sich überhaupt erst eine Verteidigungschance417. Zudem ist es möglich, ebenso wie sich ein Angriff aus mehreren Akten zusammensetzen kann, dass auch die Verteidigung aus mehreren Schritten besteht. Zur Verdeutlichung seien drei Sach412

Die über die Geeignetheit hinausgehenden Rechtfertigungsvoraussetzungen werden erst im Fortgang der Arbeit geprüft. 413 Vgl. nur Schlächter, FS Lenckner, S. 313, 320. 414 Günther, SK-StGB, §32 Rn.73, 98; Herzog, NK-StGB, §32 Rn.72; Lenckner!Perron, Schönke/Schröder, StGB, §32 Rn. 18 a, 37; Spendel, LK-StGB, §32 Rn. 114, 248 ff. 4.5 Gänzlich unbekannt ist das Problem aber auch bei der antizipierten Notwehr nicht. Bis 1974 existierte im StGB § 367 Abs. 1 Nr. 8, welcher folgende Regelung beinhaltete: „Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Deutsche Mark oder mit Haft wird bestraft,... 8. wer ohne polizeiliche Erlaubnis an bewohnten oder von Menschen besuchten Orten Selbstgeschoße, Schlageisen oder Fußangeln legt oder an solchen Orten mit einer Schußwaffe schießt oder Feuerwerkskörper abbrennt, es sei denn, dass er mit zulässigem Jagdgerät rechtmäßig die Jagd ausübt; ...". Kamen die Selbstgeschosse etc. zum Einsatz, so war nicht nur ihre Verwendung im konkreten Fall unter Umständen nach Notwehr- oder Notstandsrecht zulässig, sondern auch die Installation selbst wurde als gerechtfertigt angesehen. Vgl.: Dalcke, Strafrecht, §367 Fn. 16; Frank, StrGB, §367 Anm. VIII, S.831; v.Olshausen, RStGB, §367 Nr. 8, S.2084; Rohde!Ziegler, LK-StGB, 6./7. Aufl., § 367 VIII Nr. 8, S.750; Werner, LK-StGB, 8. Aufl., §367 VIII Nr. 8, S.773. 4.6 In: Notwehr, S.249; ihm zustimmend: Frank, Tonbandaufnahmen, S.58, insbes. Fn.254 und S. 94 für einen vergleichbaren Sachverhalt im Rahmen des § 34; Wölfl, Verwertbarkeit, S. 184; ders., Jura 2000, 231, 233; Wormer, Privatsphäre, S.243f. 417 Eisenberg!Müller, JuS 1990, 120, 122 Fn.22. 10 Kroß

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

verhalte skizziert, die das Ergebnis untermauern: 1. Der Täter muss zur Tilgung einer ihn beleidigenden Losung auf der Hauswand des Nachbarn dessen Grundstück betreten. Bereits der Hausfriedensbruch ist durch Notwehr gerechtfertigt, obwohl mit ihm allein die Beseitigung des Ehrangriffs noch nicht erfolgt, sondern dies erst mit der hinzutretenden Sachbeschädigung am Haus gelingt. 2. Der Täter reißt zur Abwendung eines tätlichen Angriffs eine Latte aus dem Zaun seines Gegners und zertrümmert sie auf dessen Kopf. Die Sachbeschädigung durch das Herausreißen ist aufgrund von Notwehr gerechtfertigt, obwohl erst ihre konkrete Anwendung als Schlagmittel zur Verhinderung oder Beendigung des Angriffs führt. 3. Der sich auf der Flucht befindliche Dieb wird durch einen Schuss ins Bein gestoppt. Obwohl an sich erst die Rücknahme der Sache den Eigentumsangriff beseitigt, ist schon die sie ermöglichende Gewalt nach § 32 StGB gerechtfertigt. Und letztlich kann vom Wortsinn des Begriffs „Verteidigung" auch die bloße Vorbereitung der Abwehr noch als „Verteidigung" im Sinne des § 32 StGB bezeichnet werden 418. b) Hausfriedensbruch gem. § 123 StGB Vergleichbar hinsichtlich des Stadiums der Verteidigung ist der Tonaufnahme ein vom Erpressten begangener Hausfriedensbruch gem. § 123 StGB. Ist der Drohende dem Opfer bekannt oder hat es ihn durch die Tonaufnahme und deren Gebrauch identifizieren können, ergibt sich für den Betroffenen die theoretische Chance, in Wohnung, Haus, Geschäftsraum oder ähnlichem nach dem ihn belastenden Beweismaterial 419 zu suchen und dieses entweder zu vernichten oder zumindest an sich zu bringen. Gelänge ihm dies, so wäre der Angriff zumindest abgeschwächt, was für die Frage der Geeignetheit ausreichen würde 420 . Um sich diese Abwehrchance aber zu eröffnen, ist es zumeist erforderlich, das Hausrecht des Erpressers zu verletzen. Kommt es dazu, handelt der Notwehrende tatbestandsmäßig im Sinne des § 123 StGB. Wie bereits die Ausführungen zur Tonaufnahme ergeben haben421, unterfällt auch die einen Tatbestand verwirklichende Vorbereitung der eigentlichen Abwehrhandlung dem Begriff der Verteidigung, sofern - wie hier - ein enger und untrennbarer Zusammenhang zwischen dem ersten und zweiten Akt besteht. Selbst wenn die Suche nicht von Erfolg gekrönt sein sollte, wäre der Hausfriedensbruch eine Handlung, die zumindest die Chance eröffnet, den Angriff durch Entzug des Beweismittels abzuschwächen. 418

Suppert, Notwehr, S.252f. Angesprochen ist diese Verteidigungsmöglichkeit auch bei: Haug, MDR 1964,548,551; Herzog, NK-StGB, § 32 Rn. 32; Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn. 90; RoxinlSchünemann/Haffke, Klausurenlehre, S.67, 72. 420 Vgl. Roxin/Schünemann/Haffke, Klausurenlehre, S.67, 73. 421 Vgl. die Ausführungen im Text 2. Teil, § 3 A. II. 1. a) cc) (3). 4,9

§ 3 Verteidigungshandlung

147

c) Ausspähen von Daten gem. § 202 a StGB Sofern der Bedrohte Disketten, CDs oder die Festplatte eines Computers des Erpressers auf Material untersucht, in welchem dieser sein Wissen über die vom Opfer begangene Straftat oder das belastende kompromittierende Verhalten dargestellt hat, und selbiges auf eine eigene Speichervorrichtung überträgt bzw. Diskette oder CD seines Widersachers an sich nimmt 422 , verwirklicht er den Tatbestand des § 202 a StGB. Voraussetzung ist allerdings, dass die Daten gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert waren 423. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn Disketten oder CDs in besonderen Behältnissen verschlossen sind 424 . Als Sicherung gelten aber auch besondere computerspezifische Sperren 425. Nicht ausreichend wäre der Umstand, dass Wohnung oder Haus des Erpressers abgeschlossen gewesen ist. Zwar wirkt dieses ebenfalls als Zugangsbeschränkung. Jedoch sollen nicht speziell die Daten geschützt werden, sondern die gesamte Räumlichkeit. Die allgemeine Zutrittssicherung reicht für § 202 a StGB nicht aus 426 . Auch mit diesem Verhalten setzt sich der Handelnde zunächst nur in den Stand einer zukünftigen wirksamen Abwehr des erpresserischen Angriffs, etwa indem er die in Dateien gesammelten Informationen löscht. Als eine Verteidigung überhaupt erst ermöglichende Vorbereitung ist ein derartiges Vorgehen aber gleichermaßen von der Begrifflichkeit des § 32 StGB umfasst.

2. Einwirkungen

auf das Fundament der Drohung

a) Datenveränderung gem. § 303 a StGB Hat der Erpresste ihn belastende Darstellungen auf Disketten, CDs oder der Festplatte des Computers gefunden, kann er, statt sich die Daten im Sinne des § 202 a StGB zu verschaffen oder alternativ dazu, die Datensammlung vernichten. Mit einer derartigen Verhaltensweise verwirklicht er möglicherweise den Tatbestand des § 303 a StGB 427 . 422

In diesem Fall liegt zugleich ein Diebstahl gem. § 242 StGB vor. Vgl. dazu Schünemann, LK-StGB, §202a Rn. 14f. 424 Arzt/Weber, Strafrecht BT, § 8 Rn.58; Lackner/Kühl, StGB, § 202a Rn. 4; Otto, Strafrecht BT, §34 Rn.68. 425 Arzt/Weber, Strafrecht BT, § 8 Rn. 58. 426 Hilgendorf, JuS 1996, 702 f. 427 § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist dagegen nicht erfüllt, sofern es sich - was hier unterstellt werden soll - lediglich um gedankliche Zusammenfassungen des Wissens des Erpressers handelt. Es fehlt an der Beweiserheblichkeit der Darstellung. Nicht diese, sondern nur das dahinterstehende Wissen oder die sachlichen Beweismittel sind dazu geeignet und bestimmt, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen. 423

10*

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

Entfernt der Erpresste die Daten vom Datenträger, sind sie gelöscht worden im Sinne des § 303 a Abs. 1 Var. 1 StGB 428 . Sind die Daten dagegen lediglich computertechnisch „gelöscht" worden 429, liegt eine Datenunterdrückung gem. § 303 a Abs. 1 Var. 2 StGB vor 430 . Unter diese Modalität fällt auch die Entwendung des Datenträgers 431. Durch den Entzug des in Dateien gesammelten Beweismaterials verliert der Erpresser eine seiner Waffen. Zwar lässt sich die Offenbarung des kompromittierenden Sachverhalts auf diese Weise nicht gänzlich verhindern. Der geführte Angriff wird aber möglicherweise verzögert. Das reicht für die Frage der Geeignetheit im Rahmen der Notwehr. b) Diebstahl von Beweismitteln gem. § 242 StGB Zweck eines Hausfriedensbruches wäre in den hier besprochenen Konstellationen insbesondere die Suche nach belastendem Beweismaterial, etwa Dokumente über die vom Opfer begangene Straftat, Fotos oder Videos, welche das kompromittierende Verhalten dokumentieren etc. Findet der Erpresste derartige Materialien und nimmt diese an sich, könnte er einen Diebstahl gem. § 242 StGB begangen haben. Diejenigen Stimmen in der Literatur, die eine solche Verteidigungshandlung überhaupt im Rahmen der Notwehr gegen eine Schweigegelderpressung ansprechen, bejahen mehrheitlich die Möglichkeit einer Rechtfertigung gem. § 32 StGB 432 . Damit wird indirekt die Maßnahme zugleich als geeignet zur Abwehr des erpresserischen Angriffs angesehen. Dieser Annahme ist unter der Erwägung, dass der Erpresser sein Beweismaterial verliert, zuzustimmen. Auf einen Umstand, der im Falle seines Vorliegens bereits den Tatbestand des § 242 StGB ausschließt433, sei allerdings noch hingewiesen. Nimmt der Täter das belastende Material allein deshalb an sich, um es entweder an Ort und Stelle oder später zu vernichten, fehlt es an der Zueignungsabsicht434, genauer am Moment der An428

Vgl. Hilgendorf,\ JuS 1996, 890f. Dazu Tolksdorf, LK-StGB, § 303 a Rn. 25. 430 Vgl. Hilgendorf,\ JuS 1996, 890f. 431 Vgl. Hilgendorf,\ JuS 1996, 890f. 432 Haug, MDR 1964, 548, 551 f.; Herzog, NK-StGB, § 32 Rn. 32; Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn. 90; a. A. Baumann/Weber, Strafrecht AT, § 21 II 1, S. 301 f. 433 In dieser Konstellation würde sich die Frage einer Notwehrrechtfertigung gar nicht mehr stellen. 434 Dagegen scheitert es nicht an der Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung: Bei einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch das Anfertigen von Fotos, Videos oder Filmen und dergleichen geht der sich aus §§ 823 Abs. 1,249 S. 1 BGB bzw. analog § 1004 BGB ergebende Anspruch auf eine Beseitigung der Persönlichkeitsrechtsverletzung durch zum Beispiel Löschen des Tonbandes, Vernichten des Fotos oder Filmes. Dagegen folgt aus der Verletzung kein Anspruch auf Herausgabe des Videos, der Fotos oder Filme, weil das Eigentum daran dem Ver429

§ 3 Verteidigungshandlung

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435

eignung . In derartigen Fällen stellt sich mangels Tatbestandsmäßigkeit die Frage nach einer Notwehrrechtfertigung gar nicht. c) Sachbeschädigung gem. § 303 StGB Oftmals angesprochen in der Literatur ist die Möglichkeit, einen Angriff des Erpressers dadurch zu stoppen oder jedenfalls zu behindern, dass der Erpresste sachliche Beweismittel vernichtet 436. Stützt der Täter sein Vorgehen tatsächlich nicht allein auf erlangtes Wissen, sondern auch auf das Opfer kompromittierende Darstellungen, kann deren Vernichtung geeignet sein - aus der ex-ante-Perspektive eines objektiven Betrachters - den Angriff wenigstens zu erschweren. Insofern ist auch diese Maßnahme eine zur Abwehr taugliche. d) Urkundenunterdrückung gem. § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB Sind die den Notwehrenden belastenden Beweismittel echte Urkunden im Sinne des § 267 StGB, was etwa bei Dokumenten der Fall sein kann, ist mit der Vernichtung dieser Schriftstücke zugleich der Tatbestand einer Urkundenunterdrückung gem. § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt. Eine derartige Handlung kann ebenfalls als zur Verteidigung gegen einen erpresserischen Angriff geeignet angesehen werden 437. 3. Einwirkungen

auch auf den Erpresser

a) Psychische Einwirkungen aa) Nötigung gem. §240 StGB Kennt der Erpresste seinen Widersacher oder ist ihm mit jenem eine Kommunikation möglich, kann er versuchen, diesen durch die Ankündigung, ihn seinerseits wegen des (möglicherweise auf Tonband dokumentierten) erpresserischen Vorgehens anzuzeigen438 oder ihm physische Gewalt zuzufügen 439, zu einer Herausgabe letzten nicht gebührt. Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II, HBd.2, § 80 II 4 g. Anders ist die Sachlage allerdings dann, wenn es um den Diebstahl belastender Dokumente geht, die sich der Erpresser selbst seinerseits rechtswidrig vom Erpressten verschafft hat. In diesem letztgenannten Sachverhalt besteht ein Anspruch auf Herausgabe, §§ 823, 249 S. 1, 985 BGB, der die Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung entfallen lässt. 435 So auch Roxin/Schünemann/Hajfke, Klausurenlehre, S.67, 76. 436 Haug, MDR 1964,548,553; Herzog, NK-StGB, § 32 Rn. 32; Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn.90; RoxinlSchünemann/Hajfke, Klausurenlehre, S.67, 76. 437 Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn. 90. 438 Vgl. zu dieser Verteidigungsart: Amelung, GA 1982, 381, 399; Haug, MDR 1964, 548, 550; Spendet, LK-StGB, § 32 Rn. 134. 439 Vgl. zu dieser Verteidigungsart Eggert, NStZ 2001, 225, 227.

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

belastender Beweismittel und weiter gehend zu einer Aufgabe der Erpressung zu zwingen. Es fragt sich, inwiefern derartige Verhaltensweisen einer Notwehrrechtfertigung zugänglich sind. Teile der Literatur bejahen recht pauschal die Zulässigkeit der Gegendrohung als geeignetes und erforderliches Verteidigungsmittel zur Abwehr eines Angriffs gem. § 32 StGB 440 . Allerdings übersehen sie, dass die Problematik keineswegs zwingend in der Notwehrregelung ihre Verankerung finden muss. Unter Zugrundelegung der These, dass § 240 StGB nur die rechtlich garantierte Freiheit schützt441, kann der Erpresser kein Rechtsgut anführen, welches durch das Vorgehen seines Opfers beeinträchtigt sein könnte. Die Freiheit zu rechtswidrigen Angriffen ist nach diesem Ansatz kein über § 240 StGB abgesicherter Wert 442 . Zwingt der mit der Offenbarung kompromittierender Tatsachen Bedrohte seinen Widersacher zur Aufgabe, liegt bereits tatbestandsmäßig mangels Eingriffs in ein geschütztes Interesse keine Nötigung gem. § 240 StGB vor. Das muss auch dann gelten, wenn der Erpresser zwar nicht zum vollständigen Verzicht auf den Angriff angehalten werden kann, wohl aber zu seiner Abschwächung durch die Herausgabe des belastenden Beweismaterials. Schließt man sich der Auffassung zur tatbestandlichen Einschränkung der Nötigung anknüpfend an das geschützte Rechtsgut nicht an, kann - so eine Meinung in der Literatur 443 - die Lösung auch über die Verwerflichkeitsklausel des § 240 Abs. 2 StGB erfolgen. Der psychisch wirkende Zwang zur Unterlassung rechtswidrigen Verhaltens sei nicht verwerflich 444. Diese Sichtweise muss sich jedoch dem Einwand beugen, dass die nötigende Abwehr eines rechtswidrigen Angriffs primär die Frage der Rechtfertigung aufwirft, welche grundsätzlich vor dem Rückgriff auf die allgemeine Verwerflichkeitsklausel zu beantworten ist 445 . Die Konsequenz des vorzugswürdigen tatbestandlichen Lösungsansatzes liegt darin, dass die Frage einer Notwehrrechtfertigung gar nicht mehr relevant wird. Die „Nötigung" des Opfers mit der Androhung einer Gegenanzeige oder der in Aussicht gestellten Anwendung von Gewalt ist auch ohne Rückgriff auf § 32 StGB erlaubt. 440

Herzog, NK-StGB, § 32 Rn. 32; Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn. 90. Vgl.: Horn, SK-StGB, §240 Rn. 3; Jakobs, FS Peters, S.69ff.; Lesch, JA 1995, 889, 896; Timpe, Nötigung, S. 19ff; ders., JuS 1992, 748, 751; s.a. Ausführungen im Text der Arbeit 2. Teil, § 2 A. IV. 3. 442 Jakobs, FS Peters, S.69, 79; Timpe, JuS 1992, 748, 751; vgl. auch Bertel, ZStW 84 (1972), 1,34. 443 So: Eggert, NStZ 2001, 225, 227 Fn.23; Haug, MDR 1964, 548, 550; Lencknerl Perron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn. 18; Spendel, LK-StGB, § 32 Rn. 134. 444 Eser, Schönke/Schröder, StGB, §240 Rn.22, wobei allerdings eine Einschränkung insofern vorgenommen wird, als dass die durch §§32, 34 StGB gezogenen Grenzen der Verhältnismäßigkeit des eingesetzten Mittels gewahrt sein müssen. 445 Arzt/Weber, Strafrecht BT, §9 Rn.75f.; Küpper, Strafrecht BT 1, Teil I, §3 Rn.58; Wessels! Hettinger, Strafrecht BT 1, Rn.425. 441

§ 3 Verteidigungshandlung

151

bb) Erpressung gern. §253 StGB Dient die Drohung des Erpressten der Herausgabe belastender Beweismittel, könnte eine tatbestandsmäßige Handlung gem. § 253 StGB in Betracht kommen. Geht man aber auch im Rahmen der Erpressung richtigerweise davon aus, dass über das Nötigungsmoment dieses Tatbestandes nur die rechtlich garantierte Freiheit geschützt ist 446 , entfällt eine tatbestandsmäßige Handlung aus den gleichen Gründen wie bei der soeben geprüften Nötigung gem. §240 StGB. Selbst wenn man dieses Verständnis nicht teilt, kann man jedoch - jedenfalls oftmals - zu einer Verneinung der Tatbestandsmäßigkeit des § 253 StGB gelangen. Amelung 447 sieht als Anknüpfungspunkt für eine derartige Lösung das Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils an. Er meint, dass vom Standpunkt des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs 448 aus belastende Bilder, Briefe und ähnliches nicht zum rechtlich geschützten Vermögen gehören. Denn sie hätten einen wirtschaftlichen Wert nur insoweit, als sie als Instrumente einer Erpressung eingesetzt werden können449. In dieser Funktion stünden sie allerdings nicht mehr unter dem Schutz der Rechtsordnung. Amelung begründet den fehlenden Rechtsschutz damit, dass die genannten Gegenstände gem. § 74 Abs. 1 StGB der Einziehung unterliegen. Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob das Eigentum an Sachen lediglich deshalb aus dem rechtlich geschützten Vermögensbereich herausfallen soll, weil sie eingezogen werden könnten. Das würde in der Konsequenz dazu führen, dass sämtliche Mittel, auf die sich § 74 StGB erstreckt, nicht mehr Gegenstand eines am Einziehungsbetroffenen begangenen Betruges oder einer Erpressung sein können. Ausschlaggebend muss deshalb eine andere Erwägung sein. Sind die belastenden Beweismittel, die ausschließlich zu einer Erpressung eingesetzt werden sollen, unter Verletzung des Persönlichkeitsrechts entstanden450, so hat der Betroffene einen Anspruch auf Vernichtung/Löschung derselben gem. § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 249 S. 1 BGB bzw. analog § 1004 BGB. Solche Sachen jedoch, deren Untergang von der Rechtsordnung vorgesehen ist, können nicht unter ihrem Schutz stehen. Sowohl das Haben als auch die Verwendung der Gegenstände werden rechtlich missbilligt. Da die abgenötigten Aufzeichnungen derart missbilligter Herkunft nicht zum geschützten Vermögen gehören, nimmt der Be446

So Jakobs, FS Peters, S.69ff. In: GA 1982, 381, 398 f. 448 Vgl. dazu: Mitsch, Strafrecht BT 2, Bd. 1, § 6 Rn. 51; Rengier, Strafrecht BT 1, § 13 Rn. 55; Samson!Günther, SK-StGB, §263 Rn. 112ff.; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT 2, Rn. 535. 449 Allerdings könnten derartige Dokumente auch vom Täter ohne erpresserische Absichten an die Presse verkauft werden. Insofern hätten sie also ebenfalls einen wirtschaftlichen Wert. 450 Was insbesondere bei belastenden Fotos oder Videos denkbar ist. 447

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

drohte keine tatbestandsmäßige Handlung gem. § 253 StGB vor, wenn er den Erpresser zur Herausgabe des Materials zwingt. Darüber hinaus fehlt es jedenfalls dann an der Absicht der rechtswidrigen Bereicherung, wenn der Notwehrende sich nur deshalb in den Besitz der Sachen bringt, um sie sogleich zu vernichten. Dieser Gesichtspunkt, der bereits bei der Prüfung eines Diebstahls zu einer Verneinung der Zueignungsabsicht mangels Aneignung geführt hat, kann auch für die Bereicherungsabsicht im Rahmen des § 253 StGB nicht unberücksichtigt bleiben. Verneint man bei § 242 StGB eine gewollte Aneignung, da der Täter nicht danach trachtete, die Sache dem eigenen Vermögen einzuverleiben, kann man im Hinblick auf einen erstrebten Vermögensvorteil gem. § 253 StGB nicht von einer anvisierten Mehrung des Vermögens sprechen. Insofern verwirklicht der Bedrohte auch den subjektiven Tatbestand des § 253 StGB nicht. Die Frage der Rechtfertigung der in Rede stehenden Handlungen stellt sich nicht. Manchmal wird im Zusammenhang mit den soeben erörterten Fällen der Gegendrohung und -erpressung der Sachverhalt besprochen, dass der Erpresste von seinem Widersacher die Rückgabe bereits gezahlter Beträge erzwingt 451 . Da nach der Bezahlung durch das Opfer der Schweigegelderpressung aber regelmäßig der Angriff auf Vermögen und Willensfreiheit nicht mehr gegenwärtig ist 452 , stellt sich die Frage einer Not Wehrrechtfertigung von vornherein nicht 453 .

cc) Raub gem. §249 StGB Droht der Erpresste dem Erpresser mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben, um - das kompromittierende Verhalten festhaltende - Beweismaterialien zu entwenden, liegt möglicherweise eine tatbestandsmäßige Handlung gem. § 249 StGB vor. Für diese gelten die gleichen Erwägungen, die für den bloßen Diebstahl der Aufzeichnungen angestellt wurden 454 .

451

Vgl.: Baumann, MDR 1965, 346; Haug, MDR 1964, 548, 550. Etwas anderes könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn das Opfer sofort an Ort und Stelle der Vermögensübergabe zum Zwang der Rückgabe übergeht. 453 Im Übrigen läge aber auch in diesen Fällen mangels Eingriffs in die rechtlich garantierte Freiheit - der Erpresser ist dem Erpressungsopfer von vornherein zur Herausgabe verpflichtet - weder Nötigung noch Erpressung vor. An diesem Umstand scheitert die Erpressung darüber hinaus auch, wenn man dem Ansatz zum Rechtsgut nicht folgt. Aufgrund des Herausgabeanspruchs fehlt es an dem Merkmal der Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils. 454 Vgl. die Ausführungen im Text 2. Teil, § 3 A. II. 2. b). 452

§ 3 Verteidigungshandlung

153

dd) Betrug gern. §263 StGB Einige 455 sehen die Täuschung zum Zwecke der Herausgabe belastender Unterlagen als durch Notwehr gerechtfertigt an. Betrug erscheint als ein zur Abwehr eines erpresserischen Angriffs geeignetes und erforderliches Verteidigungsmittel. Allerdings kommt es auch hier in vielen Fällen auf eine Notwehrrechtfertigung gar nicht mehr an. Die Beweismaterialien gehören nämlich oftmals - nach dem juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff - nicht zum rechtlich geschützten Vermögen des Erpressers. Zudem fehlt es bei einer Erschleichung der Dokumente zum Zwecke der Vernichtung an der Bereicherungsabsicht. Damit erfüllt der Täuschende bereits den Tatbestand des § 263 StGB nicht. b) Physische Einwirkungen aa) Nötigung gem. § 240 StGB und Erpressung gem. § 253 StGB Wendet der Erpresste Gewalt an, um den Erpresser zur gänzlichen Aufgabe seines Vorhabens oder wenigstens zur Herausgabe belastender Materialien zu zwingen, könnten tatbestandsmäßige Handlungen gem. §§240, 253 StGB gegeben sein. Geht man jedoch auch bei der Gewaltnötigung und -erpressung davon aus, dass geschütztes Rechtsgut allein die rechtlich garantierte Freiheit sein kann 456 , ist eine Tatbestandsmäßigkeit bereits unter diesem Aspekt zu verneinen. bb) Raub gem. §249 StGB Wird der Diebstahl belastender Aufzeichnungen mittels Gewalt vorgenommen, ist der Tatbestand des § 249 StGB erfüllt, sofern der Täter nicht allein deshalb handelt, um die erlangten Sachen sofort zu zerstören. Da der Verlust des Beweismaterials den erpresserischen Angriff abschwächt, handelt es sich um ein geeignetes Verteidigungsmittel im Sinne des Notwehrrechts. cc) Körperverletzung

gem. §223 StGB

Setzt der Erpresste zur Erlangung belastender Beweismaterialien oder zur Einschüchterung des Erpressers oder in sonstigen Fällen Gewalt im Sinne physisch wirkenden Zwanges ein, verwirklicht er regelmäßig den Tatbestand einer Köperverletzung. Derartige Tätlichkeiten eröffnen aus der ex-ante-Perspektive eines objektiven Beobachters zumindest die Chance, die Beweisstücke zu erlangen und dadurch den 455 456

Amelung, GA 1982, 381, 398; Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn.90. Zweifelnd insoweit Amelung, GA 1982, 381, 399f.

154

2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

Angriff abzuschwächen oder ihn sogar ganz zu verhindern. Folglich sind sie geeignete Abwehrmittel im Sinne des Notwehrrechts 457.

dd) Tötung gem. §212 StGB Stützt sich die Macht des Erpressers lediglich auf sein Wissen, ist dem Angriff unter Umständen nur dadurch zu begegnen, dass der Angreifer zum Schweigen gebracht wird 458 . Unter dem Aspekt der Geeignetheit der Notwehrhandlung stellt die Tötung des Erpressers die sicherste Methode zur endgültigen und völligen Beendigung des Angriffs dar. An diesem Merkmal kann die Notwehrrechtfertigung folglich nicht scheitern.

B. Einsatz des mildesten Mittels Für die über den Aspekt der Tauglichkeit der Verteidigungshandlung zur Abwehr des Angriffs hinausgehende Erforderlichkeit der Notwehr ist entscheidend, ob das zum Einsatz gekommene Mittel das mildeste gewesen ist. Aus den bei der Zweckeignung erörterten Gründen 459 bestimmt sich auch die Frage des mildesten Mittels aufgrund einer ex-ante Betrachtung, wobei das Urteil eines objektiven Beobachters das maßgebliche ist 460 . Die eine Güterabwägung ausschließende Notwehr realisiert mit dem Merkmal der Erforderlichkeit zunächst den Grundsatz der größtmöglichen Schonung des Angreifers 461. Nicht jedes zur Verfügung stehende Abwehrinstrument darf zum Einsatz kommen, sondern nur ein solches, welches in Bezug auf die Rechtsgüter des Angreifers das am wenigsten schädigende ist. Allerdings steht dieser Leitgedanke unter zweifachem Vorbehalt. Ein Rückgriff auf das mildeste Mittel kann nur dort ver457

Vgl. dazu auch Herzog, NK-StGB, § 32 Rn. 32, der im Einzelfall bei der Anwendung von Gewalt gegen die Person des Erpressers eine Rechtfertigung bejaht. 458 Eggert, NStZ 2001, 225, 227; Haug, MDR 1964, 548, 553; Novoselec, NStZ 1997, 218, 221; Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn. 52. 459 Vgl. die Ausführungen im Text 2. Teil, § 3 A. 1.3. 460 Gropp, Strafrecht AT, § 6 Rn. 79; Günther, SK-StGB, § 32 Rn. 95; Herzog, NK-StGB, § 32 Rn. 60f.; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, §32 II2b; Lenckner/Perron, Schönke/Schröder, §32 Rn. 34. 461 BGH, GA 1956, 49; Alwart, JuS 1996, 953f.; Amelung, NStZ 1998, 70; Geilen, Jura 1981, 308, 314; Gropp, Strafrecht AT, §6 Rn.79; Günther, SK-StGB, §32 Rn.95; Jakobs, Strafrecht AT, 12. Abschn. Rn. 30; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 32 II 2 b/c; Joecks, FS Grünwald, S.251, 253; Köhler, Strafrecht AT, S.269; Kühl, Jura 1993, 118, 121; ders., Strafrecht AT, § 7 Rn. 102f.; Lackner/Kühl, StGB, § 32 Rn. 9; MaurachlZipf, Strafrecht AT 1, § 26 Rn. 30; Mitsch, Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rn. 25; Otto, Strafrecht AT, § 8 Rn.43; Stiller, Grenzen, S.76; Stratenwerth, Strafrecht ATI, §9 Rn.76; Suppert, Notwehr, S. 283f.; Tröndle!Fischer, StGB, § 32 Rn. 16d; Wessels/Beulke, Strafrecht AT, Rn. 335.

§ 3 Verteidigungshandlung

155 462

langt werden, wo überhaupt mehrere Abwehrmöglichkeiten gegeben sind . Und zweitens muss das schonendere Mittel zur Abwehr genauso geeignet sein, wie das schärfere 463. Auf unsichere, risikoreiche Verteidigungshandlungen braucht sich der Angegriffene nicht verweisen zu lassen464. Die Wahl des mildesten Mittels setzt einen Vergleich mit anderen denkbaren Verteidigungsalternativen voraus. Um diesen sinnvoll vornehmen zu können, müssen die Faktoren herausgearbeitet werden, an denen sich das gesuchte Urteil ausrichten soll. Nach der Formulierung des § 32 StGB bemisst sich die Erforderlichkeit nach dem Angriff und seiner Abwehr durch den Angegriffenen oder einen Dritten. Damit sind die besonderen Umstände des Angriffs auf der einen und die Möglichkeiten des Betroffenen auf der anderen Seite als Entscheidungsgrundlage von § 32 StGB intendiert. Es fragt sich, ob diese Auslegung vom Wortlaut der Norm her mit den sie fundamentierenden Leitprinzipien unterlegt werden kann. Dabei scheint es der Rückgriff auf die Wurzeln des Notwehrrechts nahe zu legen, dass für ein individualistisches Notwehrverständnis entsprechend dem oben herausgestellten Resultat lediglich die Situation des Angriffs und der Verteidigung des unmittelbar tangierten Individualrechtsguts für die Frage des Einsatzes des mildesten Mittels entscheidend ist, während überindividualistische und dualistische Erklärungsmodelle konsequenterweise aus ihrem Ansatz heraus überindividuellen Faktoren entweder ausschlaggebende oder doch zumindest mitbestimmende Bedeutung zumessen müssten und insofern über das angeführte Ergebnis hinausgingen. I. Entscheidungsrelevante Umstände für die Beurteilung des mildesten Mittels 1. Über individualistische

Interpretation

des Merkmals?

Eine rein überindividualistische Auslegung des thematisierten Merkmals findet sich scheinbar bei Köhler 465. Dieser stellt die These auf, die Erforderlichkeit richte sich primär nach der objektiven Eignung der Abwehr zur Rechtsbehauptung. Zur generellen Rechtsbehauptung kann aber unter Umständen mehr notwendig sein als zur Abwehr des konkreten Individualrechtsgutsangriffs 466. Man denke nur an die gewerbsmäßig organisierten Diebstähle467. Gegebenenfalls wäre in derartigen Fällen 462 Günther, SK-StGB, § 32 Rn. 95; Köhler, Strafrecht AT, S. 269; Mitsch, Baumann/Weber/ Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rn.25. 463 Günther, SK-StGB, §32 Rn.95. 464 BGH, StV 2002,422; Gropp, Strafrecht AT, § 6 Rn. 79; Günther, SK-StGB, § 32 Rn. 95; JeschecklWeigend, Strafrecht AT, §32 II2c; Kühl, Strafrecht AT, §7 Rn. 103; Lackner/Kühl, StGB, §32 Rn.9. 465 In: Strafrecht AT, S. 269. 466 Kioupis, Notwehr, S.49. 467 Vgl. auch Wagner, Notwehrbegründung, S.55.

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

ein intensiverer Zugriff zur Wahrung des Rechts notwendig als zur Abwehr des konkreten Angriffs auf Besitz und Eigentum an einer Sache. Die Grenzen der Erforderlichkeit könnten also bei einer überindividuellen Begriffsbestimmung sehr viel weiter gezogen werden. Auf der anderen Seite verzichtet das Recht in bestimmten Situationen möglicherweise auf eine umfangreiche Verteidigung, etwa bei der Angriffsprovokation, während das Individualrechtsgut des Provokateurs nach wie vor in aller Härte verteidigt werden will. Hier ist nach überindividualistischer Interpretation weniger zur Rechtsbehauptung nötig als nach individualistischer Auslegung. Eine vergleichbare Konstellation liegt unter Umständen dann vor, wenn sich die staatliche Autorität nicht verletzt fühlt, zum Beispiel in den Sachverhalten, in welchen sich das ganze Geschehen nur zwischen den direkt Beteiligten abspielt - Streit unter Eheleuten - und sich daraus keine gesellschaftliche Relevanz ergibt 468 . Allerdings geht Köhler auf all diese Konsequenzen gar nicht ein. Vielmehr relativiert er seine These dahin gehend, dass er das Ausmaß der durch den Angriff intendierten Rechtsgutsbetroffenheit für maßgebend hält 469 . Sind aber Stärke des Angriffs und seine konkreten Folgen für das bedrohte Rechtsgut entscheidend, stellt man bereits auf individuelle Momente ab. Im Hinblick darauf ist die von Köhler aufgestellte Forderung einer objektiven Eignung der Abwehr zur Rechtsbehauptung wohl eher im Sinne einer effektiven Verteidigung des konkret tangierten Individualrechtsguts zu verstehen. BitzilekiSy ausdrücklicher Vertreter einer überindividualistischen Sichtweise der Notwehr, formuliert zwar, dass das Merkmal der Erforderlichkeit objektiv und überindividualistisch zu betrachten sei 470 . Allerdings folgert er daraus lediglich die Notwendigkeit, den Begriff personenunabhängig zu beurteilen 471. Es soll nicht auf die dem Angegriffenen selbst zur Verfügung stehenden Verteidigungsmöglichkeiten ankommen, sondern auf die überhaupt personenunabhängig einsatzbereiten Abwehrmittel. Damit erkennt Bitzilekis richtig, dass § 32 StGB nicht notwendigerweise eine eigenhändige Verteidigung postuliert. Dieser Schluss kann aber erstens nicht allein aus überindividualistischer Sicht gezogen werden, und zweitens bleibt offen, welche Umstände nun konkret für das Maß der Verteidigung die bestimmenden sein sollen. Die eigentlichen Konsequenzen eines überindividualistischen Deutungsmodells der Notwehr für die Frage des Einsatzes des mildesten Mittels zieht er nicht. Selbst Schmidhäuser, ebenfalls Vertreter einer rein überindividuellen Notwehrlehre, hält seinen Ansatz bei der Bestimmung der Erforderlichkeit nicht durch. Zwar führt er aus, dass die Verteidigung nicht weitergehen darf als es der Schutz des angegriffenen Gutes und damit die Verteidigung der Rechtsordnung in der konkreten 468 469 470 471

Kioupis, Notwehr, S.49. In: Strafrecht AT, 269. In: Notwehrrecht, S.73. In: Notwehrrecht, S.73.

§ 3 Verteidigungshandlung

157

472

Situation notwendig machen , stellt für das Maß des Erforderlichen aber auf die Umstände des Angriffs und die dem Verteidiger verfügbaren Mittel ab 473 . Dass die Verteidigung der Rechtsordnung möglicherweise eine andere Intensität der Abwehr verlangt als das konkret betroffene Individualrechtsgut, übergeht er. Ebenso wenig berücksichtigt er den Grad der die Rechtsordnung in Frage stellenden Gefahr für das Maß des Erforderlichen. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Vertreter einer rein überindividuellen Notwehrinterpretation den Einsatz des mildesten Mittels inkonsequent nicht in Bezug auf die Verteidigung der Rechtsordnung beurteilen, sondern vielmehr individualrechtliche Aspekte als entscheidend ansehen.

2. individualistische

Interpretation

Ganz überwiegend, und zwar auch von den Anhängern einer dualistischen Notwehrauffassung, wird die Erforderlichkeit der Verteidigung individualistisch ausgedeutet474. Für die Bestimmung des mildesten, zur Abwehr gleichwohl geeigneten Verteidigungsmittels sind die konkreten Umstände der Situation475, unter welchen sich Angriff und Verteidigung abspielen, mit anderen Worten die „Kampflage" 476 zu berücksichtigen. Maßgebliche in die Begutachtung des mildesten Mittels einzubeziehende Faktoren sind auf der Seite des Angreifers die Art, Wucht und Intensität des Angriffs, die Persönlichkeit des Angreifers, also seine Aggressivität, Hartnäckigkeit, Reaktionsfähigkeit und Gefährlichkeit und die Stärke und Intensität des von ihm verwendeten Mittels. Vom Notwehrenden aus gesehen, sind dessen Stärke und Beharrlichkeit, so472

In: Strafrecht AT, Studienbuch, S. 157 Rn.71. In: Strafrecht AT, Studienbuch, S. 158 Rn.72. 474 Für die dualistische Notwehrauffassung vglBocke ImannIVolk, Strafrecht AT, § 15 B12 b; Courakis, Notwehr, S.89; Geilen, Jura 1981, 308, 315; Herzog, NK-StGB, §32 Rn.60a; JeschecklWeigend, Strafrecht AT, §32 II 2b; Kühl, Strafrecht AT, §7 Rn. 101; Lackner/Kühl, StGB, §32 Rn. 10; Lenckner/Perron, Schönke/Schröder, StGB, §32 Rn. 36; MaurachlZipf, Strafrecht AT 1, § 26 Rn. 30; Otto, Strafrecht AT, § 8 Rn. 45; TröndlelFischer, StGB, § 32 Rn. 16c; Welzel, Strafrecht, S.86; WesselslBeulke, Strafrecht AT, Rn.335. Für die individualistische Notwehrauffassung vgl.: Fuchs, Notwehr, S. 126f.; Jakobs, Strafrecht AT, 12. Abschn. Rn.30; Kioupis, Notwehr, S.49; Mitsch, Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rn.26; Wagner, Notwehrbegründung, S.54ff. 475 BGH, NJW 1981, 138; BGH, NStZ 1987, 172; BGH, NJW 1989, 3017; BGH, NStZ 1991, 32f.; NStZ 1999, 145f.; Geilen, Jura 1981, 308, 315; Herzog, NK-StGB, §32 Rn.60a; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, §32 II 2 b; Kühl, Strafrecht AT, §7 Rn. 101; MaurachlZipf, Strafrecht AT 1, § 26 Rn. 30; Otto, Strafrecht AT, § 8 Rn. 45; Tröndlel Fischer, StGB, § 32 Rn. 16c. 476 BGH, NJW 1989, 3027; BGH, StV 1990, 543; BGH, NStZ 1991, 32f.; NStZ 1999, 145f.; LacknerlKühl, StGB, §32 Rn. 10; LencknerlPerron, Schönke/Schröder, StGB, §32 Rn. 36. 473

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

wie die ihm zur Verfügung stehenden Verteidigungsmöglichkeiten in Rechnung zu stellen. Gemessen werden die Auswirkungen des Angriffs für die betroffenen Individualrechtsgüter und die Folgen der Abwehr für den Angreifer in Bezug auf seine Interessen. Dieser individualrechtlichen Begriffsinterpretation ist vom hier vertretenen Notwehrmodell zuzustimmen. Sind unmittelbar in Frage gestelltes Individualrechtsgut und die Persönlichkeit des Angegriffenen die bei der Notwehr verteidigten Werte, folgt daraus zwangsläufig, dass sich das Maß des mildesten Mittels nach dem Grad der ihnen drohenden Gefahren in der konkreten Situation des Angriffs bemisst. Allein bei einem Abstellen auf individuelle Aspekte lässt sich eine Lösung erzielen, bei welcher der Schutz des Angegriffenen am ehesten gewährleistet und dem Grundsatz der größtmöglichen Schonung des Angreifers trotzdem am besten Rechnung getragen wird. Zudem entspricht ausschließlich eine derartige Auslegung dem Wortlaut des § 32 StGB. II. Kennzeichnung der besonderen Notwehrsituation bei Schweigegelderpressungen Kommt es bei der Bestimmung des mildesten Mittels auf die tatsächlichen Umstände an, unter denen sich Angriff und Verteidigung abspielen, sind diese für die hier thematisierten Sachverhalte zunächst einmal herauszuarbeiten. Dabei zeichnet sich die Notwehr gegen Erpressungen durch einige Besonderheiten gegenüber sonstigen „typischen" Fällen des Anwendungsbereiches des § 32 StGB aus. Zuerst einmal handelt es sich bei dem Vorgehen des Angreifers regelmäßig 477 um ein langsames, auf die Psyche des Opfers gehendes Einwirken 478 . Dabei steigt der Druck auf den Bedrängten mit Näherrücken des Zahltermins 479 oder bei einer erneuten Kommunikation mit dem Erpresser, etwa wenn dieser seine Drohungen bzw. Forderungen wiederholt oder modifizierte nachschiebt. Zum anderen stehen sich Täter und Opfer jedenfalls zu Beginn des Angriffs nicht unmittelbar körperlich als Kontrahenten gegenüber. Zu einer persönlichen Konfrontation kann es allenfalls, wenn überhaupt, oftmals nur aufgrund der Abwehrmaßnahmen des Bedrohten kommen: er macht den typischerweise anonym agierenden Erpresser ausfindig und stellt sich diesem, um ihn beispielsweise durch die Wegnahme von Beweismaterialien, Bedrohung, Körperverletzung oder gar Tötung zur Aufgabe der Erpressung zu bewegen. Und als letztes Spezifikum der Notwehr gegen die angekündigte Offenbarung kompromittierenden Verhaltens ist der Zeitfaktor zu benennen. Anders als bei den sich besonders rasant abspielenden Notwehrkonstellationen eines tätlichen Überfalls verbleibt dem Erpressten gewöhnlicherweise ein größerer Zeitraum für eine Reaktion. Stehen sich Täter und Opfer einer Erpressung nicht persönlich gegenüber, muss 477 478 479

Die eher seltenen Fälle der direkten Konfronation bleiben ausgeblendet. Haug, MDR 1964, 548, 553. Fuchs, Notwehr, S. 115; Roxin/Schünemann/Haffke, Klausurenlehre, S.67, 73.

§ 3 Verteidigungshandlung

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der Drohende dem anderen eine gewisse Zeit einräumen, damit dieser seinen Forderungen nachkommen kann. Der eröffnete zeitliche Spielraum ermöglicht die Suche nach Verteidigungsalternativen. Der unter Druck Gesetzte kann sich sein Vorgehen sehr genau überlegen und sogar verschiedene Strategien ausprobieren. Insgesamt lässt sich die Situation mit einer geringeren Drastik der Ereignisse beschreiben.

I I I . Inanspruchnahme polizeilicher Hilfe bei Schweigegelderpressungen Unabhängig von den an späterer Stelle noch zu würdigenden Besonderheiten einer Notwehr gegen die Bedrohung mit der Offenbarung kompromittierender Tatsachen stellt sich bei Schweigegelderpressungen grundsätzlich eben aufgrund der eingeräumten Zeit die Frage, ob und inwieweit das Opfer zur Abwehr des Angriffs auf polizeiliche Hilfe zu verweisen ist. Typischerweise verbleibt dem Bedrohten durch die Eigenart des Angriffs die Möglichkeit, die Ermittlungsbehörden einzuschalten, während die sonstigen Notwehrkonstellationen im Regelfall gerade durch das Nichtvorhandensein einer derartigen Alternative ausgezeichnet sind. Diesen Aspekt spricht das Schrifttum unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten an: einmal unter der These von der Subsidiarität der Notwehr 480 und zum anderen unter der Voraussetzung des Einsatzes des erforderlichen Verteidigungsmittels als gegenüber der eigenhändigen Verteidigung des Angegriffenen milderes Mittel 481 . Oftmals werden auch beide Problematiken miteinander verbunden: Aus der dem Staat primären Aufgabe der Wahrung des Rechts folge, dass gegenüber präsenter staatlicher Gefahrenabwehr durch die zuständigen Organe private Notwehr mangels Erforderlichkeit stets subsidiär ist 482 . Unklar an dieser Aussage bleibt, ob staatliche Präsenz aufgrund des Gedankens vom staatlichen Gewaltmonopol stets die private Abwehr verdrängt, unabhängig davon, ob der Staat im konkreten Fall über die vergleichsweise milderen Mittel verfügt. Bejaht man dies, könnte man insofern von einer Subsidiarität der Notwehr sprechen. Allerdings legt der Hinweis auf die Erforderlichkeit die Annahme nahe, dass auf private Abwehr nur dann zu verzichten ist, wenn die öffentliche Gewalt über die milderen Mittel verfügt, was generell unterstellt wird. Sollte dies aber der Fall sein, erübrigt sich der Hinweis auf eine Subsidiarität der Notwehr. Die Ergebnisse ließen sich bereits nach dem allgemeinen Grundsatz der Erforderlichkeit 480 Amelung, JuS 1986, 329, 332; Baumgarten, Notstand, S. 126; Burr, JR 1996, 230, 232; Haug, MDR 1964, 548, 551; Klose, ZStW 89 (1977), 61, 72, insbes. Fn.26; Lührmann, Tötungsrecht, S.53; Sternberg-Lieben, JA 1996, 299, 306; Stratenwerth, Strafrecht ATI, §9 Rn. 75, der allerdings davon ausgeht, dass das Notwehrrecht nicht subsidiär ist. 481 Fuchs, Notwehr, S. 138; Gropp, Strafrecht AT, §6 Rn.79; Köhler, Strafrecht AT, S.269; Jakobs, Strafrecht AT, 12. Abschn. Rn. 33; Mitsch, Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rn. 29; Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn.50; Wagner, Notwehrbegründung, S.61. 482 Herzog, NK-StGB, § 32 Rn. 70; LacknerlKühl, StGB, § 32 Rn. 11 a; LencknerlPerron, Schönke/Schröder, StGB, §32 Rn.41; vgl. auch: Günther, SK-StGB, §32 Rn.99f.; Otto, Strafrecht AT, §8 Rn.48; Spendel, LK-StGB, §32 Rn.233f.; Tröndle!Fischer, StGB, §32 Rn. 16d.

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

erzielen 483. Darüber hinaus ist fraglich, ob sich aus der Anwesenheit staatlicher Organe immer der Schluss auf mildere Mittel ergibt. Aufgrund der aufgezeigten Unsicherheiten erscheint es angebracht, beide angeführten Gedanken zu vertiefen. 1. Anknüpfungspunkte für die Diskussion um die Inanspruchnahme polizeilicher Hilfe a) Das Merkmal der Erforderlichkeit Verfügt der Staat über die milderen Abwehralternativen, ergibt sich die Lösung bereits als „normales" notwehrimmanentes Problem aus dem Aspekt der Erforderlichkeit 484 . Ist in einer Notwehrsituation zwar nicht der Angegriffene, wohl aber ein Dritter zum Einsatz schonenderer Mittel in der Lage und zu deren Verwendung bereit, ist dem Angegriffenen der eigene Widerstand mit dem lediglich aus seinem Bereich mildesten oder eventuell einzigen Verteidigungsmittel zu versagen. Will er den Angriff nicht hinnehmen, muss er die Hilfe des Dritten in Anspruch nehmen. Seine eigene Abwehr ist, da insgesamt gemessen an den zur Verfügung stehenden Instrumentarien nicht die mildeste, nicht erforderlich. Allerdings gilt die Pflicht zur Einbindung staatlicher Hilfe, wie auch die jedes anderen Verteidigungsmittels, nur insoweit, als der Rückgriff auf das alternative Mittels nicht mit Risiken für die eigenen Interessen verbunden ist 485 . Diese Argumentation wirft zwei Fragen auf: 1. Garantiert § 32 StGB dem Angegriffenen nicht das Recht auf eine eigenhändige Verteidigung? 2. Stellt die staatliche Reaktion nicht immer das mildere Mittel im Verhältnis zur privaten Verteidigung dar? aa) Recht auf eigenhändige Verteidigung Versteht man die Notwehr allein als Konflikt zwischen Angreifer und Angegriffenem, erscheint es vertretbar, dem Betroffenen ein Recht zur eigenhändigen Verteidigung zuzusprechen. Der Notwehrende wäre infolgedessen im Rahmen der Erforderlichkeit immer nur auf die mildeste eigene Abwehr verwiesen. Diese Betrachtung kann jedoch keinen Zuspruch erfahren 486. 483

So im Ergebnis auch Günther, SK-StGB, § 32 Rn. 100. Bitzilekis, Notwehr, S.76; Fuchs, Notwehr, S. 138 f.; Geilen, Jura 1981,308,316; Jakobs, Rechtfertigung und Entschuldigung IV, S. 143,156f.; Pelz, NStZ 1995,305,307; Seebode, FS Krause, S. 375, 385; Stiller, Grenzen, S. 80. 485 Herzog, NK-StGB, § 32 Rn. 64; LacknerlKühl, StGB, § 32 Rn. 9; LencknerlPerron, Schönke/Schröder, StGB, §32 Rn. 36c; Roxin, Strafrecht ATI, § 15 Rn.42f.; Spendet, LKStGB, § 32 Rn.238; Tröndle/Fischer, StGB, § 32 Rn. 16d. 486 Gegen eine eigenhändige Verteidigung auch: Bitzilekis, Notwehr, S. 73; Fuchs, Notwehr, S.138. 484

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Für die Vertreter einer überindividualistischen oder dualistischen Notwehrauffassung ergibt sich das bereits daraus, dass der Angegriffene nur stellvertretend für den Staat tätig wird. Lediglich für den Fall, dass der Staat den Bürger vor einer Verletzung der Individualrechtsgüter nicht (ausreichend) schützen kann, darf der Einzelne zur Selbsthilfe schreiten. Umgekehrt bedeutet dies: Steht der Staat zur Verteidigung bereit, ist dem Einzelnen die Abwehr versagt und nur der Staat zu einer solchen berechtigt. Das Recht auf eine eigenhändige Verteidigung lässt sich aber auch aus einer individualistischen Notwehrdeutung heraus nicht vertreten. Zunächst geht § 32 StGB selbst davon aus, dass ein Dritter gleichermaßen wie der Angegriffene die Verteidigung übernehmen darf. Damit ist zwar noch nichts darüber ausgesagt, ob bei einem Vorhandensein milderer Mittel in der Hand eines anderen auf die eigene Verteidigung zu verzichten ist. Die Regelung zeigt aber immerhin, dass die Abwehr durch Außenstehende dem Notwehrrecht nicht fremd ist. Hinzu kommt, dass § 32 StGB recht pauschal die zur Verteidigung erforderliche Handlung erlaubt. Es wird keine Festlegung darüber getroffen, welche Person die notwendige Maßnahme unmittelbar ausführen muss487. Die Identität des Verteidigers ist für die Erforderlichkeit der Abwehrhandlung bedeutungslos488. Es gibt auch kein schützenswertes Interesse, aus dem heraus eine eigenhändig vorgenommene Verteidigung gestützt werden könnte. Die Notwehr ist nicht dazu da, Kraft und Mut des Angegriffenen zu beweisen und ein Exempel zu statuieren 489. Folglich kann es kein subjektives Recht auf unmittelbar eigene Angriffsabwehr geben. Niemand darf die Notlage für sich zur alleinigen „Klärung" reklamieren 490. Geht es bei § 32 StGB um die Abwendung einer konkreten Individualrechtsgutsverletzung und um die Wiederherstellung des in Frage gestellten gegenseitigen AnerkennungsVerhältnisses, macht es keinen Unterschied, ob dies vom Opfer selbst bewerkstelligt wird oder von einem Dritten. Insbesondere hinsichtlich der durch den Angriff mittelbar vorgenommenen Achtungsminderung im Sinne einer Persönlichkeitsrechtsverletzung kann das Selbstwertgefühl des Betroffenen vielfach sogar besser dadurch gestärkt werden, dass Dritte die Verteidigung übernehmen. Die Parteiergreifung durch andere fördert die Persönlichkeit des in Not Geratenen, der durch die Abwehr des Angriffs wieder vollumfängliche Geltung verschafft wird.

487

Haas, Notwehr, S.280f. Pelz, NStZ 1995, 305, 307. 489 Jakobs, Rechtfertigung und Entschuldigung IV, S. 143, 156, 157, Fn.25; Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn. 50. 490 Geilen, Jura 1981, 308, 316; Jakobs, Strafrecht AT, 12. Abschn. Rn.33, Fn.60a.E. 488

11 Kroß

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

bb) Staatliche Hilfe als grundsätzlich mildestes Mittel Betrachtet man die staatlichen Möglichkeiten stets als mildere Mittel im Vergleich zu jeglichen Abwehrhandlungen des Angegriffenen 491, stellen sich hinsichtlich der Erforderlichkeit grundsätzlich 492 keine nennenswerten Probleme. Ist polizeiliche Hilfe am Ort des Geschehens präsent und zum Eingreifen bereit und in der Lage, kann nach dieser Sichtweise die private Abwehr niemals mehr die notwendige sein. Begründet wird die Annahme des stets schonenderen obrigkeitlichen Einschreitens mit der Bindung staatlicher Gewalt an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz493. Anders als die Reaktionen der Privatperson sei polizeiliches Handeln immer der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verpflichtet. Das bedeute, dass im Rahmen einer Notwehr nicht nur die für den Angreifer mildeste Verteidigungsalternative zu wählen ist, sondern darüber hinaus polizeiliche Zwangsmaßnahmen nur zulässig sind, wenn geschütztes und beeinträchtigtes Rechtsgut in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Die Erläuterungen machen deutlich, dass zwei Betrachtungsebenen miteinander vermischt werden. Die Frage der Erforderlichkeit ist vollkommen unabhängig von einer Güterabwägung zwischen den kollidierenden Werten. Bei ersterer geht es allein um die Abstufung der zur Abwehr bereitstehenden Mittel. Zu prüfen ist die Proportionalität des Verteidigungsmittels zur Angriffsintensität. Wenn der Polizei nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit ein Einschreiten gar nicht erlaubt ist, bleibt noch völlig offen, ob sich nicht in ihrer Hand trotzdem nur die im Vergleich zum Privaten schärferen Abwehrinstrumentarien befinden. Zwar wird in derartigen Fällen, wenn man ausschließlich die Polizei für eingriffsbefugt hält - insgesamt betrachtet - der Angreifer am meisten geschont. Seine Rechtsgüter werden ja dann überhaupt nicht beeinträchtigt. Aber gerade eine derartig weit reichende Privilegierung des rechtswidrig Handelnden ist von § 32 StGB nicht intendiert. Mit einem Verweis auf die Verhältnismäßigkeit kann folglich nicht unterlegt werden, dass der Einsatz staatlicher Gewalt quasi per se die mildere Verteidigungsalternative darstellt 494. Zwar kann der Staat grundsätzlich auf ein umfangreicheres Arsenal an Abwehrmitteln zugreifen, dieses muss aber keineswegs in der konkreten Situation eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs in Gänze bereitstehen. Denkbar sind Konstellationen, in denen dem am Ort des Geschehens anwesenden Polizisten ebenso wie der Privatperson die Hände gebunden sind, etwa, wenn er von den Ereignissen gleichfalls überrascht wird, die Situation ein schnelles Handeln erfordert oder er sich einer Mehrzahl von Gegnern gegenübersieht. Hier ist es sogar möglich, dass ein 491 So z. B. Herzog, NK-StGB, § 32 Rn. 70; Lackneri Kühl, StGB, § 32 Rn. 11 a; Wagner, Notwehrbegründung, S.61. 492 Von der Frage der Inanspruchnahme der Polizei auch bei der thematisierten Schweigegelderpressung soll hier zunächst noch abgesehen werden. 493 Wagner, Notwehrbegründung, S.61. 494

Pelz, NStZ 1995, 305, 307.

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sportlich durchtrainierter angegriffener Bürger den oder die Angreifer mit einigen Faustschlägen außer Gefecht zu setzen vermag, während ein weniger kräftiger Polizist den Angriff nur durch die Zufügung von Schusswunden sicher beenden kann. Die staatliche Gewalt besitzt dann also nicht die mildesten Mittel. Geht es im soeben beschriebenen Beispiel gar nur um den Schutz geringwertigen Eigentums und darf deshalb der am Ort präsente Polizist nicht mit der Waffe einschreiten, bleibt unklar, wie nun aus der intensiveren Alternative eine im Vergleich zu den Reaktionen des Angegriffenen mildere werden soll. Ist die Obrigkeit dagegen nicht zur Untätigkeit verpflichtet, darf aber nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz den Angreifer weder töten noch verletzen, sondern eventuell lediglich festnehmen, stellt diese Art der Verteidigung auch ohne Rückgriff auf Proportionalitätserwägungen dann eine mildere Abwehr dar, wenn sich seitens der Privatperson nur die schärferen Reaktionsmöglichkeiten befinden. Das aber wiederum lässt sich allein mit Blick auf die tatsächlichen Umstände des Falles entscheiden. Als Fazit ist festzuhalten, dass der Hinweis auf die Einbindung staatlicher Hilfe in die Notwehr nicht von der Prüfung entbindet, ob diese in der konkreten Situation des Angriffs wirklich über die im Verhältnis zur Privatperson milderen Verteidigungsmittel verfügt. b) Subsidiarität der Notwehr Die nicht an eine Formulierung des § 32 StGB ausdrücklich anknüpfende 495 These von der Subsidiarität der Notwehr wirft die Frage auf, inwieweit private eigenhändige Verteidigung des Angegriffenen dann nicht mehr zulässig ist, wenn fremde Hilfe zur Abwehr in Anspruch genommen werden kann 496 . Hinsichtlich des Beistandes durch Dritte differenziert die Literatur danach, ob es sich um den Staat und seine Organe oder um private Helfer handelt497. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird allein eine Einbeziehung polizeilicher Kräfte relevant, da nur von diesen eine im Vergleich zur privaten Nothilfe effektivere Unterstützung zu erwarten ist. Eine Inanspruchnahme privater Dritter zur Unterbindung der Erpressung dürfte auch kaum jemals praktisch werden und soll hier außer Betracht bleiben. Der Gedanke eines Ausschlusses privater Notwehr bei der Möglichkeit, auf staatliche Hilfe zurückgreifen zu können, hat sehr alte Wurzeln 498. Bereits im römischen Recht wurde vertreten, dass der Einzelne nicht tun dürfe, was öffentliche Gewalt zu erledigen imstande sei 499 . Das kanonische Recht hielt 495

Bitzilekis, Notwehr, S. 71 f.; Kühl, Jura 1993, 118, 125; ders. Strafrecht AT, § 7 Rn. 119. Bitzilekis, Notwehr, S. 71; Haas, Notwehr, S. 279. 497 Bitzilekis, Notwehr, S. 72ff.; Lackner/Kühl, StGB, § 32 Rn. 11 a; Spendel, LK-StGB, § 32 Rn.233f. 498 Vgl. zur Geschichte und Entwicklung ausführlich Haas, Notwehr, S. 285 ff. 499 Vgl. Haas, Notwehr, S.285. 496

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

Notwehr nur dann für straflos, wenn sie unvermeidbar war, was dann nicht der Fall sein sollte, wenn die Obrigkeit hätte helfen können500. Durch Vertreter des Protestantismus wurde der Gedanke aufgegriffen und ausgeführt, dass, wenn die Obrigkeit in der Notwehrsituation zugegen sei, ihr allein das Recht zur Entscheidung über die Gewaltanwendung zustünde501. Carpzow übernahm die These für das deutsche Recht. Er weist ebenfalls auf die Unzulässigkeit privater Verteidigung bc; obrigkeitlicher Hilfe hin 502 . Diese Position galt für die gesamte Zeit des gemeinen Rechts503. Auch in den Materialien zum Preußischen Strafgesetzbuch von 1851 wurde weiterhin konsequent davon ausgegangen, Voraussetzung privater Notwehr sei der fehlende staatliche Schutz504. In heutigen Lehrbüchern 505 und Kommentaren 506 findet sich gleichermaßen vielfach der Gedanke der Subsidiarität der Notwehr. Allerdings beschränken sich Teile der Lehre nicht mehr mit dem alleinigen Hinweis darauf. Es erscheint nämlich zweifelhaft, ob stets und ständig bei der Möglichkeit staatlichen Eingreifens private Notwehr unter dem Blickwinkel der These von der Subsidiarität zu versagen ist. Erkannt wurde, dass sich die eigentliche Problematik einer Verdrängung durch staatliche Unterstützung außerhalb des spezifischen Bereiches der Erforderlichkeit allein dann stellt, wenn dem Staat im Verhältnis zur privaten Notwehr lediglich gleich milde Mittel zur Verfügung stehen507. Daneben werden die Situationen angeführt, in denen die Polizei nur schärfere Verteidigungsinstrumentarien einsetzen kann 508 oder bereits die Abwehr eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs übernommen hat und bestimmte nach § 32 StGB dem Bürger erlaubte Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen nicht anwendet oder vielleicht sogar aufgrund ihrer aus dem öffentlichen Recht folgenden Eingriffsbefugnisse gar nicht aktivieren darf 509 . Die letztgenannten besonderen Sachverhalte sollen hier unberücksichtigt bleiben. Zieht das Opfer eines Erpressungsangriffs die Polizei ins Vertrauen, ist im Normalfall damit zu rechnen, dass sie tätig werden wird und alle Möglichkeiten ausschöpft. Unterlässt sie nach pflichtgemäßem Ermessen tatsächlich dem Bürger erlaubte Handlungen (etwa die Tötung des Erpressers 510), liegen regelmäßig mildere Alternativen zur Unterbindung der Erpressung vor, die auch umgesetzt werden und deren Rechtmäßigkeit aus der Erforderlichkeit im engeren Sinne folgt. 500

Vgl. Haas, Notwehr, S. 285. Vgl .Haas, Notwehr, S. 285. 502 Vgl. Haas, Notwehr, S.285. 503 Vgl.: Haas, Notwehr, S.285; Schmitt-Lermann, Notwehr, S.63. 504 Goltdammer, Materialien, Bd. 1, S.419. 505 Kühl, Strafrecht AT, § 7 Rn. 119; Otto, Strafrecht AT, § 8 Rn. 48. 506 Günther, SK-StGB, § 32 Rn. 99; LacknerlKühl, StGB, § 32 Rn. 11 a; Lencknerl Perron, Schönke/Schröder, StGB, §32 Rn.41; TröndlelFischer, StGB, §32 Rn. 16d. 507 Pelz, NStZ 1995, 305, 307; Seebode, FS Krause, S.375, 388; Stiller, Grenzen, S.80f. 508 Kühl, Jura 1993, 118, 125; ders., Strafrecht AT, §7 Rn. 121. 509 Rudolphi, GS Armin Kaufmann, S.371, 391. 5,0 Allerdings ist zweifelhaft, ob diese im Falle einer Erpressung dem Bürger tatsächlich über § 32 StGB erlaubt ist. 501

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Somit stellt sich die Frage, ob die These von der Subsidiarität der Notwehr dann überzeugt, wenn die Polizei über gleich intensive Abwehrmittel verfügt wie der Erpresste. aa) Begründung und Reichweite Unter einer Herrschaft des Gewaltmonopols des Staates steht eine Ausübung physischen Zwangs zur Durchsetzung bestimmter Zwecke zunächst und allein den staatlichen Organen zu. Auf den Staat haben die einzelnen Individuen das Recht zur gewaltsamen Konfliktlösung übertragen. Damit einher geht die Friedenspflicht der Bürger, die den Interessenkampf untereinander grundsätzlich unter Verzicht auf Gewalt auszutragen haben511. Allein in den Fällen, in denen der Staat zur Wiederherstellung der Ordnung nicht in der Lage ist, kommt dem Einzelnen auch die Befugnis zur Anwendung von Gewalt zu. Ob man dazu von einem vom Staat auf den Bürger delegierten Recht 512 oder von einem Wiederaufleben des natürlichen ursprünglichen Rechts zur Selbstverteidigung 513 ausgeht, ist unerheblich. Nach beiden Ansätzen erfordert die Anwendung privater Gewalt, dass der Staat selbst in der Bedrohungssituation zu einer Reaktion außerstande ist. Übertragen auf die Notwehrkonstellation bedeuten diese Gedanken, dass Selbsthilfe nur erlaubt sein kann, wenn behördliches Eingreifen zum Schutz des Individualrechtsguts nicht zu erwarten ist. Kann staatliche Hilfe aber in Anspruch genommen werden, so muss sie der privaten Abwehr vorgehen, will man nicht das staatliche Gewaltmonopol negieren 514. Der Einwand, derartige Folgerungen für das Notwehrrecht könne man nicht aus dem Begriff des Gewaltmonopols ableiten, da es sich um einen der Umsetzung in das einfache Recht bedürfenden, unbestimmten Rechtsbegriff ohne klare Abgrenzungen handelte515, überzeugt nicht. Das Modell des staatlichen Gewaltmonopols ist in seinem Inhalt klar bestimmt: Die Ausübung physischer Gewalt steht allein den staatlichen Organen zu; lediglich in dem Fall, in dem der Staat zur Konfliktlösung nicht in der Lage ist, wird eine Ausnahme zugunsten des betroffenen Bürgers gemacht. Lässt sich die Existenz einer Norm zudem auf ein übergeordnetes Rechtsprinzip zurückführen, so beeinflusst dieses zwangsläufig auch die Auslegung der Regel. Eine Interpretation, die an dem die Vorschrift erst legitimierenden Gedanken vorbeigeht, kann nicht richtig sein. Unerheblich ist dabei, ob eine Umsetzung des Rechtsgrundsatzes in einfaches Recht erfolgt ist oder nicht. Auch überpositive allgemeine Prinzipien beanspruchen Geltung und Beachtung. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Fixierung für entbehrlich gehalten wird, weil sie sich - wie eben 511

Isensee, Isensee/Kirchhof, Staatsrecht V, § 115 Rn. 112. So die überindividualistischen Ansätze. 513 So die individualistischen Ansätze. 5.4 Burr, JR 1996, 230, 232; Focke, Notwehr, S.4f., 49; Geilen, Jura 1981, 308, 316; Günther, SK-StGB, § 32 Rn. 99; Kühl, Strafrecht AT, § 7 Rn. 119ff.; LacknerlKühl, StGB, § 32 Rn. IIa. 5.5 Pelz, NStZ 1995, 305 f. 512

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

das Gewaltmonopol516 - im modernen Staat von selbst versteht. Darüber hinaus existiert mit § 240 StGB eine Norm, die es als Ausdruck des Gewaltmonopols dem Bürger verbietet, seine privaten Konflikte gewalttätig auszutragen517. Der Grundsatz von der Subsidiarität der Notwehr gilt allerdings nicht schrankenlos. Die Einbettung der Diskussion um die Verdrängung privater Selbsthilfe in den Bereich der Erforderlichkeit legt die Grenze offen, die für eine Verweisung des Einzelnen auf die Inanspruchnahme staatlicher Hilfe besteht: Auf den Einsatz staatlicher Mittel zur Abwehr einer drohenden Individualrechtsgüterverletzung muss sich der Angegriffene nur verweisen lassen, wenn dieser nicht mit Risiken für die eigenen Interessen behaftet ist 518 . bb) Konsequenzen Verfügt die Polizei in der konkreten Notwehrsituation über gleich milde, zur Verteidigung ebenso geeignete Handlungsmöglichkeiten wie der Angegriffene, so muss die private Notwehr nach dem Grundsatz der Subsidiarität zurückstehen. Der Angegriffene ist verpflichtet, die staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Allerdings gilt dies allein unter der Bedingung, dass sie überhaupt zur Angriffsabwehr zum Einsatz kommen kann und dieser nicht mit Gefahren für Rechtsgüter des Betroffenen verbunden ist. 2. Abwehrmittel der Polizei bei Erpressungen Die Ausführungen zur Geeignetheit einer Notwehrhandlung haben ergeben, dass für den Bedrohten in eigener Person als rechtfertigungsrelevante Abwehrreaktionen bei einer Schweigegelderpressung mit der Androhung der Offenbarung einer Straftat oder sonstiger kompromittierender Tatsachen vor allem folgende in Betracht kommen: 1. Tonbandaufnahme gem. §201 Abs. 1 Nr. 1 StGB, 2. Gebrauch der Tonbandaufnahme gem. § 201 Abs. 1 Nr. 2, 1. Alt. StGB, 3. Zugänglichmachen der Aufnahme einem Dritten gem. § 201 Abs. 1 Nr. 2,2. Alt. StGB, 5,6

Isensee, Isensee/Kirchhof, Staatsrecht V, § 115 Rn. 109. Herzog, Isensee/Kirchhof, Staatsrecht III, §58 Rn.40; Ludwig, Notwehr- und Notstandsrecht, S. 60; Merten, Rechtsstaat, S. 56; Schmitt Glaeser, Meinungskampf, S. 196; Schulte, DVB1. 1995, 130, 132. 518 Felber, Rechtswidrigkeit, S. 173; Geilen, Jura 1981, 308, 316; Gropp, Strafrecht AT, §6 Rn. 79; Jakobs, Rechtfertigung und Entschuldigung IV, S. 143, 156; Kühl, Strafrecht AT, §7 Rn. 120; LacknerlKühl, StGB, § 32 Rn. 11 a; Lenckner/Perron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn. 41; Otto, Strafrecht AT, §8 Rn.48; Stiller, Grenzen, S.81; Seebode, FS Krause, S.375, 385 f.; Wagner, Notwehrbegründung, S.61. 517

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4. Hausfriedensbruch gem. § 123 StGB, 5. Ausspähen von Daten gem. § 202a StGB, 6. Datenveränderung gem. § 303 a StGB, 7. Diebstahl gem. § 242 StGB 519 , 8. Sachbeschädigung gem. § 303 StGB, 9. Urkundenunterdrückung gem. § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB, 10. Raub gem. §249 StGB 520 , 11. Körperverletzung gem. §223 StGB, 12. Tötung gem. § 212 StGB. Um einen Vergleich zwischen diesen und jenen des Staates vornehmen zu können, ist es erforderlich herauszuarbeiten, wie die Polizei im Falle einer Erpressung zur Überführung des Täters und damit zur Unterbindung des Angriffs vorgeht. Dabei wird die Schweigegelderpressung in die Darstellung miteinbezogen; die Problematik, die sich aus einer eventuellen Preisgabe eigener Interessen bei einer Inanspruchnahme des staatlichen Apparates ergibt, soll aber an dieser Stelle noch außer Betracht und einer späteren Erörterung vorbehalten bleiben. Die Frage, inwiefern der Rückgriff auf polizeiliche Hilfe dann nicht mehr vom Notwehrenden verlangt werden kann, wenn er mit Risiken für die eigenen Rechtsgüter verbunden ist, erscheint erst relevant, falls überhaupt ein behördliches gleichermaßen geeignetes Mittel existiert. a) Maßnahmen gegen den bekannten Täter Ist dem Erpressten sein Widersacher von vornherein bekannt, braucht er also weder von ihm noch von der durch ihn informierten Polizei ermittelt zu werden, stellt sich für die Behörden allein das Problem einer Festnahme des Täters gem. §§ 112 ff. StPO521 bzw. § 127 Abs. 2 StPO und der Suche und Außerverkehrziehung der eventuell von ihm zur Bedrohung verwendeten Materialien. Mit der Inhaftierung wird das Freiheitsrecht des Erpressers beeinträchtigt. Hält sich dieser zur Zeit des Einschreitens in seiner Wohnung oder sonst geschützten Räumlichkeiten auf, ist das Betreten zur Festnahme und Durchsuchung gem. § 102 StPO für sich betrachtet eine Verletzung des Hausrechts. Sind Bezugsobjekt der Ermittlung elektronisch gespeicherte Daten522, liegt ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vor. 519

Wenn das erlangte Beweismaterial nicht sofort zerstört wird. Wenn das erlangte Beweismaterial nicht sofort zerstört wird. 521 Insbesondere § 112 a Abs. 1 Nr. 2 StPO, wenn die Gefahr besteht, dass er die Straftat fortsetzen wird. 522 Auch die Inbetriebnahme des Computers und die Durchforstung dieses, sowie der Abgleich der Speicherträger zum Auffinden belastender Materialien richtet sich nach § 102 StPO. Vgl.: Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 102 Rn. 10a; Pfeiffer, StPO, § 102 Rn.2. 520

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

Die Beschlagnahme des den Erpressten kompromittierenden Beweismaterials gem. § 94 StPO tangiert Besitz und Eigentum des Erpressers. Körperverletzung und Tötung scheiden zur Unterbindung des erpresserischen Angriffs regelmäßig aus. Bereits durch eine Inhaftierung und den damit einheigehenden Reglementierungen lässt sich ein Weiterwirken des Erpressers verhindern 523. Die Abwehrmittel der Polizei zur Beendigung eines erpresserischen Angriffs durch einen ihr bekannten Täter sind also seine Festnahme, die Durchsuchung der Wohnung, das Ausspähen von Daten und die Beschlagnahme von belastenden Materialien. b) Überführung des unbekannten Täters Geschieht der erpresserische Angriff anonym, ist es erste Aufgabe der Exekutive, das Inkognito des Täters zu lüften 524 . Dabei unterscheiden sich die zur Aufklärung verwendeten Methoden danach, ob sich die Kontaktaufnahme des Erpressers mit dem Opfer durch Briefe oder Telefonanrufe vollzieht. Benutzt der Täter einen Brief, um seine Forderungen kundzutun, wird dieser von der Polizei auf Fingerabdrücke untersucht 525. Finden sich welche, erfolgt ein Abgleich mit bereits vorhandenen und gesammelten Abdrücken. Hinsichtlich der Rechtsgüter des Erpressers bedeutet dies einen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht. Eine entsprechende Beeinträchtigung liegt vor, wenn durch ein Studium des Briefes aus Handschrift, Stil und Rechtschreibung etc. Erkenntnisse über die Herkunft des Täters 526 gewonnen werden sollen. Kann man den Angreifer bereits auf diese Art und Weise ermitteln, gestaltet sich das daran anschließende Vorgehen der Behörden gegen ihn wie unter Punkt a) dargestellt. Ansonsten verbleibt die Möglichkeit, den Erpresser bei der Geldübergabe durch das Opfer bzw. bei der Abholung des Geldes zu stellen und die zur Beweissicherung gehörenden Tätigkeiten im Anschluss vorzunehmen. Wählt der Täter das Telefon, um seine Forderung zu übermitteln, haben die Behörden dafür Sorge zu tragen, dass ein weiterer Anruf auf einem Tonträger fixiert wird 527 . Die polizeiliche Aufzeichnung entspricht einer Handlung im Sinne des 523 Anders verhält es sich bei besonders hartnäckigen Tätern eventuell dann, wenn diese auch noch aus der Haft heraus versuchen, ihren Plan umzusetzen. In diesen Fällen kann möglicherweise mit einer Kontrolle der Post gem. § 29 Abs. 3 i.V. m. § 31 Abs. 2 StVollzG bzw. § 119 Abs. 3 StPO i.V. m. Nr. 34 UVollzO geholfen werden. 524 Schima, Erpressung, S.215. 525 Schima, Erpressung, S.215. 526 Schima, Erpressung, S.216; vgl. dazu auch Braun!Perret/Balzert, Kriminalistik 1988, 47 ff. 527 Schima, Erpressung, S.238.

§ 3 Verteidigungshandlung

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§ 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Bei einer Auswertung der Aufnahme kann der Erpresste eventuell seinen Widersacher erkennen. Wenn sich dieser optimale Erfolg nicht einstellt, gelingt es unter Umständen über die Nebengeräusche, Stimmenvergleiche und -analysen den Täter zu ermitteln 528 . Ergänzt werden diese Aktivitäten durch das Legen einer Fangschaltung, mittels welcher sich die Herkunft der Anrufe lokalisieren lässt529. Macht man den Erpresser ausfindig, schließen sich wiederum die oben angeführten Handlungen an. Das gilt auch dann, wenn man erst bei Geldübergabe oder -abholung des Erpressers habhaft wird. 3. Fazit Stellt sich in der konkreten Notwehrsituation heraus, dass die polizeilichen Ermittlungsbehörden über die milderen Abwehrmöglichkeiten verfügen als der Erpresste, muss die Frage einer eventuellen Pflicht zur Inanspruchnahme staatlicher Gewalt unter dem Aspekt der Erforderlichkeit, genauer dem Einsatz des mildesten Mittels, beantwortet werden. Das wird vor allem dann in Betracht kommen, wenn dem Erpressten zur wirksamen Abwendung allein die Tötung des Erpressers bleibt. Die These von der Subsidiarität privater Notwehr wird dagegen relevant, wenn sich ergibt, dass die Polizei nur gleich intensive Instrumentarien wie der Erpresste zur Verteidigung parat hat. Welcher Anknüpfungspunkt auch zu wählen ist, nach beiden kommt eine Einbeziehung der Polizei nur in Betracht, wenn dies ohne (zumutbare 530) Risiken für die Interessen des Angegriffenen möglich ist 531 . 4. Gefahren für die Interessen des Angegriffenen a) Allgemeine Kennzeichnung der Problematik In den Darstellungen zu § 32 StGB findet sich oftmals im Rahmen der Diskussion um eine Inanspruchnahme polizeilicher Hilfe die Differenzierung danach, ob jene in der Notsituation präsent oder erst noch herbeizuholen ist 532 . Dabei gehen Rechtspre528

Vgl. dazu Künzel, Kriminalistik 1985, 120ff. Schima, Erpressung, S.241. 530 Lenckner/Perron, Schönke/Schröder, StGB, §32 Rn.41; Roxin, Strafrecht ATI, § 15 Rn.50; Stiller, Grenzen, S. 81. 531 Vgl. Nachweise in Fn.486 und Fn.519. 532 Burr, JR 1996,230,232; Ebert, Strafrecht AT, S.76; Fuchs, Notwehr, S. 139,141; Haas, Notwehr, S. 291,302; Herzog, NK-StGB, § 32 Rn. 70; Jakobs, Rechtfertigung und Entschuldigung IV, S. 143, 156f.; LacknerlKühl, StGB, § 32 Rn. 11 a; LencknerlPerron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn.41; Otto, Strafrecht AT, § 8 Rn.48; Seebode, FS Krause, S. 375,385; Stiller, Grenzen, S.81; Wagner, Notwehrbegründung, S.61. 529

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

chung und Literatur nahezu einhellig 533 davon aus, dass eine an Ort und Stelle des Angriffs anwesende Polizei zur Verteidigung zu nutzen ist, während für den zweiten Fall die Meinungen divergieren. Eine Mindermeinung in der Literatur lehnt hier eine Pflicht zur Einbeziehung staatlicher Behörden ab, da dies immer einen Verlust eigener Interessen bedeute534. Der Angriff sei eine gewisse Zeit zu dulden. Darin läge bereits eine Preisgabe eigener Belange, die nach dem Notwehrrecht dem Einzelnen nicht auferlegt werden könne 535 . Die überwiegende Auffassung 536 verwirft diese Prämisse der generellen Rechtseinbuße bei einem Herbeiholen staatlicher Hilfe. Sie geht davon aus, dass ein Anfordern polizeilicher Unterstützung grundsätzlich zumutbar ist. Das soll aber dann nicht gelten, wenn im konkreten Fall nachweisbar, Gefahren für eigene Güter von einer gewissen Erheblichkeit 537 zu befürchten sind. Hält man sich vor Augen, dass in bestimmten Situationen allein durch einen Zuruf Beistand herbeibeordert werden kann, verliert das von der ersten Ansicht angeführte zeitliche Moment an Relevanz. Die für den kurzen Augenblick hinzunehmende Interessenbeeinträchtigung erscheint in diesen Konstellationen als belanglos. Zu beachten ist dabei, dass man ein derartiges Herbeiholen von Hilfe nur verlangt, wenn dafür Raum bleibt 538 . Wäre der Angriff schon vollständig geführt, wenn man Dritte erst rufen oder holen würde, kann dieses schon nach allgemeinen Grundsätzen nicht gefordert werden 539. Der Verteidiger muss lediglich dann ein alternatives Mittel wählen, wenn die „Kampflage" ihm dafür überhaupt die Zeit lässt540. Darüber hinaus sind Fallgestaltungen denkbar, bei denen die Angriffswirkung von vornherein eine gewisse Zeitspanne in Anspruch nimmt, etwa bei einem psychisch 533

RGSt 32, 391, 393; Bitzilekis, Notwehr, S.76; Ebert, Strafrecht AT, S.76; Fuchs, Notwehr, S. 139; Günther, SK-StGB, § 32 Rn. 100; Haas, Notwehr, S. 291 ff.; Herzog, NK-StGB, § 32 Rn. 70; Jakobs, Rechtfertigung und Entschuldigung IV, S. 143,156f.; Kühl, Strafrecht AT, §7 Rn. 120; Lackner ¡Kühl, StGB, §32 Rn. I I a ; Lencknerl Perron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn. 41 ; Maurach/Zipf, Strafrecht AT 1, § 26 Rn. 32; Otto, Strafrecht AT, § 8 Rn. 48; Spendet, LK-StGB, § 32 Rn.234; Stiller, Grenzen, S. 80; TröndlelFischer, StGB, § 32 Rn. 16d. 534 Freund, Strafrecht AT, § 3 Rn. 107; Fuchs, Notwehr, S. 141; Günther, SK-StGB, § 32 Rn. 100; Haas, Notwehr, S. 304ff.; Herzog, NK-StGB, §32 Rn.70; Spendet, LK-StGB, §32 Rn. 234; Wagner, Notwehrbegründung, S. 61 f. 535 Haas, Notwehr, S. 283 f. für die Herbeiholung privater Hilfe. 536 RGSt 72, 57ff.; Ebert, Strafrecht AT, S. 76; JeschecklWeigend, Strafrecht AT, § 32 II 2c; Kühl, Strafrecht AT, § 7 Rn. 120; LacknerlKühl, StGB, § 32 Rn. 11 a; Lencknerl Perron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn.41; Otto, Strafrecht AT, § 8 Rn.48; Stiller, Grenzen, S. 81. 537 Köhler, Strafrecht AT, S. 269; LacknerlKühl, StGB, § 32 Rn. 11 a; Stiller, Grenzen, S. 81. 538 Lencknerl Perron, Schönke/Schröder, StGB, §32 Rn.41; Mitsch, Baumann/Weber/ Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rn.29. 539 Geilen, Jura 1981, 308, 316; Jakobs, Rechtfertigung und Entschuldigung IV, S. 143, 156f.; Klesczewski, FS E. A. Wolff, S.225, 245; Stiller, Grenzen, S.81. 540 BGH, StV 1990, 543; BGH, NStZ 1991, 32f.; BGH, StV 1999, 143f.; Herzog, NKStGB, § 32 Rn. 64; Kühl, Strafrecht AT, § 7 Rn. 104; Lencknerl Perron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn. 36a; Otto, Strafrecht AT, § 8 Rn.43; Tröndlel Fischer, StGB, § 32 Rn. 16d.

§ 3 Verteidigungshandlung

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wirkenden Vorgehen gegen das Opfer. Hier kann es sich ebenso verhalten, dass mit einer Einbindung der Polizei in die Verteidigung kein wesentliches Mehr an Interessenbeeinträchtigung verbunden ist. Als Beispiel wäre der erpresserische Angriff zu nennen. In den Normalfällen der Erpressung ist die staatliche Gewalt regelmäßig zu Beginn des deliktischen Verhaltens nicht zugegen. Folglich kommt allenfalls ein Ersuchen an sie zur Abwehr des Angriffs durch dessen Betroffenen in Betracht. Da die Wirkungen der Bedrohung für die tangierten Rechtsgüter, insbesondere für die Willensfreiheit, aber sowieso bis zur Vollziehung der angestrebten Zahlung anhalten, kann dem Zwischenschalten der Polizei keine zusätzliche Interesseneinbuße für den Hilfesuchenden zugemessen werden 541. Der Angriff ist vom Opfer aufgrund des polizeilichen Einsatzes nicht eine längere Zeit zu dulden als sonst, seine Rechtsgüter sind grundsätzlich 542 nicht weiter gehend beeinträchtigt. Insbesondere stellt der Ruf nach der Polizei keine Ehrverletzung dar 543 . Die Inpflichtnahme der für die Verbrechensbekämpfung zuständigen Organe in die Abwehr kann man nicht als „schimpfliche Flucht", sondern nur als vernünftige Entscheidung werten. Im Ergebnis ist somit der überwiegenden Ansicht zu folgen: Es ist stets im konkreten Fall darzulegen, ob eine Einbeziehung der Polizei in die Verteidigung der durch den rechtswidrigen Angriff bedrohten Individualrechtsgüter Risiken für eigene Interessen des Angegriffenen begründet oder nicht.

b) Offenbarung des Geheimnisses Verlangt man vom Erpressten, sich zur Abwendung des gegen ihn geführten Angriffs an die Behörden zu wenden, kommt eine Preisgabe eigener Belange in den hier thematisierten Fällen der Chantage unter folgendem Gesichtspunkt in Betracht: Zu einem Einschreiten gegen den Erpresser sind die staatlichen Ermittlungsorgane gem. § 152 Abs. 2 StPO nur verpflichtet, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat bestehen. Um diesen Erkenntnisstand bei den Beamten aber aufzubauen, ist die Kundgabe der tatsächlichen Umstände544 der Erpressung durch das hilfesuchende Opfer erforderlich. Dazu gehört auch die Erklärung über das angedrohte Übel (Offenbarung der vom Erpressten begangenen Straftat oder des kompromittierenden Verhaltens). Der Betroffene ist also angehalten, die staatlichen Stellen in das Geheimnis, welches die Macht seines Widersachers begründet und dessen Verschleierung ein nachvollziehbares Motiv darstellt, einzuweihen. Ver541

Vielmehr kann der Druck auf die Willensfreiheit sogar gemindert werden. Anders möglicherweise in den hier thematisierten Fällen des erpresserischen Angriffs, in denen es darum geht, sich das Schweigen des Erpressers zu erkaufen. 543 Seebode, FS Krause, S.375, 386. 544 Beulke, Strafprozeßrecht, Rn. 111; Hellmann, Strafprozeßrecht, Teil II, § 1 Rn. 19; Krehl, HK-StPO, § 152 Rn. 8; Kühne, Strafprozeßrecht, Rn. 336; Pfeiffer, StPO, § 152 Rn. 1 a; Rieß, LR-StPO, § 152 Rn. 25; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 37 Rn. 13; Weßlau, SK-StPO, § 152 Rn. 17. 542

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

schweigt er diesen Teil des Geschehens bzw. verweigert er auf Nachfrage die Auskunft darüber und beschränkt sich lediglich auf die bloße Mitteilung, erpresst zu werden, setzt er sich der Gefahr aus, dass von den Beamten entsprechend dem ihnen zugebilligten Beurteilungsspielraum 545 das Vorliegen eines Anfangsverdachtes verneint und Ermittlungen gegen den Erpresser nicht aufgenommen werden. Da das Versagen der staatlichen Unterstützung aber auf einem Umstand beruht, den der Hilfesuchende zu vertreten hat, darf er nun nicht etwa wieder auf eigene Abwehrmaßnahmen zurückgreifen. Ansonsten hätte es der Angegriffene in der Hand, durch unzulängliche Hilfeersuchen staatliche Interventionen zu verhindern und damit doch die möglicherweise sogar härtere eigenhändige Verteidigung gem. § 32 StGB vorzunehmen. Erachtet man für einen Anfangsverdacht gem. § 152 Abs. 2 StPO die bloße Mitteilung, erpresst zu werden, als ausreichend, sind die Gefahren für den Betroffenen trotzdem nicht gebannt. Denn mit dem Einschreiten der Polizei und den von ihr durchzuführenden Aufklärungs- und Ermittlungsmaßnahmen geht zwangsläufig die Aufdeckung des gehüteten Geheimnisses einher. Beim Aufnehmen und Abhören erpresserischer Anrufe oder beim Lesen derartiger Briefe wird das angedrohte Übel für die Beamten offenkundig. Damit besteht hinsichtlich der erörterten Fälle der Chantage bei einem Einschalten der Polizei immer die Gewissheit, dass die Straftat oder das sonstige kompromittierende Verhalten des Bedrohten zur Kenntnis der Behörde gelangen. Gegen eine Verweisung auf polizeiliche Hilfe als einzig erforderliches Abwehrmittel in einer Notsituation spricht die notwendige Preisgabe dieses Sachverhaltes aber nur, wenn sie sich als unzumutbares Risiko für eigene Rechtsgüter des Erpressten auffassen lässt. Um diesem Aspekt nachzugehen, erscheint es angebracht, die beiden thematisierten Fälle der Schweigegelderpressung getrennt zu behandeln. Den Anfang soll die Bedrohung mit der Offenbarung einer Straftat zur Erzielung eines Vermögensvorteils machen. Gelangt man hier zu dem Ergebnis, dass die mit der Inanspruchnahme der Polizei bewirkte Aufdeckung des deliktischen Fehlverhaltens vom Betroffenen hinzunehmen ist, könnte dies Bedeutung auch für die zweite Konstellation der Erpressung mit der Kundgabe sonst kompromittierenden Verhaltens haben.

545 BGHSt 38, 214, 228; BGH, NJW 1970, 1543f.; BGH, NStZ 1988, 510f.; Beulke, Strafprozeßrecht, Rn. 111; Hellmann, Strafprozeßrecht, Teil II, § 1 Rn.23; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 152 Rn.4; Krehl, HK-StPO, § 152 Rn. 10; Pfeiffer, StPO, § 152 Rn.3; Plöd, KMRStPO, § 152 Rn.21; Ranft, Strafprozeßrecht, Rn.298; Rieß, LR-StPO, § 152 Rn.28; Schoreit, KK-StPO, § 152 Rn.28; a. A. Störmer, ZStW 108 (1996), 494, 516; Weßlau, SK-StPO, § 152 Rn. 56.

§ 3 Verteidigungshandlung

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aa) Selbstbelastungsfreiheit Die Einbeziehung der Polizei läuft - wie aufgezeigt - auf eine Selbstbelastung des Angegriffenen hinaus. Mit der Erklärung, aufgrund einer von ihm selbst begangenen Straftat erpresst zu werden, droht dem Erpressten die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung wegen der Verfehlung. Allerdings könnte dieses Risiko durch die in § 154 c StPO getroffene Regelung ausgeschaltet sein 546 . Wäre das zu bejahen, ist kein Grund ersichtlich, dem rechtswidrig Bedrängten den Gang zur Polizei nicht zuzumuten. § 154 c StPO eröffnet die Möglichkeit, ein Strafverfahren gegen den Erpressten einzustellen, wenn eine Sühne wegen der geringen Schwere der von ihm begangenen Tat erlässlich ist. Damit erfasst die Vorschrift von vornherein nur einen Teilbereich der denkbaren Sachverhalte. Hat der Erpresste sich eine besonders schwerwiegende Straftat zuschulden kommen lassen, ist für die Staatsanwaltschaft die Frage einer Einstellung gem. § 154 c StPO gar nicht aufgeworfen. Hier werden aber die Fälle beheimatet sein, in welchen die Gefahr einer Erpressung mit der Androhung der Offenbarung der Straftat am größten und ein Erfolg am wahrscheinlichsten ist, hat doch der Erpresste am meisten zu verlieren. Für diese Konstellationen hilft der Hinweis auf § 154 c StPO also gar nicht weiter. Aber selbst für die unter den Anwendungsbereich der Regelung fallenden Sachverhalte leichterer und mittlerer Kriminalität ist fragwürdig, ob die Existenz des § 154 c StPO wirklich geeignet ist, die Erforderlichkeit einer eigenhändigen Verteidigung des Erpressten von vornherein auszuschließen. Denn zum einen ist die Vorschrift durch die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffes der „Unerlässlichkeit 4 ' 547 einer Sühne sehr vage 548 . Man kann nicht verlässlich voraussagen, wann aus der Sicht der Staatsanwaltschaft ein Sühnebedürfnis entfällt und wann nicht. Und zum anderen ist die Entscheidung der Staatsanwaltschaft in ihr - richterlich nicht überprüfbares 549 - Ermessen gestellt. Somit wäre der Ausgang der gegen den Erpressten eingeleiteten strafprozessualen Maßnahmen höchst ungewiss. Es verbliebe auch bei leichteren Straftaten ein nicht unbeträchtliches Risiko eigener Bestrafung 550 . Mit dem Hinweis auf § 154 c StPO kann einer Preisgabe eigener Interessen bei einer Inanspruchnahme der Polizei folglich nicht per se das Wort geredet werden. Auf eine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung eigener Güter und damit gegen eine Einbeziehung der Polizei kann sich der Erpresste aber nur dann berufen, wenn 546

So wohl Arzt, MDR 1965, 344f., Fn. 12. Rahn, Kriminalpolitische Gegenwartsfragen, S.227, 234. 548 Amelung, GA 1981, 382, 387; Krause, MSchrKrim 1969, 214, 216; Rahn, Kriminalpolitische Gegenwartsfragen, S.227, 234; Willigmann, NJW 1955, 1747, 1749f. 549 Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 154c Rn.3; Krause, FS Spendel, 547, 552; Krehl, HK-StPO, § 154c Rn.4; Pfeiffer, StPO, § 154c Rn. 1; Radtke, Strafklageverbrauch, S.251; Ranft, Strafprozeßrecht, Rn. 1218; Rieß, LR-StPO, § 154c Rn.9. 550 Amelung, GA 1982; 381, 387. 547

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

das natürliche, jedem Menschen innewohnende Bedürfnis, nicht selbst zur eigenen Überführung beizutragen 551 , als rechtlich geschütztes Interesse Anerkennung gefunden hat. Denn nur unter dieser Voraussetzung ist die bei einer Inanspruchnahme staatlicher Behörden intendierte Aufdeckung der Straftat vom Bedrohten nicht zu tragen. Lediglich dann ist der Weg zu einer eigenhändigen Verteidigung eröffnet. Eine Verdichtung des umrissenen Motivs in ein rechtlich geschütztes Interesse 552 könnte durch den - unter einer anderen Fragestellung i m Rahmen dieser Arbeit bereits erwähnten 553 - Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare" bzw. „nemo tenetur se ipsum prodere" 5 5 4 erfolgt sein. Diesen führt die herrschende Meinung 5 5 5 neben der Betonung des Rechtsstaatsprinzips 556 vor allem auf zwei Grundrechte zurück: zum einen auf das Grundrecht der Achtung der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 G G 5 5 7 und zum anderen auf die allgemeine Handlungsfreiheit, garantiert in Art. 2 Abs. 1 GG. Das Zusammenspiel beider Grundrechte, ihre Verbindung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht 558 und der jeweilige Schwerpunkt des einen oder anderen Regelungsinhalts in den nach Rolle der Auskunftsperson und Zweckbe551

Besson, Steuergeheimnis, S.73; Günther, GA 1976, 193 f.; Kopf\ Selbstbelastungsfreiheit, S.62; Magdowski, Verkehrsunfallflucht, S.66; Torka, Nachtatverhalten, S.54, 57. 552 Zur generellen Ablehnung einer solchen Sichtweise siehe die im Rahmen dieser Arbeit bereits verworfenen Ausführungen (2. Teil, § 2 A. IV. 2. b) bb) (1)) von Lesch, KMR-StPO, § 136 Rn. 17f.; ders., Strafprozessrecht, S. 103 Rn.245f.; ders., ZStW 111 (1999), 624, 637. 553 Ging es dort um die Frage, inwiefern das Interesse, durch den Erpresser nicht bei den Behörden wegen einer Straftat angezeigt zu werden und so strafrechtlicher Verfolgung ausgeliefert zu sein, als Selbstbegünstigungsinteresse im weitesten Sinne rechtlich geschützt ist, stellt sich hier unmittelbar die Problematik einer Selbstbegünstigung durch die Freiheit, sich durch Auskünfte gegenüber Behörden nicht selbst belasten zu müssen. 554 Niemand ist verpflichtet, sich selbst anzuklagen bzw. gegen sich selbst Zeugnis abzulegen. Vgl. Ranft, Strafprozeßrecht, Rn.292 Fn.2. 555 BVerfGE 56, 37, 41 f.; 95, 220, 241; BVerfG, wistra 1988, 302; BVerfG, StV 1995, 505; StV 1999, 71; BGHSt 36, 328, 332; 38, 214, 220; BGH, JZ 1997, 737, 739; KG, NStZ 1995, 146; OVG Koblenz, NJW 1982, 1414; Besson, Steuergeheimnis, S.80f.; Böse, wistra 1999, 451; Dietrich, Selbstbelastung, S.44; Dingeldey, NStZ 1984, 529; Fischer, Selbstbelastungspflichten, S. 103; Gollwitzer, LR-StPO, Art. 14 IPBPR Rn.249; Hellmann, Strafprozeßrecht, Teil II, §5 Rn.7; ders., JZ 2002, 617; Kopf Selbstbelastungsfreiheit, S.61; Magdowski, Verkehrsunfallflucht, S.68; Meyer, JR 1986,170; Nothhelfer, Selbstbezichtigungszwang, S.77ff.; Otto, wistra 1983, 233; Pfeiffer, StPO, § 136 Rn.4; Reiß, NJW 1982, 2540f.; Renzikowski, JZ 1997, 710; Rogall, Beschuldigte, S. 139ff., 148; ders., SK-StPO, Vor § 133 Rn. 132; Ruck, § 142, S.58; RüpinglKopp, NStZ 1997, 530,533; Schäfer, Strafverfahren, Rn. 1227; v.Stetten, JA 1996,55; Stürner, NJW 1981,1757f.; Weichen, Selbstbestimmung, S. 123; Wölfl, Verwertbarkeit, S.46. 556 Siehe dazu insbes.: Paeffgen, Untersuchungshaft-Recht, S.70ff.; Saiger, Schweigerecht, S. 15 f.; Schneider, Selbstbegünstigungsprinzip, S.38ff. 557 Umstritten in der Staatsrechtslehre ist allerdings, ob es sich um ein eigenständiges Grundrecht oder einen Programmsatz handelt, der in alle Grundrechte hineinstrahlt und ihnen einen Menschenwürde-Gehalt verleiht. Vgl. dazu Höfling, Sachs, GG, Art. 1 Rn. 3 ff. 558 BVerfGE 27,1,6; 35,202,219f.; 54,148,153; 80, 367,373; BVerfG, NJW 2002, 383f.; NJW 2002,3619, 3621; Fezer, Strafprozeßrecht, S. 215 Rn. 6; Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 1, 29; v. Münch/Kunig, GG, Art. 2 Rn. 30; Murswiek, Sachs, GG, Art. 2 Rn. 60, 63; Nothhelfer, Selbstbezichtigungszwang, S.78; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art.2 Rn.2b.

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Stimmung der Auskunft verschiedenen Konstellationen bestimmt dabei maßgeblich Wirkung und Reichweite des nemo-tenetur-Grundsatzes 559. Dabei verbietet dessen Verankerung im allgemeinen Persönlichkeitsrecht Eingriffe nicht von vornherein, denn auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist trotz der Anknüpfung an die Menschenwürde nicht generell unantastbar. Der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist insofern weiter gefasst als derjenige des Art. 1 Abs. 1 GG. Die Verbindung mit der Menschenwürde dient nur als Interpretationsdirektive und Schutzverstärkung des Art. 2 Abs. 1 GG 5 6 0 . Einschränkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und damit auch des Schutzbereiches des nemo-tenetur-Grundsatzes unterliegen danach einem erhöhten Begründungsaufwand. Die umfangreichste Absicherung vor einem Zwang zur Selbstbelastung garantiert das alter Rechtstradition entsprechende Prinzip 561 , allgemein anerkannt, dem Beschuldigten/Angeklagten in dem gegen ihn geführten Strafverfahren. In einem solchen darf der Betroffene unter keinen Umständen dazu angehalten werden, sich zum Zwecke seiner strafrechtlichen Ahndung selbst zu belasten. Er hat gem. §§115 Abs.3 S. 1, 128 Abs. 1 S.2, 136 Abs. 1 S.2, 163a Abs.3 S.2, 163a Abs.4 S.2, 243 Abs. 4 S. 1 StPO ein generelles Schweigerecht. Die Freiheit, sich nicht äußern zu müssen, wird ihm ausnahmslos zugesprochen562. Dieser absolute Schutz einer Person in dem gegen sie gerichteten Ermittlungsverfahren findet seinen Grund in der unantastbaren Garantie der Wahrung der Menschenwürde. Nach allgemeiner Ansicht 563 widerspräche es der Würde des Menschen, instrumentalisiere man ihn durch Zwang zum Werkzeug seiner eigenen strafrechtlichen Überführung. In einem solchen Fall degradiere man ihn zum bloßen Objekt, benutzbar zum Ziele der Wahrung des staatlichen Strafanspruchs. Der strafrechtlich Verfolgte würde zum Sprachrohr seiner Verurteilung werden. Sollen in einem Strafverfahren Auskünfte zum alleinigen Zwecke einer Überführung durch den Einsatz von Beugemitteln vom Betroffenen abgenötigt werden, so greift der nemo-tenetur-Grundsatz in seiner vollen Stärke und umfangreichsten 559

BVerfGE 56, 37, 42; Nothhelfer, Selbstbezichtigungszwang, S.90. Degenhart, JuS 1992, 361; Dreier, Dreier, GG, Art. 21 Rn.50; Erichsen, Isensee/Kirchhof, Staatsrecht VI, § 152 Rn. 54; Jarass, NJW 1989, 857; JarassiPieroth, GG, Art. 2 Rn. 29; v. Münch! Kunig, GG, Art. 2 Rn. 30; Murswiek, Sachs, GG, Art. 2 Rn. 62,103; Siekmann/Duttge, Staatsrecht I, Rn.853; Starck, Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art.2 Abs. 1 Rn. 15, 54f., 85. 561 Zur historischen Entwicklung vgl.: Dingeldey, JA 1984, 407f.; v. Gerlach, FS Hanack, S. 117, 130ff.; Schroeder, Strafprozeßrecht, Rn.371 f. 562 Dietrich, Selbstbelastung, S.59; KopfSelbstbelastungsfreiheit, S.64; Sautter, AcP 161 (1962), 215, 244. 563 BVerfGE 56, 37, 43; BVerfG, wistra 1988, 302; BGHSt 14, 358, 364; Besson, Steuergeheimnis, S. 83; Boujong, KK-StPO, § 136 Rn. 10; Dingeldey, NStZ 1984, 529; Dreier, Dreier, GG, Art. 11 Rn. 81; Hanack, LR-StPO, § 136 Rn. 21; Kramer, Strafverfahrensrecht, Rn. 30; Lemke, HK-StPO, § 136 Rn. 17; v.Münch!Kunig, GG, Art. 1 Rn. 36 (Stichwort Aussageverweigerung); Nothhelfer, Selbstbezichtigungszwang, S.76f., 90, 109; Pfeiffer, StPO, § 136 Rn.4; Rogall, Beschudigte, S. 148 ff.; ders., SK-StPO, Vor § 133 Rn. 132; Sautter, AcP 161 (1962), 215,247; Schlüchter, Strafprozeßrecht, S.55; a. A. Starck, v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn.51. 560

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

Wirkkraft ein. Seine unmittelbare und direkte Anknüpfung an die Menschenwürde, die in dieser Konstellation den Schwerpunkt der verfassungsrechtlichen Garantie ausmacht, verbietet sowohl den Zwang zur Offenbarung (worunter auch der mittelbar ausgeübte Druck fällt 564 ) als auch die Beweisverwertung einer trotzdem - verbotenerweise -hervorgerufenen Auskunft 565 . Eine gewisse Abschwächung dieser Reichweite ist zu verzeichnen, wenn außerhalb eines sie selbst betreffenden Ermittlungsverfahrens eine Person innerhalb eines gegen einen Dritten geführten Strafverfahrens zu Aussagen veranlasst werden soll, die sie strafrechtlich belasten566. Die Rede ist vom Zeugen. In dem gegen einen anderen gerichteten Strafverfahren hat er gem. § 55 Abs. 1 StPO zwar in seiner Zeugeneigenschaft kein umfassendes Schweigerecht wie etwa der Beschuldigte; er darf aber die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn tatsächlich der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzen würde 567 . Da der Zeuge mit einer generellen Pflicht zur Aussage nicht zum Zwecke seiner Überführung belegt ist, sondern dies der Wahrheitsfindung dienen soll 568 , ist bei seiner Befragung zwar ebenfalls das Grundrecht auf Achtung der Menschenwürde angesprochen, aber nicht derart vorrangig und unmittelbar wie bei einer Vernehmung des Beschuldigten/Angeschuldigten. Der Zeuge wird nicht befragt, um ihn primär als Werkzeug seiner eigenen Überführung zu missbrauchen. Der Menschenwürdegehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist jedoch insofern tangiert, als der Zeuge von anderen Verfahrensbeteiligten auch nicht zum bloßen Objekt der Wahrheitsermittlung verwendet werden darf 569 . Seine Persönlichkeit ist insbesondere dann zu wahren, wenn die Be- oder Entlastung des anderen es nötig macht, dass der Zeuge ihn selbst in Schwierigkeiten bringende Informationen preisgeben müsste. Setzt er sich bei der Vernehmung im Rahmen eines gegen einen anderen gerichteten Strafverfahrens durch seine Antworten der Gefahr strafrechtlicher Ermittlungen aus, wird im Falle der zwangsweisen Durchsetzung der Auskunftspflicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seinem unantastbaren Kernbereich berührt 570. Über die sich aus der 564

Ein solcher läge vor, wenn aus dem Schweigen negative Schlüsse für den Beschuldigten/ Angeschuldigten gezogen werden. Vgl. BVerfG, NStZ 1995,555f.; BVerfG, StV 1995, 505 f.; BGHSt 20,281,383; 38,302,305; BGH, JZ 1997,737,739; Beulke, Strafprozeßrecht, Rn. 125, 495; Dingeldey, JA 1984,407,413; Engelhardt, KK-StPO, §261 Rn.39; Kramer, Strafverfahrensrecht, Rn.30; Otto, wistra 1983, 233; Rieß, LR-StPO, Einl. Abschn. I Rn.92; Rogall, SKStPO, Vor § 133 Rn. 194; Stürner, NJW 1981, 1757f. 565 BVerfGE 56, 37,43; BVerfG, StV 1995, 505f.; Otto, wistra 1983, 233. 566 Siehe die vergleichende Darstellung bei Verrel, Selbstbelastungsfreiheit, S.270f. 567 BVerfG, StV 1999, 71 f.; wistra 2002, 135f.; BGHSt 38, 302f.; OLG Karlsruhe, StraFo 2002, 291 f.; Dietrich, Selbstbelastung, S.61; Kühne, AK-StPO, §55 Rn.4; Reiß, Besteuerungsverfahren, S. 183; Rogall, SK-StPO, Vor §48 Rn. 147; Senge, KK-StPO, §55 Rn.4; Verrel, Selbstbelastungsfreiheit, S.270f. 568 BVerfGE 56, 37, 44; Dietrich, Selbstbelastung, S.65; HallerlConzen, Strafverfahrensrecht, Rn. 101; Nothhelfer, Selbstbezichtigungszwang, S.92. BVerfGE 38, 105, 113f.; 56, 37,45; BGHSt 17, 245ff. 57 0 Dietrich, Selbstbelastung, S.61; Reiß, Besteuerungsverfahren, S. 183; vgl. auch AE-ZVR Begr. S. 59, 63 f.; 68 f., in welchem aus der Berührung des Menschenwürde-Aspektes für den

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verfassungsrechtlichen Verlagerung des Schwergewichts von der vorrangig angesprochenen Menschenwürde auf die beiden nunmehr gleichrangig betroffenen Grundrechte des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ergebende Abstufung vom vollumfänglichen Schweigerecht zum begrenzten Auskunftsverweigerungsrecht hinaus ist eine weitere Einschränkung nicht legitimierbar. Ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seinem Kernbereich tangiert, ist ein Eingriff nicht mehr zu rechtfertigten 571 . Der Zeuge hat die Garantie, nicht durch Zwang zu einer ihn belastenden Aussage bewegt zu werden. An die Seite gestellt und ergänzt wird diese ebenfalls durch ein Beweisverwertungsverbot einer trotzdem abgenötigten Auskunft 572 . Das wird dann relevant, wenn die Staatsanwaltschaft nunmehr gegen den Zeugen ein Strafverfahren führt, er also in die Position des Beschuldigten rückt. Die beschriebene Reichweite des nemo-tenetur-Grundsatzes ist allgemein anerkannt. Problematisch und lange Zeit umstritten war und ist - neben anderen Punkten 573 - ob das Prinzip auch außerhalb des gegen den Betroffenen selbst oder gegen einen anderen gerichteten Sira/verfahrens Geltung erfahren muss. Im sogenannten Gemeinschuldnerbeschluss574 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass ein Eingriff in das den nemo-tenetur-Grundsatz verbürgende allgemeine Persönlichkeitsrecht auch dann vorliegt, wenn jemand außerhalb des Strafverfahrens in einem völlig selbstständigen Verfahren - dort dem Konkursverfahren - mit der durch Beugemitteln bewehrten Pflicht belegt ist, Auskünfte zu erteilen, die ihn selbst belasten575. Da er aber durch eine solchermaßen abgenötigte Aussage nicht wie ein Beschuldigter zum alleinigen Zweck seiner Verurteilung beitragen soll, stellt der Zwang zur Auskunft keinen Verstoß gegen die Menschenwürde dar 576 . Und eine Gleichbehandlung mit einem Zeugen im Strafprozess kommt ebenfalls nicht in Betracht, da der Betroffene zu den an der Information Interessierten in einem besonderen Pflichtenverhältnis steht577. Ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht somit auch nicht in seinem unantastbaren Kern berührt, ist eine Einschränkung des vom nemotenetur-Grundsatzes abgesicherten Bereiches erlaubt. Aufgrund von Proportionalitätserwägungen zieht das Gericht aber dort eine Grenze, wo es um die Verwertung der erzielten Aussage geht. Zwar darf die selbstbelastende Aussage verlangt werden, in einem gegen den Informationspflichtigen geführten Strafverfahren unterliegt sie Zeugen im Strafverfahren sogar ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht abgeleitet wird; gegen diese vom Wortlaut des §55 Abs. 1 Nr.2 AE-ZVR nicht mehr gedeckte („...Zeugnis verweigern, soweit die Aussage...") Aufwertung des Auskunftsverweigerungsrechts zum vollen Zeugnisverweigerungsrecht Welp y FS Bemmann, S.626, 640. 57 1 JarassIPieroth, GG, Art.2 Rn.45; v.Münch/Kunig, GG, Art.2 Rn.43; Schmidt-Bleibtreul Klein, GG, Art. 2, Rn.3c; Siekmann/Duttge, Staatsrecht I, Rn.854. 57 2 Grünwald, Beweisrecht, S. 147; Paulus, KMR-StPO, §55 Rn. 19. 573 Siehe dazu ausführlich Verrel, NStZ 1997, 361 ff., 415 ff. 574 BVerfGE 56, 37 ff. 575 BVerfGE 56, 37, 50. 576 BVerfGE 56, 37, 48. 577 BVerfGE 56, 37, 48. 12 Kroß

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dann aber einem Verwertungsverbot 578. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wurde durch weitere Entscheidungen bekräftigt 579 und hat durch andere Gerichte 580 und in der Literatur 581 weit gehend Zustimmung gefunden. Die dort entwickelten Grundsätze können somit als allgemein anerkannt bezeichnet werden. Der Frage, ob im thematisierten Sachverhalt eines erpresserischen Angriffs mittels der Drohung, eine vom Erpressten begangene Straftat im Falle der Nichtzahlung zu offenbaren, durch eine Verweisung auf die Inanspruchnahme polizeilicher Hilfe zur Verteidigung der über den nemo-tenetur-Grundsatz gewährte Schutzbereich überhaupt beeinträchtigt sein kann und inwieweit Einschränkungen durch den Betroffenen hinzunehmen sind, wird nun vor dem erörterten Hintergrund nachgegangen. (1) Reichweite des Grundsatzes (a) Personaler Anwendungsbereich Während das strafprozessual in den §§115 Abs. 3 S. 1,128 Abs. 1 S. 2,136 Abs. 1 S. 2, 163 a Abs. 3 S. 2,163 a Abs. 4 S. 2,243 Abs. 4 S. 1 StPO vorausgesetzte Verbot zwangsweiser Selbstbelastung in erster Linie dem Beschuldigten582, darüber hinaus aber gem. § 55 Abs. 1 StPO auch dem Zeugen583 zugute kommt, helfen diese begrifflichen Charakterisierungen der Verfahrensbeteiligten im Zeitpunkt der Einschaltung der Polizei zur Abwehr eines erpresserischen Angriffs nicht weiter. Hinsichtlich der vom Erpressten selbst begangenen Straftat ist im Normalfall im Moment des Vortragens des Hilfeersuchens noch kein Ermittlungsverfahren speziell gegen ihn eröffnet. Dieses kann allenfalls nach der Kenntniserlangung durch den aufnehmenden Beamten eingeleitet werden 584. Erst ab diesem Zeitpunkt der von den Strafverfol578

BVerfGE 56, 37, 50f. BVerfGE 80, 109, 121; BVerfG, wistra 1988, 302; BVerfG, StV 1995, 562. 580 BVerwG, NVwZ 84, 376f.; BGHSt 37, 340, 342f.; KG, NStZ 1995, 146; OLG Celle, JR 1982, 475f.; OLG Düsseldorf, StV 1992, 503f. 581 Besson, Steuergeheimnis, S.81, 83; Böse, wistra 1999, 451 f.; Dingeldey, NStZ 1984, 529ff.; Geppert, Jura 1995,439,441 ;Jarass/Pieroth, GG, Art.2Rn.47; Kühne, EuGRZ 1981, 313; Meyer, JR 1986, 170; Nothhelfer, Selbstbezichtigungszwang, S.99f.; Schlächter, Strafprozeßrecht, S. 55; v. Stetten, JA 1996, 55ff.; Streck, StV 1981, 362f.; Stürner, NJW 1981, 1757,1763. 382 BVerfGE 56, 37, 42; Besson, Steuergeheimnis, S.84; Boujong, KK-StPO, § 136 Rn. 10; Dietrich, Selbstbelastung, S.59; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, Einl. Rn.29a; Rogall, SKStPO, Vor § 133 Rn. 66, 151; Stürner, NJW 1981, 1757. 583 BVerfGE 38,105,113; 56, 37,44; BVerfG, StV 1999, 71; NJW 2002,1411; NJW 2002, 1508 f.; BGHSt 17, 245 f.; Bärlein/PananislRehmsmeier, NJW 2002, 1825; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, Einl. Rn. 29 a; Rogall, SK-StPO, Vor § 133 Rn. 152; Senge, KK-StPO, §55 Rn. 1. 584 Zugegebenermaßen sind die Grenzenfließend. Aber solange der Beamte nur die Informationen entgegennimmt, die nötig sind, einen Anfangsverdacht erst zu begründen, ist ein Verfahren noch nicht eingeleitet. 579

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gungsbehörden nach außen erkennbaren Betreibung eines Verfahrens wäre der Erpresste dann Beschuldigter 586. Aber auch Zeugenqualität hat er in der aktuellen Situation seines Hilfeersuchens noch nicht. Denn Zeuge ist man nur, wenn nach den einschlägigen prozessualen Regeln von dem zuständigen Organ eine Einbeziehung in ein Verfahren dergestalt erfolgt, dass man zur Aussage über eigene Wahrnehmungen aufgefordert wird 587 . Diese Involvierung setzt voraus, dass ein Verfahren gegen eine andere Person oder gegen „Unbekannt" 588 bereits läuft. Die Einbindung vollzieht sich durch Ladung gem. § 48 StPO oder durch Vernehmung gem. § 58 StPO 589 . Die Frage der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Erpresser bzw. „Unbekannt" stellt sich jedoch ebenfalls erst nach Entgegennahme der Schilderung des Bedrohten. Dann ist der dafür gem. § 152 Abs. 2 StPO nötige Anfangs verdacht vorhanden. Darüber hinaus beruht der Gang zur Polizei nicht auf einer Ladung gem. § 48 StPO und ist die Offenbarung der Umstände der Erpressung zwecks Erlangung polizeilicher Hilfe noch keine Vernehmung durch den Polizeibeamten. Von einer solchen kann nämlich nur dann ausgegangen werden, wenn ein Vernehmungsorgan die Aussageperson in einem laufenden Strafverfahren zur bewussten Abgabe verfahrensrelevanter Informationen veranlasst 590. Daran fehlt es, wenn der Betroffene zunächst einmal gänzlich ohne konkrete polizeiliche Einflussnahme von sich aus von den Ereignissen berichtet. Demgemäß entzieht die Rechtsprechung im Spannungsfeld der Zeugnisverweigerungsrechte Äußerungen gegenüber Polizeibeamten im Rahmen von Hilferufen und deren Erläuterungen auch dem Anwendungsbereich des § 252 StPO 591 . Dieser erfasst nur solche Mitteilungen, die durch eine Vernehmung unter Einschluss der sogenannten informatorischen Befragung 592 zur Kennt585 So die überwiegende Auffassung vgl.: BGHSt 38, 214, 228; BGH, NJW 1997, 1591; Achenbach, AK-StPO, § 163a Rn.20; Bärlein/PananislRehmsmeier, NJW 2002, 1825, 1829; Beulke, Strafprozeßrecht, Rn. 112; Dingeldey, JA 1984, 407, 410 Fn. 36; Geppert, FS Oehler, S. 323, 328; Hanack, LR-StPO, § 136 Rn.4; Hellmann, Strafprozeßrecht, Teil II, § 1 Rn.29; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, Einl. Rn.76; Lesch, JA 1995,157,160;Müller-Dietz, ZStW 93 (1981), 1177, 1224; Ranft, Strafprozeßrecht, Rn.297; Rogall, SK-StPO, Vor § 133 Rn.33; Roxin, Strafverfahrensrecht, §25 Rn. 10. 586 Zum Beschuldigtenbegriff siehe ausführlich Rogall, SK-StPO, Vor § 133 Rn. 15 ff. 587 Beulke, Strafprozeßrecht, Rn. 181; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, Vor §48 Rn. 1; Müller, KMR-StPO, Vor §48 Rn. 15; Ranft, Strafprozeßrecht, Rn.451; Rogall, SK-StPO, Vor § 48 Rn. 21; Schäfer, LR-StPO (24. Aufl.), Vor § 48 Rn. 1. 588 Ein Ermittlungsverfahren gem. §§ 152 Abs. 2, 160 StPO kann auch gegen „Unbekannt" geführt werden, wie die Regelung des §69 Abs. 1, S.2 StPO zeigt. Vgl.: Beulke, Strafprozeßrecht, Rn.311; Krehl, HK-StPO, § 152 Rn. 10; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 152 Rn.5; Pfeiffer, StPO, § 152 Rn.3. 589 Rogall, SK-StPO, Vor §48 Rn.21. 590 Rogall, SK-StPO, Vor § 48 Rn. 155. 591 Vgl.: BGH, GA 1970, 153f.; BGH, NJW 1980, 1533; BGH, NStZ 1986, 232; NStZ 1989, 15; BGH, NJW 1998, 2229; BayObLG, NJW 1952, 517; BayObLG, StV 1983, 452; OLG Frankfurt a.M., StV 1994, 117f.; OLG Stuttgart, VRS 63 (1982), 53. 592 Zum Begriff siehe ausführlich: Geppert, FS Oehler, S. 323ff.; Rogall, SK-StPO, Vor §133 Rn.42ff.

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nis der Strafverfolgungsorgane gelangt sind 593 . Das wird hier in diesem Zusammenhang dann bejaht, wenn sich die Anhörung des Hilfesuchenden auf einen schon vorhandenen Ermittlungsgegenstand bezieht und von einem Beweiserhebungswillen getragen ist 594 . An den genannten Voraussetzungen mangelt es aber bei Erklärungen, die Personen in Verbindung mit der Bitte um polizeiliche Hilfe abgeben595. Sie sind Aktion und nicht Reaktion auf eine amtliche Strafverfolgung. Eine solche kann überhaupt erst nach ihrer Entgegennahme eingeleitet werden. Dann nämlich ist ein Verfahrensgegenstand sichtbar und entwickelt sich unter Umständen ein Beweisermittlungsbedürfnis. Der Betroffene befindet sich also bei einem Beistandsersuchen an die Polizei auf der Schwelle sowohl zum Beschuldigten als auch zum Zeugen. Es stellt sich die Frage, ob in diesem Vorstadium die der späteren Verfahrensrolle entsprechenden Gewährleistungen des nemo-tenetur-Grundsatzes gelten sollen. Ein Hinweis für eine Befürwortung einer derartigen Vorverlegung lässt sich möglicherweise dem Gemeinschuldnerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts entnehmen. Dort wird ausgeführt 596: „Um zu vermeiden, daß das für Disziplinar- oder Ehrengerichtsverfahren anerkannte Schweigerecht unterlaufen wird, hat die Rechtsprechung den Schutz gegen Selbstbezichtigungen auch auf das Vorstadium vor Einleitung förmlicher Verfahren ausgeweitet und demgemäß Beamten oder Angehörigen von Standesorganisationen gegenüber ihrem Dienstvorgesetzten oder Aufsichtsorgan ein Recht zur Verweigerung solcher Auskünfte zugebilligt, durch die sie sich selbst einer strafbaren Handlung oder einer Pflichtverletzung beschuldigen müßten (BDHE 4, 59 für Beamte, BGHSt 27, 374 für Rechtsanwälte, einschränkend BVerwGE 43, 227 für militärische Geheimsachenbearbeiter)." Allerdings sind jedenfalls die den beiden erstgenannten Entscheidungen597 zugrunde liegenden Verfahren dadurch gekenn593

BGHSt 29, 230, 232; BGH, NJW 1980, 1533; BGH, NStZ 1986, 232; OLG Frankfurt a.M., StV 1994, 117f.; OLG Hamm, StV 2002, 592f.; Beulke, Strafprozeßrecht, Rn.420a; Diemer, KK-StPO, §252 Rn. 17; Gollwitzer, LR-StPO, §252 Rn. 10; Grünwald, Beweisrecht, S. 130f.; HallerIConzen, Strafverfahren, Rn.449; Julius, HK-StPO, §252 Rn.6; Kleinknechtl Meyer-Goßner, StPO, §252 Rn.7; Kramer, Strafverfahrensrecht, Rn. 134b; Pfeiffer, StPO, § 252 Rn. 7; Ranft, Strafprozeßrecht, Rn. 1733; Roxin, Strafverfahrensrecht, § 44 Rn. 22; Schlüchter, SK-StPO, §252 Rn.6. 594 Gollwitzer, LR-StPO, §252 Rn.30; Rogall, SK-StPO, Vor § 133 Rn.49; Schlüchter, SKStPO, §252Rn.8. 595 Beulke, Strafprozeßrecht, Rn.420a; Diemer, KK-StPO, §252 Rn.20; Geppert, FS Oehler, S.323, 334; ders., Jura 1988, 363, 366; Gollwitzer, LR-StPO, §252 Rn.30; HallerIConzen, Strafverfahren, Rn.450; Joachim, NStZ 1990, 95 f.; Kleinknechtl Meyer-Goßner, StPO, §252 Rn. 8; Kramer, Strafverfahrensrecht, Rn. 134 b; Paulus, KMR-StPO, § 252 Rn. 18; Pfeiffer, StPO, § 252 Rn. 7; Schlüchter, SK-StPO, § 252 Rn. 7; für die Einbeziehung solcher spontaner Äußerungen in den Anwendungsbereich des §252: Grünwald, Beweisrecht, S. 131; Rengier, Jura 1981, 299, 301; Roxin, Strafverfahrensrecht, §44 Rn. 22: analoge Anwendung des §252 StPO. 596 BVerfGE 56, 37, 44. 597 Der letztgenannten Entscheidung (BVerwGE 43, 227) lag ein komplizierter Sachverhalt aus dem Soldatenrecht zugrunde, der zu hier nicht relevanten Differenzierungen geführt hat.

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zeichnet gewesen, dass gegen bestimmte Personen bereits ein Verdacht bestand und diesem mittels formloser Befragung nachgegangen wurde: Der 1. Disziplinarsenat des Bundesdisziplinarhofes vertrat die Auffassung, dass der Beamte auch außerhalb eines Disziplinarverfahrens seiner Behörde nicht zur Auskunft auf Fragen verpflichtet ist, durch deren wahrheitsgemäße Beantwortung er sich der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung aussetzen würde 598 . Der Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen lag ebenfalls ein Sachverhalt zugrunde, in welchem ein Rechtsanwalt im Verdacht standesrechtlichen Fehlverhaltens stand und zur Auskunft auf Fragen darüber angehalten war 599 . Es werden in beiden Verfahren quasi Vorermittlungen angestellt, aufgrund derer entschieden wird, ob ein förmliches Verfahren einzuleiten ist. Der Vorverfahren und eigentliches förmliches Verfahren stützende Verdacht einer Straftat oder Pflichtverletzung, der zum Übergang von einem zum anderen Stadium begründeter bzw. stärker sein muss als zuvor, fehlt in dem hier in Rede stehenden Zeitpunkt des Vorbringens eines Hilfeersuchens gegenüber der Polizei aber noch gänzlich. Darüber hinaus geht die Initiative der Befragung nicht von dritter Stelle, sondern vom Betroffenen selbst aus. Diese beiden Gründe rechtfertigen es, das Stadium des Hilfeersuchens an die Polizei noch nicht als Vorstadium förmlicher Ermittlungen gegen den Erpressten im Sinne der Begrifflichkeiten des Bundesverfassungsgerichts anzusehen600. Der unantastbare Schutzbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes ist damit nicht berührt. Sollte das Bundesverfassungsgericht ein derartig weites Anwendungsfeld der absoluten Garantie des genannten Prinzips angenommen haben, hätte es sich auch in Widerspruch zu seinen eigenen späteren Ausführungen gesetzt. Denn im weitesten Sinne sind auch die im Konkursverfahren abzugebenden Auskünfte, Aussagen, die in einem dem eigentlichen Strafverfahren vorgelagerten Verfahrensstadium erbracht werden. Trotzdem ging der erkennende Senat hier nicht von einer Eröffnung des uneinschränkbaren Geltungsbereiches des nemo-teneturGrundsatzes aus. Die Verankerung des nemo-tenetur-Prinzips hat allerdings gezeigt, dass das Verbot zwangsweiser Selbstbelastung nicht allein im Strafverfahren, sondern allgemein mit unterschiedlicher Reichweite bzw. Auswirkungen gilt. Demzufolge wäre es verfehlt, dem Erpressten, weil noch außerhalb eines gegen ihn selbst oder gegen den Erpresser geführten Strafverfahrens stehend, von vornherein den Schutz vor NötigunAufgrund der nicht vergleichbaren Materie kann diese Entscheidung hier außer Betracht bleiben. 598 BDHE 4, 59. 599 BGHSt 27, 374 ff. 600 Dem vom Bundesverfassungsgericht im Gemeinschuldnerbeschluss angeführten Begriff des Vorverfahrens bei Disziplinar- und Ehrgerichtsverfahren entspricht im strafprozessualen Bereich die sogenannte informatorische Befragung, die, wenn sie durch einen nach außen tretenden Beweiserhebungswillen getragen ist, als Vernehmung gilt und den Betroffenen entweder zum Beschuldigten oder zum Zeugen macht. An einer derartigen informatorischen Befragung fehlt es hier aber gerade, es handelt sich um außerhalb eines Verfahrens gemachte Spontanäußerungen.

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gen zur Selbstbelastung zu verwehren. Vielmehr müssen und werden vom nemo-tenetur-Grundsatz alle Personen umfasst, die sich potentiell strafrechtlich belasten könnten601. Zu beachten ist jedoch, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Erpressten in der hier gegebenen Konstellation weder überwiegend in seinem Menschenwürde-Gehalt noch im Kernbereich betroffen ist. Es handelt sich um Auskünfte, die gänzlich außerhalb eines Strafverfahrens und vom Erpressten nicht zum primären Zwecke strafrechtlicher Ahndung abverlangt werden. Es geht um den Bereich der Gefahrenabwehr. Die Information soll die Polizei zur Verteidigung gefährdeter Individualrechtsgüter in einer Notwehrsituation veranlassen. Aus diesem Grunde ist allein das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seinem einschränkbaren Geltungsbereich angesprochen. Ebenso wie dieses für Eingriffe offen ist, ist es auch die daran anknüpfende Selbstbelastungsfreiheit. (b) Sachlicher Anwendungsbereich Dem natürlichen Bedürfnis eines jeden Menschen, sich nicht selbst wegen einer von ihm begangenen Straftat offenbaren zu müssen602, wird in unserer Rechtsordnung insofern Rechnung getragen, als dass der Einzelne nicht durch Zwang zu seiner Überführung beitragen muss. Die herkömmliche Auslegung des verfassungsrechtlich verankerten Grundsatzes „nemo tenetur" führt zu einem Verbot zwangsweiser Selbstbelastung603. Vor diesem Hintergrund fragt es sich, ob in dem hier thematisierten Sachverhalt der sachliche Schutzbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes überhaupt berührt, ob also ein staatlicher Zwang zu einer Selbstbelastung des Erpressten feststellbar ist. (aa) Zwangslage nur bei Anordnung von Beugemitteln zur Durchsetzung der Auskunftspflicht Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen den Schutzbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes nur dann als eröffnet angesehen, wenn die Pflicht zur (selbstbelastenden) Auskunft mit Beugemaßnahmen flankiert war. Bereits im Gemeinschuldnerbeschluss604 beschreibt es die Konfliktsituation der Auskunftsperson, vor welcher das nemo-tenetur-Prinzip schützen soll, dahin ge601

BGHSt, 27,374,379; Besson, Steuergeheimnis, S. 85 f.; Dietrich, Selbstbelastung, S. 62; Rogall, SK-StPO, Vor § 133 Rn. 155; Ruck, § 142, Rn.60. 602 Besson, Steuergeheimnis, S.73; Günther, GA 1976, 193 f.; Lesch, KMR-StPO, § 136 Rn. 17; Pawlik, GA 1998,379; Rogall, SK-StPO, Vor § 133 Rn. 132; Ruck, § 142, S.42; Visenheimer, GA 1972, 1,24. 603 BGH, JZ 1997, 737, 739; Besson, Steuergeheimnis, S.73, 86; Otto, wistra 1983, 233; Rieß, LR-StPO, Einl. Abschn.I, Rn.89; Rogall, SK-StPO, Vor § 133 Rn.66,139; Verrel, NStZ 1997, 415; ders., Selbstbelastungsfreiheit, S. 118, 146ff.; 261 ff., 278f. 604 BVerfGE 56, 37,41.

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hend, dass jene nur vor der Alternative steht, entweder sich selbst einer strafbaren Handlung zu bezichtigen oder durch eine Falschaussage gegebenenfalls ein neues Delikt zu begehen oder aber wegen ihres Schweigens Zwangsmitteln ausgesetzt zu sein. Im Falle des Gemeinschuldners waren diese gem. § 101 KO die zwangsweise Vorführung und die Haft. Die Sichtweise bekräftigte das Bundesverfassungsgericht in späteren Entscheidungen unter Berufung auf den eingangs erwähnten Beschluss605. Mit dem Argument konnte die Regelung des § 25 a StVG, die für den Halter eines Kraftfahrzeuges dann die Übernahme der Kosten eines Bußgeldverfahrens vorsieht, wenn der Führer des Kraftfahrzeuges, der den Verstoß begangen hat, nicht vor Eintritt der VerfolgungsVerjährung ermittelt werden kann oder wenn seine Ermittlung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, als verfassungsgemäß eingestuft werden 606. Die drohende Auferlegung der Kosten wirke nicht als Zwang für den Halter, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken, selbst wenn dies eine eigene Belastung bedeute. Zu diesem Ergebnis lässt sich nur gelangen, wenn man mangels klassischen Beugemittels nicht von der für den nemo-tenetur-Grundsatz notwendigen Konfliktlage ausgeht. Ebenfalls gestützt auf die fehlende Androhung von Zwangsmitteln entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die den Versicherungsnehmer gem. § 34 Abs. 1 VVG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Nr. 2, S. 3 AKB im Verhältnis zum Versicherer treffende Pflicht zur wahrheitsgemäßen Auskunftserteilung im Falle eines Unfalls, nicht den Anwendungsbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes berührt 607. Dem Versicherungsnehmer drohten im Falle der Verweigerung der Auskunft keine Zwangsmaßnahmen; er setze lediglich seinen Versicherungsschutz aufs Spiel. Diese, den Schutzbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes auf eine durch den Einsatz von Zwangsmitteln abgenötigte Auskunft, begrenzende Sichtweise ist in der Rechtsprechung608 und in der Literatur 609 auf eine breite Akzeptanz gestoßen. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass - vom eben dargestellten Standpunkt ausgehend - der vom nemo-tenetur-Grundsatz vorausgesetzte Zwang ein unmittelbarer, durch Beugemittel zum Ausdruck kommender Zwang sein muss. Der Eintritt bloß nachteiliger Folgen bei einem Verweigern der Information führt nicht zu der für erforderlich angesehenen Konfliktlage. Sollte dieser These zuzustimmen sein, könnte bei der Verweisung des Erpressten auf die Hilfe staatlicher Organe in einer Notwehrlage von einer Beeinträchtigung 605

BVerfGE 95, 220, 241; BVerfG, StV 1999, 71. BVerfGE 80, 109, 121 f. 607 BVerfGE, StV 1995, 562. 608 BVerwG, ZBR 1997,229; BGHSt 36,328,333; 37,340,342f.; BFH, wistra 2002,191 f.; KG, NStZ 1995, 146; OLG Celle, NJW 1985, 640; OLG Düsseldorf, StV 1992, 503f.; OLG Hamm, NStZ 1989, 187 f. 609 Dietrich, Selbstbelastung, S.65; Dingeldey, NStZ 1984, 529, 533; Geppert, Jura 1995, 439, 441; Kramer, Strafverfahrensrecht, Rn. 36; Meyer, JR 1986, 170f.; Reiß, NJW 1982, 2540f.; Schlächter, Strafprozeßrecht, S.55, insbes. Fn.310; Verrel, NStZ 1997, 415. 606

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der über den nemo-tenetur-Grundsatz geschützten Selbstbelastungsfreiheit nicht die Rede sein. Die für ein Einschreiten der Ermittlungsbehörden gem. § 152 Abs. 2 StPO notwendige Offenbarung der Straftat kann nicht mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Der Erpresste sieht sich bei einem Verschweigen der einen Anfangsverdacht überhaupt erst begründenden Tatsachen „lediglich" dem Risiko ausgesetzt, auf polizeiliche Hilfe verzichten zu müssen. Da deren Nichteinsatz auf seiner mangelnden Aufklärung beruht, darf er sich nicht selbst verteidigen und ist somit verpflichtet, den Angriff einschließlich der Rechtsgüterschädigung hinzunehmen. Auffällig an den dargestellten Ausführungen ist jedoch, dass eine Begründung für die Einengung des Merkmals Zwang (tenetur) auf einen durch staatliche Zwangsmittel im klassischen Sinne (Vorführung, Beugehaft, Zwangsgeld) verübten nahezu völlig fehlt. Allein das Kammergericht hat sich in seiner Entscheidung zur Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers gem. § 34 VVG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Nr. 2, S. 3 AKB - soweit ersichtlich - auf die „rechtsstaatliche Tradition" und „rechtshistorische Wurzeln" vom nemo-tenetur-Grundsatz berufen 610. Der weit gehend fehlende Versuch einer Begründung ist leicht erklärbar: Es gibt keine überzeugende. Vom Begriff des Zwanges her macht es nämlich gar keinen Unterschied, ob die zur Aussage nötigende Situation durch die Androhung von Beugemitteln im Falle der Verweigerung oder durch das Inaussichtstellen anderer Nachteile herbeigeführt wird. In beiden Fällen ist eine freie Entscheidung über die Kundgabe selbstbelastender Informationen nicht mehr möglich 611 . Die Berufung auf geschichtliche Wurzeln allein vermag eine eingeschränkte Interpretation ebenfalls nicht zu tragen. Zwar ist es richtig, dass der Grundsatz entwickelt wurde, um den Beschuldigten davor zu schützen, zu einer Selbstbezichtigung durch staatliche Zwangsmittel genötigt zu werden, wie es insbesondere im Inquisitionsprozess durch obrigkeitlich angeordnete Folter praktiziert wurde 612 . Sollte diese historische Sichtweise aber für die heutige Reichweite des nemo-tenetur-Grundsatzes bindend sein, wäre zugleich auch die Geltung für das strafprozessuale Verfahren festgeschrieben. Eine Ausweitung auf andere Bereiche käme von vornherein nicht in Frage. Das jedoch entspricht weder der Rechtswirklichkeit 613 noch der Schutzwürdigkeit des Betroffenen. Hinzu kommt Folgendes: Löst man sich in einer Hinsicht aufgrund der Schutzbedürftigkeit des Einzelnen von dem engen geschichtlichen Verständnis, kann man nicht einer Erweiterung aus dem selben Grund, aber unter einem anderen Aspekt im Hinblick auf die traditionellen Wurzeln das Wort reden. Eine derartige Argumentation ist inkonsequent. 610

Vgl. KG, NStZ 1995, 146f.; dem zustimmend Verrel, NStZ 1997, 415. Vgl. auch v.Stetten, JA 1996, 55, 57. 612 Kramer, Strafverfahrensrecht, Rn. 30; Schroeder, Strafprozeßrecht, Rn. 371; Stürner, NJW 1981, 1757. 6,3 Vgl. die Regelungen der §§393 Abs. 2, S. 1 AO, 38 a Abs. 4,46 Abs. 5 GWB (Geltung bis 31.12.1998); 46 Abs. 1, S.2 WaffG; 10 Abs. 2, 32 Abs. 1 BSeuchG (Geltung bis 31.12.2000), die gerade dem erweiterten Verständnis Rechnung tragen. Weitere Nachweise bei Reiß, Besteuerungsverfahren, S. 189 f. 611

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Das Festhalten an dem Erfordernis des Einsatzes von Zwangsmitteln birgt zudem die Gefahr einer Umgehung und damit Aushebelung des Grundsatzes. Man stelle sich nur vor, als Ersatz für die Regelung des § 101 KO wäre im Falle der Verweigerung eine Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße normiert. Soll dann mangels klassischen Zwangsmittels die so abgenötigte Auskunft verwertbar sein, weil nunmehr kein Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz vorliegt? Und auch der Gesetzgeber selbst sieht in der Vollstreckbarkeit der Auskunftspflicht keine notwendige Voraussetzung für die Einführung von Schutzmechanismen. § 65 Abs. 3 SGB AT sieht ein Auskunftsverweigerungsrecht vor, obwohl die allgemeine sozialrechtliche Auskunftspflicht nicht mit Hilfe von Zwangsmitteln durchgesetzt werden kann. Gelangt man damit zu dem Ergebnis, dass das Element des Zwanges nicht nur bei einer Androhung klassischer Beugemittel zu bejahen ist, fragt sich nunmehr, was dann alles als Zwang zur selbstbezichtigenden Offenbarung im Sinne des nemo-tenetur-Grundsatzes in Betracht kommt. (bb) Zwangslage nur bei existenzvernichtenden bzw. -bedrohenden Nachteilen Eine Beschreibung der für den nemo-tenetur-Grundsatz kennzeichnenden Zwangslage im Hinblick auf die zu erwartenden Nachteile bei einem Verschweigen der Aussage nahm zum ersten Mal das OLG Celle 614 vor. Dieses sah - anders als dann das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1995615 - bei der dem Versicherungsnehmer nach § 34 Abs. 1 VVG obliegenden Auskunftspflicht den Grundsatz vom nemo-tenetur als berührt an. Zur Begründung führte das Gericht an, dass das Prinzip auch bei solchen Pflichten gelten müsse, bei denen die anordnende Vorschrift zwingenden Charakter habe. Ein solcher läge dann vor, wenn an ein Schweigen vermögensrechtliche Auswirkungen geknüpft sind, die für den Betroffenen existenzvernichtend oder zumindest -bedrohend sein können. Zwar hat Rengier in seiner Anmerkung 616 überzeugend nachgewiesen, dass gerade für den Versicherungsnehmer einer Haftpflichtversicherung das Risiko, welches sich an die Verweigerung einer wahrheitsgemäßen Auskunft anknüpft, im schlimmsten Fall in der Inanspruchnahme in Höhe von 5.000,- DM besteht617 und insofern weder existenzvernichtend noch -bedrohlich ist. Gegen die Gleichsetzung einer durch Vermögensnachteile vermittelten existenzbedrohlichen Zwangslage mit der durch die Inaussichtstellung von Beugemitteln begründeten, ist damit aber in der Sache noch nichts ausgesagt. 614

In: JR 1982, 475 f. In: StV 1995, 562. 6,6 In: JR 1982,477 f.; ihm zustimmend KG, NStZ 1995,146; OLG Celle, NJW 1985,640; Dingeldey, NStZ 1984,529, 533; Geppert, Jura 1995,439,441; Meyer, JR 1986,170f.; v.Stetten, JA 1996, 55 f. 617 So bereits Geppert, DAR 1981, 301 f. 615

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Dementsprechend wurde in den folgenden Jahren diskutiert, ob die Situationen existenzvernichtender Nachteile und die der Androhung von Beugemitteln entsprechend zu behandeln sind und für beide der Schutzbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes als eröffnet anzusehen ist 618 . Unter Zugrundelegung der Tatsache, dass der Konflikt der Auskunftsperson, die mit dramatischen finanziellen Nachteilen im Falle einer Verweigerung der Auskunft rechnen muss, sehr viel bedrückender sein kann als jener auf der Androhung von Zwangsmitteln gründende, ist nicht nachzuvollziehen, warum in Fällen möglicherweise stärkeren Zwanges der Schutz des nemo-tenetur-Grundsatzes versagt bleiben soll. Gerade in diesen Sachverhalten ist die psychische Ausnahmesituation - Selbstbezichtigung wegen einer Straftat oder Existenzbedrohung - derart drastisch und die Entschlussfreiheit so sehr eingeschränkt, dass ein zum nemo-tenetur-Grundsatz führender Zwang jedenfalls dann zu bejahen ist, wenn es sich um eine staatlich vermittelte Einwirkung handelt. Bis hierher ist nunmehr ausgeführt, wann auf jeden Fall eine der Zwangsmittelandrohung vergleichbare Konfliktsituation des Auskunftspflichtigen vorliegt. Es fragt sich aber, ob weiterführend allein bei existenzbedrohlichen staatlich vermittelten Nachteilen der nemo-tenetur-Grundsatz neben dem traditionellen Anwendungsfeld berührt ist. (cc) Zwangslage bei drohendem Eintritt von den Zwangsmitteln gleichgestellten Nachteilen Bei einer Analyse der nach allgemeiner Ansicht 619 auf jeden Fall vom Schutzbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes erfassten Konfliktlage des mit staatlichen Zwangsmitteln bedrohten Auskunftspflichtigen erhält man Aufschluss über die Nachteile, die im konkreten Fall zu erwarten sind. Kommen als staatliche Maßnahmen die zwangsweise Vorführung, das Zwangsgeld und die Beugehaft in Frage, sind Willensfreiheit, Fortbewegungsfreiheit und Vermögen tangiert. Genügen derartige Einbußen, um dem Betroffenen den Schutz des nemo-tenetur-Grundsatzes zukommen zu lassen, sind damit zugleich die Anforderungen umrissen, die an eine Zwangslage im Sinne des nemo-tenetur-Grundsatzes mindestens zu stellen sind. Die Konfliktsituation muss auf der Inaussichtstellung solcher Nachteile beruhen, die der Durchsetzung der Auskunftspflicht mit den klassischen Zwangsmitteln ent618

HansOLG, JR 1986, 167, 170; Stürner, NJW 1981, 1757, 1762; vgl. auch KG, NStZ 1995,146; OLG Celle, NJW 1985,640; Dingeldey, NStZ 1984,529,533; Geppert, Jura 1995, 439,441, die aber allesamt im Falle des Versicherungsnehmers derartige drastische Einbußen verneinen; offen gelassen Meyer, JR 1986, 170 ff. 6,9 BVerfGE 56,37,41; BVerwG, ZBR 1997,229; BGHSt 36,328,333; 37,340,342f.; KG, NStZ 1995, 146f.; OLG Celle, NJW 1985, 640; OLG Düsseldorf, StV 1992, 503ff.; OLG Hamm, NStZ 1989, 187f.; Dietrich, Selbstbelastung, S.65; Dingeldey, NStZ 1984, 529, 533; Geppert, Jura 1995, 439, 441; Kramer, Strafverfahrensrecht, Rn.36; Meyer, JR 1986, 170f.; Reiß, NJW 1982, 2540f.; Schlächter, Strafprozeßrecht, S.55, insbes. Fn.310; Verrel, NStZ 1997,415.

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sprechen oder gleichwertig sind. Hält der Staat also im Falle der Nichtausübung einer Offenbarungspflicht ein solches Übel bereit, das mit den Auswirkungen der angeführten Beugemittel gleichrangig erscheint, ist kein Grund ersichtlich, die Geltung des nemo-tenetur-Grundsatzes zu verneinen 620. Die vom angeführten Prinzip garantierte Freiheit des Einzelnen, selbst darüber zu entscheiden, ob er sich belasten will oder nicht, ist bei einer derartig begründeten Drucksituation ebenfalls gefährdet. (dd) Übertragung der gefundenen Ergebnisse auf die Situation des Erpressten Erachtet man den Erpressten im Falle milderer Abwehrmittel in der Hand des Staates nach dem notwehrrechtlichen Grundsatz der Erforderlichkeit oder bei gleich intensiven polizeilichen Verteidigungsmöglichkeiten auf der Grundlage des staatlichen Gewaltmonopols für verpflichtet, behördliche Hilfe zur Rettung seiner Individualrechtsgüter in Anspruch zu nehmen, geht damit zugleich die Notwendigkeit einher, selbstbelastende Auskünfte zu offenbaren. Eine derartige Pflicht berührt den Schutzbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes nur, wenn ihre Erfüllung mit staatlichem Zwang sichergestellt ist. Für die Vollstreckbarkeit der beschriebenen Informationspflicht des Erpressten in einer Notwehrsituation zur Erlangung erforderlicher polizeilicher Unterstützung existieren keine gesetzlich ausdrücklich angeordneten Zwangsmaßnahmen, wie Beugehaft oder Zwangsgeld. Demzufolge kann obrigkeitlich verübter Druck in der vorliegenden Sachverhalts variante nur unter der Voraussetzung bejaht werden, dass dem Erpressten für den Fall der Verweigerung der Mitwirkung staatlicherseits solche Nachteile in Aussicht gestellt sind, die den durch Zwangsmittel intendierten entsprechen. Wendet sich der Betroffene zur Abwehr des erpresserischen Angriffs nicht an die Polizei, obwohl dort mildere oder zumindest gleich intensive Verteidigungsmittel zur Verfügung stehen und leistet er selbst Widerstand, so ist dies nach den Notwehrgrundsätzen nicht erlaubt und führt zu einer Strafbarkeit. Will er dies vermeiden, muss er den Forderungen des Erpressers nachkommen. Der Erpresste steht somit vor den Alternativen, entweder sich selbst zu belasten und staatliche Unterstützung zur Überführung des Erpressers zu erhalten oder dessen Angriff zu dulden und sich 620 AG Hofgeismar, 101 JS 13436/89-3 Ds-v. 3.10.89; Kadelbach, StV 1992, 506, 508; Ventzke, StV 1990, 279ff; vgl. auch Rüping/Kopp, NStZ 1997, 530, 534, die dies für die den Steuerpflichtigen im Falle einer unzureichenden Mitwirkung im Besteuerungsverfahren gem. § 162 Abs. 1, S. 1 in Verbindung mit Abs. 2, S. 2 AO treffende Schätzung der Besteuerungsgrundlagen bejahen; v. Stetten, JA 1996, 55 ff., die weiter gehend sogar völlig unabhängig von der Intensität der Zwangslage den nemo-tenetur-Grundsatz bei jedem Zwang für anwendbar hält; drohen also - wie im Falle des Versicherungsnehmers gem. § 34 VVG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Nr. 2, S. 3 AKB - nur geringfügige Vermögensnachteile, soll dies die Geltung des nemo-tenetur-Grundsatzes nicht ausschließen. Inwiefern dieser weiten Auffassung zu folgen ist, kann im Rahmen dieser Arbeit offen bleiben.

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selbst wegen einer Verteidigung nicht strafbar zu machen oder sich zu wehren und damit strafrechtlichen Sanktionen ausgesetzt zu sein. Damit wird auf seine Freiheit, darüber zu entscheiden, ob er sich selbst bezichtigen will oder nicht, Einfluss dergestalt ausgeübt, dass im Falle einer Verweigerung der Mitwirkung schwer wiegende Nachteile eintreten. Diese können einmal bei staatlicherseits abverlangter Hinnahme des erpresserischen Angriffs in der Verletzung von Willensentschließungsund Willensbetätigungsfreiheit und in der Schädigung des Vermögens bestehen. Hinzu kommt eine durch den erpresserischen Angriff vermittelte Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Angegriffenen. Bei einer eigenhändigen Verteidigung gegen den Erpresser macht sich der Betroffene strafbar und sieht sich - je nach Deliktsverwirklichung - einer Geld- oder Freiheitsstrafe ausgesetzt. Der durch das Inaussichtstellen der beschriebenen Übel (Duldung des Angriffs bzw. Strafbarkeit bei einer Verteidigung) vermittelte Zwang 621 ist dem durch die Androhung von Vorführung, Zwangsgeld und Beugehaft intendierten zumindest gleichgestellt. Folglich würde die mit einer Verweisung auf polizeiliche Hilfe zur Abwehr des erpresserischen Angriffs einhergehende Pflicht zur Selbstbelastung durch staatlichen Zwang flankiert 622. Der Schutzbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes wäre bei einer Forderung nach Inanspruchnahme staatlicher Unterstützung durch den mit der angedrohten Offenbarung einer Straftat Erpressten eröffnet. Bis zu diesem Punkt der Untersuchung scheint es also so, als ob das Bedürfnis des Bedrohten, sich nicht selbst bezichtigen zu müssen, als rechtlich geschütztes Interesse Anerkennung gefunden hat und demzufolge die mit einer Einbindung polizeilicher Hilfe einhergehende erzwungene Offenbarung des Geheimnisses als Preisgabe eigener Rechtsgüter anzusehen wäre. Da eine solche nach allgemeiner Ansicht vom Notwehrenden nicht verlangt werden kann, ergäbe sich als Konsequenz die Zulässigkeit einer eigenhändigen Verteidigung gegen den erpresserischen Angriff. Ein derartiges Resultat befürwortet eine Ansicht 623 in der Literatur zur Problematik der Notwehr gegen Schweigegelderpressungen in der Tat im Rahmen der Erforderlichkeit. Vertreter dieser Ansicht sind - allerdings ohne sich mit der Materie ausführlich auseinander gesetzt zu haben - der Meinung, bei einer Einschaltung der Polizei müsse der Erpresser das Geheimnis, welches ihn kompromittiert, an diese weitergeben. Darin aber sei eine Aufopferung eigener Interessen zu erblicken, die das Erforderlichkeitsprinzip nicht verlange. 621 Für die Annahme eines Zwanges im Sinne des nemo-tenetur-Grundsatzes bei der Ahndung der Verletzung der Auskunftspflicht mit einer Geldbuße oder Kriminalstrafe auch: Böse, wistra 1999, 451,453; Wolff, Selbstbelastung, S. 131. 622 So auch Amelung, GA 1982, 381, 397, der ausführt, dass die Versagung oder Einengung des Notwehrrechts, den Zwang verstärkt, sich dem Staat zu stellen, um das Vermögen gegen den Erpresser zu schützen. (Hervorhebung durch Verfasserin). 623 Amelung, GA 1982, 381, 387; ders., NStZ 1998, 70; Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn.52; Sternberg-Lieben, JA 1996, 299, 303.

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Allerdings ist der Schluss auf ein solches Ergebnis voreilig. Die Rechtsordnung gewährt nämlich aufgrund der Anknüpfung an das einschränkbare allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG keinen lückenlosen Schutz der Freiheit, sich nicht selbst wegen einer Straftat bezichtigen zu müssen624. Ein Zurückdrängen jener zugunsten anderer Belange kann zulässig sein, mit der Folge, dass es dem Betroffenen verwehrt ist, sich auf die absolute Gewährleistung dieses Rechts in einer bestimmten Konfliktsituation zu berufen. Dann wäre ihm die Preisgabe dieses Interesses folglich zumutbar und stünde einer Inanspruchnahme polizeilicher Hilfe nicht entgegen.

(2) Einschränkungen der Selbstbelastungsfreiheit Die Verpflichtung des mit einer erpresserischen Drohung rechtswidrig Bedrängten zur Einbindung polizeilicher Hilfe bezweckt zunächst zweierlei: Befinden sich in der Hand des Staates die milderen Abwehrmittel zur Ausschaltung des Angriffs ist auf diesem Wege sichergestellt, dass der im Notwehrrecht geltende Grundsatz der größtmöglichen Schonung des Angreifers gewahrt bleibt. In dessen Rechtsgüter darf nach der Regelung des § 32 StGB nur insoweit eingegriffen werden, wie dies zur Abwehr seines bedrohlichen Verhaltens erforderlich ist. Neben der möglichst schonenden Belastung des Angreifers wird mit der Forderung nach einer Einbeziehung der Ermittlungsbehörden in die Verteidigung zudem gewährleistet, dass der primär zur Abwehr rechtswidriger Angriffe berufene Staat diese Aufgabe wahrnimmt. Letztgenannter Punkt erlangt eine gesteigerte Bedeutung dann, wenn das staatliche Verteidigungsarsenal im Vergleich zum privaten nicht milder, sondern ebenso intensiv ist. In diesem Fall zielt die Verweisung des Erpressten in der Notsituation an die Polizei allein auf die Wahrung des staatlichen Gewaltmonopols ab. Indirekt dient die angestrebte Offenbarung der Straftat im Rahmen der an die Polizei gerichteten Information, wegen dieser erpresst zu werden, sowohl der Strafverfolgung des Hilfesuchenden als auch der seines Widersachers. Mit der erzwungenen Preisgabe der Umstände der Erpressung kann für beide der gem. § 152 Abs. 2 StPO erforderliche Anfangsverdacht bejaht werden. Hinsichtlich der Straftaten sind die Ermittlungsverfahren einzuleiten. Mit diesen herausgestellten Zielen konkurriert das Bestreben des Erpressten, sich nicht selbst wegen der von ihm begangenen Straftat bezichtigen zu müssen. Ob sich sein Interesse durchsetzen kann, ist allein - ausgerichtet am konkreten Einzel624

BVerfGE 56, 37,42; BVerfG, wistra 1988, 302; BGHSt 37, 240, 242; BGH, wistra 2002, 149; OLG Celle, NJW 1985, 640; Amelung, GA 1982, 381, 397; Dietrich, Selbstbelastung, S.64; Fischer, Selbstbelastungspflichten, S.94; Kramer, Strafverfahrensrecht, Rn.36; Nothhelfer, Selbstbezichtigungszwang, S. 85; Reiß, Besteuerungsverfahren, S. 171.

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fall - im Wege der Abwägung zu entscheiden625. Dabei intendiert das methodische Hilfsmittel der Güterabwägung 626 zur Bewältigung von Interessenkollisionen drei Lösungsalternativen: 1. dem Selbstschutzinteresse gebührt der uneingeschränkte Vorrang, 2. den mit der Forderung nach Inanspruchnahme staatlicher Hilfe verfolgten Interessen ist ein höherer Wert einzuräumen und 3. eine eindeutige Vorrangstellung eines Belanges ergibt sich nicht; eine angemessene Wahrung jedes Wertes muss mittels des Proportionalitätsprinzips gefunden werden. Eine Vorrangstellung der Selbstbelastungsfreiheit für den Fall, dass der Staat über die milderen Abwehrmittel verfügt, wäre deshalb denkbar, weil die mit der Inanspruchnahme polizeilicher Hilfe einhergehende Selbstbelastung des Erpressten zunächst einmal unmittelbar allein dem Angreifer zugute kommt. Es fragt sich, ob sich nicht von vornherein die Waage zugunsten einer umfassenden Gewährleistung der Selbstbezichtigungsfreiheit neigt. Verhältnismäßigkeitserwägungen zwischen den in einer Notwehrsituation betroffenen Rechtsgütern des Angegriffenen und des Angreifers sieht § 32 StGB nämlich prinzipiell 627 gerade nicht vor 628 . Den durch rechtswidriges Verhalten in Gefahr geratenen Interessen des Notwehrenden gebührt immer der Vorrang. Bei einer derartigen Argumentation würde allerdings übersehen, dass dieser Ausschluss einer Abwägung nur für die durch den Angriff und seine Abwehr tangierten Werte gilt. Diese Problematik ist aber unabhängig von der hier vorliegenden Interessenkollision. Bei dem Erfordernis einer Inanspruchnahme polizeilicher Hilfe geht es um die im Rahmen der Abwehr unter Umständen preiszugebenden Interessen des Angegriffenen, die dem Angreiferbedürfnis an einer möglichst maßvollen Reaktion gegenüberstehen. Ein Verbot, diese durch eine Abwägung in ein angemessenes Verhältnis zueinander zu setzen, ist der Regelung des § 32 StGB nicht zu entnehmen. Es ist vielmehr eine grundsätzliche Frage, ob die Rechtsordnung Schutz für ein bestimmtes Bedürfnis gewährt und wieweit dieser reicht. Eine Antwort darauf kann nur außerhalb der Erlaubnisnorm des § 32 StGB gefunden werden. Ein Weiteres kommt hinzu: Letztlich lässt sich jede Wahrung individueller Belange wegen der vom Grundgesetz für das Spannungsverhältnis Individuum - Gemein625 BGH, wistra 2002, 149; Dietrich, Selbstbelastung, S.63; Günther, GA 1976, 193, 199; Nothhelfer, Selbstbezichtigungszwang, S. 85; Rogall, SK-StPO, Vor § 133 Rn. 132. 626 Zu den Bedenken gegen einen Rückgriff auf dieses Prinzip vgl. Nothhelfer, Selbstbezichtigungszwang, S. 85 ff. 627 Allenfalls im Rahmen der Gebotenheit einer Notwehrhandlung wird im Hinblick auf sozialethische Einschränkungen diesem Grundsatz Beachtung geschenkt. Vgl.: Ebert, Strafrecht AT, S. 78; Stratenwerth, Strafrecht AT I, § 9 Rn. 84; Kühl, Strafrecht AT, § 7 Rn. 177. 628 BGH, NStZ 1996, 29; Ebert, Strafrecht AT, S. 76; Gropp, Strafrecht AT, § 6 Rn. 80; Herzog, NK-StGB, §32 Rn. 61; Jakobs, Strafrecht AT, 12. Abschn. Rn.30; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT, § 32 II 2 b; Kühl, Strafrecht AT, § 7 Rn. 4, 116; Lackneri Kühl, StGB, § 32 Rn. 11; Lenckner/Perron, Schönke/Schröder, StGB, § 32 Rn. 34; MaurachlZipf Strafrecht AT 1, § 26 Rn. 30; Mitsch, Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT, § 17 Rn. 25; Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn. 47; Spendel, LK-StGB, §32 Rn.224; TröndlelFischer, StGB, §32 Rn. 17; Wessels/ Beulke, Strafrecht AT, Rn. 339.

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schaft entschiedenen Gemeinschaftsbezogenheit und -gebundenheit der Person 629 zugleich als Gewährleistung allgemeiner Interessen verstehen630. So dient die Beschränkung des Notwehrenden in seiner Abwehr zugunsten des rechtswidrig Handelnden zugleich übergeordneten gesellschaftlichen Zielen. Die Rechtlichkeit im Sinne einer Respektierung des Angreifers als Rechtsperson auch im Falle seines Bruchs des gegenüber dem Angegriffenen bestehenden AnerkennungsVerhältnisses ist der Gemeinwohlbelang, dem über die Erforderlichkeit Geltung verschafft wird 631 . Der Angriff führt nicht in den Urzustand zurück, in welchem der Angreifer nach Lust und Laune zurückgeschlagen werden kann 632 . Und schließlich dient die Verweisung auf polizeilichen Beistand auch im Falle milderer staatlicher Abwehrmittel dem öffentlichen Zweck der Wahrung des staatlichen Gewaltmonopols. Ein Ansatzpunkt für eine vollständige Zurückdrängung der Selbstbelastungsfreiheit könnte der Gedanken sein, dass das öffentliche Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung als übergeordneter Belang stets vorgeht. Diesem ist als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips633 verfassungsrechtlicher Rang zuzusprechen634. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht dessen hohen Wert wiederholt betont und das unabweisbare Bedürfnis einer effizienten Strafverfolgung unmissverständlich anerkannt 635 . Allerdings bringen vor allem die Regelungen der §§136 Abs. 1, S. 2, 55 Abs. 1 StPO klar zum Ausdruck, dass im Verhältnis von öffentlichem Strafverfolgungsinteresse und Selbstbezichtigungsfreiheit ersterer ein Vorrang nicht eingeräumt ist 636 . Im Spannungsfeld von öffentlichem Strafverfolgungsinteresse und Selbstbezichtigungsfreiheit wird vielmehr das Individualinteresse vom Gesetzgeber als höherwertig eingestuft. Diesem hohen Rang entspricht die zusätzliche Absicherung der durch den nemo-tenetur-Grundsatz gewährten Freiheit durch ein Verwertungsverbot hinsichtlich trotzdem - rechtswidrig - abgenötigten Auskünften 637. Aus dieser Konfliktlösung lässt sich nun aber nicht umgekehrt der Schluss ziehen, dass der Selbstbezichtigungsfreiheit immer der Vorrang gebührt. Eine derartige Vorzugsregel 629

BVerfGE 4, 7, 15; 8, 274, 329; 27, 344, 351; 56, 37, 49; 65, 1, 44; BVerfG, wistra 1988,

302. 630 631 632 633

v. Arnauld, Freiheitsrechte, S.232. Alwart, JuS 1996, 953f.; Jakobs, Rechtfertigung und Entschuldigung IV, S. 143, 149f. Geilen, Jura 1981,308, 314; Jakobs, Rechtfertigung und Entschuldigung IV, S. 143,149. BVerfGE 33,367,383; 34,238,248f.; 38,105,115f.; 39,156,163; 41,246,250; 44,353,

374. 634

Günther, GA 1976, 193,199; Nothhelfer, Selbstbezichtigungszwang, S.89. BVerfGE 33, 367, 383; 36, 174, 186; 38, 105, 116; 44, 353, 374; BVerfG, NJW 2002, 3619, 3624. 636 Günther, GA 1976,193,201 f.; Nothhelfer, Selbstbezichtigungszwang, S.90,92,99; Rogall, Beschuldigte, 147; Seebode, JA 1980, 494,497; Stürner, NJW 1981, 1757, 1759. 637 Für den Beschuldigten vgl.: BVerfGE 56, 37,43; BVerfG, StV 1995, 505 f.; Otto, wistra 1983, 233; für den Zeugen vgl. Grünwald, Beweisrecht, S. 147; Paulus, KMR-StPO, §55 Rn. 19. 635

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

gilt nur, wenn allein Strafverfolgungsinteresse und Selbstbezichtigungsfreiheit einander gegenüberstehen. Neben dem öffentlichen Strafverfolgungszwecken diente die Pflicht zur Inanspruchnahme polizeilicher Hilfe hier aber in erster Linie anderen Belangen. Für diese lässt sich eine Lösung für den Fall der Kollision dem Gesetz gerade nicht entnehmen: Eine strafprozessuale Verfahrensrolle nimmt der Angegriffene im Zeitpunkt seiner mit dem Hilfeersuchen verbundenen Selbstbelastung nicht ein. Lässt sich ein eindeutiger Vorrang des einen oder anderen Belanges nicht feststellen, ist nunmehr die Frage aufgeworfen, ob und wie beide Bereiche kollidierender Interessen unter ihrer größtmöglichen Wahrung in Einklang zu bringen sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Selbsterhaltungsbedürfnis des Erpressten nicht allein dadurch ausreichend Rechnung getragen werden kann, dass man ihm - ähnlich wie dem Beschuldigten oder Zeugen im Strafverfahren - ein uneingeschränktes Auskunftsverweigerungsrecht einräumt. Konsequenz einer derartigen Absicherung wäre die Ablehnung einer Pflicht zur Inanspruchnahme polizeilicher Hilfe in einer Notwehrsituation, da sie dann mit der erzwungenen Auskunft in einen rechtlich gewährleisteten Bereich eingreifen würde. Zwar lassen sich die Bedürfnisse des Erpressten auf einem solchen Wege am umfassendsten schützen. Mangels Beeinträchtigung seiner Menschenwürde bei einem Zwang zur Selbstbelastung im Stadium eines notwehrrechtlich veranlassten Hilfeersuchens an die Polizei 638 ist eine derartige absolute Absicherung aber nicht geboten. Einschränkungen der umfänglichen Schutzwirkung des nemo-tenetur-Grundsatzes sind je nach Person des Auskunftspflichtigen und Zweck seiner Aussage möglich 639 und aufgrund der herausgestellten schutzwürdigen Belange des Angreifers und der Allgemeinheit in der Sache begründet. Neben der Alternative, die selbstbelastende Aussage verweigern zu dürfen, hält die Rechtsordnung weitere Instrumentarien bereit, um einen möglichst schonenden Ausgleich der divergierenden Interessen zu erreichen 640. Sollte eines dieser auch für den thematisierten Sachverhalt Anwendung finden können, sind die Belange des Erpressten nur in dem aufgezeigten Rahmen geschützt. Darüber hinausgehende Garantien kann er aus dem nemo-tenetur-Grundsatz dann nicht ableiten. Eine gewisse Kompensation für eine Selbstbelastung kann für die vorliegende Konstellation der Betroffenheit eines Erpressten durch die Regelung des § 154 c StPO angenommen werden 641. Die darin vorgesehene fakultative Möglichkeit eines Absehens von Strafverfolgung wegen der vom Erpressten begangenen Straftat mindert die Gefahr einer Verurteilung aufgrund der getätigten Äußerungen. Allerdings 638

Vgl. die Ausführungen im Text 2. Teil, § 3 B. III. 4. b) aa) (1) (a). BVerfGE 56, 37, 42; Kramer, Strafverfahrensrecht, Rn. 36; Nothhelfer, Selbstbezichtigungszwang, S.85. 640 Nothhelfer, Selbstbezichtigungszwang, S. 87 f. 641 Sogar außerhalb einer Selbstbelastung für einen Erpressten oder Genötigten wird in einer analogen Anwendung des § 154 c StPO von einigen eine angemessene Bewältigungsstrategie für die Selbstbezichtigungsproblematik gesehen. Vgl. Ruck, § 142, S. 181 ff.; s.a. Thirolf Kollision, S. 127 ff. 639

§ 3 Verteidigungshandlung

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steht eine derartige Praxis im Ermessen der Staatsanwaltschaft und betrifft darüber hinaus lediglich die Fälle, in denen eine Sühne nicht unerlässlich ist. Nach Nr. 102 Abs. 1 RiStBV soll eine Einstellung dann erfolgen, wenn die Nötigung oder Erpressung strafwürdiger ist als die Tat des Genötigten oder Erpressten. Die Folge wäre, dass nur bei im Vergleich zu §§ 240, 253 StGB leichteren Taten eine Einstellung überhaupt in Betracht kommt. Damit wird aber das eine Abwägung gerade nicht vorsehende Unerlässlichkeitsmerkmal durch eine engeres Kriterium ersetzt 642. Da dies einen Verstoß gegen höherrangiges Recht darstellt, ist Nr. 102 RiStBV insofern unwirksam 643. Ein Absehen von der Verfolgung kommt auch hinsichtlich solcher Taten in Betracht, die strafwürdiger sind als Nötigung und Erpressung 644. Jedoch sind bei besonders schwerwiegenden Delikten die Grenzen der an den Strafzwecken orientierten Erlässlichkeit 645 einer Sühne erreicht 646. Hat der Erpresste also drastisches Unrecht begangen, bleibt das Risiko eines Strafverfahrens und damit einhergehend das einer Verurteilung aufgrund der selbst offenbarten Tatsachen bestehen. Zudem ist wegen der Ermessenszuweisung die Reaktion der Staatsanwaltschaft für den Betroffenen letztlich ungewiss. Mit der Verweisung auf die Einstellungsvariante des § 154 c StPO kann folglich nicht in jedem Fall für den Erpressten ein vertretbarer Ausgleich seiner Belange mit den dazu kollidierenden Interessen begründet werden. Nur wenn tatsächlich die Voraussetzungen einer Einstellung vorliegen, das Ermessen der Staatsanwaltschaft also auf Null reduziert ist, hat das Bedürfnis des Straftäters, sich nicht selbst bezichtigen zu müssen, über die Regelung des § 154 c StPO eine angemessene Berücksichtigung gefunden. Für die von § 154 c StPO nicht erfassten Sachverhalte kann nur ein anderes Modell zum Ausgleich der kollidierenden Belange in Betracht kommen. Anders als bei solchen Rechtsgütern wie Leben, Leib, Eigentum, Besitz usw., die bei einem gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff durch die Herbeiholung polizeilicher Hilfe im Normalfall endgültig verletzt 647 sind 648 , lässt sich dies bei dem Ein642

Krause, MSchrKrim 1969, 214, 217; Rahn, Kriminalpolitische Gegenwartsfragen, S. 227, 234; Rieß, LR-StPO, § 154c Rn. 8; Schmöe, NJW 1956, 212. 643 Radtke, Strafklageverbrauch, S.252; Rieß, LR-StPO, § 154c Rn.8; Schmöe, NJW 1956,

212.

644 Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 154c Rn.2; Krehl, HK-StPO, § 154c Rn.3; Pfeiffer, StPO, § 154 c Rn.2; Plöd, KMR-StPO, § 154 c Rn. 4; Radtke, Strafklageverbrauch, S.252; Ranft, Strafprozeßrecht, Rn. 1217; Rieß, LR-StPO, § 154c Rn.8; Schoreit, KK-StPO, § 154c Rn.4. 645 Krehl, HK-StPO, § 154c Rn. 3; Radtke, Strafklageverbrauch, S. 253; Rieß, LR-StPO, § 154c Rn. 6. 646 Krause, MSchrKrim 1969, 214, 217; Radtke, Strafklageverbrauch, S.253; Rahn, Kriminalpolitische Gegenwartsfragen, S.227, 235; Willigmann, NJW 1955, 1747, 1748f. 647 Die mit dem Herbeiholen polizeilicher Hilfe verbundene Duldung des Angriffs führt eben dazu, dass dem Angreifer die Tötung oder Verletzung des Angegriffenen gelingt bzw. zum Beispiel Diebstahl oder Unterschlagung beendet werden können. 648 Aus diesem Grund wird in derartigen Konstellationen - obwohl diese Individualrechtsgüter gleichermaßen nicht unantastbar garantiert sind - richtigerweise auch keine Abwägung zwischen dem Individualrechtsgut des Angegriffenen und dem Interesse des Angreifers an der

13 Kroß

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

griff in den vom nemo-tenetur-Prinzip abgesicherten Bereich noch nicht sagen. Die verfassungsrechtliche Garantie, nicht durch eigene Aussagen, an der strafrechtlichen Überführung mitwirken zu müssen, wird entscheidend relevant erst in dem strafrechtlichen Verfahren gegen den Erpressten selbst. Hier aber bietet sich die Möglichkeit, die durch die Auskunftspflicht hervorgerufene Beeinträchtigung durch ein Verwertungsverbot im Hinblick auf die dabei offenbarten Tatsachen zu kompensieren. Mit anderen Worten: Hält man den Erpressten für verpflichtet, staatliche Hilfe zur Abwehr der Erpressung in Anspruch zu nehmen, geht damit die Pflicht einher, selbstbelastende Tatsachen zu offenbaren. Die Auferlegung dieser Pflicht kann nur dann zulässig sein, wenn sie durch ein strafrechtliches Verwertungsverbot ergänzt wird. Schließt sich an die Offenbarung der Straftat ein strafrechtliches Verfahren eben wegen dieser Tat an und kommt es nicht gem. § 154 c StPO zu einer Einstellung, steht dem Erpressten als nunmehr Beschuldigtem gem. § 136 Abs. 1, S. 2 StPO ein uneingeschränktes Schweigerecht zu. Dieses würde leer laufen, wenn eine außerhalb des konkreten Strafverfahrens erzwungene Selbstbezichtigung, die nicht dem Zwecke der strafrechtlichen Überführung, sondern allein der Abwehr eines erpresserischen Angriffs unter Wahrung der Interessen des Angreifers und des staatlichen Gewaltmonopols diente, gegen seinen Willen strafrechtlich gegen ihn verwertet werden dürfte. Eine derartige Lösung hat das Bundesverfassungsgericht auch für die dem vorliegenden Fall vergleichbare Konfliktlage des Gemeinschuldners bevorzugt 649. Allein durch eine Statuierung eines Verwertungsverbotes seien die involvierten Interessen in einen angemessenen Ausgleich gebracht und die uneingeschränkte Auskunftspflicht des Gemeinschuldners verfassungsrechtlich zu rechtfertigen. Dieses Abwägungsergebnis hat in der Literatur zu Recht breite Zustimmung gefunden 650. Ist eine uneingeschränkte Informationspflicht geboten, kann die sich daraus ergebende Selbstbezichtigungsproblematik nur durch ein zweckbindendes Verwertungsverbot aufgelöst werden. Allein dadurch wird verhindert, dass eine erzwungene Selbstbezichtigung in eine Selbstüberführung umschlägt651. Ein solcher Lösungsweg wurde auch bei ähnlichen Sachverhalten für zweckmäßig erachtet 652. mildesten Art der Verteidigung und dem des Staates an der Wahrung des Gewaltmonopols vorgenommen. Müssten diese Rechtsgüter bei einer Inanspruchnahme staatlicher Hilfe preisgegeben werden, ist dies von vornherein mangels Kompensationsmöglichkeit des Eingriffs unverhältnismäßig. Ein derartiger Verlust kann dem Angegriffenen nicht angesonnen werden. 649 BVerfGE 56, 37, 50f. ™ Dingeldey, NStZ 1984, 529ff.; Kühne, EuGRZ 1981, 313; Nothhelfer, Selbstbezichtigungszwang, S. 100; Otto, wistra 1983, 233; Rogall, SK-StPO, vor § 133 Rn. 132, 158f.; Rüping/Kopp, NStZ 1997,530,533; Streck, StV 1981,362f.; Stürner, NJW 1981,1757,1763; Verrel, NStZ 1997, 361 f. 651 Rogall, SK-StPO, Vor § 133 Rn. 158. 652 Vgl.: Rüping/Kopp, NStZ 1997,530,534; Streck, StV 1981,362,364 für den Bereich des Steuerrechts mit der Statuierung eines VerwertungsVerbots, welches über die Regelung des § 393 AO hinausgeht; v. Stetten, JA 1996,55,58 f. für die gegenüber dem Versicherer gem. § 34 VVG i.V. m. §7 AKB gemachten selbstbelastenden Auskünfte.

§ 3 Verteidigungshandlung

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Schließlich gibt es sogar im Bereich des materiellen Strafrechts eine Konfliktlage, die sich ebenfalls - nach einer Auffassung in der Literatur 653 - nur mit der Annahme eines Verwertungsverbotes verfassungsentsprechend lösen lässt. Gem. § 142 Abs. 2, 3, S. 1 StGB ist ein Unfallbeteiligter verpflichtet, die in § 142 Abs. 1, S. 1 StGB beschriebenen Angaben der Polizei gegenüber zu tätigen, wenn allein dies eine unverzügliche Nachholung der Feststellungen darstellt. Da zu den vorgeschriebenen Auskünften insbesondere die Art seiner Beteiligung und die Angabe, Unfallbeteiligter zu sein, gehören, stellen diese regelmäßig eine Selbstbelastung dar 654 . Es wird eine aktive Mitwirkung an der eigenen Überführung verlangt. Der Unfallbeteiligte wird gezwungen, Beweismaterial gegen sich selbst zu liefern, das dann in einem Strafverfahren wegen Straßenverkehrsgefährdung, fahrlässiger Körperverletzung und ähnliches gegen ihn Verwendung finden kann. Infolge der Strafandrohung bei einer Nichttätigung der Angaben, bewirkt das Gebot einen Eingriff in den verfassungsrechtlich verankerten nemo-tenetur-Grundsatz 655. Um diesen zu rechtfertigen, bedarf es zugunsten des Verpflichteten eines unmittelbar aus der Verfassung abzuleitenden VerwertungsVerbotes 656. Ohne die Ergänzung eines solchen ist die Vorschrift ansonsten vor den Wertungen des Grundgesetzes nicht haltbar 657.

653 Berthold, Selbstbezichtigung, S. 26; Denzlingen ZRP 1982, 178 f.; Magdowski, Verkehrsunfallflucht, S. 175; Maurach! Schroeder! Maiwald, Strafrecht BT 1, §49 Rn. 12; Seebode, JA 1980, 493, 498; Reiß, Besteuerungsverfahren, S. 201 ff.; wegen angenommener fehlender Realisierungschance gegen ein Verwertungsverbot: Cramer, ZRP 1987, 157, 161; Dünnebier, GA 1957, 33, 42; Geppert, BA 1986, 157, 163; Müller-Metz, NZV 1994, 89, 92; Park, DAR 1993, 246, 248; Thirolf, Kollision, S. 132f. 654 Arzt/Weber, Strafrecht BT, § 38 Rn.49, 52; Cramer, ZRP 1987, 157 f.; Denzlingen ZRP 1982, 178; Geppert, BA 1986, 157, 161; Müller-Metz, NZV 1994, 89, 92; Ruck, § 142, S.75; Rudolphi, SK-StGB, § 142 Rn. 6; Schünemann, DAR 1998,424,427f.; Seebode, JA 1980,493, 497. 655 Dass ein Eingriff überhaupt vorgenommen werden darf, folgt auch hier aus der Stellung des Unfallbeteiligten, der im Zeitpunkt der Nachholung der Feststellungen bei der Polizei noch nicht Zeuge/Beschuldigter ist. 656 Gestützt wird dieser Gedanke vor allem auf eine Regelung des englischen Rechts (Art. 23 Road Traffic Act), wonach Feststellungen aus Anlass eines Verkehrsunfalls überhaupt nicht strafrechtlich verwertet werden dürfen. Vgl. Denzlingen ZRP 1982, 178 f.; Magdowski, Verkehrsunfallflucht, S. 175. Reiß, NJW 1980,1806 weist zudem auch auf eine Entscheidung des US Supreme Court (402U. S. 424 [1971] Byers v. California) hin, in welcher eine dem § 142 StGB entsprechende kalifornische Strafvorschrift nur für verfassungsgemäß gehalten wurde, wenn sie durch ein aus der Verfassung abzuleitendes Beweisverwertungsverbot für ein Strafverfahren ergänzt wird. Für eine durch restriktive Normauslegung nicht zu verhindernde Selbstbezichtigung befürwortet auch Schneider, Selbstbegünstigungsprinzip, S. 151 ein Verwertungsverbot; kritisch zu einem Verwertungsverbot insbes. Verrel, Selbstbelastungsfreiheit, S.98f. 657 Für Verfassungswidrigkeit im Hinblick auf eine Meldepflicht zumindest gegenüber der Polizei: Dietrich, Selbstbelastung, S. 106, 136; Reiß, Besteuerungsverfahren, S.204; Schild, NK-StGB, § 142 Rn. 29; Schünemann, DAR 1998, 423, 429.

13*

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

(3) Zusammenfassung und Ergebnis Ausgangspunkt der Untersuchung in diesem Teil der Arbeit war die Überlegung, dass im Rahmen der Erforderlichkeit der Verteidigung gem. § 32 Abs. 2 StGB eine Inanspruchnahme polizeilicher Hilfe für den Erpressten nur in Betracht kommt, wenn eine solche nicht mit einer Preisgabe rechtlich geschützter Interessen verbunden ist. Bei einer Einbeziehung der staatlichen Ermittlungsbehörden muss der Angegriffene aber die Straftat, mit deren Aufdeckung er nun unter Druck gesetzt wird, offenbaren. Denkbar war demzufolge ein Eingriff in die durch den nemo-teneturGrundsatz abgesicherte Freiheit, nicht durch Zwang zu einer Selbstbelastung genötigt zu werden. Allerdings wurde aufgezeigt, dass dieses Recht nicht als absolutes garantiert ist. Einschränkungen sind bei angemessener Kompensation zulässig. Soweit ein derartiges Ausgleichsinstrumentarium gegeben ist, kann vom Betroffenen eine selbstbelastende Auskunft verlangt werden. Ein rechtlich anerkanntes Interesse an einem Verschweigen ist ihm dann nicht mehr zuzubilligen und insofern bedeutet die Pflicht zur Offenbarung im Rahmen der Notwehr keine Preisgabe rechtlich geschützter Werte. Da mit der Norm des § 154 c StPO und vor allem durch die Möglichkeit, hinsichtlich der belastenden Tatsachen ein Verwertungsverbot anzunehmen, Regularien vorhanden sind, die das Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung eben gerade aufgrund der Offenbarung ausschließen, führt die für erforderlich erachtete Inanspruchnahme polizeilicher Hilfe zur Abwehr des erpresserischen Angriffs trotz einhergehender Selbstbezichtigung nicht zu einer unzumutbaren Aufopferung rechtlich geschützter Belange des Bedrohten. Es kann von ihm verlangt werden, sich an die Polizei zu wenden. Allein diese Reaktion ist die gem. § 32 Abs. 2 StGB erforderliche Verteidigung. Jede eigene Selbsthilfehandlung ist als nicht notwendig zu erachten und insofern nicht erlaubt. Im Ergebnis wird der mit der Offenbarung einer Straftat Erpresste wie jeder andere Erpresste behandelt. Aufgrund der eingeräumten Zeit ist zur Abwehr des rechtswidrigen Angriffs, die Polizei einzuschalten, da diese entweder über die milderen oder zumindest über ebenso intensive Verteidigungsalternativen wie die Privatperson selbst verfügt. bb) Interesse, sich nicht selbst kompromittieren

zu müssen

Wird eine Person mit der Ankündigung, ihr unmoralisches oder gesellschaftlich geächtetes Verhalten an die Öffentlichkeit zu bringen, unter Druck gesetzt, führt eine Inanspruchnahme polizeilicher Hilfe zu einer Offenbarung des bislang sorgsam gehüteten Geheimnisses. Es stellt sich somit wiederum die Frage, inwiefern und vor allem inwieweit das Bedürfnis des rechtswidrig Angegriffenen, derartig kompromittierende Tatsachen nicht preisgeben zu müssen, als rechtlich geschütztes Interesse Anerkennung gefunden hat. Nur wenn im Hinblick darauf ein Ergebnis gefunden

§ 3 Verteidigungshandlung

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ist, kann die Problematik der Erforderlichkeit eigener Verteidigungshandlungen des solcherart Erpressten gelöst werden. (1) Nemo-tenetur-Grundsatz Vorgezeichnet wäre die Antwort möglicherweise auf recht einfachem Wege schon dann, wenn das Prinzip der Selbstbelastungsfreiheit über den strafrechtlich relevanten Bereich hinausgehend für den Einzelnen auch die Absicherung enthält, grundsätzlich keine kompromittierenden Tatsachen gezwungenermaßen selbst offenlegen zu müssen. In dem Fall stünde bereits nach den bisherigen Ausführungen fest, dass die über den nemo-tenetur-Grundsatz gegebene Garantie für die Rechte des Individuums keine absolute ist, vom Betroffenen also gewisse Einschränkungen hinzunehmen sind. Übertragen auf die Notwehr würde dies bedeuten, dass die Preisgabe des diskreditierenden Verhaltens, die mit der Einbindung der staatlichen Ermittlungsbehörden zwangsläufig verbunden ist, dem Angegriffenen zugunsten einer größtmöglichen Schonung des Angreifers und der Wahrung des Gewaltmonopols zuzumuten ist. Ein derartig weites Verständnis des nemo-tenetur-Prinzips kann jedoch nicht angenommen werden 658. Das Verbot eines Zwanges zur strafrechtlich relevanten Selbstbelastung soll davor schützen, dass der Betroffene durch Auskünfte zu seiner eigenen Verurteilung beitragen muss. Die Selbstbezichtigungsproblematik wird wirklich brisant erst in einem strafrechtlichen Verfahren. Ein solches kann im Zeitpunkt der Aussage bereits laufen, oder es besteht die Gefahr seiner Einleitung gegen die Auskunftsperson aufgrund ihrer Äußerung. Im Hinblick auf die dort möglichen staatlichen Sanktionen ist der Einzelne davor zu bewahren, Sprachrohr seiner eigenen Überführung zu werden. Das Risiko einer staatlichen Ahndung fehlt jedoch bei einem Zwang zur Offenbarung „lediglich" bloßstellender Sachverhalte. An die Kundgabe knüpfen sich staatlicherseits keine weiteren Nachteile an 659 . Insofern greift der nemo-tenetur-Grundsatz nach seinem Schutzzweck nicht ein. Dieses Verständnis widerspiegelt sich auch in der Strafprozessordnung. Die StPO unterscheidet beim Zeugen ausdrücklich zwischen dem Zwang zu einer Aussage, durch welche man sich der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzen würde, und der Pflicht, Fragen nach Tatsachen, die den persönlichen Lebensbereich betreffen, zu beantworten. In dieser Privatsphäre sind die Mehrzahl der hier thematisierten Chantagefälle angesiedelt. Während im ersten Fall als Konsequenz des Geltungsbereiches des nemo-tenetur-Prinzips für den Zeugen ein (beschränktes) Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 55 Abs. 1 StPO statuiert ist, legt § 68 a Abs. 1 StPO für den zweiten Bereich lediglich fest, dass derartige Fragen dem Zeugen nur gestellt werden sollen, wenn es unerlässlich ist. Fiele der staatliche Druck zur Preisgabe jeglichen kompromittierenden Verhaltens in den Schutzbereich des nemo-tenetur658 659

Vgl. Rogall, SK-StPO, Vor § 133 Rn. 150. So auch Rogall, SK-StPO, Vor § 133 Rn. 150.

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

Grundsatzes, wäre hier gleichfalls eine Regelung entsprechend § 55 StPO angebracht gewesen. Der alleinige Verweis auf die beim erpressten Straftäter unter Zugrundelegung des nemo-tenetur-Grundsatzes gefundenen Lösung kann für die nunmehr thematisierten Konstellationen folglich nicht genügen. (2) Schutz des Zeugen Mit § 68 a StPO ist bereits die Vorschrift benannt, die auf das Bedürfnis des Zeugen, kompromittierende Geschehnisse aus dem privaten Bereich nicht offenbaren zu müssen, eingeht. Zwar ist der Erpresste im Stadium eines Hilfeersuchens an die Polizei im Rahmen einer Notwehrsituation noch nicht Zeuge, trotzdem scheint ein Blick auf den diesbezüglichen Zeugenschutz lohnenswert. Muss bereits der Zeuge in einem gegen einen anderen gerichteten Strafverfahren Eingriffe in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht hinnehmen, könnte dies erst recht für eine Person gelten, die noch nicht einmal Zeuge ist, sondern diese Rolle erst später, nämlich bei dem Verfahren gegen den Erpresser, erlangt. Gem. § 68 a Abs. 1 StPO sollen Fragen nach Tatsachen, die dem Zeugen oder einer Person, die im Sinne des § 52 Abs. 1 StPO sein Angehöriger ist, zur Unehre gereichen können oder seinen persönlichen Lebensbereich betreffen, nur gestellt werden, wenn es unerlässlich ist 660 . Um eine Abgrenzung zwischen entehrenden und den persönlichen Lebensbereich betreffenden Umständen wenigstens im Grunde zu gewährleisten, erscheint es praktikabel, sich zur Auslegung ersterer am strafrechtlichen normativen Ehrbegriff zu orientieren 661. Danach ist die Ehre nur der wahre Geltungswert einer Person und der sich daraus ergebende personale Status entsprechend respektiert, nämlich hinsichtlich dieses Achtungsanspruchs nicht unverdient herabgesetzt zu werden 662. Fiele die Äußerung auf eine entsprechende Bitte um Auskunft, von einem Dritten getätigt, 660

Weiter gehend ist die entsprechende Regelung im Zivilprozessrecht. Gem. § 384 Nr. 2 ZPO steht dem Zeugen in einem zivilrechtlichen Verfahren ein Zeugnisverweigerungsrecht bezüglich solcher Fragen zu, deren Beantwortung ihm zur Unehre gereichen. Dieses gilt unabhängig von der Frage der Unerlässlichkeit für die Wahrheitserforschung. 661 Anders, allerdings wohl aus historischen Gründen (§ 68 a Abs. 1 StPO enthielt bis 1986 nur die Alternative der Fragen, die dem Zeugen zur Unehre gereichen und musste aus Gründen des Zeugenschutzes möglichst weit ausgelegt werden), das strafprozessuale Schrifttum und die Rechtsprechung, die als entehrende Tatsachen auch schon solche ansehen, die nach objektiven Maßstäben eine Gefahr für die sittlich-moralische Bewertung des Zeugen in der Umwelt bilden (vgl. OLG Hamm, NJW 1965,1495; Dato, LR-StPO, §68 a Rn. 2; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 68a Rn. 3; Lemke, HK-StPO, § 68 a Rn. 2; Paulus, KMR-StPO, § 68 a Rn. 5) bzw., die geeignet sind, den guten Ruf zu gefährden (vgl. BGHSt 13, 252, 254; Pfeiffer, StPO, §68a Rn. 1; Senge, KK-StPO, §68a Rn. 1; Wolters, Hauptverhandlung, S.73). 662 Arzt/Weber, Strafrecht BT, § 7 Rn. 2; Hirsch, Ehre, S. 3, 29ff; ders., FS E. A. Wolff, S. 125, 136; Welzel, Strafrecht, S.303.

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unter den Schutz der §§ 185 ff. StGB, handelt es sich um eine Frage nach entehrenden Sachverhalten. Insofern stellt § 68 a Abs. 1 StPO lediglich eine Umsetzung des strafrechtlichen Verbots dar. Dieser Bereich ist allerdings vorliegend nicht berührt. Es geht um die Offenlegung wahrer Vorgänge. Derartige sind nicht geeignet, jemanden in seiner - strafrechtlich abgesicherten - Ehre herabzuwürdigen. Er erscheint vielmehr durch die Aussage als ins rechte Licht gerückt. Sollten die bloßstellenden, tatsächlich vom Zeugen getätigten Handlungen also von einem Dritten geschildert werden, stünde der Betroffene nur entsprechend seiner wahren (verdienten) Ehre da. Dann kann die eigene Antwort des Zeugen auf derartige Fragen ihm ebenfalls nicht zur Unehre gereichen. Allerdings gewährt § 68 a Abs. 1 StPO dem Auskunftspflichtigen auch einen Schutz vor - wahre Tatsachen einschließenden - Indiskretionen. Mit dem Opferschutzgesetz vom 18.12.1986663 wurde zur Verbesserung des Zeugenschutzes die Bestimmung des § 68 a Abs. 1 StPO dergestalt geändert, dass Fragen nach Tatsachen, die den persönlichen Lebensbereich des Zeugen oder den eines seiner Angehörigen betreffen, ebenfalls nur zulässig sind, wenn sie als unerlässlich gelten. Der terminus „persönlicher Lebensbereich" lehnt sich an die §§201-203 StGB an 664 . Er entzieht sich jedoch einer allgemeingültigen Definition 665 . Die überwiegende Auffassung 666 beschreibt die den persönlichen Lebensbereich betreffenden Tatsachen als solche, auf deren Abschirmung gegen eine Kenntnisnahme durch die Öffentlichkeit der Bürger im Interesse der Verwirklichung seiner Menschenwürde und der ungestörten Entfaltung seiner Persönlichkeit Wert legen darf. Damit sind alle Umstände gemeint, nach denen im Sozialleben üblicherweise nicht gefragt zu werden pflegt und die in der Regel nicht spontan und unbefangen mitgeteilt werden 667. Erfasst sind demzufolge gerade auch wahre, aber aus der Sicht des Betroffenen geheimhaltungsbedürftige Geschehnisse. Tatsächlich vorgenommene Handlungen, die ihn selbst kompromittieren, wird der Zeuge regelmäßig nur sehr selten aus freien Stücken mitteilen. Zum persönlichen Lebensbereich zählt insbesondere die Intim- und Sexualsphäre 668 . In diesem Bereich sind vor allem die Sachverhalte angesiedelt, wegen denen der Angegriffene unter Druck gesetzt wird. Man denke nur an ein Fremdgehen des nunmehr erpressten Ehepartners, an einen Bordellbesuch oder an homosexuelle oder lesbische Veranlagungen, deren Offenbarung der Erpresser als Zwangsmittel 663

BGBl. 1986, S. 2496. Hagendorn, Schutz, S.59; Schäfer, LR-StPO (23. Aufl.), § 172 GVG Rn.20; Stutz, Öffentlichkeitsprinzip, S.103. 665 Kissel, GVG, § 171 b Rn. 3; Lüdeke, Zeugenbeistand, S. 176; Sörth, Rundfunkberichterstattung, S. 137; Witzler, Öffentlichkeit, S.226; Wolters, Hauptverhandlung, S.76. 666 Böttcher, JR 1987, 133, 139; Dahs, LR-StPO, §68a Rn.3; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 68 a Rn. 4; Paulus, KMR-StPO, § 68 a Rn. 6. 667 Paulus, KMR-StPO, §68a Rn.6; Rieß/Hilger, NStZ 1987,145, 150. 668 Böttcher, JR 1987, 133, 139; Dahs, LR-StPO, §68a Rn.3; Hagendorn, Schutz, S.60; KleinknechtIMeyer-Goßner, StPO, §68a Rn.4; Lemke, HK-StPO, §68a Rn.2; Paulus, KMRStPO, § 68 a Rn. 6; Pfeiffer, StPO, § 68 a Rn. 1; Wolters, Hauptverhandlung, S. 88. 664

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benutzt. Ist das Opfer in einem Verfahren gegen seinen Erpresser Zeuge, muss das Gericht aus den geschilderten Gründen § 68 a Abs. 1 StPO Beachtung schenken. Allerdings braucht es von entsprechenden Fragen nur abzusehen bzw. muss derartige gem. § 241 Abs. 2 in Verbindung mit §§ 239 Abs. 1, 240 Abs. 2 StPO als ungeeignet zurückweisen, wenn sie nicht unerlässlich sind. Unerlässlich ist eine Frage, wenn ohne sie die Wahrheit nicht erforscht werden kann 669 . Damit ist dem Interesse an einer funktionierenden Strafrechtspflege zumindest nach dem Wortlaut der Norm der unbedingte Vorrang vor den Individualinteressen des Zeugen eingeräumt 670. Dies soll nach einer Auffassung 671 sogar gänzlich unabhängig davon gelten, welche Bedeutung das Strafverfahren für den Angeklagten hat. Erachtet das erkennende Gericht die den persönlichen Lebensbereich der Auskunftsperson betreffenden Fragen für Haupt- und auch Hilfstatsachen 672 als unentbehrlich, kann und muss es die Bedürfnisse des Einzelnen zugunsten der Sachaufklärung zurückstellen. Den Zeugen trifft eine unabdingbare Auskunftspflicht. Ihm steht ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 Abs. 1 StPO nicht zu 673 . Entsprechend dieser Sichtweise ist mit § 68 a Abs. 1 StPO eine gänzlich andere Wertung des persönlichen Schutzes des Zeugen verbunden als mit § 55 Abs. 1 StPO, der deutlich macht, dass das Allgemeininteresse an der Strafverfolgung im Verhältnis zum Bedürfnis des Zeugen, sich nicht selbst strafrechtlich belasten zu müssen, nachrangig ist. Unter Zugrundelegung des geschilderten Standpunkts kann man auf eine geringere Schutzwürdigkeit des Betroffenen im Hinblick auf die Offenbarung kompromittierender Tatsachen schließen. Muss jemand schon in einem gegen einen anderen 669

BGHSt 13, 252, 254; 21, 334, 360; BGH, NStZ 1982, 170; BGH, StV 1990, 337; BayObLG, JR 1980, 432, 434; OLG Hamm, NJW 1965, 1495; OLG Hamm, VRS 31 (1966), S. 50; Dahs, LR-StPO, §68a Rn.4; Fezer, Strafprozeßrecht, S. 181 Rn.24; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 68 a Rn. 5; Lemke, AK-StPO, § 68 a Rn. 2; ders., HK-StPO, § 68 a Rn. 3; Senge, KK-StPO, §68a Rn.2; Pfeiffer, StPO, § 68 a Rn. 1; Roxin, Strafverfahrensrecht, §42 Rn. 19; Volk, Strafprozeßrecht, §21 Rn. 19; Widmaier, 62. DJT, L29, L32. 670 BGHSt 21, 334, 360; BGH, StV 1990, 337; BayObLG, JR 1980, 432, 434; Amelung, GA 1982, 381, 395; Böttcher, JR 1987,133,139; Dahn, JR 1979,138, \4V,Hanack, JR 1980, 434ff.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 68 a Rn. 5; Pfeiffer, StPO, § 68 a Rn. 1; Volk, Strafprozeßrecht, §21 Rn. 19; Widmaier, 62. DJT, L29, L32. 67 1 Dahn, JR 1979, 138, 141; Dahs, LR-StPO, §68a Rn.4; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, §68a Rn.5; Krauss, FS Gallas, S.365, 387; a. A. Lemke, AK-StPO, §68a Rn.2; ders., HK-StPO, §68a Rn.3; Paulus, KMR-StPO, §68a Rn.4; Rautenberg, 62. DJT, L43, L46. 672 Etwa die Glaubwürdigkeit des Zeugen; vgl. dazu: BGHSt 13, 252, 255; BGH, NStZ 1982,170; BGH, StV 1990,337; BayObLG, JR 1980,432,434; OLG Hamm, VRS 31 (1966), 50f.; OLG Saarbrücken, VRS 21 (1961) 48; Böttcher, FS Kleinknecht, S. 25, 35; ders., JR 1987, 133, 139; Dahs, LR-StPO, §68a Rn.4; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, §68a Rn. 6; Lemke, AK-StPO, § 68 a Rn. 2; ders., HK-StPO, § 68 a Rn. 3; Paulus, KMR-StPO, § 68a Rn. 7; Peters, Strafprozeß, §29 V 5 b; §42 IV 2; Pfeiffer, StPO, §68a Rn. 1; Senge, KK-StPO, § 68 a Rn.2. 673 BayObLG, JR 1980,432; Amelung, GA 1982,381,395; Dähn, JR 1979,138,141, Dahs, LR-StPO, § 68 a Rn. 9; § 55 Rn. 8; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 68 a Rn. 8, § 55 Rn. 5; Kühne, AK-StPO, §55 Rn.3; Rogall, SK-StPO, Vor § 133 Rn. 150; Senge, KK-StPO, §55 Rn.7.

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gerichteten Strafverfahren, unabhängig von dessen Bedeutung für den Angeklagten und von dem Wert für einen Beweis von Haupt- und Hilfstatsachen, im Hinblick auf die im öffentlichen Interesse gelegene Sachaufklärung aussagen, kann eine solche Pflicht zugunsten allgemeiner Belange erst recht in einem früheren Stadium angenommen werden 674. Das bedeutet: Es lässt sich schon unter diesem Aspekt vertreten, dass auch in einer Notwehrsituation das Bedürfnis des Betroffenen, sich nicht selbst bloßstellen zu müssen, gegenüber anderen Interessen als nachrangig anzusehen ist. Folge eines solchen Verständnisses wäre, die mit einem Gang zur Polizei einhergehenden Unannehmlichkeiten bereits nunmehr als für den Betroffenen zumutbar einzustufen. Die soeben dargestellte Meinung ist allerdings nicht gänzlich unumstritten. Vergegenwärtigt man sich, dass der Gesetzgeber mit § 68 a Abs. 1 StPO zum einen Fragen zulässt, die den persönlichen Lebensbereich einer Person betreffen und zum anderen für den Fall ihrer Unerlässlichkeit zur Wahrheitserforschung eine mit Beugemitteln gem. § 70 StPO unbedingt durchsetzbare Auskunftspflicht statuiert, kann einem Eingriff in das gem. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG abgesicherte allgemeine Persönlichkeitsrecht 675 nicht das Wort geredet werden. Bei einem Zwang zur Preisgabe personenbezogener Informationen handelt es sich um einen Eingriff klassischer Art 6 7 6 . Zwar ist nicht der durch den nemo-tenetur-Grundsatz gewährleistete besondere Bereich der Selbstbelastungsfreiheit betroffen, aber die mit Beugemitteln flankierte Pflicht zu Auskünften aus der Privatsphäre berührt den allgemeinen Schutzumfang des verfassungsrechtlich garantierten Persönlichkeitsrechts 677, nämlich das vom Bundesverfassungsgericht 678 1983 erstmals umschriebene, aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Recht auf informationelle Selbstbestimmung679. Dieses gewährleistet jedem Einzelnen die Befugnis, 674

Ähnlich auch Amelung, GA 1982, 381, 396, der aus der prozessualen Pflicht des Zeugen zum Eingeständnis ehrmindemden Verhaltens zugunsten des strafprozessualen Ziels der Erhaltung des Rechtsvertrauens darauf schließt, dass keine Bedenken erhoben werden können, wenn dem Erpressten versagt wird, das Interesse an der Verheimlichung eines ehrmindernden Verhaltens mit Hilfe einer aktiven Erschütterung des Rechts durchzusetzen. Das bedeutet nach dem Verständnis Amelungs nichts anderes, als dass in den Fällen, in denen allein eine gewalttätige private Notwehrhandlung Erfolg verspricht, dies dem Erpressten versagt ist und er sich an die Polizei wenden muss. 675 BVerfGE 27, 1, 6; 35,202,219f.; 54,148, 153; 80, 367, 373; BVerfG, NJW 2002,1619, 1621; Fezer, Strafprozeßrecht, S.215 Rn.6; JarassIPieroth, GG, Art. 2 Rn. 1, 29; v.Münch/Kunig, GG, Art. 2 Rn. 30; Murswiek, Sachs, GG, Art. 2 Rn. 60, 63; Nothhelfer, Selbstbezichtigungszwang, S.78; Schmidt-BleibtreulKlein, GG, Art. 2 Rn. 2b. 676 BVerfGE 78, 77, 84; 84, 192, 195; 96, 171, 181, 184; Degenhart, JuS 1992, 361, 363; Dreier, Dreier, GG, Art. 21 Rn.57; Ernst, Verarbeitung, S.72; Murswiek, Sachs, GG, Art. 2 Rn. 88; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn.381; Rohlf, Privatsphäre, S.203; Schmalz, Grundrechte, Rn.429; Siekmann/Duttge, Staatsrecht I, Rn.852. 677 BVerfGE 33, 367, 374f.; Dahs, NJW 1984, 1921 f.; Humborg, JR 1966, 448 f.; Peters, Strafprozeß, §42 IV, 2; Wolters, Hauptverhandlung, S.94. 678 BVerfGE 65,1,43. 679 Anders Schmitt Glaeser, Isensee/Kirchhof, Staatsrecht VI, § 129 Rn. 96 und Fn. 310, der eine Beeinträchtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nur bei einer Be-

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grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner den persönlichen Lebenssachverhalt betreffenden Daten zu bestimmen 6 8 0 . Vor diesem Hintergrund ist § 68 a Abs. 1 StPO restriktiv auszulegen 681 . Nur so ist der These vom Strafprozessrecht als „angewandtes Verfassungsrecht 4 ' 682 Genüge getan. Berühren die an den Zeugen gerichteten Fragen den unantastbaren Kernbereich des Selbstbestimmungsrechts, dessen Existenz nach überwiegender Meinung 6 8 3 auch im Rahmen des Persönlichkeitsrechts anzuerkennen ist, sind sie unzulässig 684 . Dementsprechend ist der durch einen Zwang zur Aussage gem. § 70 StPO erfolgende Eingriff verfassungsrechtlich auch bei einer Unerlässlichkeit der Frage für die Sachaufklärung nicht zu rechtfertigen 685 . Eine Abwägung individueller Belange mit dem Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Strafrechtspflege ist von vornherein ausgeschlossen 686 . Strafverfolgung um den Preis der Verletzung des Kernbereiches eines Grundrechts des Zeugen ist unhaltbar. Ihm muss in einem solchen Fall ein Auskunftsverweigerungsrecht entsprechend § 55 Abs. 1 StPO zustehen 687 . Es darf hier keine Zeugnispflicht geben, selbst wenn die Frage unerlässlich sein sollte 6 8 8 . Auch das Bunschränkung des Selbstverfügungsrechts über persönliche Daten durch staatliche Maßnahmen annimmt. Eine derartige Beschränkung kann nach ihm auf gar keinen Fall allein durch den Vorgang der Informationserhebung eintreten, gleichgültig, ob diese mit oder ohne Zwang erfolgt. Da er dann aber eine Beeinträchtigung des Rechts auf private Lebensgestaltung als erste Fallgruppe des Privatsphärenschutzes annimmt (Fn. 310), macht seine Auffassung im Ergebnis vorliegend keinen Unterschied: in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist mit einem Zwang zur Preisgabe persönlicher Sachverhalte eingegriffen. 680 BVerfGE 65, 1, 43; 78, 77, 84; 80, 367, 373; 84,192, 194; 88, 87, 97; 96, 171, 181. 681 Paulus, KMR-StPO, § 68 a Rn. 3 f. 682 BVerfGE 32, 373, 383; BGHSt 19, 325, 330; BayObLG, NJW 1979, 2624; HallerlConzen, Strafverfahren, Rn. 2; KleinknechtlMeyer-Goßner, StPO, Einl. Rn.5, 218; Krehl, HKStPO, Einl. Rn. 9; Krey, Strafverfahrensrecht 1, Rn.73; Kühne, Strafprozeßrecht, Rn.20; Peters, Strafprozeß, §414; Rüping, Strafverfahren, Rn. 10; Sax, Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Grundrechte III/2, S. 967. 683 BVerfGE 6,32,41; 6,389,433; 54,143,146; 65,1,46; 80,367,373; BVerfG, NJW 2002, 283f.; OLG Schleswig, StV 2000,11; v.Arnauld, ZUM 1996,286,289f.; Dalakouras, Beweisverbote, S.52,87; Eisenberg, Beweisrecht, Rn.386; Geis, JZ 1991,112,\\5\Küpper, JZ 1990, 416, 418; Laber, Verwertbarkeit, S.58; Ranft, FS Spendel, S.719, 730f.; Rohlf, Privatsphäre, S.226; Witzler, Öffentlichkeit, S.227. 684 Nelles, NJ 1998, 449, 451; Wolters, Hauptverhandlung, S.45. 685 Nelles, NJ 1998, 449, 451; Paulus, KMR-StPO, § 68a Rn. 12; Weigend, 62. DJT, C 1, C25; Wolters, Hauptverhandlung, S.78. 686 BVerfGE 32, 373, 379; 34,238, 245; 38,312, 320f.; 67,100,144; 75,369, 380; 80, 367, 373; Eisenberg, Beweisrecht, Rn. 387; Hagendorn, Schutz, S.61; KimmsiSchlünder, Verfassungsrecht II, § 17 Rn.57; Lüdeke, Zeugenbeistand, S. 176 Fn.593; v.Münch/Kunig, GG, Art. 2 Rn.43; Stutz, Öffentlichkeitsprinzip, S. 104; Witzler, Öffentlichkeit, S.227; Wolter, SK-StPO, Vor §151 Rn. 25. 687 Nelles, NJ 1998,449,451; Paulus, KMR-StPO, § 68 a Rn.4; Wolter, SK-StPO, Vor § 151 Rn. 90a; 91 a; so auch § 55 Abs. 1 Nr. 3, 1. Alt. AE-ZVR, der ein Zeugnisverweigerungsrecht dann vorsieht, wenn die Aussage zur Offenbarung von Informationen aus dem Kernbereich der Persönlichkeitssphäre des Zeugen führen kann. 688 Nelles, NJ 1998,449, 451.

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desVerfassungsgericht 689 hält es für legitim in besonderen Ausnahmefällen unmittelbar aus dem Grundgesetz ein Schweigerecht abzuleiten, wenn die „Vernehmung wegen der Eigenart des Beweisthemas in den durch Art. 21GG grundrechtlich geschützten Bereich der privaten Lebensgestaltung des einzelnen, insbesondere seine Intimsphäre eingreifen würde." Dabei meint die in der Entscheidung benannte Intimsphäre gerade den unantastbaren Kern des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Betreffen die Fragen dagegen nicht den absoluten Kernbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, kann ein Eingriff angesichts der Gemeinschaftsbezogenheit des Zeugen und seiner auf Kommunikation angewiesenen Persönlichkeit verfassungsrechtlich legitim sein 690 . Das ist dann zu bejahen, wenn die Einschränkung unter strenger Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips erfolgt 691 . Das staatliche Interesse an der Aufklärung von Straftaten allein rechtfertigt den Zugriff auf den über Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG abgesicherten persönlichen Lebensbereich nicht 692 . Zwar hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt die unabweisbaren Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung hervorgehoben und das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsfindung betont 693 , aber auch dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit kommt keine geringe Bedeutung zu. Ein gerechter Ausgleich der divergierenden Belange lässt sich nur dadurch erreichen, dass den unter dem Blickwinkel der Erfordernisse einer wirksamen Rechtspflege notwendig erscheinenden Eingriffen das Schutzgebot des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ständig als Korrektiv entgegengehalten wird 694 . Es geht also um eine angemessene Abwägung des Interesses an einer funktionierenden Strafrechtspflege und dem Geheimhaltungsbedürfnis des Einzelnen. Dabei sind alle Umstände des Falles in die Prüfung einzubeziehen. Dazu gehören vor allem Art und Schwere der in Rede stehenden Straftat des Angeklagten, die Höhe der Straferwartung, das Vorhandensein anderer Aufklärungsmöglichkeiten, die Bedeutung des Beweisthemas für die Beuxteilung der Tat-, Schuld- oder Strafmaßfrage und die Intensität des durch die Zeugenvernehmung bewirkten Eingriffs in seine Privatsphäre 695. Erst wenn sich aufgrund dieser Überlegungen ein Vorrang der mit der Aussage bezweckten Belange vor denen der Auskunftsperson ergibt, ist jene bei Unerlässlichkeit der Information verpflichtet, diese preiszugeben.

689

BVerfGE 33, 367, 374. BVerfGE 65, 1,43 f. 691 AE-ZVR, S.65; Nelles, NJ 1998,449,451; Weigend, 62. DJT, C1, C26; Wolters, Hauptverhandlung, S. 94f.; vgl. auch Starck, Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 87 allgemein für die nach der StPO eröffneten Möglichkeiten der Persönlichkeitserforschung von Zeugen. 692 Witzler, Öffentlichkeit, S.227; Wolters, Hauptverhandlung, S.94. 693 BVerfGE 33, 367, 383; 36, 174, 186; 38, 105, 116; 44, 353, 374; 80, 367, 375. 694 BVerfGE 80, 367, 375. 695 BVerfGE 33, 367, 375; BayObLG, JR 1980, 432f. 690

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(3) Schutz des Erpressten Unter Zugrundelegung der in Bezug auf den Zeugen im Hinblick auf § 68 a Abs. 1 StPO gewonnenen Erkenntnisse stellt sich nunmehr die Frage nach der Rechtsschutzposition des Erpressten im Zeitpunkt seines Hilfeersuchens an die Polizei. Sollte die Offenbarung des diskreditierenden Verhaltens die unantastbar geschützte Persönlichkeitssphäre des rechtswidrig Angegriffenen berühren, so wäre ein dahin gehender Zwang nach der Verfassung verboten. Der Erpresste wäre in seinem Bedürfnis, sich nicht selbst kompromittieren zu müssen, absolut geschützt. Im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung einer Notwehrhandlung könnte man die eigene Abwehrhandlung nicht mit dem Argument, die mit der Inanspruchnahme der Polizei einhergehende Preisgabe dieses Belanges müsse hingenommen werden, verbieten. Bei einer generellen rechtlichen Absicherung des Interesses, sich nicht selbst in der Öffentlichkeit in ein negatives Licht setzen zu müssen, sind jedwede Risiken für dieses vom Angegriffenen in einer Notwehrsituation nicht zu tragen. Problematisch ist jedoch, ob die Kundmachungen des in Frage stehenden bloßstellenden Verhaltens den unantastbaren Kernbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betreffen. Bislang ist es weder der Rechtsprechung noch der Literatur gelungen, klare Grenzen zu erarbeiten, nach denen sich sicher festlegen lässt, wann ein Eingriff den absolut geschützten Bereich tangiert und wann nicht 696 . Das Bundesverfassungsgericht zog sich mehrfach darauf zurück, dass sich der unantastbare Bereich privater Lebensgestaltung nicht abstrakt beschreiben lasse, sondern dieser sich nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des einzelnen Falles ergebe 697. Allerdings hat es noch nie eine Verletzung der unberührbaren Sphäre personeller Entfaltung angenommen698. In zahlreichen Entscheidungen definierte das höchste deutsche Gericht den Begriff des „unantastbaren Kernbereichs" lediglich negativ. So stellte es fest, dass so sensible Angaben wie personenbezogene Daten in Krankenblättern 699, in Klientenunterlagen einer Suchtberatungsstätte700, in Ehescheidungsakten701 oder in tagebuchähnlichen Aufzeichnungen 702 nicht dem „unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung" zuzuordnen sind. Man wird demnach davon ausgehen können, dass nur ein sehr enger Bereich als absolut geschützt zu erachten ist. Vor dem Hintergrund, dass zur freien Selbstentfaltung vor allem die Möglichkeit der Auseinandersetzung mit bedrückenden Problemen und bewegenden Gedanken gehört, um zu sich selbst zu gelangen, sich seiner selbst bewusst zu wer696

Amelung, NJW 1990, 1753, 1755; Degenhart, JuS 1992, 361, 363; Dreier, Dreier, GG, Art. 21 Rn. 60; Laber, Verwertbarkeit, S. 58; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 376; Plagemann, NStZ 1987, 570f.; Wolter, SK-StPO, Vor § 151 Rn.26. 697 BVerfGE 34, 238, 248; 80, 367, 374. 698 Siehe jedoch das abweichende Votum der nach § 15 Abs. 3 S. 3 BVerfGG unterlegenen Hälfte des Senats in der Tagebuchentscheidung des BVerfG, BVerfGE 80, 367, 380. 699 BVerfGE 32, 373, 379. 700 BVerfGE 44, 353, 372. 701 BVerfGE 34, 204, 209. 702 BVerfGE 80, 367, 375.

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703

den , müssen in erster Linie zum unantastbar garantierten Bereich innere Vorgänge, Überlegungen und Empfindungen, die eine Reflektion des Betroffenen mit sich selbst darstellen, zugeordnet werden 704. Dementsprechend hat der BGH in der Entscheidung zum Lügendetektor einen „Einblick in die Seele des Beschuldigten und ihre unbewußten Regungen"705 als unzulässig angesehen. Über diesen höchstpersönlichen Innenraum (forum internum) hinausgehend werden als Beispiele für einen Eingriff in die letzte Rückzugsmöglichkeit des Menschen in der Literatur der Zwang zur Offenbarung von Erbkrankheiten oder anderen höchstpersönlichen Merkmalen nach einer molekulargenetischen Analyse 706 und zur Preisgabe von Informationen aus einem höchstpersönlichen Tagebuch707, welches Ausdruck der Bemühungen ist, sich seiner selbst bewusst zu werden, genannt708. Daneben sieht man den unantastbaren Bereich des Rechts auf eigene Darstellung der Person in der Öffentlichkeit als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dann als tangiert an, wenn Informationen erhoben werden, um über den Einzelnen ein vollständiges oder nahezu vollständiges Persönlichkeitsbild zu rekonstruieren 709. Denn dadurch werde der Einzelne zu einer Sache, reduziert auf seinen Datenbestand710. Um die Preisgabe derartiger Sachverhalte bzw. solcher zweckgebundener Informationen geht es vorliegend jedoch nicht. Sofern ehewidriges Verhalten oder lesbische bzw. homosexuelle Veranlagungen etc. offenbart werden sollen, handelt es sich zwar um Tatsachen aus der Sexual-/Intimsphäre des Einzelnen. Damit ist aber, wie die in der Literatur und der Rechtsprechung aufgezeigten Schwierigkeiten der Benennung des unantastbaren Gehalts des Persönlichkeitsrechts verdeutlichen, nicht zugleich gesagt, dass ein Eingriff jeglicher Art hier per se unzulässig ist. Die Zugehörigkeit eines Umstands zur Sexual- bzw. Intimsphäre des Einzelnen eröffnet nicht zugleich von vornherein den unantastbaren Kernbereich mit der Folge einer schran70 3

Otto, FS Kleinknecht, S.319, 328. Dalakouras, Beweisverbote, S. 88; Küpper, JZ 1990, 416, 418; Laber, Verwertbarkeit, S. 65; Rohlf, Privatsphäre, S.227 insbes. Fn. 188. 705 BGHSt 5, 332, 335. 706 AE-ZVR, S.70. 707 In Rechtsprechung und Literatur steht vor allem die Verwertung von Tagebüchern des Angeklagten im Vordergrund. Das Problem des unantastbaren Kernbereichs des Persönlichkeitsrechts stellt sich jedoch auch in den denkbaren Konstellationen, in denen Tagebücher von Zeugen für das Strafverfahren von Interesse sein können, vgl. BGH, wistra 1998, 314; LG Saarbrücken, StV 1988, 480f.; AE-ZVR, S.70f.; Gössel, NJW 1981, 649, 656; Laber, Verwertbarkeit, S.93; Ranft, FS Spendel, S.719, 731f. 708 BayObLG, NJW 1979,2624,2626; LG Saarbrücken, StV 1988,480f.; Dalakouras, Beweisverbote, S. 88, 212f.; Eisenberg, Beweisrecht, Rn.391; Geis, JZ 1991, 112, 116; Gössel, NJW 1981,649,656; Küpper, JZ 1990,416,418,420; Laber, Verwertbarkeit, S.66; Rohlf, Privatsphäre, S.227 insbes. Fn. 188; Störmer, Jura 1991, 17, 24; Wolter, SK-StPO, Vor § 151 Rn. 26. 709 BVerfGE 27,1,6; 65,1,42,53,57; BVerfG, NJW 2002,283 f.; Bizer, Forschungsfreiheit, S.209f.; Kunig, Jura 1993,595,603; Weichen, Selbstbestimmung, S.20; Wolter, SK-StPO, Vor §151 Rn.26. 7,0 Riepl, Selbstbestimmung, S. 10; Weichen, Selbstbestimmung, S.21. 70 4

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kenlosen Gewährleistung 711. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem ersten Urteil zur Homosexualität klargestellt, dass Sexualbeziehungen zwar in der Regel ein erhebliches Maß an Intimität voraussetzen, dass sie allein deshalb aber noch nicht zur unantastbaren Intimsphäre zu rechnen sind 712 . Zwischen Informationen, die den Kernbereich der Persönlichkeitssphäre betreffen und solchen, die das Sexualleben berühren, ist zu unterscheiden 713. Bezüglich der letztgenannten ist der „letzte unantastbare Bereich" nur dann als tangiert anzusehen, wenn es sich um unzumutbar 714 intime Informationen handelt715. Diese sind abwägungsfest und dürfen vom Betroffenen unter keinen Umständen abverlangt werden. Für die vorliegend thematisierten Sachverhalte ist entscheidend, dass zwar möglicherweise Vorgänge aus dem Intim- bzw. Sexualbereich von dem Erpressten zu offenbaren sind, die diesbezüglichen Informationen aber allgemeiner Natur sein können und nicht ins Detail zu gehen brauchen. Es reicht eine pauschale Benennung, um die vom Erpresser angedrohte Maßnahme als tatbestandliches Übel gem. § 253 StGB einordnen zu können. Deshalb kann man eine erzwungene Kundgabe eigenen kompromittierenden Verhaltens nicht dem absolut geschützten Bereich zuordnen. Geht es darum ehewidriges oder lesbische bzw. homosexuelle Veranlagungen zu offenbaren, ist wohl die Privat-, nicht aber die verfassungsrechtlich unantastbare Geheimsphäre berührt. Folglich kommt dem Bedürfnis des Einzelnen, sich nicht selbst diskreditieren zu müssen, ebenso wie dem des erpressten Straftäters, sich nicht selbst strafrechtlich belasten zu müssen, kein lückenloser Schutz zu. Es gibt Konstellationen, in welchen dem Betroffenen Rechtseinbußen zugunsten anderer Belange angesonnen werden können. (a) Schlussfolgerung aus dem Vergleich mit der Situation des erpressten Straftäters Im vorherigen Abschnitt wurde herausgearbeitet, dass ein erpresster Straftäter sich zur Abwehr der Erpressung an die Polizei zu wenden hat. Das Risiko, sich im Rahmen des Hilfeersuchens selbst strafrechtlich belasten zu müssen, war von ihm zugunsten des individuellen Interesses des Angreifers, mit den möglichst scho7,1 OLG Hamburg, NJW-RR 1991,98; v.Arnauld, ZUM 1996,286,290; Benda, FS Geiger, S.23,30; Koppernock, Selbstbestimmung, S.46; Küpper, JZ 1990,416,418; Rohlf, Privatsphäre, S. 100; Scholz, AöR 100 (1975), 265 f.; Stornier, Jura 1991, 17, 20. 712 BVerfGE 6, 389, 433. 713 Dies wird in § 55 Abs. 1, S. 1, Nr. 3 und § 55 Abs. 2, S. 1 Nr. 2 AE-ZVR richtig umgesetzt; verkannt wird dies beispielsweise von BVerfGE 32, 373, 378; BVerfG, NJW 2002, 283 f.; Jarass/Pieroth, GG, Art.2Rn.45; Krauss, FS Gallas, S.365, 378; Thomas, StV 1985, 431, 435, welche die Intimsphäre pauschal mit dem absolut geschützten Kembereich gleichsetzen. 714 Das Kriterium der Unzumutbarkeit als Grenze staatlicher Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht taucht auch in anderen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts auf; vgl. BVerfGE 67, 100, 144; 77, 1, 47; 96, 171, 185. Ausführlich zu dem Kriterium Bizer, Forschungsfreiheit, S. 149 f. 715 BVerfGE 65, 1, 46; Wolter, SK-StPO, Vor § 151 Rn. 135.

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nendsten Mitteln aufgehalten zu werden, und des öffentlichen Bedürfnisses an der Wahrung des Gewaltmonopols hinzunehmen. Allerdings wurde ihm zum Ausgleich dieser Beeinträchtigung ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der offenbarten Tatsachen zugebilligt. Aus diesem bereits gefundenen Ergebnis folgt für den „lediglich" mit der Offenbarung kompromittierenden Verhaltens Erpressten, dass er sich mangels der Gefahr einer Strafverfolgung erst recht an die Behörden zur Abwehr der Erpressung wenden muss716. Wenn schon der Straftäter zugunsten oben angeführter schutzwürdiger Belange das Risiko der Preisgabe geheimgehaltener Tatsachen tragen muss, ist dies noch viel eher dem mit sonstigen negativen Enthüllungen unter Druck Gesetztem zuzumuten. (b) Relativierung der für den Erpressten bestehenden Risiken Außerhalb der über einen erst-recht-Schluss gefundenen Lösung lässt sich diese noch mit zwei weiteren Argumenten untermauern. Die mit der Inanspruchnahme der staatlichen Ermittlungsbehörden einhergehenden Gefahren relativieren sich nämlich aus zwei Gründen. (aa) Verschwiegenheitspflicht Wendet sich der Erpresste an die Polizei und schildert dieser die Erpressung, erhalten die Beamten in ihrer amtlichen Tätigkeit Kenntnis von dem Vorgang 717. Darin eingeschlossen ist das Wissen um das den Erpressten kompromittierende Verhalten. Hinsichtlich solcher Tatsachen, welche die Beamten bei ihrer Aufgabenwahrnehmung erfahren haben, unterliegen sie jedoch einer Verschwiegenheitspflicht. Diese ergibt sich aus den §§61 BBG und 39 BRRG 718 . Das bedeutet, dass sie nach außen, insbesondere gegenüber privaten Dritten, über die ihnen dienstlich bekannt gewordenen Umstände Stillschweigen zu wahren haben. Dieses Gebot wird durch strafrechtliche Vorschriften (§§ 203, 204, 353 b StGB) zusätzlich abgesichert. Damit ist weitestgehend gewährleistet, dass jedenfalls die breite Öffentlichkeit oder auch einzelne private Bürger nicht durch die zur Abwehr der Erpressung in Anspruch genommenen Polizeibeamten über diskreditierende Vorgänge aus dem persönlichen Lebensbereich des Tatopfers informiert werden 719. Eine Verwendung der vom Er716

Im Ergebnis ebenso Gropp, Strafrecht AT, § 6 Rn. 89. Vgl. dazu Hävers/Schnupp, Beamtenrecht, S. 135; Wind/SchimanalWichmann, Dienstrecht, S.195. 7.8 Für Brandenburg folgt sie aus §25 LBG Brandenburg. 7.9 Dies verkennt Sternberg-Lieben, JA 1996, 299, 303, die behauptet, dass durch eine Anzeige der Erpressung die geheimgehaltene Tatsache zu einer öffentlichen würde. Ähnlich auch Roxin, Strafrecht AT I, § 15 Rn. 52, der ausführt, durch eine Anzeige wäre die Geheimhaltung der kompromittierenden Tatsachen nicht gewährleistet. 717

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

pressten preisgegebenen Fakten erfolgt allein in amtlicher Hinsicht und nur insoweit, wie es zur strafrechtlichen Überführung des Erpressers notwendig ist. Das Wissen über die kompromittierenden Geschehnisse ist somit im Hinblick auf die Einbeziehung der Polizei einem überschaubaren, begrenzten Kreis von Personen vorbehalten, die hinsichtlich des im Rahmen ihrer Arbeit erlangten Wissens einem Verschwiegenheitsgebot unterworfen sind. Die Unannehmlichkeiten, die sich aus der Einweihung der Polizei in das Geheimnis ergeben, sind dem Erpressten deshalb zuzumuten720. (bb) Verfahrensbezogene Schutzmöglichkeiten Der Ausschluss öffentlicher Kenntnisnahme von den Geheimnissen des Erpressten könnte aber mit Eröffnung der Verhandlung gegen den Erpresser aufgehoben sein. Gem. § 169 S. 1 GVG ist die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht öffentlich. Jedoch lässt sich auch hier der besonderen Situation des Erpressten Rechnung tragen. Zwar muss er sich als Zeuge gem. § 68 a Abs. 1 StPO die Frage nach dem vom Erpresser angedrohten Übel, nämlich die angekündigte Bloßstellung, gefallen lassen. Derartige Informationen betreffen nicht den unantastbaren Kernbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, und angesichts einer Erpressung überwiegt das Interesse an einer Wahrheitserforschung das Bedürfnis des Zeugen nach Geheimhaltung. Die Darstellung des vom Erpresser in Aussicht gestellten Verhaltens ist wichtig für die Beurteilung, ob ein empfindliches Übel angedroht wurde. Insofern hat die Information Auswirkungen für die Tatfrage. Auf der anderen Seite genügt eine grundsätzlich detailarme Schilderung des vom Erpresser verwendeten Druckmittels. Es muss lediglich pauschal Auskunft gegeben werden, so dass die Zeugnispflicht im Ergebnis eine relativ geringe Intensität des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht bedeutet. Aber gemäß dem durch das Opferschutzgesetz vom 18.12.1986721 eingefügten § 171 b GVG kann die Öffentlichkeit vom erkennenden Gericht für die gesamte Verhandlung oder einzelne Verfahrensabschnitte ausgeschlossen werden, wenn der Persönlichkeitsschutz dies unter Abwägung mit dem Interesse an einer öffentlichen Verhandlung gebietet722. Die Einführung des § 171 b GVG ist als Reaktion auf ein modernes Strafverfahren 723 zu verstehen, das es sich mehr und mehr zur Aufgabe 720

So auch Novoselec, NStZ 1997, 218, 221. BGBl. 1986, S. 2496. 722 Für eine Inanspruchnahme polizeilicher Hilfe wegen - aufgrund des strafprozessualen Schutzes des persönlichen Lebensbereiches des Erpressten - verschobener Zumutbarkeitsgrenzen im Hinblick auf die einhergehenden Risiken jedenfalls bei einer die Rechtsgüter des Erpressers stärker beeinträchtigenden eigenen Verteidigung: RoxinlSchünemannIHaffke, Klausurenlehre, S. 67, 74f. 723 Wenngleich die Vorschrift ihrer Entstehungsgeschichte nach vor allem für das Strafverfahren von praktischer Bedeutung ist, so gilt sie jedoch für alle Verfahren vor den ordentlichen 721

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macht, die Persönlichkeit des Angeklagten und des Zeugen zu erforschen und in dessen Rahmen deshalb stärker,als früher Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich des Angeklagten, aber auch von Zeugen und Tatopfern erörtert werden 724. Die damit einhergehenden Gefahren für das Persönlichkeitsrecht intensivieren sich durch die in § 169 S. 1 GVG angeordnete Öffentlichkeit des Verfahrens noch einmal. Aufgrund dessen erlaubt § 171b GVG den Ausschluss der Öffentlichkeit, soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, Zeugen oder Tatopfers zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen beeinträchtigen würde. Voraussetzung ist allerdings, dass das Interesse an einer öffentlichen Erörterung dieser Umstände nicht überwiegt. Wie bereits im Rahmen der Ausführungen zu § 68 a Abs. 1 StPO dargestellt 725, betrifft die Erörterung des angedrohten Übels in den hier thematisierten Sachverhalten regelmäßig den persönlichen Lebensbereich des Zeugen. Zu jenem gehören sowohl private Eigenschaften und Neigungen des Betroffenen als auch seine Intim- und Sexualsphäre 726. In diesen Bereichen sind die Verhaltensweisen anzusiedeln, mit deren Offenbarung der Angeklagte Druck auf sein Opfer ausübte. Durch eine öffentliche Erörterung derartiger Umstände ergeben sich im ungünstigen Falle Nachteile für den Zeugen. Ebenso wie das Familienleben in Mitleidenschaft gezogen werden kann, gilt dies auch für das Berufs- und Geschäftsleben des Betroffenen. Obwohl sich in den letzten Jahren ein langsamer Wandlungsprozess vollzogen hat, ist es nach wie vor nicht auszuschließen, dass sich insbesondere die Preisgabe spezieller sexueller Vorlieben oder lesbischer bzw. homosexueller Veranlagungen im Erwerbsleben nachteilig auswirkt. Insofern würde eine öffentliche Erörterung dieser Tatsachen schutzwürdige Interessen des Betroffenen verletzen 727. Demgegenüber ist in den vorliegenden Konstellationen dem Bedürfnis an einer öffentlichen Erörterung der Vorgänge kein Vorrang zuzusprechen. Die zu erörternden Umstände haben kein solches Gewicht, dass die Allgemeinheit aus rechtlich gebilligten Gründen ein Interesse an ihnen hätte. Die Erpressung an sich ist keine derartig schwere Straftat, die normaGerichten, für die ein öffentliches Verhandeln vorgeschrieben ist. Vgl.: Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, Rn. 189; Sörth, Rundfunkberichterstattung, S. 136; Wolf, MünchKomm, ZPO, § 171b GVG Rn.3. 72 4 Engau, Straftäter, S. 503; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 171 b GVG Rn. 1; Kleinknecht, FS Schmidt-Leichner, S. 111; Kuß, Öffentlichkeitsmaxime, S. 169; Riepl, Selbstbestimmung, S. 58; SchäferIWickern, LR-StPO, § 171 b GVG Rn. 2. 725 Vgl. die Ausführungen im Text 2. Teil, § 3 B. III. 4. b) bb) (2). 726 BGH, JR 1993, 297; Diemer, KK-StPO, § 171b GVG Rn. 3; Gummer, Zöller, ZPO, § 171 b GVG Rn. 4; Hagendorn, Schutz, S. 60; Kissel, GVG, § 171 b Rn. 3; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 171 b GVG Rn. 3; Kramer, Strafverfahrensrecht, Rn. 285 b; Kuß, Öffentlichkeitsmaxime, S. 170; Odersky, FS Pfeiffer, S. 325, 331 f.; Schäfer/Wickern, LR-StPO, § 171 b GVG Rn.5; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, Rn. 189; Schreiber, Wieczorek/Schütze, ZPO, § 171 b GVG Rn. 4; Sörth, Rundfunkberichterstattung, S. 137; Stutz, Öffentlichkeitsprinzip, S. 105; Witzler, Öffentlichkeit, S.226. 727 Vgl. dazu auch: Albers, Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 171b GVG Rn.3; Schäfer/Wickern, LR-StPO, § 171b GVG Rn. 12, 14; Schreiber, Wieczorek/Schütze, ZPO, § 171b GVG Rn.5. 14 Kroß

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2. Teil: Rechtfertigung der Abwehrhandlung nach § 32 StGB

lerweise über Gebühr Aufmerksamkeit erregt und bei welcher das Informationsverlangen der Öffentlichkeit im Allgemeinen den Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz des Betroffenen verdient 728. Der eventuell vorhandene Wunsch breiter Bevölkerungsschichten nach öffentlicher Kenntnisnahme von dieser Tat rührt allein aus den „pikanten" Einzelheiten ihrer Begehung. Damit läuft das - unter Umständen sogar von den Massenmedien geschürte - Interesse an Kenntniserlangung auf eine bloße Befriedigung des Sensations- oder Unterhaltungsbedürfnisses hinaus. Vor diesem Hintergrund kann dem öffentlichen Interesse an Information kein Vorrang vor den schützenswerten individuellen Belangen des Zeugen zugebilligt werden 729. Ob allerdings umgekehrt dem privaten Diskretionsinteresse des Zeugen der Vorrang vor dem allgemeinen Interesse an der Öffentlichkeit des Verfahrens einzuräumen ist, mag zweifelhaft sein, braucht hier aber nicht entschieden zu werden. Denn nach allgemeiner Auffassung 730 haben sich mit der Schaffung des § 171 b GVG die Wertungen verschoben: Mussten bis dahin die schutzwürdigen Interessen aus der Persönlichkeitssphäre überwiegen, um den Ausschluss der Öffentlichkeit zu rechtfertigen 731, reicht es nunmehr aus, wenn sie mindestens gleiches Gewicht mit dem Öffentlichkeitsgrundsatz haben. Da dies zu bejahen ist, muss das Gericht auf entsprechenden Antrag des Zeugen die Öffentlichkeit gem. § 171 b Abs. 2 GVG soweit ausschließen, wie es in der Verhandlung um die Erörterung der kompromittierenden Umstände geht. Mangelt es an einem entsprechenden Vorbringen des Zeugen, folgt in einem solchen Fall für das Gericht aus der prozessualen Fürsorgepflicht die Notwendigkeit, den Betroffenen darauf hinzuweisen, dass er die Öffentlichkeit ausschließen lassen kann 732 . Unabhängig vom Gericht hat nach Nr. 131 Abs. 1 RiStBV auch der Staatsanwalt zu prüfen, ob es geboten ist, die Öffentlichkeit auszuschließen, und gegebenenfalls hat er ein entsprechendes Ersuchen zu stellen. Die Entscheidung des Gerichts über den Ausschluss der Öffentlichkeit ist gem. § 171b Abs. 3 GVG jeder Anfechtung entzogen733. Der damit bereits erreichte Schutz des 728 Dazu BVerfGE 35,202ff.; Diemer, KK-StPO, § 171 b GVG Rn.4; Pfeiffer, StPO, § 171 b GVG Rn.l. 72 9 Diemer, KK-StPO, § 171 b GVG Rn.4; Schäfer/Wickern, LR-StPO, § 171 b GVG Rn. 15. 730 Albers, Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 171b GVG Rn.4; Böttcher, JR 1987, 133, 140; Diemer, KK-StPO, § 171 b GVG Rn.4; Engau, Straftäter, S.507; Fenger, NJW 2000,851,853; Gummer, Zöller, ZPO, § 171 b GVG Rn. 2,5; Hagendorn, Schutz, S. 61 f.; Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht, § 171b Rn. 2 insbes. Fn.5; Kissel, GVG, § 171b Rn. 11; Kuß, Öffentlichkeitsmaxime, S. 169; Lüdeke, Zeugenbeistand, S. 176f.; Odersky, FS Pfeiffer, S. 325,328,331; Riepl, Selbstbestimmung, S.59; Rieß, Jura 1987,281,289; Rieß/Hilger, NStZ 1987,204,208; Schäfer/Wickern, LR-StPO, § 171 b GVG Rn. 16; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, Rn. 189; Schreiber, Wieczorek/Schütze, ZPO, § 171 b GVG Rn.7; Weigend, NJW 1987, 1170,1172; Witzler, Öffentlichkeit, S.61; Wolf MünchKomm, ZPO,§171bGVG Rn.l, 13. 731 Vgl. § 172 Nr. 2 GVG in der Fassung vom 2. März 1974. 732 Riepl, Selbstbestimmung, S.59. 733 Allerdings ist auch die Ablehnung des Antrags auf Ausschluss der Öffentlichkeit für den Betroffenen nicht anfechtbar. Hier besteht eine Lücke für den Schutz des Persönlichkeitsrechts des Zeugen, die es - eventuell mit der Einführung einer Beschwerdemöglichkeit verbunden mit

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Zeugen lässt sich weiter verstärken, wenn das Gericht gem. § 174 Abs. 3 GVG den nach Ausschluss der Öffentlichkeit noch anwesenden Personen die Geheimhaltung von Tatsachen, die durch die Verhandlung oder ein die Sache betreffendes amtliches Schriftstück zu ihrer Kenntnis gelangen, zur Pflicht macht. Dabei unterfallen der zweiten Alternative auch solche Sachverhalte, von denen der in der Verhandlung Anwesende schon vorher durch Lesen eines die Sache betreffenden amtlichen Schriftstücks Kenntnis erlangt hat 734 . Das im Ermessen des Gerichts stehende Geheimhaltungsgebot735 muss durch einen Gerichtsbeschluss ergehen, der die geheimzuhaltenden Tatsachen bezeichnen muss, wobei - mit Rücksicht auf die Belange des Betroffenen - eine komplexartige Umschreibung genügt736. In dem Beschluss ist auf eine Strafbarkeit gem. § 354 d Nr. 2 StGB bei einem Verstoß gegen das Schweigegebot hinzuweisen737. Mit dieser Strafnorm wird die Absicherung des Geheimhaltungsinteresses, welcher bereits der Öffentlichkeitsausschluss nach § 174b Abs. 1 GVG dient, ergänzt 738. Durch die Einräumung eines Ermessens wird eine weit gehende Abwägung aller in Betracht kommenden Interessen ermöglicht 739. In dem vorliegend diskutierten Sachverhalt einer den Erpressten treffenden Pflicht zur Hinzuziehung staatlicher Unterstützung bei der Abwehr des erpresserischen Angriffs und damit zur Offenbarung des kompromittierenden Verhaltens muss zum Ausgleich für die zu tragende Interessenbeeinträchtigung zugunsten des Zeugen ein Geheimhaltungsgebot ergehen. Das Ermessen des Gerichts ist insoweit auf Null reduziert. Mit dieser Verfahrensweise ist dem Erpressten wirksam geholfen 740 und die mit der Inanspruchnahme behördlicher Hilfe einhergehenden Risiken der Offenbarung des kompromittierenden Verhaltens reduzieren sich auf ein erträgliches, dem Einzelnen zugunsten anderer schutzwürdiger Belange zumutbares Maß.

aufschiebender Wirkung - zu schließen gilt. Vgl. dazu: Dahs, NJW 1984, 1921, 1926; Riepl, Selbstbestimmung, S.61. 734 Schäfer/Wickern, LR-StPO, § 174 GVG Rn. 29. 735 Albers, Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 174 Rn.4; Diemer, KK-StPO, § 174 GVG Rn.6; Kissel, GVG, § 174 Rn.27; Pfeiffer, StPO, § 174 GVG Rn.5; Riepl, Selbstbestimmung, S. 66; Schäfer/Wickern, LR-StPO, § 174 GVG Rn. 28; Schreiber, Wieczorek/ Schütze, ZPO, § 174 GVG Rn. 9; Wolf MünchKomm, ZPO, § 174 GVG Rn. 14. 736 KleinknechtlMeyer-Goßner, StPO, § 174 GVG Rn. 14; Pfeiffer, StPO, § 174 GVG Rn.5; Schäfer/Wickern, LR-StPO, § 174 GVG Rn. 26; a. A. Diemer, KK-StPO, § 174 GVG Rn. 6; Kissel, GVG, § 174 Rn. 25: geheimzuhaltenden Tatsachen müssen einzeln genau bezeichnet werden. 737 Kissel, GVG, § 174 Rn. 29; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 174 GVG Rn. 14; Pfeiffer, StPO, § 174 GVG Rn. 5; Schäfer/Wickern, LR-StPO, § 174 GVG Rn. 28; vgl. auch Nr. 131 Abs. 2 RiStBV. 738 Kuhlen, NK-StGB, §353d Rn. 16. 739 Begründung zu Art. 20 Nr. 8 des RegEntwurfs des EGStGB 1974, BTDrucks. 7/550, S. 321 f.; Albers, Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 174 Rn.4; Kissel, GVG, § 174 Rn.27; Schäfer¡Wickern, LR-StPO, § 174 GVG Rn.26; Schreiber, Wieczorek/Schütze, ZPO, § 174 GVG Rn. 9; Vollkommerl Grün, JZ 1991, 96 f. 740 In die Richtung auch Haug, MDR 1964, 548, 554 Fn.70.

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Zur Begründung des Anwendungsbereiches und der Reichweite des § 32 StGB ist eine Klärung der hinter der Norm stehenden Prinzipien erforderlich. Eine dualistische Notwehrbegründung, welche Rechtsbewährungs- und Schutzprinzip als Fundamente des § 32 StGB ansieht, vermag wegen des ungeklärten Inhalts des überindividuellen Aspekts und des unbestimmten Verhältnisses der beiden Grundgedanken nicht zu überzeugen. Eine rein überindividualistische Deutung der Notwehr als ausschließliche Währung des Rechts findet im Wortlaut der Norm keinen Niederschlag und lässt die Frage der Zulässigkeit einer Delegation staatlicher Aufgaben auf den Einzelnen unbeantwortet. Zudem bleibt offen, warum neben der Funktion nicht auch die staatlichen Beschränkungen auf den Bürger übertragen werden. Allein ein individualistischer Notwehransatz kann das Selbsthilferecht widerspruchsfrei deuten. Die im Unterschied zu § 34 StGB zu verzeichnende Härte des Abwehrrechts nach § 32 StGB beruht darauf, dass der Angriff neben dem betroffenen konkreten Rechtsgut das Persönlichkeitsrecht des Angegriffenen gefährdet. Ist die Notwehr ausschließlich ein Recht zur Verteidigung von Individualinteressen, stellt die Nothilfe eine Unterstützung bei der Abwehr eines rechtswidrigen Angriffs auf eben diese Rechtsgüter dar. Das Verständnis der Notwehr als Individualrechtsgüterschutzprinzip gliedert die Nothilfe in das Konzept des § 32 StGB ein. Schließlich lassen sich auch die herkömmlichen Notwehreinschränkungen aus einer individualistischen Begründung ableiten. Grundsätzliche Einwände, die Teile der Literatur gegen eine Notwehr zur Abwendung generell von Schweigegelderpressungen oder ausschließlich von Erpressungen mit der Androhung einer Strafanzeige erheben, greifen nicht durch. Die Heimlichkeit, mit welcher der Angegriffene seine Abwehrhandlung zur Wahrung des kompromittierenden Geheimnisses vollziehen muss, führt zwar zu einem Kampf im Dunklen, kann aber einen Ausschluss des Notwehrrechts nicht begründen. Das heutige Recht kennt eine Pflicht zur Verklarung der Notwehrhandlung nicht mehr. Der Gedanke, eine Zubilligung des Notwehrrechts in dem Fall der Androhung einer Strafanzeige würde, da es zu einem Kampf zweier Unrechte käme, die Rechtsordnung in ihrem Wesen in Frage stellen, hat ebenfalls Ablehnung erfahren. Selbst bei der Verneinung eines notwehrfähigen Rechtsguts im Hinblick auf das Interesse, strafrechtliche Nachteile zu verhindern, dient die Notwehr der Verteidigung anderer geschützter Rechtsgüter. Die Aussage vom Kampf zweier Unrechte kennzeichnet die Konfliktlage demzufolge nicht vollständig. Zudem ist die Argu-

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mentation mit dem Wesen der Rechtsordnung zu unbestimmt. Ebenso wenig lässt sich aus § 154 c StPO ableiten, dass der Gesetzgeber dem mit der Enthüllung einer Straftat Erpressten ein Notwehrrecht versagen wollte. Für diese These findet sich kein Beleg. Darüber hinaus ist mit § 154 c StPO aufgrund seines begrenzten Anwendungsbereiches kein vollwertiger Ersatz des § 32 StGB zu erreichen. Fälle schwerer Straftaten blieben von einer Lösung gem. § 154 c StPO ausgeschlossen. Die Androhung der Enthüllung einer Straftat oder eines sonst bloßstellenden Verhaltens zur Erlangung eines Vermögensvorteils begründet einen Angriff im Sinne des § 32 StGB. Die bei der Ankündigung der Offenbarung wahrer Tatsachen betroffenen notwehrfähigen Interessen sind die Willensfreiheit und das Vermögen bzw. der Besitz des Erpressten. Die Ehre und das Diskretionsinteresse als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts werden durch die Inaussichtstellung einer erlaubten Strafanzeige oder der schlichten Publikation nicht tangiert. Erst wenn weitere Umstände hinzutreten, die der Offenbarung den Charakter einer Formalbeleidigung bzw. Anprangerung verleihen würden, sind auch diese Rechtsgüter betroffen. Das Besteben des mit der Offenbarung einer Straftat Erpressten, die drohende Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen durch die Verteidigungshandlung abzuwenden, hat keine Verankerung als rechtlich geschütztes und damit notwehrfähiges Rechtsgut gefunden. Das nemo-tenetur-Prinzip erfasst die aktiven neuerlich rechtsgutsverletzenden Verhaltensweisen nicht. Der Angriff ist gegenwärtig im Sinne des § 32 StGB. Mit dem Aussprechen der Drohung überschreitet der Angreifer die Grenze zur versuchten Erpressung. Dieser Vorgang ist in Bezug auf die gefährdeten Rechtsgüter als einheitlicher zu betrachten. Es liegt ein begonnener, aber mangels Geldzahlung noch nicht beendeter Angriff auf die notwehrfähigen Rechtsgüter vor. Ebenso ist ein rechtswidriger Angriff im Sinne des § 32 StGB zu bejahen. Mit dem Erpressungsversuch realisiert sich das Handlungsunrecht und droht der Eintritt des Erfolgsunrechts. Geeignet zur Verteidigung sind alle nicht von vornherein aussichtslosen Maßnahmen, die eine Chance zur Abwehr, aber auch zur Abschwächung oder Verzögerung des Angriffs bieten. Ausreichend ist jede noch so gering wahrscheinliche, nicht sicher auszuschließende kleinste Chance. Richtschnur zur Beurteilung der Geeignetheit ist eine ex-ante-Prognose aus der Sicht eines objektiven Beobachters. Als zur Notwehr geeignete Reaktionen des Erpressten kommen vor allem die Tonbandaufnahme der Drohung des Erpressers, der Hausfriedensbruch und das Ausspähen von Daten bei ihm zum Zwecke der Suche belastenden Beweismaterials, eine Datenveränderung, ein Diebstahl oder Raub, eine Sachbeschädigung oder Urkundenunterdrückung im Hinblick auf gefundenes Beweismaterial oder die Körperverletzung oder sogar Tötung des Angreifers in Betracht. Sofern Handlungen lediglich der Vorbereitung der eigentlichen Abwehr der Erpressung dienen, unterfallen sie ebenfalls dem Begriff der Verteidigung.

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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

Für die Bestimmung des mildesten, zur Abwehr gleichwohl geeigneten Verteidigungsmittels sind die konkreten Umstände der Situation, unter welchen sich Angriff und Verteidigung abspielen, maßgeblich. Die Notwehrsituation zeichnet sich bei einem erpresserischen Angriff der thematisierten Art zum einen dadurch aus, dass es sich bei dem Vorgehen des Angreifers um ein langsames, auf die Psyche des Opfers gehendes Einwirken handelt. Zum anderen stehen sich Täter und Opfer regelmäßig zu Beginn des Angriffs nicht unmittelbar körperlich als Kontrahenten gegenüber. Dem Erpressten ist somit ein größerer Zeitraum für eine Reaktion eröffnet. Eine sofortige Abwehr ist nicht möglich und nicht nötig. Aufgrund der eingeräumten Zeit muss der Erpresste staatliche Hilfe zur Abwehr der Erpressung in Anspruch nehmen. Verfügt die Polizei über die milderen Mittel, folgt dies unmittelbar aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit. Die eigene Abwehr des Erpressten ist, da sie - gemessen an den insgesamt vorhandenen Verteidigungsmitteln - nicht die schonendste darstellt, nicht erforderlich. § 32 StGB garantiert kein Recht auf eine eigenhändige Verteidigung. Kann die Polizei im konkreten Fall lediglich auf vergleichbar intensive Abwehrmittel wie der Erpresste zurückgreifen, ergibt sich die Pflicht zu ihrer Einschaltung aus dem Gedanken des Gewaltmonopols des Staates. Allein ihm steht die Ausübung physischen Zwanges zur Durchsetzung bestimmter Zwecke zu. Nur für den Fall, dass staatliche Hilfe nicht zu erreichen ist, kommt dem Einzelnen die Befugnis zur Selbsthilfe zu. Für den regelmäßigen Fall der Schweigegelderpressung ist nicht davon auszugehen, dass der Erpresste selbst über die schonendsten Abwehrmittel verfügt. Die Pflicht zur Einbindung der Polizei in die Abwehr der Erpressung steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass ihre Inanspruchnahme ohne Risiken für die Interessen des Angegriffenen möglich ist. Wie in den sonstigen Notwehrfällen auch, muss sich der Angegriffene nicht auf Verteidigungsalternativen verweisen lassen, die zu einer unzumutbaren Gefährdung eigener Rechtsgüter führen. Bei einer Einschaltung der Polizei in den Kampf gegen den Erpresser muss der Erpresste die Straftat bzw. das kompromittierende Verhalten gegenüber der Behörde offenbaren. Das stellt ein Risiko für eigene rechtlich geschützte Interessen des Angegriffenen dar, ist diesem aber zumutbar. Der Einzelne hat einen Anspruch darauf, nicht durch Zwang zu einer Selbstbelastung genötigt zu werden. Dieses Recht folgt aus dem nemo-tenetur-Grundsatz, der im allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verankert ist. Der Erpresste ist zwar im Zeitpunkt seines Hilfeersuchens an die Polizei noch nicht Beschuldigter oder Zeuge in einem gegen einen anderen gerichteten Strafverfahren, trotzdem erfasst der Schutzbereich des nemo-tenetur-Grundsatzes ihn. Auch außerhalb eines Strafverfahrens stehenden Personen kommt dieses allgemein geltende Prinzip zugute. Ist der Erpresste verpflichtet, staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, besteht ein Zwang zur Offenbarung selbstbelastender Auskünfte im Sinne des nemo-tenetur-Grundsatzes. Die Selbstbelastungsfreiheit ist jedoch für

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den Erpressten, der sich primär zum Zwecke der Gefahrenabwehr an die Polizei wendet, nicht als unantastbares Recht gewährt. Einschränkungen sind bei angemessener Kompensation zulässig und müssen vom Betroffenen hingenommen werden. Mit der Norm des § 154 c StPO und der Möglichkeit, hinsichtlich der offenbarten belastenden Tatsachen ein Verwertungsverbot anzunehmen, sind derartige Regularien vorhanden. Das Interesse des Einzelnen, ihn selbst kompromittierende Tatsachen nicht offen legen zu müssen, ist durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet. Da die zu offenbarenden Tatsachen nicht dem unantastbaren Kernbereich zuzuordnen sind, ist der Schutz des Einzelnen ebenfalls nicht als absoluter garantiert. Wenn schon der mit einer Straftat Erpresste sich an die Polizei wenden muss, kann dies mangels der Gefahr eigener Strafverfolgung erst recht für den „lediglich" mit der Offenbarung kompromittierenden Verhaltens Erpressten angenommen werden. Vor allem durch die Pflicht zur Verschwiegenheit, die den mit der Sache befassten Polizeibeamten obliegt und durch die Möglichkeit, gem. § 171 b GVG in dem gegen den Erpresser geführten Prozess die Öffentlichkeit auszuschließen, relativieren sich die mit der Inanspruchnahme der staatlichen Ermittlungsbehörden einhergehenden Gefahren auf ein dem Betroffenen zumutbares Maß.

Schrifttumsverzeichnis Alwart, Heiner: Zum Begriff der Notwehr, in: JuS 1996, S.953 Alternativ-Entwurf Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmefreiheit: Entwurf eines Arbeitskreises Deutscher, Österreichischer und Schweizerischer Strafrechtslehrer, vorgelegt von J. Baumann u. a., München 1996 Altemativkommentar zur Strafprozeßordnung: Hrsg.: R. Wassermann, Band 1 (§§ 1-93), Neuwied 1988, Band 2, Teilband 1, (§§94-212b), Neuwied u.a., 1992 (zit. Bearbeiter, AK-StPO) Amelung, Knut: Das Problem der heimlichen Notwehr gegen die erpresserische Androhung kompromittierender Enthüllungen, in: GA 1982, S.381 — Die Rechtfertigung von Polizeivollzugsbeamten, in: JuS 1986, S.329 — Die zweite Tagebuchentscheidung des BVerfG, in: NJW 1990, S. 1753 — Noch einmal: Notwehr gegen sog. Chantage, in: NStZ 1998, S.70 Amelung, KnutfBoch, Gerhard: Hausarbeitsanalyse Strafrecht: Ein Ehestreit mit dem Hockeyschläger, in: JuS 2000, S.261 Arnauld, Andreas v.: Strukturelle Fragen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, in: ZUM 1996,S.286 — Die Freiheitsrechte und ihre Schranken, Baden-Baden 1999, zugl.: Diss., Hamburg 1997/98 (zit. Freiheitsrechte) Arzt, Gunther: Notwehr gegen Erpressung, in: MDR 1965, S.344 — Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre: vom zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz aus betrachtet, Tübingen 1970, zugl.: Habil.-Schr., Tübingen 1969 (zit. Intimsphäre) — Anmerkung zum Beschluß des BVerfG v. 31.1.1973 - 2 BvR 454/71, in: JZ 1973, S. 506 — Notwehr, Selbsthilfe, Bürgerwehr, in: Festschrift für Friedrich Schafifstein zum 70. Geburtstag, Hrsg.: G. Grünwald, Göttingen 1975, S.77 — Anmerkung zum Urteil des OLG Frankfurt a. M. v. 28.3.1977 - 2 Ss 2/77, in: JR 1978, S. 170 — Der strafrechtliche Ehrenschutz - Theorie und praktische Bedeutung, in: JuS 1982, S.717 — Zwischen Nötigung und Wucher, in: Festschrift für Karl Lackner zum 70. Geburtstag, Hrsg.: W. Küper u. a., Berlin u. a. 1987, S. 641 — Zur Strafbarkeit des Erpressungsopfers, in: JZ 2001, S. 1052 Arzt, Gunther¡Weber, Ulrich: Strafrecht, Besonderer Teil, Bielefeld 2000 (zit. Strafrecht BT) Bärlein, Michael¡Pananis, Panos¡Rehmsmeier, Jörg: Spannungsverhältnis zwischen der Aussagefreiheit im Strafverfahren und den Mitwirkungspflichten im Verwaltungsverfahren, in: NJW 2002, S. 1825

Schrifttumsverzeichnis

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Baston-Vogt, Marion: Der sachliche Schutzbereich des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Tübingen 1997, zugl.: Diss., Bielefeld 1995/96 (zit. Persönlichkeitsrecht) Baumann, Jürgen: §53 StGB als Mittel der Selbstjustiz gegen Erpressung?, in: MDR 1965, S. 346 Baumann, Jürgen ¡Weber, Ulrich: Strafrecht, Allgemeiner Teil, 9. Auflage, Bielefeld 1985 (zit. Strafrecht AT) Baumann, Jürgen/Weber, UlrichJMitsch, Wolfgang: Strafrecht, Allgemeiner Teil, 10. Auflage, Bielefeld 1995 (zit. Bearbeiter, Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht AT) Baumbach, Adolf/Lauterbach, Wolfgang/Albers, Jan/Hartmann, Peter: Zivilprozeßordnung mit Gerichts Verfassungsgesetz und anderen Nebengesetzen, 59. Auflage, München 2001 (zit. Bearbeiter, Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO) Baumgarten, Arthur: Notstand und Notwehr, Tübingen 1911 (zit. Notstand) Baur, Fritz¡Baur, Jürgen F./Stiirner, chenrecht)

Rolf: Sachenrecht, 17. Auflage, München 1999 (zit. Sa-

Beater, Axel: Zivilrechtlicher Schutz vor der Presse als konkretisiertes Verfassungsrecht: Grundstrukturen im Vergleich von englischem, US-amerikanischem und deutschem Recht, Tübingen 1996 (zit. Presse) Beling, Emst: Grundzüge des Strafrechts: mit einer Anleitung zur Bearbeitung von Strafrechtsfällen, 11. Auflage, Tübingen 1930 (zit. Grundzüge) Bemmann, Günter: Was bedeutet die Bestimmung „wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist" in § 186 StGB, in: MDR 1956, S.387 — Ehrverletzungen und Strafbedürftigkeit, in: Festschrift für Emst Amadeus Wolff zum 70. Geburtstag, Hrsg.: R. Zaczyk u. a., Berlin u. a. 1998, S. 33 Benda, Emst: Privatsphäre und „Persönlichkeitsprofil", in: Menschenwürde und freiheitliche Rechtsordnung, Festschrift für Willi Geiger zum 65. Geburtstag, Hrsg.: G. Leibholz u. a., Tübingen 1974, S.23 Bergerhoff, Marcus: Nötigung durch Boykott, Frankfurt am Main 1998, zugl.: Diss., Bochum 1997 (zit. Boykott) Berner; Albert F.: Lehrbuch des deutschen Strafrechts, Nachdruck der 18. Auflage, Leipzig 1898, Aalen 1996 (zit. Lehrbuch) Bernsmann, Klaus: „Entschuldigung" durch Notstand: Studien zu §35 StGB, Köln u.a. 1989, zugl.: Habil.-Schr., Bochum 1987 (zit. Notstand) — Überlegungen zur tödlichen Notwehr bei nicht lebensbedrohlichen Angriffen, in: ZStW 104 (1992), S. 290 Bertel, Christian: Notwehr gegen verschuldete Angriffe, in: ZStW 84 (1972), S. 1 Berthold, Volker: Der Zwang zur Selbstbezichtigung aus § 370 Abs. 1 AO und der Grundsatz des nemo-tenetur, Frankfurt am Main u.a. 1993, zugl.: Diss., Kiel 1992 (zit. Selbstbezichtigung) Besson, Philipp: Das Steuergeheimnis und das Nemo-tenetur-Prinzip im (steuer-)strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, Frankfurt am Main 1997, zugl.: Diss., Bochum 1996 (zit. Steuergeheimnis)

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Beste, Hubert/Voß, Michael: Privatisierung staatlicher Sozialkontrolle durch kommerzielle Sicherheitsunternehmen? Analyse und Kritik, in: Privatisierung staatlicher Kontrolle: Befunde, Konzepte, Tendenzen, Hrsg.: F. Sack u.a., Baden-Baden 1995, S.219 (zit. Privatisierung) Bettermann, Karl AugusX/Nipperday, Hans CarlIScheuner, Ulrich: Die Grundrechte, Handbuch der Theorie und Praxis der Grundrechte, Band 3, Halbband 2: Rechtspflege und Grundrechtsschutz, Berlin 1959 (zit. Grundrechte III/2) Beulke, Werner: Strafprozeßrecht, 5. Auflage, Heidelberg 2001 (zit. Strafprozeßrecht) Binding, Karl: Handbuch des Strafrechts, Neudruck der Ausgabe Leipzig 1885, Darmstadt 1991 (zit. Handbuch) Bitzilekis, Nikolaos: Die neue Tendenz zur Einschränkung des Notwehrrechts: unter besonderer Berücksichtigung der Notwehrprovokation, Berlin 1984, zugl.: Diss., Köln 1983/84 (zit. Notwehrrecht) Bizer, Johann: Forschungsfreiheit und informationelle Selbstbestimmung: gesetzliche Forschungsregelungen zwischen grundrechtlicher Förderungspflicht und grundrechtlichem Abwehrrecht, Baden-Baden 1992, zugl.: Diss., Frankfurt a.M. 1992 (zit. Forschungsfreiheit) Blei, Hermann: Strafrecht I, Allgemeiner Teil, 18. Auflage, München 1983 (zit. Strafrecht I AT) — Strafrecht II, Besonderer Teil, 12. Auflage, München 1983 (zit. Strafrecht II BT) Blume, Hans-Joachim/Fw/irma/w, Astrid ¡Grimme, Steffen: Erpressung von Wirtschaftsunternehmen, in: Kriminalistik 1992, S.555 Bockelmann, Paul: Notrechtsbefugnisse der Polizei, in: Festschrift für Eduard Dreher zum 70. Geburtstag, Hrsg.: H.-H. Jescheck u.a., Berlin u.a. 1977, S.235 Bockelmann, Paul¡Volk, Klaus: Strafrecht, Allgemeiner Teil, 4. Auflage, München 1987 (zit. Strafrecht AT) Böse, Martin: Der Nemo-tenetur-Grundsatz als Gebot zur Aussetzung des Zivilprozesses nach § 149 ZPO?, in: wistra 1999, S.451 — Die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Satzes „Nemo tenetur se ipsum accusare", in: GA 2002, S. 98 Böttcher, Reinhard: Der Schutz der Persönlichkeit des Zeugen im Strafverfahren, in: Festschrift für Theodor Kleinknecht zum 75. Geburtstag, Hrsg.: H. Gössel u.a., München 1985, S.25 — Das neue Opferschutzgesetz, in: JR 1987, S. 133 Born, Ulrich: Die Rechtfertigung der Abwehr vorgetäuschter Angriffe: eine strafrechtsdogmatische Untersuchung, Spardorf 1984, zugl.: Diss., Bayreuth 1983 (zit. Rechtfertigung) Bosch, Nikolaus: Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips aus verfassungsrechtlicher und strafprozessualer Sicht: ein Beitrag zur funktionsorientierten Auslegung des Grundsatzes „nemo tenetur seipsum accusare", Berlin 1998, zugl.: Diss., Augsburg 1997 (zit. nemo-teneturPrinzip) Braun, Angelika¡Perret, Ulrich¡Balzert Alois: Linguistische Textanalysen, in: Kriminalistik 1988, S.47

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Brossette, Josef: Der Wert der Wahrheit im Schatten des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung: ein Beitrag zum zivilrechtlichen Ehren-, Persönlichkeits- und Datenschutz, Berlin 1991, zugl.: Diss., Trier 1989/90 (zit. Wahrheit) Burr, Christian: Notwehr und staatliches Gewaltmonopol, in: JR 1996, S.230 Buschmann, Arno: Textbuch zur Strafrechtsgeschichte der Neuzeit: Die klassischen Gesetze, München 1998 (zit. Textbuch) Bussfeld, Klaus: Zum materiellen Charakter des Immateriellen: Überlegungen zur Theorie und Praxis der Persönlichkeitsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs, Tübingen 1978, zugl.: Diss., Tübingen 1978 (zit. Charakter) Constadinidis, Angelos: Die „ACTIO ILLICITA IN CAUSA": ein Beitrag zu den Voraussetzungen und Grenzen der strafrechtlichen Zurechnung eines Handlungserfolges sowie zur Problematik der provozierten Notwehr, Würzburg 1982, zugl.: Diss., Würzburg 1981 (zit. actio) Courakis, Nestor-Constantin: Zur sozialethischen Begründung der Notwehr: die sozialethischen Schranken des Notwehrrechts nach deutschem und griechischem Strafrecht, BadenBaden 1978, zugl.: Diss., Freiburg 1977 (zit. Notwehr) Cramer, Peter: Grenzen des Vermögensschutzes im Strafrecht, in: JuS 1966, S.472 — Vermögensbegriff und Vermögensschaden im Strafrecht, Bad Homburg v.d.H. u.a. 1968, zugl.: Habil.-Schr., Tübingen 1966 (zit. Vermögensbegriff) — Überlegungen zur Reform des § 142 StGB, in: ZRP 1987, S. 157 Dähn, Gerd: Der Schutz des Zeugen im Strafprozeß vor bloßstellenden Fragen, in: JR 1979, S. 138 Däubler, Wolfgang: Das Fernsprechgeheimnis des Arbeitnehmers, in: CR 1994, S.754 Dahs, Hans: Zum Persönlichkeitsschutz des „Verletzten" als Zeuge im Strafprozeß, in: NJW 1984, S.1921 Dalakouras, Theoris: Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre: unter besonderer Berücksichtigung der Grundrechtsproblematik sowie des griechischen Rechts, Berlin 1988, zugl.: Diss. Köln 1986 (zit. Beweisverbote) Dalcke, Albert: Strafrecht und Strafprozess: eine Sammlung der wichtigsten das Strafrecht und das Strafverfahren betreffenden Gesetze; zum Handgebrauch für den preussischen Praktiker, 22. Auflage, Berlin 1929 (zit. Strafrecht) Degenhart, Christoph: Die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 21GG, in: JuS 1990, S. 161 — Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Art. 21 i.V. mit Art. 11 GG, in: JuS 1992, S.361 Delonge, Franz-Benno: Die Interessenabwägung nach § 34 StGB und ihr Verhältnis zu den übrigen strafrechtlichen Rechtfertigungsgründen, München 1988, zugl.: Diss., München 1987 (zit. Interessenabwägung) Denzlinger, Karl-Heinz: Entkriminalisierung des Verkehrsunfalls?, in: ZRP 1982, S. 178 Deutsch, Erwin: Mutwillige Strafanzeige gegen den Arzt: Ersatzpflicht des Anwalts oder Patienten?, in: NJW 1982, S. 680 Dietrich, Gero: § 142 n.F. StGB und das Verbot zwangsweiser Selbstbelastung, Baden-Baden 1998, zugl.: Diss., Kiel 1998 (zit. Selbstbelastung)

Schrifttumsverzeichnis Dingeldey, Thomas: Der Schutz der strafprozessualen Aussagefreiheit durch Verwertungsverbote bei außerstrafrechtlichen Aussage- und Mitwirkungspflichten, in: NStZ 1984, S.529 — Das Prinzip der Aussagefreiheit, in: JA 1984, S.407 Dölling, Dieter: Anmerkung zum Urteil des BGH v. 15.11.1996-3 StR 79/96 (BGHSt.42, 301), in: JR 1998, S. 160 Dreier, Horst: Grundgesetz, Kommentar, Hrsg.: Horst Dreier, Bd.I, Art. 1-19, Tübingen 1996 (zit. Bearbeiter, Dreier, GG) Dünnebier, Hanns: Die Verkehrsunfallflucht, in: GA 1957, S.33 Ebert, Udo: Strafrecht, Allgemeiner Teil, 3. Auflage, Heidelberg 2001 (zit. Strafrecht AT) Edenfeld, Stefan: Der Schuldner am Pranger - Grenzen zivilrechtlicher Schuldbeitreibung, in: JZ 1998,S.645 Eggert, Matthias: Chantage - Ein Fall der Beschränkung des Notwehrrechts?, in: NStZ 2001, S.225 Eichler, Hermann: Institutionen des Sachenrechts, Zweiter Band/Erster Halbband, Eigentum und Besitz, Berlin 1957 (zit. Sachenrecht II 1) Eisenberg, Ulrich: Beweisrecht der StPO, Spezialkommentar, 3. Auflage, München 1999 (zit. Beweisrecht) Eisenberg, Ulrich ¡Müller, Ernst: Strafrecht: Geldübergabe auf Video, in: JuS 1990, S. 120 Engau, Herwigh: Straftäter und Tatverdächtige als Personen der Zeitgeschichte: ein Beitrag zur Problematik identifizierender Mediendarstellungen, Frankfurt a.M. 1993, zugl.: Diss., Bielefeld 1992 (zit. Straftäter) Engelhard, Herbert: Das Chantage-Problem im geltenden und künftigen deutschen Strafrecht, Breslau 1912 (zit. Chantage-Problem) Erdmann, Willi: Der Selbstbegünstigungsgedanke im Strafrecht, Diss., Göttingen 1969 (zit. Selbstbegünstigungsgedanke) Erhardt, Elmar: Kunstfreiheit und Strafrecht: zur Problematik satirischer Ehrverletzungen, Heidelberg 1989, zugl.: Diss., Göttingen 1988 (zit. Kunstfreiheit) Erman, Walter: Bürgerliches Gesetzbuch, Handkommentar mit AGBG, EGBGB, ErbbauVo, HausratsVO, HausTWG, ProdHaftG; SachenRBerG, SchuldRAnpG, VerbrKrG, Hrsg.: H.P. Westermann, Band 2,10. Auflage, Münster/Köln 2000 (zit. Erman/Bearbeiter, BGB) Ernst, Marcus A.: Verarbeitung und Zweckbindung von Informationen im Strafprozeß, Berlin 1993, zugl.: Diss., Regensburg 1992/93 (zit. Verarbeitung) Eser, Albin: Aussagefreiheit und Beistand des Verteidigers im Ermittlungsverfahren, in: ZStW 79 (1967), S. 213 — Strafrecht IV, Schwerpunkt Vermögensdelikte, 4. Auflage, München 1983 (zit. Strafrecht IV) Eser, Albin¡Burkhardt, Björn: Strafrecht I, Schwerpunkt Allgemeine Verbrechenselemente, 4. Auflage, München 1992 (zit. Strafrecht I) Eue, Jens: Anmerkung zum Urteil des BGH v. 14.3.1989-1 StR 25/89, in: JZ 1990, S.765 Fechner, Frank: Grenzen der polizeilichen Notwehr, Frankfurt am Main u. a. 1991, zugl.: Diss., Hamburg 1991 (zit. Notwehr)

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Felber, Roland: Die Rechtswidrigkeit des Angriffs in den Notwehrbestimmungen: zugleich ein Beitrag zur ratio des Notwehrrechts, München 1979, zugl.: Diss., München 1977/78 (zit. Rechtswidrigkeit) Fenger, Hermann: Die Öffentlichkeit in Arztpflichtverfahren, in: NJW 2000, S.851 Fezer, Gerhard: Zur jüngsten Auseinandersetzung um das Rechtsgut des § 240 StGB, in: GA 1975, S. 353 — Strafprozeßrecht, 2. Auflage, München 1995 (zit. Strafprozeßrecht) Fischer, Bianca: Divergierende Selbstbelastungspflichten nach geltendem Recht: Versuch einer Harmonisierung, Berlin 1979, teilw. zugl.: Diss., Erlangen 1976 (zit. Selbstbelastungspflichten) Focke, Emstgünter: Notwehr in Lehre und Rechtsprechung, Breslau-Neukirch 1939 (zit. Notwehr) Foth, Heinrich: Betrug und illegales Rechtsgeschäft, in: GA 1966, S.33 Frank, Peter H.: Die Verwertbarkeit rechtswidriger Tonbandaufnahmen Privater: Überlegungen zu einem einheitlichen Schutz des Rechts am gesprochenen Wort im Straf- und Strafverfahrensrecht, Baden-Baden 1996, zugl.: Diss., Würzburg 1995 (zit. Tonbandaufnahmen) Frank, Reinhard: Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, Tübingen 1931 (zit. StrGB) Franzheim, Horst: Zur Strafbarkeit des Komplicen- und Dimenbetruges - Ein Beitrag zum Begriff des Vermögensschadens-, in: GA 1960, S.269 Freund, Georg: Strafrecht, Allgemeiner Teil: Personale Straftatlehre, Berlin u.a. 1998 (zit. Strafrecht AT) Frisch, Wolfgang: Vorsatz und Risiko: Grundfragen des tatbestandsmäßigen Verhaltens und des Vorsatzes; zugleich ein Beitrag zur Behandlung außertatbestandlicher Möglichkeitsvorstellungen, Köln u.a. 1983 (zit. Vorsatz) — Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolges, Heidelberg 1988 (zit. Verhalten) Frister,

Helmut: Die Notwehr im System der Notrechte, in: GA 1988, S. 291

Fuchs, Helmut: Grundfragen der Notwehr, Wien 1986, zugl.: Habil.-Schr., Wien 1983 (zit. Notwehr) — Österreichisches Strafrecht, Allgemeiner Teil 1,4. Auflage, Wien u. a. 2000 (zit. Strafrecht AT) Gallas, Wilhelm: Der Betrug als Vermögensdelikt, in: Festschrift für Eberhard Schmidt zum 70. Geburtstag, Hrsg.: P. Bockelmann u.a., Göttingen 1961, S.401 — Zur Struktur des strafrechtlichen Unrechtsbegriffs, in: Festschrift für Paul Bockelmann zum 70. Geburtstag, Hrsg.: A. Kaufmann u.a., München 1979, S. 155 Geilen, Gerd: Eingeschränkte Notwehr unter Ehegatten?, in: JR 1976, S.314 — Notwehr und Notwehrexzeß, in: Jura 1981, S.200, S.256 und S.308 Geis, Max-Emanuel: Der Kernbereich des Persönlichkeitsrechts, in: JZ 1991, S. 112

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Gerlach, Jürgen v.: Die Vernehmung des Beschuldigten und der Schutz vor Selbstbeschuldigung im deutschen und anglo-amerikanischen Strafverfahren. Eine entwicklungsgeschichtliche Bilanz, in: Festschrift für Emst-Walter Hanack zum 70. Geburtstag, Hrsg.: U. Ebert u. a., Berlin u. a. 1999, S. 117 Geppert, Klaus: Beschlagnahme von Schadensakten privater (Kraftfahrzeug-)Haftpflichtversicherer im (Verkehrs-)Strafprozeß, in: DAR 1981, S.301 — Notwendigkeit und rechtliche Grenzen der „informatorischen Befragung" im Strafverfahren, in: Festschrift für Dietrich Oehler zum 70. Geburtstag, Hrsg.: R.D. Herzberg, München u.a. 1985, S.328 — „Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort" (§ 142 StGB) - Wie können die Rechte der Geschädigten verbessert werden, in: BA 1986, S. 157 — Anmerkung zum Urteil des BGH v. 9.7.1987 - 4 StR 223/87 (BGHSt.34,397), in: JR 1988, S.471 — Das Beweisverbot des § 252 StPO, in: Jura 1988, S. 363 — Zur Verwertung selbstbelastender Angaben eines Versicherungsnehmers und späteren Beschuldigten im nachfolgenden Strafverfahren, in: Jura 1995, S.439 Gössel, Karl Heinz: Kritische Bemerkungen zum gegenwärtigen Stand der Lehre von den Beweisverboten im Strafverfahren, in: NJW 1981, S.649 — Strafrecht, Besonderer Teil, Band 1: Delikte gegen immaterielle Rechtsgüter des Individuums, Heidelberg 1987 (zit. Strafrecht BT) — Die Beweisverbote im Strafverfahrensrecht der Bundesrepublik Deutschland, in: GA 1991, S.483 Goltdammer, Theodor: Die Materialien zum Straf-Gesetzbuche für die Preußischen Staaten, Theil 1, Berlin 1851 (zit. Materialien, Bd. 1) Gramse, Falko: Zulässigkeit und Grenzen der Verwendung von Ton- und Bildaufnahmen als Beweismittel im Strafverfahren (Privatklageverfahren), in: AnwBl. 1980, S.433 Graul, Eva: Notwehr oder Putativnotwehr - Wo ist der Unterschied?, in: JuS 1995, S. 1049 Gropp, Walter: Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Auflage, Berlin u. a. 2001 (zit. Strafrecht AT) Groß, Hans/Geerds, Friedrich: Handbuch der Kriminalistik, Band I: Die Kriminalistik als Wissenschaft, die Technik der Verbrechen, Kriminaltechnik, 10. Auflage, Berlin 1977 (zit. Kriminalistik, Bd. I) Grünwald, Gerald: Das Beweisrecht der Strafprozeßordnung, Baden-Baden 1993 (zit. Beweisrecht) Günther, Hans-Ludwig: Die Schweigebefugnis des Tatverdächtigen im Straf- und Bußgeldverfahren aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: GA 1976, S. 193 Gutmann, Alexander: Der Vermögensschaden beim Betrug im Licht der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung, in: MDR 1963, S.3 Haas, Robert: Notwehr und Nothilfe: zum Prinzip der Abwehr rechtswidriger Angriffe; geschichtliche Entwicklung und heutige Problematik, Frankfurt am Main u.a. 1978, zugl.: Diss., Kiel 1977 (zit. Notwehr)

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Hagendorn, Nadja: Schutz der Opfer von Gewaltdelikten durch den Ausschluß der Öffentlichkeit im Strafverfahren: eine empirische Untersuchung zur Anwendungspraxis der verfahrensgestaltenden Maßnahme des Ausschlusses der Öffentlichkeit im Strafverfahren, Frankfurt a.M. u.a. 1999, zugl.: Diss., Passau 1999 (zit. Schutz) Hager, Johannes: Der Schutz der Ehre im Zivilrecht, in: AcP 196 (1996) S. 168 Haft, Fritjof: Strafrecht, Allgemeiner Teil: eine Einführung für Anfangssemester, 8. Auflage, München 1998 (zit. Strafrecht AT) Haller, Klaus¡Conzen, Klaus: Das Strafverfahren: eine systematische Darstellung; mit Originalakte und Fallbeispielen, 2. Auflage, Heidelberg 1999 (zit. Strafverfahren) Hammer, Felix: Private Sicherheitsdienste, staatliches Gewaltmonopol, Rechtsstaatsprinzip und „schlanker Staat", in: DÖV 2000, S. 613 Hanack, Emst-Walter: Anmerkung zum Urteil des BayObLG v. 8.11.1978 - RReg. 3 St 267/78-, in: JR 1980, S. 434 Hassemer, Winfried: Die provozierte Provokation oder Über die Zukunft des Notwehrrechts, in: Festschrift für Paul Bockelmann zum 70. Geburtstag, Hrsg.: A. Kaufmann u. a., München 1979, S.225 Haug, Winfried: Notwehr gegen Erpressung, in: MDR 1964, S.548 — Tonbandaufnahmen in Notwehr?, in: NJW 1965, S.2391 Hävers, Hans/Schnupp, Günther: Beamten- und Disziplinarrecht: ein Grundriß für die Ausbildung und Praxis anhand der bundes- und landesrechtlichen Vorschriften, Hilden 1990 (zit. Beamtenrecht) Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse, Nach der Ausgabe von Eduard Gans herausgegeben und mit einem Anhang versehen von Hermann Klenner, Akademie-Verlag, Berlin 1981 (zit. Grundlinien) Heidelberger Kommentar zur Strafprozeßordnung: Hrsg.: M. Lemke u. a., 3. Auflage, Heidelberg 2001 (zit. Bearbeiter, HK-StPO) Helle, Emst: Der Schutz der Persönlichkeit, der Ehre und des wirtschaftlichen Rufes im Privatrecht: vornehmlich auf Grund der Rechtsprechung, 2. Auflage, Tübingen 1969 (zit. Persönlichkeit) Helle, Jürgen: Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht: das Recht am eigenen Bild, das Recht am gesprochenen Wort und der Schutz des geschriebenen Wortes, Tübingen 1991 (zit. Persönlichkeitsrechte) Hellmann, Uwe: Die Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe im Strafrecht, Köln u.a. 1987, zugl.: Diss., Osnabrück 1985/86 (zit. Rechtfertigungsgründe) — Strafprozeßrecht, Heidelberg 1998 — Anmerkung zum Beschluß des BGH vom 23.1.2002-5 StR 540/01, in: JZ2002, S.617 Herzberg, Rolf Dietrich: Der Fall Hackethal: Strafbare Tötung auf Verlangen?, in: NJW 1986, S.1635 — Handeln in Unkenntnis einer Rechtfertigungslage, in: JA 1986, S. 190 — Strafbare Beteiligung am Suizid und gerechtfertigte Tötung auf Verlangen, in: JZ 1988, S. 182

Schrifttumsverzeichnis — Erlaubnistatbestandsirrtum und Deliktsaufbau, in: JA 1989, S.243 — Sterbehilfe als gerechtfertigte Tötung im Notstand?, in: NJW 1996, S.3043 Hilgendorf,

Eric: Grundfälle zum Computerstrafrecht, in: JuS 1996, S.890

Hillenkamp, Thomas: Vorsatztat und Opferverhalten, Göttingen 1981, zugl.: Habil.-Schr., Göttingen 1980 (zit. Vorsatztat) Hinz, Werner: Die fahrlässig provozierte Notwehrlage unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, in: JR 1993, S.353 Hirsch, Hans Joachim: Ehre und Beleidigung: Grundfragen des strafrechtlichen Ehrenschutzes, Karlsruhe 1967, zugl.: Habil.-Schr., Bonn 1956/66 (zit. Ehre) — Die Notwehrvoraussetzung der Rechtswidrigkeit des Angriffs, in: Festschrift für Eduard Dreher zum 70. Geburtstag, Hrsg.: H.-H. Jescheck u. a., Berlin u. a. 1977, S. 211 — Grundfragen von Ehre und Beleidigung, in: Festschrift für Emst Amadeus Wolff zum 70. Geburtstag, Hrsg.: R. Zaczyk u.a., Berlin u.a. 1998, S. 125 Hoffmann, Andreas: Millionenbetrug außerhalb des kaufmännischen Bereiches, in: Kriminalistik 1976, S. 364 Hoffmann, Dieter: Die Selbstbegünstigung, Kiel 1965, zugl.: Diss., Kiel 1965 (zit. Selbstbegünstigung) Hohmann, Ralf¡Matt, Holger: Anmerkung zum Beschluß des BGH v. 29.12.1987- 1 StR 642/87, in: JR 1989, S. 161 Honneth, Axel: Kampf um Anerkennung: zur moralischen Grammatik sozialer Konflikte, Frankfurt am Main 1994 (zit. Anerkennung) Horn, Eckhardt: Die Drohung mit einem erlaubten Übel: Nötigung?, in: NStZ 1983, S.497 Hoyer, Andreas: Das Rechtsinstitut der Notwehr, in: JuS 1988, S. 89 Hruschka, Joachim: Die Dogmatik der Dauerstraftaten und das Problem der Tatbeendigung, in: GA 1968, S. 193 — Extrasystematische Rechtfertigungsgründe, in: Festschrift für Eduard Dreher zum 70. Geburtstag, Hrsg.: H.-H. Jescheck u.a., Berlin u.a. 1977, S. 189 — Strafrecht nach logisch analytischer Methode: systematisch entwickelte Fälle mit Lösungen zum Allgemeinen Teil, 2. Auflage, Berlin/New York 1988 (zit. Strafrecht AT) Hubmann, Heinrich: Grundsätze der Interessenabwägung, in: AcP 155 (1956), S. 85 Humborg, Franz-Egon: Die Rechte des Zeugen in der Hauptverhandlung, in: JR 1966, S.448 Hummler, Alexander Josef: Staatliches Gewaltmonopol und Notwehr: Grenzverschiebungen in Rechtsprechung und Literatur, zugl.: Diss., Tübingen 1998 (zit. Gewaltmonopol) Isensee, Josef/Kirchhof

Paul: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland,

— Band 1 - Grundlagen von Staat und Verfassung, 2. Auflage, Heidelberg 1995 — Band 3 - Das Handeln des Staates, 2. Auflage, Heidelberg 1996 — Band 5 - Allgemeine Grundrechtslehren, 2. Auflage, Heidelberg 1992 — Band 6 - Freiheitsrechte, 2. Auflage, Heidelberg 2001 (zit. Bearbeiter, Isensee/Kirchhof, Staatsrecht)

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Jakobs, Günther: Nötigung durch Drohung als Freiheitsdelikt, in: Einheit und Vielfalt des Strafrechts, Festschrift für Karl Peters zum 70. Geburtstag, Hrsg.: J. Baumann u. a., Tübingen 1974, S.69 — Nötigung durch Gewalt, in: Gedächtnisschrift für Hilde Kaufmann, Hrsg.: H. J. Hirsch u.a., Berlin u.a. 1986, S.791 — Strafrecht, Allgemeiner Teil: die Grundlagen und die Zurechnungslehre, 2. Auflage, Berlin u.a. 1991 (zit. Strafrecht AT) — Kommentar: Rechtfertigung und Entschuldigung bei Befreiung aus besonderen Notlagen (Notstand, Notwehr, Pflichtenkollision), in: Rechtfertigung und Entschuldigung IV, Ostasiatisch-deutsches Strafrechtskolliquium Tokio 1993, Hrsg.: A. Eser u. a., Freiburg in Breisgau 1995, S. 143 (zit. Rechtfertigung und Entschuldigung IV) Jarass, Hans D.: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Grundgesetz, in: NJW 1989, S.857 Jarass, Hans D./Pieroth, Bodo: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 5. Auflage, München 2000 Jhering, Rudolf v.: Der Kampf ums Recht, herausgegeben und mit einem Anhang versehen von Hermann Klenner, Rudolf Haufe Verlag, Freiburg, Berlin 1992 (zit. Kampf) Jescheck, Hans-HeinrichIWeigend, Thomas: Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 5. Auflage, Berlin 1996 (zit. Strafrecht AT) Joachim, Norbert: Anmerkung zum Urteil des BGH v. 27.4.1988 - 3 StR 499/87, in: NStZ 1990, S.95 Joecks, Wolfgang: Erfolglose Notwehr, in: Festschrift für Gerald Grünwald zum 70. Geburtstag, Hrsg.: E. Samson, Baden-Baden 1999, S.251 Kade Ibach, Stefan: Anmerkung zum Beschluß des OLG Düsseldorf v. 15.11.1991 - VI 14/89, in: StV 1992, S. 506 Kaiser, Günther: Kriminologie, Lehrbuch, 3. Auflage, Heidelberg 1996 (zit. Kriminologie) Kant, Immanuel: Zum ewigen Frieden: ein philosophischer Entwurf, heraugegeben von R. Malter, Stuttgart 1984 (zit. Zum ewigen Frieden) Kargt, Walter: Die intersubjektive Begründung und Begrenzung der Notwehr, in: ZStW 110 (1998), S. 38 Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz: Hrsg.: G. Pfeiffer, 4. Auflage, München 1999 (zit. Bearbeiter, KK-StPO) Katholnigg, Oskar: Strafgerichtsverfassungsrecht, Kommentar, 2. Auflage, Köln u.a. 1995 (zit. Strafgerichtsverfassungsrecht) Keller, Siegmund: Der Beweis der Notwehr: eine rechtshistorische Studie aus dem Sachsenspiegel, Breslau 1904 (zit. Notwehr) Kimms, Fr&nk/Schlünder, Verfassungsrecht II)

Irene: Verfassungsrecht, Band 2, Grundrechte, München 1998 (zit.

Kindhäuser, Urs: Strafrecht, Besonderer Teil II: Straftaten gegen Vermögensrechte, Teilband 1: Eigentumsdelikte, 2. Auflage, Baden-Baden 1999 (zit. Strafrecht BT II, Bd. 1) Kioupis, Dimitrios: Notwehr und Einwilligung: eine individualistische Begründung, BadenBaden 1992, zugl.: Diss., Saarbrücken 1991 (zit. Notwehr) Kissel, Otto Rudolf: Gerichtsverfassungsgesetz, Kommentar, 3. Auflage, München 2001

Schrifttumsverzeichnis Kleinknecht, Theodor: Die Beweisverbote im Strafprozeß, in: NJW 1966, S. 1537 — Schutz der Persönlichkeit des Angeklagten durch Ausschluß der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung, in: Festschrift für Erich Schmidt-Leichner zum 65. Geburtstag, Hrsg.: R. Hamm u. a., München 1977, S. 111 Kleinknecht, Theodor¡Meyer-Goßner, Lutz: Strafprozeßordnung, Gerichtsverfassungsgesetz, Nebengesetze und ergänzende Bestimmungen, 44. Auflage, München 1999 Klesczewski, Diethelm: Ein zweischneidiges Recht - Zu Grund und Grenzen der Notwehr in einem vorpositiven System der Erlaubnissätze, in: Festschrift für Ernst Amadeus Wolff zum 70. Geburtstag, Hrsg.: R. Zaczyk u. a., Berlin u. a. 1998, S. 225 Klinkhardt,

Ingo: Die Selbsthilferechte des Amtsträgers, in: VerwArch 55, S.297

— Der administrative Waffengebrauch der Bundeswehr, in: JZ 1969, S.700 Klose, Peter: Notrecht des Staates aus staatlicher Rechtsnot, in: ZStW 89 (1977), S.61 Klug, Ulrich: Konfliktlösungsvorschläge bei heimlichen Tonbandaufnahmen zur Abwehr krimineller Telefonanrufe, in: Festschrift für Werner Sarstedt zum 70. Geburtstag, Hrsg.: R. Hamm, Berlin u.a. 1981, S. 101 KMR - Kommentar zur Strafprozeßordnung: begr. von: Th. Kleinknecht/H. Müller/L. Reitberger, Hrsg.: B. v. Heintschel-Heinegg u. a., Neuwied u. a., 29. Lieferung, Stand: September 2001, Band 1 und 2 (zit. Bearbeiter, KMR-StPO) Knodel, Klaus Dieter: Begriff der Gewalt im Strafrecht, München u.a. 1962, zugl.: Diss., Tübingen 1960 (zit. Begriff der Gewalt) Koch, Burkhard: Prinzipientheorie der Notwehreinschränkungen, in: ZStW 104 (1992), S.785 Köhler, Michael: Strafrecht, Allgemeiner Teil, Berlin u.a. 1997 (zit. Strafrecht AT) Kohlhaas, Max: Das Mitschneiden von Telefongesprächen im Verhältnis zum Abhörverbot (§298 StGB) und dem Fernmeldegeheimnis, in: NJW 1972, S.238 Kopf, Verena Angela: Selbstbelastungsfreiheit und Genomanalysen im Strafverfahren: Untersuchungen zu Inhalt und Reichweite des Grundsatzes nemo tenetur se ipsum accusare unter besonderer Berücksichtigung von Genomanalysen, Aachen 1999, zugl.: Diss., Berlin 1998 (zit. Selbstbelastungsfreiheit) Koppernock, Martin: Das Grundrecht auf bioethische Selbstbestimmung: zur Rekonstruktion des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Baden-Baden 1997, zugl.: Diss., Frankfurt, 1996 (zit. Selbstbestimmung) Koriath, Heinz: Einige Gedanken zur Notwehr, in: Festschrift für Heinz Müller-Dietz zum 70. Geburtstag, Hrsg.: G. Britz u.a., München 2001, S.361 Kramer, Bernhard: Grundbegriffe des Strafverfahrensrechts: Ermittlung und Verfahren, 4. Auflage, Stuttgart u.a. 1999 (zit. Strafverfahrensrecht) Kratzsch, Dietrich: Grenzen der Strafbarkeit im Notwehrrecht: zugleich ein Beitrag zur Grundlagenforschung der Rechtswissenschaft unter besonderer Berücksichtigung der erkenntnistheoretischen Untersuchungen von Fr. Vinding Kruse, Berlin 1968, zugl.: Diss., Köln 1967 (zit. Grenzen) — §53 StGB und der Grundsatz nullum crimen sine lege, in: GA 1971, S. 65 — Der „Angriff" - ein Schlüsselbegriff des Notwehrrechts, in: StV 1987, S.224

Schrifttumsverzeichnis

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Krause, Friedrich-Wilhelm: Kriminalpolitische Betrachtungen zur sog. Chantage, in: MschKrim 1969, S. 214 — Zur Problematik der Notwehr, in: Festschrift für Hans-Jürgen Bruns zum 70. Geburtstag, Hrsg.: W. Frisch u.a., Köln u.a. 1978, S.71 — Zur Einschränkung der Notwehrbefugnis, in: GA 1979, S. 329 — Notwehr bei Angriffen Schuldloser und bei Bagatellangriffen, in: Gedächtnisschrift für Hilde Kaufmann, Hrsg.: H. J. Hirsch u.a., Berlin u.a. 1986, S.673 — Gedanken zur Nötigung und Erpressung durch Rufgefährdung (Chantage), in: Festschrift für Günter Spendel zum 70. Geburtstag, Hrsg.: M. Seebode, Berlin u.a. 1992, S.547 Krauss, Detlef: Der Schutz der Intimsphäre im Strafprozeß, in: Festschrift für Wilhelm Gallas zum 70. Geburtstag, Hrsg.: K. Lackner u. a., Berlin u. a. 1973, S. 365 Krey, Volker: Der Fall Peter Lorenz - Probleme des rechtfertigenden Notstandes bei der Auslösung von Geiseln, in: ZRP 1975, S.98 — Zur Einschränkung des Notwehrrechts bei der Verteidigung von Sachgütem, in: JZ 1979, S.702 — Examensklausur Strafrecht, in: Jura 1979, S.316 — Strafverfahrensrecht, Studienbuch, Band I, Stuttgart u. a. 1988 (zit. Strafverfahrensrecht 1) — Strafrecht, Besonderer Teil, Band 2: Vermögensdelikte, 12. Auflage, Stuttgart u. a. 1999 (zit. Strafrecht BT II) Krüger, Rolf: Problemübersicht Notwehr, in: JA Übungsfälle, JA 1989, S.49 Kühl, Kristian: Angriff und Verteidigung bei der Notwehr (I), in: Jura 1993, S.57 — Angriff und Verteidigung bei der Notwehr (II), in: Jura 1993, S. 118 — Notwehr und Nothilfe, in: JuS 1993, S. 177 — Die Notwehr: Ein Kampf ums Recht oder Streit, der mißfällt, in: Festschrift für Otto Triffterer zum 65. Geburtstag, Hrsg.: K. Schmoller, Wien u. a. 1996, S. 149 — Strafrecht, Allgemeiner Teil, 3. Auflage, München 2000 (zit. Strafrecht AT) Kühne, Hans-Heiner: Strafprozessuale Beweisverbote und Art. 11 Grundgesetz: zugleich ein Beitrag zur Auslegung des Rechtsbegriffs Menschenwürde, Köln u.a. 1970, zugl.: Diss., Saarbrücken 1969 (zit. Beweisverbote) — Anmerkung zum Beschluß des BVerfG v. 13.1.1981 - 1 BvR 116/77, in: EuGRZ 1981, S. 313 — Strafprozeßrecht: Ein Lehrbuch zum deutschen und europäischen Strafverfahrensrecht, 5. Auflage, Heidelberg 1999 (zit. Strafprozeßrecht) Künzel, Hermann: Dem Täter auf der Stimmspur, in: Kriminalistik 1985, S. 120 Küper, Wilfried: Strafrecht, Besonderer Teil: Definitionen und Erläuterungen, 4. Auflage, Heidelberg 2000 (zit. Strafrecht BT) Küpper, Georg: Fahrlässige Brandstiftung mit tödlichem Ausgang-BGH, NJW 1989, S.2479, in: JuS 1990, S. 184 — Tagebücher, Tonbänder, Telefonate, in: JZ 1990, S.416 — Strafrecht, Besonderer Teil 1: Delikte gegen Rechtsgüter der Person und der Gemeinschaft, 2. Auflage, Berlin u.a. 2001 (zit. Strafrecht BT 1)

Schrifttumsverzeichnis Kunig, Philip: Der Grundsatz informationeller Selbstbestimmung, in: Jura 1993, S.595 Kuß, Matthias: Öffentlichkeitsmaxime der Judikative und das Verbot von Femsehaufnahmen im Gerichtssaal, Berlin 1999, zugl.: Diss., Berlin 1999 (zit. Öffentlichkeitsmaxime) Kutzer, Klaus: Strafrechtliche Grenzen der Sterbehilfe, in: NStZ 1994, S. 110 Laber, Birgit: Die Verwertbarkeit von Tagebuchaufzeichnungen im Strafverfahren, Frankfurt a.M. u.a. 1995, zugl.: Diss., Köln 1995 (zit. Verwertbarkeit) Lackner, Karl/Kühl,

Kristian: Strafgesetzbuch mit Erläuterungen, 24. Auflage, München 2001

Lagodny, Otto: Notwehr gegen Unterlassen, in: GA 1991, S.300 Lampe, Ernst-Joachim: Rechtsgut, kultureller Wert und individuelles Bedürfnis, in: Festschrift für Hans Welzel zum 70. Geburtstag, Hrsg: G. Stratenwerth u. a., Berlin u. a. 1974, S. 151 Larenz, Karl: Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage, Berlin u.a. 1991 (zit. Methodenlehre) Larenz, Karl/Canaris, Claus-Wilhelm: Lehrbuch des Schuldrechts, Band 2: Besonderer Teil, 2. Halbband, 13. Auflage, München 1994 (zit. Schuldrecht II, Hbd.2) Laubenthal, Klaus: Einheitlicher Wegnahmebegriff im Strafrecht?, in: JA 1990, S.38 Lehmann, Rudolf: Die Strafprozessnovelle vom 28. Juni 1935, in: DJ 1935, S.999 Leipziger Kommentar: Großkommentar, Strafgesetzbuch, Hrsg.: J. Nagler u.a., 6. und 7. Auflage, Berlin: Band 2 (§§ 153-370, Einführungsgesetz), 1951 — Großkommentar, Strafgesetzbuch, Hrsg.: J. Jagusch u. a., 8. Auflage, Berlin: Band 2 (§§ 153-370, Einführungsgesetz), 1958 — Großkommentar, Strafgesetzbuch, Hrsg.: H.-H. Jescheck u.a., 10. Auflage, Berlin u.a.: Band 5 (§§185-262), 1989 Band 6 (§§ 263-302 a), 1988 Band 7 (§§ 303-358), 1988 — Großkommentar, Strafgesetzbuch, Hrsg.: B. Jähnke u.a., 11. Auflage, Berlin u.a.: 3. Lieferung (§§32, 33), 1992 15. Lieferung (§§242-262), 1994 16. Lieferung (§§28-Vor § 32), 1994 22. Lieferung (§§ 317-323c), 1996 35. Lieferung, (§§201-206), 2001 (zit. Bearbeiter, LK-StGB) Lenckner, Theodor: Notwehr bei provoziertem und verschuldetem Angriff, in: GA 1961, S. 299 — Der rechtfertigende Notstand: zur Problematik der Notstandsregelung im Entwurf eines Strafgesetzbuches (E 1962), Tübingen 1965, zugl.: Habil.-Schr., Tübingen 1963 (zit. Notstand) — Zum Problem des Vermögensschadens (§§253, 263 StGB) beim Verlust nichtiger Forderungen, in: JZ 1967, S. 105 — „Gebotensein" und „Erforderlichkeit" der Notwehr, in: GA 1968, S. 1

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— Anmerkung zum Urteil des BGH v. 14.6.1972-2 StR 679/71 (LG Saarbrücken), in: JZ 1973, S. 253 — Der Grundsatz der Güterabwägung als Grundlage der Rechtfertigung, in: GA 1985, S.295 — Zur „Vertraulichkeit des Wortes": §201 StGB nach dem 25. Strafrechtsänderungsgesetz, in: Festschrift für Jürgen Baumann zum 70. Geburtstag, Hrsg.: G. Arzt u. a., Bielefeld 1992, S. 135 Lesch, Heiko Hartmut: Anmerkung zum Urteil des BGH v. 3.2.1993 - 3 StR 356/92 (BezG Dresden), in: StV 1993, S. 578 — Der Beschuldigte im Strafverfahren - über den Begriff und die Konsequenzen der unterlassenen Belehrung, in: JA 1995, S. 157 — Bemerkungen zum Nötigungsbeschluß des BVerfG v. 10.1.1995, in: JA 1995, S. 889 — Inquisition und rechtliches Gehör in der Beschuldigtenvemehmung, in: ZStW 111 (1999), S.624 — Strafprozessrecht, 2. Auflage, Neuwied u.a. 2001 — Notwehrrecht und Beratungsschutz: zur Zulässigkeit der Nothilfe gegen die nach § 218 a Abs. 1 StGB tatbestandslose Abtötung der Leibesfrucht, Paderborn u. a. 2000 (zit. Notwehrrecht) Levita, Carl: Das Recht der Notwehr, Giessen 1856 (zit. Notwehr) Liepmann, Moritz: Die Beleidigung, in: Das Recht, Sammlung von Abhandlungen für Juristen und Laien, Hrsg.: F. Kobler, Bd. II und III, Berlin 1909 (zit. Beleidigung) Liermann, Stephan: Die Tonbandaufnahme als Beweismittel im Strafprozeß, Bonn 1963, zugl.: Diss., Bonn 1963 (zit. Tonbandaufnahme) Löwe-Rosenberg: Großkommentar, Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, 23. Auflage, Berlin u.a.: Band 5 (GVG, EGGVG, Anhang), 1979 — 24. Auflage, Berlin u.a.: Band 1 (§§1-11 In), 1988 Band 2 (§§112-197), 1989, Band 6, Teilband 1 (§§ 1-202 GVG; Anhang zum GVG), 1996 Band 6, Teilband 2 (Rechtspflegerecht des Einigungsvertrages; MRK; IPBPR; Register), 1996 — 25. Auflage, Berlin u. a.: Band 1 (Einleitung; §§ 1-71), 1999 2. Lieferung (§§ 112-136 a), 1997 (zit. Bearbeiter, LR-StPO) Loos, Fritz: Zur Einschränkung des Notwehrrechts wegen Provokation, in: Festschrift für Erwin Deutsch zum 70. Geburtstag, Hrsg.: H.-J. Ahrens u.a., Köln u.a. 1999, S.233 Ludwig, Dominik: „Gegenwärtiger Angriff", „drohende" und „gegenwärtige Gefahr" im Notwehr- und Notstandsrecht: eine Studie zu den temporalen Erfordernissen der Notrechte unter vergleichender Einbeziehung der Gefahrerfordemisse des Polizeirechts, Frankfurt am Main u.a. 1991, zugl.: Diss., Bonn 1990 (zit. Notwehr- und Notstandsrecht)

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Schrifttumsverzeichnis

Lüdeke, Achim M.: Der Zeugenbeistand: analytische Betrachtung zur Rechtsfigur des Zeugenbeistands im geltenden und künftigen Strafverfahrensrecht, Frankfurt a. M. u. a. 1995, zugl.: Diss., Kiel 1995 (zit. Zeugenbeistand) Lüderssen, Klaus: Notwehrelemente in der Strafe - Strafelemente in der Notwehr, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, Hrsg.: Institut für Kriminalwissenschaften, Frankfurt am Main 1995, S. 159 (zit. Zustand) Lührmann, Olivia: Tötungsrecht zur Eigentumsverteidigung?: eine Untersuchung des Notwehrrechts unter verfassungsrechtlichen, menschenrechtlichen und rechtsvergleichenden Gesichtspunkten, Frankfurt am Main u.a. 1999, zugl.: Diss., Bielefeld 1998 (zit. Totungsrecht) Mackeprang, Rudolf: Ehrenschutz im Verfassungsstaat: zugleich ein Beitrag zu den Grenzen der Freiheiten des Art. 51 GG, Berlin 1990, zugl.: Diss., Bayreuth 1989 (zit. Ehrenschutz) Magdowski, Iris Jana: Die Verkehrsunfallflucht in der Strafrechtsreform: ein Beitrag zur Dogmatik und Auslegung der Neufassung des § 142 StGB nach dem 13. Strafrechtsänderungsgesetz, Lübeck 1980, zugl.: Diss., Bochum 1979 (zit. Verkehrsunfallflucht) Maihof er, Werner: Rechtsstaat und menschliche Würde, Frankfurt am Main 1968 (zit. Rechtsstaat) Mangoldt, Hermann vJKlein, Friedrich¡Starck, Christian: Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, Band 1, 4. Auflage, München 1999 (zit. Bearbeiter, Mangoldt/Klein/Starck, GG) Marxen, Klaus: Die „sozialethischen" Grenzen der Notwehr, Frankfurt am Main 1979 (zit. Notwehr) Matt, Holger: Eigenverantwortlichkeit und Subjektives Recht im Notwehrrecht, in: NStZ 1993, S.271 Maunz, Theodor/Dürig, Günter: Grundgesetz, Kommentar, Stand: 35. Lieferung (Februar 1999): Band 2 (Art. 12-21) (zit. Bearbeiter, Maunz/Dürig, GG) Maurach, Reinhart: Deutsches Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Auflage, Karlsruhe 1958 (zit. Deutsches Strafrecht AT) Maurach, Reinhart¡Zipf, Heinz: Strafrecht, Allgemeiner Teil, Teilband I, 8. Auflage, Heidelberg 1992 (zit. Strafrecht AT 1) Maurach, Reinhart¡Schroeder, Friedrich-Christian/Mz/vvtf/c/, Manfred: Strafrecht, Besonderer Teil, Teilband I: Straftaten gegen Persönlichkeits- und Vermögenswerte, 8. Auflage, Heidelberg 1995 (zit. Strafrecht BT 1) Mayer, Hellmuth: Strafrecht, Allgemeiner Teil, Stuttgart u.a. 1967 (zit. Strafrecht AT) Meißner, Andreas: Die Interessenabwägungsformel in der Vorschrift über den rechtfertigenden Notstand (§34 StGB), Berlin 1990, zugl.: Diss., Hamburg 1990 (zit. Interessenabwägungsformel) Merkel, Reinhard: Ärztliche Entscheidungen über Leben und Tod in der Neonatalmedizin, in: JZ 1996, S.1145 Merten, Detlef: Rechtsstaat und Gewaltmonopol, Tübingen 1975 (zit. Rechtsstaat) — Zum Streit um den Todesschuß, in: Festschrift für Karl Doehring zum 70. Geburtstag, Hrsg.: K. Hailbronner u.a., Berlin u.a. 1989, S.579

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Merz, Susanne: Strafrechtlicher Ehrenschutz und Meinungsfreiheit, Frankfurt a.M. u. a. 1998, zugl.: Diss., Heidelberg 1997 (zit. Ehrenschutz) Meyer, K.: Anmerkung zum Urteil des HansOLG Hamburg v. 17.7.1985- 1 Ss 96/85, in: JR 1986, S. 170 Mitsch, Wolfgang: Nothilfe gegen provozierte Angriffe, in: GA 1986, S.533 — Straflose Provokation strafbarer Taten: eine Studie zu Grund und Grenzen der Straffreiheit des agent provocateur, Lübeck 1986, zugl.: Diss., Würzburg 1985 (zit. Provokation) — Tödliche Schüsse auf flüchtende Diebe, in: JA 1989, S.79 — Rechtfertigung einer Ohrfeige - BayObLG, NJW 1991, 2031, in: JuS 1992, S.289 — Strafrecht, Besonderer Teil 2, Teilband 1: Vermögensdelikte (Kembereich), Berlin u.a. 1998 (zit. Strafrecht BT 2, Bd. 1) Montenbruck, Axel: Thesen zur Notwehr, Heidelberg 1983 (Thesen) Müller, Henning: Zur Notwehr bei Schweigegelderpressung (Chantage), in: NStZ 1993, S.366 Müller-Dietz, S.1177

Heinz: Die Stellung des Beschuldigten im Strafprozeß, in: ZStW 93 (1981),

Müller-Metz, Reinhard: Zur Reform von Begehungstatbeständen und Rechtsfolgen im Bereich der Verkehrsdelikte, in: NZV 1994, S. 89 Münch, Ingo v.: Staatsrecht, Band 1, 5. Auflage, Stuttgart u.a. 1993 (zit. Staatsrecht 1) — Grundgesetz-Kommentar, Band 1,5. Auflage, München 2000 Münchener Kommertar: Bürgerliches Gesetzbuch, Hrsg.: K. Rebmann u.a. Band 1 (§§ 1-240, AGB-Gesetz), 4. Auflage, München 2001, Band 6 (§§854-1296), 3. Auflage, München 1997 (zit. Bearbeiter, MünchKomm, BGB) — Zivilprozeßordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und Nebengesetzen, Hrsg.: G. Lüke, Band 3 (§§803-1066, EGZPO, GVG, EGGVG, Internationales Zivilprozeßrecht), 2. Auflage, München 2001 (zit. Bearbeiter, MünchKomm, BGB) Müther, Detlef: Möglichkeitsvorstellungen im Bereich der Notrechte des Strafgesetzbuches (§§32, 34 StGB), Diss., Münster 1998 (zit. Möglichkeitsvorstellungen) Murmann, Uwe/Rath, Jürgen: Zur Risikotragungspflicht bei der Notwehr und zu den Grenzen personaler Verursachung, in: NStZ 1994, S.215 Nelles, Ursula: Telefonüberwachung bei Kidnapping, in: Festschrift für Walter Stree und Johannes Wessels zum 70. Geburtstag, Hrsg.: W. Küper u.a., Heidelberg 1993, S.719 — Der Zeuge-ein Rechtssubjekt, kein Schutzobjekt, in: NJ 1998, S.449 Neumann, Ulfrid: Zurechnung und „Vorverschulden": Vorstudien zu einem dialogischen Modell strafrechtlicher Zurechnung, Berlin 1985, zugl.: Habil.-Schr., München 1982 (zit. Zurechnung) — Individuelle und überindividuelle Begründung des Notwehrrechts, in: Modernes Strafrecht und ultima-ratio- Prinzip, Hrsg.: K. Lüderssen, Frankfurt am Main 1990, S.215 (zit. Modernes Strafrecht) Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch: Gesamtred.: U. Neumann u. a., Stand: 9. Lieferung, März 2001, Baden-Baden

Schrifttumsverzeichnis Band 1 und 2: Allgemeiner Teil, Band 3 und 4: Besonderer Teil (zit. Bearbeiter, NK-StGB) Nothhelfer; Martin: Die Freiheit von Selbstbezichtigungszwang: verfassungsrechtliche Grundlagen und einfachgesetzliche Ausformungen, Heidelberg 1989, zugl.: Diss., Heidelberg 1987 (zit. Selbstbezichtigungszwang) Novoselec, Petar: Notwehr gegen Erpressung i.e. S. und Chantage, in: NStZ 1997, S.218 Odersky, Walter: Die Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung nach dem Opferschutzgesetz, in: Festschrift für Gerd Pfeiffer zum Abschied aus dem Amt als Präsident des Bundesgerichtshofes, Hrsg.: O.F. v.Gamm u.a., Köln u.a. 1985, S.325 Oetker, Friedrich: Notwehr und Notstand, in: Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts, Allgemeiner Teil, Band II, Hrsg.: K. Birkmeyer u. a., Berlin 1908 (zit. VDA II) Olshausen, Justus v.: Kommentar zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, Zweiter Band, 11. Auflage, Berlin 1927 (zit. RStGB) Otte, Lars: Der durch Menschen ausgelöste Defensivnotstand, Frankfurt am Main 1998, zugl.: Diss., München 1997 (Defensivnotstand) Otto, Harro: Die Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes, Berlin 1970, zugl.: Habil.Schr., Gießen 1970 (zit. Vermögensschutz) — Rechtsverteidigung und Rechtsmißbrauch im Strafrecht, in: Festschrift für Thomas Würtenberger zum 70. Geburtstag, Hrsg.: R. Herren u.a. 1977, S. 129 — Beweisverbote aus steuerstrafrechtlicher Mitwirkungspflicht?, in: wistra 1983, S.233 — Die strafprozessuale Verwertbarkeit von Beweismitteln, die durch Eingriff in Rechte anderer von Privaten erlangt wurden, in: Festschrift für Theodor Kleinknecht zum 75. Geburtstag, Hrsg.: K.H. Gössel u.a., München 1985, S.319 — Grundkurs Strafrecht, Allgemeine Strafrechtslehre, 6. Auflage, Berlin u. a. 2000 (zit. Strafrecht AT) — Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, 5. Auflage, Berlin u.a. 1998 (zit. Strafrecht BT) — Die strafrechtliche Problematik der Sterbehilfe, in: Jura 1999, S.434 Paeffgen, Hans-Ullrich: Vorüberlegungen zu einer Dogmatik des Untersuchungshaft-Rechts, Köln u.a. 1986, zugl.: Habil.-Schr., Mainz 1982 (zit. Untersuchungshaft-Recht) Park, Tido: Der Sinn der Einführung der tätigen Reue bei § 142 StGB, in: DAR 1993, S. 246 Pawlik, Michael: Verdeckte Ermittlungen und das Schweigerecht des Beschuldigten, Zu den Anwendungsgrenzen der §§ 13612 und 136a StPO, in: GA 1998, S.378 — Die Notwehr nach Kant und Hegel, in: ZStW 114 (2002), S. 259 Pelz, Christian: Notwehr- und Notstandsrechte und der Vorrang obrigkeitlicher Hilfe, in: NStZ 1995, S.305

Schrifttumsverzeichnis

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Perron, Walter: Rechtfertigung und Entschuldigung bei Befreiung aus besonderen Notlagen (Notwehr, Notstand, Pflichtenkollision) im deutschen Strafrecht, in: Rechtfertigung und Entschuldigung, 3. Deutsch-italienisch-portugiesisch-spanisches Strafrechtskolloquium 1990, Hrsg.: A. Eser u.a., Freiburg in Breisgau 1991, S.79 (zit. Rechtfertigung und Entschuldigung III) Peters, Karl: Strafprozeß, 4. Auflage, Heidelberg 1985 (zit. Strafprozeß) Pfeiffer,

Gerd: Strafprozeßordnung und Gerichtsverfassungsgesetz, 2. Auflage, München 1999

Pfeiffer, Gerd/Maul, Heinrich ¡Schulte, Benno: Strafgesetzbuch, Kommentar an Hand der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, Essen 1969 Pieroth, Bodo¡Schlink, Bernhard: Grundrechte, 17. Auflage, Heidelberg 2001 Pitsounis, Dimitrios: Die Notwehr als Gegenstand der Rechtsvergleichung, in: Modernes Strafrecht und ultima-ratio-Prinzip, Hrsg.: K. Lüderssen u.a., Frankfurt am Main 1990, S.227 (zit. Modernes Strafrecht) Plagemann, Dirk: Anmerkung zum Urteil des BGH v. 9.7.1987-4 StR 223/87 (LG Dortmund), in: NStZ 1987, S.590 Radtke, Henning: Zur Systematik des Strafklageverbrauchs verfahrenserledigender Entscheidungen im Strafprozeß, Frankfurt am Main u.a. 1994, zugl.: Diss., Göttingen 1993 (zit. Strafklageverbrauch) Rahn: Zweifelsfragen des Opportunitätsprinzips, in: Kriminalpolitische Gegenwartsfragen, Bundeskriminalamt, Wiesbaden 1959, S.227 (zit. Kriminalpolitische Gegenwartsfragen) Ranft, Otfried: Bemerkungen zu den Beweis verboten im Strafprozeß, in: Festschrift für Günter Spendel zum 70. Geburtstag, Hrsg.: M. Seebode, Berlin u.a. 1992, S.719 — Strafprozeßrecht, 2. Auflage, Stuttgart 1995 (zit. Strafprozeßrecht) Rautenberg, Erardo Cristoforo: Empfehlen sich gesetzliche Änderungen, um Zeugen und andere nichtbeschuldigte Personen im Strafprozeß besser vor Nachteilen zu bewahren?, in: Verhandlungen des 62. Deutschen Juristentages, Band II, Bremen 1998, S.L43 Reiß, Wolfram: Anmerkung zum Beschluß des BGH v. 29.11.1979-4 StR 624/78, in: NJW 1980,S.1806 — Gesetzliche Auskunftsverweigerungsrechte bei Gefahr der Strafverfolgung in öffentlichrechtlichen Verfahren, in: NJW 1982, S.2540 — Besteuerungsverfahren und Strafverfahren: zugleich ein Beitrag zur Bedeutung des Grundsatzes von nemo tenetur se ipsum prodere im Besteuerungs verfahren, Köln 1987, zugl.: Habil.-Schr., Bonn 1985/86 (zit. Besteuerungsverfahren) Rengier, Rudolf: Grundlegende Verwertungsprobleme bei den §§252,168c, 251 StPO, in: Jura 1981, S.299 — Anmerkung zum Urteil des OLG Celle v. 16.2.1982- 1 Ss 605/81, in: JR 1982, S.477 — Strafrecht, Besonderer Teil I: Vermögensdelikte, 4. Auflage, München 2000 (zit. Strafrecht BT I) — Strafrecht, Besonderer Teil II: Delikte gegen die Person und die Allgemeinheit, 3. Auflage, München 2000 (zit. Strafrecht BT II) Renzikowski, Notstand)

Joachim: Notstand und Notwehr, Berlin 1994, zugl.: Diss., Tübingen 1993 (zit.

Schrifttumsverzeichnis — Die förmliche Vernehmung des Beschuldigten und ihre Umgehung, in: JZ 1997, S.710 RGRK: Das bürgerliche Gesetzbuch: mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes, Hrsg.: von Mitgliedern des Bundesgerichtshofes, Band 1 (§§ 1-240), 12. Auflage, Berlin u.a., 1982 (zit. Bearbeiter, RGRKBGB) Riepl, Frank: Informationelle Selbstbestimmung im Strafverfahren, Tübingen 1998, zugl.: Diss., Tübingen 1994 (zit. Selbstbestimmung) Rieß, Peter: Der Strafprozeß und der Verletzte - eine Zwischenbilanz, in: Jura 1987, S.281 Rieß, Peter/Hilger,

Hans: Das neue Strafverfahrensrecht, in: NStZ 1987, S. 145 und S.204

Roessler, Frieder: Der Schutz der Vertraulichkeit des Wortes im amerikanischen und deutschen Strafrecht: ein Beitrag zur Strafrechtsreform, Freiburg in Breisgau 1967, zugl.: Diss., Freiburg in Breisgau 1967 (zit. Vertraulichkeit) Rogall, Klaus: Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst: ein Beitrag zur Geltung des Satzes „nemo tenetur seipsum prodere" im Strafprozeß, Berlin 1977, zugl.: Diss., Bonn 1975/76 (zit. Beschuldigte) — Anmerkung zum Urteil des BGH v. 26.3.1992 - 5 StR 122/92 (BGHSt 38, 302) - , in: JR 1993, S.380 Roggemann, Herwig: Das Tonband im Verfahrensrecht, Göttingen 1962 (zit. Tonband) Rohlf, Dietwalt: Der grundrechtliche Schutz der Privatsphäre: zugleich ein Beitrag zur Dogmatik des Art. 2 Abs. 1 GG, Berlin 1980, zugl.: Diss., Tübingen 1979 (zit. Privatsphäre) Roxin, Claus: Die provozierte Notwehrlage, in: ZStW 75 (1963), S.497 — Verwerflichkeit und Sittenwidrigkeit als unrechtsbegründende Merkmale im Strafrecht, in: JuS 1964, S. 373 — Ein „neues Bild" des Strafrechtssystems, in: ZStW 83 (1971), S.369 — Anmerkung zum Urteil des BGH v. 14.6.1972-2 StR 679/71, in: NJW 1972, S. 1821 — Die „sozialethischen Einschränkungen" des Notwehrrechts, in: ZStW 93 (1981), S.68 — Der durch Menschen ausgelöste Defensivnotstand, in: Festschrift für Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag, Band 1, Hrsg.: T. Vogel u.a., Berlin 1985, S.457 — Nemo tenetur: die Rechtsprechung am Scheideweg, in: NStZ 1995, S.465 — Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. 1: Grundlagen, der Aufbau der Verbrechenslehre, 3. Auflage, München 1997 (zit. Strafrecht AT I) — Strafverfahrensrecht, 25. Auflage, München 1998 (zit. Strafverfahrensrecht) Roxin, Clsius/Schünemann, Bemd/Haffke, Bernhard: Strafrechtliche Klausurenlehre mit Fallrepititorium, 4. Auflage, Köln, München u.a. 1982 (zit. Klausurenlehre) Ruck, Andreas Christian: § 142 StGB als Vermögensdelikt: eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des ausschließlich geschützten privaten Beweissicherungsinteresses, Bochum 1985, zugl.: Diss., Bochum 1985 (zit. § 142 StGB) Rudolphi, Hans-Joachim: Notwehrexzeß nach provoziertem Angriff - OLG Hamm, NJW 1965, 1928, in: JuS 1969, S. 461

Schrifttumsverzeichnis

235

— Grenzen der Überwachung des Femmeldeverkehrs nach den §§ 100a, b StPO, in: Festschrift für Friedrich Schaffstein zum 70. Geburtstag, Hrsg.: G. Grünwald u.a., Göttingen 1975, S.433 — Die pflichtgemäße Prüfung als Erfordernis der Rechtfertigung, in: Gedächtnisschrift für Horst Schröder, Hrsg.: W. Stree, München 1978, S.73 — Rechtfertigungsgründe im Strafrecht, in: Gedächtnisschrift für Armin Kaufmann, Hrsg.: G. Domseifer u. a., Köln u. a. 1989, S. 371 — Anmerkung zum Urteil des BGH v. 5.10.1990, 2 StR 347/90, in: JR 1991, S.210 — Fälle zum Strafrecht, Allgemeiner Teil, 5. Auflage, München 2000 (zit. Fälle AT) Rüping, Hinrich: Das Strafverfahren, 3. Auflage, München 1997 (zit. Strafverfahren) Rüping, Hinrich ¡Kopp, Thomas: Steuerstrafrechtliche Mitwirkungspflichten und strafrechtlicher Schutz vor Selbstbelastung, in: NStZ 1997, S.530 Rüthers, Bernd: Rechtstheorie: Begriff, Geltung und Anwendung des Rechts, München 1999 (zit. Rechtstheorie) Runte, Rainer: Die Veränderung von Rechtfertigungsgründen durch Rechtsprechung und Lehre: moderne Strafrechtsdogmatik zwischen Rechtsstaatsprinzip und Kriminalpolitik, Frankfurt am Main 1991, zugl.: Diss., Frankfurt (Main) 1990 (zit. Rechtfertigungsgründe) Rupprecht, Reinhard: Vertraulichkeit des Wortes und seine heimliche Aufnahme, in: DVB1. 1974, S.579 Sachs, Michael: Grundgesetz, Kommentar, 2. Auflage, München 1999 (zit. Bearbeiter, Sachs, GG) Saiger, Carsten A.\ Das Schweigerecht des Beschuldigten: Vergleich zwischen deutschem und US-amerikanischem Strafverfahrensrecht, Köln u. a. 1998, zugl.: Diss., Freiburg (Breisgau) 1994/95 (zit. Schweigerecht) Sautter, Bruno: Die Pflicht zur Duldung von Körperuntersuchungen nach § 372 a ZPO, in: AcP 161 (1962), S.215 Sax, Walter: Über die Zulässigkeit der prozessualen Verwertung privater Tagebuchaufzeichnungen als Beweismittel, in: JZ 1965, S. 1 — „Tatbestand" und Rechtsgutsverletzung (I), in: JZ 1976, S.80 Schäfer, Gerhard: Die Praxis des Strafverfahrens: an Hand einer Akte, 6. Auflage, Stuttgart u. a. 2000 (zit. Strafverfahren) Schäfer, Karl: Einige Bemerkungen zu dem Satz „nemo tenetur se ipsum accusare", in: Festschrift für Hanns Dünnebier zum 75. Geburtstag, Hrsg.: E.-W. Hanack u.a., Berlin u.a. 1982, S.10 Scheffler, Uwe: Selbsthilfe des einen oder Notwehr des anderen? - OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.7.1991 - 2 Ss 223/91 = NJW 1991, 2716-, in: Jura 1992, S.352 Schilken, Eberhard: Gerichtsverfassungsrecht, 2. Auflage, Köln u.a. 1994 (zit. Gerichtsverfassungsrecht) Schima, Konrad: Erpressung und Nötigung: ein kriminologische Studie, Wien u. a. 1973 (zit. Erpressung) Schlächter, Ellen: Antizipierte Notwehr, in: Festschrift für Theodor Lenckner zum 70. Geburtstag, Hrsg.: A. Eseru.a., München 1998, S.312

Schrifttumsverzeichnis — Strafprozeßrecht, 3. Auflage, Thüngersheim u.a. 1999 (zit. Strafprozeßrecht) Schlüter, Franz: Die Strafprozessnovelle vom 28. Juni 1935, in: JW 1935, S.2329 Schmalz, Dieter: Grundrechte, 3. Auflage, Baden-Baden 1997 (Grundrechte) Schmidhäuser, Eberhard: Über die Wertstruktur der Notwehr, in: Festschrift für Richard M. Honig zum 80. Geburtstag, Hrsg.: Juristische Fakultät der Universität Göttingen, Göttingen 1970, S.185 — Strafrecht, Allgemeiner Teil, Studienbuch, 2. Auflage, Tübingen 1984 (zit. Strafrecht AT) — Die Begründung der Notwehr, in: GA 1991, S.97 Schmidt, Eberhard: Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. Auflage, Göttingen 1965 (zit. Strafrechtspflege) — Sinn und Tragweite des Hinweises auf die Aussagefreiheit des Beschuldigten, in: NJW 1968, S.1209 Schmidt-Bleibtreu, u.a. 1999

Bruno ¡Klein, Franz: Kommentar zum Grundgesetz, 9. Auflage, Neuwied

Schmitt, Rudolf: Tonbänder im Strafprozeß - OLG Celle, NJW 1965,1677, in: JuS 1967, S. 19 Schmitt Glaeser, Walter: Private Gewalt im politischen Meinungskampf: zugleich ein Betrag zur Legitimität des Staates, Berlin 1990 (zit. Meinungskampf) Schmitt Lermann, Hans: Die Lehre von der Notwehr in der Wissenschaft des gemeinen Strafrechts, Repr. Breslau-Neukirch 1935, Frankfurt a.M. u.a. 1977 (zit. Notwehr) Schmitz, Roland: Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, in: JA 1995, S. 118 Schmöe: Nochmals: Gedanken und Vorschläge zur § 154c StPO, in: NJW 1956, S.212 Schneider, Christian: Tun und Unterlassen beim Abbruch lebenserhaltender medizinischer Behandlung, Berlin 1997, zugl.: Diss., Erlangen, Nürnberg 1996/97 (zit. Behandlung) Schneider, Hartmut: Grund und Grenzen des strafrechtlichen Selbstbegünstigungsprinzips auf der Basis eines generalpräventiv-funktionalen Schuldmodells, Berlin 1991, zugl.: Diss., Berlin 1990 (zit. Selbstbegünstigungsprinzip) Schönke, Adolf/Schröder, Horst: Strafgesetzbuch, Kommentar, 24. Auflage, München 1991 (zit. Bearbeiter, Schönke/Schröder, StGB) — Strafgesetzbuch, 26. Auflage, Kommentar, München 2001 (zit. Bearbeiter, Schönke/Schröder, StGB) Scholz, Rupert: Das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: AöR 100 (1975), S.80 und S.265 Schreiber, Hans-Ludwig: Das Recht auf den eigenen Tod - zur gesetzlichen Neuregelung der Sterbehilfe, in: NStZ 1986, S.337 Schroeder, Friedrich-Christian: Die Notwehr als Indikator politischer Grundanschauungen, in: Festschrift für Reinhart Maurach zum 70. Geburtstag, Hrsg.: F.-C. Schroeder u. a., Karlsruhe 1972, S.127 — Notstandslage bei Dauergefahr - BGH, NJW 1979, 2053, in: JuS 1980, S.336 — Strafprozeßrecht, 3. Auflage, München 2001 (zit. Strafprozeßrecht) Schröder, Christian: Angriff, Scheinangriff und die Erforderlichkeit der Abwehr vermeintlich gefährlicher Angriffe, in: JuS 2000, S.235

Schrifttumsverzeichnis

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Schröder, Horst: Anmerkung zum Urteil des BGH v. 1.8.1961 - 1 StR 197/61, in: JR 1962, S. 187 — Notwehr bei schuldhaftem Vorverhalten - BGH, NJW 1972, 1821, in: JuS 1973, S. 157 Schubarth, Martin: Grenzen der Strafbarkeit sexueller Zumutungen, - OLG Hamburg, NJW 1980, 2592, in: JuS 1981.S.726 Schünemann, Bernd: Die deutschsprachige Strafrechtswissenschaft nach der Strafrechtsreform im Spiegel des Leipziger Kommentars und des Wiener Kommentars, in: GA 1985, S. 341 — Überkriminalisierung und Perfektionismus als Krebsschaden des Verkehrsstrafrechts, in: DAR 1998, S. 224 Schulte, Martin: Gefahrenabwehr durch private Sicherheitskräfte im Lichte des staatlichen Gewaltmonopols, in: DVB1. 1995, S. 130 Schumann, Heribert: Zum Notwehrrecht und seinen Schranken - OLG Hamm, NJW 1977, 590-, in: JuS 1979, S. 559 Schwab, Karl Heinz/Prutting, recht)

Hanns: Sachenrecht, 29. Auflage, München 2000 (zit. Sachen-

Schwabe, Jürgen: Grenzen des Notwehrrechts, in: NJW 1974, S.670 Schwalm, Georg: Diskussionsbeiträge, in: ZStW 74 (1962), S.488 Seebode, Manfred: Über die Freiheit, die eigene Strafverfolgung zu unterstützen, in: JA 1980, S.493 — Gesetzliche Notwehr und staatliches Gewaltmonopol, in: Festschrift für Friedrich-Wilhelm Krause zum 70. Geburtstag, Hrsg.: E. Schlüchter u. a., Köln 1990, S. 375 Seelmann, Kurt: Grenzen privater Nothilfe, in: ZStW 89 (1977), S.36 — Rechtsphilosophie, 2. Auflage, München 2001 (zit. Rechtsphilosophie) Siekmann, Helmut/Dwrrge, Gunnar: Staatsrecht I, Grundrechte, 3. Auflage, Thüngersheim u.a. 2000 (zit. Staatsrecht I) Soergel, Hans Theodor: Bürgerliches Gesetzbuch: mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Kohlhammer-Kommentar, Hrsg.: W. Siebert, Band 1/2 (§§ 104-240), 13. Auflage, Stuttgart u.a. 1999 Band 5/2 (§§ 823-853), 12. Auflage, Stuttgart u. a. 1999 Band 6 (§§ 854-1296), 12. Auflage, Stuttgart u. a. 1990 (zit. Bearbeiter, Soergel, BGB) Sörth, Jan: Rundfunkberichterstattung aus Gerichtsverfahren: eine Untersuchung des Verbots von Fernseh- und Hörfunkaufnahmen während der Gerichtsverhandlung, Hamburg 1999, zugl.: Diss., Hamburg 1998 (zit. Rundfunkberichterstattung) Stark, Ralf: Ehrenschutz in Deutschland, Berlin 1996, zugl.: Diss., Köln 1994 (zit. Ehrenschutz) Staudinger, Julius v.: Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Bearbeitung, Recht der Schuldverhältnisse: §§ 823 - § 825, von Johannes Hager, Berlin 1999 — Sachenrecht: Einleitung zu §§ 854ff.; §§ 854-882, von Elmar Bund, Berlin 1995 (zit. Bearbeiter, Staudinger, BGB)

Schrifttumsverzeichnis Stein, Ekkehait/Frank,

Götz: Staatsrecht, 17. Auflage, Tübingen 2000 (zit. Staatsrecht)

Sternberg-Lieben, Detlev: Die „Hörfalle" - Eine Falle für die rechtsstaatliche Strafverfolgung - Gedanken zu: BGH - Urt. v. 8.10.1993 - 2 StR 400/93 = BGHSt 39, 335 - , in: Jura 1995, S.299 Sternberg-Lieben, Irene: Voraussetzungen der Notwehr, in: JA 1996, S. 129 u. S.299 u. S.568 Stetten, Annette v.: Strafprozessuale Verwertung von beschlagnahmten Akten privater KfZHaftpflichtversicherer, in: JA 1996, S.55 Stiller, Tanja: Grenzen des Notwehrrechts bei der Verteidigung von Sachwerten, Frankfurt am Main 1999, zugl.: Diss., Gießen 1999 (zit. Grenzen) Störmer, Rainer: Zur Verwertbarkeit tagebuchartiger Aufzeichnungen, in: Jura 1991, S. 17 — Beurteilungsspielräume im Strafverfahren, in: ZStW 108 (1996), S.494 Stratenwerth,

Günter: Prinzipien der Rechtfertigung, in: ZStW 68 (1956), S.41

— Zum Begriff des „Rechtsguts", in: Festschrift für Theodor Lenckner zum 70. Geburtstag, Hrsg.: E. Eser u.a., München 1998, S.377 — Strafrecht, Allgemeiner Teil I: Die Straftat, 4. Auflage, Köln u. a. 2000 (zit. Strafrecht AT I) Streck, Michael: Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zum strafrechtlichen Verwertungsverbot bei Aussagen des Gemeinschuldners und seine Auswirkungen im Steuerstrafrecht, in: StV 1981, S. 362 Stürner, Rolf: Strafrechtliche Selbstbelastung und verfahrensförmige Wahrheitsermittlung, in: NJW 1981, S. 1757 Stutz, Henning: Zurückdrängung des Öffentlichkeitsprinzips zugunsten der Privatsphäre im Strafverfahren, Konstanz 1992, zugl.: Diss., Freiburg (Breisgau), 1992 (Öffentlichkeitsprinzip) Suppert, Hartmut: Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen" Lage, Bonn 1973, zugl.: Diss., Bonn 1970/71 (zit. Notwehr) Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch: Hrsg.: H.-J. Rudolphi u.a., Neuwied/Kriftel Bd. 1, 5. Auflage, Stand: 19. Lieferung (Dezember 1992) Bd. 1, 7., teilweise 8. Auflage, Stand: 36. Lieferung (April 2001) Bd. 2, 5. bzw. 6. Auflage, Stand: 53. Lieferung (Oktober 2001) (zit. Bearbeiter, SK-StGB) Systematischer Kommentar zur Strafprozeßordnung: Hrsg.: H. J. Rudolphi u.a., Frankfurt am Main Bd. 1, Stand: 25. Aufbaulieferung (Oktober 2001) Bd. 2, Stand: 20. Ergänzungslieferung (Oktober 1999) (zit. Bearbeiter, SK-StPO) Tenckhoff, Jörg: Anmerkung zum Urteil des KG v. 20.9.1979 - (4) Ss 152/79 (66/79), in: JR 1981, S.255 — Grundfälle zum Beleidigungsrecht, in: JuS 1988, S. 199 — Anmerkung zum Beschluß des BGH v. 28.4.1987-5 StR 566/86, in: JR 1988, S. 126

Schrifttumsverzeichnis

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Thiel, Sven-Markus: Die Konkurrenz von Rechtfertigungsgründen, Frankfurt am Main u. a. 2000, zugl.: Diss., Göttingen 1999 (zit. Rechtfertigungsgründe) Thirolf, Rudolf Michael: Kollision von Täterinteressen und Opferschutz bei § 142 StGB: ein Reform Vorschlag unter Berücksichtigung einer empirischen Untersuchung, Frankfurt a.M., zugl.: Diss. Frankfurt a.M. 1992 (zit. Kollision) Thomas, Sven: Der Diskussionsentwurf zur Verbesserung der Rechte des Verletzten im Strafverfahren - ein Stück Teilreform?, in: StV 1985, S.431 Timm, Birte: Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen: eine vergleichende Darstellung des deutschen und US-amerikanischen Rechts der Haftung für ehrverletzende Äußerungen, Frankfurt am Main u.a. 1996, zugl.: Diss., Hamburg 1995 (zit. Tatsachenbehauptungen) Timpe, Gerhard: Die Nötigung, Berlin 1989 (zit. Nötigung) — Nötigende Gewalt durch Unterlassen, in: JuS 1992, S.748 Torka, Ronald: Nachtatverhalten und Nemo tenetur: eine Untersuchung über die Grenzen „zulässiger Verteidigung" und die Relevanz des Nemo-tenetur-Prinzips bei der Strafzumessung selbstbegünstigenden Nachtatverhaltens gem. §46 Abs. 2 StGB, Berlin 2000, zugl.: Diss, Passau 1998/99 (zit. Nachtatverhalten) Tröndle, Herben/Fischer, 2001

Thomas: Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 50. Auflage, München

Ulsenheimer, Klaus: Zumutbarkeit normgemäßen Verhaltens bei Gefahr eigener Strafverfolgung, in: GA 1972, S. 1 Vahle, Jürgen: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine Auswirkungen in privat- und öffentlich-rechtlicher Hinsicht, in: DVP 1998, S.452 Ventzke, Klaus-Ulrich: Strafverfolgung als Konsequenz der Asylantragsbegründung?, in: StV 1990, S.279 Verrel, Torsten: Nemo tenetur - Rekonstruktion eines Verfahrensgrundsatzes, in: NStZ 1997, S. 361, S.415 — Die Selbstbelastungsfreiheit im Strafverfahren: ein Beitrag zur Konturierung eines überdehnten Verfahrensgrundsatzes, München 2001, zugl.: Habil.-Schr., München 2001 (zit. Selbstbelastungsfreiheit) Volk, Klaus: Strafprozeßrecht, 2. Auflage, München 2001 (zit. Strafprozeßrecht) Vollkommen Max/Grün, Beate: Zur Anwendung von § 656 BGB auf Partnerschaftsvermittlungsverträge, in: JZ 1991, S.96 Wagner, Heinz: Individualistische oder überindividualistische Notwehrbegründung, Berlin 1984 (zit. Notwehrbegründung) Warda, Günter: Die Eignung der Verteidigung als Rechtfertigungselement bei der Notwehr (§§32 StGB, 227 BGB), in: Jura 1990, S.344 — Die Geeignetheit bei der Verteidigungshandlung bei der Notwehr, Strittiges in der aktuellen Diskussion, in: GA 1996, S.405 Weichen, Thilo: Informationelle Selbstbestimmung und strafrechtliche Ermittlung: zum verfassungskonformen Technikeinsatz im Strafverfahren, Pfaffenweiler 1990, zugl.: Diss., Freiburg (Breisgau), 1990 (zit. Selbstbestimmung)

240

Schrifttumsverzeichnis

Weigend, Thomas: Das Opferschutzgesetz - kleine Schritte zu welchem Ziel?, in: NJW 1987, S.1170 — Schutz der Persönlichkeit des Zeugen, in: Verhandlungen des 62. Deutschen Juristentages, Band I, Bremen 1998, S.C1 Weitnauer, Hermann: Persönlichkeitsschutz und Pressefreiheit (II), in: DB 1976, S. 1413 Wellbrock, Rita: Persönlichkeitsschutz und Kommunikationsfreiheit: eine Analyse der Zuordnungsproblematik anhand der Rechtsprechung der Zivilgerichte und des BVerfG, BadenBaden 1982, zugl.: Diss., Freiburg (Breisgau) 1979 (zit. Persönlichkeitsschutz) Welp, Jürgen: Zeugnisverweigerungsrechte und Beschlagnahmeverbote, Anmerkungen zum Altemativentwurf „Zeugnisverweigerungsrechte und Beschlagnahmefreiheit" (AE ZVR), in: Festschrift für Günter Bemmann zum 70. Geburtstag, Hrsg.: J. Schulz u.a., Baden-Baden 1997, S.626 Welzel, Hans: Das Deutsche Strafrecht, 11. Auflage, Berlin 1969 (zit. Strafrecht) — Studien zum System des Strafrechts, in: ZStW 58 (1946), S.508 Werner, Olaf: Staatliches Gewaltmonopol und Selbsthilfe im Rechtsstaat, Stuttgart u.a. 1999 (zit. Gewaltmonopol) Wessels, Johannes/Ztew/fce, Werner: Strafrecht, Allgemeiner Teil: die Straftat und ihr Aufbau, 31. Auflage, Heidelberg 2001 (zit. Strafrecht AT) Wessels, Johannes/Hettinger, Michael: Strafrecht, Besonderer Teil 1: Straftaten gegen Persönlichkeits- und Gemeinschaftswerte, 25. Auflage, Heidelberg 2001 (zit. Strafrecht BT 1) Wessels, Johannes /Hillenkamp, Thomas: Strafrecht, Besonderer Teil 2: Straftaten gegen Vermögenswerte, 24. Auflage, Heidelberg 2001 (zit. Strafrecht BT 2) Westermann, Harm Peter/Gursky, Karl-Heinz/Pmger, Winfried: Sachenrecht, Band 1,6. Auflage, Heidelberg 1990 (zit. Sachenrecht I) Widmaier, Gunter: Empfehlen sich gesetzliche Änderungen, um Zeugen und andere nichtbeschuldigte Personen im Strafprozeß besser vor Nachteilen zu bewahren, in: Verhandlungen des 62. Deutschen Juristentages?, Band II, Bremen 1998, S.L29 Wieczorek, Bernhard ¡Schütze, Rolf A.: Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, Großkommentar, Band 5 (§§916-1048 ZPO, §§ 1-24 EGZPO, §§ 1-202 GVG, §§ 1-30 EGGVG), Berlin 1995 (zit. Bearbeiter, Wieczorek/Schütze, ZPO) Wieling, Hans Josef: Sachenrecht, Berlin 1992 (zit. Sachenrecht) Willigmann,

Hans-Ulrich: Gedanken und Vorschläge zu § 154c StPO, in: NJW 1955, S. 1747

Wimmer, Klaus: Das Anhalten beleidigender Briefe aus der Untersuchungshaft, in: GA 1983, S. 145 Wind, Ferdinand¡Schimana, Rudolf/Wichmann, Manfred: Öffentliches Dienstrecht: das Beamten- und Arbeitsverhältnis für den öffentlichen Dienst, 4. Auflage, Köln 1998 (zit. Dienstrecht) Witzler, Jochen: Die personale Öffentlichkeit im Strafverfahren, Pfaffenweiler 1993, zugl.: Diss., Heidelberg 1993 (zit. Öffentlichkeit) Wölfl, Bernd: Die Verwertbarkeit heimlicher privater Ton- und Bildaufnahmen im Strafverfahren, Frankfurt am Main u.a. 1997, zugl.: Diss., Passau 1997 (zit. Verwertbarkeit)

Schrifttumsverzeichnis

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— Rechtfertigungsgründe bei der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, in: Jura 2000, S. 231 Wolff, Heinrich Amadeus: Selbstbelastung und Verfahrenstrennung: das Verbot des Zwanges zur aktiven Mitwirkung am eigenen Strafverfahren und seine Ausstrahlungswirkung auf die gesetzlichen Mitwirkungspflichten des Verwaltungsrechts, Berlin 1997, zugl.: Diss., Speyer 1995/96 (zit. Selbstbelastung) Wolfslast, Gabriele: Beweisführungsrecht durch heimliche Tonbandaufzeichnung, - Besprechung des BGH- Urteils vom 9.4.1986-3 StR 551/85 (NStZ 1987, 133), in: NStZ 1987, S. 103 Wolter, Jürgen: Objektive und personale Zurechnung von Verhalten, Gefahr und Verletzung in einem funktionalem Straftatsystem, Berlin 1981, zugl.: Habil.-Schr., Bonn 1979 (zit. Zurechnung) Wolters, Andreas: Zur Anwendung von § 68 a StPO in der Hauptverhandlung des Vergewaltigungsprozesses, Osnabrück 1987, zugl.: Diss., Osnabrück 1987 (zit. Hauptverhandlung) Wormer, Elke: Der strafrechtliche Schutz der Privatsphäre vor Mißbräuchen mit Tonaufnahmeund Abhörgeräten: eine Abhandlung zu §201 StGB, Mannheim 1977, zugl.: Diss., Mannheim 1977 (zit. Privatsphäre) Zielinski, Diethart: Handlungs- und Erfolgsunwert im Unrechtsbegriff: Untersuchungen zur Struktur von Unrechtsbegründung und Unrechtsausschluß, Berlin 1973, zugl.: Diss., Bonn 1971/72 (zit. Handlungsunwert) Zippelius, Reinhold: Allgemeine Staatslehre, 13. Auflage, München 1999 (zit. Staatslehre) Zöller, Richard: Zivilprozeßordnung: mit Gerichtsverfassungsgesetz, Kommentar, 22. Auflage, Köln 2001 (zit. Bearbeiter, Zöller, ZPO)

Stichwortverzeichnis Abwehrrecht 20, 22, 26, 39, 63, 82, 105, 212 Aggressivnotstand 46,49, 65 Anfangsverdacht 172, 179, 184, 189 Angriff - gegenwärtiger 80, 84f., 119, 121, 124 f., 128 - notwehrauslösender 66,83,119 - rechtswidriger 17,36,42,54,57,59, 125, 128, 189,213 - schuldhafter 26, 26, 43f., 47 f. Auskunftspflicht 105, 176, 182, 185 f., 192, 194, 199 f. Aussagefreiheit 103 f. Ausweichpflicht 22, 41, 44f., 48 f. Bedrohungserpressung 67 f. Chantage 66ff., 73, 7.7f., 113, 171 f., 197 Defensivnotstand 30, 45 ff., 58, 60, 64f., 126 Erforderlichkeit

154 ff.

Geeignetheit 129 ff. Geltung - empirische 24, 29 - faktische 24 - normative 20, 25, 36 Gemeinschuldnerbeschluss 177, 180, 182 Generalprävention 25 Gewaltmonopol 33 ff., 39 f., 159, 165 f., 187ff., 207, 214 Güterabwägung 44f., 49, 51 f., 154, 162, 190 Individualrechtsgut 55 f., 58,62,64,98ff., 120, 155 ff., 165 Individualschutz 23, 26

Interesse - notwehrfähiges 86 ff. - rechtlich geschütztes 88,96,100,115, 131,174,188, 197 Mittel - mildestes 154 ff. nemo-tenetur-Grundsatz 102 ff., 175 ff. Nothilfe 41,44, 53ff., 69,163, 212 Notlage 46, 49ff., 73, 161 Notstandslage 49f., 125 Notstandsrechte 22,38,131 Notwehrbegründung 20f., 26, 29, 39, 52, 60 Notwehreinschränkungen 62, 64, 81, 212 Notwehrkonzeption - dualistische 21 ff. - individualistische 39, 41 ff. - überindividualistische 26 ff. Notwehrlage 29, 49, 62, 64, 80, 128, 183 Notwehrvoraussetzungen 66, 125 Ratio 20, 22f., 31 f. 36 Rechtsbewährung 71, 74 f. Rechtsbewährungsprinzip 24, 69, 71, 75, 212 Rechtsgutsangriff 55 Rechtsgutsbedrohung 84 Rechtsgutsbeeinträchtigung 36 Rechtsverteidigung 23, 26, 28, 34 Rechtsgutsverletzung 32, 2f., 107f. 120 Schweigegelderpressung 66ff., 77, 80, 113 Schweigerecht 175 ff., 194, 203 Selbstbegünstigung 96, 101 ff. Selbstbegünstigungsabsicht 100 ff., 107 Selbstbegünstigungsinteresse 98 ff.

Stichwortverzeichnis Selbstbegünstigungshandlung 99f., 103, 106 ff. Selbstbehauptung 20, 28 f., 31 f. 36 Selbstbelastungsfreiheit 101 ff., 173,182, 184, 190f., 197, 201 Selbstbezichtigungsfreiheit 101 ff., 190ff. Selbsthilfe 18, 24, 35, 48, 50, 71, 128, 161, 165 f., 214 Selbstverteidigung 30, 36, 69, 165 Selbstverteidigungsrecht 40, 52 Subsidiarität der Notwehr 159, 163 ff.

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Strafmonopol 38 f. Unrechtsverhinderungsrecht 30, 37 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 22, 38 f., 41 ff., 162 f. Verklarungspflicht 72 f. Verwertungsverbot 177f., 191, 194ff., 207 Zwei-Elemente-Theorie 21