Die Garantenstellung des Compliance-Officers: Zugleich ein Beitrag zu den Rahmenbedingungen einer Compliance-Organisation [1 ed.] 9783428542437, 9783428142439

Selbst nach dem obiter dictum des 5. Senats des Bundesgerichtshofs am 17. Juli 2009 bleibt unklar, ob den Compliance-Off

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Die Garantenstellung des Compliance-Officers: Zugleich ein Beitrag zu den Rahmenbedingungen einer Compliance-Organisation [1 ed.]
 9783428542437, 9783428142439

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Schriften zum Strafrecht Band 256

Die Garantenstellung des Compliance-Officers Zugleich ein Beitrag zu den Rahmenbedingungen einer Compliance-Organisation

Von

Metin Konu

Duncker & Humblot · Berlin

METIN KONU

Die Garantenstellung des Compliance-Officers

Schriften zum Strafrecht Band 256

Die Garantenstellung des Compliance-Officers Zugleich ein Beitrag zu den Rahmenbedingungen einer Compliance-Organisation

Von

Metin Konu

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen hat diese Arbeit im Jahre 2013 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D21 Alle Rechte vorbehalten © 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-14243-9 (Print) ISBN 978-3-428-54243-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-84243-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen im Wintersemester 2011/2012 als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten im Wesentlichen bis Januar 2012 berücksichtigt werden. Für die sehr freundliche Unterstützung und Betreuung dieser Arbeit möchte ich zunächst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Hans-Ludwig Günther, und für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens Herrn Prof. Dr. Dr. Dres. h.c. Kristian Kühl danken. Ein herzlicher Dank gebührt weiterhin all meinen Freunden, durch die ich die Promotionszeit in schöner Erinnerung behalten werde. Mein persönlicher Dank gilt hierfür insbesondere meinem Mitstreiter Dr. Mesut S. Cekin sowie Felix und Bettina Dietrich, die kurzerhand bereit waren, ihre freie Zeit für das mühsame Korrekturlesen des Manuskripts zu opfern. Danken möchte ich in diesem Zusammenhang auch Sven Grathwohl, der mir bei der Erstellung des Schaubilds unterstützend zur Seite gestanden hat. Meinen Dank verdienen zudem all meine Freunde, die mit wertvollen Anregungen nicht unwesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Ein ganz besonderer Dank gebührt schließlich meiner Familie, insbesondere meinen Eltern Havva und Bekir Konu, die mich auf meinem bisherigen Lebensweg vorbehaltlos in jeglicher Hinsicht unterstützt und gefördert haben. Mit ihrer stetigen familiären Unterstützung, ihren Zuspruch und ihrer Liebe haben sie nicht nur zu meiner persönlichen und beruflichen Entfaltung beigetragen, sondern haben das Gelingen dieser Arbeit überhaupt erst ermöglicht. Ihnen widme ich deshalb diese Arbeit. Stuttgart, im September 2013

Metin Konu

Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einleitung

17

A. Problemdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Zielsetzung, Gang und Einschränkung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 III. Einschränkung des Unternehmensgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Teil 2 Compliance

22

A. Historie, Compliance-Begriff, Compliance-Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 I. Die Entstehungsgeschichte von Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1. Herkunft aus den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2. Historie in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 II. Der Compliance-Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 III. Funktionen der Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Schutzfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2. Beratungs- und Informationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3. Überwachungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 4. Marketingfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 5. Qualitätssicherungs- und Innovationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 B. Compliance in den gesetzlichen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I. Spezialgesetzliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

10

Inhaltsverzeichnis II. Der deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 III. Bußgeldrechtlicher Tatbestand (§ 130 OWiG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Täterkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3. Pflichteninhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 IV. § 91 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 V. Legalitätspflicht, § 93 Abs. 1 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

C. Pflicht zur Compliance? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Darstellung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 II. Grenzen der Compliance-Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 D. Rahmenbedingungen für rechtliche Organisationsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . 46 I. Leitungsaufgabe der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 II. Unterscheidung zwischen Leitung und Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 III. Umfang des Leitungsauftrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Leitungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 a) Unternehmensplanung und -politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 b) Koordinierung und Steuerung/Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 c) Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 d) Führungspostenbesetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 e) Maßnahmen von außerordentlicher Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Aufgaben der Geschäftsführung im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 IV. Compliance als Leitungsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 V. Keine Möglichkeit der vollständigen Entäußerung von Compliance-Pflichten . . 53 VI. Notwendigkeit der arbeitsteiligen Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 VII. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

Inhaltsverzeichnis

11

VIII. Delegation der Compliance-Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1. Horizontale Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 a) Der Grundsatz der Gesamtverantwortung und Allzuständigkeit im Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 b) Geschäftsverteilung und Verantwortlichkeitsmodifikation . . . . . . . . . . . . . 58 c) Compliance als Vorstandsressort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2. Vertikale Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 a) Die inhaltlichen Grenzen der vertikalen Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 b) Letztentscheidungsrecht des Vorstands gegenüber nachgeordneten Mitarbeitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 c) Kassationsrecht des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 3. Externe Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 IX. Übertragung auf den GmbH-Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 X. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 E. Die Figur des Compliance-Officers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 I. Der Unternehmensbeauftragte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Aufgaben und Kompetenzen des Unternehmensbeauftragten . . . . . . . . . . . . . 72 2. Einordnung des CO als Unternehmensbeauftragter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 a) Formelle Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 b) Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 c) Unternehmensschutz oder auch Schutz von Allgemeininteressen? . . . . . . 74 d) Folgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 II. Stellung des CO innerhalb des Unternehmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 1. Position im Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3. Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 a) Fachkenntnisse des CO und die Vertretungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 b) Auskunfts-, Einsichts- und Zugangsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 c) Erforderliche Mittel zur Aufgabenerfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 aa) Weisungs- und Anordnungsrecht contra Eskalationsrecht . . . . . . . . . . 83

12

Inhaltsverzeichnis bb) Strafanzeigerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 4. Dauerhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 III. Aufgaben des CO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 IV. „Regelmäßige“ Straftatverhinderungspflicht des CO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 1. Straftatverhinderungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2. „Regelmäßig“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Teil 3 Die Garantenstellung des CO in der Rechtsprechung und der Literatur

91

A. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 B. Die Ansicht des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 C. Reaktionen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 I. Kritik der Literatur am methodischen Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 III. Meinungsbild zur Garantenstellung des CO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. Originäre Garantenpflicht des CO kraft Übernahme einer Schutzfunktion/ Beschützergarantenstellung aufgrund tatsächlicher Stellung und Funktion des CO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 a) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Sekundäre Garantenpflicht des CO kraft Übernahme einer Schutzfunktion gegenüber außenstehenden Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 a) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3. Originäre oder sekundäre Garantenpflicht des CO für das Vermögen und Ansehen des Unternehmens kraft freiwilliger Übernahme einer Schutz- bzw. Überwacherfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

Inhaltsverzeichnis

13

5. Originäre Überwachergarantenstellung des CO aufgrund Übernahme von Überwachungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 6. Abgeleitete, sekundäre Überwachergarantenstellung kraft freiwilliger Übernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Rönnau/Schneider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 aa) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Dannecker/Dannecker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 aa) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 c) Mosbacher/Dierlamm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 aa) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 d) Ransiek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 aa) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 e) Hendrik Schneider/Gottschaldt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 aa) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 f) Argumente im Schrifttum gegen eine sekundäre Garantenstellung des CO 120 g) Fazit und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 aa) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 bb) Die Eigenverantwortlichkeit des unmittelbar handelnden Mitarbeiters 124 (1) Sperrwirkung der §§ 357 StGB, 41 Wehrstrafgesetz, 108 SeemG . 125 (2) Sperrwirkung des § 130 OWiG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (3) Fehlende Mittel der Verbandsdisziplin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 cc) Ist die Nichtanzeige von Straftaten nur nach § 138 StGB strafbar? . . . 134 dd) Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

14

Inhaltsverzeichnis 7. Garantenstellung aus Ingerenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Teil 4 Meinungsstand zur dogmatischen Herleitung der Garantenstellung

145

A. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 B. Die Einteilung der Garantenstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 I. Formelle Rechtsquellenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 II. Funktionenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 III. Materialisierungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 IV. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2. Einordnung der Haftung des CO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 Teil 5 Die Garantenstellung des CO

156

A. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 B. Die Geschäftsherrenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 I. Rechtsprechung zur Geschäftsherrenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 II. Überblick über den Meinungsstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 1. Garantenstellung aus personaler Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 2. Garantenstellung aus der Herrschaft über den „Betrieb als Gefahrenherd“ . . 163 3. Garantenstellung aus der Verknüpfung beider Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 4. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 III. Der Betrieb bzw. die Organisation der Gesellschaft als Gefahrenquelle? . . . . . . 174 IV. Reichweite der Garantenpflicht des Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 V. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

Inhaltsverzeichnis

15

C. Möglichkeit der strafrechtlichen Delegation der Garantenpflicht auf den CO . . . . . . 181 I. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 II. Die Bedeutung des Dienstvertrages bzw. der Stellenbeschreibung . . . . . . . . . . . 182 D. Übernahmegarantenstellung des CO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 I. Garantenstellung aufgrund freiwilliger Übernahme im Allgemeinen . . . . . . . . . 183 1. Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 II. Der materielle Grund der Garantenstellung aus freiwilliger Übernahme . . . . . . 185 1. Die Zusage als materieller Grund der Garantenstellung aus Übernahme? . . . 185 2. Der Vertrauensgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3. Der Vertrauensgrundsatz im Bereich der vertikalen Delegation . . . . . . . . . . . 187 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 5. Übertragung bzw. Übernahme der Herrschaft über die Gefahrenquelle . . . . . 191 III. Sekundärgarantenstellung des CO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Vervollständigung des Informationsvorsprungs, eigene Auffassung . . . . . . . . 194 a) Pflicht zur Ergreifung von Maßnahmen zur Verhinderung von Straftaten

194

b) Herrschaft über die Gefahrenquelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 c) Ist eine Erfolgsabwendung i.S.d. § 13 Abs. 1 StGB durch die Nichtvornahme der gebotenen Handlung möglich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Der Einwand der Eigenverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 3. Reichweite der Garantenpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Teil 6 Schlussbetrachtung

205

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230

Teil 1

Einleitung A. Problemdarstellung Sehr viele Beiträge zur Unternehmenskriminalität verweisen auf die Ungleichheiten bei der Strafverfolgung in einem Unternehmen. Man lasse die Kleinen hängen und die Großen laufen.1 Die Erfassung der Oberschichten sei ein blinder Fleck der Strafrechtspflege.2 Die Tendenz der Bestrafung auch der Unternehmensinhaber3 hat jedoch deutlich zugenommen, so dass sich das Blatt nach und nach gewendet hat. Nunmehr wird wiederum der Ruf lauter, die Kleinen im Unternehmen nicht milder als die Großen zu behandeln.4 Man wird sich aber fragen müssen, was es bedeutet „Klein“ oder „Groß“ zu sein bzw. wann man der Unterschicht, Mittelschicht oder der Oberschicht im Unternehmen angehört. Den „Großen“ wird in der Regel nicht der Vorwurf gemacht, sie hätten jemanden bestochen oder Kartellabsprachen o. ä. getroffen; vielmehr wird ihnen vorgeworfen, ihr Unternehmen nicht ordentlich organisiert zu haben, wodurch es zu rechtswidrigen Handlungen gekommen sei.5 Korruptionsskandale bei Siemens, Datenlecks bei Sony, Millionenbetrug beim Fernsehsender Kika und der Wirbel um eine Sexreise von Vertriebsmitgliedern der Munich Re – Tochter Ergo –, sind dabei einige der wenigen Beispiele. Daher haben die Unternehmen in den vergangenen Jahren den Pol verstärkt auf das Thema Compliance gelenkt und im Unternehmen ComplianceOfficer (im Folgenden CO) eingesetzt, um die rechtlichen Risiken, die im Unternehmen einzutreten drohen, besser beherrschen zu können. Gehören die CO nun zur Oberschicht, zur Mittelschicht oder zur Unterschicht in der unternehmensinternen Hierarchie? Können sie zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie ihre Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllen bzw. die Straftat eines Unternehmensangehörigen nicht unterbinden? Zur Strafbarkeit von CO fehlt es 1 Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 2; Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 17; siehe Bock, Compliance, S. 64 m.w.N. 2 Schünemann, in: Dt. Wiedervereinigung, Band III, S. 129. 3 Synonym verwandt mit Ausdrücken wie Betriebsinhaber, Geschäftsherr, Unternehmer, Geschäftsführer und Vorstand. 4 So Vogel, in: FS Lorenz, 2001, S. 65 (73); ders., GA 1990, 241 (248); Winkelbauer, in: FS Lenckner, 1998, S. 645 (650); Rotsch, Haftung, S. 163 spricht in diesem Zusammenhang davon, dass jetzt nur noch „die Großen“ gehängt werden. 5 Siehe Uwe H. Schneider, NZG 2009, 1321.

18

Teil 1: Einleitung

bislang an höchstrichterlicher Rechtsprechung. Der 5. Senat des BGH hat am 17. Juli 2009 in einem obiter dictum die Garantenstellung von CO bejaht. Die Wiedergabe der genannten Entscheidung6 in geraffter Form soll an dieser Stelle der Verdeutlichung der zur Untersuchung anstehenden Materie dienen: Der Angeklagte war Leiter der Rechtsabteilung sowie der Innenrevision der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (im Folgenden: BSR). Wegen eines Kalkulationsfehlers stellten die BSR ca. 170.000 Straßenanliegern überhöhte Straßenreinigungstarife in Rechnung. Als der Angeklagte davon erfuhr, unterließ er „aus falsch verstandener Loyalität“ gegenüber dem Vorstandsmitglied G., der für die Tarifkalkulation verantwortlich war und die Aufdeckung des Fehler verhindern sollte, die Unterrichtung des Vorstandsvorsitzenden. Der Kalkulationsfehler wurde in die nächste Tarifperiode übertragen, wodurch den Anliegern ein strafrechtlich relevanter Schaden von über EUR 23 Mio. entstand. Der Angeklagte wurde vom LG Berlin wegen Beihilfe zum Betrug durch Unterlassen zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt.7 Seine dagegen eingelegte Revision blieb erfolglos. Anlass für das obiter dictum mit grundsätzlichen Aussagen zur Garantenstellung von CO war die Inhaltsbestimmung der Garantenpflicht des Angeklagten, welcher selbst kein CO war. Nachdem der BGH die Garantenstellung des Angeklagten als gegeben ansah, musste er sich ausführlich mit der Reichweite der darauf resultierenden Garantenpflicht auseinandersetzen. Fraglich war nämlich, ob sich die Garantenpflicht auf die Verhinderung von Straftaten und Pflichtverstößen beschränkte, die gegen das Unternehmen selbst gerichtet waren, oder ob der Angeklagte darüber hinaus auch verpflichtet war, aus dem Unternehmen gegen Dritte (die Straßenanlieger) begangene Rechtsverstöße zu beanstanden und zu unterbinden. In diesem Zusammenhang grenzte der BGH den vom Angeklagten konkret übernommenen Pflichtenkreis vom Aufgabengebiet von CO ab und stellte obiter dictu fest, dass CO regelmäßig eine Garantenpflicht in letzterem Sinne treffen wird:8 „Eine solche, neuerdings in Großunternehmen als ,Compliance‘ bezeichnete Ausrichtung, wird im Wirtschaftsleben mittlerweile dadurch umgesetzt, dass sog. ,Compliance Officers‘ geschaffen werden […] Deren Aufgabengebiet ist die Verhinderung von Rechtsverstößen, insb. auch von Straftaten, die aus dem Unternehmen heraus begangen werden und diesem erhebliche Nachteile durch Haftungsrisiken oder Ansehensverlust bringen können. […] Derartige Beauftragte wird regelmäßig strafrechtlich eine Garantenpflicht i.S.d. § 13 StGB treffen, solche im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmens stehende Straftaten von Unternehmensangehörigen zu verhindern. Dies ist die notwendige Kehrseite ihrer gegenüber der Unternehmensleitung übernommenen Pflicht, Rechtsverstöße und insbesondere Straftaten zu unterbinden […]“.

Die vom BGH angenommene Garantenstellung des CO wirft jedoch insbesondere die Frage auf, ob sich diese dogmatisch untermauern lässt. 6 7 8

BGH, Urteil vom 17.07. 2009 – 5 StR 394/08 = BGHSt 54, 44. LG Berlin v. 3.3. 2008 – (514) 3 Wi Js 1361/02 KLs (9/04), juris. Favvocia/Richter, AG 2010, 137.

B. Zielsetzung, Gang und Einschränkung der Untersuchung

19

B. Zielsetzung, Gang und Einschränkung der Untersuchung I. Zielsetzung Die Diskussion über die Garantenstellung des CO wurde erst mit der BSR-Entscheidung des BGH hevorgerufen. Während davor, soweit ersichtlich, nur die Abhandlung von Kraft und Winkler9 über die Garantenproblematik des CO existierte, ist die Zahl der Stellungnahmen nunmehr nicht mehr überschaubar.10 Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des CO bemisst sich nach § 13 Abs. 1 StGB und wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet. Als wesentlicher Grund für das Fehlen einer exakten Lösung des Problems ist die dogmatische Unklarheit der Grundlage zu nennen, aber auch die Schwierigkeit, die der Definition der Compliance-Funktion und der Stellung des CO anhaftet. Bei den im obiter dictum getroffenen Feststellungen zur möglichen Strafbarkeit eines CO handelt es sich nicht um tragende Entscheidungsgründe (ratio decidendi), sondern um nichttragende Erwägungen (beiläufige Bemerkung = obiter dictum = „nebenbei Gesagtes“), die unverbindlich sind.11 Gleichwohl zeigt es, wie der 5. Strafsenat entscheiden würde, wenn es sich beim Angeklagten um einen CO handelt. Doch sind die Feststellungen des 5. Senats richtig? Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dieser Frage. Trifft den CO regelmäßig eine Garantenpflicht i.S.d. § 13 Abs. 1 StGB, solche im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmens stehende Straftaten von Unternehmensangehörigen zu verhindern oder Maßnahmen zur Verhinderung der Straftat zu ergreifen? Zur Lösung dieser Frage ist zunächst eine Untersuchung im gesellschaftsrechtlichen Bereich angebracht, um das Verständnis von Compliance zu vertiefen. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt darin, Grund und Grenzen der Strafbarkeit von CO aus einem Nichteinschreiten gegen Straftaten von Mitarbeitern auf eine dogmatisch tragfähige Weise zu erläutern.

9

Kraft/Winkler, CCZ 2009, 29 ff. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Campos Nave, BB 2009, 2059; ders./Vogel, BB 2009, 2546; Rübenstahl, NZG 2009, 1341; Kraft, wistra 2010, 81; Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53; Rolshoven/Hense, BKR 2009, 422; Bürkle, CCZ 2010, 4; Grau/Blechschmidt, DB 2009, 2143; Wybitul, BB 2009, 2590; ders., BB 2009, 2263; Berndt, StV 2009, 687; Mosbacher/ Dierlamm, NStZ 2010, 268; Steinheimer, AuA 2010, 24 f.; Stoffers, NJW 2009, 3173; Thomas, CCZ 2009, 239; Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981, Dann/Mengel, NJW 2010, 3265, Deutscher, WM 2010, 1387, Warneke, NStZ 2010, 312; M. Wolf, BB 2011, 1353 (1358 ff.); Spring, GA 2010, 222; Ransiek, AG 2010, 147; Rößler, WM 2011, 918 (922 ff.); Rieder, in: FS Goette, 2011, S. 413; Vormbaum, JURA 2010, S. 861 ff. 11 Zur Abgrenzung der ratio decidendi und obiter dictum vgl. BGHSt 33, 174; Lilie, JuS 1993, 565 (567); Kuhlen, JA 1986, 589. 10

20

Teil 1: Einleitung

II. Gang der Untersuchung Der Arbeit liegt folgender Aufbau zugrunde: Sie gliedert sich in sechs Teile. Der zweite Teil der Untersuchung schafft zunächst die Grundlagen für die im Mittelpunkt stehende Verantwortlichkeit des CO. Ihre Erörterung beansprucht keinen geringeren Raum als der eigentliche Gegenstand der Untersuchung. Diese Gewichtung ist nicht nur zweckmäßig, sondern sachlich unumgänglich. Hierzu befasst sich die Arbeit mit der Historie von Compliance, der Definition und den Compliance-Funktionen. Es werden die wichtigsten spezialgesetzlichen Regelungen aufgezeigt und der Frage nachgegangen, ob den Unternehmensleiter die Pflicht zur Implementierung einer Compliance-Organisation trifft. Im Anschluss werden die Rahmenbedingungen für rechtliche Organisationsanforderungen dargestellt. Hierbei werden die Delegationsmöglichkeiten der Compliance-Pflichten aufgezeigt und die Figur des CO in der existierenden und angedachten Form vorgestellt. Auf dieser Weise kann eine Annäherung an die Frage gewagt werden, ob der CO bei „Nichtverhinderung“ einer Straftat eines Unternehmensangehörigen zur Verantwortung gezogen werden kann. Im dritten Teil der Arbeit werden sodann alle wesentlichen zur Garantenstellung des CO vertretenen Meinungen einer kritischen Würdigung unterzogen. Der folgende vierte Abschnitt setzt sich mit der Darstellung der einzelnen Grundkategorien der Garantenlehre auseinander, wobei im sechsten Teil der Arbeit die noch fehlenden Elemente ergänzt und zu einem eigenen Lösungsentwurf zusammengefügt werden. Die Untersuchung mündet schließlich in einer kurzen Schlussbetrachtung.

III. Einschränkung des Unternehmensgegenstands Die Arbeit wird sich allein auf die Garantenfrage des CO konzentrieren und nicht das gesamte Gebiet der mit der Strafbarkeit des CO zusammenhängender Probleme ansprechen. Insbesondere der umstrittene Problemkreis, der sich mit der Frage beschäftigt, ob eine Strafbarkeit wegen Täterschaft oder Teilnahme in Betracht kommt, bleibt ausgeklammert. Vorsatz, (Quasi-)Kausalität sowie die Zumutbarkeit sind als gegeben vorauszusetzen. Die Arbeit wird sich also in Gegenstand und Ziel nur auf die Beantwortung der Garantenfrage des CO aus „Nichteinschreiten“ gegen Straftaten von Unternehmensangehörigen konzentrieren. Ausgeklammert wird auch die Garantenfrage des Chief Compliance Officers (CCO), der als Mitglied der Unternehmensleitung einem Vorstandsressort angehört. Lediglich bei der Aufarbeitung der Delegationsmöglichkeit wird rudimentär auf die horizontale Arbeitsteilung eingegangen. Der hier zu untersuchende Beauftragte gehört keinem Vorstandsressort an, sondern ist Mitarbeiter im Unternehmen, auf den die Compliance-Aufgaben delegiert werden. Es handelt sich dabei um einen „Nur-CO“ und nicht um einen „Auch-CO“. Er hat also nur Compliance-Aufgaben wahrzunehmen und wird nicht mit einer zusätzlichen Funktion betraut.

B. Zielsetzung, Gang und Einschränkung der Untersuchung

21

Der hier vorgestellte CO nimmt Compliance-Aufgaben in einem mittelständischen Unternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft oder einer GmbH wahr. Größere oder kleinere Unternehmen sind dabei ausgeklammert.

Teil 2

Compliance A. Historie, Compliance-Begriff, Compliance-Funktionen Bevor auf den Begriff der Compliance eingegangen wird, soll ein kurzer Überblick über die Entstehungsgeschichte von Compliance vorangehen. Diese ist deshalb von Bedeutung, da der Begriff in den neunziger Jahren ohne Übersetzung Eingang in die deutsche Rechtssprache gefunden hat. Fraglich ist nämlich, wo die Wurzeln dieses Ausdrucks liegen. Anschließend sollen in geraffter Form die ComplianceFunktionen dargestellt werden, um die Ziele von Compliance aufzuzeigen.

I. Die Entstehungsgeschichte von Compliance 1. Herkunft aus den USA Compliance hat ihren Ursprung in den USA, genauer gesagt im dortigen Bankenbereich. In den sechziger Jahren wurden in den USA erstmals „Corporate Compliance Codes“ in den Unternehmen statuiert, also Richtlinien, die gesetzeskonformes Verhalten der Angestellten gewährleisten sollten.12 Dies beruhte auf der strafrechtlichen Verfolgung von wettbewerbsrechtlichen Straftaten, welche in der Folge zu den bekannten „Electrical Cases“ führten.13 Diese Entwicklung führte dazu, dass nahezu alle Wall-Street-Unternehmen ihre „Corporate Compliance Codes“ ausbauten. Da die Gerichte aber der Existenz eines Compliance-Systems keine strafausschließende oder -mildernde Wirkung zukommen ließen,14 führte dies lediglich zu einer Reduzierung von Rechtsverstößen.15

12 Frisch, in: Derleder/Knops/Bamberger, Hdb. Bankrecht, § 7 Rn. 6; Linklater/McElyea, RIW 1994, 117 (118). 13 Eine ausführliche Beschreibung der Electrical Cases findet sich bei J. Herling, The Great Price Conspiracy, 1962. 14 Siehe etwa United States v. Twentieth Century Fox Film Corp., 882 F.2d 656 (2d Cir. 1989); United States v. Cadillac Overall Suply Co., 569 F.2d 1078 (5th Cir. 1978). 15 Siehe Linklater/McElyea, RIW 1994, 117 (118); Fleischer, AG 2003, 291 (296).

A. Historie, Compliance-Begriff, Compliance-Funktionen

23

Anfang der neunziger Jahre wurde mit Inkrafttreten der „Federal Sentencing Guidelines“16 (FSG) das Strafrecht erstmals auf US-Bundesebene auf Organisationen ausgedehnt. Wenn auch nur mittelbar, wurden über Strafzumessungsregelungen für Unternehmen „Compliance Standards“ festgeschrieben. Bei Vorliegen von „mitigating factors“, also von Strafmilderungsgründen, hat danach der Richter die Möglichkeit, die Strafe abzumildern.17 Seit dem 1. November 1991 sieht das „Manual Chapter Eight“ der FSG einen solchen „mitigating factor“ für ein effektiv implementiertes und wirksames Compliance-Programm eines Unternehmens vor. Im Jahre 2004 wurden die Compliance-Anforderungen umfangreich überarbeitet und ethische Belange explizit einbezogen.18 Am 1. November 2010 wurde die Richtlinie erneut reformiert und dient nunmehr zur Klarstellung im Bereich des Verhaltens nach der Entdeckung einer Straftat, der Anwendung bei der Beteiligung leitender Mitarbeiter an der Tat und der Erstellung von Compliance-Programmen als eigenständige Strafe.19 Am 25. Juli 2002 wurde vom US-Kongress eines der wichtigsten Kapitalmarktgesetze im Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität verabschiedet, das am 30. Juli 2002 in Kraft trat, der „Sarbanes-Oxley Act of 2002“ (SOX). Vorangegangen war eine Serie von Bilanzskandalen außergewöhnlichen Ausmaßes.20 Das Ziel des SOX liegt in der Verbesserung der Rechnungslegung und Stärkung interner Kontrollsysteme zur künftigen Verhinderung vergleichbarer Skandale.21 Nach Section 302 und 404 SOX wird die Unternehmensleitung eines börsennotierten Unternehmens daher zur Einführung interner Kontrollsysteme verpflichtet.22 2. Historie in Deutschland In Anlehnung an angelsächsische Erfahrungen mit den FSG hat das deutsche Kreditgewerbe im Jahre 1992 begonnen, Compliance-Organisationen einzurichten, um die Einhaltung der kapitalmarktrechtlichen Verhaltensregeln sicherzustellen, die Marktintegrität zu wahren und Interessenkonflikte im Wertpapiergeschäft zu ver16 Abrufbar unter http://www.ussc.gov/orgguide.htm; siehe hierzu auch: Runte, in: Heidelberger Komm., AktG, § 161 Rn. 58. 17 Hauschka, in: Hauschka, Compliance, § 1 Rn. 40 ff.; Bürkle, BB 2005, 565; Bergmoser/ Theusinger/Gushurst, BB-Special 5.2008 zu Heft 25, S. 1 (2); Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 270 f. 18 Daher verlangen die Richtlinien nunmehr ein Compliance- und Ethikprogramm. Vgl. zur Reform 2004 Engelhart, Sanktionierung, S. 129 ff. 19 Engelhart, NZG 2011, 126 ff. 20 Der Energiekonzern Enron wies in seiner Bilanz zu Unrecht Gewinne in einer Größenordnung von über einer Milliarde US-Dollar aus. Die Telefongesellschaft Worldcom nahm Fehlbuchungen von über neun Milliarden US-Dollar vor. Quelle: http://www.tagesschau.de/wirt schaft/meldung362526.html. 21 Menden/Kralisch, ZfCM 2008, 235; Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 270 f. 22 Abgedruckt unter: http://www.sec.gov/about/laws/soa2002.pdf.

24

Teil 2: Compliance

meiden.23 Die Deutsche Bank sah sich als erstes Bankinstitut dazu veranlasst, eine Compliance-Organisation auf freiwilliger Basis einzuführen.24 Zur Einführung von Kontroll- und Überwachungssystemen, die der Compliance-Organisation gleichen, wurden Wertpapierdienstleistungsunternehmen erstmals am 30. Juli 1994 mit der Verkündung des WpHG25 gesetzlich verpflichtet.26 Die Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID)27 durch das FinanzmarktrichtlinieUmsetzungsgesetz (FRUG)28 hat mit der ausdrücklichen Erwähnung der Compliance-Funktion in § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG den Begriff „Compliance“ auch endgültig im geschriebenen deutschen Recht verankert und die hierin enthaltenen Pflichten umfangreich erweitert. Im Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) wird der Begriff „Compliance“ in Ziffer 4.1.3 in Form einer Legaldefinition verwendet, die durch eine Erweiterung in der Plenarsitzung vom 14. Juni 2007 Eingang in den Kodex gefunden hat. Die dem DCGK zugrunde liegende Definition weitet die Pflicht der Unternehmensleitung gegenüber der rein wörtlichen Übersetzung des Compliance-Begriffs aus und legt der Geschäftsführung neben der Einhaltung der Rechtsnormen auch eine Pflicht zur Hinwirkung auf die Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen und unternehmensinternen Richtlinien auf. Allerdings handelt es sich bei dem DCGK lediglich um „soft-law“29, sodass den dort normierten Regelungen keine rechtsverbindliche Wirkung zukommt. Diese stellen allenfalls eine unverbindliche Empfehlung dar.30 Überdies befindet sich in Art. 46 Abs. 1 S. 2 der am 22. April 2009 verabschiedeten EU-Rahmenrichtlinie Solvency II31 für Versicherungen und Rückversicherungen eine ausdrückliche Regelung der Compliance-Funktion als Teil des notwendigen internen Kontrollsystems. Die Umsetzungsfrist endet am 31. Oktober 2012, sodass bis zu diesem Zeitpunkt eine Änderung des § 25a KWG und eine

23 Eisele, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 109 Rn. 2; ders., WM 1993, 1021 f.; Frisch, in: Derleder/Knops/Bamberger, Hdb. Bankrecht, § 7 Rn. 10. 24 Lösler, Compliance in Wertpapierdienstleistungskonzern, S. 18; P. Schmidt, Insider Trading, S. 90; Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 272. 25 BGBl I 1994, S. 1749 ff. 26 Eisele, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 109 Rn. 2. 27 Richtlinie 2004/39/EG Abl. EU L 145/1 vom 21.04. 2004. 28 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 16.07. 2007, BGBl I 2007, S. 1330 ff. 29 Lutter, ZGR 2000, 1 (17); v. Werder, DB 2002, 801; Semler, in: MünchKomm., AktG, § 161 Rn. 28. 30 Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, Vorbem. Rn. 43. 31 Richtlinie 2009/138/EG; abrufbar unter: http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/09/ st03/st03643-re06.de09.pdf; vgl. hinsichtlich der allgemeinen Ziele der Richtlinie Wandt/ Sehrbrock, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 1395 ff.

A. Historie, Compliance-Begriff, Compliance-Funktionen

25

damit verbundene, weitere ausdrückliche und spezialgesetzliche Kodifikation der „Compliance-Funktion“ erfolgen wird.

II. Der Compliance-Begriff Der Begriff „Compliance“ ist in Deutschland vor etwas mehr als 17 Jahren gebräuchlich geworden32 und heute nicht mehr wegzudenken. Wie die Entstehungsgeschichte zeigt, handelt es sich dabei um eine aus der angloamerikanischen Rechtsterminologie ohne Übersetzung in das deutsche Wirtschaftsrecht übernommene Umschreibung. Abgesehen von spezialgesetzlichen Sondernormen existiert keine allgemein anerkannte Definition von Compliance. Dieser Begriff steht in seiner wörtlichen Übersetzung für „Befolgung, Einhaltung, Erfüllung oder Einwilligung“33 bestimmter Anforderungen, womit im juristischen Sinne schlichtweg Gesetzestreue gemeint ist, oder, anders formuliert, ein Verhalten in Übereinstimmung mit den geltenden Regeln. So gesehen ist Compliance also nichts Neues. Daher wird immer wieder darauf hingewiesen, dass dies für Unternehmen im Grunde eine Selbstverständlichkeit ist.34 Gleichwohl zeigen die anhaltenden Verstöße gegen deutsche und europäische Normen,35 dass die Verankerung und Umsetzung dieser „Selbstverständlichkeit“ in Wirtschaftsunternehmen sehr schwierig sind. Geht man von einer wörtlichen Übersetzung von Compliance aus, fällt auf, dass sich die Pflicht zu gesetzeskonformen Handeln bereits aus der aus § 93 Abs. 1 S. 1 AktG36 bzw. § 43 Abs. 1 GmbHG37 abgeleiteten Legalitätspflicht der Unternehmensleitung als Kardinalpflicht der Geschäftsleitung ergibt. Jedoch umschreibt die schlichte Gesetzestreue nur den Kernbereich der Compliance-Pflichten der Unternehmensleitung. Die allgemeine Legalitätspflicht und Compliance sind nicht deckungsgleich. Eine solche, stark verkürzte Form der Umschreibung des fremden Begriffs ist nicht geeignet, diesen mit Inhalt zu füllen. 32

Gößwein/Hohmann, BB 2011, 963; Hauschka, in: Hauschka, Compliance, § 1 Rn. 1; ders., NJW 2004, S. 257; Lösler, NZG 2005, S. 104. 33 Dietl/Lorenz, Wörterbuch für Recht, S. 147. 34 Bergmoser/Theusinger/Gushurst, BB-Special 5.2008 zu Heft 25, S. 1 ff.; Kiethe, GmbHR 2007, 393 (396); Gößwein/Hohmann, BB 2011, 963; so erstmals Uwe H. Schneider, der diese Erkenntnis als eine Binsenweisheit bezeichnet, ZIP 2003, S. 645 (646), Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider, ZIP 2007, S. 2061; zur Selbstverständlichkeit der Einhaltung der Rechtsordnung sowie Cauer/Haas/Jakob/Kremer/Schartmann/Welp, DB 2008, 2717 ff., die sich fragen, ob der Begriff „Compliance“ lediglich „alter Wein in neuen Schläuchen“ darstellt. 35 Gößwein/Hohmann, BB 2011, 963; Hauschka, in: Hauschka, Compliance, § 1 Rn. 8 ff.; ders., AnwBl. 2010, 629 f.; Schemmel/Ruhmannseder, AnwBl. 2010, 647; Kiehte, GmbHR 2007, 393 (396). 36 Zur Legalitätspflicht des Vorstandes in der Aktiengesellschaft siehe Spindler, in: MünchKomm., AktG, § 93 Rn. 63 ff.; Habersack, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 429 ff. 37 Zur Legalitätspflicht des Geschäftsführers in der GmbH siehe Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 17.

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Teil 2: Compliance

Vielmehr umfasst Compliance „die Gesamtheit aller Maßnahmen, die erforderlich sind, um ein rechtmäßiges Verhalten des Unternehmens, seiner Organmitglieder und der Mitarbeiter mit Blick auf alle gesetzlichen Gebote und Verbote zu gewährleisten“.38 Es versteht sich aber von selbst, dass die Gewährleistung rechtmäßigen Verhaltens kein „Selbstläufer“ ist, sondern hier organisatorische Maßnahmen erforderlich sind.39 Damit wird neben der Pflicht zu gesetzeskonformen Handeln ein weiteres Element des Begriffs Compliance, nämlich das des Organisationsmodells, relevant. Denn nicht nur die Organmitglieder müssen sich gesetzeskonform verhalten, vielmehr müssen sie auch gewährleisten, dass sich auch die Mitarbeiter rechtmäßig verhalten. Um dieses Ziel in einem auf arbeitsteilige Organisation basierenden Unternehmen erreichen zu können, sind organisatorische Vorkehrungen erforderlich.40 Folglich ist die Einrichtung eines Systems notwendig, welches die Handlungen der einzelnen Mitarbeiter bzw. Unternehmensteile koordiniert und aufeinander abstimmt,41 damit die größtmögliche Gesetzeskonformität sowohl für Handlungen des Unternehmens, als auch für solche der Leitungsorgane und Mitarbeiter erlangt werden kann.42 Während also die allgemeine Legalitätspflicht die Pflicht bezeichnet, sich selbst während der Amtsführung rechtmäßig zu verhalten, beschreibt Compliance eine Methode insbesondere organisatorischen Charakters, die im Grunde die Erfüllung der Legalitätspflicht in der Praxis sichert.43 Zutreffend bezeichnet Verse letzteres als Legalitätskontrollpflicht.44 Dabei beschränkt sich Compliance nicht nur auf eine rechtliche Betrachtungsweise, sondern umfasst auch ethische Grundsätze des Unternehmens (sog. „Code of Conduct“ oder „Code of Ethics“).45 Es gilt auch im Hinblick auf selbstgesetzte Standards, Soft law, die Corporate-Governance-Grundsätze sowie moralische 38

Uwe H. Schneider, ZIP 2003, 645 (646); Kiethe, GmbHR 2007, 393; Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173, Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 8 Rn. 40; Assmann, AG 1994, 237 (256). 39 Siehe Hauschka, ZIP 2004, S. 877, Kiethe, GmbHR 2007, 393 (394); Bürkle, BB 2005, 565; Mengel/Hagemeister, BB 2006, 2466 f. 40 Vetter, in: FS Westphalen, 2010, S. 719 (721); Bürkle, BB 2005, 565; Hauschka, NJW 2004, 257; Kiethe, GmbHR 2007, 393 (394); Kort, NZG 2008, 81; Rodewald/Unger, BB 2006, 113 (116); Uwe H. Schneider, ZIP 2003, 645 (646); Lösler, NZG 2005, 104 ff. 41 Vgl. umfassend Goette, ZHR 175 (2011), 388 (390 ff.); Assmann, AG 1994, 237 (255); Sven H. Schneider, Informationspflichten, S. 246; Gebauer, in: DIRK, Hdb. Investor Relations, S. 507; Eisele, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 109 Rn. 1; Bürkle, DB 2004, 2158 (2160); Uwe H. Schneider, ZIP 2003, 645 (646); Hauschka, DB 2006, S. 1143 (1145); Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 264; Dreher, ZWeR 2004, 75 (79). 42 Hauschka, ZIP 2004, 877; Kiethe, GmbHR 2007, 393 (394); Bürkle, BB 2005, 565; Mengel/Hagemeister, BB 2006, 2466 ff.; zur Entwicklung der Compliance Codes in den USA: Linklater/McElyea, RIW 1994, 117 (118 f.). 43 Reichert, ZIS 2011, 113 (114). 44 Verse, ZHR 175 (2011), 401 (403 ff.). 45 Der Wortlaut von Ziffer 4.1.3. DCGK macht deutlich, dass von Compliance auch unternehmensinterne Richtlinien erfasst werden; vgl. Vetter, in: FS Westphalen, 2010, S. 719 (723); Poppe, in: Görling/Inderst/Bannenberg, Compliance, S. 1; Kiethe, GmbHR 2007, S. 393 (394); Wolf, DStR 2006, S. 1995.

A. Historie, Compliance-Begriff, Compliance-Funktionen

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Grundsätze ein ordnungsgemäßes Verhalten sicherzustellen.46. Da Compliance zur Absicherung des Unternehmens gegen Risiken und Konsequenzen dient, die aus Rechts- und Regelverstößen resultieren können und die das Unternehmen in finanzieller, organisatorischer und reputationsmäßiger Hinsicht schädigen können,47 ist diese Sichtweise nur folgerichtig. Es ist nämlich nicht von Bedeutung, ob der Rechtsverstoß sich gegen staatlich gesetztes Recht richtet oder autonom vom Unternehmen gesetzte interne Regeln betrifft.48 Denn das Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit ist neben dem geschäftlichen Erfolg eine, wenn nicht die wichtigste Ressource für das Unternehmen49 und entspricht ureigenen unternehmerischen Interessen. Festzuhalten ist demnach, dass „Compliance“ nicht nur reine Gesetzestreue meint, sondern im weitesten Sinne zu verstehen ist. Der Begriff umfasst auch die Einrichtung geeigneter Organisationsstrukturen, Prozesse und Systeme im Unternehmen, um ordnungsgemäßes Verhalten des Unternehmens, seiner Organmitglieder und der Mitarbeiter mit Blick auf alle gesetzlichen Regeln und ethischen Grundsätze des Unternehmens zu gewährleisten.

III. Funktionen der Compliance Ist geklärt, was unter dem Begriff Compliance zu verstehen ist, muss nun erläutert werden, welche Funktionen der Compliance zukommen. Compliance ist nicht eine Aufgabe in einem bestimmten Rechtsgebiet, sondern zieht sich durch alle Rechtsgebiete. Die Compliance-Funktion eines Unternehmens steht sinnbildlich für die Gesamtheit aller Compliance-Maßnahmen.50 Sie sind vielseitig und beschränken sich nach modernem Verständnis nicht auf eine reine Schutzfunktion. Die Bedeutung der einzelnen Funktionen kann von Unternehmen zu Unternehmen variieren. Maßgebend sind nicht nur die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Branche, sondern auch die Größe, die Rechtsform, die Börsennotierung sowie die Finanzierung und der Kundenbereich.51 Blickt man in die Spezialliteratur52 zur Compliance, so werden der Compliance-Organisation allgemein fünf Compliance-Funktionen zugeschrieben. 46

Eisele, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 109 Rn. 6. So formuliert von Vetter, in: FS Westphalen, 2010, S. 719 (723). 48 Vetter, in: FS Westphalen, 2010, S. 719 (723). 49 Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, S. 12; Schreyögg/v. Werder, Handwörterbuch, S. 1266. 50 Röh, BB 2008, 398 (400 f.); Gebauer/Niermann, in: Hauschka, Compliance, § 36 Rn. 60. 51 Ähnlich Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 266; Campos Nave/Vogel, BB 2009, 2546 (2548). 52 Eisele, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 109 Rn. 4; Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, S. 69 ff; ders., NZG 2005, S. 104 f.; ders., WM 2007, S. 676 f.; Illing/Umnuß, CCZ 2009, S. 1 (3); Poppe, in: Görling/Inderst/Bannenberg, Compliance, S. 11; Hauschka, in: Bankrechtstag 2008, S. 103 ff. 47

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Teil 2: Compliance

Die Schutzfunktion, die Beratungs- und Informationsfunktion, die Qualitätssicherungs- und Innovationsfunktion, die Überwachungsfunktion und die Marketingfunktion. Im Folgenden sollen diese Funktionen näher beschrieben werden. 1. Schutzfunktion In erster Linie hat Compliance eine Schutzfunktion53, nämlich die Gewährung von Reputationsschutz und Schadenspräventionen.54 Geschützt werden sollen primär die Rechtsgüter des Unternehmens. Die Begehung einer Straftat bzw. eines Rechtsverstoßes durch die Organe oder Mitarbeiter des Unternehmens führt zu einem Schaden im Unternehmen, einerseits in Form von unmittelbarer, finanzieller Schäden, wie zum Beispiel aufgrund von Schadensersatzzahlungen, Bußgeldern oder wegen des Ausschlusses von Handelsmöglichkeiten.55 Andererseits können unternehmensbezogene Straftaten dazu führen, dass das Unternehmensimage nachhaltig geschädigt wird. Eine umsatzmindernde, mittelbar finanzielle Folge ist sehr wahrscheinlich. Der US-amerikanischer Großinvestor Warren Buffett zitierte hierzu, „it takes 20 years to build a reputation and five minutes to ruin it. If you think about that, you’ll do things differently“.56 Reputationsverluste können die eigentliche staatliche Sanktion übersteigen und eventuell sogar die Existenz eines (mittelständischen) Unternehmens nicht nur gefährden, sondern sogar vernichten.57 Beispielhaft sei die Siemens AG genannt. Das Unternehmen stand im Mittelpunkt der größten Korruptionsskandale der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Die Durchsuchungen der Räumlichkeiten begannen im November 2006. Verurteilt wurde das Unternehmen im Oktober 2007. Diese hatte nicht nur zur Folge, dass sich die Gesamtkosten des Korruptionsskandals wegen verhängten Strafen, Beraterkosten und Steuernachzahlungen auf 2,9 Milliarden Euro summierten,58 vielmehr wurde auch der gute Ruf des Unternehmens ruiniert. Nach und nach, versucht die Siemens AG ihren guten Ruf wiederherstellen.59 Damit sich solche Skandale nicht wiederholen, führte sie zu Beginn des Geschäftsjahres 2008 ein neues Vorstandsressort für Recht

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Zur ausführlichen Beschreibung der Schutzfunktion siehe Lösler, NZG 2005, 104 ff.; Bürkle, BB 2005, 565 (566); Hauschka, NJW 2004, 257 (259 ff.); Geiser, Leitungspflichten, S. 3 f; Poppe, a.a.O., S. 11; Gebauer, in: Compliance, Hdb. Investor Relations, S. 507. 54 Lösler, a.a.O.; Bürkle, BB 2005, 565 (566). 55 Lösler, NZG 2005, S. 104 (105); Hauschka, NJW 2004, S. 257 (259 ff.); Bürkle, BB 2005, 565 (566). 56 Abrufbar unter: http://www.1-famous-quotes.com/quote/3869. 57 Bürkle, a.a.O, S. 566 f. 58 Abrufbar unter: http://www.manager-magazin.de/unternehmen/karriere/0,2828,596077, 00.html. 59 Vgl.: http://www.ftd.de/unternehmen/industrie/:agenda-loeschers-zweiter-aufschlag/6008 3589.html.

A. Historie, Compliance-Begriff, Compliance-Funktionen

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und Compliance ein und bestellte einen neuen CCO.60 Im Geschäftsjahr 2009 waren rund 600 Mitarbeiter in der unternehmensweiten Compliance-Organisation tätig, während im Geschäftsjahr 2006 die Anzahl der Mitarbeiter ca. 80 betrug. 2. Beratungs- und Informationsfunktion Die übrigen Funktionen von Compliance unterstützen im Wesentlichen die Schutzfunktion.61 Die Beratungsfunktion dient zur Sensibilisierung der Mitarbeiter für Regelübertretungen. Erreicht wird dies durch Ausbildungs- und Schulungsmaßnahmen,62 aber auch dadurch, dass den Mitarbeitern in Zweifelsfällen die Möglichkeit eingeräumt wird, professionellen Rechtsrat einholen zu können.63 Die Beratungsfunktion von Compliance ist deshalb sehr wichtig, weil die Regeln nur dann beachtet werden können, wenn sie den Adressaten bekannt sind.64 Die oben genannte Schutzfunktion setzt daher im Grunde die Beratungsfunktion voraus. Betont werden muss auch die Informationsfunktion von Compliance. Um rechtskonformes Verhalten sicherzustellen bzw. um Regelübertretungen zu vermeiden, müssen funktionierende Informations- und Kommunikationsstrukturen im Unternehmen geschaffen werden. Die entscheidende Stelle kann nur dann Entscheidungen im Einklang mit den rechtlichen Vorgaben zum richtigen Zeitpunkt treffen, wenn der Informationsfluss im Unternehmen exakt organisiert wird.65 Insofern ist Compliance auch als ein Informationsmanagement zu verstehen.66 Die Organisation muss gewährleisten, dass alle relevanten Informationen die Unternehmensführung erreichen („von unten nach oben“). Hierfür müssen die Unternehmensbeteiligten verpflichtet werden, compliance-relevante Informationen an die Organe der Unternehmensführung oder die Personen, die über das Wissen tatsächlich verfügen bzw. über den Sachverhalt in Kenntnis gesetzt werden müssen, weiterzuleiten.67 Die Weiterleitungspflicht bezieht sich aber nicht nur auf die Information der Unternehmensführung, sondern auch die Durchgängigkeit des notwendigen Informationsflusses von der Unternehmensleitung an die nachgeordneten Stellen muss 60 Vgl. Geschäftsbericht 2007 der Siemens AG, abrufbar unter: http://www.siemens.com/an nual/07/de/index/nachhaltigkeitsbericht.htm. 61 Ehrler, Compliance in Universalbanken, S. 120 ff. 62 Ehrler, a.a.O., S. 120 f. 63 Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 266 f.; Lösler, NZG 2005, S. 104 (105). 64 Ehrler, a.a.O.; Lösler, a.a.O.; Gebauer, in: Compliance, Hdb. Investor Relations, S. 507; Rodewald/Unger, BB 2007, 1629 (1630); Eisele, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHdb., § 109 Rn. 173; Lebherz, Emittenten-Compliance, 274 f. 65 Reichwald, Informationsmanagement, S. 224; Lebherz, a.a.O., S. 274. 66 Hauschka, DB 2006, 1143 (1145); ders., AG 2004, 461 (463 f.); Lampert, in: Hauschka, Compliance, § 9 Rn. 16; Kiethe, GmbHR 2007, 393 (399); Rodewald/Unger, BB 2007, 1629 (1632); Geiser, Leitungspflichten, S. 151 ff.; Lebherz, a.a.O., S. 274 ff. 67 Ehrler, Compliance in Universalbanken, S. 135; Hauschka, DB 2006, 1143 (1146); Lebherz, a.a.O., S. 274 f.

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Teil 2: Compliance

gewährleistet sein („von oben nach unten“).68 Wie bereits im Zusammenhang mit der Beratungsfunktion erwähnt, ist die Information, Schulung und Beratung der Mitarbeiter aufgrund der möglicherweise fehlenden Sensibilität für Regelübertretungen eine der wichtigsten Aufgaben der Compliance. 3. Überwachungsfunktion Die Überwachungsmaßnahmen dienen ebenfalls der Vorbeugung von Regelübertretungen, dienen also ebenso der Schutzfunktion. Ohne eine frühzeitige und anhaltende Kontrolle über die Einhaltung der einschlägigen Gesetze sowie interne und externe Regelwerke können weder die Rechtsgüter des Unternehmens geschützt werden, noch ist es möglich compliance-relevante Informationen zu sammeln, auszuwerten und weiterzuleiten.69 Anders als die Tätigkeit der Internen Revision muss der CO hierbei vorbeugend tätig werden.70 Sie darf also nicht erst einsetzen, wenn Missstände bereits entdeckt worden sind, muss aber dann repressiv tätig werden.71 Die Überwachungsmaßnahmen stützen deshalb die Schutzfunktion von Compliance, weil dadurch ein generalpräventiver Effekt erzeugt werden kann. Unternehmensangehörige, die im Unternehmen eine Straftat planen bzw. eine Regelübertretung beabsichtigen, können durch solche Überwachungsmaßnahmen abgeschreckt werden.72 Zwar ist dadurch nicht ein absoluter Schutz gewährleistet, jedoch wird zumindest das Risiko minimiert.73 Andererseits führt die Dokumentation der Einhaltung der Gesetze und weiterer Regelwerke dazu, dass sich das Unternehmen im Falle von unberechtigten Vorwürfen und Anschuldigungen von außen zur Wehr setzen kann.74 4. Marketingfunktion Ebenso ist die Marketingfunktion mit dem Schutzzweck eng verbunden, da nicht nur Rechtsverstöße, sondern auch Reputationsverluste verhindert werden sollen.75 Die marktgerechte und marktgerichtete Unternehmensführung ist darauf gerichtet, die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden, der Mitarbeiter und anderer Marktteilnehmer zu befriedigen. Eine gute Compliance-Organisation trägt dazu bei, dass der Ruf des Unternehmens sowohl auf dem Kapitalmarkt als auch allgemein bei 68 Lebherz, a.a.O.; Lampert, in: Hauschka, Compliance, § 9 Rn. 16; Hauschka, AG 2004, 461 (463 f.). 69 Lebherz, a.a.O., S. 267. 70 Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, S. 69. 71 Ebda. 72 Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 267. 73 Lebherz, a.a.O.; Rodewald/Unger, BB 2007, 1629 (1633). 74 Lebherz, a.a.O., S. 266 f. 75 Buff, Compliance, S. 39 f.; Lebherz, a.a.O., S. 267.

A. Historie, Compliance-Begriff, Compliance-Funktionen

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Kunden gestärkt wird, aber auch eventuell bestehende Vorbehalte abgebaut werden.76 Damit verbunden sind das Vertrauen der Kunden und Anleger sowie der Erfolg des Unternehmens.77 Letzterer schon deshalb, weil das Unternehmen aufgrund von Reputationsverlust weniger wettbewerbsfähig wird. Das Unternehmen hat langfristig nur dann am Markt Bestand, wenn dessen Organe und Mitarbeiter sich rechtskonform verhalten und über eine entsprechende Reputation verfügen.78 5. Qualitätssicherungs- und Innovationsfunktion Schließlich wird in der Literatur die Qualitätssicherungs- und Innovationsfunktion von Compliance genannt. Auch die Bedeutsamkeit dieser Funktion kann nicht unterschätzt werden. Dahinter verbirgt sich im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungsunternehmen ein „Know your Customer-Grundsatz“79, der bestimmte anlage- und anlegergerechte Beratungsverfahren verlangt. Eine Bank muss in der Lage sein, dem Kunden eine individuell auf seine ganz persönlichen Verhältnisse zugeschnittene Anlage zu empfehlen.80 Um dies zu ermöglichen, muss ein Finanzinstitut seine Kunden kennen.81 Geiser ist der Ansicht, dass diese Funktion im Bereich des Wertpapierdienstleistungsunternehmens eine große Rolle spielen mag. Bei der Corporate Compliance sei allerdings zu bemerken, dass weder die Optimierung der Produktpalette noch die Qualität der angebotenen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehe.82 Weiter wird in der Literatur gegen diese Funktion vorgebracht, dass sie keine rechtlichen, sondern betriebswirtschaftliche Ziele verfolge. Compliance hingegen bezwecke die Darstellung und Vermeidung von rechtlichen Risiken.83 Die Qualitätssicherungs- und Innovationsfunktion sei nur als eine positive Nebenwirkung zu deklarieren.84 Zwar kann die Geschäftsleitung ab einer bestimmten Unternehmensgröße die Kenndaten der Kunden nicht mehr überblicken, gleichwohl muss sie sich um eine Kundenorientierung bemühen. Hinzu kommt, dass die Auswahl von qualifizierten Mitarbeitern und das Beseitigen von Mängeln bei den produzierten Erzeugnissen einen Beitrag zur Qualitätssicherungskontrolle leisten. 76 Ehrler, Compliance in Universalbanken, S. 123; Lösler, NZG 2005, S. 104 (105); Lebherz, a.a.O. 77 Geiser, Leitungspflichten, S. 256; siehe auch Bergmoser/Theusinger/Gushurst, BBSpecial 5.2008 zu Heft 25, S. 1, die bei börsennotierten Unternehmen sogar eine Kurssteigerung annehmen. 78 Moosmayer, Compliance, S. 20 f.; Gößwein/Hohmann, BB 2011, 963 (964). 79 Beachte auch §§ 31, 32 WpHG; vgl. Lösler NZG 2005, S. 104 (105); Poppe, in: Görling/ Inderst/Bannenberg, Compliance, S. 11. 80 Lösler a.a.O. 81 Lösler, a.a.O.; Poppe, in: Görling/Inderst/Bannenberg, Compliance, S. 11. 82 Geiser, Leitungspflichten, S. 256. 83 Berndt/Hoppler, BB 2005, 2623 (2626); Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 268. 84 Geiser, Leitungspflichten, S. 256.

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Teil 2: Compliance

Überdies kann die Qualitätssicherungs- und Innovationsfunktion von Compliance deshalb nicht als eine bloße Nebenwirkung angesehen werden, weil betriebswirtschaftliche Ziele zwar tatsächlich keine rechtlichen Ziele sind, jedoch einen Unterfall von ethischen Grundsätzen des Unternehmens bilden, da sie unternehmensdefinierte Vorgaben darstellen, deren Einhaltung ebenso wichtig ist. Folglich kann auch die Qualitätssicherungs- und Innovationsfunktion nicht „vernachlässigt“ werden.

B. Compliance in den gesetzlichen Vorschriften Ausgangspunkt einer jeden juristischen Untersuchung ist stets die Betrachtung der zum jeweiligen Thema existierenden gesetzlichen Vorschriften. Da anders als beispielsweise in Australien85 in Deutschland keine Regelwerke existieren, die die Anforderungen an Compliance-Systeme allgemein bestimmen, besteht Uneinigkeit darüber, ob ein Unternehmen verpflichtet ist, eine Compliance-Organisation einzuführen. Trifft es eine solche Pflicht, könnte schon das Unterlassen der Implementierung einer Compliance-Organisation per se einen Rechtsverstoß darstellen. Um diese Thematik erörtern zu können, sollen nachfolgend die rechtlichen Grundlagen in gebotener Kürze benannt werden, die sich mit Compliance beschäftigen. Solche Vorschriften können auch Auswirkungen auf die Aufgaben, Befugnisse und die Stellung des freiwillig installierten CO haben, wovon u. a. die Garantenstellungsproblematik des CO abhängt.

I. Spezialgesetzliche Regelungen Wirft man einen Blick auf spezialgesetzliche Vorschriften, stößt man auf eine Unzahl gesetzlicher Regelungen von Organisationspflichten für Unternehmen. Beispielhaft seien genannt § 25a ff. KWG, § 64a VAG, § 33 Abs. 1 WpHG i.V.m. § 12 WpDVerOV, § 52a Abs. 3 BImSchG, § 12 Abs. 1 AGG und § 53 KrW/AbfG usw. Die von den einschlägigen Regelungen vorgesehenen Anforderungen richten sich nach der besonderen Risikosituation des entsprechenden Sektors. Nachfolgend sollen die wichtigsten Regelungen kurz dargestellt werden. Im Aufsichtsrecht verlangt § 64a VAG von den Versicherungsunternehmen eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation, welche die Einhaltung der zu beachtenden Gesetze und Verordnungen, sowie der aufsichtsbehördlichen Anforderungen ge-

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Dort gelten die Australien Standard on Compliance Programs (AS 3806 – 1998). In Teil I sind Ausführungen zu Anwendung und Zweckbestimmung enthalten, in Teil II die Elemente effizienter Compliance und in Teil III die Maßnahmen zu deren Umsetzung, vgl. Hauschka, in: Hauschka, Compliance, § 1 Rn. 46 ff. und Bergmoser/Theusinger/Gushurst, BB-Special, 5.2008 zu Heft 25, S. 1 (3).

B. Compliance in den gesetzlichen Vorschriften

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währleistet.86 Das Versicherungsaufsichtsrecht wird nach Umsetzung der EU-Rahmenrichtlinie zu Solvency II87 eine Compliance-Funktion mit umfangreichem Aufgabengebiet vorsehen. Die Details von Solvency II werden nach Art. 49 der Richtlinie in Durchführungsmaßnahmen festgelegt, die die EU-Kommission zu implementieren hat. Nach § 25a Abs. 1 KWG müssen auch Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation verfügen, welche die Einhaltung der von den Instituten zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen und der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten gewährleistet. Schwerpunkt der Vorschrift ist die Bekämpfung der Geldwäsche und des Finanzbetrugs.88 Auch im Arbeitsrecht sind bestimmte Organisationspflichten vorgesehen. Nach § 12 Abs. 1 AGG ist der Arbeitgeber verpflichtet, erforderliche Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligungen zu ergreifen.89 Die detaillierteste Regelung in Bezug auf Compliance stellen zurzeit die Vorgaben des WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen dar. Nach § 33 Abs. 1 WpHG müssen sowohl die Anforderungen des § 25a Abs. 1 und 4 KWG als auch die in Nr. 1 – 6 des § 33 Abs. 1 S. 2 WpHG numerierten Organisationspflichten eingehalten werden. Diese Vorschriften stellen explizit eine Pflicht zur Einrichtung und Unterhaltung einer dauerhaften und wirksamen Compliance-Funktion dar, die ihre Aufgaben unabhängig wahrnehmen können soll.90 Es werden im Wesentlichen drei Gebote, nämlich das der „Wirksamkeit“, das der „Dauerhaftigkeit“ und letztlich ein „Unabhängigkeitserfordernis“ aufgestellt. Nach § 12 Abs. 4 S. 1 WpDVerOV91 muss das Wertpapierdienstleistungsunternehmen einen Compliance-Beauftragten benennen, der für die Compliance-Funktion sowie die Berichte an die Geschäftsleitung und das Aufsichtsorgan nach § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 WpHG verantwortlich ist. Zudem sollen nach § 12 Abs. 4 S. 2 WpDVerOV „die mit der Compliance-Funktion betrauten Personen (…) über die für eine ordnungsgemäße und unabhängige Erfüllung ihrer Aufgaben nach Maßgabe des Absatzes 3 erforderlichen Fachkenntnisse, Mittel und Kompetenzen sowie über Zugang zu allen für ihre Tätigkeit relevanten Informationen verfügen“. Aus S. 3 HS. 1 dieser Vorschrift lässt sich ein weitgehendes Verbot der Teilnahme am operativen Geschäft herleiten.92

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Vgl. hierzu Dreher/Schaaf, WM 2008, 1765 ff. Richtlinie abrufbar unter: http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/09/st03/st03643re06.de09.pdf. 88 Begr. RegE zum 4. FMFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 124. 89 Geiser; Leitungspflichten, S. 16; Mengel/Hagemeister, BB 2006, 2466 (2467). 90 Spindler, WM 2008, 905 (909); Fecker/Kinzl, CCZ 2010, 13 (15); Illing/Umnuß, CCZ 2009, 1 (2). 91 Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung, BGBl 2009, Teil I, S. 2512. 92 Siehe Lösler, WM 2008, 1098 (1103); Schlicht, BKR 2006, 469 (470); Casper, in: Bankrechtstag 2008, S. 139 (147); damit lehnt sich § 12 Abs. 4 S. 3 HS. 1 WpDVerOV an eine entsprechende Vorgabe in Principle 5 des Baseler Bankenausschusses an. 87

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Teil 2: Compliance

II. Der deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) Seit dem 14. Juli 2007 enthält der DCGK den Begriff Compliance in den Ziffern 3.4.2, 4.1.3 und 5.3.2, wobei für die vorliegende Untersuchung lediglich Ziffer 4.1.3. DCGK von Relevanz ist. Danach hat der Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinternen Richtlinien zu sorgen und auf deren Beachtung durch die Konzernunternehmen hinzuwirken (Compliance). Der Begriff der „gesetzlichen Bestimmungen“ ist so zu verstehen, dass er alle verbindlichen rechtlichen Vorgaben des Gesetz- oder Verordnungsgebers umfasst.93 „Unternehmensinterne Richtlinien“ meinen dagegen etwa Regelungen in der Satzung, den Anstellungsverträgen und der Geschäftsordnung, aber auch Stellenbeschreibungen und Arbeitsanweisungen, sowie die in einem Verhaltenskodex niedergelegten Leitlinien.94 Ein ComplianceSystem dient danach dazu, diese beiden Verhaltensanforderungen durch organisatorische Vorkehrungen zu erfüllen.95 Der Kodex enthält allerdings keine Ausführungen dazu, wie der Vorstand dieses Ziel erreichen soll.96 Es sind weder Empfehlungen noch Anregungen vorhanden.

III. Bußgeldrechtlicher Tatbestand (§ 130 OWiG) § 130 OWiG ist de lege lata der Prototyp der Haftung des Geschäftsherrn für Organisationspflichtverletzungen.97 Nahezu bei allen Stellungnahmen zur Garantenstellung des CO wird daher auf diesen bußgeldrechtlichen Tatbestand Bezug genommen.98 Begründet die Existenz dieser Vorschrift eine Rechtspflicht zur Errichtung einer Compliance-Organisation? Welche Schlussfolgerung lässt sich aus dieser Vorschrift für den Bereich der strafrechtlichen unechten Unterlassungsdelikte ziehen? Zur Beantwortung dieser Fragen ist eine eingehendere Darstellung vonnöten. Im Kern geht es darum, dass § 130 Abs. 1 OWiG dann eingreift, wenn der Inhaber eines Betriebs oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig erforderliche Aufsichtsmaßnahmen unterlässt und es hierdurch zu einer betriebsbezogenen Zuwiderhandlung gekommen ist.

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Bürkle, BB 2007, 1797 (1798). Bürkle, a.a.O.; Vetter, DB 2007, 1963; Kort, NZG 2008, 81 (83). 95 Bürkle, a.a.O. 96 So auch Bergmoser/Theusinger/Gushurst, BB-Special 5.2008 zu Heft 25, S. 1 (5); Kort, in: FS Hopt, 2010, S. 983 (984). 97 Bock, Compliance, S. 280. 98 Die Haftungsrisiken für geschäftsführende Organe von Kapitalgesellschaften sind vielfältiger Natur; für einen Überblick über die zivil-, straf- und bußgeldrechtlichen Haftungsgefahren vgl. Kiethe, GmbHR 2007, 393 (395 ff.). 94

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1. Normzweck Die Vorschrift will sicherstellen, dass in Betrieben und Unternehmen Vorkehrungen gegen die Begehung solcher in § 130 Abs. 1 OWiG genannten betriebsbezogenen Zuwiderhandlungen getroffen werden. Sie beruht auf dem Gedanken, dass der Betriebsinhaber verpflichtet ist, Normverstößen entgegenzuwirken, die seinem Organisationskreis entstammen.99 Zunächst setzt § 130 OWiG voraus, dass der Betriebsinhaber überhaupt andere mit der Erfüllung betriebsbezogener Pflichten betraut; notwendig ist also ein Akt der Delegation.100 Das führt in manchen Fällen zu der rechtlich absonderlichen Situation, dass der Inhaber des Betriebs als der primär verpflichtete Normadressat vielfach gar nicht handelt, während der Handelnde, also der Delegationsempfänger, nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie verpflichtet ist und deshalb der Verantwortung ferner steht.101 M.a.W. kommt es also zu Gesetzesverstößen meist durch Mitarbeiter, die für den eigentlich Verantwortlichen, also den Inhaber, aufgrund einer Pflichtenübertragung tätig werden, die aber nicht geahndet werden können, da die für das Wirtschaftsleben relevanten Normen an die primären Pflichtenträger gerichtet sind.102 Die Schließung der so entstandenen Zurechnungslücke erfolgt über den Tatbestand der Aufsichtspflichtverletzung. Dem Inhaber werden daher Kontroll- und Aufsichtspflichten auferlegt, um Sanktionslücken zu vermeiden.103 § 130 OWiG ist folgerichtig ein Auffangtatbestand.104 Letztlich dient diese Vorschrift nicht zur Herstellung der Ordnung im Betrieb, sondern steht der Verstärkung des Rechtsgüterschutzes gegen betriebsbezogene Zuwiderhandlungen bei.105 2. Täterkreis Der Täterkreis in § 130 Abs. 1 OWiG ist auf den Betriebs- oder Unternehmensinhaber beschränkt. Inhaber ist derjenige, der die Betriebs- oder Unternehmenspflichten innehat.106 Bei einer juristischen Person ist dies das Unternehmen, also die AG, die GmbH oder die Genossenschaft. Da die juristische Person als solche aber nicht selbst, sondern durch ihre Organe handelt, dehnt § 9 OWiG in sachlicher Übereinstimmung mit § 14 StGB den Täterkreis auf die dort genannten natürlichen Personen aus.107 § 9 Abs. 1 OWiG bezeichnet die Fälle der gesetzlichen Vertretung, 99

Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 1. Vgl. OLG Hamm, NStZ 1992, 499; OLG Düsseldorf, wistra 1989, 358 (359); Rogall, a.a.O., § 130 Rn. 5; Gürtler, in: Göhler, OWiG, § 130 Rn. 3. 101 BT-Drucks. V/1269, S. 68 f. 102 Siehe hierzu Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 388. 103 Lebherz, a.a.O. 104 KG LRE 12, 214; OLG Düsseldorf, VRS 67, 370 (371); Bock, Compliance, S. 364 ff. 105 Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 388; Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 13 f.; ders., ZStW 98, 573 (587 f., 597 ff.); Gürtler, in: Göhler, OWiG, § 130 Rn. 3a. 106 Rogall, a.a.O., § 130 Rn. 23; Lemke/Mosbacher, OWiG, § 130 Rn. 5; Lebherz, a.a.O. 107 Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 23; Bohnert, OWiG, § 130 Rn. 8. 100

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Abs. 2 die der gewillkürten Vertretung. Als gesetzlich „vertretungsberechtigtes“ Organ nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG kommt nur der Vorstand einer AG oder Genossenschaft (§ 78 Abs. 1 AktG; § 24 Abs. 1 S. 1 GenG) oder der Geschäftsführer einer GmbH (§ 35 Abs. 1 GmbHG) in Betracht. § 9 Abs. 2 Nr. 1 OWiG erfasst den Betriebsleiter und den ihm gleichgestellten Teilleiter eines Betriebes oder Unternehmens.108 § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG dehnt den Täterkreis auf solche Personen aus, die vom Betriebsinhaber oder von einem sonst dazu Befugten ausdrücklich beauftragt sind, „in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebes obliegen“. Die Regelung des § 130 OWiG wird von § 30 OWiG flankiert, wonach eine Geldbuße gegen das Unternehmen selbst verhängt werden kann, wenn einer der in § 30 Abs. 1 Nr. 1 – 5 OWiG Genannten eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen und dabei betriebsbezogene Pflichten verletzt hat oder das Unternehmen bereichert worden ist bzw. werden sollte.109 3. Pflichteninhalt Nach der amtlichen Begründung beabsichtigte der Gesetzgeber mit § 130 OWiG eine Art Garantenstellung für Betriebsinhaber zu schaffen.110 Es handelt sich dabei um einen Tatbestand, der die mangelnde Überwachung sanktioniert und somit als Auffangtatbestand dient, falls eine eigene Täterschaft oder Beteiligung nicht nachgewiesen werden kann.111 Wie bereits erwähnt, war der Gedanke dieser Vorschrift die Auflösung des Widerspruchs, der dadurch entsteht, dass die rechtliche Verantwortung und die tatsächliche Handlung auseinanderfallen. Dies hat freilich Auswirkungen auf den Pflichteninhalt des Normadressaten. Werden Pflichten delegiert, so reduziert sich die Pflicht des Betriebsinhabers zunächst einmal auf die Vornahme der erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen (Abs. 1 S. 1),112 wobei sich die Aufsichtspflicht nur auf betriebsbezogene Pflichten bezieht.113 Das Gesetz schreibt dem Betriebsinhaber nur eine „gehörige Aufsicht“ vor, § 130 Abs. 1 S. 1 a.E. OWiG. Primär bedeutet dies, dass eine Aufsichtspflichtverletzung gegeben ist, wenn die Mitarbeiter überhaupt nicht beaufsichtigt bzw. kontrolliert werden.114 Welche konkreten Aufsichtsmaßnahmen jedoch erforderlich sind, um den Anforderungen aus § 130 Abs. 1 OWiG gerecht zu werden, lässt das Gesetz offen. Ebenso wenig wird

108

Vgl. hierzu ausführlich Schünemann, in: LK-StGB, Band 1, 12. Auflage, § 14 Rn. 58 ff. Pelz, in: Hauschka, Compliance, § 6 Rn. 2. 110 BT-Drucks. V/1269, S. 68 f. 111 Vogel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, WpHG, § 39 Rn. 62; Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 108; Dreher, ZWeR 2004, 75 (90); BayObLG wistra 1999, 71 (73); AG Solingen NJW 1996, 1607 (1608). 112 Rogall, a.a.O., § 130 Rn. 37. 113 Vgl. zur Betriebsbezogenheit der Pflicht Rogall, a.a.O., § 130 Rn. 78; Bohnert, OWiG, § 130 Rn. 25. 114 BGHSt 25, 158 (163); Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 390. 109

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die Frage erläutert, was dem Normadressaten überhaupt zur Abwendung von Zuwiderhandlungsgefahren abverlangt wird.115 § 130 Abs. 1 S. 2 OWiG macht aber deutlich, dass zu den erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen „auch“ die Bestellung, sorgfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen gehört. Daraus ergeben sich zweierlei Schlussfolgerungen. Einerseits sind alle Mitarbeiter zu überwachen. Wenn nämlich sogar eine Kontrollpflicht gegenüber Aufsichtspersonen besteht, so versteht es sich von selbst, dass auch eine Aufsichtspflicht gegenüber dem im Betrieb oder Unternehmen aktiv Beteiligten anzunehmen ist.116 Andererseits zeigt das Wort „auch“, dass neben der „Bestellung, sorgfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen“ weitere Maßnahmen geboten sein können. Zu einer gehörigen Aufsicht gehören prinzipiell Leitungs-, Koordinations-, Organisations- und Kontrollpflichten.117 Dazu zählen insbesondere die sorgfältige Auswahl von Mitarbeitern und ggf. von Aufsichtspersonen, sachgerechte Aufgabenverteilung mit genauen Zuständigkeitsbereichen, angemessene Aufklärung, Belehrung und Einweisung der Mitarbeiter über ihre Aufgaben, ausreichende Überwachung und Kontrolle der Mitarbeiter und Aufsichtspersonen und Sanktionierung bei eventuellen Verstößen.118 All dies sagt aber noch nichts über das Ausmaß der Aufsichtspflicht aus. Vielmehr kommt es entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auf die Art, Größe und Organisation des Betriebs, die unterschiedlichen Überwachungsmöglichkeiten, aber auch die Vielfalt und Bedeutung der zu beachtenden Vorschriften und die Anfälligkeit des Betriebs für Verstöße gegen die Bestimmungen, wobei vor allem solche Fehler von Relevanz sind, die bereits in der Vergangenheit gemacht worden sind.119 Maßgebliches Kriterium ist die Geeignetheit, betriebsbezogene Verstöße zu verhindern. Der Aufsichtspflichtige darf sich unter mehreren geeigneten Maßnahmen für das mildeste Mittel entscheiden.120 Erforderlich sind jedoch nur solche Aufsichtsmaßnahmen, die dem Aufsichtspflichtigen auch zumutbar sind.121 Eine Organisationspflichtverletzung auf Grundlage einfacher Fahrlässigkeit kann mit der Behauptung angenommen werden, dass ein ordnungsgemäß organisiertes Unternehmen Vorkehrung getroffen hätte, die die Pflichtverletzung verhindert, re115

Rogall, a.a.O., § 130 Rn. 37. Ebda. 117 Aus der Rspr. vgl. etwa BGHSt 9, 319 (323) = NJW 1956, 1568; BGH wistra 1985, 228; Rogall, a.a.O., § 130 Rn. 40; RRH-OWiG, § 130 Rn. 18 ff.; Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 390. 118 Rogall, a.a.O.; Gürtler, in: Göhler, OWiG, § 130 Rn. 11; Lebherz, a.a.O. 119 OLG Düsseldorf, wistra 1999, 115 (116); wistra 1991, 39; OLG Zweibrücken, NStZ-RR 1998, 311 f.; OLG Köln, wistra 1994, 315; Lebherz, a.a.O.; Rogall, a.a.O., § 130 Rn. 41; Gürtler, a.a.O., § 130 Rn. 10. 120 Rogall, a.a.O., § 130 Rn. 38, 43, 48; Bohnert, OWiG, § 130 Rn. 20; Lebherz, a.a.O. 121 Rogall, a.a.O., § 130 Rn. 38; Lebherz, a.a.O., S. 390 f. 116

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Teil 2: Compliance

spektive die Einhaltung der gesetzlichen Standards sichergestellt hätte.122 In Form einer Negativ-Abgrenzung wird also nicht vorgegeben, welche Aufsichtsmaßnahmen bestehen müssen, sondern welche Maßnahmen im Einzelfall nicht ausreichend sind bzw. waren.123

IV. § 91 Abs. 2 AktG Gemäß der amtlichen Überschrift regelt § 91 AktG die Organisation. Danach hat der Vorstand „geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden“. Mit der Einfügung dieser Vorschrift durch das KonTraG124 im Jahre 1998 wollte der Gesetzgeber die zahlreichen Unternehmenskrisen bekämpfen. Diese Vorschrift umreißt nur einen Mindestpflichtenrahmen, der sich schon zuvor aus der allgemeinen Leitungsverantwortung des Vorstands nach § 76 Abs. 1 AktG ergibt, zu der nach der Gesetzesbegründung zum KonTraG auch die Organisation der Gesellschaft gehört.125 Zur Konkretisierung der Organisationsanforderungen wird zwischen dem Früherkennungs- und dem Überwachungssystem differenziert. Hinsichtlich des Früherkennungssystems verpflichtet diese Vorschrift den Vorstand, die Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen durch geeignete Maßnahmen zu gewährleisten. Mit Entwicklungen sind Veränderungen und Prozesse gemeint,126 wobei nur auf derartige Risiken Bezug genommen wird, die auch zu einer Bestandsgefährdung führen, nicht aber andere Entwicklungen oder „normale“ Risiken. Demgemäß muss nicht jede nachteilige Entwicklung frühzeitig erkannt werden.127 Zudem hat der Vorstand nur die hierfür geeigneten Maßnahmen zu treffen. Dies ist nach der Gesetzesbegründung dann der Fall, wenn die Risiken so frühzeitig erkannt werden können, dass noch rechtzeitig Gegenmaßnahmen zur Sicherung des Fortbestands der Gesellschaft eingeleitet werden können.128 122

Süßmann, in: Park/Heinz, Kapitalmarkt-Strafrecht, § 130 Rn. 2. Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 391; Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 41. 124 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich, 27.04. 1998; BGBl. I 1998, 786. 125 Begr. RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15; siehe auch: Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 91 Rn. 1; Berg, AG 2007, 271 (275); Zimmermann, WM 2008, 433 (435); Bürkle, WM 2005, 1496 f.; Fleischer, CCZ 2008, 1 (2); Geiser, Leitungspflichten, S. 17; Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 379. 126 Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 91 Rn. 6; Spindler, in: MünchKomm., AktG, § 91 Rn. 20; ders., in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, 2006, § 19 Rn. 8. 127 Kort, in: Großkomm., AktG, § 91 Rn. 30; Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 381; Spindler, in: MünchKomm., AktG, § 91 Rn. 21; ders., in: Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, 2006, § 19 Rn. 9. 128 Begr. RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15; Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 91 Rn. 7; Spindler, in: MünchKomm, AktG, § 91 Rn. 19; Lebherz, a.a.O., S. 382. 123

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Die Einrichtung eines Überwachungssystems, das § 91 Abs. 2 AktG „insbesondere“ vorschreibt, wird in der Betriebswirtschaftslehre und der Wirtschaftsprüferpraxis so verstanden, als verlange sie die Einrichtung eines alle Unternehmensbereiche und alle Einzelrisiken umfassenden Risikomanagement-Systems („risk management“).129 Die juristische Auffassung beschränkt dagegen die Pflichten des Vorstands auf geeignete Maßnahmen zur Früherkennung bestandsgefährdender, d. h. existenzgefährdender Risiken, schließt also eine umfassende Pflicht zur permanenten Risikoüberwachung aus § 91 Abs. 2 AktG aus.130 Zu diesem Standpunkt werden der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift angeführt. Die Auffassung der Betriebswirtschaftslehre könne nicht überzeugen, denn das System solle die Einhaltung der eingeleiteten Maßnahmen überwachen und nicht die risikoträchtigen Entwicklungen oder Risikozustände.131 Zu berücksichtigen sei nämlich, dass von § 91 Abs. 2 AktG nur das Erkennen bestandsgefährdender Entwicklungen erfasst ist, nicht hingegen wie bei einem allgemeinen Risikomanagement auch Maßnahmen zur Vermeidung von Risiken. Dies beurteile sich allein nach §§ 76, 93 AktG.132 Ob diese Argumente nun nach der Einfügung der § 289 Abs. 5 HGB und § 107 Abs. 3 S. 2 AktG durch das BilMoG133 im Jahre 2009 noch stichhaltig sind, ist fraglich. Nach § 289 Abs. 5 HGB haben „Kapitalgesellschaften im Sinne des § 264d HGB (…) im Lagebericht die wesentlichen Merkmale des internen Kontrollund des Risikomanagementsystems im Hinblick auf den Rechnungslegungsprozess zu beschreiben“. § 107 Abs. 3 S. 2 AktG bringt die Aufgaben eines Prüfungsausschusses als „Überwachung des Rechnungslegungsprozesses, der Wirksamkeit des internen Kontrollsystems, des Risikomanagementsystems und des internen Revisionssystems sowie der Abschlussprüfung“ zum Ausdruck. Da diese Frage nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist, soll darauf nicht näher eingegangen werden.134

V. Legalitätspflicht, § 93 Abs. 1 S. 1 AktG Gemäß § 76 Abs. 1 AktG hat der Vorstand die Geschäfte der Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten. § 93 Abs. 1 S. 1 AktG besagt, dass die „Vor129

Lebherz, a.a.O., S. 383 f.; Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 91 Rn. 8; Kiethe, NZG 2003, 401 (402); Lück, DB 1998, 8 ff.; ders., DB 1998, 1925 ff. 130 Hemeling, ZHR 175 (2011), 368 (371); Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 91 Rn. 6 – 9; Bock, Compliance, S. 572; Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, S. 152; Spindler, in: MünchKomm., AktG, § 91 Rn. 16, 27; Holzhauser, Gesellschafts- u. kapitalmarktrechtliche Grundlagen von Compliance, Vortrag im Rahmen eines Seminars am 22.04. 2008 in der IHK Frankfurt a.M. 131 Kort, in: Großkomm., AktG, § 91 Rn. 51 u. 63; Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 91 Rn. 8. 132 Kort, a.a.O., § 91 Rn. 49 f.; Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 384. 133 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts v. 25.05. 2009, BGBl. I (2009), S. 1102. 134 Vgl. eingehend Dreher, in: FS Hüffer, 2010, S. 161 (164 ff.).

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Teil 2: Compliance

standsmitglieder (…) bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden“ haben.135 Diese Vorschrift erfüllt nach h.M. eine Doppelfunktion.136 Sie formuliert einen allgemeinen Haftungstatbestand und gibt den Verschuldungsmaßstab für die organschaftliche Haftung vor. Dem Vorstand wird bei der Leitung des Unternehmens zweifelsohne ein weiter unternehmerischer Ermessensspielraum eingeräumt. Dies entspricht der allgemeinen Meinung in der Literatur137 und wurde mit der berühmten ARAG/Garmenbeck Entscheidung des BGH138 höchstrichterlich bestätigt. Grundgedanke der Gewährung eines weiten Ermessens ist, dass enge Grenzen im Hinblick auf wirtschaftliche Entscheidungen sich nachteilig auf den Erfolg unternehmerischer Tätigkeit auswirken. Diese besteht immer auch aus dem Eingehen von Risiken und daraus resultierenden ungewissen Entwicklungen.139 Der Gesetzgeber hat die o.g. Entscheidung daher aufgegriffen und durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrecht vom 22. September 2005 (UMAG)140 in § 93 Abs. 1 AktG einen neuen Satz 2 mit dem Inhalt eingefügt, dass eine Pflichtverletzung nicht vorliegt, „wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“.141 Der Sorgfaltsmaßstab in § 93 Abs. 1 S. 1 AktG wird jedoch durch die Legalitätspflicht begrenzt. Aus dieser Pflicht folgt für jedes Vorstandsmitglied, dass es geltendes Recht, und zwar Gesetzesrecht, aber auch Richterrecht, bei seinem Handeln stets beachten muss.142 Die Legalitätspflicht ist auch dann zu beachten, wenn der Gesellschaft aus der Rechtsverletzung voraussichtlich kein Schaden droht, sondern

135

Entsprechendes gilt auch für die übrigen Kapitalgesellschaften. Hopt, in: Großkomm., AktG, § 93 Rn. 19; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 3; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 62. 137 Vgl. statt aller: Mertens/Cahn, in: KölnKomm., AktG, § 76 Rn. 9 ff.; Uwe H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, Band 2, § 43 Rn. 44 ff. 138 BGHZ 135, 244 ff. „ARAG“ = JZ 1997, S. 1071 ff. = EWiR, § 112 AktG 1/97, 678 (Priester); Kindler, ZHR 162 (1998) 101 ff.; Horn, ZIP 1997, 1129 ff. 139 Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, S. 140 f.; Sünner, ZHR 163 (1999), 364 (366). 140 BGBl. I 2005, 2802. 141 Hierbei hat sich der Gesetzgeber von der Idee der „Business Judgement Rule“ des amerikanischen Rechts leiten lassen; siehe statt aller: Uwe H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, Band 2, § 43 Rn. 53; Diese Vorschrift gilt auch für den GmbH-Geschäftsführer und den Vorstand einer Genossenschaft. 142 BGH NJW 1997, 130 = DB 1996, 2483; BGHZ 125, 366 (372); Spindler, in: MünchKomm, AktG, § 93 Rn. 63; Kort, in: FS Hopt, 2010, S. 983 (993); Fleischer, BB 2008, 1070; ders., CCZ 2008, 1; Liese, BB-Special 5.2008 zu Heft 25, S. 17 (18); Schoberth/Servatius/Thees, BB 2006, 2571 (2575); Krieger/Günther, NZA 2010, 367; siehe hinsichtlich der Herleitung und Schranken der Legalitätspflicht Habersack, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 429 ff. 136

C. Pflicht zur Compliance?

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im Gegenteil ein finanzieller Vorteil zu erwarten ist.143 Mit anderen Worten ist also auch eine „rentable“ Pflichtverletzung verboten. Die Legalitätspflicht besteht aus zwei Teilstücken. Der Vorstand ist sowohl intern, als auch extern gegenüber Dritten an die Pflichten gebunden.144 Er hat also im Innenverhältnis die im Gesetz ausformulierten speziellen Gebote und Verbote und die für die innere Organisation des Unternehmens maßgeblichen Vorschriften einzuhalten.145 Er hat aber auch als Vertreter der Gesellschaft und deren Leitungsorgan für das rechtmäßige Verhalten der Gesellschaft im Außenverhältnis einzustehen.146 Solche, die Gesellschaft als Rechtssubjekt betreffenden Vorschriften können sich aus unterschiedlichen Rechtsgebieten ergeben. Zu nennen sind etwa die Vorschriften des allgemeinen Zivil-, Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, Bilanz-, Kartell-, Arbeits- und Wettbewerbsrechts sowie Steuer-, Sozial- und Verwaltungsrechts.147

C. Pflicht zur Compliance? Nunmehr soll der Frage nachgegangen werden, ob generell eine Pflicht zur Implementierung einer Compliance-Organisation besteht. Diese Frage ist in der Literatur höchst umstritten. Einige bejahen eine solche Pflicht, von anderen wird sie tendenziell abgetan, wieder andere lassen diese Frage unbeantwortet.148 Letztere Ansicht kann nicht überzeugen, da die Bestimmung einer konkreten Rechtsgrundlage bzw. die Feststellung, dass eine solche Pflicht besteht, Auskunft über etwaige Rechtsfolgen bei Compliance-Verstößen geben kann.149 Zu verdeutlichen ist im Folgenden daher, ob den Vorstand eine rechtliche Verpflichtung zur Errichtung einer Compliance-Organisation trifft.

143 Verse, ZHR 175 (2011); 401 (405); Fleischer, ZIP 2005, 141 (149); Mertens/Cahn, in: KölnKomm., AktG, § 93 Rn. 34; Hopt, in: GroßKomm., AktG, § 93 Rn. 99; Hölters, AktG, § 93 Rn. 75; Kort, a.a.O., S. 983 (992 f.). 144 Bürkle, BB 2005, 565 (567); Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 62; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 14. 145 Raiser/Veil, a.a.O., § 14 Rn. 62 ff.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm., AktG, § 93 Rn. 34; Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 396. 146 BGHZ 133, 370 (375); Raiser/Veil, a.a.O., § 14 Rn. 62 ff.; Lebherz, a.a.O., S. 397; Hölters, AktG, § 93 Rn. 68. 147 Vgl. Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 66; Hölters, AktG, § 93 Rn. 68; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 23. 148 Vgl. umfassende Nachweise bei Bachmann, in: VGR-Schriftenreihe 2008, S. 65 (67 Fn. 5, 6, 7). 149 Ähnlich Bachmann, a.a.O., S. 68.

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Teil 2: Compliance

I. Darstellung und Stellungnahme Teilweise wird eine Compliance-Pflicht mit einer Rechts- oder Gesamtanalogie zu sektorspezifischen Bestimmungen (insbesondere § 33 WpHG, § 25a ff. KWG, § 91 Abs. 2 AktG, § 53 Krw/AbfG und § 52a BImSchG) begründet.150 Der hinter diesen Einzelvorschriften stehende Rechtsgedanke sei verallgemeinerungsfähig. Dem ist entgegenzuhalten, dass aus spezialgesetzlichen Normen keine alle Unternehmen treffende allgemeine Verpflichtung hergeleitet werden kann, da sie ausschließlich die in diesem speziellen Bereich tätigen Unternehmen im Blickfeld haben.151 Die branchenspezifische Vorschrift des § 33 WpHG ist beispielsweise vor dem Hintergrund der qualitativen Bankenaufsicht und den besonderen Risiken des Finanzsektors zu sehen, die nicht mit der Risikosituation in anderen Wirtschaftsbereichen gleichzusetzen sind.152 Die Einzelvorschriften sind zu sehr auf sektorspezifische Bedürfnisse zugeschnitten und aufgrund ihres Ausnahmecharakters nicht analogiefähig. Im Übrigen handelt es sich hierbei um öffentlich-rechtliche Eingriffsnormen, für die zwar nicht das strikte Analogieverbot des Strafrechts gilt, die aber ähnlich restriktiv zu handhaben sind.153 Sie besitzen weder eine Vorbildfunktion noch tragen sie eine bloße Vorreiterrolle.154 Ferner kann auch von einer Planwidrigkeit nicht die Rede sein, da sich der Gesetzgeber in jüngster Zeit vermehrt mit dem Themenbereich Compliance beschäftigt hat. Ebenso begründet § 130 OWiG keine Pflicht zur Errichtung einer ComplianceOrganisation.155 Zwar gilt diese Vorschrift branchenunabhängig, jedoch handelt es sich dabei nicht um eine Organisationspflicht, sondern nur um eine Obliegenheit.156 Nach § 130 OWiG wird der Vorstand nicht verpflichtet, organisatorische Vorkehrungen zu treffen; die Vorschrift beinhaltet nur die Sanktionierung fehlender bzw. mangelnder Aufsicht bei einer konkreten Zuwiderhandlung eines Mitarbeiters.157 Dass dadurch ein mittelbarer Druck zur Errichtung einer Compliance-Organisation erzeugt wird, ist unumstritten. Zu einer unmittelbaren Organisationspflicht führt diese Sanktionsnorm deshalb allerdings nicht. 150

Uwe H. Schneider, ZIP 2003, 645 (648 f.). Siehe Hauschka, in: Hauschka, Compliance, § 1 Rn. 23; ders., ZIP 2004, 877 (878); Gößwein/Hohmann, BB 2011, 963 f.; Bürkle, BB 2005, 565 (567); Reichert, ZIS 2011, 113 (115); Bachmann, in: VGR-Schriftenreihe, 2008, S. 65 (74 f.); Kort, in: FS Hopt, 2010, S. 983 (995); Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113 (119); Krieger/Günther, NZA 2010, 367 (369). 152 Kort, in: Großkomm., AktG, § 91 Rn. 61; ders., NZG 2008, 81 (84); Bürkle, WM 2005, 1496 (1497); Spindler, WM 2008, 905 (909); Illing/Umnuß, CCZ 2009, 1 (3 f.). 153 Bachmann, in: VGR-Schriftenreihe 2008, S. 65 (70); Sachs, in: Sachs-GG, Art. 20 Rn. 113; so ähnlich auch: Illing/Umnuß, a.a.O., S. 3. 154 Kort, in: FS Hopt, 2010, S. 983 (995). 155 So jedoch Ransiek, AG 2010, 147 (148 f.); Bock, ZIS 2009, 68 ff.; Achenbach, in: HWSt, Kap. I 3 Rn. 38 ff., 51. 156 Siehe Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, S. 132; Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 393. 157 Lösler, a.a.O.; Lebherz, a.a.O.; Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 17. 151

C. Pflicht zur Compliance?

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Eine Pflicht zur Installation eines Compliance-Systems lässt sich auch nicht aus Ziffer 4.1.3 DCGK herleiten.158 Zwar enthält Ziffer 4.1.3 DCGK eine Legaldefinition zur Compliance. Doch zeigt ein Blick auf die Präambel der DCGK, dass der Kodex der Selbstregulierung der deutschen Unternehmensverfassung dient. Daher kommt ihm keine rechtsverbindliche Wirkung zu, sondern er enthält lediglich eine Empfehlung.159 Um einen Begriff aus dem Völkerrecht zu gebrauchen stellt er ein „soft law“ dar.160 Auch durch § 161 Abs. 1 AktG ergibt sich nichts anderes. Diese Vorschrift verpflichtet börsennotierte Unternehmen, eine Erklärung über die Einhaltung oder Abweichung von Empfehlungen des DCGK abzugeben und diese so genannte Entsprechungserklärung den Aktionären dauerhaft zugänglich zu machen.161 Nach Einführung des BilMoG mit Wirkung zum 29. Mai 2009162 sieht die Regelung eine Ergänzung vor, die eine Begründung der jeweiligen Abweichung vom DCGK verlangt.163 Es gilt also nicht mehr der Grundsatz „Comply or explain“, sondern „Comply or explain, why not?“.164 Zwar entsteht durch § 161 AktG eine Verknüpfung des Kodexes mit dem AktG, gleichwohl begründet auch die Neufassung des § 161 AktG keine Pflicht zur Installation eines Compliance-Systems, sondern lediglich eine Pflicht zur Abgabe einer Entsprechungserklärung bzw. zur Begründung der Abweichung vom Kodex. Hinzu kommt, dass der Kodex den Anwendungsbereich in seiner Präambel auf börsennotierte Unternehmen beschränkt.165 Sehr prominent ist die Ansicht, die eine Verpflichtung zur Installation eines Compliance-Systems aus § 91 Abs. 2 AktG herleitet.166 Sie geht davon aus, dass die Compliance zum Teil auch ein Element des geforderten Risikofrüherkennungssystems darstellt.167 Unabhängig davon, ob es sich bei § 91 Abs. 2 AktG nun um ein umfassendes Risikomanagementsystem handelt oder aber um ein Risikofrüherkennungssystem, sind von dieser Vorschrift nur bestandsgefährdende Entwicklungen

158

So insbesondere Bürkle, BB 2007, 1797 (1798, 1800); Campos Nave/Bonenberger, BB 2008, 734 (735), Rodewald/Unger, BB 2007, 1629 (Fn. 3). 159 Hauschka, in: Hauschka, Compliance, § 1 Rn. 23; Gößwein/Hohmann, BB 2011, 963 (964). 160 Kort, NZG 2008, 81 (82); Liese, BB-Special 5.2008 zu Heft 25, S. 17 (20); Körner, NZG 2004, 1148 (1149); Berg/Stöcker, WM 2002, 1569 (1571). 161 Geiser, Leitungspflichten, S. 44; Kiethe, NZG 2003, 559; Seibt, AG 2002, 249 (250); Vetter, DB 2007, 1963; Spindler, ZIP 2005, 2033, Fleischer, ZHR 168 (2004), 673 (703). 162 BGBl. I S. 1102. 163 RegE zum BilMoG, BT-Drucks. 16/10067, S. 22; siehe dazu: v. Falkenhausen/Kocher, ZIP 2009, 1149 (1150); Weber-Rey, AG 2008, 345 (346); Kuthe/Geiser, NZG 2008, 172 (173). 164 Spindler, in: MünchKomm., AktG, Vorbemerk. Rn. 30. 165 Siehe B. Schmidt, BB 2009, 1295; Liese, BB-Special 5.2008 zu Heft 25, S. 17 (20); Kort, NZG 2008, 81 (84); a.A. Bürkle, BB 2007, 1797 (1798), der diese Pflicht entsprechend der Präambel des Kodex jedoch lediglich auf börsennotierte Unternehmen erstreckt. 166 Dreher, in: FS Hüffer, 2010, S. 161 (168 ff.); Spindler, WM 2008, 905 (906 f.); Berg, AG 2007, 271 (274 ff.); B. Schmidt, BB 2009, 1295 (1296). 167 Dreher, a.a.O., S. 169 ff.

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Teil 2: Compliance

und nicht sämtliche Risiken erfasst.168 Einerseits müssen also bereits mehrere Rechtsverstöße eingetreten sein, welche das System aktivieren, um überhaupt von „Entwicklungen“ sprechen zu können.169 Compliance dagegen setzt zeitlich gesehen viel früher an.170 Andererseits führt nicht jeder Compliance-Verstoß zu einer „bestandsgefährdenden“ Entwicklung.171 Jedoch ergibt sich eine Pflicht des Vorstands zur Implementierung einer Compliance-Organisation aus der Legalitätspflicht als Ausprägung der allgemeinen Sorgfaltspflicht aus § 93 Abs. 1 S. 1 AktG (bzw. § 43 Abs. 1 GmbHG).172 Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass Compliance mehr als das Handeln des Vorstands in Einklang mit Recht und Gesetz verlangt, nämlich für eine ordnungsgemäße Organisation im Unternehmen zu sorgen.173 Die Legalitätspflicht verlangt zunächst vom Vorstand selbst rechtstreues Verhalten. Zu untersuchen ist also die Reichweite der Legalitätspflicht. Fällt darunter auch eine Organisationspflicht der Vorstandsmitglieder? Diese Frage ist zu bejahen. Die Legalitätspflicht erschöpft sich nicht nur im rechtstreuen Verhalten der Organe, sie verpflichtet vielmehr auch, für ein rechtmäßiges Verhalten des Unternehmens insgesamt zu sorgen.174 Der Vorstand ist sowohl intern als auch extern gegenüber Dritten an die Pflichten gebunden. Seine Organstellung verpflichtet ihn auch dazu, für rechtmäßiges Verhalten der Gesellschaft im Außenverhältnis zu sorgen.175 Denn nach § 76 AktG trifft ihn die Pflicht zur ordnungsgemäßen Leitung der Gesellschaft. Diese Aufgabe kann er aber nur erfüllen, wenn er geeignete organisatorische Vorkehrungen trifft. Er muss die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nachgeordneter Mitarbeiter überwachen und ein rechtmäßiges Verhalten aller Unternehmensangehörigen sicherstellen.176 Wenn der Vorstand verpflichtet ist, die Gesellschaft ordnungsgemäß zu leiten und sich dabei „legal“ zu verhalten, so trifft ihn diese Pflicht auch dann noch, wenn er gewisse 168 Goette, ZHR 175 (2011), S. 388 (392); Bachmann, in: VGR-Schriftenreihe, S. 65 (72 f.); Verse, ZHR 175 (2011), S. 401 f. 169 Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 385; Sven H. Schneider, Informationspflichten, S. 259. 170 In diesem Sinne auch Fleischer, AG 2003, 291 (293); Goette, ZHR 175 (2011), 388 (392); Lebherz, a.a.O. 171 Goette, a.a.O.; Lebherz, a.a.O., S. 386; Bachmann/Prüfer, ZRP 2005, 109 (110 f.); Bachmann, in: VGR-Schriftenreihe, 2008, S. 65 (73). 172 Bachmann, a.a.O., S. 73 f.; Verse, ZHR 175 (2011), 401 (404); Goette, a.a.O.; ders., in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb., S. 721; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 47; Mertens/Cahn, in: KölnKomm., AktG, § 91 Rn. 35; Reichert, ZIS 2011, 113 (115); Thole, ZHR 173 (2009), 504 (510). 173 Vgl. oben Teil 2, A. II. 174 Fleischer, CCZ 2008, 1 (2); ders., NJW 2009, 2337 (2338); Bock, Compliance, S. 570; Hauschka, Bankrechtstag 2008, 103 (114); Reichert, ZIS 2011, 113 (114 f.); Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173. 175 Vgl. oben Teil 2, B. V. 176 Reichert, ZIS 2011, 113 (114); Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 40; Fleischer, in: Hdb. Vorstandsrecht, § 8 Rn. 4, 32 ff.

C. Pflicht zur Compliance?

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Aufgaben auf untergeordnete Ebenen delegiert, freilich in einer modifizierten Form. Da er dann nicht mehr selbst die Aufgaben unmittelbar ausführt, muss er eben die unmittelbar für das Unternehmen Handelnden kontrollieren und daher entsprechende organisatorische Vorkehrungen treffen. Der Ausdruck „Legalitätskontrollpflicht“177 bringt die Sache genau auf den Punkt. Sie dehnt die Legalitätspflicht des Vorstands nur aus.178 Nach einem Akt der Delegation wandelt sich die Legalitätspflicht des Vorstands in eine Legalitätskontrollpflicht um.

II. Grenzen der Compliance-Pflicht Selbstverständlich bedeutet die Annahme einer Compliance-Pflicht nicht, dass dies um jeden Preis verlangt wäre. Die geforderten Compliance-Maßnahmen stehen unter dem doppelten Vorbehalt der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit.179 Wann diese Voraussetzungen gegeben sind, kann nicht allgemeingültig bestimmt werden. Vielmehr hängt dies von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere der Größe und dem Gegenstand der Geschäftstätigkeit.180 Die Bestimmung der Erforderlichkeit wird in der Praxis regelmäßig keine Probleme bereiten. Anders ist es allerdings bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze. Hier wird eine Abwägung erforderlich sein, bei der die Kosten der Normeinhaltung mit deren Nutzen zu vergleichen und der Saldo unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Normadressaten zu beurteilen ist.181 Folglich gilt, dass in risikoanfälligen Branchen eine strikte Compliance-Pflicht bestehen wird. Kann sich das jemand nicht zumuten, so muss er die Ausübung der betreffenden Tätigkeit unterlassen. Dagegen gilt in allen anderen Branchen der Zumutbarkeitsmaßstab, wonach das Maß der gebotenen Compliance von Unternehmen zu Unternehmen variieren kann.182

III. Fazit Demnach ist der Vorstand verpflichtet, eine Compliance-Organisation zu implementieren, wobei diese Pflicht auf § 93 Abs. 1 S. 1 AktG basiert. Ihre Grenze findet diese jedoch in dem Vorbehalt der Erforderlichkeit und der Zumutbarkeit. Nur 177

Verse, ZHR 175 (2011), S. 401 (403 ff.). Verse, a.a.O., S. 404. 179 Verse, a.a.O., S. 406 f.; Bachmann, in: VGR-Schriftenreihe, 2008, S. 65 (78 f.); Bürkle, BB 2005, 565 (569); Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 91 Rn. 53; ders., AG 2003, 291 (300); Mertens/Cahn, in: KölnKomm., AktG, § 91 Rn. 36; Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173 (2174); Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 37 ff. m.w.N. 180 Verse, a.a.O., S. 407. 181 Bachmann, VGR-Schriftenreihe, 2008, 65 (79); Beulke/Bachmann, JuS 1992, 737 (741). 182 Siehe Bachmann, a.a.O. 178

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Teil 2: Compliance

dann, wenn diese beiden Voraussetzungen gegeben sind, besteht für das jeweilige Unternehmen eine entsprechende Compliance-Pflicht. Der Vorstand muss sich also zunächst selbst rechtstreu verhalten, er muss aber auch organisatorische Vorkehrungen treffen, damit er überwachen kann, ob sich nachgeordnete Mitarbeiter rechtmäßig verhalten. Hierfür steht dem Vorstand nach der hier vertretenen Auffassung kein Ermessen zu. Mit der Annahme einer Compliance-Pflicht ist jedoch nur die Frage über das „Ob“ der Verpflichtung beantwortet. „Wie“ der Vorstand dieser Verpflichtung nachkommt, ist eine unternehmerische Entscheidung und liegt in seinem Ermessen. Daher gilt für die Auswahl der zu treffenden Maßnahmen die Business Judgement Rule zugunsten des Vorstands uneingeschränkt. Hinsichtlich der Frage, ob überhaupt Compliance-Maßnahmen ergriffen wurden, gilt sie dagegen nicht, da es sich dabei – wie festgestellt – um keine Ermessensentscheidung handelt.183

D. Rahmenbedingungen für rechtliche Organisationsanforderungen Während also das „Ob“ der Compliance-Pflicht des Vorstands zu bejahen ist, ist das „Wie“ der Umsetzung der Compliance-Organisationspflicht rechtlich nicht vorbestimmt.184 Wegen des unternehmerischen Ermessens des Vorstands und des Fehlens zwingender, konkreter gesetzlicher Vorgaben können hier generelle Aussagen nicht getroffen werden.185 Es ist aus rechtstatsächlicher Sicht zu konstatieren, dass ein Standard-Compliance-Modell, das sich branchenunabhängig für jedes Unternehmen eignet, nicht zur Verfügung steht.186 Ein solches Compliance-Modell wäre letztlich auch nicht erfolgreich. Vielmehr hat jeder Unternehmensleiter für sein Unternehmen individuell die Risiken zu identifizieren, zu analysieren, eine Bewertung vorzunehmen, die hieraus abzuleitenden Maßnahmen zu bestimmen und umzusetzen.187 Selbst in den regulierten Wirtschaftszweigen sind unternehmensspezifische Lösungen erforderlich.188 Die Ausgestaltung des Compliance-Systems hängt demnach von einer Vielzahl unternehmensindividueller Faktoren, wie der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Branche, der Größe und der Rechtsform des Unternehmens, Konzernstruktur, dem Internationalisierungsgrad, der Börsennotierung sowie der Finanzierung und dem

183

Vgl. hierzu umfassend Hauschka, Bankrechtstag 2008, 103 (120 f.). Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173 (2174); Reichert, ZIS 2011, 113 (116); Uwe H. Schneider, NZG 2009, 1321 (1325); J. Hüffer./Uwe H. Schneider, ZIP 2010, 55; Wiederholt/Walter, BB 2011, 968 (969). 185 Ebenso Fleischer, CCZ 2008, 1 (2); Reichert, a.a.O. 186 Vetter, in: FS Westphalen, 2010, S. 719 (725). 187 Moosmayer, Compliance, S. 60. 188 Vetter, in: FS Westphalen, 2010, S. 719 (725). 184

D. Rahmenbedingungen für rechtliche Organisationsanforderungen

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Kundenbereich des Unternehmens ab.189 Diese Faktoren formen besondere Anforderungen für die Compliance-Organisation.190 Sektorspezifische Regelungen, die zwar auch ihrerseits sehr vage gehalten sind, sind nicht umfassend verallgemeinerungsfähig.191 Es wäre utopisch anzunehmen, dass beispielsweise ein Kiosk in einer kleinen Ortschaft eine ähnliche Compliance-Organisation erfordert wie die Deutsche Bank AG. Sektorspezifische normative Compliance-Vorgaben können aber Ausstrahlungswirkung auf die Auslegung und Konkretisierung des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG in anderen, nicht sektorspezifischen Wirtschaftsbranchen haben.192 Daher können sich zumindest gewisse Grundstrukturen identifizieren lassen, die als generell gültige Orientierungshilfen bei der Implementierung einer unternehmensspezifischen Compliance-Organisation zu dienen vermögen.193 Primäres Erfordernis ist das ernsthafte, unmissverständliche und gelebte Bekenntnis der Geschäftsleitung zur Einhaltung des geltenden Rechts, d. h. also ein sogenanntes „commitment to compliance“ bzw. „mission statement“.194 Eine zweideutige Aussage würde die Belange der Compliance beeinträchtigen, da sie den Eindruck erwecken könnte, dass es doch nicht so ernst gemeint ist.195 Der Erfolg eines Compliance-Systems hängt von der Überzeugung der Unternehmensleitung von der Notwendigkeit eines solchen Systems ab.196 In diesem Zusammenhang wird in den USA von „Tone from the Top“ gesprochen. Dabei geht es nicht um eine einmalige „Verkündungsaktion“, sondern um eine entsprechende dauerhafte und nachhaltige Kommunikation zwischen Management und der Mitarbeiter.197 Dass die Geschäftsleitung alle Compliance-Aufgaben persönlich wahrnimmt, ist unwahrscheinlich. Sie wird in der Regel von der Möglichkeit der Delegation von Aufgaben Gebrauch machen. Es bestehen hierzu drei Richtungen einer möglichen Delegation der Compliance-Aufgaben. Die Aufgaben können einem speziellen Vorstandsressort zugeordnet werden, sodass sie also auf Vorstandsebene bleiben und damit horizontal verteilt werden. Die zweite und dritte Möglichkeit besteht darin, die Aufgaben auf untergeordnete Ebenen oder auf Unternehmensexterne zu delegieren. Dabei handelt es sich um eine vertikale bzw. externe Delegation. 189 Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 266; Bürkle, BB 2005, 565; Reichert, ZIS 2011, 113 (116); Fleischer, CCZ 2008, 1 (2); ders., AG 2003, 291 (293); Kort, NZG 2008, 81 (83). 190 Bachmann, in: VGR-Schriftenreihe, 2008, S. 65 (80); Bürkle, BB 2007, 1797 (1798); Vetter, in: FS Westphalen, 2010, S. 719 (725); Fleischer, AG 2003, 291 (299); Rodewald/ Unger, BB 2006, 113 (116). 191 Vgl. zuletzt Illing/Umnuß, CCZ 2009, 1 (3 f.). 192 Geiser, Leitungspflichten, S. 52 f. 193 Reichert, ZIS 2011, 113 (116). 194 Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173 (2174 f.); Reichert, a.a.O.; Uwe H. Schneider, ZIP 2003, 645 (649); Hauschka/Greeve, BB 2007, 165 (167, 170). 195 Moosmayer, Compliance, S. 44. 196 Moosmayer, a.a.O., S. 43. 197 Moosmayer, a.a.O.; vgl. auch Rodewald/Unger, BB 2007, 1629.

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Teil 2: Compliance

Im Folgenden soll zunächst untersucht werden, ob die Delegation von Compliance-Aufgaben überhaupt möglich ist, und wenn ja, welche Aufgaben auf einzelne Vorstandsmitglieder oder auf nachgeordnete Hierarchieebenen delegiert werden können. Diesbezüglich ist zunächst die Unterscheidung zwischen Leitungsaufgaben nach § 76 Abs. 1 AktG und Geschäftsführungsaufgaben nach § 77 Abs. 1 AktG unentbehrlich, da Maßnahmen der Leitung nicht delegationsfähig sind.

I. Leitungsaufgabe der Geschäftsleitung Bei der AG obliegt die Leitung der Gesellschaft nach § 76 Abs. 1 AktG dem Vorstand. Wiederholt wird dies von Ziffer 4.1.1 S. 1 DCGK. Zwar weist das GmbHG nicht ausdrücklich die Leitung der Gesellschaft dem Geschäftsführer zu, jedoch obliegen auch in der GmbH den Geschäftsführern – unter dem Vorbehalt der besonderen Gesellschafterrechte – Pflichten der Geschäftsleitung.198 Für die unter § 76 AktG fallenden Aufgaben ist der Vorstand ausschließlich zuständig.199 Er darf sich dieser Aufgaben nicht entledigen.200

II. Unterscheidung zwischen Leitung und Geschäftsführung Eine genaue Definition des Begriffs der Leitung lässt sich nicht geben, da es an einer Beschreibung des Begriffs im Gesetz mangelt und es stets auf den Charakter des Unternehmens ankommt.201 §§ 76, 77 AktG machen aber deutlich, dass zwischen Leitung und Geschäftsführung zu unterscheiden ist, sodass die Begriffe nicht synonym202 verstanden werden können. Denn während § 76 Abs. 1 AktG die eigenverantwortliche Leitung der Gesellschaft dem Vorstand zuweist, regelt § 77 Abs. 1 S. 1 AktG für den mehrgliedrigen Vorstand die gemeinschaftliche Geschäftsführung. Dies kann nicht als ein sprachliches Versehen des Gesetzgebers angesehen werden. Wirft man zudem ein Blick auf die §§ 93 Abs. 1 und 111 AktG, so unterliegt der Vorstand für seine gesamte Tätigkeit der Überwachung durch den Aufsichtsrat und der Haftung des § 93 AktG.203 Wenn dort von Geschäftsführung die Rede ist, so muss dies das gesamte Handeln des Vorstands, also gerade auch die Leitung als Teilbereich erfassen.204 Dies führt zu folgender Erkenntnis: Die Geschäftsführung i.S.v. 198

Siehe unten Teil 2, D. IX. Dreher, in: FS Hopt, 2010, S. 517. 200 Dreher, a.a.O. 201 Spindler, in: MünchKomm., AktG, § 76 Rn. 16; Druey, in: FS Zöllner, 1998, S. 129 ff. 202 Siehe Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 3 – 6; Mielke, Die Leitung, S. 33. 203 Thamm, Die rechtliche Verfassung, S. 113. 204 Mertens/Cahn, in: KölnKomm., AktG, § 76 Rn. 4; Fleischer, ZIP 2003, 1 (3); Schwark, in: FS Ulmer, 2003, S. 605 (613); Thamm, a.a.O. 199

D. Rahmenbedingungen für rechtliche Organisationsanforderungen

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§§ 93 Abs. 1, 111 AktG erfasst auch die Leitung. Die Geschäftsführung im weiteren Sinne unterteilt sich hiernach in die Bereiche der Leitung und der Geschäftsführung im engeren Sinne,205 so dass sich der Inhalt der Geschäftsführung zwar weitgehend mit dem Begriff der Leitung überschneidet, mit ihr aber nicht identisch ist. Vielmehr handelt es sich bei Letzterem um einen unveräußerlichen Kernbereich von Geschäftsführungsbefugnissen.206 Der Leitungsauftrag gilt unter dem Vorbehalt der besonderen Rechte der Gesellschafter auch für die Geschäftsführer einer GmbH.207 Die Leitungszuständigkeit des GmbH-Geschäftsführers kann also dadurch begrenzt werden, dass nach Gesetz oder Satzung bestimmte Aufgaben anderen Gesellschaftsorganen zugewiesen worden sind.208 Zudem können Aufgaben, die aufgrund der Unternehmerfunktion eigentlich der Geschäftsleitung zugewiesen werden, durch das Weisungsrecht der Gesellschafter den Geschäftsführern entzogen werden.209 Doch gilt, dass die Geschäftsführer außerhalb der Vorgaben der Gesellschafterversammlung nach der Konzeption des GmbH-Gesetzes berechtigt und verpflichtet sind, unternehmerische Initiative zu entfalten und das Unternehmen zu leiten; insoweit gelten die Grundsätze der §§ 76, 77 AktG entsprechend.210

III. Umfang des Leitungsauftrags 1. Leitungsaufgaben Die Leitung eines Unternehmens ist ein Prozess, der eine Fülle von Entscheidungen umfasst und die strategische Führungsfunktion des Unternehmens bezeichnet. Zwar lässt sich, wie schon erwähnt, eine genaue Definition aufgrund der unterschiedlichen Charaktere der Unternehmen (Größe des Unternehmens, Umstände der Entscheidungssituation) nicht herleiten; einen gewissen Anhaltspunkt bieten aber die in der Betriebswirtschaftslehre hervorgehobenen Führungsfunktio-

205 Henze, BB 2000, 209; Schwark, ZHR 142 (1978), 203 (215); Wellhöfer, in: Wellhöfer/ Peltzer/Müller, § 4 Rn. 6; Dose, Die Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 36; Thamm, a.a.O., S. 113 f. 206 Spindler, in: MünchKomm., AktG, § 77 Rn. 5 ff. 207 Uwe H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, Band 2, § 43 Rn. 35; BGH GmbHR 1990, 298; BGH GmbHR 1997, 26; BFHE 141, 443 = GmbHR 1985, 30. 208 Schmidt-Husson, Hauschka, Compliance, § 7 Rn. 16; Uwe H. Schneider, a.a.O., § 43 Rn. 42, 46; Koppenstein, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 43 Rn. 16; Goette, DStR 1998, 938 (942). 209 Siehe §§ 37 Abs. 1, 45 GmbHG, vgl. Dreher, in: FS Hopt, 2010, S. 517 (522). 210 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 12; Altmeppen, ZGR 1999, 291 (303 f.); Hommelhoff, ZGR-Sonderheft 13, 1997, 36 (43); Haouache, Unternehmensbeauftragte, S. 50 ff.

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Teil 2: Compliance

nen.211 Der Vorstand ist danach für die Unternehmensplanung und -politik zuständig. Er koordiniert und organisiert die unternehmerischen Tätigkeiten, insbesondere die Besetzung der nachgeordneten Führungsstellen.212 Zu dieser funktionalen Einteilung kommen noch solche Aufgaben hinzu, die von außerordentlicher unternehmerischer Bedeutung oder von besonders hohem Risiko sind.213 In normativer Hinsicht gehören zur eigenverantwortlichen Unternehmensleitung die dem Vorstand als Kollegialorgan zugewiesenen Aufgaben, etwa die Einrichtung eines Frühwarnsystems gemäß § 91 Abs. 2 AktG und die Entscheidung über Organkredite gemäß §§ 89, 115 AktG.214 Im Einzelnen bedeutet dies: a) Unternehmensplanung215 und -politik Eine sachgerechte Unternehmensplanung ist die Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung des Unternehmens. Der Geschäftsleiter legt die Unternehmenspolitik sowie die Ziele fest und formuliert die Strategie zur Erzwingung dieses Vorhabens. Zur Formulierung der Unternehmensziele gehört die Bestimmung der Grundzüge der Markt-, Produkt-, Finanz-, Investitions- und Personalpolitik.216 b) Koordinierung und Steuerung/Organisation Eine weitere Leitungsaufgabe ist die Koordinierung und Steuerung des Unternehmens. Die Unternehmenskoordinierung hat die dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Ressourcen zu optimaler Wirkung zu bringen.217 Unerlässlicher Bestandteil und zugleich Voraussetzung für die Koordinierung und Steuerung ist die Sicherstellung des Informationsflusses sowohl zwischen dem Vorstand und dem nachgeordneten Ebenen als auch zwischen den einzelnen Bereichen und Abteilun211 Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 52 ff.; Spindler, MünchKomm., AktG, § 76 Rn. 16; Mertens/Cahn, KölnKomm, AktG, § 76 Rn. 5; Kort, in: Großkomm., AktG, § 76 Rn. 38; Hüffer, AktG, § 76 Rn. 8. 212 Habersack, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 429 (431); Mertens/Cahn, a.a.O., § 76 Rn. 5; Dreher, in: FS Hopt, 2010, S. 517 (521 f.); Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 317; Geiser, Leitungspflichten, S. 9; Spindler, a.a.O., § 76 Rn. 17; Henze, NJW 1998, S. 3309; variierend Fleischer, ZIP 2003, S. 1 (5); ders., NZG 2003, 449 (450); ders., in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 4 ff. (16), ohne dass damit im Inhalt andere Funktionen oder Aussagen verbunden wären. 213 Mertens/Cahn, a.a.O., § 77 Rn. 23; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 77 Rn. 38; Martens, in: FS Fleck, 1988, S. 191 (207); Roth, Unternehmerisches Ermessen und Haftung des Vorstands, S. 78 f. 214 Für weitere Beispiele siehe: Dreher, in: FS Hopt, 2010, S. 517 (520 f.); Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199 (2201 f.); Fleischer, ZIP 2003, 1 (6); vgl. auch: Spindler, in: MünchKomm., AktG, § 76 Rn. 19; Hüffer, AktG, § 76 Rn. 8; Mülbert, Bankrechtstag 2000, S. 3, 13 ff. 215 Ausführlich zur Unternehmensplanung vgl. Semler, ZGR 12 (1983), 1. 216 Siehe Aufzählung bei Lutter, AG 1991, 249 (251); Thamm, Die rechtliche Verfassung, S. 117 f. 217 Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, § 4 Rn. 11.

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gen.218 Ein reibungsloser Ablauf der Gesamttätigkeit kann u. a. nur dann erfolgversprechend sein, wenn organisatorische Maßnahmen ergriffen werden, die ein rechtmäßiges Verhalten des Unternehmens und der Mitarbeiter sicherstellen (Organisationspflicht).219 c) Überwachung Weiter gehört zur Leitung des Unternehmens die Unternehmenskontrolle. Der Geschäftsleiter muss sich ständig ein reeles Bild von der Lage und der Entwicklung des Unternehmens verschaffen. Er muss im Rahmen seiner Überwachungstätigkeit dafür sorgen, dass es keine kontrollfreien Räume innerhalb des Unternehmens gibt.220 Ihm obliegt die Pflicht zur Errichtung eines wirksamen Berichts- und Überwachungssystems, welches sämtliche Vorgänge im Unternehmen erfasst, damit etwaige Frühentwicklungen und Abweichung von Unternehmensvorgaben frühzeitig bemerkt werden können.221 Einen Teil dieser Leitungsverantwortung konkretisiert § 91 Abs. 2 AktG.222 Als Leitungsaufgabe ist die Kontrolle auf die Gesamtzusammenhänge beschränkt. Erfährt aber die Geschäftsleitung von Missständen im Unternehmen, so muss sie eingreifen und für die ordentliche Aufgabenerfüllung sorgen.223 d) Führungspostenbesetzung Die Besetzung der Führungsposten, also unmittelbar der Geschäftsleitung nachgeordnete Führungsebenen, fällt ebenso in die Zuständigkeit der Geschäftsleitung. e) Maßnahmen von außerordentlicher Bedeutung Als Leitungsaufgaben kommen auch Maßnahmen und Entscheidungen in Betracht, wenn sie von außerordentlicher Bedeutung sind. Um welche Aufgaben es sich hierbei handelt, lässt sich abstrakt nicht beantworten, sondern hängt vom Einzelfall, insbesondere von Art und Größe der Gesellschaft ab.224 Davon wird i. d. R. aber dann auszugehen sein, wenn die Aufgaben, bezogen auf die sonstigen Verhältnisse des 218

Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 17; Thamm, Die rechtliche Verfassung, S. 116 f. Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173; Wiesner, in: Münchener Hdb. GesellschaftsR., § 25 Rn. 4; Mertens/Cahn, in: KölnKomm., AktG, § 93 Rn. 67; Liese, BB-Special 5.2008 zu Heft 25, S. 17 (18); Schneider/Schneider, ZIP 2007, 2061; Fleischer, BB 2008, 1070 (1071); Lösler, WM 2008, 1098 (1102); Krieger/Günther, NZA 2010, 367. 220 Martens, in: FS Fleck, 1988, S. 191 (198 ff.); Haouache, Unternehmensbeauftragte, S. 53; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497 (513); Götz, AG 1995, 337 (338); Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, § 4 Rn. 13. 221 Haouache, a.a.O.; Götz, a.a.O.; Harm, Compliance in Wertpapierdienstleistungsunternehmen, S. 91. 222 Hüffer, AktG, § 91 Rn. 4.; Thamm, Die rechtliche Verfassung, S. 118 f. 223 Haouache, Unternehmensbeauftragte, S. 53; Harm, a.a.O. 224 Martens, in: FS Fleck, 1988, S. 191 (195); Schiessl, ZGR 1992, 64 (68). 219

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Teil 2: Compliance

Unternehmens, z. B. einen außergewöhnlichen finanziellen Umfang aufweisen, mit besonders hohen Risiken behaftet sind oder besondere öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen.225 Bei der Abgrenzung kommt es auf die Erheblichkeit einer Maßnahme zur Verwirklichung der Ziele der Unternehmenspolitik an.226 2. Aufgaben der Geschäftsführung im engeren Sinne Die Aufgaben der Geschäftsführung im engeren Sinne lassen sich mit einer Negativdefinition bestimmen. Es handelt sich dabei um alle Aufgaben der Geschäftsleiter außerhalb der oben genannten Leitungsaufgaben. Sie umfassen mit Ausnahme der Leitungsaufgaben jedes Handeln des Geschäftsleiters für die Gesellschaft, gleichgültig, ob tatsächlicher oder rechtlicher Natur.227

IV. Compliance als Leitungsaufgabe Fraglich ist, ob sich die Leitungsbefugnis auch auf die Compliance erstreckt. Es wurde bereits festgestellt, dass unter Compliance zum einen die Pflicht verstanden wird, dass Vorstandsmitglieder sich selbst rechtmäßig zu verhalten haben (Legalitätspflicht), zum anderen aber auch die Pflicht, organisatorische Vorkehrungen zu treffen, damit darüber hinaus allgemein die Möglichkeit gewährleistet ist, sich normund regelgerecht zu verhalten, also die sogenannte Organisations- bzw. Legalitätskontrollpflicht.228 Diese stellen unbestritten Leitungsaufgaben dar. Compliance bildet daher eine Kernfunktion der Unternehmensleitung. Die fehlende oder unvollkommene Um- bzw. Durchsetzung von Compliance bedeutet ihrerseits einen Verstoß gegen die dem Vorstand einer AG gemäß § 93 Abs. 1 S. 1 AktG obliegenden Pflicht zur sorgfältigen Unternehmensleitung.229 Sie gehört zu den allgemeinen Leitungsaufgaben,230 weswegen sie auch häufig als „Chefsache“

225

Thamm, Die rechtliche Verfassung, S. 121. Heinz, in: Münchener Anw.-Hdb., AktR., § 22 Rn. 19. 227 Heinz, a.a.O., § 22 Rn. 18; Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 15; Haouache, Unternehmensbeauftragte, S. 53; Harm, Compliance in Wertpapierdienstleistungsunternehmen, S. 91. 228 Vgl. oben Teil 2, A. II. 229 Der DCGK hat diesen Gedanken aufgegriffen und Compliance als Standard guter Unternehmensführung in die aktualisierte Kodexfassung vom 6.6. 2008 aufgenommen, siehe hierzu Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173 (2174) Fn. 7. 230 Hauschka, NJW 2004, 257 (259 f.); Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 317; Uwe. H. Schneider, ZIP 2003, 645 (647); Lösler, WM 2007, 676 (679); ders., NZG 2005, 104 (107); Leisinger, Whistleblowing, S. 194; Bürkle, in: Hauschka, Compliance, § 8 Rn. 5. Rodewald/ Unger, BB 2007, 1629 (1630); Fleischer, CCZ 2008, 1 (3); Kiethe, GmbHR 2007, 393 (394); 226

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bezeichnet wird.231 Zudem hat auch der Gesetzgeber bei der Einführung des § 91 Abs. 2 AktG durch das KonTraG232 im Jahre 1998, die Organisation der Gesellschaft als eine allgemeine Leitungsaufgabe angesehen.233 Dies gilt nicht nur bei Aktiengesellschaften, sondern auch im Bereich der GmbH und Genossenschaft. Die geschäftsführenden Organmitglieder haben im Rahmen ihrer Leitungsverantwortung für eine „gute“ Compliance zu sorgen.234 Somit gilt Compliance als Zentralaufgabe der Geschäftsleitung. Etwaige Besonderheiten sind auch im Kapitalmarktrecht weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene im WpHG bzw. WpDVerOV ersichtlich.235 „Dass Compliance zur Leitungsaufgabe der Geschäftsleitung gehört, wird etwa nochmals durch das Basel Committee on Banking Supervision236 ebenso wie durch die IOSCO237 bekräftigt.“238 Zwar ist im Folgenden der Vorstand Bezugspunkt der Ausführungen. Sie gelten jedoch – vorbehaltlich besonderer Gesellschafterrechte – in gleicher Weise für die Geschäftsführer einer GmbH.

V. Keine Möglichkeit der vollständigen Entäußerung von Compliance-Pflichten Aus der Feststellung, dass Compliance eine Leitungsaufgabe des Vorstands darstellt, ergibt sich, dass sich der Vorstand als Gesamtorgan nicht den CompliancePflichten vollständig entledigen kann. Eine Überlassung der Compliance-Aufgaben auf andere Personen unter Aufgabe der eigenen Verantwortung scheidet mithin aus.239 Der Vorstand einer AG ist Leitungs- und Geschäftsführungsorgan und damit primär für die Wahrnehmung dieser Aufgaben zuständig. Inderst, in: Görling/Inderst/Bannenberg, Compliance, S. 83; Fecker/Kinzl, CCZ 2010, 13; Krieger/Günther, NZA 2010, 367 f. 231 Fleischer, BB 2008, 1070 (1072); Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, S. 187; ders., NZG 2005, 104 (107); ders., WM 2007, 676 (679); Kiethe, a.a.O., S. 397; Lebherz, a.a.O.; Krieger/Günther, a.a.O., S. 367. 232 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich, BGBl. I 1998, 786. 233 Begr. RegE zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 15. 234 Krieger/Günther, NZA 2010, 367; Spindler, WM 2008, 905, Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199; Schobert/Servatius/Thees, BB 2006, 2571 (2575). 235 Spindler, a.a.O, S. 909. 236 Basel Committee on Banking Supervision: Compliance and the compliance function in banks, April 2005, Principle 1, abrufbar unter: http://www.bis.org/publ/bcbs 113.pdf. 237 IOSCO, Compliance Function at market intermediaries, Final Report, A Report of the Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions, March 2006, abrufbar unter: http://www.iosco.org/library/pubdocs/pdf/IOSCOPD214.pdf, S. 4. 238 Spindler, WM 2008, 905 (909). 239 Kort, in: FS Hopt, 2010, S. 983 (986).

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VI. Notwendigkeit der arbeitsteiligen Organisation Das alles besagt jedoch nicht, dass der Vorstand die Compliance-Pflichten persönlich wahrnehmen muss, zumal er hierzu weder tatsächlich in der Lage noch rechtlich dazu verpflichtet wäre, alle Entscheidungen und Maßnahmen eigenhändig, alleine und/oder ohne Unterstützung zu treffen. Dies würde nicht nur der Arbeitskapazität der Betroffenen widersprechen, sondern wäre auch mit einer auf Arbeitsteilung angelegten Gesellschafts- und Rechtsordnung nicht zu vereinbaren.240 Die Arbeitsteilung liegt nicht nur im Interesse der Wirtschaft, die auf besonnene Aufgabenerfüllung angewiesen ist, sondern gleichermaßen im öffentlichen Interesse, da die Gesellschaft auf ein funktionierendes Wirtschaftssystem angewiesen ist.241 Die Organisationspflicht des Geschäftsleiters hat u. a. den Sinn, die Produktivität und Effektivität im Unternehmen zu steigern und eine bessere Kontrolle und Überwachung der Gefahren zu erreichen. Müsste der Geschäftsleiter tatsächlich alle Leitungsaufgaben eigenhändig erfüllen, wäre die Erreichung dieser Ziele unmöglich. Ohne eine Arbeitsteilung wäre kein Unternehmen konkurrenz- und existenzfähig.242 Die Möglichkeit der Arbeitsteilung muss vielmehr genutzt werden, da in der Regel nur so das Gefahrenpotential besser beherrscht werden kann. Wenn die erforderliche Sicherheit in einem Unternehmen nur mit Hilfe der Arbeitsteilung gewährleistet werden kann, so kann der Verzicht darauf sogar ein sorgfaltswidriges Handeln darstellen.243 Hinzu kommt, dass einem Vorstandsmitglied die erforderliche Fachkunde und Kenntnisse fehlen können, so dass er sich der Hilfe anderer bedienen muss.244 Insbesondere wenn rechtliche Vorschriften oder technische Normen spezielle Kenntnisse erfordern, hat es für den Vorstand keine Entlastungswirkung, wenn er selbst über solche Kenntnisse nicht verfügt und gleichwohl keine qualifizierten und zuverlässigen Fachkräfte mit der Aufgabenwahrnehmung betraut. Er darf sich nicht in die Situation bringen, in der er der Sorgfaltsnorm nicht genügt.245 Nach all dem ist in einer arbeitsteiligen und spezialisierten Arbeitswelt die Delegation von Aufgaben nicht nur möglich, sondern regelmäßig auch unumgänglich und ist in der Regel auch im Interesse des Rechtsgüterschutzes geboten. § 76 Abs. 1 AktG verbietet zwar eine „Flucht“ des Vorstandes aus seiner Leitungsverantwortung. Allerdings legt es bereits der Wortlaut der Vorschrift nahe, dass nur die Wahrnehmung der Leitungsverantwortung als höchstpersönliche Pflicht des 240

Hegnon, CCZ 2009, 57; Dreher, in: FS Hopt, 2010, S. 517 (526 f.). Rogall, in: KK-OWiG, § 130 Rn. 3; Bock, Compliance, S. 89. 242 So auch Bock, a.a.O. 243 Cramer/Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch-StGB, 28. Auflage 2010, § 15 Rn. 136; Dannecker, in: Amelung, Individuelle Verantwortung, 209 (216). 244 Cramer/Sternberg-Lieben, a.a.O.; Dannecker, a.a.O. 245 Schmidt-Salzer, Produkthaftung, Bd. I, Rn. 1.510 ff. 241

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Vorstands anzusehen ist, er aber nicht alle Leitungsaufgaben vollumfänglich höchstpersönlich erfüllen muss.246 Die Regelung verlangt also nicht, dass das Leitungsorgan auch die Vorbereitung und Ausführung der Leitungsaufgaben eigenhändig übernimmt. Solche Aufgaben können durchaus auf „einzelne Vorstandsmitglieder oder nachgeordnete Unternehmensebenen übertragen werden, sofern der Vorstand am Schluss wohlerwogen und in eigener Verantwortung entscheidet“.247

VII. Zwischenfazit Es kann demnach festgehalten werden, dass Compliance eine Leitungsaufgabe darstellt, der sich der Gesamtvorstand nicht vollständig entledigen kann. Das bedeutet allerdings nicht, dass er die Compliance-Aufgaben höchstpersönlich wahrnehmen muss. Lediglich Grundsatzentscheidungen und strategische Entscheidungen muss er selbst treffen.248 Insbesondere das Prinzip der Arbeitsteilung gebietet es, dass die Vorbereitung und Ausführung von Leitungsaufgaben grundsätzlich einer Delegation zugänglich sind. Die möglichen Organisationsmodelle sind vielfältig.249 Nachfolgend soll aufgezeigt werden, welche Delegationsmöglichkeiten dem Vorstand zustehen. Es bestehen drei Richtungen einer möglichen Delegation der Compliance-Aufgaben. Die Aufgaben können auf einzelne Vorstandsmitglieder delegiert werden. Die Aufgaben bleiben also auf Vorstandsebene und wären damit horizontal verteilt. Die zweite und dritte Möglichkeit besteht darin, die Aufgaben auf untergeordnete Ebenen oder auf Unternehmensexterne zu delegieren. Dabei handelt es sich um eine vertikale und externe Delegation. In diesem Zusammenhang gilt es, die rechtlichen Rahmenbedingungen der genannten Delegationsmöglichkeiten greifbar zu machen.

VIII. Delegation der Compliance-Pflichten Bereits der Begriff Delegation ist nicht eindeutig bestimmt. Endres bezeichnet schon jede mehr oder weniger weit reichende Unterstützung für den Vorstand als Delegation250. Hüffer definiert in Anlehnung an das Verwaltungsrecht Delegation als Zuständigkeitsübertragung vom Vorstand als Organ der Gesellschaft auf nachgeordnete, in eine Weisungskette eingebundene Stellen der Gesellschaft oder auf 246

Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517 (527); Fleischer, ZIP 2003, 1 (7); Dannecker, in: Amelung, Individuelle Verantwortung, S. 209 (223). 247 Fleischer, a.a.O., S. 6. 248 Vetter, in: FS Westphalen, 2010, S. 719 (730). 249 Hauschka, NJW 2004, 257 (259); Bürkle, BB 2005, 565; Gößwein/Hohmann, BB 2011, 963 (964). 250 Endres, ZHR 163 (1999), 441 (449).

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rechtlich und wirtschaftlich selbständige Funktionsträger (Outsourcing).251 Gemeint ist jeweils, dass die Delegation eine grundlegende Organisationsmaßnahme darstellt, die die Pflichten der Gesellschaft und somit insbesondere auch des Vorstandes auf nachgeordnete Stellen verteilt.252 Im Gegensatz zur Weisung handelt es sich bei der Delegation um Übertragung von Aufgaben und Befugnissen zur eigenverantwortlichen Durchführung. 1. Horizontale Delegation Von einer horizontalen Delegation spricht man dann, wenn der Gesamtvorstand Aufgaben aus seinem Zuständigkeitsbereich abgibt und an einzelne oder eine Gruppe von Vorstandsmitgliedern überweist.253 Bei der horizontalen Delegation wird die Vorstands- bzw. Geschäftsführerebene nicht verlassen. Es entsteht lediglich eine Ressortaufteilung. Insofern ist die Bezeichnung irreführend, da es sich bei der horizontalen Delegation um nichts anderes als die vorstandsinterne Geschäftsverteilung handelt. Übersichtlichkeitshalber wird im Folgenden dieser Terminus gleichwohl weiterhin verwendet. a) Der Grundsatz der Gesamtverantwortung und Allzuständigkeit im Gesellschaftsrecht Neben der ausschließlichen Kompetenzzuweisung der Leitungsbefugnis, stellt § 76 Abs. 1 AktG den Charakter der Unternehmensleitung als Gesamtaufgabe des Vorstands dar.254 Leitung ist stets „Gesamtleitung“. Die Verpflichtung auf die eigenverantwortliche Leitung bedeutet nichts anderes, als die gleichberechtigte Beteiligung aller Vorstandsmitglieder an der Leitung der Gesellschaft.255 Besteht der Vorstand bzw. die Geschäftsführung aus mehreren Personen, wie es § 76 Abs. 2 S. 1 AktG erlaubt, so nehmen sie die ihnen zugewiesenen Leitungsaufgaben grundsätzlich gemeinsam wahr, d. h. das gesamte Organ ist für die Erfüllung dieser Aufgaben zuständig und darf sie nicht aus der Hand geben.256 Damit sind einer 251

Hüffer, in: FS Happ, 2006, S. 93 (105). Siehe statt aller: Geiser, Leitungspflichten, S. 126. 253 Schmidt-Husson, in: Hauschka, Compliance, § 7 Rn. 5; Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199 (2202); Werner, GmbHR, 2007, 678 (680); Geiser, a.a.O., S. 114; bezüglich der AG: Thamm, Die rechtliche Verfassung, S. 178. 254 Schmidt-Husson, a.a.O., § 7 Rn. 2; Hüffer, AktG, § 76 Rn. 1; Kort, in: Großkomm., AktG, § 76 Rn. 156; Geiser, a.a.O., S. 87 f.; Fleischer, ZIP 2003, S. 1 (2); ders., Hdb. Vorstandsrecht, § 8 Rn. 6. 255 Martens, in: FS Fleck, 1988, S. 191 (194); Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, S. 171 f. 256 Schmidt-Husson, in: Hauschka, Compliance, § 7 Rn. 2; Spindler, in: MünchKomm., AktG; § 7 Rn. 4; Hüffer, AktG, § 77 Rn. 1 ff.; Fleischer, NZG 2003, 449 (450); ders., in: Hdb. 252

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Delegation der Compliance-Aufgaben an einzelne Vorstandsmitglieder durch den Grundsatz der Gesamtverantwortung von vornherein äußere Grenzen gezogen.257 Dem steht auch nicht die Regelung in § 77 Abs. 1 S. 2 HS. 1 AktG entgegen, die eine Abweichung vom Prinzip der gemeinschaftlichen Geschäftsführung durch Satzung oder Geschäftsordnung ausdrücklich erlaubt; denn die Begriffe „Leitung“ und „Geschäftsführung“ sind – wie bereits dargelegt – nicht identisch.258 Eine Ermächtigung, Leitungsaufgaben weiterzuleiten, räumt § 76 Abs. 1 AktG weder dem Vorstand noch der Satzung oder der Geschäftsordnung ein. Neben dem Grundsatz der Allzuständigkeit gilt auch der Grundsatz der Gesamtverantwortung. Danach ist jedes Mitglied der Unternehmensführung für das Geschehen im Unternehmen verantwortlich. Dieser Grundsatz dient dazu, der Gefahr gegenseitiger Schuldzuweisung und dadurch bedingter Schuldabwälzung bei der außerordentlich bedeutend eingeschätzten Leitung der Gesellschaft vorzubeugen.259 Einerseits trägt er bei, Verantwortungsfreiräume zu füllen, andererseits hilft er, Gefahren für außenstehende Rechtsgüter aufzufangen, die sich aus dem Versagen eines Ressortleiters bei der Erfüllung seiner Ressortaufgaben ergeben.260 Darüber hinaus hilft dieser Grundsatz auch im Strafrecht, die strafbewehrten Pflichten der Geschäftsleitung ohne Rücksicht darauf zu bestimmen, ob die Geschäftsleitung einem einzelnen Ressortinhaber oder dem Gesamtorgan zu übertragen ist. Diese Übertragung des Grundsatzes der Gesamtverantwortung ins Strafrecht führt allerdings nicht dazu, dass das Gesamtorgan eine kollektive strafrechtliche Verantwortlichkeit trifft. Das deutsche Strafrecht kennt eine Kollektivschuld gerade nicht.261 Lediglich nach § 30 OWiG haftet das Unternehmen auf eine Verbandsgeldbuße, wohingegen das Unternehmen strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.262 Daher muss anders als im Zivilrecht, wo die juristische Person mit ihrem Vermögen für die Verfehlung nach außen einzustehen hat, wenn ein individuelles Verschulden nicht nachgewiesen werden kann, im Strafrecht die individuelle Verantwortung des einzelnen Organmitglieds für die Verletzung seiner Pflichten feststehen.263 Vorstandsrecht, § 1 Rn. 5, 53 f., § 8 Rn. 5 ff.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm., AktG, § 76 Rn. 45 ff. 257 Rodewald/Unger, BB 2006, 113 (114); Kiethe, GmbHR, 2007, 393 (398); Hüffer, AktG, § 77 Rn. 14 und § 93 Rn. 13b. 258 Siehe oben Teil 2, D. II. 259 Martens, in: FS Fleck, 1988, S. 191 (195). 260 Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 27; Schmidt-Salzer, Produkthaftung, 1.061. 261 Meier, NJW 1992, 3193 (3195); Schmidt-Salzer, Produkthaftung, 1.138, 1.162; ders., NJW 1988, 1937 ff.; ders., NJW 1990, 2966 (2969); Jescheck/Weigend, AT, S. 204; Beulke/ Bachmann, JuS 1992, 740. 262 Ebenroth/Willburger, BB 1991, 1941 m.w.N.; Tiedemann, NJW 1988, 1169 (1172); Blauth, Handeln für einen anderen, S. 9; Pfohl, NJW 1994, 418; Volk, JZ 1993, 429 ff.; Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 28. 263 Vgl. hierzu ausführlich Neudecker, a.a.O., S. 28 ff.

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b) Geschäftsverteilung und Verantwortlichkeitsmodifikation Die Frage nach einer dennoch möglichen Geschäftsverteilung mit eigenverantwortlicher Leitung eines Geschäftsbereichs durch den Ressortleiter muss zunächst widersprüchlich anmuten. § 77 Abs. 1 S. 2 AktG räumt die Möglichkeit zur Verteilung der Geschäftsführung bei einem mehrköpfigen Vorstand explizit ein, so dass im Umkehrschluss eine solche Möglichkeit für Leitungsaufgaben nicht gegeben zu sein scheint. Hierin liegt aber deshalb kein Widerspruch, da § 76 Abs. 1 AktG nur den Kernbereich der Allzuständigkeit festlegt. Diese sind neben einigen explizit gesetzlich geregelten Ausschlussgründen264 diejenigen Bereiche, die dem Kernbereich der Geschäftsführung zuzuordnen sind (Kernbereichslehre).265 Im Übrigen ist eine Geschäftsverteilung zulässig.266 Die Gesamtzuständigkeit geht nicht soweit, dass der gesamte Entscheidungsprozess vom Beginn der Beschäftigung mit dem entsprechenden Thema bis zur Ausführung der getroffenen Entscheidung ausschließlich im Rahmen der Gesamtgeschäftsleitung zu erfolgen hätte. Er zielt nur auf die Wahrnehmung der Leitungsverantwortung, verlangt aber nicht, dass der Vorstand die Vorbereitung und Ausführung aller Leitungsentscheidungen eigenhändig übernimmt.267 Vom Vorstand die persönliche Erfüllung sämtlicher Pflichten der Gesellschaft zu verlangen, ist weder praxisnah noch entspricht dies der Unternehmenswirklichkeit.268 Der Grundsatz der Gesamtverantwortung belässt der Geschäftsleitung die Freiheit der organisatorischen Umsetzung, so dass ihr die Bildung von Ressorts unbenommen bleibt.269 Wird von einer Geschäftsverteilung Gebrauch gemacht, konzentriert sich die gesamtverantwortliche Leitung vor allem auf die Wahrnehmung einer gesamtverantwortlichen Kontrolle. Dies bedeutet zum einen, dass die Geschäftsleitung vorbereitende und ausführende Tätigkeiten einem Nachbarressort überlassen kann, soweit das Letztentscheidungsrecht bei ihr verbleibt.270 Zum anderen wandelt sich der Pflichteninhalt der Geschäftsleitung. Die Sorgfaltspflicht der übrigen Vorstandsmitglieder modifiziert sich von einer Handlungsverantwortung zu einer

264

Z.B. §§ 83, 90, 91, 92, 110 Abs. 1, 118 Abs. 2, 124 Abs. 3 S. 1, 170, 245 Nr. 4 AktG. Dreher, ZGR 1992, 22 (56); Bock, Compliance, S. 678. 266 Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 1 Rn. 17; ders., ZIP 2003, 1 (6); Hoffmann/Becking, ZGR 1998, 497 (508); Hüffer, AktG, § 77 Rn. 18; Kort, in: Großkomm., AktG, § 77 Rn. 31 f.; Harm, Compliance in Wertpapierdienstleistungsunternehmen, S. 96. 267 Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 1 Rn. 17; ders., ZIP 2003, 1 (6); Hoffmann/Becking, ZGR 1998, 497 (508). 268 Uwe H. Schneider, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 473 (478); Krieger/Günther, NZA 2010, 367 (369); Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 26 f. 269 Vgl. hierzu Martens, FS Fleck, 1988, S. 191, (205 ff.); Neudecker, a.a.O., S. 27. 270 Schmidt-Husson, in: Hauschka, Compliance, § 7 Rn. 18; Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 1 Rn. 17; ders., ZIP 2003, 1 (6); Spindler, in: MünchKomm., AktG, § 77 Rn. 64; Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199 (2204); Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, § 4 Rn. 43. 265

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Restverantwortung im Sinne einer Überwachungspflicht.271 Es verbleibt also in Fällen zulässiger Ressortverteilung bei einer Überwachungs- und Informationsverantwortung eines jeden Vorstandsmitgliedes. Mit anderen Worten kann sich der Gesamtvorstand durch horizontale Delegation der Leitungskompetenz Compliance nicht entäußern.272 Höchstpersönliches Element ist für den Gesamtvorstand die sog. Entscheidungsverantwortung. Weiter bleibt er verpflichtet, den Gang der dortigen Geschäfte über die Ressortgrenzen hinweg fortlaufend zu beobachten (Restverantwortung).273 Bei der Restverantwortung handelt es sich um eine strukturell von § 111 Abs. 1 AktG zu unterscheidende Überwachungsaufgabe. Denn eine allgemeine, unbeschränkte, gegenseitige Überwachungspflicht gibt es im Kollegialorgan Vorstand nicht.274 § 111 Abs. 1 AktG betont die Überwachungsaufgabe als Hauptaufgabe des Aufsichtsrats. Er muss im Rahmen seiner Überwachungstätigkeit das Vorstandshandeln laufend kontrollieren und ggf. aktive Nachforschungen anstellen. Dem Aufsichtsrat obliegt im Rahmen seiner allgemeinen Überwachungsaufgabe nach § 111 AktG auch die Pflicht, zu kontrollieren, ob der Vorstand eine wirksame Compliance-Funktion geschaffen hat.275 Ein Mindestmaß an gegenseitiger Kontrolle der Vorstandsmitglieder ist hingegen essentieller Bestandteil des Grundsatzes der Gesamtverantwortung der Vorstandsmitglieder bei Leitungsaufgaben des Vorstands.276 Sie ist von rechtlich anderer, insbesondere geringerer Kontrollqualität und verlangt zunächst eine Erkundigungs- und Informationspflicht gegenüber dem Ressortverantwortlichen.277 Erforderlich aber auch ausreichend ist für diese Überwachungsaufgabe grundsätzlich die Kenntnisverschaffung von den Geschehnissen der Nachbarressorts in den Sitzungen des Gesamtvorstands.278 Die gegenseitige Beaufsichtigung ist ihrem Sinn und Zweck nach keine Personalaufsicht, sondern beschränkt sich auf Beratung und Anregung.279 Das bedeutet, 271

OLG Köln v. 31.8. 2000 – 18 U 42 /00, AG 2001, 363 (364); VG Frankfurt v. 8.7. 2004 – 1 E 7363/03, AG 2005, 264 (265); Martens, in: FS Fleck, 1988, S. 191 (196); Schiessl, ZGR 1992, 64 (81); Geiser, Leitungspflichten, S. 101 ff.; Vetter, in: FS Westphalen, 2010, S. 719 (730); Fleischer, NZG 2003, 449 (451 f.); Bock, Compliance, S. 680 f.; Gößwein/Hohmann, BB 2011, 963 (965); Krieger/Günther, NZA 2010, 367 (369). 272 Veil, WM 2008, S. 1093 (1095 f.). 273 Fleischer, NZG 2003, 449 (452); Hüffer, AktG, § 77 Rn. 15. 274 Kort, in: FS Hopt, 2010, S. 983 (987 f.); Hauschka, AG 2004, 461 (462). 275 Casper, in: Bankrechtstag 2008, S. 139 (154); Harm, Compliance in Wertpapierdienstleistungsunternehmen, S. 121 ff. 276 Kort, in: FS Hopt, 2010, S. 983 (987 f.); J. Wagner, CCZ 2009, 8 (14). 277 BGH GmbHR 1995, 653 (654); NJW-RR 1995, 669 (670); Fleischer, WM 2006, 2021 (2023); Kiethe, GmbHR 2007, 393 (398); Geiser, Leitungspflichten, S. 101 ff.; zur ausführlichen Bestimmung der Reichweite der Überwachungspflicht siehe Fleischer, NZG 2003, 449 (553 f.). 278 Hüffer, AktG, § 77 Rn. 15; Hopt, in: Großkomm., AktG, § 93 Rn. 62. 279 BGH WM 1992, 2142 (2144); Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 32.

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dass sie sich im Allgemeinen darauf verlassen können, dass der zuständige Vorstand die ihm zugewiesenen Aufgaben ordnungsgemäß erledigt.280 Diese Überwachungspflicht wird auch Selbstkontrolle bezeichnet, da sie den Vorstand schützt und die Sicherheit vor Pflichtverletzungen erhöht.281 Andererseits übernimmt jedes Vorstandsmitglied die volle Handlungsverantwortung für die ihm zugewiesenen Aufgaben und trägt somit die Ressortverantwortung.282 Es muss in diesem Verantwortungsbereich durch geeignete organisatorische Maßnahmen für ein rechtmäßiges Verhalten der nachgeordneten Mitarbeiter sorgen.283 Seine Pflichten bestehen insbesondere darin, das Ressort effizient zu organisieren, die Mitarbeiter ordnungsgemäß auszuwählen und einzuweisen aber auch Entscheidungen sorgfältig vorzubereiten und durchzuführen. Die anderen Vorstandsmitglieder dürfen grundsätzlich nicht mehr in sein Ressort „hineinregieren“.284 Die jeweiligen Ressortinhaber handeln im Rahmen der ihnen eingeräumten Geschäftsführungsbefugnis eigenverantwortlich und sind insoweit nicht auf die Zustimmung der übrigen Vorstandsmitglieder angewiesen.285 Soweit aber konkrete Anhaltspunkte für eine sorgfaltswidrige bzw. nicht rechtmäßige Geschäftsführung oder Verdachtsmomente für Fehlentwicklungen vorliegen, besteht für die übrigen Vorstandsmitglieder ein Recht und eine Pflicht zum Einschreiten (Interventionsrecht bzw. -pflicht).286 Die Aufsichtspflicht wandelt sich somit in eine Interventionspflicht.287 Das zuständige Vorstandsmitglied trifft insofern die Pflicht, die übrigen Vorstandsmitglieder über die Angelegenheiten in seinem Ressort, vor allem über bedeutsame Entscheidungen, zu unterrichten (Pflicht zur Unterrichtung).288 Dem entspricht ein Recht der übrigen Vorstandsmitglieder auf Information durch den Ressortinhaber (Recht auf Information).289 280

BGH BGHZ 133, 370 (377 f.) = NJW 1997, 130 (132); Uwe H. Schneider, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 473 (482); ders./Brouwer, in: FS Priester, 2007, S. 713 (717 f.); Spindler, in: MünchKomm., AktG, § 93 Rn. 71; Fleischer, NZG 2003, 449 (455); Kort, in: Großkomm., AktG, § 77 Rn. 38. 281 Hüffer, AktG, § 77 Rn. 15; Kort, a.a.O., § 77 Rn. 35; Martens, in: FS Fleck, 1988, S. 191 (196 ff.). 282 Spindler, in: MünchKomm., AktG, § 93 Rn. 131. 283 OLG Köln NZG 2001, 135 (136); Götz, AG 1995, 337 (338). 284 Fleischer, NZG 2003, 449 (452); ders., in: Spindler/Stilz, AktG, § 77 Rn. 47 ff.; ders., in: Hdb. Vorstandsrecht, § 8 Rn. 9; Fecker/Kinzl, CCZ 2010, 13; Sieg/Zeidler, in: Hauschka, Compliance, § 3 Rn. 47; für die GmbH auch OLG Frankfurt GmbHR 1992, 608; OLG Hamm GmbHR 1992, 375 (377); OLG Zweibrücken NZG 1999, 506(508); Koppensteiner, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 43 Rn. 11, Wellhöfer, in: Wellhöfer/Peltzer/Müller, § 4 Rn. 49. 285 Fleischer, NZG 2003, 449 (452); Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199 (2202). 286 OLG Köln NZG 2001, 135 f.; OLG Hamburg AG 2000, 141 (143 f.); Kort, in: Großkomm., AktG, § 77 Rn. 38; Mertens/Cahn, in: KölnKomm., AktG, § 77 Rn. 28; Turiaux/ Knigge, a.a.O., S. 2203; für den GmbH-Geschäftsführer: BGH NJW 1990, 2560. 287 Fleischer, NZG 2003, 449 (454); Martens, in: FS Fleck, 1988, S. 191 (196). 288 Kort, in: Großkomm., AktG, § 77 Rn. 35; Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199 (2203). 289 Kort, a.a.O.; Turiaux/Knigge, a.a.O.; Fleischer, NZG 2003, 449 (454).

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c) Compliance als Vorstandsressort Unter Berücksichtigung der genannten modifizierten Sorgfaltspflichten und des Letztentscheidungsrechts des Gesamtvorstands ist eine horizontale Delegation von Compliance-Aufgaben möglich. Die Entscheidung zur Errichtung einer Compliance-Organisation muss durch den Gesamtvorstand getroffen werden.290 Hinsichtlich der konkreten betriebswirtschaftlichen Ausgestaltung der Organisationsstruktur gibt es verschiedene Ansätze, die hier nicht näher erläutert werden können.291 Eine engherzige Einordnung in ein relativ starres Organisationskonzept wäre verfehlt, da die Organisation von Unternehmen zu Unternehmen sehr stark variieren kann. Es ist Aufgabe des Gesamtvorstands, die grobe Richtung vorzugeben, indem er die für sein Unternehmen erforderlichen Compliance-Maßnahmen festlegt. Damit genügt der Gesamtvorstand seiner kollektiven Leitungspflicht. Die Verantwortung, für die Einhaltung der Organisationspflichten zu sorgen, geht auf das nach der Geschäftsverteilung zuständige Vorstandsmitglied über.292 Für die übrigen Vorstandsmitglieder bleibt es diesbezüglich bei der Gesamtkontrollverantwortung, womit – wie oben näher dargelegt – eine „stichprobenartige Aufsicht“ gemeint ist. Die Vorbereitung und Ausführung der vom Gesamtvorstand als notwendig erachteten ComplianceMaßnahmen kann der Ressortinhaber eigenständig wahrnehmen. Er bereitet die Entscheidungen vor und übernimmt die detaillierte Überwachung der ComplianceOrganisation. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass jeder Ressortinhaber zwar zunächst für die Leitung, Organisation und Kontrolle des Ressorts zuständig ist. Er ist aber weiterhin Mitglied des Gesamtvorstands und daher auch verpflichtet, an der Wahrnehmung der in die Gesamtzuständigkeit fallenden Leitungs-, insbesondere der Kontrollaufgaben, mitzuwirken. Es bleibt also im Ergebnis beim Grundsatz der Gesamtverantwortung. 2. Vertikale Delegation Neben der horizontalen Delegation kommt als weitere Möglichkeit die vertikale Delegation der Compliance-Aufgaben in Betracht. Sie beschreibt die Aufgabenverteilung auf hierarchisch nachgeordnete Funktionsbereiche, wie etwa Prokuristen und andere Mitarbeiter,293 also auf nicht dem Vorstand oder Geschäftsführer ange290 Spindler, in: MünchKomm., AktG, § 76 Rn. 17; Bürkle, in: Hauschka, Compliance, § 8 Rn. 5, 11; Assmann, AG 1994, 237 (257); Fleischer, AG 2003, 291 (294). 291 Z.B.: Compliance-Richtlinien-Modell, Kernbereichsmodell, Stabsmodell, Matrixmodell; Siehe hierzu insbesondere: Ehrler, Compliance in Universalbanken, S. 181 ff.; vgl. auch Fleischer, ZIP 2003, 1 (7); ders.; NZG 2003, 449 (451 f.); Kort, in: Großkomm., AktG, § 76 Rn. 153 ff.; Spindler, a.a.O., § 77 Rn. 66; Thamm, Die rechtliche Verfassung, S. 179 ff. 292 Uwe H. Schneider, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 473 (481); Martens, in: FS Fleck, 1988, S. 191 ff.; Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, S. 182. 293 Schmidt-Husson, in: Hauschka, Compliance, § 8 Rn. 6; Geiser, Leitungspflichten, S. 114 f.; Hauschka, NJW 2004, 257 (259); Gößwein/Hohmann, BB 2011, 963 (965).

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Teil 2: Compliance

hörige Personen. Vornehmlich geht es dabei um die Einsetzung eines CO. Hinsichtlich der Möglichkeit einer solchen Übertragbarkeit von Organpflichten fehlt zwar eine gesetzliche Grundlage; insbesondere können aus § 77 Abs. 1 S. 2 AktG keine zwingenden Schlussfolgerungen für die vertikale Geschäftsverteilung gezogen werden. Ernsthafte Zweifel an der Zulässigkeit der vertikalen Delegation können allerdings gleichwohl nicht entstehen.294 Würde man nämlich annehmen, dass sich die Delegation von Aufgaben lediglich auf eine horizontale Geschäftsverteilung beschränkt, so hätte dies zur Folge, dass der Gesamtvorstand bzw. seine Mitglieder die gesamte laufende Geschäftsführung, also auch das tägliche Management des Unternehmens, wahrnehmen müssten. Die Frage, ob dies in den heute üblichen komplexen, auf Arbeitsteilung ausgerichteten Unternehmensstrukturen möglich ist, beantwortet sich von selbst. Denn über die Notwendigkeit arbeitsteiliger Organisationsformen besteht insgesamt kein Zweifel.295 Vielmehr ist es die Aufgabe des Gesamtvorstandes oder seiner Mitglieder, gewisse Tätigkeiten und Entscheidungen an Mitarbeiter zu übertragen und sich zu entlasten, damit sie sich auf „wichtigere“ Aufgaben konzentrieren können und nicht wegen unterbliebener Delegation die Haftung tragen müssen. Andererseits kann nur so das Spezialwissen des entsprechend ausgebildeten Mitarbeiters herangezogen werden. Ferner berechtigt die Delegation den Einsatz von kostengünstigeren Mitarbeitern für weniger „wichtigere“ Aufgaben.296 Darüber hinaus kann auf die Ausführungen zur horizontalen Delegation verwiesen werden, wobei die grundsätzliche Möglichkeit gleichermaßen in § 14 Abs. 2 StGB stillschweigend vorausgesetzt wird297. a) Die inhaltlichen Grenzen der vertikalen Delegation Bezüglich der Grenzen der vertikalen Delegation kann ebenso auf die Ausführungen zur horizontalen Delegation verwiesen werden.298 Soweit eine horizontale Delegation ausgeschlossen ist, scheidet eine vertikale Delegation erst Recht aus. Daher muss auch hier der Gesamtvorstand die Aufgabe der Leitung des Unternehmens und diejenigen Aufgaben, welche dem Leitungsorgan in seiner Gesamtheit zugewiesen sind, selbst wahrnehmen und kann sich dieser Verantwortung nicht durch eine vertikale Delegation entziehen. Auch die Geschäftsführungsbefugnis selbst kann durch das Geschäftsleitungsorgan nicht übertragen werden.299 Andernfalls 294 Schmidt-Husson, a.a.O., § 8 Rn. 6. Siehe auch: RG I, HRR 1929, Nr. 25; Hopt/Merkt/ Baumbach, in: Baumbach/Hopt, HGB, Vor § 48 Rn. 2, Krebs, in: MünchKomm., HGB, Vor § 48 Rn. 90 ff.; Kort, in: Großkomm., AktG, § 76 Rn. 157. 295 Siehe oben Teil 2, D. VI.; vgl. auch Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 180; Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, S. 183. 296 Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 142 f. 297 Bruns, JZ 1958, 461 (464); R. Schmitt, JZ 1968, 123 (124); Neudecker, a.a.O., S. 142 ff. 298 Vgl. oben Teil 2, D. VIII. 1. 299 Siehe BGHZ 13, 61 (65); Haouache, Unternehmensbeauftragte, S. 67 ff.; Bock, Compliance, S. 704.

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würde durch die Aufspaltung der Geschäftsführungsbefugnis aufgrund der Vielzahl von nicht koordinierten Geschäftsführungsmaßnahmen Geschäftsführungschaos drohen.300 Man spricht in dieser Hinsicht von organschaftlichen Mindestzuständigkeiten.301 Maßgeblich ist an dieser Stelle ebenfalls, dass die Entscheidungsverantwortung beim Gesamtvorstand verbleibt, um die Leitungsmacht durch die Delegation nicht zu berühren.302 Wie bei der horizontalen Delegation von Aufgaben wird die Sorgfaltspflicht der Vorstandsmitglieder von einer Handlungsverantwortung zu einer Restverantwortung im Sinne einer Aufsichtspflicht modifiziert.303 Der Gesamtvorstand muss dann nach einhelliger Auffassung304 mindestens folgende Trias an Aufsichtspflichten erfüllen: die Beachtung der erforderlichen Sorgfalt bei der Auswahl, Einweisung und Überwachung der Mitarbeiter. Hinzu kommen die Organisationspflicht305 und in Ausnahmesituationen und aus konkretem Anlass die Eingriffspflicht306 des Vorstands.307 Bei erstmaliger Delegation bestimmter Aufgaben muss der Vorstand die Mitarbeiter sorgfältig auswählen, so dass eine Delegation nur auf solche Mitarbeiter erfolgen sollte, welche die zusätzlich erforderlichen Qualifikationen und Talente mitbringen.308 Er hat dabei etwa die geistige Kapazität, die Ausbildung und Qualifikation, die Berufspraxis, die Belastbarkeit, Zuverlässigkeit und das Verantwor300

Gericke, DB 1960, 1498 (1501); Haouache, a.a.O. Semler, Leitung und Überwachung, Rn. 22; Dose, Die Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 58 ff.; Haouache, a.a.O., S. 66 f. 302 Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 8 Rn. 27; Geiser, Leitungspflichten, S. 114 ff.; Henze, BB 2000, 209 (210); Kort, in: FS Hopt, 2010, S. 983 (988 f.). 303 Vgl. oben Teil 2, D. VIII. 1. b). 304 BGHSt 19, 286 (288 f.); 25, 158 (162 f.); Achenbach, in: HWSt, Kap. I 3 Rn. 52; Fleischer, AG 2003, S. 291 (292 ff); Schmidt-Husson, in: Hauschka, Compliance, § 7 Rn. 21 ff.; Vetter, in: FS Westphalen, 2010, S. 719 (731); Hopt, in: Großkomm., AktG, § 93 Rn. 59; Schall, in: Deutsche Wiedervereinigung, Band III, S. 99 (114); Krause, BB 2009, 1370 (1373); Gößwein/Hohmann, BB 2011, 963 (965); Schneider/Schneider, GmbHR 2005, 1229 (1231); Bock, Compliance, S. 705; Froesch, DB 2009, 722 (725); Turiaux/Knigge, DB 2004, S. 2199 (2205); Rodewald/Unger, BB 2006, 113 (115); Spindler, in: MünchKomm., AktG, § 93 Rn. 135 ff.; Krieger/Günther, NZA 2010, 367 (369). 305 KG JR 72, 121 (122); Gürtler, in: Göhler, OWiG, § 9 Rn. 39; Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 146 f. 306 RGSt 24, 293 (295 f.); RG GA 48 (1901), 309 (310); OLG Hamm VRS 20, 465 f.; BGHSt 19, 286 (289 f.); OLG Karlsruhe NJW 1977, 1930 f.; Neudecker, a.a.O., S. 148 f.; Schall, in: Deutsche Wiedervereinigung, Band III, S. 99 (114); Schmidt-Salzer, NJW 1988, 1937 (1941); Uwe H. Schneider, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 473 (487). 307 BGHSt 19, 286 (289); BGH VersR 1983, 152; OLG Hamm VRS 16, 153 (155); OLG Karlsruhe NJW 1977, 1930; Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 273; Ebenroth/ Willburger, BB 1991, 1941 (1942); Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 209; Jakobs, AT, 29/52; Neudecker, a.a.O., S. 144 ff.; Schmidt-Salzer, a.a.O.; Schünemann, in: LK-StGB, Band 1, 12. Auflage, § 14 Rn. 68. 308 Dreher, in: FS Hopt, 2010, S. 517 (536 f.); Sprau, in: Palandt, BGB, § 831 Rn. 16; Hopt, in: Großkomm., AktG, § 93 Rn. 59. 301

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tungsbewusstsein des Delegationsempfängers zu beachten und zu beurteilen.309 Der Mitarbeiter muss in seinem künftigen Aufgabenbereich ausreichend eingewiesen, mit den zur Aufgabenerfüllung notwendigen Mitteln und Befugnissen ausgestattet werden sowie hinreichende Informationen zu den übertragenen Aufgaben erhalten.310 Die Einweisung des Delegierenden wird in dem Umfang gefordert, dass dieser den übertragenen Aufgabenbereich eigenständig erledigen kann. Zudem ist im Rahmen der Einweisungssorgfalt zu gewährleisten, dass die Mitarbeiter auch fachlich qualifiziert bleiben, sich also über den technischen Fortschritt und die Rechtsänderungen informieren und fortbilden können.311 Die Einweisungssorgfalt verändert sich also hinsichtlich des fortschreitenden Verlaufs des Arbeitsverhältnisses in eine Schul- und Fortbildungspflicht, in der sich zwangsläufig auch die Compliance-Thematik aufgrund der Zielrichtung, die Einhaltung von Recht und Gesetz sicherzustellen, niederschlägt.312 Bezüglich der Überwachungssorgfalt ist sicherzustellen, dass die übertragenen Aufgaben durch die zuständigen Stellen ordnungsgemäß erledigt und die notwendigen Informationen über die Aufträge an die jeweils delegierende Stelle zurückgeleitet werden.313 Kriterien für die Intensität der Überwachung sind Aspekte wie Unternehmensgegenstand, Erfahrung und Vertrauenswürdigkeit der Person sowie die Bedeutung und Schwierigkeitsgrad der übertragenen Aufgabe. Grenze der Überwachungspflicht ist die objektive Zumutbarkeit.314 Zur Gewährleistung einer sorgfältigen Überwachung sind laufende Kontrollen in Form von nicht angekündigten Stichproben durchzuführen.315 Eine durchgehende oder regelmäßige Kontrolle ist aber ohne einen entsprechenden Anlass nicht erforderlich, da sie dem Sinn der Arbeitsteilung im Unternehmen zuwiderlaufen würde.316 Eine Verpflichtung zum Einschreiten besteht im Falle von Verdachtsmomenten, sowie auch in Zeiten der Krise, wo eine höhere Aufmerk309

Vgl. tiefergehend Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 145 ff. Kiethe, GmbHR 2007, 393 (399); Hauschka, AG 2004, 461 (466); Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199 (2205). 311 Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, S. 184; Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 146; Uwe H. Schneider, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 473 (486). 312 Geiser, Leitungspflichten, S. 121. 313 Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199 (2205); Geiser, a.a.O., S. 121 f. 314 Gürtler, in: Göhler, OWiG, § 130 Rn. 12; Turiaux/Knigge, a.a.O.,S 2206. 315 Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 693; Geiser, Leitungspflichten, S. 121 f.; Turiaux/Knigge, a.a.O., S. 2205; Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 147 f.; a.A.: Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 99; Wilhelm, JURA 1985, 183 (187) und Stratenwerth, in: FS Schmidt, 1961, S. 383 (398); der Geschäftsherr sei nach der Delegation nicht mehr verpflichtet, den Delegationsempfänger zu überwachen, wenn er seinen Auswahl- und Einweisungspflichten Genüge getan habe. Schünemann begründet dies damit, dass der Delegierende durch die Delegation die Herrschaft über die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Mittel aus der Hand gibt; Wilhelm argumentiert damit, dass solche Kontrollen dem Sinn der Arbeitsteilung zuwiderlaufen würden. 316 Vgl. OLG für Hessen, StrS Kassel NJW 1947/48, 350; Alexander, Verantwortlichkeit, S. 204; Bock, Compliance, S. 712. 310

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samkeit verlangt wird.317 Damit der Vorstand seiner Überwachungspflicht nachkommen kann, muss der Delegationsempfänger dem Vorstand in regelmäßigen Abständen sowie bei außergewöhnlichen Ereignissen auch ad-hoc Bericht über die regulatorischen Risiken und die Reputationsrisiken erstatten.318 Daher ist der Vorstand auf ein gut funktionierendes Informationssystem angewiesen.319 Daran, aber auch an die Überwachungspflicht schließt sich die Eingriffspflicht des Vorstands an. Er besitzt das Letztentscheidungsrecht und kann bzw. muss selbst die erforderlichen Maßnahmen treffen, sobald konkreter Anlass zu Zweifeln an der Pflichterfüllung gegeben ist.320 Zu den Organisationspflichten des Vorstands zählt die Verantwortung, die organisatorischen Grundvoraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Pflicht durch den Delegationsempfänger erfüllt werden kann.321 So ist der Vorstand zur Errichtung der Compliance-Organisation verpflichtet und kann diese Aufgabe nicht auf untere Ebenen delegieren. Ferner fällt die Pflicht, Regelungsdefizite zu vermeiden322 und dem aus der Arbeitsteilung resultierende Gefahrenpotential entgegenzuwirken323, unter den Organisationspflichten des Vorstands. Der Delegationsempfänger muss die ihm übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen und darf nicht darauf vertrauen, dass der Delegierende noch eine hinlängliche Kontrolle durchführen wird.324 Er kann sich auch auf die Richtigkeit der Anweisungen verlassen,325 sobald nicht Anhaltspunkte das Gegenteil nahe legen. Die Ausführung der Compliance-Aufgaben, insbesondere die Entscheidungen des laufenden Tagesgeschäfts, Vorbereitungen und Erstellung von Führungsentscheidungen, Entscheidungsvarianten und Beschlussvorlagen, gehören nicht zum Kern der Unternehmensleitung, sodass sie auf untergeordnete Ebenen delegiert werden können.326

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Horn, ZIP 1997, 1129 (1132); Fleischer, CCZ 2008, 1 (2); ders., AG 2003, 291 (293 f.). Bürkle, in: Hauschka, Compliance, § 8 Rn. 12; Lösler, WM 2007, 676 (679); Rodewald/ Unger, BB 2007, 1629 (1630 f.); Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 319. 319 Meier, NJW 1992, 3193 (3198); Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 148. 320 Neudecker, a.a.O., S. 148 f.; Sangenstedt, Garantenstellung, S. 406. 321 KG JR 72, 121 (122); Neudecker, a.a.O., S. 146 f. 322 Schmidt-Salzer, Produkthaftung, 1.122; Hüwels, Fehlerhafter Gesetzesvollzug, S. 204. 323 Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 209; Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 146 f. 324 Herzberg, Arbeitsschutz, S. 174; Bock, Compliance, S. 706. 325 BGHSt 3, 91 (98); Vogel, in: LK-StGB, Band 1, 12. Auflage, § 15 Rn. 275; Cramer/ Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch-StGB, 28. Auflage 2010, § 15 Rn. 223a. 326 Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, S. 182; Spindler, in: MünchKomm., AktG, § 76 Rn. 17; Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 1 Rn. 56; Rodewald/ Unger, BB 2006, 113 (115); dies., BB 2007, 1629 (1630); Ehrler, Compliance in Universalbanken, S. 176, Geiser, Leitungspflichten, S. 115; Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 319. 318

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b) Letztentscheidungsrecht des Vorstands gegenüber nachgeordneten Mitarbeitern Das Gesellschaftsrecht verlangt das Bestehen eines Letztentscheidungsrechts der Geschäftsleitung gegenüber nachgeordneten Ebenen. Sowohl das AktG als auch das GmbHG weisen ausschließlich dem jeweiligen Leitungsorgan die Geschäftsführung zu, vgl. §§ 76, 77 AktG, § 37 GmbHG.327 Damit ist zugleich festgelegt, dass lediglich die Geschäftsleiter die Macht zu Handlungen für die Gesellschaft besitzen. Mitarbeiter dagegen besitzen eine solche Kompetenz mangels gesetzlicher Zuweisung nicht, können sie aber durch eine rechtsgeschäftliche Übertragung verliehen bekommen. Dies geschieht – wie bereits dargelegt – durch Delegation. Wenn aber die Mitarbeiter des Unternehmens ihre Handlungskompetenz für die Gesellschaft allein aus der Delegation erhalten, so bleibt die Geschäftsleitung weiterhin alleiniger Inhaber des Rechts zur Geschäftsführung.328 Denn Inhalt der Delegation ist (nur), dass dem nachgeordneten Mitarbeiter eine Aufgabe, unter Einräumung eines – korrespondierenden – eigenen Handlungsspielraums zugewiesen wird, die Geschäftsleitung aber weiterhin berechtigt und verpflichtet bleibt, den Mitarbeiter in der Ausfüllung dieses Handlungsspielraums zu lenken.329 Eine Ausnahmesituation bildet § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB, die allerdings eine Eigenverantwortlichkeit des Delegationsempfängers erfordert. c) Kassationsrecht des Vorstands Notwendige weitere Voraussetzung einer wirksamen Delegation ist die Möglichkeit des Delegierenden, die übertragene Aufgabe jederzeit wieder zurückzuziehen und die Handlungsverantwortung erneut zu übernehmen.330 Der Grundsatz der Unveräußerlichkeit des Rechts und der Pflicht zur Leitung des Unternehmens gebietet neben den oben genannten Rechten und Pflichten auch, dass gewährleistet sein muss, dass der Vorstand über alle compliance-relevanten Umstände informiert wird, sowie das Recht hat, Compliance-Verantwortung stets wieder an sich zu ziehen.331 Dieses Recht ist Ausfluss des Prinzips der unveräußerlichen (Gesamt-) Verantwortung der Vorstandsmitglieder für die Leitung des Unternehmens. Eine einmal erfolgte Delegation kann der Vorstand immer rückgängig machen und die entsprechenden Aufgaben wieder selbst wahrnehmen. Ausnahmsweise besteht das 327

Dies wird aus den genannten Normen implizit vorausgesetzt. Haouache, Unternehmensbeauftragte, S. 70 ff. 329 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 182; Gericke, DB 1960, 1498 (1501); Haouache, a.a.O., S. 67 ff. 330 Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199 (2206); Kort, in: Großkomm., AktG, § 76 Rn. 49. Geiser, Leitungspflichten, S. 123. 331 Kort, in: FS Hopt, 2010, S. 983 (989); Lösler, WM 2008, 1098 (1104); vgl. auch Fett, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. 2010, § 33 Rn. 26; Hauschka, NJW 2004, 257 ff; Fleischer, AG 2003, 291; Röh, BB 2008, 398 (403); Spindler, WM 2008, 905 (910 f.); a.A. Veil, WM 2008, 1093 (1097 f.). 328

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Recht auf Wiedereinräumung der Compliance-Verantwortung dann nicht, falls die Vorstandsmitglieder mit dem Wiederansichziehen von Compliance-Aufgaben rechtsmissbräuchlich versuchen sollten, eigene Compliance-Verstöße zu verdecken oder Rechtsfolgen dieser Verstöße zu verhindern.332 d) Zwischenfazit In der Sache handelt es sich bei der vertikalen Delegation von ComplianceAufgaben um die Delegation unternehmerischer Überwachungspflichten auf nachgeordnete Funktionsbereiche.333 Dadurch entstehen im Unternehmen hierarchische Kontrollebenen. Die jeweiligen Mitarbeiter auf den untergeordneten Stufen sind für die Erfüllung der spezifischen Aufgaben zuständig. Sie werden von den Mitarbeitern auf der unmittelbar übergeordneten Stufe überwacht, wobei diese Mitarbeiter wiederum von denen der dieser unmittelbar übergeordneten Stufe kontrolliert werden.334 Letztlich sind auf der obersten Stufe die Geschäftsleiter die Überwachungspersonen.335 3. Externe Delegation Der Aufbau einer Compliance-Organisation kann auch nach außen verlagert werden. Die externe Delegation meint die Fälle, bei denen die Aufgaben auf außerunternehmerische Personen wie Tochterunternehmen oder Fremdunternehmen übertragen werden.336 Dieser Vorgang ist auch unter dem Begriff „Outsourcing“ bekannt.337 Für die Anerkennung der externen Delegation sprechen spezialgesetzliche Regelungen wie § 1 Abs. 3 BörsenG, § 25a Abs. 2 KWG, § 33 Abs. 2 WpHG und § 5 Abs. 3 Nr. 4 VAG, die explizit eine Auslagerung von Bereichen auf ein anderes Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erklären.338 Zwar kann – wie bereits thematisiert – aus Spezialgesetzen keine Verallgemeinerung gefolgert werden, jedoch sprechen auch andere Gründe für die Zulässigkeit der externen Delegation. Betrachtet man allein die erhöhte Normenflut und den zunehmenden Spezialisierungsgrad, so muss auch eine unternehmensexterne Delegation unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein. Bereiche wie etwa die EDV oder die 332

Kort, a.a.O. Gößwein/Hohmann, BB 2011, 963 (965). 334 Gößwein/Hohmann, a.a.O.; Schneider/Schneider, GmbHR 2005, 1229 (1231); SchmidtHusson, in: Hauschka, Compliance, § 7 Rn. 27 ff. 335 Gößwein/Hohmann, a.a.O.; Schneider/Schneider, a.a.O. 336 Schmidt-Husson, in: Hauschka, Compliance, § 7 Rn. 7; Spindler, in: MünchKomm., AktG, § 76 Rn. 19 ff.; Fleischer, ZIP 2003, 1 (9); Turiaux/Knigge, DB 2004, S. 2199 (2206); Bock, Compliance, S. 722 ff. 337 Spindler, a.a.O., § 76 Rn. 19. 338 Spindler, a.a.O., § 76 Rn. 19 f.; Fleischer, ZIP, 2003, 1 (10). 333

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Buchführung erfordern entsprechend intensive Kenntnisse, die von außen für das Unternehmen fruchtbar gemacht werden können.339 Sowohl der Vorstand als auch andere Mitarbeiter im Unternehmen sind nicht jederzeit imstande, auf allen Gebieten über die volle Sachkenntnis zu verfügen. Darüber hinaus kann es sein, dass eine Auslagerung von Bereichen auf ein anderes Unternehmen günstiger ist, als die Erweiterung der internen Kompetenzen.340 Ob dann eine externe Delegation von Aufgaben erfolgen soll oder eine unternehmensinterne Aufgabenverteilung vorteilhafter ist, ist eine Entscheidung, die im Organisationsermessen des Gesamtvorstands liegt. Bei einer solchen Funktionsauslagerung muss zum einen beachtet werden, dass die Erledigung der Aufgaben in gleichwertiger Weise wie bei einer unternehmensinternen vertikalen Delegation gewährleistet ist.341 Auch hier hat der Vorstand dafür Sorge zu tragen, dass nicht originäre Leitungsaufgaben übertragen werden,342 dass also die Entscheidungsbefugnis letztlich bei ihm verbleibt. Wie bei der unternehmensinternen vertikalen Delegation treffen ihn ebenfalls eine Auswahl- und Einweisungssorgfalt und eine Überwachungspflicht.343 Zum anderen aber muss die fehlende arbeitsrechtliche Weisungsbefugnis durch schuldrechtliche Vereinbarungen dahingehend ergänzt werden, dass der Geschäftsleitung auch weiterhin Zu- und Eingriffsmöglichkeiten obliegen und somit das Letztentscheidungsrecht des Vorstandes bewahrt bleibt.344

IX. Übertragung auf den GmbH-Geschäftsführer Diese Ausführungen gelten entsprechend auch für den Geschäftsführer einer GmbH, insbesondere der Grundsatz der Gesamtverantwortung, aber auch die allgemeinen Grundsätze der Delegation von Aufgaben. Die gesellschaftsinterne Zuständigkeitsordnung der GmbH ist nur sehr unzulänglich geregelt. Es fehlt eine ausdrückliche Zuweisung der Entscheidungskompetenz für die Leitung des Unternehmens. §§ 37, 40, 41, 42, 49, 64 und 78 GmbHG gehen davon aus, dass jedenfalls die laufende Geschäftsführung den Geschäftsführern zugeordnet ist. Eine Reihe von Entscheidungen behält das Gesetz aber, sofern der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, ausdrücklich den Gesellschaftern

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Geiser, Leitungspflichten, S. 116 ff. Geiser, a.a.O. 341 Vgl. oben Teil 2, D. VIII. 2. a) b) c). 342 Kort, in: Großkomm., AktG, § 76 Rn. 37, 50; Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199 (2206). 343 Henze, BB 2000, 209 (210); Turiaux/Knigge, a.a.O.; Bock, Compliance, S. 723. 344 Fleischer, ZIP 2003, 1 (10); ders., WM 2006, 2021 (2025); Spindler, WM 2008, 905 (913); Turiaux/Knigge, a.a.O.; Geiser, Leitungspflichten, S. 117. 340

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vor.345 Aus § 43 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG ergibt sich aber, dass der Geschäftsführer im Rahmen des in der Satzung festgelegten Unternehmensgegenstandes (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG) das Unternehmen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes (§ 43 Abs. 1 GmbHG) zu leiten hat. Umstritten ist allerdings, ob der Geschäftsleitung ein Kernbereich eigener Leitungsentscheidungen verbleiben muss.346 Ungeachtet dessen, ist eine Delegation derjenigen Aufgaben, die den Geschäftsführern selbst zugewiesen sind, unzulässig.347 Auch in der GmbH haben die Geschäftsführer – vorbehaltlich der besonderen Rechte der Gesellschafter – gewisse Leitungspflichten. Zudem trifft bei Bestellung mehrerer Geschäftsführer jeden von ihnen die Pflicht zur Geschäftsführung und grundsätzlich die Verantwortung für die Geschäftsführung im Ganzen.348 Denn die Führung der Geschäfte umfasst nicht in erster Linie die Besorgung eines bestimmten Geschäftsbereichs, sondern die verantwortliche Leitung der Geschäfte in ihrer Gesamtheit. Dies erfordert eine einheitliche Willensbildung.349 Hat somit die Gesellschaft mehrere Geschäftsführer, so gilt unabhängig von der Ausgestaltung der Vertretungs- und der Geschäftsführungsbefugnis der Grundsatz der Gesamtverantwortung auch bei der GmbH.350 Auch im GmbH-Recht ist allgemeinen anerkannt, dass eine horizontale Geschäftsverteilung oder eine vertikale Delegation prinzipiell zulässig ist.351 Mithin sind die für die AG geltenden Grundsätze auch auf die GmbH übertragbar.

345

Vgl. oben Teil 2, D. I. und Wicke, GmbHG, § 43 Rn. 6 f.; Zöllner/Noak, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 4; Froesch, DB 2009, 722 (723); Höhn, Geschäftsleitung, S. 25 ff. und für einige Beispiele: Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 7; Uwe H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, Band 2, § 37 Rn. 5 ff. 346 Dafür: z. B. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 9 f.; dagegen: z. B. Kleindiek, a.a.O., § 37 Rn. 1; Grunewald, Gesellschaftsrecht, Kap. 2. F., Rn. 44. 347 Dreher, FS Hopt, 2010, S. 517 (522). 348 Uwe H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, Band 2, § 43 Rn. 35; BGH GmbHR 1990, 298; BGH GmbHR 1997, 26; BFHE 141, 443 = GmbHR 1985, 30; BFH GmbHR 1986, 288 = WM 1986, 1023. 349 BGH GmbHR 1990, 298; BGH GmbHR 1997, 26; BFHE 141, 443 = GmbHR 1985, 30; BFH GmbHR 1986, 288 = WM 1986, 1023; Goette, DStR 1998, 938 (942). 350 BGH, GmbHR 1964, 298; BGH, GmbHR 1997, 26; BFHE 141, 443 = GmbHR 1985, 30; BFH, GmbHR 1986, 288; Uwe H. Schneider, in: Scholz, GmbHG, Band 2, § 43 Rn. 35. 351 Schmidt-Husson, in: Hauschka, Compliance, § 7 Rn. 5 f.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 35 Rn. 33, § 37 Rn. 24, 27, § 43 Rn. 26; Koppensteiner, in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 37 Rn. 42; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 33 ff.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 28 ff.; Sina, GmbHR 1990, 65 (66); hinsichtlich der Voraussetzung für die Anerkennung einer Geschäftsverteilung und Delegation siehe statt aller: Uwe H. Schneider, a.a.O., § 43 Rn. 36, 41.

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Teil 2: Compliance

X. Zusammenfassung Die bisherigen Untersuchungen in diesem Teil sind wie folgt zusammenzufassen: Die Gesamtunternehmensleitung ist grundsätzlich für die Compliance-Aufgaben verantwortlich. Compliance ist ureigenste Aufgabe der Geschäftsleitung, und zwar als Leitungsaufgabe in Gesamtverantwortung. Den Spezialkenntnissen entsprechend kann jedes Mitglied der Geschäftsleitung einem Ressort unter umfassender Handlungsverantwortung zugewiesen werden. Eine Geschäftsverteilung ist mithin möglich. Die dem Grundsatz der Gesamtverantwortung unterliegenden Führungsaufgaben können aber nicht auf den Ressortinhaber delegiert werden, so dass den Geschäftsleitern in ihrer Gesamtheit eine Restverantwortung verbleibt. Sie haben den primär für die Compliance zuständigen Vorstandskollegen zu beobachten und müssen ggf. gegen deren Verstöße vorgehen. Soweit das Letztentscheidungsrecht bei ihnen verbleibt, können vorbereitende und ausführende Tätigkeiten einem Nachbarressort übertragen werden. Die anderen Mitglieder der Geschäftsleitung dürfen nach Übertragung der Compliance-Aufgaben auf den Ressortinhaber grundsätzlich nicht mehr in sein Ressort „hineinregieren“. Ein Weisungsrecht steht ihnen gegenüber dem Inhaber des Compliance-Ressorts nicht zu. Denn die jeweiligen Ressortinhaber handeln im Rahmen der ihnen eingeräumten Geschäftsführungsbefugnis eigenverantwortlich und sind insoweit nicht auf die Zustimmung der übrigen Vorstandsmitglieder angewiesen. Für die übrigen Vorstandsmitglieder bleibt es bei der Gesamtkontrollverantwortung, womit eine stichprobenartige Aufsicht gemeint ist. Gleichermaßen ist eine vertikale Delegation von Compliance-Aufgaben zur Bewältigung des Arbeitsaufwandes unbedingt erforderlich. Aber auch eine solche Übertragung der Compliance-Aufgaben auf nachgeordnete Ebenen entzieht die Gesamtgeschäftsleitung nicht aus ihrer Verantwortung. Der „Grundsatz der Restverantwortung“ besagt, dass die Mitglieder der Gesamtgeschäftsleitung nicht nur die Compliance-Verantwortlichen sorgfältig auswählen und einweisen, sondern auch sorgfältig überwachen und außerdem das Recht haben müssen, Compliance-Aufgaben wieder an sich zu ziehen. Zulässig ist auch die externe Delegation von Aufgaben, wobei hier die fehlende arbeitsrechtliche Weisungsbefugnis durch schuldrechtliche Vereinbarungen ergänzt werden muss, damit die Geschäftsleitung auch weiterhin Zu- und Eingriffsmöglichkeiten hat und ihr somit das Letztentscheidungsrecht bewahrt bleibt.

E. Die Figur des Compliance-Officers In der unternehmerischen Praxis ist die Beauftragung eines CO, d. h. die vertikale Delegation der Compliance-Aufgaben an eine einzelne Person, verbreitet. Da in größeren Unternehmen ein einzelner diese Aufgaben nicht alleine wahrnehmen kann, wird die Erfüllung dieser Aufgaben einer Gruppe von Mitarbeitern (Compli-

E. Die Figur des Compliance-Officers

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ance-Board, Compliance-Council, Compliance-Committee) übertragen. Hier werden also die Aufgaben an ein „Kollektiv“ zur Gesamtverantwortung übertragen.352 Zum Teil werden eigene Zentralstellen für Compliance (Compliance Office) eingerichtet, die dann unter der Führung eines Chief Compliance Officers (CCO) stehen. Dies hängt von der zu bewerkstelligenden Menge an compliance-relevanten Informationen ab.353 Nach Kremer und Klahold hat eine Umfrage unter den DAX-Unternehmen im Sommer 2009 ergeben, dass etwa 95 % aller Unternehmen einen zentralen CO bestellt haben. Daher wird im Rahmen dieser Arbeit nur die Figur des CO untersucht.354 Dieser Beauftragte gehört keinem Vorstandsressort an, sondern ist lediglich Mitarbeiter im Unternehmen, auf den die Compliance-Aufgaben delegiert werden. Gebräuchlichste Bezeichnung der die Compliance-Stelle besetzenden Person ist die des Compliance Officers, der in der Praxis aber auch Compliance-Beauftragter genannt wird. Im Bankgeschäft, bei Versicherungen und zunehmend auch in der Industrie ist der Titel Compliance-Manager verbreitet.355 Diesem ist die Verantwortung für die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben, die der ComplianceFunktion obliegen, zugewiesen. Die Position des CO muss derart ausgestaltet sein, dass er effektiv den Compliance-Aufgaben Rechnung tragen kann. Die Benennung Compliance-Beauftragter legt es nahe, von einem Unternehmensbeauftragten für den Bereich der Compliance auszugehen.356 Fraglich ist, ob es sich beim CO um eine Rechtsfigur des sogenannten Unternehmensbeauftragten handelt. Dann könnte nämlich die Person des Unternehmensbeauftragten als Grundlage für eine Einordnung des CO dienen. Ob dies der Fall ist, soll im Folgenden untersucht werden.

I. Der Unternehmensbeauftragte Es ist eine Vielzahl von Beauftragten für die verschiedensten Unternehmensbereiche vorgesehen. Als institutionalisierte Beauftragtenstellungen seien beispielhaft genannt: Der Umweltbeauftragte,357 der Geldwäschebeauftragte (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 GwG), der Sonderbeauftragte (z. B. § 36 Abs. 1a KWG), der Datenschutzbeauftragte (§ 4 f BDSG), und im Versicherungsrecht der Aktuar (§ 11a VAG). Ein gesetzlich klar umrissener Begriff des Unternehmensbeauftragten existiert nicht. Entscheidend 352

Vgl. anschaulich Gößwein/Hohmann, BB 2011, 963 (966 f.). Thieme, Ad-hoc-Publizität, S. 310; Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 320. 354 Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113 (125 f.). 355 Hauschka, in: Hauschka, Compliance, § 1 Rn. 31, 32. 356 So Uwe H. Schneider, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 473 (480); ders., DB 1993, 1909 (1913). 357 Im Speziellen etwa Abfallbeauftragter (§§ 54, 55 KrW/AbfG), Immissionsschutzbeauftragter (§§ 53 ff. BImSchG), Strahlenschutzbeauftragter (§§ 31 ff. StrahlenschutzVO), Gefahrgutbeauftragter (§§ 1 ff. GefahrgutbeauftragtenVO) oder Gewässerschutzbeauftragter (§§ 64 ff. WHG). 353

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Teil 2: Compliance

für die Begriffsbestimmung sind vor allem die gemeinsame Funktion und die hervorgehobene Stellung in der Unternehmensordnung. Die kraft Gesetzes für das Unternehmen verpflichtende Bestellung eines Unternehmensbeauftragten dient zum Schutz bestimmter Allgemeinbelange.358 Er soll die behördliche Außenüberwachung ergänzen, indem er unternehmensintern auf die Erfüllung der Gesetze zum Schutz von Allgemeinbelangen hinwirkt. Der Unternehmensbeauftragte ist kein behördliches Aufsichtsorgan im Sinne eines Beliehenen, sondern ein Organ der unternehmerischen Eigenüberwachung, der zum Unternehmen in einer privatrechtlichen Beziehung steht.359 An der Eigenschaft des Unternehmensbeauftragten als Funktionsträger des Unternehmens ändert auch der Umstand nichts, dass die gesetzlichen Regelungen sich in öffentlich-rechtlichen Gesetzen befinden. 1. Aufgaben und Kompetenzen des Unternehmensbeauftragten Die jeweiligen Aufgaben und Kompetenzen legt das zur Einsetzung verpflichtende Gesetz fest, sodass kein geschlossenes Konzept bei der Vielzahl der Spezialgesetze existiert. Dennoch lässt sich ein grundlegender Aufgaben- und Kompetenzkatalog festhalten, der allen Unternehmensbeauftragten gemein ist.360 Dies soll am Beispiel des Gewässerschutzbeauftragten aufgezeigt werden. Allerdings können die folgenden Ausführungen auf andere Unternehmensbeauftragte übertragen werden.361 Der Beauftragte für Gewässerschutz ist in den §§ 64 bis 66 WHG geregelt. Sein Aufgaben- und Pflichtenkreisbereich umfasst im Wesentlichen die folgenden fünf Teilbereiche:362 – die innerbetriebliche Überwachung und Kontrolle der Einhaltung von Gewässerschutzstandards (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 WHG); – die Mitteilung der festgestellten Mängel an den Gewässerbenutzer und ein Vorschlagsrecht des Beauftragten zu ihrer Beseitigung (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 WHG); – die Hinwirkung auf die Entwicklung und Einführung von umweltfreundlichem Verfahren und Produktion (§ 65 Abs. 1 Nr. 3 a und b WHG); 358

Haouache, Unternehmensbeauftragte, S. 23; Harm, Compliance im Wertpapierdienstleistungsunternehmen, S. 67; Casper, in: Bankrechtstag 2008, 139 (155 f.); Lösler, WM 2008, 1098 (1100); ders., WM 2007, 676 (678); Rehbinder ZGR 1989, 305 (314 ff.); ders., ZHR 165 (2001), 1 (8 ff.); Campos Nave/Vogel, BB 2009, 2546 (2548). 359 Haouache, a.a.O.; Rehbinder, ZGR 1989, 305 (318); Dreher, in: FS Claussen, 1997, S. 69 (71). 360 Vgl. hierzu ausführlich Rehbinder, ZHR 165 (2001), 1 ff.; ders.; ZGR 1989, 305 ff. 361 Es bestehen nur kleine Abweichungen gegenüber andere Unternehmensbeauftragten. 362 Siehe hierzu grundlegend Haouache, Unternehmensbeauftragte, S. 37 ff.; Rehbinder, ZHR 165 (2001), 1 ff.; ders.; ZGR 1989, 305 ff.

E. Die Figur des Compliance-Officers

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– die Information und Aufklärung der Betriebsangehörigen über Gewässerbelastungen und deren mögliche Verhinderung (§ 65 Abs. 1 Nr. 4 WHG); – die Berichtspflicht gegenüber dem Benutzer (§ 65 Abs. 2 WHG). So umfasst der Aufgabenbereich des Gewässerschutzbeauftragten und damit allgemein des Unternehmensbeauftragten regelmäßig Kontroll-, Initiativ-, Informations- und Berichtsfunktion. Zur Erfüllung dieser Aufgaben sind dem Unternehmensbeauftragten bestimmte Rechte verliehen. Er hat gegenüber dem Unternehmen ein Recht auf Unterstützung bei der Erfüllung seiner Aufgaben, insbesondere – soweit erforderlich – ein Recht auf Zurverfügungstellung von Hilfspersonal, Geräten usw. (§ 66 WHG i.V.m. § 55 Abs. 4 BImSchG). Darüber hinaus hat er ein Recht zur Stellungnahme bei für den Gewässerschutz bedeutsamen Entscheidungen (§ 66 WHG i.V.m. § 56 BImSchG) und ein Vorschlags- oder Anhörungsrecht, durch das die ungehinderte und direkte Kommunikation mit dem Leitungsorgan sichergestellt wird (§ 66 WHG i.V.m. § 57 BImSchG). Weitergehende innerbetriebliche Kompetenzen, z. B. Entscheidungs- und Weisungsrechte, besitzt der Gewässerschutzbeauftragte nicht.363 Er hat lediglich eine Beratungsfunktion und soll Entscheidungen der verantwortlichen Personen im Linienmanagement vorbereiten.364 Zum Ausgleich für die fehlenden Entscheidungsbefugnisse gewährt das Gesetz dem Beauftragten einen Anspruch auf Gehör gegenüber der Geschäftsleitung. Vor allem im Rahmen der Überwachung führt die Meldung von Mängeln dazu, dass die Geschäftsleitung „bösgläubig“ wird und begründet so deren rechtliche Verantwortung, wenn sie auf die Informationen nicht reagiert.365 2. Einordnung des CO als Unternehmensbeauftragter? Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass einen Unternehmensbeauftragten drei typusbildende Merkmale charakterisieren.366 Erstens liegt immer eine gesetzliche Anordnung vor, einen Beauftragten zu bestellen. Zweitens weist das Gesetz dem Unternehmensbeauftragten klar umrissene Kompetenzen zu und drittens dient er dem Schutz von Allgemeininteressen, die der unternehmerischen Selbstverantwortung entzogen sind.367 Nachfolgend ist daher zu erörtern, ob sich diese Merkmale auf den CO projizieren lassen.

363 Rehbinder, ZHR 165 (2001), 1 (10 ff.); ders., ZGR 1989, 305 (321 ff.); Böse, NStZ 2003, 636 (638). 364 Rehbinder, ZHR 165 (2001), 1 (10 ff.); ders., ZGR 1989, 305 (321 ff.); Böse, a.a.O. 365 Rehbinder, ZHR 165 (2001), 1 (10 ff.); ders., ZGR 1989, 305 (321 ff.). 366 Siehe diesbezüglich die Vorarbeiten von Rehbinder, ZHR 165 (2001), 1 (8 ff.); ders., ZGR 1989, 305 (314 ff.); Haouache, Unternehmensbeauftragte, S. 24 ff.; Lösler, WM 2008, 1098 (1100). 367 Rehbinder, ZHR 165 (2001), 1 (10 ff.); ders., ZGR 1989, 305 (321 ff.); Böse, NStZ 2003, 636 (638); Casper, in: Bankrechtstag 2008, S. 139 (155).

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Teil 2: Compliance

a) Formelle Bestellung Eine gesetzliche Vorgabe, einen CO zu bestellen, ist nicht vorhanden. Lediglich in § 12 Abs. 4 S. 1 WpDVerOV wird ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet, einen CO zu benennen. Unabhängig davon, ob diese für Wertpapierdienstleistungsunternehmen geltende, verbindliche aber nicht formelle Forderung als ein neuer Typus des Unternehmensbeauftragten gesehen werden kann,368 kann dies mangels ausdrücklicher Vorschrift für den freiwillig eingesetzten CO nicht gelten. Im Umkehrschluss ist dabei mangels ausdrücklicher Regelung von fehlender Notwendigkeit einer solchen auszugehen, denn ein derartiger Eingriff in die unternehmerische Organisationsfreiheit bedarf einer ausreichenden gesetzlichen Rechtfertigung.369 b) Kompetenzen Unterschiede zwischen Unternehmensbeauftragten und CO bestehen ferner hinsichtlich der Kompetenzausstattung. Die Aufgaben und Kompetenzen des Unternehmensbeauftragten werden durch das zur Einsetzung verpflichtende Gesetz klar umrissen.370 Für den freiwillig eingesetzten CO ist eine derartige gesetzliche Vorgabe nicht vorhanden. Damit der CO seine Aufgaben so effektiv wie möglich wahrnehmen kann, muss er von der Unternehmensleitung mit den für seine Tätigkeit erforderlichen Kompetenzen ausgestattet werden. Er nimmt also seine Aufgaben aufgrund einer Delegation des Leitungsorgans wahr.371 Inwieweit aber das Leitungsorgan von seinem Delegationsrecht Gebrauch macht bzw. welche Aufgaben er konkret auf den jeweiligen CO überträgt, hängt von einer Vielzahl von Faktoren372 ab. Stellt man darauf ab, dass sowohl der Unternehmensbeauftragte, als auch der CO der Einhaltung von Rechtsvorschriften dienen, so könnte man annehmen, dass aus diesem Grunde eine Ähnlichkeit der genannten Institutionen gegeben ist. Allerdings ist der Unternehmensbeauftragte nur zur Einhaltung von öffentlich-rechtlichen Vorschriften verpflichtet und nicht umfassend für alle Compliance-Inhalte. c) Unternehmensschutz oder auch Schutz von Allgemeininteressen? Zweifelhaft ist, in wessen Interesse der CO außerhalb des teilweise spezialgesetzlich geregelten Bereichs des Wertpapierdienstleistungs- und Versicherungssek368 Bejahend: Veil, WM 2008, 1093 (1097); ablehnend: Lösler, WM 2008, 1098 (1100 ff.); Casper, a.a.O., S. 155 f.; Webler, WM 2008, 1435 (1440 f.). 369 Geiser, Leitungspflichten, S. 194 ff. 370 Vgl. oben Teil 2, E. I. 1. 371 Lösler WM, 1098 (1102). 372 Bürkle, in: Hauschka, Compliance, § 8 Rn. 8 nennt hierzu einige Faktoren, wie die Rechtsform, Unternehmensgröße, Branche, Geschäftsmodell, Vertriebsstruktur, Börsennotierung, Internationalisierungsgrad sowie evtl. Compliance-Probleme in der Vergangenheit; siehe auch: Uwe H. Schneider, ZIP 2003, S. 645 (646 f.); Favoccia/Richter, AG 2010, S. 137 ff.

E. Die Figur des Compliance-Officers

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tors tätig wird. Nur im Interesse des Unternehmens oder auch im öffentlichen Interesse? Im Wertpapierdienstleistungssektor geht Veil von einer janusköpfigen Doppelfunktion des CO aus, der mit einer Gesichtshälfte auf das Unternehmensinteresse schaut und mit der anderen dem öffentlichen Interesse verpflichtet ist.373 Dies ergebe sich aus dem Aufgabengebiet des CO, der verpflichtet sei, Gesetzesverstöße zu verhindern. Dadurch verhelfe er auch öffentlichen Interessen zur Geltung. Einer Übertragung dieser Ansicht auf freiwillige CO ist vor allem deshalb zu widersprechen, weil die Dinge im Wertpapierdienstleistungssektor anders liegen. Während dort bei der Compliance aufsichtsrechtliche Fragen und damit Gemeinwohlfragen sowie weitere kapitalmarktrechtliche Fragen eine gewisse Rolle spielen, ist das bei der Compliance in nicht spezialgesetzlich geregelten Wirtschaftssektoren nicht der Fall.374 Dort können Interessen der Allgemeinheit für die Compliance nur insofern eine Rolle spielen, als sie in das Unternehmensinteresse einfließen. Überdies spricht auch die Zwecksetzung eines Compliance-Systems dagegen.375 Compliance ist „Chefsache“.376 Die primär für Compliance verantwortliche Geschäftsleitung ist in erster Linie auf das Unternehmenswohl verpflichtet. Die Aufgabe des CO ist, die Tätigkeiten im Unternehmen auf Übereinstimmung mit den Regeln zu überprüfen und Regelverstößen entgegenzuwirken.377 Der Zweck ist dabei, Haftungsrisiken und Ansehensverlust für das Unternehmen zu verhindern. Compliance dient also dem Schutz des Unternehmens, seiner Mitarbeiter und der Wahrung von Unternehmens- bzw. Mitarbeiterinteressen, nicht hingegen den Belangen des Allgemeinwohls.378 Zutreffend ist zwar, dass die Implementierung eines leistungsfähigen Compliance-Systems in der Regel auch außerhalb des Unternehmens stehenden Dritten zugutekommt. Dass Allgemeinheit, Vertragspartner und sonstige Personen ebenfalls von einem betrieblichen Compliance-System profitieren, ist jedoch lediglich ein Reflex von Unternehmensschutz, nicht aber das primäre Ziel.379

373

Veil, WM 2008, 1093 (1097). Kort, in: FS Hopt, 2010, S. 983 (985 f.). 375 Ebenso Casper, in: Bankrechtstag 2008, S. 139 (151 f.); ders., in: FS K. Schmidt, 2009, S. 199 (203 ff.); Lösler, WM 2008, 1098 (1103 f.); ders., NZG 2005, 104 (108); Rönnau/ Schneider, ZIP 2010, 53 (56); Campos Nave/Vogel, BB 2009, 2546 (2548); Rolshoven/Hense, BKR 2009, 422 (427). 376 Vgl. oben Teil 2, D. IV. 377 Vgl. eingehend unten Teil 2, E. III. und IV. 378 Vgl. oben Teil 2, E. I. 2. c); siehe auch Lösler, WM 2008, 1098 (1102); Bergmoser/ Theusinger/Gushurst, BB-Special 5.2008 zu Heft 25, S. 1; Grau/Blechschmidt, DB 2009, 2143 (2145). 379 Casper, in: Bankrechtstag 2008, S. 139 (151 f.); ders., in: FS K. Schmidt, 2009, S. 199 (203 ff.); Lösler, WM 2008, 1098 (1103 f.); ders., NZG 2005, 104 (108); Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (56); Campos Nave/Vogel, BB 2009, 2546 (2548); Rolshoven/Hense, BKR 2009, 422 (427). 374

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Teil 2: Compliance

Allein die Delegierung der Compliance-Aufgaben auf eine nachgelagerte Ebene im oben näher beschriebenen Umfang führt nicht dazu, dass sich die Leitungskompetenz des Vorstands beschränkt, bzw. sich die Interessenrichtung von Compliance ändert. Das Letztentscheidungsrecht bleibt beim Vorstand, also vor allem die Frage, wie mit aufgedeckten Gesetzesverstößen umzugehen ist und mit welchen präventiven Maßnahmen Gesetzesverstöße künftig verhindert werden sollen.380 Damit bestehen auch Unterschiede hinsichtlich der Schutzrichtung. d) Folgerung Der CO stellt keinen neuen Typ des Unternehmensbeauftragten dar, sondern einen Unternehmensangehörigen, dem im Wege üblicher Aufgabendelegation die sachliche Compliance-Verantwortung im oben genannten Umfang zugewiesen wird. Auch eine analoge Anwendung der spezialgesetzlichen Regelungen kommt aufgrund der unterschiedlichen Zweckrichtungen sowie Ausgestaltungen381 hinsichtlich der Aufgaben und Kompetenzen der gesetzlich für die jeweiligen Bereiche zuständigen Beauftragten nicht in Betracht.382 Die Rahmenbedingungen der spezialgesetzlichen Vorgaben können lediglich als Orientierungshilfe dienen. Der Begriff des Compliance-Beauftragten ist folglich irreführend und nicht im Sinne eines gesetzlich Beauftragten, sondern als eine freiwillig eingesetzte, für die Compliance verantwortliche Position zu verstehen.383

II. Stellung des CO innerhalb des Unternehmens Die Stellung und Aufgaben des CO lassen sich nicht standardisierend beschreiben. Es kommt zunächst auf das Ergebnis der identifizierten, analysierten und bewerteten Compliance-Risiken des Unternehmens an.384 Der BGH geht in seinem obiter dictum von einer „regelmäßigen“ Pflicht eines CO aus, „solche im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmens stehende Straftaten zu verhindern“.385 In diesem Zusammenhang zitiert er die Fundstelle bei Bürkle386 und Kraft/Winkler387. Demgemäß könnte man davon ausgehen, dass der 5. Senat von einem feststehenden Berufsbild des CO ausgeht. Blickt man allerdings auf die Fundstelle bei Bürkle, so geht dieser selbst davon aus, dass es kein ausdifferenziertes Patentrezept für eine 380 Vgl. oben Teil 2, D. VIII. 2. b); siehe auch Casper, in: Bankrechtstag 2008, S. 139 (151 f.). 381 Siehe Bürkle, in: Hauschka, Compliance, § 8 Rn. 6. 382 Geiser, Leitungspflichten, S. 194 ff. 383 Geiser, a.a.O. 384 Moosmayer, Compliance, S. 36. 385 BGHSt 54, 44 (50) Rz. 27. 386 Bürkle, in: Hauschka, Compliance, S. 128 ff. 387 Kraft/Winkler, CCZ 2009, 29 (32).

E. Die Figur des Compliance-Officers

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Beauftragungs-Struktur in allen Unternehmen gibt und die Ausgestaltung des individuellen Compliance- und des Beauftragten-Systems von einer Vielzahl von Faktoren abhängt. Er stellt lediglich ein Standard-Modell des Beauftragten-Compliance für mittelständische Unternehmen dar.388 Kraft und Winkler versuchen dagegen nur die Parallelen zwischen dem CO und dem Betriebsbeauftragten herauszuarbeiten.389 Es existiert mangels einer gesetzlichen Konkretisierung oder einer Ausbildungsordnung kein feststehendes Berufsbild des CO.390 Ob dann noch von „regelmäßiger“ Pflicht des CO zur Verhinderung von Rechtsverstößen die Rede sein kann, ist fraglich, wird jedoch erst an entsprechender Stelle näher erörtert werden.391 Damit man sich allerdings ein ungefähres Bild von der Compliance-Funktion machen kann, ist ein Blick auf spezialgesetzliche Regelungen hilfreich. So schreibt im Kapitalmarktrecht § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpHG Wertpapierdienstleitern die Einrichtung einer dauerhaften, wirksamen und unabhängigen Compliance-Funktion vor. Diese Pflicht wird durch § 12 WpDVerOV392 konkretisiert. Zudem legt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit den am 7. Juni 2010 veröffentlichten Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach § 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp) die Auslegung der gesetzlichen Anforderungen an Compliance dar. Wie bereits festgestellt, beruhen diese spezialgesetzlichen Regelungen auf besonderen Risiken des Finanzsektors, die nicht ohne Weiteres mit der Risikosituationen in anderen Wirtschaftsbereichen gleichzusetzen sind.393 Daher können auch die Regelungsvorgaben für die Funktion des CO auch nicht pauschal auf einen freiwillig implementierten CO übertragen werden. Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschriften wurde mangels vergleichbarer Interessenlage bereits abgelehnt.394 Namentlich Schwark ist der Auffassung, dass sich aus den allgemeinen Geschäftsleiterpflichten etwa aus § 93 AktG oder § 43 GmbHG eine Verpflichtung ergeben könne, ähnliche Organisationsstrukturen wie in § 33 WpHG aufzubauen.395 Dieser Auffassung ist beizupflichten. Branchenfremde Standards sind als Orientierungsmaßstab geeignet, um Interessenkonflikten des CO oder einer Ineffektivität der Compliance-Organisation vorzubeugen. Sie liefern Anhaltspunkte für eine ef388

Vgl. Bürkle, in: Hauschka, Compliance, § 8 Rn. 8 f. Kraft/Winkler, CCZ 2009, 29 (32). 390 Wie hier Favoccia/Richter, AG 2010, 137 (138); Kraft, wistra 2010, 81 (84); Rieder, in: FS Goette, 2011, S. 413 (415); Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53; M. Wolf, BB 2011, 1353 (1356 f.). 391 Vgl. unten Teil 2, E. IV. 1. und 2. 392 Vgl. hinsichtlich dieser Vorschriften oben Teil 2, B. I. 393 Vgl. oben Teil 2, C. I. 394 Vgl. oben Teil 2, C. I. 395 Schwark, in: Schwark, KMRK, 3. Aufl. 2004, § 33 WpHG Rn. 2; so auch Fett, in der 4. Aufl. 2010 in Schwark/Zimmer, KMRK, § 33 WpHG Rn. 2; ebenso Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113 ff. 389

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Teil 2: Compliance

fektive Ausgestaltung der Funktion des CO.396 Ein Blick auf § 33 WpHG i.V.m. § 12 WpDVerOV veranschaulicht, wie das Spannungsfeld zwischen unabhängiger Aufgabenwahrnehmung und Arbeitnehmerstatus des CO, und die Letztverantwortlichkeit der Unternehmensleitung durch den Gesetz- und Verordnungsgeber ausgestaltet wurde.397 Eine direkte rechtliche Wirkung kann ihnen aber nicht zugesprochen werden,398 sondern lediglich eine „Schrittmacherfunktion“.399 1. Position im Unternehmen Die Geschäftsleitung ist die oberste Instanz im unternehmensinternen Compliance-System.400 Nicht abschließend geklärt ist, auf welcher Ebene der CO innerhalb der Unternehmenshierarchie angesiedelt sein muss. Die Heranziehung des § 33 WpHG bzw. § 12 WpDVerOV zur Orientierung an branchenfremde Standards erübrigt sich, da sie insoweit keine Vorgaben machen. In der Literatur wird teilweise vorgeschlagen, dass der CO der Vorstandsebene unmittelbar nachgeordnet sein muss. Spindler ist der Meinung, dass dies im Lichte des grundsätzlichen unternehmerischen Ermessens bei der Ausgestaltung der Organisation nicht pauschal beantwortet werden könne, da die Größe des Unternehmens und seine Risikoexposition maßgeblich für die Einbettung der Compliance-Organisation sei.401 Diese Ansicht überzeugt nicht, vielmehr ist eine direkte Unterordnung aus mehreren Gründen geboten. Der CO hat eine herausgehobene Stellung, da er umfangreiche Aufgaben und große Verantwortung übernimmt. Ihm werden unternehmerische (Teil-)Aufgaben übertragen,402 die den Umgang mit hochsensiblen Informationen beinhalten. Er kann durch die direkte Unterordnung auf die Informationen schnell und unbürokratisch zugreifen sowie daraus resultierende Pflichten abschätzen.403 Darüber hinaus ist die Nähe zum Vorstand schon aus Glaubwürdigkeitsgründen angebracht, da den Mitarbeitern schon wegen des organisatorischen Aufbaus die Bedeutung der Compliance bewusst wird.404 Auch das MaComp-Rundschreiben der BaFin405 legt in BT 1.1.1 Ziffer 4 dar, dass sich die Bedeutung der Compliance-Funktion an ihrer Stellung in der Unternehmenshierarchie widerspiegeln soll. Die Stellung des Geldwäschebeauftragten muss gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 GwG ebenso „der Geschäftsleitung unmittelbar nachgeordnet“ sein. Daher wird man grundsätzlich davon 396

Krieger/Günther, NZA 2010, 367 (369); Illing/Umnuß, CCZ 2009, 1 (4). Krieger/Günther, a.a.O.; Illing/Umnuß, a.a.O. 398 Fecker/Kinzl, CCZ 2010, 13 (15); Illing/Umnuß, a.a.O., S. 7. 399 Bachmann, in: VGR-Schriftenreihe 2008, S. 51 (70); Fleischer, ZIP 2003, 1 (10). 400 Vgl. oben Teil 2, D. IV. 401 Spindler, WM 2008, 905 (914). 402 Casper, in: Bankrechtstag 2008, S. 139 (146); Lösler, WM 2008, 1098 (1102 f.). 403 Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 325 f. 404 Schweizer, Insiderverbote, S. 174; Lampert, BB 2002, 2237 (2239); Lebherz, a.a.O. 405 Rundschreiben 4/2010 (WA) abrufbar unter: http://www.bafin.de/cln_152/nn_722758/ SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Service/Rundschreiben/2010/rs_1004_wa_macomp.html. 397

E. Die Figur des Compliance-Officers

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ausgehen können, dass der CO eine Stellung an der Schnittstelle zwischen Unternehmensleitung und Belegschaft inne hat.406

2. Unabhängigkeit § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpHG fordert „die Einrichtung und Unterhaltung einer dauerhaften und wirksamen Compliance-Funktion, die unabhängig“ sein muss. Fraglich ist, was mit dem Unabhängigkeitserfordernis gemeint ist. Hierzu bestehen dreierlei Vorstellungen von Unabhängigkeit: die disziplinarische, die organisatorische und die finanzielle Unabhängigkeit.407 In BT 1.1.1 MaComp legt die BaFin dar, was aus ihrer Sicht für die Unabhängigkeit der Compliance-Funktion notwendig ist. In BT 1.1.1 Ziffer 1 MaComp wird festgestellt, dass der CO im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung fachlich nur gegenüber der Geschäftsleitung weisungsgebunden ist. Diese Vorstellung von Unabhängigkeit betrifft die disziplinarische Weisungsfreiheit. In der Literatur wird zum Teil vertreten, dass der CO weisungsfrei handle soweit er seine Aufgaben erfüllt, d. h. auch die Geschäftsleitung könne ihm keine Vorgaben bezüglich der Beseitigung von Unzulänglichkeiten u. ä. machen.408 Es wurde bereits thematisiert, dass der Vorstand wenigstens seiner Kontrollaufgabe und seines Letztentscheidungsbefugnisses bezüglich Compliance nicht entmachtet wird und werden kann.409 Eine „vollständige“ Weisungsfreiheit würde ansonsten im Widerspruch zur gesellschaftsrechtlichen Leitungsverantwortung des Geschäftsführungsorgans stehen. Der CO nimmt seine Aufgaben in von der Geschäftsleitung abgeleiteter Verantwortung wahr. Ob ein weisungsfrei agierender CO durch die Geschäftsleitung effektiv überwacht werden kann, ist mehr als nur fraglich. Die Geschäftsleitung hat ein Kassationsrecht und kann die Wahrnehmung ihrer Compliance-Verantwortung jederzeit an sich ziehen und ist damit gegenüber dem CO auch weisungsbefugt.410 Zudem hätte eine vollständige Weisungsfreiheit wegen der grundrechtlich abgesicherten Organisationsautonomie ausdrücklich gesetzlich angeordnet werden müssen.411 Die disziplinarische Unabhängigkeit kann daher nur im Sinne einer Weisungsunabhängigkeit gegenüber Stellen unterhalb der Geschäftsleitung verstanden werden. Das für die Compliance-Funktion zuständige Vorstandsmitglied bleibt dagegen weisungsbefugt.412 Auch wenn der CO im öffentlichen 406

Kraft/Winkler, CCZ 2009, 29 (31). Lösler, NZG 2005, 104 (107). 408 Zuletzt Veil, WM 2008, 1093 (1097); Illing/Umnuß, CCZ 2009, 1 (4). 409 Vgl. oben Teil 2, D. VIII. 2. a) und b). 410 Vgl. oben Teil 2, D. VIII. 2. c). 411 Bürkle, in: Hauschka, Compliance, § 8 Rn. 33; Casper, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 199 (209); Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, S. 194 f.; Spindler, WM 2008, 905 (911); Röh, BB 2008, 398 (403). 412 Spindler, a.a.O. 407

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Interesse handeln würde, was nach dem o.g. nicht der Fall ist, kann eine Unabhängigkeit von Weisungen der Geschäftsleitung nicht bejaht werden. Denn sonst ließe sich argumentieren, dass Mitarbeiter stets dann, wenn sie innerhalb ihres Unternehmens Aufgaben im öffentlichen Interesse wahrnehmen, gegenüber ihrer Geschäftsleitung unabhängig wären, was so nicht vertreten wird und werden kann.413 In BT 1.1.1 Ziffer 3 MaComp wird darauf aufmerksam gemacht, dass „die Einrichtung einer selbständigen Organisationseinheit (…) regelmäßig erforderlich“ ist. Damit ist die organisatorische Unabhängigkeit angesprochen, die zum Ausdruck bringen soll, dass die Compliance-Funktion organisatorisch zu verselbständigen ist. § 12 Abs. 4 S. 4 WpDVerOV schreibt für den CO eines Wertpapierdienstleisters vor, dass er grundsätzlich nicht an den Wertpapierdienstleistungen beteiligt sein darf, die er überwacht.414 Hieraus lässt sich ein weitgehendes Verbot der Teilnahme am operativen Geschäft herleiten.415 Nach BT 1.1.1 Ziffer 8 MaComp darf die Vergütung der Mitarbeiter der Compliance-Funktion grundsätzlich nicht von der Tätigkeit derjenigen Mitarbeiter abhängen, die sie überwachen. Dies beschreibt letztlich die finanzielle Unabhängigkeit. Diese Vorgaben können verallgemeinert werden. Denn sowohl der gesetzlich zwingend vorgeschriebene als auch der freiwillig installierte CO benötigen die fachliche Weisungsfreiheit, um von den zu überwachenden Mitarbeitern ernst genommen zu werden. Zudem kann auch der nicht zwingend vorgeschriebene CO seiner Überwachungsfunktion nur dann erfolgreich nachkommen, wenn er nicht in die zu überwachende Fachabteilung eingebunden ist. Nur durch eine Trennung von „Wächter“ und „Überwachten“ kann Kontroversen aussichtsreich vorgebeugt werden.416 3. Wirksamkeit Fraglich ist, wie das Wirksamkeitsgebot in § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpHG zu verstehen ist. Auch hier ist ein Blick auf die MaComp zur Erläuterung des Begriffs hilfreich. Nach BT 1.1.2 MaComp ist die Compliance-Funktion wirksam, wenn *

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ihre Mitarbeiter in alle relevanten Informationsflüsse eingebunden sind, die für die Aufgabe der Compliance-Funktion von Bedeutung sein können (Ziffer 1), die Mitarbeiter über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügen (Ziffer 2 und 3),

413

Ebenso Fett, in: Schwark/Zimmer, KMRK, 4. Aufl. 2010, § 33 Rn. 26. Dies wird von der BaFin in BT 1.1.1 Ziffer 2 MaComp wiederholt. 415 Lösler, WM 2008, 1098 (1103); Schlicht, BKR 2006, 469 (470); Casper, in: Bankrechtstag 2008, S. 139 (147); ders., in: FS K. Schmidt, 2009, S. 199 (205); Bock, Compliance, S. 752 f.; damit lehnt sich § 12 Abs. 4 S. 4 WpDVerOV an eine entsprechende Vorgabe in Principle 5 des Baseler Bankenausschusses an. 416 So auch Krieger/Günther, NZG 2010, 367 (370); Lösler, a.a.O. 414

E. Die Figur des Compliance-Officers *

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die Compliance-Funktion über die erforderlichen Mittel verfügt, um ihre Aufgaben unabhängig wahrnehmen zu können (Ziffer 4), dem CO ein qualifizierter Vertreter zugeordnet ist (Ziffer 5) und die Aufgaben der Compliance-Funktion in den Arbeits- und Organisationsanweisungen festgehalten sind (Ziffer 6). a) Fachkenntnisse des CO und die Vertretungsregelung

Die Fachkenntnisse417 des CO sind eine unerlässliche Voraussetzung. Er muss hinreichend qualifiziert und zuverlässig sein. Mit Inkrafttreten des im Zuge des Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes (AnsFuG)418 neu erlassenen § 34d WpHG n.F. wird diese Voraussetzung einmal mehr betont. Danach muss der CO die Qualifikationsmerkmale „Sachkunde“ und „Zuverlässigkeit“ erfüllen. Welche konkreten persönlichen und fachlichen Kenntnisse der CO aufweisen muss, ob er beispielsweise ein Jurist419 sein sollte oder nicht vielmehr eine betriebswirtschaftliche Ausbildung genossen haben könnte, kann nicht allgemeingültig beantwortet werden. Maßgebend ist vielmehr, dass der CO Führungserfahrung aufweist, die Bereitschaft zur Durchsetzung von Veränderungsprozessen zeigt, sowohl im Projekt- als auch im Risikomanagement Erfahrungen mitbringt, über ein Verständnis des operativen Geschäfts und seine Prozesse verfügt, aber auch Kenntnis von den einschlägigen Rechtsvorschriften hat und erfahren genug ist, diese anzuwenden. Darüber hinaus sind Kenntnisse der Finanz-, Revisions- und Untersuchungsprozesse unabdingbar.420 Überdies muss er sich selbst permanent fortbilden.421 Verallgemeinerungsfähig sind auch die geforderte Vertretungsregelung des CO und die Aufgabenbeschreibung in den Arbeitsund Organisationsanweisungen. b) Auskunfts-, Einsichts- und Zugangsrechte Die Ausführungen zur Einbindung der Compliance-Funktion in alle relevanten Informationsflüsse verdienen eine nähere Betrachtung. Nach BT 1.1.2 Ziffer 1 S. 2 ff. MaComp ist den Mitarbeitern der Compliance-Funktion Zugang zu allen für ihre Tätigkeit relevanten Informationen zu gewähren. Es muss gewährleistet sein, dass der CO ein uneingeschränktes Auskunfts-, Einsichts- und Zugangsrecht zu sämtlichen Räumlichkeiten und Unterlagen, Aufzeichnungen, Tonbandaufnahmen, 417

Vgl. die einzelnen Kritieren eingehend bei Bock, Compliance, S. 626 ff. BT-Drucks. v. 25.2. 2011, 101/11; BGBl. I 2011, 538 ff. 419 J. Hüffer/Uwe H. Schneider, ZIP 2010, 55; differenzierend Moosmayer, AnwBl. 2010, 634 (636). 420 Moosmayer, Compliance, S. 37 f.; Bock, Compliance, S. 756 f. 421 Bock, a.a.O., S. 757. 418

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IT-Systemen sowie weiteren Informationen, die für die Ermittlung relevanter Sachverhalte erforderlich sind, hat. Mitarbeiter dürfen die Herausgabe von Unterlagen oder die Erteilung compliance-relevanter Auskünfte nicht verweigern. Das Auskunfts-, Einsichts- und Zugangsrecht muss aus eigener Initiative wahrgenommen werden können. Die Einbindung der CO in alle relevanten Informationsflüsse ist auch beim freiwillig installierten CO notwendige Voraussetzung für die Erfüllung seiner Aufgaben.422 Er muss mit der Befugnis ausgestattet sein, bei compliance-relevanten Vorgängen von anderen Stellen im Unternehmen Informationen zu verlangen. Der CO selbst ist regelmäßig nicht der originäre Informationsträger. Er kann seine Aufgaben nur dann erfüllen, wenn eine ausreichende Informationsversorgung gewährleistet ist. Dies hat zur Folge, dass er von der Informationsweitergabe seitens der Mitarbeiter abhängig ist; dazu gehört aber vor allem auch die Einräumung des Zugangs zu allen für seine Tätigkeit relevanten Informationen, damit er sich diese beschaffen kann. Darunter ist das uneingeschränkte Auskunfts-, Zugangs- und Einsichtsrecht hinsichtlich aller im Unternehmen vorhandenen Unterlagen, Bücher, und Aufzeichnungen sowie eventuell vorhandener Tonbandaufzeichnungen zu verstehen.423 Dies entspricht auch internationalen Standards.424 Freilich sind dabei datenschutzrechtliche Bestimmungen, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu beachten.425 c) Erforderliche Mittel zur Aufgabenerfüllung Hinsichtlich der notwendigen Mittel der Compliance-Funktion stellt BT 1.1.2 Ziffer 4 S. 2 und 3 MaComp fest, dass die Mittel sich an Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt des Geschäftsmodells und den daraus resultierenden Aufgaben orientieren sollen.426 Um seine Aufgaben erfüllen zu können, muss der CO die notwendigen „Werkzeuge“ zur Hand haben. Ansonsten kann keine Handlungsverantwortung bei ihm entstehen.427 Um bestimmen zu können, welche sachlichen und personellen Mittel dies sind, ist an dieser Stelle ein Blick auf die vergleichbare Situation des Immissionsschutzbeauftragten nach § 55 Abs. 4 BImSchG hilfreich: 422

Vgl. hinsichtlich dem CO im Wertpapierdienstleistungsunternehmen Eisele, in: Schimansky/Bunte/Lw-owski, Bankrechts-Hdb., § 109 Rn. 107; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 33 Rn. 3; Zingel, BKR 2010, 500 (503); Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, S. 193. 423 Bürkle, in: Hauschka, Compliance, § 8 Rn. 34; Wybitul, BB 2009, 2590 (2593); Lösler, WM 2008, 1098 (1102); Spindler, WM 2008, 905 (911). 424 Basel Committee on Banking Supervision: Compliance and the compliance function in banks, April 2005, Rn. 30 ff.; abrufbar unter http://www.bis.org/publ/bcbs113.pdf. 425 Vgl. hierzu Salvenmoser/Hauschka, NJW 2010, 331 ff. 426 Vgl. Zingel, BKR 2010, 500 (503). 427 Krieger/Günther, NZA 2010, 367 (370 f.); Hauschka, NJW 2004, 257 (259 f.).

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„Der Betreiber hat den Immissionsschutzbeauftragten bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen und ihm insbesondere, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist, Hilfspersonal sowie Räume, Einrichtungen, Geräte und Mittel zur Verfügung zu stellen und die Teilnahme an Schulungen zu ermöglichen.“

Von wesentlicher Bedeutung ist aber auch, ob der CO gegenüber anderen Unternehmensangehörigen im Konfliktfall Weisungs- und Anordnungskompetenz besitzen muss oder ob es ausreicht, dass er sich auf eine Eskalation beschränken kann. aa) Weisungs- und Anordnungsrecht contra Eskalationsrecht Ein Blick auf die kapitalmarktrechtlichen Vorschriften zeigt, dass sich die dortigen Stellungnahmen in der Literatur uneinig sind. Nur zur Orientierung soll gleichwohl die kapitalmarktrechtliche Rollenverteilung herangezogen werden. Einige folgern aus § 33 Abs. 1 Nr. 5 WpHG und § 12 Abs. 4 S. 3 WpDVerOV, dass auf der Ebene der Compliance-Funktion Entscheidungsrechte bestehen müssen.428 Tatsächlich könnte vor allem § 12 Abs. 4 S. 3 WpDVerOV für ein Weisungsrecht streiten, wenn er formuliert, dass die Compliance-Funktion auch die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Kompetenzen haben muss. Dabei handle es sich nicht nur um Eskalationsrechte, sondern auch um Weisungsrechte. Nur auf diese Weise sei eine wirksame Compliance zu gewährleisten.429 Zudem würde der Normzweck der Vorschriften dafür sprechen, dass der CO über ein solches Weisungsrecht verfügen müsse, um Rechtsverstößen bestenfalls bereits im Vorfeld begegnen zu können. Diese Auffassung überzeugt indes nicht. Es ist nicht erforderlich, dem CO Kompetenzen zur Behebung von Missständen Weisungsrechte einzuräumen, da es nicht zu den mit der Kontrolle der Einhaltung von Vorschriften verbundenen Kompetenzen gehört, auch Weisungen zum Abstellen von Missständen oder zur Prävention von Verstößen zu erteilen. Dies bleibt die Aufgabe des für die Compliance-Aufgaben primär zuständigen Vorstands,430 dem das Letztentscheidungsrecht und damit die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich des weiteren Vorgehens obliegen. Denn Abhilfemaßnahmen stellen keine Ausführung- bzw. Vorbereitungsaufgaben dar, vielmehr gehören sie zur Leitungsverantwortung und fallen in die nicht delegationsfähige Letztverantwortung der Geschäftsleitung.431 Hätte der CO das Recht zur Anordnung von Abhilfemaßnahmen, so würde dies der gesellschaftsrechtlich

428 So Veil, WM 2008, 1093 (1098); Harm, Compliance im Wertpapierdienstleistungsunternehmen, S. 58 ff. 429 Veil, a.a.O.; Harm, a.a.O. 430 So auch Spindler, WM 2008, 905 (911); Lösler, WM 2008, 1098 (1102). 431 Vgl. oben Teil 2, D. V. und VI. und Krieger/Günther, NZA 2010, 367 (371).

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vorgeschriebenen Rollenverteilung zwischen Geschäftsführung und der darunter liegenden Führungsebene widersprechen.432 Dem CO kommt daher überwiegend eine beratende Funktion433 zu, ohne eine eigene Entscheidungsbefugnis. Zwar hat er im Rahmen der an ihn delegierten Aufgaben auch die Überwachungspflicht über die Mitarbeiter erhalten, die Handlungspflicht beschränkt sich aber auf die Information der nächsthöheren Ebene.434 In diesem Zusammenhang ist die wohl wesentliche Kompetenz des CO das sogenannte Eskalationsrecht, also die unverzügliche Berichtspflicht des CO über die neuen Erkenntnisse an den Vorstand.435 Auch der im Zuge des AnsFuG436 am 5. April 2011 neu eingefügte Satz 2 des § 12 Abs. 3 WpDVerOV führt zu keinem anderen Ergebnis. Danach muss der CO „berechtigt sein, geeignete und erforderliche vorläufige Maßnahmen zu treffen, um eine konkrete Gefahr der Beeinträchtigung von Kundeninteressen bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen […] abzuwenden“. Es ist von vorläufigen Maßnahmen die Rede. Ein Weisungsrecht dagegen stellt eine endgültige Maßnahme dar. Es ist davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber mit dieser Regelung das Eskalationsrecht des CO ausdehnen und ihm nicht eine Weisungsbefugnis zusprechen wollte. Um den Rechtsgüterschutz zu verstärken, ist diese Regelung nur begrüßenswert. Es bleibt damit festzuhalten, dass dem CO keine relevante Weisungsbefugnis und Anordnungskompetenz zusteht. Wesentliche Regelungsbereiche, wie z. B. die Ahndung von Mitarbeitern bei Verstößen gegen unternehmensinterne Vorgaben sowie Entscheidungen, wie bei aufgedeckten Straftaten verfahren werden soll, obliegen weiterhin den hierfür zuständigen Fachabteilungen (etwa der Personalabteilung) des Unternehmens bzw. verbleiben bei der Unternehmensleitung.437 Der CO ist allein verpflichtet, über die jeweilige Hierarchieebene im Unternehmen zu eskalieren.438 Seine Kernpflicht besteht also in der Informationsweitergabe.439 Aus der Einräumung eines Auskunfts-, Zugangs- und Einsichtsrechts440 folgt 432 Krieger/Günther, a.a.O.; Rodewald/Unger, BB 2007, 1629 (1632); Illing/Umnuß, CCZ 2009, 1 (4); Kraft/Winkler, CCZ 2009, 29 (31); Spindler, WM 2008, 905 (911); Lösler, WM 2008, 1098 (1102); ders., Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, S. 193. 433 Im Kapitalmarktrecht ergibt sich dies aus § 12 Abs. 3 Nr. 2 WpDVerOV. 434 Geiser, Leitungspflichten, S. 207 f. 435 Wie hier Lösler, WM 1098 (1102); ders., NZG 2005, 104 (108); Spindler, WM 2008, 905 (911); Kraft/Winkler, CCZ 2009, 29 (31); Rieder, in: FS Goette, 2011, S. 413 (419). 436 Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes; BGBl. I 2011, 538 ff. 437 Kraft/Winkler, a.a.O. 438 Dafür vor allem Lösler, WM 2008, 1098 (1104); ders., WM 2007, 677 (679); Eisele, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 109 Rn. 105; Casper, in: Bankrechtstag 2008, S. 139 (159 ff.). 439 Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (59); Rodewald/Unger, BB 2007, 1629 (1630).

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aber, dass der CO von anderen Stellen im Unternehmen Unterlagen anfordern und Informationen verlangen kann, wobei damit die Pflicht der Adressaten korrespondiert, einer solchen Anforderung nachzukommen. In diesem Rahmen muss der CO auch die nötigen Weisungsrechte besitzen, um Unterlagen oder Informationen abzufordern.441 Andererseits würde es der Funktion der Compliance als einer Kontrolle der Einhaltung von Regeln widersprechen; eine objektive Überwachung wäre weitestgehend ausgeschlossen. bb) Strafanzeigerecht Fraglich ist, ob sich der CO bei (vermuteten) Rechtsverstößen am Vorstand vorbei an Behörden (etwa an die Staatsanwaltschaft) wenden muss und darf. Die Leitung der Gesellschaft obliegt den dafür zuständigen Organen, in der AG dem Vorstand, der die Gesellschaft „unter eigener Verantwortung“ (§ 76 AktG) leitet. Compliance dient dem Unternehmensschutz und der Schutz der Allgemeinheit ist lediglich als Regelungsreflex anzusehen.442 Der CO steht lediglich im engen Kontakt zur Unternehmensleitung, wobei die Geschäftsleiter die Letztverantwortung für die Leitungsfunktion der Gesellschaft tragen. Daher kann der CO nicht an dem Leitungsorgan vorbei für die Gesellschaft handeln. Er würde sich sonst über den Vorstand hinwegsetzen.443 Zudem treffen den CO arbeitsrechtliche Verschwiegenheits- und Loyalitätspflichten, die nur in Ausnahmefällen zurückstehen und dann allenfalls ein Recht zur externen Anzeige einräumen.444 Ferner ergibt sich dies aus einem Umkehrschluss aus gesetzlich geregelten Anzeigepflichten (etwa §§ 138 StGB, 6 SubvG, 11a Abs. 3 Nr. 3 VAG, 10 WpHG, 11 GwG).445 Allerdings kann dem CO das Recht zur Stellung von Strafanzeigen nicht gänzlich versagt werden. Nach dem BAG446, der die verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG447 umsetzt, ist „jeder Arbeitnehmer“ zur Erstattung von Strafanzeigen berechtigt, sogar derjenige welcher „nur“ einfache Aufgaben wahrnimmt. Am 21. Juli 2011 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR),

440

Vgl. oben Teil 2, E. II. 3. b). Fecker/Kinzl, CCZ 2010, 13 (16); Spindler, WM 2008, 905 (911); Lösler, WM 2008, 1098 (1102); Bürkle, in: Hauschka, Compliance, § 8 Rn. 34; a.A. Veil, WM 2008, 1093 (1098). 442 Siehe oben Teil 2, E. I. 2. c). 443 Ebenso Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, S. 192; Hauschka, in: Bankrechtstag 2008, S. 103 (131 f.); Rodewald/Unger, BB 2007, 1629 (1632). 444 BAG NZA 2004, 427; Bürkle, DB 2004, 2158 ff.; ders., CCZ 2010, 4 (10 f.); Rönnau/ Schneider, ZIP 2010, 53 (60); Rönnau, Symposium CO, S. 16. 445 Rönnau, Symposium CO, S. 16. 446 BAG v. 7.12. 2006 – 2 AZR 400/05, AP Nr. 55 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung. 447 BVerfG v. 25.2. 1987 – 1 BvR 1086/85, BVerfGE 74, 257 (261 ff.); BVerfG v. 2.7. 2001 – 1 BvR 2049/00, NZA 2001, 888 (890). 441

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Teil 2: Compliance

dass die Entlassung einer Arbeitnehmerin wegen whistleblowing448 eine Verletzung von Art. 10 EMRK (Freiheit der Meinungsäußerung) darstellt.449 Da es sich beim CO ebenfalls um einen Arbeitnehmer handelt, gilt dies aufgrund des engen Bezugs seines Aufgabengebiets zu Straftaten erst Recht für ihn. Die arbeitsvertragliche Loyalitätsund Verschwiegenheitspflicht ist deshalb verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der CO erst dann Strafanzeige erstatten darf, wenn er alle Mittel unternehmensinterner Abhilfe erfolglos ausgeschöpft hat.450 4. Dauerhaftigkeit BT 1.1.3 MaComp legt dar, dass die Compliance-Funktion dauerhaft eingerichtet sein muss und Überwachungshandlungen auf der Grundlage eines Überwachungsplans und regelmäßig zu erfolgen haben. Die Pflicht zur regelmäßigen Überwachung ergibt sich bereits auch aus § 12 Abs. 3 Nr. 1 WpDVerOV. Auch diese Vorgabe kann verallgemeinert werden. Denn bei nur anlassbezogener Überwachung kann von einer erfolgreichen Compliance-Organisation nicht die Rede sein.

III. Aufgaben des CO Hinsichtlich der Aufgaben des CO gilt auch, dass sie sich nicht standardisierend beschreiben lassen. Eine gesetzliche Vorgabe für den freiwillig installierten CO besteht nicht. Eine für den CO zugeschnittene Ausbildungsordnung existiert ebenso nicht. Vielmehr ist der Pflichtenkreis des CO im Grundsatz frei disponibel.451 Der Geschäftsleiter kann den Pflichtenkreis des CO einzelvertraglich im Rahmen des unternehmerischen Organisationsermessens frei bestimmen, wobei er hier die arbeitsrechtlichen Grenzen zu beachten hat.452 Er kann geradezu bestimmen, ob er überhaupt die Compliance-Aufgaben beim CO bündelt oder ob er seiner Unternehmensorganisationspflicht anderweitig nachkommt. Eine Einschränkung dieses Ermessens kann indes durch Branchenstandards, Vorkommnisse im Unternehmen selbst oder in Unternehmen derselben Branche geboten sein.453 Eine allgemeine Beschreibung des Aufgaben- und Pflichtenkreises des CO ist daher nur eingeschränkt möglich. In der Praxis finden sich Funktionsträger mit recht 448 Whistleblowing bedeutet die Offenlegung von Misständen in Unternehmen und Institutionen durch einen Arbeitnehmer. 449 EGMR AZ.: 28274/08, Pressemitteilung abrufbar unter: Chamber_judgment_Hei nisch_v_Germany_German_version_21.07.11[1].pdf. 450 Ebenso auch Bürkle, CCZ 2010, 4 (10 f.), Favoccia/Richter, AG 2010, 137 (141 ff.). 451 Vgl. auch Fecker/Kinzl, CCZ 2010, 13 (14 ff.); M. Wolf, BB 2011, 1353 (1356). 452 Kraft/Winkler, CCZ 2009, 29 (32); Campos Nave/Vogel, BB 2009, 2546 (2547); so auch Berndt, StV 2009, 687 (691); Illing/Umnuß, CCZ 2009, 1 (2); Fecker/Kinzl, a.a.O. S. 15. 453 Vgl. Bürkle, in: Hauschka, Compliance, § 8 Rn. 6; ders., BB 2005, 565; Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173 (2174).

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unterschiedlichen Aufgabenbereichen. Auch § 33 Abs. 1 WpHG i.V.m. § 12 Abs. 3 und 4 WpDVerOV beschreibt den Aufgabengebiet des zwingend zu ernennenden CO für Wertpapierdienstleistungsunternehmen nur begrenzt, sodass ein Rückgriff auf diese Vorschrift nicht hilfreich erscheint. Ein Blick auf das BaFin-Rundschreiben 4/ 2010 (WA) hilft an dieser Stelle ebenso nicht weiter. Zwar werden in BT 1.2 MaComp die Aufgaben der Compliance-Funktion näher beschrieben. Allerdings ist die Beschreibung zu sehr auf den CO im Wertpapierdienstleistungsunternehmen zugeschnitten, so dass eine Verallgemeinerung nicht in Betracht kommt. Blickt man auf die Grundfunktionen einer wirksamen Compliance, so lässt sich gleichwohl ein entsprechendes Aufgabenprofil des CO entwickeln. Nach Moosmayer lassen sich drei Grundfunktionen festmachen. Die Prävention, die Aufdeckung von Fehlverhalten und die Sanktion.454 Ein Compliance-System kann nur dann Erfolg haben, wenn schon präventiv gegen Fehlverhalten vorgegangen wird und nach der Aufdeckung eines Fehlverhaltens dieses sanktioniert wird. Für den Erfolg entsprechender Maßnahmen im Unternehmen ist es entscheidend, Compliance als positive Präventionsstragie zu begreifen. Um aber die Ernsthaftigkeit des errichteten Compliance-Systems darzulegen, bedarf es ferner auch repressiver Maßnahmen, insbesondere der Aufdeckung begangener Rechtsverstöße und der Sanktionierung der handelnden Personen.455 Ausgehend vom Bild eines CO lässt sich daher folgendes grundlegendes Aufgabenprofil entwickeln:456 *

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Gestalten eines Konzepts für die Unternehmensleitung zur Errichtung eines umfassenden Compliance-Systems; Unterstützung der Unternehmensleitung und der zuständigen Führungskräfte bei der Implementierung des Compliance-Systems im Unternehmen und in die Geschäftsprozesse sowie in allen die Compliance betreffenden Fragen; Erstellung, Dokumentation und Vorschläge zur ständigen Neuerung und Verbesserung des Compliance-Systems; Informationssammlung und -auswertung; koordinieren der Informationsflüsse „von unten nach oben“ sowie „von oben nach unten“; präventive Beratung und bedarfsgerechte Schulung der zugeordneten Unternehmenseinheiten bzw. der Mitarbeiter und zwar bezogen auf deren, durch die Risikoanalyse erkannten Anforderungen; Überwachung der Einhaltung der Compliance-Maßnahmen; 454

Moosmayer, Compliance, S. 36 f. Dreher, ZWeR 2004, S. 75; Arnold, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb., § 18 Rn. 18; Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173 (2174); Lampert, in: Hauschka, Compliance, § 9 Rn. 32. 456 Siehe hierzu Moosmayer, Compliance, S. 36 f.; ders., AnwBl. 2010, 634 ff. aber auch Bürkle, in: Hauschka, Compliance, § 8 Rn. 23 ff.; Bock, Compliance, S. 746 ff., Hauschka, AnwBl. 2010, 629 ff. 455

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Teil 2: Compliance

turnusmäßige oder anlassbezogene Berichterstattung über die wesentlichen rechtlichen Vorkommnisse im Unternehmen sowie Veränderungen im rechtlichen Unternehmensumfeld; Durchführung oder zumindest Koordination bzw. Unterstützung von internen Untersuchungen zur Aufdeckung von möglichem Fehlverhalten und in Zusammenarbeit mit der Unternehmensleitung bzw. den zuständigen Führungskräften Sicherstellung, dass nach Aufdeckung von Fehlverhalten geeignete disziplinarische Maßnahmen zur Ahndung getroffen, erkannte Schwachstellen im Compliance-System beseitigt und dieses entsprechend „nachgerüstet“ wird.457

Bezüglich der Überwachungsaufgabe des CO ist noch darauf hinzuweisen, dass er kein kleiner Aufsichtsrat ist.458 Vielmehr ist er allein für die Überwachung des gesetzeskonformen Verhaltens verantwortlich. Eine weitergehende Überwachungsaufgabe hinsichtlich der Leitungsfunktion des Vorstandes steht dem CO gerade nicht zu.459 Ihm obliegt zum einen die Pflicht, bei einem Verdacht konkrete Untersuchungen zur Aufdeckung von Gesetzesverstößen durchzuführen. In den Bereich der repressiven Tätigkeit fällt zum anderen aber auch die Verpflichtung, Stichproben nach dem Zufallsprinzip durchzuführen.460

IV. „Regelmäßige“ Straftatverhinderungspflicht des CO 1. Straftatverhinderungspflicht Der BGH hat in seiner Entscheidung angenommen, dass es Aufgabe des CO sei, Rechtsverstöße, insbesondere auch Straftaten, die aus dem Unternehmen heraus begangen werden und diesem erhebliche Nachteile durch Haftungsrisiken und Ansehensverlust bringen können, zu verhindern.461 Betrachtet man die Ziele von Compliance, so ist es nicht verwunderlich, dass die Straftatverhinderungspflicht ein Teil der Compliance darstellt. Die Geschäftsleitung ist verpflichtet, Gesetzes- und Normverstöße zu verhindern.462 Ihr steht diesbezüglich kein Ermessen zu.463 Die Geschäftsleitung ist unproblematisch in der Lage, die Straftat eines Mitarbeiters zu verhindern. Sie kann Anordnungen treffen, kann Weisungen erteilen und/oder gegenüber einzelnen Mitarbeitern einschreiten. Werden Compliance-Aufgaben auf den CO delegiert, so stellt sich die Frage, ob er ebenso die Möglichkeit hat, Straftaten Unternehmensangehöriger zu verhindern. Dies ist deshalb problematisch, weil dem 457 458 459 460 461 462 463

Moosmayer, Compliance, S. 36 f. Casper, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 199 (206 f.). Casper, a.a.O. Casper, in: Bankrechtstag 2008, S. 139 (157 f.). BGHZ 54, 44 (49 f.) Rz. 27. Vgl. oben Teil 2. A. II. und C. I. und D. IV. Reichert/Ott, ZIP 2009, 2173 (2176).

E. Die Figur des Compliance-Officers

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CO keine Weisungsrechte und disziplinarische Befugnisse zustehen, um die Straftat des Mitarbeiters unmittelbar zu verhindern. Er wird sich auf eine Eskalation, also der Anrufung übergeordneter Instanzen, beschränken müssen. An dieser Stelle wird in der Literatur464 teilweise die Straftatverhinderungspflicht des CO gleichwohl angenommen, und zwar mit der auch sonst vertretenen Unterscheidung zwischen „Ob“ und „Wie“. Hinsichtlich des „Ob“ wird angenommen, dass der CO verpflichtet sei, die Straftat eines Mitarbeiters im Unternehmen zu verhindern. Bezüglich des „Wie“ wird darauf abgestellt, dass er durch die Information der Geschäftsleiter seiner Pflicht Rechnung trägt. Diese Unterscheidung mutet deshalb seltsam, weil durch die Information des Geschäftsleiters die Straftat immer noch nicht verhindert wird. Vielmehr hängt es dann vom Willen des Geschäftsleiters ab, welches unter Berücksichtigung der Willensentschließungsfreiheit nicht vorhergesagt werden kann. Dass die Information des Geschäftsleiters noch nicht als eine Straftatverhinderung angesehen werden kann, bedarf insofern keiner näheren Erörterung. Daher trifft es nicht zu, anzunehmen, der CO sei verpflichtet, die Straftat des Mitarbeiters zu verhindern. Vielmehr liefert ein Blick auf die organisatorischen Rahmenbedingungen von Compliance eine Antwort auf die Verpflichtung des CO. Es wurde festgehalten, dass Leitungsaufgaben des Vorstands nicht delegationsfähig sind. Die Straftatverhinderung ist Teil der Legalitätspflicht des Vorstands und ist als solche eine Leitungsaufgabe. Es dürfen nur Ausführungs- und Vorbereitungsaufgaben delegiert werden. Wenn dies so ist, kann von einer Straftatverhinderungspflicht auch mit der von der Literatur vertretenen Unterscheidung zwischen „Ob“ und „Wie“ nicht die Rede sein. Vielmehr muss der CO seinen Aufgaben entsprechend nur Maßnahmen zur Verhinderung der Straftat eines Mitarbeiters ergreifen. Nur diesbezüglich trifft ihn eine solche Pflicht. Da er keine Anordnungs- und Weisungsbefugnisse hat, kann er die Maßnahme der Information des Geschäftsleiters ergreifen. 2. „Regelmäßig“? Es ist also nicht zu untersuchen, ob den CO regelmäßig eine Straftatverhinderungspflicht trifft, sondern ob er regelmäßig dazu verpflichtet ist, Maßnahmen zur Verhinderung der Straftat eines Mitarbeiters zu ergreifen. Betrachtet man die gewöhnlichen Aufgaben des CO und lässt man auch nicht außer Betracht, wann die Unabhängigkeit, die Wirksamkeit und die Dauerhaftigkeit der Compliance-Funktion gegeben sind, so kann eine „regelmäßige“ Pflicht zur Ergreifung von Maßnahmen zur Straftatverhinderung angenommen werden. Freilich kann die Stellung des CO von Unternehmen zu Unternehmen variieren. „Regelmäßig“ heißt aber auch nicht „immer“, „permanent“ oder „kontinuierlich“, sondern „in der Regel“, „üblicherweise“ bzw. „meistens“. Daher ist es nicht unangebracht, anzunehmen, dass den CO 464 Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (56 ff.); Rößler, WM 2011, 918 (921); Reichert, ZIS 2011, 113 (117 ff.).

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Teil 2: Compliance

regelmäßig die Pflicht trifft, Maßnahmen zur Verhinderung der Straftaten Unternehmensangehöriger zu ergreifen.

V. Zusammenfassung Die weiteren Untersuchungen in diesem Teil der Arbeit haben zusammengefasst zu den folgenden Ergebnissen geführt: Der nachgeordnete, für die ComplianceAufgaben zuständige Mitarbeiter wird CO genannt und ist nicht gleichzusetzen mit einem Unternehmensbeauftragten, der gleichzeitig sowohl dem jeweiligen Unternehmensinteresse als auch dem öffentlichen Interesse hinsichtlich der Umsetzung von öffentlich-rechtlichen Vorgaben nachgeht. Der CO steht unterhalb der Geschäftsleitungsebene und ist im Rahmen seiner Aufgabenerledigung fachlich nur gegenüber der Geschäftsleitung weisungsgebunden. Die Compliance-Funktion ist insbesondere dann wirksam, wenn der CO die erforderlichen fachlichen Qualifikationen aufweist, ihm uneingeschränkte Auskunfts-, Einsichts- und Zugangsrechte zustehen und er die erforderlichen Mittel zur Aufgabenerfüllung besitzt. Erforderlich, aber auch ausreichend ist hierzu, dass er ein Eskalationsrecht besitzt. Weisungsrechte dürfen nicht auf den nachgeordneten CO übertragen werden, da dies der gesellschaftsrechtlich vorgeschriebenen Kompetenzverteilung widersprechen würde. Anhand der drei Grundfunktionen (Prävention, Aufdeckung von Fehlverhalten und die Reaktion hierauf) des CO lässt sich ein Aufgabenprofil entwickeln. Kurz zusammengefasst, lässt sich feststellen, dass der CO keine Entscheidungsinstanz darstellt und lediglich eine beratende und unterstützende Funktion wahrnimmt. Diesbezüglich erstreckt sich seine Zuständigkeit im Wesentlichen auf die Implementierung, Dokumentation und Unterbreitung von Vorschlägen zur ständigen Weiterentwicklung des Compliance-Systems. Ferner muss er den Informationsfluss „von unten nach oben“ und „von oben nach unten“ koordinieren und turnusgemäß oder ad hoc Bericht über die wesentlichen rechtlichen Vorkommnisse im Unternehmen sowie Veränderungen im rechtlichen Unternehmensumfeld erstatten. Weiter muss er insbesondere die Einhaltung der Compliance-Maßnahmen überwachen und in Zusammenarbeit mit der Unternehmensleitung sicherstellen, dass aufgedecktes Fehlverhalten sanktioniert wird. Eine unmittelbare Straftatverhinderungspflicht hat der CO mangels Anordnungs- und Weisungsbefugnisse nicht. Diesbezüglich ist auch nicht zwischen dem „Ob“ und „Wie“ der Straftatverhinderung zu differenzieren. Vielmehr ist der CO dazu verpflichtet, Maßnahmen zur Verhinderung von Straftaten zu ergreifen. Die Eskalation stellt eine solche Maßnahme dar.

Teil 3

Die Garantenstellung des CO in der Rechtsprechung und der Literatur A. Vorbemerkung Die Prüfung der strafrechtlichen Garantenstellung des CO bereitet insbesondere deshalb große Schwierigkeiten, weil im Bereich der unechten Unterlassungsdelikte nur die Vorschrift des § 13 StGB existiert, die ihrem Wortlaut nach nur wenig Anhaltspunkte bietet. Eine spezialgesetzliche Regelung besteht nicht. Hinzu kommt, dass das Thema noch besondere Schwierigkeiten bereitet, da der CO kein Betriebsinhaber bzw. -leiter ist, sondern lediglich ein Mitarbeiter mit entsprechenden Compliance-Aufgaben. Ist nun der CO Garant dafür, dass er wissentlich eine Straftat eines Unternehmensangehörigen nicht verhindert bzw. keine Maßnahmen zur Straftatverhinderung ergreift? An Stellungnahmen zu dieser Frage mangelt es in der Literatur seit dem obiter dictum des 5. Strafsenats des BGH vom 17. Juli 2009 nicht, wenngleich die Meinungen freilich differieren. Davor befanden sich erste Problematisierungen nur im auch vom BGH aufgegriffenen Aufsatz von Kraft/Winkler465. In der Fachliteratur wird das Urteil zur „Grundsatzentscheidung zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit von CO“ hochstilisiert.466 Nachfolgend soll die Entscheidung des 5. Senats und die wesentlichen Meinungen in der Literatur einer kritischen Würdigung unterzogen werden. Um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, soll primär nach den vertretenen Meinungen geordnet werden.

B. Die Ansicht des BGH467 Der BGH468 bejaht die Garantenstellung des CO aus seiner Stellung und Funktion im Unternehmen. Durch die Übernahme eines Pflichtenkreises könne eine rechtliche 465

Kraft/Winkler, CCZ 2009, 29. Wybitul, BB 2009, 2263 (2264); ders., BB 2009, 2590 ff.; Grau/Blechschmidt, DB 2009, 2142 (2145); zurückhaltender Thomas, CCZ 2009, 239 (240) und zahlreiche Online-Stellungnahmen. 467 Zum Sachverhalt siehe oben Teil 1, A. 468 BGH Urteil vom 17.7. 2009 – 5 StR 394/08 = BGHSt 54, 44 ff.; zustimmend Hellmann/ Beckemper, Wirtschaftsstrafrecht, § 15 Rn. 952a. 466

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Teil 3: Garantenstellung des CO in Rechtsprechung und Literatur

Einstandspflicht i.S.d. § 13 Abs. 1 StGB begründet werden. Die Entstehung einer Garantenstellung hieraus folge aus der Überlegung, dass denjenigen, dem Obhutspflichten für eine bestimmte Gefahrenquelle übertragen sind, dann auch eine „Sonderverantwortlichkeit“ für die Integrität des von ihm übernommenen Verantwortungsbereichs trifft. Einer Differenzierung nach Schutz- oder Überwachungsgaranten misst der BGH keine besondere Bedeutung zu, weil die Überwachungspflicht gerade dem Schutz bestimmter Rechtsgüter diene und umgekehrt ein Schutz ohne entsprechende Überwachung des zu schützenden Objekts kaum denkbar erscheine. Um diese Argumentation zu untermauern, wird auf die Politbüroentscheidung469 verwiesen. Maßgeblich sei die Bestimmung des Verantwortungsbereichs, den der Verpflichtete übernommen habe. Dabei komme es nicht auf die Rechtsform der Übertragung an, sondern darauf, was unter Berücksichtigung des normativen Hintergrunds Inhalt der Pflichtenbindung sei. Im Anschluss daran nennt der BGH Fallgruppen von öffentlichen und privaten Funktionsträgern, bei denen nach der Rechtsprechung eine Garantenstellung aus deren gesetzlicher Aufgabenbeschreibung ohne weiteres folge, so zum Beispiel die staatlichen oder kommunalen Repräsentanten,470 Polizeibeamten,471 die Beamten der Ordnungsbehörden472 sowie Bedienstete des Maßregelvollzugs473. Als private Funktionsträger führt der 5. Senat die Beauftragten für den Umweltschutz474 auf, denen per Gesetz Schutzpflichten übertragen seien. Sodann postuliert er die Möglichkeit der Übertragung von Überwachungs- und Schutzpflichten durch einen Dienstvertrag, wobei allerdings weder ein bloßer Austauschvertrag noch das Arbeitsverhältnis als solches genüge. Voraussetzung sei die tatsächliche Übernahme des Pflichtenkreises sowie ein besonderes Vertrauensverhältnis, welches den Übertragenden zur Abgabe der Schutzpflichten veranlasse.475 Es komme entscheidend auf die Zielrichtung der Beauftragung an, ob diese nur nach innen gerichtet sei und der Beauftragte dementsprechend nur gegen das Unternehmen gerichtete Pflichtverstöße aufzudecken und zukünftig zu verhindern habe, oder ob der Beauftragte darüber hinaus auch vom Unternehmen ausgehende Rechtsverstöße zu beanstanden und zu unterbinden habe, wobei unter diesen Gesichtspunkten die Beschreibung des Dienstpostens zu bewerten sein soll.476 Als 469

Entscheidung vom 6.11. 2002, 5 StR 281/01, BGHSt 48, 77 (92) = NJW 2003, 522. Hier zitiert der 5. Senat: BGHSt 38, 325; 48, 77 (91). 471 Hier zitiert der 5. Senat: BGHSt 38, 388. 472 Hier zitiert der 5. Senat: BGH NJW 1987, 199. 473 Hier zitiert der 5. Senat: BGH NJW 1983, 462. 474 Hier zitiert der 5. Senat: OLG Frankfurt a.M., NJW 1987, 2753 (2757) = NStZ 1987, 508; Böse, NStZ 2003, 636, etwa als Beauftragter für Gewässerschutz (§§ 21a ff. WHG), Immissionsschutz (§§ 53 ff. BImSchG) oder Strahlenschutz (§§ 31 ff. StrahlenschutzVO). [Der Gewässerschutzbeauftragte ist seit dem 1.03. 2010 in § 64 ff. WHG geregelt.]. 475 Hier zitiert der 5. Senat: BGHSt 46, 196 (202 f.); BGHSt 39, 392 (399). 476 BGH StV 2009, 687 (688) Rn. 26; Rolshoven/Hense, BKR 2009, 422 (426); Grau/ Blechschmidt, DB 2009, 2143 (2144); NJW 2009, 3173 (3174 f.). 470

C. Reaktionen in der Literatur

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Fallgruppe einer solchen Ausrichtung nennt der 5. Senat sodann die Schaffung von CO, deren Aufgabengebiet die Verhinderung von Rechtsverstößen sei, insbesondere auch von Straftaten, die aus dem Unternehmen heraus begangen werden und diesem erhebliche Nachteile durch Haftungsrisiken oder Ansehensverlust bringen können.477 Für diese Personen nimmt der BGH an, sie treffe regelmäßig eine Garantenpflicht zur Verhinderung von im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmens stehenden Straftaten der Unternehmensangehörigen. Dies sei die notwendige Kehrseite ihrer gegenüber der Unternehmensleitung übernommenen Pflicht, Rechtsverstöße und insbesondere Straftaten zu unterbinden.478

C. Reaktionen in der Literatur Als Reaktion auf das obiter dictum des BGH erging eine große Zahl von Publikationen. Sehr viele geben lediglich die Entscheidung bzw. das obiter dictum des 5. Senats wieder und weisen auf die Bedeutung der Stellenbeschreibung für den CO hin. Sie stimmen dem obiter dictum zu, ohne dieses näher zu begründen bzw. kritisch zu hinterfragen.479 Andere stimmen dem 5. Senat im Ergebnis zu, leiten die Garantenstellung des CO aber anders her.480 Wieder andere lehnen die Garantenstellung des CO insgesamt ab.481 Die Kritik bezieht sich zum einen auf das methodische Vorgehen der Richter, zum anderen auf die Begründung der strafrechtlichen Garantenstellung des CO zur Verhinderung von Straftaten Unternehmensangehöriger.

I. Kritik der Literatur am methodischen Vorgehen Zunächst wird der Verzicht auf eine Einordnung als Beschützer- oder Überwachergarantenstellung kritisiert. Die Literatur misst einer Differenzierung insofern eine Bedeutung bei, als unterschiedliche normative Wertungen zum Tragen kämen.482 Gemeinsam sei ihnen zwar, dass der Betroffene stets zum Schutz bedrohter 477

Hier zitiert der 5. Senat: Bürkle, in: Hauschka, Compliance, S. 128 ff. Hier zitiert der 5. Senat: Kraft/Winkler, CCZ 2009, 29 (32). 479 Vgl. insbesondere Wybitul, BB 2009, 2590 ff.; ders., BB 2009, 2263 ff.; Steinheimer, AuA 2010, 24 f. sowie diverse Online-Stellungnahmen. 480 Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981 ff.; Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 ff.; Ransiek, AG 2010, 147 ff.; Mosbacher/Dierlamm, NStZ 2010, 268 ff.; Schneider/Gottschaldt, ZIS 2011, 573 ff.; Hellmann/Beckemper, Fälle, Rn. 550 ff. 481 Spring, GA 2010, 222 ff.; Stoffers, NJW 2009, 3173 ff.; Warneke, NStZ 2010, 312 ff.; Campos Nave/Vogel, BB 2009, 2546 ff.; Berndt, StV 2009, 687 ff.; Frisch, BGH EWiR, § 13 StGB 1/10, S. 95 f.; Grützner, NJW 2009, Heft 43 ed. 482 Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981 (983); Warneke, a.a.O., S. 314; Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (54 f.); Kretschmer, JR 2009, 474 (475 f.); Rotsch, ZJS 2009, 712 (715 ff.); a.A. Pawlik, ZStW 111 (1999) 335 (339 ff.); Kraft, wistra 2010, 81 (85). 478

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Teil 3: Garantenstellung des CO in Rechtsprechung und Literatur

Rechtsgüter von der Rechtsordnung „auf Posten gestellt“ sei.483 Als Beschützergarant habe der Garant jedoch die Aufgabe, von seinem Verantwortungsbereich ausgehende Gefahren für die Rechtsgüter Dritter zu unterbinden, als Überwachergarant sei er rechtlich unmittelbar dafür zuständig, dass Rechtsgüter nicht beeinträchtigt werden.484 Beides lasse sich nur über ein besonderes Verhältnis des Täters zu dem jeweils geschützten Rechtsgut begründen.485 Der Überwachergarant habe die Gefahr an ihrem Ursprungsort einzudämmen, der Beschützergarant ihre Verwirklichung zu verhindern.486 Nach Warneke liege der Grund für die Beschützergarantenstellung in dem vom Garanten übernommenen Schutz des seiner Obhut unterstehenden Rechtsguts, das wegen seiner besonderen Schutzbedürftigkeit einer „Schutzherrschaft“ bedürfe. Die Garantenstellung des Überwachungsgaranten leite sich dagegen aus seiner Verantwortung für einen von ihm eröffneten und beherrschten Gefahrenherd ab, aus dessen Kontrolle „Organisationsherrschaft“ als Sonderverantwortung resultiere.487 Dannecker und Dannecker weisen diesbezüglich darauf hin, dass der Verzicht auf eine Unterteilung nach der Funktionenlehre „mit der Gefahr verbunden ist, dass die Pflichtenstellung einer Person einheitlich gesehen und nicht mehr zwischen verschiedenen Rollen unterschieden wird, die jede für sich die Voraussetzungen einer Garantenstellung erfüllen muss“.488 Es sei nicht unwahrscheinlich, dass ein Arbeitnehmer nicht immer nur eine, sondern mehrere Funktionen im Unternehmen übernimmt und nur ein Teil der Funktionen die Garantenstellung begründet. Gebe man eine Differenzierung nach verschiedenen Funktionen und Aufgaben gänzlich auf, so führe die Bejahung der Garantenstellung für einen Teilbereich zu einer Aufwertung sonstiger Pflichten, die nicht die Qualität einer Garantenpflicht haben.489 Berndt dagegen betont, dass gerade die differenzierende Betrachtung der Elemente von Schutz und Obhut einerseits und Überwachung andererseits nicht nur bei der umfassenden Ermittlung des Pflichtenkreises eines CO weiterhelfe, sondern darüber hinaus zielführend bei der Prüfung sei, ob und ggf. inwieweit sich als notwendige Kehrseite ihrer gegenüber der Unternehmensleitung übernommenen Pflicht, Rechtsverstöße und insbesondere Straftaten zu unterbinden zwanglos oder gar zwingend eine Garantenpflicht im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB ergibt.490

483 484 485 486 487 488 489 490

Rotsch, a.a.O., S. 715. Rotsch, a.a.O. Rotsch, a.a.O.; Warneke, NStZ 2010, 312 (314); Wessels/Beulke, AT, Rn. 716. Rotsch, a.a.O.; Kühl, AT, § 18 Rn. 45; Freund, Erfolgsdelikt, S. 156. Warneke, NStZ 2010, 312 (314). Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981 (983). Dannecker/Dannecker, a.a.O. Berndt, StV 2009, 687 (690).

C. Reaktionen in der Literatur

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II. Stellungnahme Auf den ersten Blick scheint die Auffassung des BGH einleuchtend zu sein, wenn er die Behauptung aufstellt, die Überwachungspflicht diene gerade dem Schutz bestimmter Rechtsgüter und umgekehrt sei ein Schutz ohne entsprechende Überwachung des zu schützenden Objekts kaum denkbar.491 Dies soll am klassischen Babysitter-Fall verdeutlicht werden: So ist der Babysitter Beschützergarant, wenn er sich zur Übernahme des „Kinderhütens“ bereit erklärt hat.492 Um die Kinder vor Gefahren tatsächlich schützen zu können, muss er sie kontrollieren, also überwachen. Anders kann er seiner Schutzfunktion nicht nachkommen. Wer aber tatsächlich diese Pflicht übernommen hat, hat nicht nur die Kinder vor den drohenden Gefahren zu schützen, sondern zugleich den von den Kindern ausgehenden Gefahren für andere entgegenzuwirken.493 Daher geht der BGH wohl davon aus, dass Überwachungs- und Schutzpflichten in einem Wechselwirkungsverhältnis stehen. Diese Ansicht des 5. Senats ist allerdings von allen Seiten Bedenken ausgesetzt. Zwar sind das Innehaben der Schutzfunktionen für ein bestimmtes Rechtsgut als auch die Verantwortlichkeit für die Überwachung einer Gefahrenquelle nicht strukturell voneinander verschieden; allerdings unterscheiden sie sich in ihrer Schutzrichtung. Im ersten Fall besteht die Pflicht dahin, das Rechtsgut umfassend gegen ihm drohende Gefahren zu schützen, im zweiten Fall hat der Garant die Pflicht, Rechtsgüter vor jenen Gefahren zu schützen, die von der Gefahrenquelle ausgehen, die er zu überwachen hat.494 M.a.W. geht es bei der Überwachergarantenstellung um die Bewahrung der Umwelt vor einer Gefahrenquelle, während es sich bei der Position als Beschützergarant um eine Konstellation handelt, in der ein bestimmtes Rechtsgut vor einer Vielzahl von Gefahren durch die Außenwelt zu schützen ist. Auch wenn der Beschützergarant ebenso wie der Überwachergarant das Rechtsgut überwachen muss, um seiner Schutzfunktion Rechnung zu tragen, ist nicht einseitig auf diese Handlungspflicht zu achten, sondern auf das jeweilige Bezugsobjekt. Stellt man nämlich richtigerweise darauf ab, so kann von einer Wechselwirkung zwischen Überwachungs- und Schutzpflicht nicht in jedem Fall die Rede sein. Eine Austauschbarkeit in jedem Einzelfall liegt nicht vor. Der Babysitter-Fall bildet insoweit eine Ausnahme. Gleiches gilt auch für den berühmten Bademeister-Fall: Der Bademeister haftet sowohl wegen Übernahme der Sicherung der besonderen Gefahrenquelle Wasser, als auch gegenüber den Badegästen wegen Entzugs eigener Abwehrbereitschaft.495

491

Zustimmend Kraft, wistra 2010, 81 (84 f.). Einhellige Auffassung, vgl. statt aller: Kühl, AT, § 18 Rn. 69; Arzt, JA 1980, 653. 493 Vgl. ausführlich Stree, in: FS H. Mayer, 1965, S. 145 (148); vgl. auch Kühl, AT, § 18 Rn. 119. 494 Otto, AT, § 9 Rn. 22; Roxin, AT II, § 32 Rn. 6; Kühl, AT, § 18 Rn. 45. 495 Wohlers, in: NK-StGB, § 13 Rn. 37. 492

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Teil 3: Garantenstellung des CO in Rechtsprechung und Literatur

Dass dies allerdings nicht stets der Fall ist, soll wiederum anhand eines anderen klassischen Beispiels verdeutlicht werden. Der Kraftfahrzeughalter ist als Überwachergarant verpflichtet, sein Fahrzeug in einem verkehrssicheren Zustand zu erhalten,496 die Benutzung durch Fahrunfähige, Fahrunkundige oder Personen ohne Fahrerlaubnis zu verhindern,497 sowie eine verkehrswidrige Lage des Fahrzeugs zu beseitigen.498 Diese Garantenpflicht ergibt sich aus der Herrschaft des Kraftfahrzeughalters über eine Gefahrenquelle, hier des Kraftfahrzeugs. Eine Pflicht des Halters, das Fahrzeug zu beschützen, besteht allerdings nicht. Ebenso wenig besteht die Pflicht, Fahrunfähige, Fahrunkundige oder Personen ohne Fahrerlaubnis zu schützen, es sei denn eine Schutzpflicht ergibt sich aus anderen anerkannten Garantenquellen (z. B. natürliche, familiäre Verbundenheit, enge Lebens- oder Gefahrengemeinschaft, u. ä.). Während der Babysitter eingreifen muss, wenn ein Dritter das zu beaufsichtigende Kind verletzen möchte, muss der Fahrzeughalter nicht eingreifen, wenn dieser Dritte sein Fahrzeug etwa verkratzen möchte. Dies zeigt eindringlich, dass doppelfunktionale Handlungen,499 also Handlungen, die beiden Grundformen angehören, möglich sind, bedeutet allerdings nicht, dass selbiges immer der Fall ist. Vielmehr kann mit Hilfe der Funktionenlehre die Richtung der Handlungspflicht aufgezeigt werden. Der Verzicht auf eine Differenzierung führt dagegen zu einer Begründung unpräziser und insbesondere konturloser Garantenpflichten. Ferner ist eine Differenzierung zwischen Überwacher- und Beschützergarantenstellung auch wegen dem Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB geboten. § 13 Abs. 1 StGB kann nur dann mit diesem Grundsatz in Einklang gebracht werden. Die Funktionenlehre sorgt nämlich dafür, dass sich die Garantenstellungen auf die beiden einzig denkbaren, sachlogisch zu unterscheidenden Verantwortungsebenen zurückführen lässt.500 Auch die aus § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB abgeleitete Garantenstellung der Ehepaare betont die Bedeutung der Differenzierung. Sie dient der Bestimmung der Reichweite der Rechtspflichten. Diese Vorschrift regelt, dass Ehegatten füreinander Verantwortung tragen. Verzichtet man nun auf eine Differenzierung zwischen Schutz- und Überwachungspflichten, so fällt die Begründung der Reichweite der Garantenstellung nicht ganz einfach. Denn erst die Unterscheidung kann die Frage nach dem sozialen Sinngehalt der Pflichten mit Inhalt füllen und um materielle Kriterien anreichern.501 Aus diesen Gründen weist Schünemann zutreffend darauf 496

BGH VRS 17 (1959) 388; VRS 37 (1969) 271. BGHSt 18, 359 (361); BGH VRS 20 (1961) 282; OLG Köln VRS 77 (1989) 231 (232). 498 OLG Stuttgart VRS 30 (1966) 78; vgl. Rudolphi/Stein, SK-StGB, § 13 Rn. 30. 499 Vgl. vor allem Wohlers, in: NK-StGB, § 13 Rn. 37; BGHSt 48, 77 (91 f.); Rudolphi/ Stein, SK-StGB, § 13 Rn. 23 nennen als Hauptbeispiel von doppelfunktionalen Handlungen die Garantenstellung kraft Übernahme einer Gefahrenabwendungsaufgabe. 500 H. Schneider, in: FS Ebert, 2011, S. 349 (353 f.). 501 H. Schneider, in: FS Ebert, 2011, S. 349 (354). 497

C. Reaktionen in der Literatur

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hin, dass die Gleichschaltung dieser Garantengruppen ein schwerer Fehler wäre. Der die rechtliche Wertung letztlich bestimmende Unterschied zwischen diesen beiden Typen bestehe darin, dass es bei der Aufsichtsgarantenstellung um die Unmündigkeit, bei der Schutzgarantenstellung dagegen um die Hilflosigkeit des Gewaltunterworfenen geht.502 Betrachtet man nun die Entscheidung des 5. Senats, so fällt auf, dass sich sowohl Ausführungen zur Überwachergarantenstellung als auch zur Beschützergarantenstellung finden lassen. Rotsch zeigt eindringlich, welche Auswirkungen der Verzicht auf eine Einordnung in Beschützer- oder Überwachergarantenstellung im entschiedenen Fall mit sich bringt. Er weist zu Recht darauf hin, dass Gesichtspunkte vermengt werden, die zum Teil eine Überwachungs- und zum anderen Teil eine Sicherungsgarantenpflicht begründen.503 Diesbezüglich führt auch der Verweis auf die Politbüroentscheidung nicht weiter. Dort beschäftigte sich der 5. Senat mit der Frage, ob Mitglieder des Politbüros wegen bloßen Unterlassens für die Tötung von Flüchtlingen an der innerdeutschen Grenze strafrechtlich verantwortlich sein können. Es wurde sowohl eine Beschützer- als auch eine Überwachergarantenstellung der Angeklagten bejaht. „Als Mitglieder des höchsten Machtorgans der DDR waren sie verpflichtet, das im Laufe der Jahre errichtete Grenzregime der DDR, von dem eine jederzeit akute Lebensgefahr für friedliche Flüchtlinge ausging, in der Weise zu überwachen und zu steuern, dass eine Tötung solcher Flüchtlinge unterblieb. Zum anderen waren die Angeklagten nach Art. 30 Abs. 1 und Abs. 3 VerfDDR verpflichtet, das Leben eines jeden Bürgers der DDR zu schützen.“504 Da beide Aspekte zum Tragen kamen, war die Unterscheidung von Schutz- und Überwacherpflichten entbehrlich, sodass sich die Frage nicht gestellt hatte, ob eine Differenzierung zweckmäßig sei oder nicht. Überdies geht der Verweis auf die Politbüroentscheidung auch deshalb fehl, weil dort gerade zwischen Beschützer- und Überwachergarantenpflichten unterschieden wird, nur werden wegen der doppelfunktionalen Handlung beide Garantenpositionen bejaht.

III. Meinungsbild zur Garantenstellung des CO Aus der Entscheidung des 5. Senats geht vor allem wegen dem Verzicht auf die Einteilung in Beschützer- oder Überwachergarant nicht eindeutig hervor, auf welcher Grundlage die Garantenpflicht des CO entstanden sein soll. In der Literatur wird seine Argumentation teilweise dahingehend verstanden, dass den CO eine originäre Garantenpflicht trifft, die durch Arbeitsvertrag und Dienstpostenbeschreibung eine Schutzpflicht zugunsten außenstehender Dritter begründet (Beschützergaranten502

Schünemann, Grund und Grenzen, S. 342. Vgl. hierzu Rotsch, ZJS 2009, 712 (716 f.); zustimmend Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981 (983). 504 BGH NJW 2003, 522 (525 f.). 503

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Teil 3: Garantenstellung des CO in Rechtsprechung und Literatur

stellung). Ebenso wird teilweise eine sekundäre Garantenpflicht zugunsten der Rechtsgüter Dritter kraft Übernahme in Erwägung gezogen. Andere verstehen die Entscheidung so, dass den CO eine originäre Beschützergarantenpflicht für das Vermögen und Ansehen des Unternehmens kraft freiwilliger Übernahme trifft, wobei wieder andere eine sekundäre Beschützergarantenstellung für Rechtsgüter des Unternehmens kraft freiwilliger Übernahme in Betracht ziehen, auch und soweit der CO Überwachungsfunktionen übernimmt. Überwiegend stellen jedoch die Ansichten, die eine Garantenstellung des CO befürworten, nicht auf eine Beschützergarantenstellung, sondern auf eine vom Geschäftsleiter abgeleitete und daher sekundäre Überwachergarantenstellung kraft freiwilliger Übernahme ab. Die Entscheidung wird aber auch so gedeutet, dass dem CO durch die Übernahme einer Überwachungsfunktion eine originäre Überwachergarantenstellung zukommt. 1. Originäre Garantenpflicht des CO kraft Übernahme einer Schutzfunktion/Beschützergarantenstellung aufgrund tatsächlicher Stellung und Funktion des CO a) Darstellung Eine originäre, primäre Beschützergarantenstellung des CO wird in der Literatur fast einhellig abgelehnt.505 Es wird darauf hingewiesen, dass der Garant gegenüber dem zu Schützenden Pflichten übernommen haben muss. Unter Verweis auf die Rolle und Funktion des CO wird die Übernahme der Pflichten im Hinblick auf die Vermögensinteressen außenstehender Dritter verneint.506 Die Garantenpflicht diene dem Schutz des Rechtsguts eines Dritten; Compliance dagegen diene dem Schutz des Unternehmens selbst, nicht hingegen den Belangen der Allgemeinheit.507 Zutreffend sei zwar, dass die Implementierung eines leistungsfähigen Compliance-Systems in der Regel auch außerhalb des Unternehmens stehenden Dritten zugutekommt. Dass Öffentlichkeit, Kunden und sonstige Personen ebenfalls von einem betrieblichen Compliance-System profitieren, sei allerdings lediglich beabsichtigte Folge, nicht aber primärer Zweck eines solchen Systems.508 Die überwiegende Meinung in der Literatur stimmt dem 5. Senat darin zu, dass für die Begründung einer originären Garantenstellung die tatsächliche Übernahme des 505

Warneke, NStZ 2010, 312 (314); Grau/Blechschmidt, DB 2009, 2143 (2145); Mosbacher/Dierlamm, NStZ 2010, 268 f.; Rotsch, ZJS 2009, 712 (716 f.); Berndt, StV 2009, 687 (690); Kretschmer, JR 2009, 471 (475); Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (57); Dannecker/ Dannecker, JZ 2010, 981 (988). 506 Siehe Rönnau/Schneider, a.a.O.; Warneke, a.a.O. 507 Warneke, a.a.O.; Grau/Blechschmidt, DB 2009, 2143 (2145); Mosbacher/Dierlamm, NStZ 2010, 268 (269); Berndt, StV 2009, 687 (690); Campos Nave/Vogel, BB 2009, 2546 (2548); Rönnau/Schneider, a.a.O. S. 56 f.; Rolshoven/Hense, BKR 2009, 422 (427). 508 Siehe Campos Nave/Vogel, a.a.O.; vgl. auch die Nachweise in Fn. 508.

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Pflichtenkreises maßgebend ist, allerdings nicht jede Übertragung von Pflichten auch eine Garantenstellung im strafrechtlichen Sinne begründet. Über die Übernahme hinaus wird daher ein besonderes Vertrauensverhältnis gefordert, das den Übertragenden gerade dazu veranlasst, dem Verpflichteten besondere Schutzpflichten zu überantworten.509 Nicht geteilt wird aber, dass diese Voraussetzung bei einem CO bezüglich einer originären Garantenstellung erfüllt ist. So führen Dannecker und Dannecker aus, dass zwischen dem CO und den Kunden weder ein unmittelbares Näheverhältnis noch eine unmittelbare rechtliche Beziehung besteht. Rechtsbeziehungen bestünden nur zwischen Kunden und der öffentlich-rechtlichen Anstalt sowie zwischen der öffentlich-rechtlichen Anstalt und dem Angeklagten.510 Zwar könnten ausnahmsweise durch einen Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter weitere vertragliche Beziehungen entstehen. Das Dienstverhältnis erfülle diese Voraussetzungen aber nicht.511 Weiter weisen Dannecker und Dannecker darauf hin, dass damit das zivilrechtliche Haftungssystem konterkariert worden wäre. Es würden originäre Pflichten begründet, die im Zivilrecht gerade nicht anerkannt werden, die dann aber über die deliktische Haftung des § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB einen Anspruch auf Schadensersatz zur Folge hätten.512 Nach Warneke ist maßgeblich, dass durch die Übernahme des Schutzes ein Abhängigkeits- und Obhutsverhältnis zwischen dem Übernehmer von Schutzpflichten und dem Rechtsgutsträger entsteht, durch das der Übernehmende den Eintritt der Rechtsgutsverletzung beherrscht.513 Das sei der Fall, wenn die Übernahme von Pflichten dazu führt, dass eine andere Person im Vertrauen darauf sich entweder erhöhten Gefahren aussetzt oder andere Schutzvorkehrungen unterlässt. Die „Übernahme“ der Stellung als CO führe nicht dazu, dass Dritte im Geschäftsverkehr eigene Schutzmaßnahmen unter Hinweis auf das Vorhandensein eines CO unterlassen können. Vielmehr obliege es jedem Teilnehmer am geschäftlichen Verkehr selbstverantwortlich sicherzustellen, dass seine Rechtsgüter nicht beeinträchtigt werden.514

509

So der BGH: BGHSt 54, 44 (49); 46, 196 (202 f.); 39, 392 (399); zustimmend: Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981 (984); Warneke, NStZ 2010, 312 (314). 510 Zwar beziehen sich die Autoren hier auf den Angeklagten, der Leiter der Innenrevision und der Rechtsabteilung war; sie verweisen aber bei der Prüfung der Garantenstellung des CO auf diese Argumentation; Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981 (988 und 984). 511 Dannecker/Dannecker, a.a.O., S. 984. 512 Dannecker/Dannecker, a.a.O.; in Fn. 22 weisen die Autoren zusätzlich darauf hin, dass bei einer vom Unternehmen abgeleiteten Garantenpflicht eine systemdurchbrechende Erweiterung der zivilrechtlichen Pflichtenstellungen nicht stattfindet. 513 Warneke, NStZ 2010, 312 (314). 514 Warneke, a.a.O.

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b) Stellungnahme Der Ablehnung einer originären Beschützergarantenstellung aufgrund der Stellung und Funktion des CO ist voll und ganz zuzustimmen. Um eine solche Garantenstellung originär innehaben zu können, müsste eine entsprechende Schutzfunktion beim CO existieren. Oben wurde dargelegt, dass Compliance in erster Linie eine Schutzfunktion, nämlich die Gewährung von Reputationsschutz und Schadenspräventionen hat.515 Diese Schutzfunktion entfaltet sich aber primär gegenüber dem Unternehmen und dessen Mitarbeitern. Um eine Beschützergarantenstellung annehmen zu können, ist die Frage zu beantworten, ob dem CO kraft seines Berufes, also seiner Funktion und Stellung im Unternehmen, der Schutz der Rechtsgüter außenstehender Dritter vor drohenden Gefahren besonders anvertraut ist. Ein feststehendes Berufsbild des CO gibt es nicht. Seine Aufgaben werden einzelvertraglich frei bestimmt.516 Geht man vom klassischen Berufsbild des CO517 aus, so muss eine Schutzpflicht zugunsten der Rechtsgüter außenstehender Dritter verneint werden, weil seine „Beauftragung“ nur rein innerbetrieblich wirkt. Die Übernahme der Compliance-Pflichten, also u. a. auch der Pflicht, Maßnahmen zur Straftatverhinderung zu ergreifen, führt zwar im Ergebnis tatsächlich dazu, dass dadurch u. a. die Rechtsgüter fremder Dritter geschützt werden. Dies stellt allerdings – wie es in der Literatur auch zutreffend festgestellt wird – nur ein Reflex einer unternehmensinternen Maßnahme dar. Sie ist kein wesentlicher Bestandteil der Berufspflicht des CO. Der in der gesellschaftsrechtlichen Literatur vertretenen Meinung von Veil wurde bereits widersprochen.518 Er geht im Wertpapierdienstleistungssektor von einer janusköpfigen Doppelfunktion des CO aus, der mit einer Gesichtshälfte auf das Unternehmensinteresse schaut und mit der anderen dem öffentlichen Interesse verpflichtet ist. Unabhängig davon, ob diese Ansicht für CO im Wertpapierdienstleistungssektor vertretbar erscheint oder nicht, wurde die Übertragbarkeit auf freiwillig installierte CO in Wirtschaftsunternehmen vor allem aufgrund der auf Rechtsgüter des Unternehmens gerichteten Zwecksetzung eines Compliance-Systems abgelehnt. Will man dagegen annehmen, dass die Geschäftsleitung den CO deshalb beauftragt, damit er die Rechtsgüter fremder Dritter schützt, so stellt sich einerseits die Frage, ob es sich dann um eine originäre Schutzpflicht handelt, andererseits aber auch, ob sich ein solcher Wille der Geschäftsleitung überhaupt begründen ließe, da sie als primär für Compliance Verantwortliche in erster Linie für das Unternehmenswohl verpflichtet sind. Dies würde sich mit der ausdrücklich auf Rechtsgüter des Unternehmens gerichteten Zwecksetzung des Compliance-Systems nicht vertragen. Der CO übernimmt keine Schutzpflichten zugunsten der Rechtsgüter fremder Dritter, vielmehr erfolgt seine Beauftragung zum Schutze der Rechtsgüter des Unternehmens. 515 516 517 518

Vgl. oben Teil 2, A. III. 1. Vgl. oben Teil 2, E. II. und E. III. Vgl. oben Teil 2, E. III. Vgl. oben Teil 3, E. I. 2. c).

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Schon die fehlende Schutzfunktion wird also in der Regel zur Verneinung einer Beschützergarantenstellung des CO kraft Übernahme führen. Überdies ist der Kritik, dass es an einem Vertrauensverhältnis zwischen dem CO und außenstehender Dritter fehlt, nichts hinzuzufügen. 2. Sekundäre Garantenpflicht des CO kraft Übernahme einer Schutzfunktion gegenüber außenstehenden Dritten a) Darstellung Sowohl der BGH als auch Dannecker und Dannecker nehmen beim Angeklagten (Leiter der Innenrevision) an, dass eine für das Unternehmen übernommene Beschützergarantenstellung gegenüber den Kunden in Betracht kommt, wenn zwischen dem Unternehmen und den Kunden ein besonderes Vertrauensverhältnis bestand. Ein solches Vertrauensverhältnis könne sich aus der Hoheitlichkeit des mit Anschlussund Benutzungszwang versehenen Nutzungsverhältnisses ergeben.519 b) Stellungnahme Diese Ansicht mag beim Angeklagten Zustimmung verdienen, nicht jedoch beim CO, der in einem privaten Wirtschaftsunternehmen beschäftigt ist. Der 5. Senat stellt fest, dass ein privates Unternehmen im Rahmen des zu beachtenden rechtlichen Rahmens zur Gewinnerzielung tätig ist. Im öffentlichen Bereich entfalle die Trennung zwischen einerseits den Interessen des eigenen Unternehmens und andererseits den Interessen außenstehender Dritter. Bei einer Anstalt des öffentlichen Rechts sei der Gesetzesvollzug das eigentliche Kernstück ihrer Tätigkeit.520 Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass bei einem privaten Unternehmen der Gesetzesvollzug nicht das eigentliche Kernstück ihrer Tätigkeit ist, so dass die Beachtung der gesetzlichen Regeln nicht primär dem Schutz der Rechtsgüter außenstehender Dritter dient. Daher kann auch ein Vertrauensverhältnis zwischen einem privaten Unternehmen und ihrem Kunden bzw. Lieferanten nicht ohne Weiteres angenommen werden.

519 520

Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981 (985 ff.). BGHSt 54, 44 (50 f.) Rz. 29.

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3. Originäre oder sekundäre Garantenpflicht des CO für das Vermögen und Ansehen des Unternehmens kraft freiwilliger Übernahme einer Schutzbzw. Überwacherfunktion a) Darstellung Namentlich Berndt lehnt eine originäre Beschützergarantenstellung des CO mangels Hilflosigkeit oder Schutzbedürftigkeit des bereits in der Obhut der Organe befindlichen Unternehmens ab. Er weist darauf hin, dass es gesetzlich geregelt sei, dass die Organe die Rechtsgüter der juristischen Person beschützen müssen und in welchem Umfang das Unternehmen schutzbedürftig sei. Eine Beschützergarantenstellung könne ihm nur zukommen, soweit die Unternehmensleitung sie auf ihn übertrage.521 Im Schrifttum wird weiter die Auffassung vertreten, dass eine Garantenstellung des CO zugunsten des Vermögens des Unternehmens gegeben sein könne, soweit die Unternehmensleitung die Schutzfunktion auf den CO übertrage.522 Er sei daher Garant für das Vermögen des Unternehmens, so dass er für ein vermögensschädigendes Unterlassen strafrechtlich verantwortlich gemacht werden könne.523 Dies sei vergleichbar mit den Eltern, die ihr Kind in die Obhut eines Kindermädchens geben.524 Rübenstahl versteht die Entscheidung des Gerichts so, dass es den CO als Beschützergarant für das Vermögen und Ansehen des Unternehmens kraft freiwilliger Übernahme dieser Position ansieht, auch und soweit der CO Überwachungsfunktionen übernimmt, da hierdurch allein der Schutz von Rechtsgütern des Unternehmens bezweckt sei. Die pauschale Zuweisung einer strafbedrohten Abwendungspflicht von auch nach „außen“ gerichteten Straftaten findet der Autor verfehlt und legt in diesem Zusammenhang die typische Stellenbeschreibung des CO dar. Da der CO regelmäßig nicht über eine selbstständige Verbots-, Weisungs- und Anordnungskompetenz verfüge, würden sich die arbeitsvertraglichen Pflichten des CO nicht auf die Wahrung aller für das Unternehmen relevanten Teile der Rechtsordnung richten, sondern auf die Integrität, Eignung und Vollständigkeit des unternehmensinternen Compliance-Systems durch Wahrnehmung der ihm eingeräumten Kompetenzen. Soweit er bezüglich drohender Straftaten nur berichtspflichtig sei, treffe ihn entweder gar keine Garantenpflicht im Sinne einer Pflicht zur Erfolgsabwendung, oder die zur Erfolgsabwendung einzusetzenden Mittel seien auf die Ausübung seiner dienstvertraglichen Befugnisse und Erfüllung vertraglicher Pflichten – der Berichtspflicht bzw. sonstiger vereinbarter Pflichten – beschränkt. Bei deren Erfüllung scheide § 13 Abs. 1 StGB aus, auch wenn es zu einer Straftat 521 522 523 524

Berndt, StV 2009, 687 (690). Warneke, NStZ 2010, 312 (315); Berndt, a.a.O. Warneke, a.a.O. Berndt, StV 2009, 687 (690).

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kommt, die er tatsächlich hätte vermeiden können. Eine Garantenstellung des CO bestehe jedoch höchstens in dem Umfang der strafrechtlichen Geschäftsherrenhaftung. Dies gelte auch dann, wenn man annehme, dass die Garantenstellung aus freiwilliger tatsächlicher Übernahme der Stellung als CO abzuleiten sei. Der CO werde durch die Geschäftsleitung als Mittel zur eigenen Pflichterfüllung eingesetzt. Eine über die strafbewehrte Pflichtenstellung der Geschäftsleitung hinausreichende arbeitsrechtliche Pflicht des CO könne allenfalls bei einer eindeutigen vertraglichen Regelung oder tatsächlich regelmäßig wahrgenommenen Kompetenzen angenommen werden.525 b) Stellungnahme Es ist klar, dass eine originäre Pflicht nur dann übernommen werden kann, wenn diese Pflicht nicht schon eine andere Person primär trifft. Ansonsten handelt es sich um eine derivative Pflicht. Geprüft werden muss also zunächst, ob eine originäre Beschützergarantenstellung in der Position des Geschäftsherrn gesehen werden kann. Wie bereits thematisiert, ist Compliance „Chefsache“. Die Geschäftsleiter sind primär für die Compliance-Pflichten zuständig und können diese Pflichten vertikal oder horizontal delegieren.526 Durch die Übernahme der Organstellung erklärt der Geschäftsherr zumindest konkludent, dass er die Rechtsgüter der juristischen Person vor Schaden bewahren wird.527 Aufgrund der Bestellung und der Annahme des Amtes durch das Organ sehen die Gesellschafter bzw. Aktionäre davon ab, einen anderen Geschäftsführer zu bestellen. Durch die Übernahme der Organstellung erweckt der Geschäftsherr Vertrauen. Denn andernfalls hätte ein anderes Organmitglied die Schutzfunktion für die Rechtsgüter der Gesellschaft ausgeübt, wobei es keine Rolle spielt, ob das (hypothetisch) bestellte andere Organ vielleicht ebenso seine Pflichten verletzt hätte.528 Roxin stellt darauf ab, dass die juristische Person selbst nicht handeln kann und daher ihre Rechtsgüter ihren Organen anvertrauen muss. Dadurch würden die Organe zu Schutzgaranten.529 Da beide Ansichten zum selben Ergebnis führen, ist ein Streitentscheid nicht von Relevanz. Die Geschäftsleiter des Unternehmens sind Beschützergaranten hinsichtlich der Rechtsgüter des Unternehmens, so dass eine solche Garantenstellung den CO nicht primär treffen kann. Unabhängig davon, ob schon in der Überwachungsfunktion des CO eine Schutzaufgabe zugunsten der Rechtsgüter des Unternehmens zu sehen ist, wird man 525

Rübenstahl, NZG 2009, 1341 (1342). Vgl. oben Teil 2, D. IV. und D. VIII. 527 Kratzsch, ZGR 1985, 506 (519 ff.). 528 Die durch die Übernahme geschützte Gesellschaft verliert die Chance der preisgegebenen Sicherung, trägt aber auch nicht mehr das Risiko ihres Scheiterns, so auch Jakobs, AT, 29/ 48; vgl. hierzu Kratzsch, a.a.O. 529 Roxin, AT II, § 32 Rn. 77. 526

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den Stimmen, die eine abgeleitete Beschützergarantenstellung des CO für das Vermögen und Ansehen des Unternehmens kraft Übernahme einer Schutzfunktion annehmen, zustimmen müssen. Denn die Unternehmensleitung trifft aufgrund ihrer Organstellung die Pflicht, die Rechtsgüter des Unternehmens zu beschützen. Diese originäre Beschützergarantenstellung der Unternehmensleitung kann sie teilweise auf den CO delegieren, so dass ihm eine sekundäre Beschützergarantenpflicht zukommt. Das wesentliche Ziel von Compliance ist die Vermeidung sowohl eines negativen Ansehens als auch der Ausschluss von Haftungsrisiken bzw. Schadensersatzklagen. Durch das Nichteinschreiten des CO gegen Straftaten von Unternehmensangehörigen können folglich die genannten Rechtsgüter des Unternehmens gefährdet werden. Allerdings geht es vorliegend nicht um den Schutz der Rechtsgüter des Unternehmens.530 Auch wenn der CO für Rechtskonformität im Unternehmen sorgen muss, wird er nicht zum Beschützergaranten zugunsten der Rechtsgüter der Kunden, Vertragspartner, Wettbewerber bzw. der Allgemeinheit. Zu Recht weist Rotsch diesbezüglich darauf hin, dass eine Garantenpflicht tatbestandsbezogen ist, sich also nur auf das konkret in Frage stehende Delikt beziehen kann. Beim Betrug nach § 263 StGB muss demnach ein Vermögensschaden bei den Kunden vorliegen, nicht dagegen im eigenen Unternehmen.531 M.a.W. werden allein die Rechtsgüter außenstehender Dritter unmittelbar gefährdet. Wirtschaftlich gesehen würde es sogar zu einer Vermögensmehrung des Unternehmens führen, würde man etwaige zivilrechtliche Rückgriffsansprüche gegen das Unternehmen außer Betracht lassen. Bezogen auf den vom BGH entschiedenen Fall entsteht durch die betrügerische Tarifbildung beim Unternehmen ein Vorteil, weil so höhere Entgelte vereinnahmt werden. Als vergleichbarer Vermögensschaden kommt ein etwaiger Imageverlust bzw. die Rufschädigung des Unternehmens nicht in Betracht. Der BGH stellt in seinem obiter dictum auch auf einen Ansehensverlust des Unternehmens ab. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Schädigung der Reputation des Unternehmens in wirtschaftlicher Hinsicht sogar zu einer Existenzvernichtung führen kann, da er die Gefahr eines Umsatzrückgangs und damit eines entgangenen Gewinns mit sich bringt.532 Jedoch begründet die bloße Verschlechterung noch nicht konkretisierter, unbestimmter Gewinnaussichten kein Vermögensdelikt.533 Davon kann erst dann die Rede sein, wenn der Verlust einer rechtlich bereits hinreichend gesicherten Erwerbsposition feststeht.534 Zwar wird vertreten, dass die Verfügung bei arbeitsteiligen Organisationsformen auf der Seite des Opfers stufenweise in mehreren Akten 530

So auch H. Schneider, in: FS Ebert, 2011, S. 349 (354 f.). Rotsch, ZJS 2009, 712 (717). 532 Vgl. oben Teil 2, A. III. 1. 533 BGH GA 1978, 332; BayObLG NJW 1994, 208; Günther, in: SK-StGB, § 263 Rn. 121; Hoyer, Verantwortlichkeit, S. 30 f. 534 Hoyer, a.a.O., S. 31. 531

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erfolgen kann.535 Davon werden jedoch nur Fälle erfasst, bei denen erst die letzte Verfügung der irrtumsbedingt entstandenen Kette von Verfügungen die Vermögensminderung herbeiführt, was vorliegend nicht der Fall ist. 4. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis kann an dieser Stelle festgehalten werden: Weder eine originäre, noch eine sekundäre Beschützergarantenstellung des CO zugunsten der Rechtsgüter außenstehender Dritter kommt infrage. Eine sekundäre Beschützergarantenstellung des CO zugunsten der Rechtsgüter des Unternehmens kraft freiwilliger Übernahme kann bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen grundsätzlich gegeben sein; da allerdings nicht die Rechtsgüter des Unternehmens, sondern die der außenstehender Dritter gefährdet werden, müsste sich die Schutzpflicht auf die Rechtsgüter dieser Personen beziehen, was allerdings nicht der Fall ist. Die Entscheidung des 5. Senats wird jedoch nicht nur so verstanden, dass eine etwaige Beschützergarantenstellung des CO in Betracht kommt. Vielmehr wird in der Literatur auch die Meinung vertreten, dass der CO durch die tatsächliche Übernahme zum Überwachergaranten wird. Aber auch hier differieren die in der Literatur vertretenen Ansichten. Im Folgenden sollen nun diese Ansichten einer kritischen Würdigung unterzogen werden. 5. Originäre Überwachergarantenstellung des CO aufgrund Übernahme von Überwachungspflichten a) Darstellung Namentlich Kraft und Winkler bejahen eine Garantenstellung des CO aufgrund faktischer und freiwilliger Übernahme von Pflichten zur Verhinderung unternehmensinterner Straftaten, die nach außen gerichtet sind.536 Die Ernennung zum CO erfolge regelmäßig nicht durch eine einseitige arbeitsrechtliche Weisung und sie geschehe auch nicht überraschend für den von der Ernennung betroffenen Mitarbeiter. Vielmehr übernehme der spätere CO diese Position aus freien Stücken, nachdem ihm dieses „Amt“ durch die Unternehmensleitung angetragen werden würde. Nehme der CO seine Tätigkeit als solche auf, sei zunächst die Grundlage dafür geschaffen, dass er tatsächlich auf freiwilliger Basis die Pflichten eines CO übernommen habe.537 Nach Kraft wird dem CO – regelmäßig durch Dienstvertrag – eine gewisse, nicht unerhebliche Herrschaftsbefugnis zuteil. Die Übernahme dieser Pflichten durch den 535 BGH BB 1991, 713 (714); Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rn. 25; Rengier, BT I, § 13 Rn. 27. 536 Kraft/Winkler, CCZ 2009, 29 (32); Kraft, wistra 2010, 81 (84). 537 Kraft/Winkler, a.a.O.

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CO führe regelmäßig dazu, dass die diese Pflichten originär innehabende Geschäftsleitung nach Delegierung dieser Pflichten im berechtigten Vertrauen auf die Einsatzbereitschaft des CO erlaubterweise weitere Schutzmaßnahmen zur Verhinderung unternehmensinterner Straftaten unterlasse.538 Auch der Betriebsbeauftragte für den Umweltschutz habe die Einhaltung der jeweiligen Umweltgesetze im Betrieb zu überwachen, die Übereinstimmung der Betriebstätigkeit mit gesetzlichen Vorgaben zu fördern, Betriebsstätten zu kontrollieren, Mängel aufzuspüren, sowie Unzulänglichkeiten mitzuteilen.539 Eine weitere Gemeinsamkeit bestünde darin, dass eine echte Weisungsbefugnis und Anordnungskompetenz beiden Berufsbildern fehle. Dies führe dazu, dass der Betriebsbeauftragte für den Umweltschutz aber auch der CO, wegen der Parallelität der bestehenden Rechte und Pflichten, zwar nicht als Beschützergarant in Betracht komme, jedoch als Überwachergarant für die ihnen obliegenden Kontroll-, Informations- und Initiativpflichten. b) Stellungnahme Dass es sich bei den auf den CO delegierten Compliance-Aufgaben nicht um originäre, sondern um derivative Pflichten handelt, wurde oben bereits näher ausgeführt. Compliance ist zentrale Aufgabe der Unternehmensleitung, so dass zunächst diese in der Pflicht ist, bei entsprechendem Gefahrpotential eine auf Schadensprävention und Risikokontrolle angelegte Compliance-Organisation einzurichten.540 Der CO ist nur ihr Hilfsorgan.541 Zu kritisieren sind auch die Ausführungen von Kraft und Winkler hinsichtlich der Annahme einer Garantenpflicht des CO wegen der Parallelität seiner Rechte und Pflichten mit der des Betriebsbeauftragten. Die Rechtsprechung hat tatsächlich eine Überwachergarantenstellung des Gewässerschutzbeauftragten hinsichtlich der Erfüllung seiner gesetzlichen Kontroll-, Informations- und Initiativpflichten angenommen.542 Allerdings kann die strafrechtliche Garantenstellung des CO nicht aus einem Vergleich mit der rechtlichen Stellung gesetzlich vorgeschriebener Betriebsbeauftragter abgeleitet werden, da zwischen beiden Funktionen maßgebliche Unterschiede bestehen. Erstens ist – anders als beim Umweltschutzbeauftragten – eine gesetzliche Vorgabe, einen CO zu bestellen, nicht vorhanden. Zweitens sind die Aufgaben und Kompetenzen des Umweltschutzbeauftragten gesetzlich vorgegeben, wohingegen beim freiwillig zu bestellenden CO die Aufgaben vom Leitungsorgan konkret auf den CO delegiert 538

Kraft, wistra 2010, 81 (84). Kraft/Winkler, a.a.O.; Kraft, a.a.O. 540 Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (57); Fleischer, Hdb. Vorstandsrecht, § 8 Rn. 40 ff. m.w.N. 541 Rönnau/Schneider, a.a.O. 542 OLG Frankfurt a.M. NJW 1987, 2753 (2756) = MDR 1988, 160 (161); Dahs, NStZ 1986, 97 (100); Böse, NStZ 2003, 636 (639). 539

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werden müssen. Und schließlich drittens dient der Betriebsbeauftragte dem Schutz von Allgemeininteressen; der CO dagegen den Interessen des Unternehmens.543 Aus all dem ergibt sich, dass der CO weder einen neuen Typ des Unternehmensbeauftragten darstellt, noch ist die Annahme einer Garantenstellung wegen der Vergleichbarkeit beider Figuren möglich. Zwar kann tatsächlich nicht bestritten werden, dass die Aufgaben des Betriebsbeauftragten dem des CO vergleichbar sind; allerdings darf nicht unberücksichtigt gelassen werden, dass jeweils andere Interessen im Vordergrund stehen. Bejaht man die Vergleichbarkeit zwischen beiden Figuren gleichwohl, so geht der Verweis auf die Rechtslage beim Betriebsbeauftragten dennoch fehl. Die Rechtsprechung lässt in seiner Entscheidung zur Garantenstellung des Betriebsbeauftragten eine dogmatisch fundierte Begründung vermissen, sodass diese Frage im Schrifttum immer noch höchst umstritten ist.544 Wenn die Rechtsprechung aus dem gesetzlichen Pflichtenkatalog der umweltverwaltungsrechtlichen Regelungen eine Garantenstellung herleitet, so stellt sich die Frage, ob damit nicht die überholte formelle Rechtsquellenlehre wiederbelebt werden würde und jegliche materielle Orientierung verloren ginge. Darüber hinaus handelt es sich auch bei den gesetzlich auf den Gewässerschutzbeauftragten auferlegten Pflichten um solche, die primär dem Betriebsinhaber selbst obliegen. Dieser wird vom Gesetzgeber gezwungen, dem Betriebsbeauftragten diese Pflichten zu delegieren, um die organisatorischen Voraussetzungen für die Erfüllung der vielfältigen, zum Umweltschutz notwendigen Pflichten sicherzustellen.545 Anders ausgedrückt muss der Beauftragte zunächst mit Pflichten „ausgestattet“ werden, so dass ihm diese Pflichten auch dann nicht originär obliegen. Aus diesem Grund erlangt der Betriebsbeauftragte seine rechtliche Stellung erst mit seiner Bestellung.546 Ferner kann eine dogmatische Begründung der Garantenstellung des CO in der Auffassung der Autoren nicht erblickt werden. Kraft begnügt sich damit, dass dem CO – regelmäßig durch Dienstvertrag – eine gewisse nicht unerhebliche Herrschaftsbefugnis zu Teil werde. Worin aber die Herrschaftsbefugnis konkret zu sehen ist, wird nicht näher begründet. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass dem CO eine Weisungs- und Anordnungskompetenz ebenso wie dem Betriebsbeauftragten fehlt, so dass er zwar nicht Beschützergarant, jedoch Überwachergarant für die ihm obliegenden Kontroll-, Informations- und Initiativpflichten sei. Damit wird aber die Frage nicht beantwortet, warum der CO zum Überwachergaranten wird.

543

Vgl. hinsichtlich der Unterschiede ausführlich oben Teil 2, E. I. 2. a) b) c) d). Vgl. hierzu die Nachweise bei Cramer/Heine, in: Sch/Sch-StGB, 28. Auflage 2010, § 324 Rn. 17. 545 Siehe Schall, in: FS Amelung, 2009, S. 287 (291 ff.). 546 Wie hier Schall, a.a.O., S. 293 f. 544

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6. Abgeleitete, sekundäre Überwachergarantenstellung kraft freiwilliger Übernahme Eine große Strömung in der Literatur bejaht eine vom Geschäftsherrn abgeleitete Garantenpflicht des CO. Dazu entwickeln die Autoren die Garantenpflicht des CO in zwei Schritten. Im ersten Schritt begründen sie eine originäre, primäre Garantenpflicht der Unternehmensleitung für Fehlverhalten von Mitarbeitern, also die Geschäftsherrenhaftung; im nächsten Schritt wird die Abwälzung der Garantenpflicht auf den CO aufgezeigt. Weil hinsichtlich der Herleitung der Geschäftsherrenhaftung Uneinigkeit herrscht, variieren die Meinungen auch bezüglich der Herleitung der Überwachergarantenpflicht des CO kraft freiwilliger Übernahme. a) Rönnau/Schneider aa) Darstellung Rönnau und Schneider differenzieren zwischen dem „Ob“ und „Wie“ der Garantenstellung des CO.547 Hinsichtlich dem „Ob“ begründen sie zunächst die Geschäftsherrenhaftung damit, dass im Unternehmen die Befehlsbefugnis des Geschäftsherrn bezüglich der den Mitarbeitern übertragenen Aufgaben sowie seine Macht über die Organisation an die Stelle der die Aufsichtsgarantenstellung begründenden Befehlsgewalt treten. Er beherrsche das Unternehmen als „Quelle von Gefahren“ (mögen sie von Sachen oder Personen ausgehen) durch seinen Informationsvorsprung, sein Weisungsrecht und aufgrund der Fungibilität der einzelnen Mitarbeiter.548 Das autonome Handeln des unmittelbar handelnden Mitarbeiters schließt nach den Autoren eine daneben bestehende (Erfolgs-)Haftung für untätige Sonderstatusträger nicht aus. Als Kehrseite der Freiheit, ein Unternehmen zu betreiben, müsse ihm die Pflicht aufgebürdet werden, durch Anweisungen und Kontrollen strafbare Handlungen der Mitarbeiter aus dem Betrieb heraus zu verhindern. Die Autoren räumen der Geschäftsherrenhaftung gegenüber einer reinen Sachgarantenhaftung einen eigenen – sich auf personelle Ressourcen erstreckenden – Anwendungsbereich ein und beschränken die Straftatverhinderungspflicht auf betriebsbezogene Straftaten. Der Einwand, Compliance diene primär dem Unternehmensinteresse, so dass weder der Vorstand noch nach Pflichtendelegation der CO strafrechtlich verantwortlich seien, lasse nach den Autoren die aus der Strafrechtsdogmatik stammenden Überlegungen zur Geschäftsherrenhaftung außer Acht. Die Geschäftsleitung hafte danach nicht aufgrund der Sonderverantwortlichkeit für ein bestimmtes Rechtsgut, sondern wegen der Herrschaft über eine Gefahrenquelle, hier 547 Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 ff.; zustimmend Dann/Mengel, NJW 2010, 3265 (3267 f.); Lackhoff/Schulz, CCZ 2010, 81 (86 f.); Deutscher, WM 2010, 1387 (1390). 548 Rönnau/Schneider, a.a.O., S. 56; hier verweisen die Autoren auf Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 101 ff; ders., wistra 1982, 41 (44 f.) und auf die Nachw. bei Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 105, 125 in Fn. 115.

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das Unternehmen mit seinen gefährlichen Anlagen bzw. Produkten und ggf. deliktisch handelnden Mitarbeitern.549 Zur Garantenstellung des CO kraft freiwilliger Übernahme kommen sie, indem sie die Ergebnisse der Debatte zur erworbenen Überwachergarantenstellung des Gewässerschutzbeauftragten für den CO fruchtbar machen.550 Auch wenn es sich beim Gewässerschutzbeauftragten im Gegensatz zum CO um einen echten Unternehmens-/Betriebsbeauftragten handle, hänge die Lösung in beiden Bereichen von der Kompetenz sowie dem Aufgaben- und Pflichtenkatalog des Beauftragten ab. Gegen eine Garantenpflicht des Gewässerschutzbeauftragten wird vorgetragen, ihm fehle mangels Entscheidungs- und Anordnungsrechten die Möglichkeit, den gefährlichen Zustand abzustellen, so dass er die Gefahrenquelle nicht beherrsche. Zudem träfen ihn nur innerbetriebliche Pflichten, die keine Garantenpflichten im Außenverhältnis gegenüber Dritten begründen könnten.551 Nach Rönnau und Schneider könnten diese Einwände auch gegen die strafrechtliche Verantwortlichkeit des CO nicht überzeugen, denn dem Betriebsinhaber obliege eine Garantenpflicht mit „Außenwirkung“. Die (Teil-)Delegation der Pflicht auf den CO im Innenverhältnis ändere am Charakter der Pflicht nichts. Sie sehen die „Herrschaftsmacht über die Gefahrenquelle“ im Informationsvorsprung gegenüber der Geschäftsleitung. In seiner Eigenschaft als Informationssammelstelle stelle er ein Nadelöhr zum Vorstand dar. Mit dem entsprechenden Informationsfundus übernehme er folglich einen Teil der Herrschaft, die die Garantenstellung des Betriebsinhabers begründe. Die Garantenstellung des CO sei auf die ihm übertragenen Pflichten beschränkt und durch die ihm zugesprochenen Kompetenzen begrenzt.552 Darüber hinaus sind Rönnau und Schneider der Ansicht, dass eine Verneinung der Garantenstellung schwer akzeptable Schutzlücken schaffe. Hierzu vertreten sie Folgendes: „Wer durch Pflichtenübertragung zwar den Vorstand entlastet sieht, ohne aber zugleich den Beauftragten in die Verantwortung zu nehmen, schafft schwer akzeptable Schutzlücken! Denn im Falle einer unzureichenden Compliance handelte der CO mangels Garantenpflicht straflos, während der Unternehmensleitung aufgrund Unkenntnis kein Vorwurf gemacht werden könnte.“553 Nach den Autoren bestünde die Gefahr „organisierter Unverantwortlichkeit“. Hinsichtlich der Reichweite des Handlungsgebots („Wie“) stellen die Autoren auf den Umfang der Delegation ab, wobei dies im Ausgangspunkt vom Inhalt des 549

Rönnau/Schneider, a.a.O., S. 57. Rönnau/Schneider, a.a.O., S. 57 f.; zur Vergleichbarkeit auch BGH ZIP 2009, 1867 (1869); Kraft/Wink-ler, CCZ 2009, 29 (32). 551 Rönnau/Schneider, a.a.O., S. 58; hinsichtlich der Auflistung weiterer Kritikpunkte verweisen die Autoren auf: Böse, NStZ 2003, 636 (640). 552 Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (58); vgl. auch BGH ZIP 2009, 1867 (1868 f.); für den Gewässerschutzbeauftragten Böse, NStZ 2003, 636 ff. 553 Rönnau/Schneider, a.a.O.; zum Gewässerschutzbeauftragten ebenso Böse, a.a.O., S. 641. 550

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Dienstvertrages abhängig sei. Auch ohne nähere Kenntnis etwaiger Vertragsdetails bestehe für den CO eine Pflicht zur Aufklärung des auf Regelverstoß hinweisenden Sachverhalts. Seine Kernpflicht bestünde dann in der Informationsweitergabe.554 bb) Stellungnahme Die Ausführungen der Autoren zur Geschäftsherrenhaftung sind im Ergebnis begrüßenswert. Das Weisungsrecht des Geschäftsherrn kann die Herrschaft über die Gefahrenquelle Betrieb begründen. Problematisch ist aber, ob in der heutigen modernen Arbeitswelt von einer Fungibilität des einzelnen Mitarbeiters die Rede sein kann.555 Ferner erörtern die Autoren an dieser Stelle nicht, ob der Informationsvorsprung des Geschäftsherrn nur in Verbindung mit seinem Weisungsrecht die Herrschaft über die Gefahrenquelle begründet oder ob auch schon das Mehrwissen allein hierzu ausreicht. Bei der Frage der Garantenstellung des CO unterscheiden sie zwischen dem „Ob“ und „Wie“ der Garantenstellung. Der CO soll also verpflichtet sein, Straftaten Unternehmensangehöriger zu verhindern und er soll dieser Pflicht durch die Information der nächsthöheren Ebene nachkommen. Gegen diese Annahme sprechen gewichtige Gründe. Stellt man allein auf den normalen Sprachgebrauch ab, so kann jemand nicht zur Verhinderung einer Straftat verpflichtet sein, dieser Pflicht aber durch die Benachrichtigung des Geschäftsherrn nachkommen. Denn dadurch wird die Straftat des Mitarbeiters noch nicht verhindert. Vielmehr hängt es nun vom Willen des Geschäftsherrn ab, welches unter Berücksichtigung der Willensentschließungsfreiheit nicht vorhergesagt werden kann. Daher trifft es nicht zu, von einer Straftatverhinderungspflicht des CO zu sprechen. Ob der CO durch seinen Informationsvorsprung die Herrschaft über die Gefahrenquelle besitzt, ist höchst bedenklich. Besitzt jemand keine Einwirkungsmöglichkeiten, so nutzt ihm das größte Wissen nichts. Eine Herrschaft aus Informationsvorsprung kann nur dort bejaht werden, wo die Informationen zur Beeinflussung des Geschehens eingesetzt werden können. Im Übrigen lassen die Autoren die Frage unbeantwortet, ob der Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz des Begehungstäters der Garantenstellung des CO entgegensteht. Die diesbezüglichen Ausführungen beim Geschäftsherrn können nicht ohne Weiteres auf den CO übertragen werden, da dieser kein Unternehmen betreibt. Eine Behandlung dieser Frage lassen Rönnau und Schneider vermissen. Die Argumentation der Autoren, eine Verneinung der Garantenstellung des CO schaffe schwer akzeptable Schutzlücken, ist in dieser Form ebenso nicht hinnehmbar. Einerseits ist fraglich, ob von Schutzlücken die Rede sein kann, da die Rechtsordnung den Begehungstäter mit Strafe bedroht und dieser von dem Normbefehl erreicht 554 555

Rönnau/Schneider, a.a.O., S. 58 ff. Vgl. dazu unten Teil 3, C. III. 6. f).

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wird. Geht man aber andererseits wie Rönnau und Schneider gleichwohl davon aus, dass Schutzlücken geschaffen werden, so kann aus diesem kriminalpolitischen Argument noch nicht auf die Garantenstellung des CO geschlossen werden. Eine Bestrafung ist freilich wünschenswert, um die Verwandlung der „Organisierung der Verantwortlichkeit“ in die „organisierte Unverantwortlichkeit“ im Unternehmen zu vermeiden.556 Die Bejahung der Garantenstellung mit dieser Begründung wäre allerdings mit dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB unvereinbar. b) Dannecker/Dannecker aa) Darstellung Ähnlich begründen Dannecker und Dannecker die Geschäftsherrenhaftung, indem sie auf die Befehls- und Organisationsherrschaft des Geschäftsherrn und damit auf die Herrschaft über eine Gefahrenquelle abstellen.557 Der Unterschied liegt aber darin, dass sie nicht zwischen Sachgefahren und personalen Gefahrenquellen differenzieren. Anschließend problematisieren die Autoren den Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit und kommen zu dem Ergebnis, dass das Direktions- und Weisungsrecht die Eigenverantwortlichkeit der Untergebenen nicht zu beseitigen vermöge und deshalb auch nicht als Kriterium herangezogen werden könne. Bereits die Existenz von § 130 OWiG wie auch die von § 357 Abs. 1StGB, § 108 Abs. 1 S. 1 SeemG und § 41 WStG zeige gerade, dass die Pflicht bestehen könne, auf autonom und voll verantwortliche Personen einzuwirken. Diese ordnungswidrigkeitenrechtliche Pflicht könne gleichermaßen im Strafrecht angenommen werden. Entscheidend sei, dass der nach § 13 StGB Verpflichtete für die Gefahrenquelle Betrieb verantwortlich sei und deshalb den deliktischen Erfolg – und nicht die Straftat eines anderen – vermeiden müsse. Die Eigenverantwortung bzw. Personenautonomie der Rechtsverletzungen begehenden Angestellten stehe deshalb der strafrechtlichen Verantwortung der Geschäftsleitung nicht entgegen, weil diese den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges verhindern müsse. Bei einer Delegation der bestehenden Pflichten auf einen Dritten ist es nach Dannecker und Dannecker nicht erforderlich, dass dem Übernehmenden zugleich ein Weisungsrecht übertragen wird. Er könne mit speziellen Aufgaben betraut werden, zu deren Erfüllung es ausreiche, die Geschäftsleitung über Unregelmäßigkeiten zu informieren, um so die Grundlage für eine Intervention der Geschäftsleitung zu schaffen. Dies entspreche dem auch § 14 StGB zugrunde liegenden Rechtsgedanken, dass eine begrenzte, spezielle Pflichtendelegation im Strafrecht möglich sei. Nach den Autoren ist die Grundlage der Qualifikation als Garantenpflicht ihre besondere Relevanz für das Rechtsgut. Die Übertragung der Pflichten auf einen 556 557

Darauf bereits hinweisend Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 34 ff. Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981 (989 f.).

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anderen Adressaten, also die Änderung des Pflichtenadressaten, berühre grundsätzlich nicht die Rechtsgutsrelevanz. Wenn die Pflichten des Geschäftsleiters strafbewehrte Garantenpflichten waren, so soll dies nach den Autoren grundsätzlich auch beim Übernehmenden gelten. Auch eine nur partielle Aufgabenübertragung, wie dies beim CO der Fall sei (während die Geschäftsherrenhaftung die Überwachung und die gegebenenfalls erforderliche Intervention umfasse, werde dem Compliance Officer in der Regel lediglich die Überwachungsaufgabe übertragen. Er müsse lediglich die Geschäftsleitung informieren (…), jedoch nicht unmittelbar einschreiten),558 stehe der Garantenbewehrtheit nicht entgegen, wenn die Erfüllung der übernommenen Aufgabe weiterhin für das Rechtsgut dieselbe Bedeutung habe wie zuvor. Beim CO sei die übernommene Überwachungspflicht auch ohne die Interventionsaufgabe für den Rechtsgüterschutz von zentraler Bedeutung, weil die Geschäftsherrenverantwortung ohne ordnungsgemäße Überwachung schlechthin nicht wahrgenommen werden könne. Die Delegation eines Teils der Geschäftsherrenaufgaben (nämlich der Aufsichts-, nicht der Interventionspflicht) auf den CO und die Übernahme dieser Pflichten müssen nach Dannecker und Dannecker unter dem Gesichtspunkt des § 13 StGB des rechtlichen Dafür-Einstehen-Müssen, dass der Erfolg nicht eintritt, bewertet werden. Zudem sehen die Autoren in jedem Geschäftsbetrieb per se ein „Gefahrenherd“. Als Argument dafür führen sie an, dass alle Gefahren, die von dem konkret eröffneten Betrieb ausgingen, zu kontrollieren seien. Wenn die Geschäftsherrenverantwortung die Kehrseite der Freiheit darstelle, einen Betrieb zu eröffnen, so könne nicht nur auf Gefahren abgestellt werden, die von besonders gefährlichen Betrieben ausgingen. Im Ergebnis führt nach den Autoren die Übernahme der Aufgabe, Informationen zu beschaffen, zu bearbeiten und zu bewerten, dazu, dass mit dem dadurch entstehenden Informationsfundus der CO einen Teil der Herrschaft, die die Garantenstellung des Betriebsinhabers begründet, übernimmt.559 bb) Stellungnahme Auch Dannecker und Dannecker postulieren eine auf Herrschaft über eine Gefahrenquelle basierende Garantenkonstruktion. Zu begrüßen ist hierbei, dass die Autoren zur Begründung der Herrschaft des CO über die Gefahrenquelle ausreichen lassen, dass der deliktische Erfolg verhindert werden kann, wobei hierzu ein Weisungsrecht nicht erforderlich ist. Anzumerken ist hier lediglich, dass der CO ohne Einwirkungsmöglichkeiten nicht verpflichtet sein kann, Straftaten Unternehmensangehöriger zu verhindern. Die Autoren begehen denselben Fehler wie Rönnau und Schneider. Sie lassen zur Begründung der Herrschaft des CO über die Gefahrenquelle seinen Informationsvorsprung genügen, ohne diesen näher darzulegen. Ob mit Mehrwissen eine Verhinderungsmöglichkeit der Straftat gegeben ist, ist mehr als nur 558 559

Dannecker/Dannecker, a.a.O., S. 990. Dannecker/Dannecker, a.a.O., S. 991.

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fraglich. Um Wiederholungen zu vermeiden soll an dieser Stelle ein Verweis auf die obigen Ausführungen genügen.560 Auch die Ausführungen zur weiterhin bestehenden Rechtsgutsrelevanz sind positiv hervorzuheben. Die Übertragung der Pflichten auf einen anderen Adressaten berührt grundsätzlich nicht die Rechtsgutsrelevanz. Für den außenstehenden Dritten spielt es nämlich keine Rolle, ob der Geschäftsherr zur Verhinderung von Rechtsverstößen eigenhändig tätig wird oder ob er hierzu jemanden beauftragt. Darüber hinaus verdient der Standpunkt der Autoren, jeder Geschäftsbetrieb sei per se ein Gefahrenherd, Beifall. Die Abgrenzung zwischen besonders gefährlichen und „ungefährlichen“ Betrieben lässt sich nicht in die Praxis transformieren. Allerdings kann den Überlegungen zum Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz nur ansatzweise zugestimmt werden. Welche Schlussfolgerungen sich aus § 130 OWiG und aus den spezialgesetzlichen Regelungen ziehen lassen, wird erst später ausführlich erörtert.561 An dieser Stelle muss aber schon angemerkt werden, dass dieser Grundsatz mit der von Dannecker und Dannecker gelieferten Begründung nicht einfach abgeschüttelt werden kann. c) Mosbacher/Dierlamm aa) Darstellung Nach Mosbacher und Dierlamm ist für die Annahme einer Garantenstellung des Geschäftsherrn seine Organisationsmacht in Verbindung mit seiner Herrschaft über die Gefahrenquelle Betrieb entscheidend.562 Die Geschäftsherrenhaftung beruhe auf den Gedanken, dass denjenigen eine Garantenstellung trifft, der verantwortlich für eine Gefahrenquelle sei. Der Betrieb stelle einen Gefahrenherd für die Rechtsgüter Dritter dar, den der Geschäftsleiter unter Kontrolle halten müsse. Anders als Dannecker und Dannecker vertreten die Autoren eine differenzierende Meinung, der die Vorstellung zu Grunde liegt, dass nicht jeder normale Geschäftsbetrieb per se einen strafrechtlich relevanten Gefahrenherd für andere darstellt, weil die beschäftigten Mitarbeiter in diesem Rahmen möglicherweise Straftaten begehen können, sondern besondere Umstände zur normalen Geschäftstätigkeit hinzukommen müssen, um eine solche Garantenstellung auf Grund besonderer Gefahren zu begründen. Dies sei nur dann der Fall, wenn auf Grund der Besonderheit des Betriebes, der Personen oder ihrer betriebsbezogenen Tätigkeit besondere Gefahren für Rechtsgüter anderer ausgehen. Die Garantenpflicht des Geschäftsherrn könne er in gewissem Umfang delegieren. Die Konstituierung einer Garantenpflicht sei durch Übernahme von einem anderen Garantenpflichtigen möglich, wobei es eines besonderen Übernahmeaktes 560 561 562

Teil 3, C. III. 6. b) bb). Vgl. unten Teil 3, C. III. 6. g) bb) (2). Mosbacher/Dierlamm, NStZ 2010, 268 (269).

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bedürfe. Garant werde der CO aber nur, soweit ihn die Unternehmensleitung wirksam mit entsprechenden Aufgaben betraue. Dabei betonen sie die besondere Bedeutung der vertraglichen Ausgestaltung und der konkreten Beschreibung des übertragenen Dienstpostens. Entscheidend sei, ob der CO für die Einhaltung von Regeln nach „außen“ sorgen solle oder ob sich seine Stellung in der unternehmensinternen Kontrolle und Beratung erschöpfe. Nur wenn die Sorge für aus dem Betrieb hervorgehende Gefahren auch ausdrücklich in Hinblick auf den Schutz außerbetrieblicher Rechtsgüter erfolge, komme eine abgeleitete sekundäre Garantenpflicht des CO in Betracht, betriebsbezogene Straftaten von Unternehmensangehörigen zu verhindern. Da die zuständigen Organe für das Unternehmen handlungsmächtig sind, stellen die Autoren hinsichtlich des Inhalts der Handlungspflicht des CO vornehmlich auf die Information der zuständigen Organe ab. bb) Stellungnahme Diese Ansicht weicht von den Vorgenannten insbesondere darin ab, dass der Betrieb nicht per se als ein Gefahrenherd angesehen wird, sondern besondere Umstände zur normalen Geschäftstätigkeit hinzukommen müssen. Es müssen dabei besondere Gefahren für Rechtsgüter anderer ausgehen, die die Besonderheit des Betriebes, der Personen oder ihrer betrieblichen Tätigkeit betreffen. Wann sind die Gefahren für außenstehende Dritte eigentlich besonders bzw. besonders hoch? Welche Besonderheit muss etwa der Betrieb aufweisen? Ist denn nicht jeder Betrieb besonders? Nach welchen Kriterien muss die Besonderheit bestimmt werden? Dies erinnert an das fragwürdige Kriterium der „gefahrgeneigten Arbeit“, das nach früherer Auffassung dann zu einer zivilrechtlichen Haftungsbeschränkung des Arbeitnehmers führte, wenn der Schaden bei einer gefahrgeneigten Arbeit entstanden ist.563 Man stellte sich die Frage, ob denn nicht jede Arbeit gefahrgeneigt ist. Dies führte zu zahlreichen offenen Zweifelsfragen und gefährdete die Rechtssicherheit.564 Das Kriterium wurde deshalb als nicht brauchbar angesehen, da letztlich allein die Umstände des Einzelfalls entscheiden. Diese Einwände führten schließlich dazu, dass ein alle Haftungsfälle erfassender Grundgedanke entwickelt werden musste.565 Zu denselben Einwänden würde es führen, will man die Gefahrenquelleneigenschaft eines Betriebs an besonderen Gefahren für Außenstehende anknüpfen. Kritisch zu betrachten sind auch die weiteren Ausführungen von Mosbacher und Dierlamm. Es ist sehr realitätsfern, dass der Dienstvertrag oder die Stellenbeschreibung eine Regelung enthält, die den CO verpflichtet, für die Einhaltung der Regeln nach außen zu sorgen. Mehrmals wurde schon erwähnt, das Compliance im Unternehmensinteresse betrieben wird und der Schutz außerbetrieblicher Rechtsgüter lediglich einen Regelungsreflex darstellt. Darüber hinaus ist der Geschäfts563 564 565

Siehe hierzu Reichold, in: Münchner Hdb. ArbR., § 51 Rn. 26. Reichold, a.a.O., § 51 Rn. 26, m.w.N. Reichold, a.a.O., § 51 Rn. 27 ff.

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leiter in erster Linie für das Wohl des Unternehmens zuständig, so dass er nicht einen Dienstvertag „zugunsten außenstehender Dritter“ abschließen wird. Ferner ist bei diesem Ansatz zu kritisieren, dass die Autoren mit keiner Silbe auf den Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz eingehen. Auch wenn nicht an eine zwischen-menschliche Herrschaft angeknüpft wird, sondern an den Betrieb als Gefahrenherd, so darf gleichwohl eine Stellungnahme hinsichtlich eines etwaigen Verstoßes gegen den Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz nicht fehlen. Hinzu kommt, dass die Autoren bei der Übernahme der Garantenpflicht durch den CO ebenso kein Wort über das Bestehen oder Nichtbestehen eines besonderen Vertrauensverhältnisses verlieren. Sie verweisen lediglich darauf, dass es eines besonderen Übernahmeaktes bedarf und dieses durch den CO übernommene Risiko angemessen vergütet werden muss. Damit wird auf die Begründung des materiellen Grundes der Garantenstellung verzichtet. Das tatsächliche Element der Übernahme wird zur Begründung der Garantenstellung als genügend erachtet. Hierzu können dieselben Einwände wie bei der überholten formellen Rechtsquellenlehre vorgebracht werden.566 d) Ransiek aa) Darstellung Ransiek sieht die Begründung einer Garantenpflicht des CO in der Pflicht zur Überwachung von Gefahrenquellen.567 Dabei orientiert er sich an strafrechtliche Überwachungspflichten, nämlich daran, dass die Unternehmensleitung bei der zur Vermeidung von betrieblichen Verstößen notwendigen Organisationsmaßnahmen sowohl bei § 13 Abs. 1 StGB als auch bei § 130 Abs. 1 OWiG im Blickfeld sei. Ihr sei eine solche Organisationspflicht zugewiesen. Wenn der Betriebsinhaber einen Unternehmensmitarbeiter entsprechend beauftragte, werde nur der persönlich Verantwortliche ausgewechselt.568 Er stützt sich an die Zuständigkeit und die Herrschaft über eine gefährliche Sache oder Verrichtung. Bezüglich des Eigenverantwortlichkeitsgrundsatzes verweist Ransiek ebenso auf § 130 OWiG und sieht keine Bedenken, eine solche Pflicht auch für das Strafrecht anzunehmen. Überdies knüpft der Autor nicht an die Geschäftsherrenhaftung an und argumentiert damit, dass es bei § 13 StGB gar nicht darum gehe, dass Straftaten anderer zu verhindern wären, sondern allein um die Frage, ob jemand rechtlich dafür einzustehen habe, dass der Erfolg nicht eintrete, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehöre. Dieser Erfolg sei aber nicht die Straftat oder Zuwiderhandlung eines (anderen) Arbeitnehmers, sondern derjenige des Tatbestands, der durch Unterlassen verwirklicht worden sein könne. Es gehe um die Eindämmung von Unternehmensgefahren. Aus diesem Grund

566 567 568

Vgl. unten Teil 4, B. I. Ransiek, AG 2010, 147 ff. Ransiek, a.a.O., S. 148 f.

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sei es auch nicht von Relevanz, ob andere autonom handeln und für die Herbeiführung des Erfolges ihrerseits verantwortlich sind.569 Bei § 263 StGB habe der nach § 13 StGB zur Erfolgsabwendung Verpflichtete durch sein Tätigwerden zu verhindern, dass ein anderer eine irrtumsbedingte, selbstschädigende Vermögensverfügung vornimmt. Ob das Opfer sich aber aus eigenem Antrieb zu der Verfügung entschlossen habe oder aber dazu durch einen Dritten veranlasst worden sei, sei schlicht nicht Gegenstand der Prüfung. Denn der Garant habe das Vermögen des Opfers vor Gefahren zu schützen. Ransiek lehnt es ebenso ab, hinsichtlich der Haftung zwischen Sach- und Personalgefahren zu differenzieren. Derjenige, der die Herrschaft über eine gefährliche Sache oder Verrichtung ausübe, habe dafür Sorge zu tragen, dass sich keine davon ausgehenden Gefahren realisieren. Die besondere Pflichtenstellung nach § 13 StGB sei dabei das Gegenstück zur rechtlich gewährten Freiheit, eine für andere potentiell gefährliche Tätigkeit durchführen zu dürfen. Dann gehe es aber nicht nur um drohende Gefahren durch Sachen und Tiere, sondern allgemein um Gefahren, die durch eine Organisation hervorgerufen würden. Es sei wenig einleuchtend, danach zu differenzieren, ob ausschließlich von einer Sache selbst oder vom Umgang eines Menschen mit einer Sache Gefahr ausgeht. Denn in der Regel sei nicht schon die Sache selbst, sondern erst der Umgang mit ihr gefährlich.570 Um dies zu verdeutlichen, führt der Autor einige BGH-Entscheidungen als Beispiele an.571 „Hat der Bauleiter zu verhindern, dass ein Gebäude einstürzt, hat er nicht nur abzuwenden, dass es von selbst einstürzt, sondern auch einzugreifen, wenn eine Wand (vorsätzlich, fahrlässig oder schuldlos) von einem Arbeiter eingeschlagen wird – es geht um die durch Bauarbeiten entstehenden Gefahren insgesamt. Die Pflicht des Betriebsinhabers zur Stilllegung eines verkehrsunsicheren Lkw besteht auch, wenn der Fahrer trotz eigener Kenntnis der Mängel mit dem Lkw fährt; die Unfallfolgen werden auch dem Inhaber zugerechnet […].“572 Sowohl Organpersonen als auch diejenigen Arbeitnehmer, die die Überwachung von Gefahren für Außenstehende unternehmensintern übernommen haben, treffe eine Pflicht nach § 13 StGB. Wie der Babysitter, der durch die Übernahme von Pflichten gegenüber den Eltern Garant zugunsten des Kindes werde, werde die Organperson oder der Arbeitnehmer durch die Übernahme seiner Tätigkeit Garant dafür, dass sich die von ihm zu überwachende Gefahr nicht nach außen realisiere. Die Schutzpflicht des Unternehmens werde durch die Übernahme der Tätigkeit mit übernommen; sie werde dadurch zur eigenen Pflicht gegenüber Außenstehenden.573 Durch die Übernahme einer Tätigkeit werden also nach Ransiek die Unterneh569 570 571 572 573

Ransiek, a.a.O., S. 150. Ebda. BGHSt 53, 38; 47, 224; 52, 159; 14, 24 (28); 18, 359 (361). Ransiek, AG 2010, 147 (150 f.). Ransiek, a.a.O., S. 152.

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menspflichten in einem Teilbereich gegenüber außenstehenden Dritten vom jeweils intern zuständigen Mitarbeiter übernommen. Ein besonderes Vertrauensverhältnis, das den Übertragenden gerade dazu veranlasst, dem Verpflichteten besondere Schutzpflichten zu überantworten, sei nach Ransiek nicht erforderlich. Allein die Übernahme der Tätigkeit sei schon ausreichend. Durch die Delegation der Aufgabe durch den Übertragenden werde schon an den Tag gelegt, dass Vertrauen besteht. Ohne ein solches Vertrauen würde nach dem Autor nämlich eine Beauftragung unterbleiben. Wenn der so Verpflichtete seine Pflicht mangels Weisungsbefugnisses (faktisch) nicht erfüllen könne, werde dadurch nicht seine Pflichtenstellung beseitigt, sondern der Erfolg sei ihm nicht zurechenbar.574 Ransiek merkt schließlich noch an, dass Besonderes vom CO nicht verlangt werde; er solle nur die von ihm übernommenen Pflichten erfüllen.575 bb) Stellungnahme Oben wurde bereits dargelegt, dass sich die Organisations- bzw. CompliancePflicht nicht aus § 130 OWiG, sondern aus der Legalitäts- bzw. Legalitätskontrollpflicht des Geschäftsherrn ergibt.576 Ransiek sieht den Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz als gar nicht tangiert an. Die Eigenverantwortung des Rechtsverletzungen begehenden Mitarbeiters stehe deshalb der strafrechtlichen Verantwortung nicht entgegen, weil die Geschäftsherren (bzw. der CO) den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs verhindern müssten. Er verweist daher auf den Wortlaut des § 13 Abs. 1 StGB und argumentiert damit, dass es hier gar nicht darum gehe, dass Straftaten anderer zu verhindern wären, sondern allein um die Frage, ob jemand rechtlich dafür einzustehen habe, dass der Erfolg nicht eintritt, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört. Auch wenn Ransiek hinsichtlich des Nichtvorliegens eines Verstoßes gegen das Eigenverantwortlichkeitsprinzip im Ergebnis zugestimmt werden muss, überzeugt sein Wortlautargument nicht. Der Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz ist in Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG verwurzelt und wird vom Grundgesetz vorausgesetzt. Danach sind aber schon die Gesetzgeber verpflichtet, diesem Grundsatz bei der Ausgestaltung des Strafrechts Rechnung zu tragen.577 Nach § 13 Abs. 1 StGB kann sich der Täter nur dann wegen unechten Unterlassungsdelikts strafbar machen, „wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt“. Dies bedeutet nach h.M., dass der Täter gegenüber dem Opfer eine Garantenstellung innehaben

574 575 576 577

Ebda. Ransiek, a.a.O., S. 153. Vgl. oben Teil 2, C. I. BVerfGE 25, S. 285 f.; auch schon BVerfGE 6, S. 439.

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muss, aus welcher eine Handlungspflicht resultiert.578 Hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung zu § 13 StGB: „Diese Umschreibung verdeutlicht das Erfordernis der Garantenstellung und der aus ihr entspringenden Garantenpflicht, in Richtung auf die Abwendung des drohenden Erfolges tätig zu werden. In der Garantenstellung liegt ein besonderes Pflichtenverhältnis begründet, das den Garanten aus der Masse der übrigen Rechtsgenossen heraushebt und gerade ihm den Schutz des betreffenden Rechtsguts vor dem drohenden tatbestandsmäßigen Erfolg auferlegt. Dem Garanten ist die Unversehrtheit des Schutzwertes anvertraut.“579

Wenn sich nun aus dem Wortlaut „wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt“ ergibt, dass das Vorliegen einer Garantenstellung vorausgesetzt wird, allerdings nicht genau gesagt wird, unter welchen Voraussetzungen dies zu bejahen wäre, kann nicht mit dem Verweis auf denselben Wortlaut der Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz beseitigt bzw. als nicht tangiert angesehen werden. Vielmehr müssen die Rechtsprechung und die Literatur die Entscheidung treffen, wann genau jemand eine Garantenstellung innehat,580 also losgelöst von § 13 Abs. 1 StGB, wobei hierbei immer auch der Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz zu berücksichtigen ist. Wenn den Gesetzgeber die Pflicht trifft, bei der Ausgestaltung des Strafrechts dem Autonomieprinzip Rechnung zu tragen, so würde diese Auffassung dazu führen, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des § 13 Abs. 1 StGB seiner Pflicht planwidrig oder aber auch bewusst nicht nachgekommen wäre. Für eine bewusste Nichtberücksichtigung des Eigenverantwortlichkeitsprinzips gibt die Gesetzesbegründung nichts her. Aber auch eine planwidrige Vernachlässigung des Autonomiegrundsatzes lässt sich nicht feststellen, sodass die Wortlautargumentation Ransieks nicht haltbar ist. Dass Ransiek hinsichtlich der Haftung nicht zwischen Sach- und Personalgefahren unterscheiden will, ist zu begrüßen. Fraglich ist nur, warum eine solche Differenzierung unterbleiben muss. Wenn er behauptet, dass in der Regel nicht schon die Sache selbst, sondern erst der Umgang mit ihr gefährlich ist, so bezieht er sich im Grunde nur auf eine gemischt sachlich-personale Gefahr. Die von ihm genannten BGH-Entscheidungen taugen ebensowenig zur Begründung, da sie sich jeweils auf gemischt sachlich-personale Gefahren beziehen. Ferner ist zu kritisieren, dass der Autor auf das Bestehen eines besonderen Vertrauensverhältnisses verzichtet. Der Vertrauensgrundsatz ist bei der sekundären Übernahmegarantenstellung im Rahmen der vertikalen Delegation von Aufgaben im Unternehmen nicht unproblematisch. Ein Verzicht auf dieses Erfordernis würde zu einem Verzicht auf den materiellen Grund der Garantenstellung führen. 578 Lackner/Kühl, StGB, § 13 Rn. 6; Kühl, AT, § 18 Rn. 2; Jescheck, in: LK-StGB, Band 1, 11. Auflage, § 13 Rn. 4, 19; Maiwald, JuS 1981, 473 (480); Stree/Bosch, in: Sch/Sch, StGB, 28. Auflage 2010, § 13 Rn. 2, 7; Fischer, StGB, § 13 Rn. 6 f.; a.A.: Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 61 ff., der die Garantenproblematik der Entsprechensklausel zuordnet. 579 BT-Drucks. IV/650, S. 124. 580 BT-Drucks. IV/650, S. 125.

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e) Hendrik Schneider/Gottschaldt aa) Darstellung H. Schneider und Gottschaldt nehmen an, dass auf allen Hierarchieebenen eine auf Vertrag gegründete Garantenstellung in Betracht kommt, die sowohl Überwachungs- als auch Schutzpflichten auslösen könne, soweit die vertragliche Pflicht auch tatsächlich übernommen worden sei.581 Je nach der inhaltlichen Ausgestaltung des Vertrages könne es sich um Überwachungspflichten (Überwachung der Mitarbeiter im Hinblick auf die Begehung von Straftaten zum Nachteil außenstehender Dritter und zum Nachteil des Arbeitgebers) und/oder um die Pflicht, die Rechtsgüter des Unternehmens vor einer Beeinträchtigung auch durch außenstehende Dritte zu schützen, handeln. Das Bestehen einer Garantenstellung sei durch Auslegung des Arbeitsvertrages und der zugrundeliegenden Stellenbeschreibung festzustellen. Neben dieser Möglichkeit nimmt H. Schneider als weitere Quelle einer Überwachergarantenstellung ein von der Geschäftsführung des Unternehmens abgeleitete rechtliche Einstandspflicht an, wobei es auch hier auf das konkrete Spektrum der vertraglich vorgesehenen und tatsächlich übernommenen Aufgaben ankommt.582 bb) Stellungnahme H. Schneider und Gottschaldt betonen insbesondere die inhaltliche Ausgestaltung des Dienstvertrages. Freilich ist dies maßgebend dafür, ob Pflichten übernommen werden, die auch beim Delegationsempfänger eine Garantenpflicht begründen. Allerdings erfolgt dadurch noch keine Materialisierung der Garantenstellung. Es wird nur die formelle Betrachtungsweise mit der Funktionenlehre verbunden. Ob die Autoren diese Herleitung dann noch mit materiellen Kriterien anreichern wollen, geht aus ihrer Erörterung nicht ausdrücklich hervor. Zwar unterstreichen sie, dass es nicht auf die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertrages ankommt, sondern auf die tatsächliche Übernahme und dass im berechtigten Vertrauen auf die Einsatzbereitschaft des Verpflichteten andere Schutzmaßnahmen unterblieben sind oder unterbleiben durften;583 Ob dann aber der Vertrauensgrundsatz explizit herangezogen wird oder nicht oder ob die Heranziehung nur mit einer etwaigen Modifikation erfolgt, dazu nehmen die Autoren keine Stellung.

581 H. Schneider/Gottschaldt, ZIS 2011, S. 573 ff.; H. Schneider, in: FS Ebert, 2011, S. 349 ff. 582 H. Schneider, in: FS Ebert, 2011, S. 349 (361 f.). 583 H. Schneider, a.a.O., S. 356 ff.

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f) Argumente im Schrifttum gegen eine sekundäre Garantenstellung des CO In der Literatur existieren verbreitet auch Ansichten, die eine Garantenstellung des CO mit unterschiedlichen Begründungen gänzlich ablehnen.584 So nimmt Berndt an, die Garantenstellung des CO für Straftaten der Unternehmensmitarbeiter scheitere spätestens an der Eigenverantwortlichkeit der Untergebenen. Der Gesetzgeber zeige durch die Regelung in § 130 OWiG gerade, dass eine Pflichtverletzung der Unternehmensleitung im Zusammenhang mit unternehmensbezogenen Taten der Mitarbeiter nur als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden solle. Wenn dies schon für die Unternehmensleitung gelte, scheide erst recht eine Garantenstellung des CO aus.585 Andere sprechen in diesem Zusammenhang ausdrücklich von einer Sperrwirkung des § 130 OWiG.586 Warneke bejaht ebenso einen Verstoß gegen das Autonomieprinzip, begründet diesen aber anders.587 Solange eine verantwortliche Person handle, sehe das Strafrecht nur ausnahmsweise eine Garantenstellung eines Dritten für deren Handeln vor. So sei nach § 357 Abs. 1 StGB ein Dienstvorgesetzter strafbar, der eine rechtswidrige Tat seiner Untergebenen im Amt geschehen lasse.588 Diese Vorschrift sei jedoch Amtsdelikt und auf den CO in der freien Wirtschaft nicht anwendbar. Er folgert aus dieser Norm jedoch, dass eine Verantwortung für die Straftaten Dritter eine Organisationsgewalt über die Täter voraussetze und kommt zu dem Ergebnis, dass anders als der Betriebsinhaber, dessen Organisationsgewalt über den Betrieb trotz des Selbstverantwortungsprinzips ausnahmsweise eine Garantenstellung begründe, ein angestellter CO weder ein dem Betriebsinhaber vergleichbares Direktionsrecht noch diesem vergleichbare Sanktions- und Eingriffsmöglichkeiten, sondern nur Kontrollbefugnisse habe. Spring dagegen weist darauf hin, dass jede über § 13 Abs. 1 StGB abgesicherte Aufsichtspflicht auf einer Autoritätsstellung gründen müsse.589 Rein tatsächliche Herrschaft über fremdes Verhalten reiche als solche Autoritätsstellung nicht aus; vielmehr folge aus dem Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz, dass derjenige, der sein Verhalten selbst bestimmen dürfe, auch allein für die Rechtsmäßigkeit seines Handelns zuständig sei. Im Arbeitsleben könne eine derartige Autoritätsstellung nur in Form des Weisungsrechts gegenüber untergeordneten Mitarbeitern gegeben sein. Liege es nicht vor, scheitere jede Aufsichtsgarantenstellung bereits an dieser grundlegenden Voraussetzung. Zusätzlich zur Autoritätsstellung fordert der Autor einen materiellen Haftungsgrund. „Da Menschen mit Bewusstsein und Verstand ausgestattet sind, reicht es grundsätzlich aus, die Gefahrenquelle selbst (die han584 Berndt, StV 2009, 687 (691); Warneke, NStZ 2010, 312 (316); Grau/Blechschmidt, DB 2009, 2143 (2145); Spring, GA 2010, 222 ff; Campos Nave/Vogel, BB 2009, 2546 ff. 585 Berndt, a.a.O. 586 Stoffers, NJW 2009, 3173; Campos Nave/Vogel, BB 2009, 2546 (2548 f., 2551). 587 Warneke, NStZ 2010, 312 (316). 588 Hier verweist Warneke auf vergleichbare Regelungen in § 41 WStG und § 108 SeemG; ebenso Campos Nave/Vogel, BB 2009, 2546 (2548). 589 Spring, GA 2010, 222 (225 ff.).

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delnde Person) strafrechtlich haften zu lassen. Daneben einen „Aufpasser“ mit Handlungspflichten gemäß § 13 Abs. 1 StGB zu belegen ist nur dort gerechtfertigt, wo die Gefahr nicht allein vom Handelnden ausgeht, sondern das Maß der Gefährdung Dritter allein oder zugleich vom Garanten bestimmt wird.“590 Niemand werde allein durch das Versprechen, eine andere Person zu überwachen, und sei es noch so innig abgegeben, zum Aufsichtsgaranten über diese. Eine Übernahme von Pflichten komme erst und nur dann in Frage, wenn solche überhaupt existierten. Diese Existenz hänge vom Bestehen eines materiellen Haftungsgrundes ab. Um dies zu untermauern, nennt Spring folgendes Beispiel: „Verspricht die Lebensgefährtin eines vorbestraften Gewalttäters gegenüber dessen Eltern, solche ,Dummheiten‘ in Zukunft zu verhindern, müsste ihr allein deshalb eine Garantenpflicht zukommen. Es wird jedoch niemand bestreiten wollen, dass die Lebensgefährtin selbst dann nicht zur Aufsichtsgarantin wird, wenn sie zusätzlich zu ihrem Versprechen den ,Beaufsichtigten‘ heiratet. Stattdessen ist und bleibt ihre Untätigkeit aufgrund der fortbestehenden Eigenverantwortlichkeit des Handelnden allenfalls nach § 323c StGB strafbar.“591 Als materieller Haftungsgrund einer Aufsichtsgarantenstellung in Unternehmen komme vor allem in Betracht, dass der (untergeordnete) Begehungstäter ein Defizit an Kenntnissen oder Fähigkeiten aufweist, das ihm ein pflichtgemäßes Handeln unmöglich macht und so zu über das normale Maß hinausgehenden Gefahren für Dritte führt. Handle der Begehungstäter vollverantwortlich und ohne erkennbares Defizit, dann ließen sich Aufsichtsgarantenpflichten des Vorgesetzten nicht dogmatisch stimmig begründen, und es bleibe für ihn bei der ausreichend strengen Haftung nach § 130 OWiG und/oder § 323c StGB. Daher führe die Verneinung einer Garantenhaftung zu keinerlei bedenklichen Haftungslücken. Ähnlich argumentiert Beulke, indem er darlegt, dass es dem heutigen Rollenverständnis von Arbeitgebern und Arbeitnehmern widerspreche, Personen allein aufgrund ihrer innerbetrieblichen Weisungsgebundenheit in eine Reihe mit Kindern, Strafgefangenen und Geisteskranken zu stellen.592 Im Gegensatz dazu setze die moderne unternehmerische Führungslehre auf Mitverantwortung, Vertrauen und Kooperation statt auf Befehl oder Kontrolle durch Vorgesetzte und tumben Gehorsam der Befehlsempfänger. Trotzdem bejaht Beulke die Geschäftsherrenhaftung in Fällen, in denen der Geschäftsherr die Gefahr oder das Geschehen einer Straftat mindestens ebenso stark heraufbeschworen hat wie der aktiv Handelnde. Dazu nennt er folgenden Fall: „Wer als Inhaber einer Spedition unrealistische Tourenpläne erstellt, den trifft im Falle eines Unfalls wegen Übermüdung des Fahrers zumindest eine Mitschuld; das Eigenverantwortlichkeitsprinzip hilft ihm nicht weiter.“593 Dies ändere aber nichts daran, dass ein betriebliches Über-/Unterordnungsverhältnis allein als Begründung der Geschäftsherrenhaftung nicht taugt. Er ist ebenso der Auffas590 591 592 593

Spring, a.a.O., S. 226. Spring, a.a.O., S. 226 f. Beulke, in: FS Geppert, 2011, S. 23 (33 und 38). Beulke, a.a.O, S. 33, in Anlehnung an LG Nürnberg-Fürth, NJW 2006, 1824 ff.

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sung, dass jede Aufsichtspflicht i.S.d. § 13 Abs. 1 StGB auf einer Autoritätsstellung beruht. Nötig sei aber eine „rechtlich anerkannte Autoritätsstellung“, die es dem potentiellen Garanten gestatte, das Verhalten einer anderen Person zu bestimmen. Er fordert ein Verhaltensbestimmungsrecht. Sei jemand von Rechts wegen befugt, das Verhalten eines anderen zu bestimmen, treffe ihn als Ausgleich für diese Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts des Handelnden auch die Pflicht, Straftaten des ihm Untergeordneten zu verhindern. Im Arbeitsleben komme eine Garantenhaftung nur dort infrage, wo ein Über-/Unterordnungsverhältnis und damit ein Weisungsrecht des potentiellen Garanten besteht, denn wo kein Verhaltensbestimmungsrechts existiere, könne auch keine Aufsichtspflicht bestehen. Wenn der CO kein Direktionsrecht gegenüber dem Straftäter innehat, so scheidet er nach Beulke mangels Garantenstellung von vornherein als Unterlassungstäter oder -teilnehmer aus.594 Unter Verweis auf Roxin595 und Schünemann596 zeigt Berndt zudem auf, dass die Geschäftsherrenhaftung, soweit sie bejaht werde, aus dem Direktions- und Weisungsrecht hergeleitet werde. Diese werde unter der Bedingung abgeleitet, „dass ein Leitungsorgan die ihm mit den Mitteln der Verbandsdisziplin mögliche Verhinderung der Zuwiderhandlung eines Untergebenen unterlassen hat“.597 Entscheidend für die Annahme der Garantenstellung seien auch für die Befürworter der Geschäftsherrenhaftung Kriterien wie „Befehlsgewalt“, „Herrschaft über den Grund des Erfolges“ oder „Mittel der Verbandsdisziplin“. Daraus erschließe sich, dass der CO auch unter diesen Bedingungen keine Garantenstellung haben könne. Ihm fehlten die „Mittel der Verbandsdisziplin“, so dass es unerträglich sei, ihn strafrechtlich haften zu lassen. Dieser Umstand drücke sich schon bei dem Tatbestandsmerkmal der Garantenstellung aus und nicht erst bei der für eine mögliche Strafbarkeit ebenfalls entscheidenden Frage, ob er rechtlich und tatsächlich in der Lage sei zu handeln.598 Dannecker und Dannecker merken diesbezüglich an, dass das Direktions- und Weisungsrecht erst gar nicht als Kriterium herangezogen werden könne, da es die Eigenverantwortlichkeit der Untergebenen ohnehin nicht zu beseitigen vermöge.599 Darüber hinaus ist Berndt auch aufgrund des Bestimmtheitsgrundsatzes, Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB, gegen eine Garantenstellung des CO. Nur durch restriktive Anforderungen an die Umstände, die eine strafbewehrte Pflicht auslösen sollen, könne ausgeglichen werden, dass § 13 StGB selbst keine ausreichend klaren Restriktionen vorsehe. Das ungeregelte Berufsbild mache es dem einzelnen CO unmöglich zu bestimmen, ob er ausgehend von dem Umfang seiner Rechte und Pflichten jeweils bereits eine soziale Funktion wahrnehme, für die ursprünglich der 594 595 596 597 598 599

Beulke, a.a.O., S. 37. Roxin, AT II, § 32 Rn. 31 ff. Schünemann, ZStW 96 (1984), 287 (318). Berndt, StV 2009, 687 (691). Ebda. Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981 (989 f.).

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Unternehmensinhaber zuständig sei. Eine Übertragung der begrenzten Garantenpflicht von Beauftragten mit klar normierten Rechtspositionen auf den CO sei schon aufgrund des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht möglich, da das Berufsbild des CO in keiner Form institutionalisiert sei.600 Warneke legt zudem dar, dass ein Informationsvorsprung keine Herrschaft über das Geschehen begründe wie sie eine Sonderverantwortlichkeit als Garant erfordere.601 Die Sonderverantwortung des Überwachungsgaranten beruhe auf seiner Verantwortung für eine Gefahrenquelle und seiner Möglichkeit, die von ihr ausgehenden Gefahren zu beeinflussen. Dem stehe es nicht gleich, Informationen über eine Gefahrenquelle zu haben. Er ist der Meinung, dass Wissen nicht per se zu einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit führt und auch nicht Kontrolle bedeutet. Warum solle das Wissen um eine Gefahrenquelle zur strafbewehrten Pflicht erwachsen, diese zu überwachen. Das Wissen um eine konkrete Tat sei als Wissenselement Bestandteil des Vorsatzes und könne schon deshalb keine herausgehobene Herrschaft über das Geschehen begründen. § 138 StGB zeige gerade, dass das Wissen um Straftaten nur in Ausnahmefällen strafbar sei, und zwar gerade nicht als Beteiligter durch Unterlassen an der fremden Tat, sondern aus § 138 StGB selbst. Er führt hierzu noch aus, dass § 138 StGB für die dort genannten besonders schweren Katalogtaten eine Privilegierung enthalte, würde das bloße Wissen um eine Straftat für eine Garantenhaftung genügen. Ähnlich argumentiert M. Wolf: Eine besondere Herrschaftsposition durch Informationsgewalt komme nur dann in Betracht, wenn dem Beauftragten ein eng umgrenztes Sachgebiet zugewiesen wurde. Bei einer Beauftragung zur Sicherstellung der Normenkonformität in der Breite aller unternehmerischen Aktivitäten könne ein solches spezifisches Sonderwissen, das sich auf alle Geschäftsbereiche erstrecken müsste, gewiss nicht angenommen werden.602 Ferner wird darauf verwiesen, dass eine regelmäßige Garantenpflicht des CO zur Verhinderung von Straftaten nicht bestehe, da kein allgemeines oder allgemein anerkanntes Berufsbild des CO existiere.603 So wird u. a. thematisiert, dass eine Garantenstellung des CO – anders als die strafrechtliche Haftung des Betriebsbeauftragten – weder an einer bestimmten gesetzlichen Bestimmung festgemacht noch mit einer behördenähnlichen Überwachungsfunktion des CO begründet werden könne.604 Seine Aufgaben divergieren von Unternehmen zu Unternehmen.605 600

Berndt, StV 2009, 687 (691). Warneke, NStZ 2010, 312 (316). 602 M. Wolf, BB 2011, 1353 (1358 ff.). 603 Rieder, in: FS Goette, 2011, S. 413 (415 ff.); Lackhoff/Schulz, CCZ 2010, 81 (86); Campos Nave/Vogel, BB 2009, 2546 (2548), Momsen, in: FS Puppe, 2011, S. 751 (765); Rolshoven/Hense, BKR 2009, 422 (426 f.); Frisch, BGH EWiR, § 13 StGB 1/10, S. 95 (96). 604 Campos Nave/Vogel, a.a.O. 605 Frisch, BGH EWiR § 13 StGB 1/10, S. 95 (96) der darauf hinweist, dass der CO in der „Advisory Compliance“ als Berater tätig sein kann oder mit den ihm von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Mitteln Kontrollfunktion wahrnehmen kann. 601

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g) Fazit und Stellungnahme aa) Vorbemerkung Diese unterschiedlichen aber auch gegensätzlichen Begründungsansätze machen einmal mehr deutlich, dass die Garantenfrage des CO nicht geklärt ist. Es zeichnet sich insgesamt ein chaotisches Bild ab. Die Ansichten mit einer die Garantenstellung des CO befürwortenden Grundhaltung stellen fast immer auf die Herrschaft über eine Gefahrenquelle ab, wobei sie sich darin uneinig sind, wann eine solche Herrschaft gegeben sein soll. Genau an dieser Stelle variieren die Begründungen insbesondere deshalb, weil unterschiedliche Anknüpfungspunkte für die Legitimierung der Herrschaft herangezogen werden. Dies verkompliziert die Sache zusätzlich, da sich die Kritik teilweise nur bezüglich des einen oder anderen Begründungsansatzes vorbringen lässt. Hinzu kommt, dass die Ansichten hinsichtlich des Eigenverantwortlichkeitsgrundsatzes immer wieder in Begründungsnot geraten. Darüber hinaus wird freilich auch das ungeregelte Berufsbild des CO zur Ablehnung der Garantenstellung herangezogen. Kontroversen herrschen aber auch hinsichtlich eines etwaigen Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Dies beruht insbesondere auf der dogmatischen Unklarheit der Grundlage. Letztlich wird die Garantenstellung des CO teilweise auch aus dem Ingerenzgedanken gefolgert. Nachfolgend sollen die Argumente, die eine Garantenstellung des CO grundsätzlich bestreiten, einer kritischen Würdigung unterzogen werden. bb) Die Eigenverantwortlichkeit des unmittelbar handelnden Mitarbeiters Von einigen Autoren wird die Eigenverantwortlichkeit des unmittelbar handelnden Mitarbeiters gegen das Vorliegen einer Garantenstellung des Geschäftsherrn und auch des CO ins Feld geführt.606 Das Prinzip der Selbstverantwortung607 bzw. Eigenverantwortlichkeit oder auch Autonomieprinzip genannt besagt, dass grundsätzlich „jede Person nur für ihr eigenes Verhalten verantwortlich ist und nie für das Verhalten frei verantwortlich handelnder anderer“.608 Aufgrund des Umstandes, dass 606 Beulke, in: FS Geppert, 2011, S. 23 (32); Warneke, NStZ 2010, 312 (315 f.); Berndt, StV 2009, 689 (691); Campos Nave/Vogel, BB 2009, 2546 (2548 f.); Spring, GA 2010, 222 (225 f.); Rudolphi/Stein, SK-StGB § 13 Rn. 35a; Jescheck, in: LK-StGB, Band 1, 11. Auflage, § 13 Rn. 45; Otto, JURA 1998, 409 (411 und 413); Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 76 ff. 607 Das Autonomieprinzip ist allgemein anerkannt: vgl. Freund, Erfolgsdelikt, S. 252 und 262; Jakobs, AT, 29/32; Otto/Brammsen, JURA 1985, 541, 599, 647; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 323 f.; Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 226; Sangenstedt, Garantenstellung, S. 400; Rudolphi/Stein, a.a.O., § 13 Rn. 32, 35a; Göhler, in: FS Dreher, 1977, S. 611 (620). 608 Kühl, AT, § 18 Rn. 116 f.; Otto, AT, § 6 Rn. 49; Schumann, Handlungsunrecht, S. 6, 42; Greco, ZIS 2011, 9; Roxin, AT II, § 32 Rn. 125; Rudolphi/Stein, a.a.O.; Warneke, NStZ 2010, 312 (316); Bosch, Organisationsverschulden, S. 145; Lenckner/Eisele, in: Sch/Sch-StGB, 28. Auflage 2010, Vorbem. §§ 13 ff. Rn. 101 ff.; Heine, Verantwortlichkeit, S. 116; Kirchner, Unterlassungshaftung, S. 85; Wohlers, in: NK-StGB, § 13 Rn. 51; Rudolphi/Stein, in: SK-

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jeder selbst für sein Verhalten einstehen kann und muss,609 braucht sich grundsätzlich niemand auf sorgfaltswidriges Verhalten anderer Personen einzustellen.610 Im Unternehmensbereich kann dieser Grundsatz folglich dazu führen, dass die Strafbarkeit von Geschäftsleitern für das Verhalten ihrer Mitglieder bzw. die Strafbarkeit von CO ausgeschlossen ist, soweit die Mitarbeiter eigenverantwortlich handeln. Ob dies zwingend so ist, wird erst im letzten Teil der Arbeit beantwortet werden. Nachfolgend wird aufgezeigt, ob die Argumente, die die Autoren hinsichtlich eines Verstoßes gegen den Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz in Erwägung ziehen, schlüssig bzw. stichhaltig sind. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz wird nämlich mit Hilfe verschiedener Kriterien begründet. (1) Sperrwirkung der §§ 357 StGB, 41 Wehrstrafgesetz, 108 SeemG Sowohl die Stimmen, die eine Garantenstellung des CO für Nichtverhinderung von Straftaten Unternehmensangehöriger bejahen, als auch die, die eine solche verneinen, nehmen Bezug auf die §§ 357 Abs. 1 Alt. 3 StGB, 41 WStG und 108 SeemG, um ihren Ansatz zu stützen.611 Zunächst soll ein kurzer Blick über die genannten Vorschriften gegeben werden. Gemäß § 357 Abs. 1 Alt. 3 StGB hat ein Vorgesetzter, der die rechtswidrige Tat seiner Untergebenen geschehen lässt, „die für diese rechtswidrige Tat angedrohte Strafe verwirkt“. Gemäß § 357 Abs. 2 StGB gilt dasselbe für einen Amtsträger, „welchem eine Aufsicht oder Kontrolle über die Dienstgeschäfte eines anderen Amtsträgers übertragen ist, sofern die von diesem letzteren Amtsträger begangene rechtswidrige Tat die zur Aufsicht oder Kontrolle gehörenden Geschäfte betrifft“. Damit ist im Bereich des öffentlichen Dienstes eine Unterlassungsstrafbarkeit des Dienstvorgesetzten gesetzlich ausdrücklich verankert. Gemäß § 41 WStG wird der militärische Vorgesetzte (nach § 1 Abs. 3 S. 1 Soldatengesetz ist Vorgesetzter, „wer befugt ist, einem Soldaten Befehle zu erteilen“) bestraft, wenn er „es unterlässt, Untergebene pflichtgemäß zu beaufsichtigen oder beaufsichtigen zu lassen, und dadurch wenigstens fahrlässig eine schwerwiegende StGB, § 13 Rn. 32; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 324; ders., Unternehmenskriminalität, S. 104; Mittelsdorf, ZIS 2011, S. 123. 609 Freund, Erfolgsdelikt, S. 68; Sangenstedt, Garantenstellung, S. 327 f.; Jakobs, AT, 7/58; Meier, NJW 1992, 3193 (3196); Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 66 f. 610 Hsü, Garantenstellung des Betriebsinhabers, S. 3; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 104; Sangenstedt, a.a.O., S. 400; Jakobs, AT, 29/38; Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, § 13 Rn. 22; Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 152 f.; Neudecker, a.a.O. 611 Hinsichtlich der Geschäftsherrenhaftung vgl. Hsü, a.a.O., S. 105, 123 ff., 158 ff.; Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 180 ff.; Beulke, in: FS Geppert, 2011, S. 23 (30 f.); Neudecker, a.a.O., S. 140 ff. und 171; Walter, Pflichten, S. 140 ff.; Langkeit, in: FS Otto, 2007, S. 649 (651); Bosch, Organisationsverschulden, S. 146 ff.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 33 ff.; Roxin, AT II, § 32 Rn. 140; Brammsen, in: Amelung, Individuelle Verantwortung, S. 105 (129 ff.); Jakobs, AT, 29/36; Rudolphi/Stein, a.a.O., § 13 Rn. 35a.

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Folge verursacht“. Ähnlich wie § 357 Abs. 1 Alt. 3 StGB regelt § 41 WStG ein echtes Unterlassungsdelikt. § 108 Abs. 1 SeemG lautet wie folgt: „Der Kapitän und die anderen Vorgesetzten haben die ihnen unterstellten Personen gerecht und verständnisvoll zu behandeln und Verstößen gegen die Gesetze und die guten Sitten entgegenzutreten. Sie dürfen die Jugendlichen nicht körperlich züchtigen oder misshandeln und haben sie vor körperlichen Züchtigungen und Misshandlungen durch andere Besatzungsmitglieder zu schützen sowie darauf zu achten, dass den Jugendlichen auch während der Freizeit gesundheitliche und sittliche Gefahren nach Möglichkeit ferngehalten werden“. Anders als die bereits genannten Bestimmungen wird in § 108 Abs. 1 SeemG weder mit einer Strafe noch einem Bußgeld gedroht. Um die Frage beantworten zu können, welche strafrechtlichen Folgen die Verletzung dieser Vorschrift haben kann, muss mangels sondergesetzlicher Regelung auf § 13 Abs. 1 StGB abgestellt werden. Als systematisches Argument gegen eine Garantenstellung des CO wird angeführt, dass es mangels entsprechender Bestimmungen für den Bereich der Privatwirtschaft an der Pflicht des CO zur Verhütung von Straftaten anderer fehle, und sie deshalb auch nicht im Wege der Anerkennung eines unechten Unterlassungsdelikts eingeführt werden dürfe.612 Eine solche Garantenstellung besteht nach dieser Auffassung nur dort, wo die Rechtsordnung sie ausdrücklich anordnet, wie dies mit §§ 357 StGB, 41 WStG, 108 Abs. 1 SeemG geschehen sei. Da eine Spezialregelung für Wirtschaftsunternehmen nicht existiert, könne es hier eine solche Garantenstellung nicht geben. Der Mitarbeiter handle im Regelfall eigenverantwortlich, so dass der Geschäftsherr bzw. der CO nicht für das rechtswidrige Verhalten des Mitarbeiters verantwortlich gemacht werden könne. Im Ergebnis wird also aus den genannten Vorschriften eine Sperrwirkung hergeleitet. Diese Auffassung ist starken Bedenken ausgesetzt. Selbst bei § 108 Abs. 1 SeemG muss auf § 13 Abs. 1 StGB abgestellt werden, um eine Strafbarkeit bei Zuwiderhandlung gegen diese Regelung begründen zu können. Allein der Umstand, dass für zwei spezielle Konstellationen (§ 357 StGB und § 41 WStG) eine eigene Regelung getroffen wurde, lässt nicht den Schluss zu, dass es eine solche Garantenstellung nicht gibt.613 Aus keiner von ihnen lässt sich zuverlässig ableiten, dass der gesetzgeberische Wille dahin geht, die Straftatverhinderung bzw. die Unterlassungshaftung der verschiedenen Überwachungsgaranten abschließend zu regeln.614 Deutlich wird nur, dass die Vorschriften die generelle täterschaftliche (Erfolgs-) Haftung für ausgewählte Sonderstatusträger bestimmen.615 Blickt man zudem auf die gesetzgeberische Entwicklung im Wettbewerbsrecht, so bestätigt dies ebenso die hier vertretene Auffassung. Bis zur UWG-Reform in Jahre 2004 war in § 4 Abs. 2 612

Campos Nave/Vogel, BB 2009, 2546 (2548 f.); Warneke, NStZ 2010, 312 (316). Siehe Beulke, in: FS Geppert, 2011, S. 23 (31); Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 181. 614 Beulke, a.a.O.; Brammsen, in: Amelung, Individuelle Verantwortung, S. 129 f.; im Ergebnis ebenso Busch, Unternehmen, S. 539 ff.; Landscheidt, Garantenpflichten, S. 113. 615 Brammsen, a.a.O. 613

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UWG a.F. ausdrücklich eine Unterlassungsstrafbarkeit des Betriebsleiters bei irreführenden Werbeangaben der Angestellten normiert. Mit der UWG-Reform hob der Gesetzgeber diese Vorschrift auf, wobei er an seiner Grundhaltung zu einer Garantenpflicht bei diesen Angelegenheiten nichts änderte.616 Überdies bleibt im Dunkeln, warum eine ausdrückliche gesetzliche Regelung von Nöten sein soll, wenn sie im Übrigen bei anderen Garantenstellungen nicht verlangt wird,617 und der Verzicht auf § 4 Abs. 2 UWG a.F. dies einmal mehr bestätigt. Andere wollen den genannten Bestimmungen einen „allgemeinen Rechtsgedanken“ entnehmen, der sowohl für die Annahme der Geschäftsherrenhaftung als auch der von dieser abgeleiteten Haftung des CO spreche.618 Aber auch diese Auffassung überzeugt nicht. Diese Vorschriften sind nicht geeignet, für die Entwicklung einer Garantenhaftung der Unternehmensorgane aber auch des CO als gesetzlicher Anhaltspunkt zu dienen. Der Verweis auf einen „allgemeinen Rechtsgedanken“ einer nicht direkt anwendbaren Norm ist nichts anderes als eine Analogie zu Lasten des Täters und daher mit Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB nicht zu vereinbaren.619 Zum anderen sind die vorhandenen Regelungen hinsichtlich der erfassten Sachverhalte und der gewählten Regelungstechnik ohnehin zu verschieden, um als Analogiebasis taugen zu können.620 Überdies muss in Erwägung gezogen werden, dass die Existenz von Vorschriften, die die Haftung für rechtswidriges Verhalten von Untergebenen vorschreiben, nicht zwingend zu einer strafrechtlich relevanten allgemeinen Garantenstellung von übergeordneten Personen führen.621 Folgerichtig tragen §§ 357 StGB, 41 WStG und 108 SeemG weder zur Begründung einer Haftung des CO noch zur entsprechenden Ablehnung etwas bei. Je nach dem, aus welchem „Blickwinkel“ man diese Vorschriften betrachtet, Analogie- oder Umkehrschluss, kommt man zu gegensätzlichen Ergebnissen. Demnach können beide juristische Schlussfolgerungen aufgrund ihrer beliebigen Austauschbarkeit zu einer Ergebnisfindung wenig beitragen. Zieht man nämlich den Analogieschluss heran (nichts anderes wird getan, wenn der allgemeine Rechtsgedanke dieser Vorschriften aufgegriffen wird), so wird – wie bereits erwähnt – eine Analogie zu Lasten des Täters vorgenommen, der nach Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB unzulässig ist. Wird dagegen auf das Umkehrschlussargument abgestellt, so lässt sich ein entsprechender gesetzgeberischer Wille nicht ausfindig machen.622 616

Vgl. Begr. RegE., BT-Drucks. 15/1487 zu § 16 n.F. Siehe hierzu v. Freier, Verbandsstrafe, S. 300, Schilha, Aufsichtsratstätigkeit, S. 155 ff. 618 So Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (55 f.); Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981 (989). 619 Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 79; Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 180; Beulke, in: FS Geppert, 2011, S. 23 (31). 620 Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 63; Hsü, Garantenstellung des Betriebsinhabers, S. 158 ff. 621 Bottke, Haftung, S. 15. 622 Zu dieser bekannten Austauschbarkeit des argumentum a simile und des argumentum e contrario, vgl. OLG München DB 1984, 499; Rogall, ZStW 98 (1986), 573 (615); Schünemann, wistra 1982, 41 (43). 617

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Teil 3: Garantenstellung des CO in Rechtsprechung und Literatur

(2) Sperrwirkung des § 130 OWiG? Es wurde bereits thematisiert, dass § 130 OWiG die Aufsichtspflichtverletzung in Betrieben und Unternehmen als Ordnungswidrigkeit ausgestaltet. Unter dieser Norm können die Fälle der Geschäftsherrenhaftung aber unter Umständen auch die der Haftung des CO für „Nichtverhinderung“ von Straftaten Unternehmensangehöriger fallen. Daher wird beinahe in jeder Abhandlung, sei es im Rahmen der Geschäftsherrenhaftung oder im Rahmen der Haftung des CO, auf die Existenz und dem Normzweck dieser Vorschrift eingegangen. Was sich nun aus dem Bestehen dieser Vorschrift für die Geschäftsherrenhaftung bzw. der Haftung des CO ableiten lässt, wird weitgehend unterschiedlich beantwortet.623 Einige Autoren sprechen § 130 OWiG eine Sperrwirkung zu. Im Umkehrschluss aus dieser Regelung müsse abgeleitet werden, dass eine strafbewehrte Garantenpflicht des CO zur Abwehr von Straftaten keinesfalls bestehe, da diese Vorschrift die Verletzung von Aufsichtspflichten in Betrieben und Unternehmen nur als Ordnungswidrigkeit und nicht als Straftat sanktioniere.624 Anders formuliert soll aus der Existenz des § 130 OWiG eine Sperrwirkung abgeleitet werden. Allerdings zeigt bereits § 21 OWiG, dass diese Auffassung nur wenig Überzeugungskraft hat. Danach wird unmissverständlich nur das Strafgesetz angewendet, wenn eine Handlung gleichzeitig Straftat und Ordnungswidrigkeit ist. Diese Vorschrift regelt einen Fall ausdrücklicher Subsidiarität,625 und zeigt, dass eine Handlung gleichzeitig Straftat und Ordnungswidrigkeit sein kann. Wenn sich diese Möglichkeit schon ausdrücklich aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, so lässt sich aus dem Bestehen einer bußgeldrechtlichen Vorschrift keine zuverlässige Sperrwirkung herleiten. Zwar kann eine Ordnungswidrigkeit ausnahmsweise Vorrang vor einer Straftat haben.626 Dieser Vorrang bzw. eine etwaige Sperrwirkung einer bußgeldrechtlichen Vorschrift muss dann aber aus dem Willen des Gesetzgebers hervorgehen.627 Allein aus dem Nichtbestehen einer dem § 130 OWiG im Strafrecht entsprechenden Norm kann der Wille des Gesetzgebers nicht dahingehend ausgelegt werden, dass eine nicht von Sondernormen erfasste eventuelle Haftung des CO

623 Hinsichtlich der Geschäftsherrenhaftung vgl.: Beulke, in: FS Geppert, 2011, S. 23 (29 f.); Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 183 ff.; Hsü, Garantenstellung des Betriebsinhabers, S. 134 ff.; Rogall, a.a.O.; Landscheidt, Garantenpflichten, S. 113; Roxin, AT II, § 32 Rn. 140; Brammsen, in: Amelung, Individuelle Verantwortung, S. 132 f.; Langkeit, in: FS Otto, 2007, S. 649 (651); Kirchner, Unterlassungshaftung, S. 157; Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, § 13 Rn. 35a; Ransiek, ZGR 1992, 203 (212); Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 68 ff.; Thiemann, Aufsichtspflichtverletzung, S. 58. 624 Stoffers, NJW 2009, 3173 (3176); Campos Nave/Vogel, BB 2009, 2546 (2548 f. und 2551); Berndt, StV 2009, 687 (691); hinsichtlich dem Angeklagten (Leiter der Rechtsabteilung) ebenso Kretschmer, JR 2009, 471 (476). 625 Bohnert, in: KK-OWiG, § 21 Rn. 1. 626 Bohnert, a.a.O., § 21 Rn. 8. 627 So auch Ransiek, AG 2010, 147 (149).

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wegen Nichtverhinderung von Straftaten Unternehmensangehöriger gewollt sei.628 Die Gesetzesbegründung zu § 130 OWiG gibt für eine Sperrwirkung ebenso nichts her.629 Insbesondere wird § 130 OWiG auch bei Bejahung einer strafbewehrten Pflicht, Straftaten von Unternehmensangehörigen zu verhindern, nicht bedeutungslos.630 Denn die Vorschrift lässt in subjektiver Hinsicht schon ein fahrlässiges Handeln genügen, darüber hinaus reicht es für den Kausalitätsnachweis aus, wenn die gebotene Aufsichtsmaßnahme die Zuwiderhandlung wesentlich erschwert hätte, sie muss nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Erfolg entfallen lassen.631 Die Zuwiderhandlung des Begehungstäters ist in § 130 OWiG als eine objektive Bedingung der Ahnbarkeit ausgestaltet. Nicht geregelt sind demnach die Rechtsfolgen, die im Falle des Vorsatzes bezüglich der Zuwiderhandlung eintreten, so dass eine Strafbarkeit wegen vorsätzlichen unechten Unterlassungsdelikts möglich bleibt.632 Zudem lässt diese Vorschrift allenfalls den Schluss auf eine Ordnungswidrigkeit, aber gerade nicht auf die Strafwürdigkeit der Aufsichtspflichtverletzung zu.633 Ferner spricht auch Folgendes gegen eine Sperrwirkung des § 130 OWiG: Es wurde oben bereits gezeigt, dass es sich bei dieser bußgeldrechtlichen Vorschrift um einen Tatbestand handelt, der die mangelnde Überwachung sanktioniert und somit als Auffangtatbestand dient, falls eine eigene Täterschaft oder Beteiligung nicht nachgewiesen werden kann.634 Er schließt eine Lücke und greift in den Fällen ein, in denen die Handlung nicht als Täterschaft oder Teilnahme angesehen werden kann.635 Wenn also diese Vorschrift erst dann zur Anwendung kommt, sobald eine Straf628

Langkeit, in: FS Otto, 2007, S. 649 (651); Beulke, in: FS Geppert, 2011, S. 23 (30 f.) hinsichtlich der Geschäftsherrenhaftung. 629 Bei der Geschäftsherrenhaftung führt Kirchner, Unterlassungshaftung, S. 158 unter Verweis auf BR-Drucksache 420/66 (68 f.) (= BT-Drucks. V/1269, S. 68 f.) an, der Gesetzgeber erkenne die strafrechtliche Überwachergarantenstellung des Betriebsinhabers nicht an, da er in der Begründung zu § 130 OWiG nur von einer „garantenähnlichen Stellung“ des Geschäftsherrn spricht. Dieser Ansicht muss mit Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 186 ff., die Gefolgschaft verweigert werden, da sich die in der Gesetzesbegründung befindliche Ausführung allein auf die Haftung des Betriebsinhabers nach dem neuen Ordnungswidrigkeitengesetz bezieht. Allein aus der Bezeichnung „garantenähnlich“ kann weder auf die gesetzgeberische Anerkennung oder Ablehnung der allgemeinen strafrechtlichen Haftung wegen Nichtverhinderung von Straftaten Untergebener geschlossen werden. Nach der Auswertung der Gesetzesbegründung kommt Spring zutreffend zu dem Ergebnis, dass sich aus der Gesetzesbegründung weder Rückschlüsse für noch gegen die strafrechtliche Geschäftsherrenhaftung ziehen. 630 Ransiek, AG 2010, 147 (149); Rübenstahl, NZG 2009, 1341 (1343). 631 Ransiek, a.a.O. 632 Hendrik Schneider, in: FS Ebert, 2011, S. 349 (360). 633 Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 79. 634 Vgl. oben Teil 2, B. III. 3. 635 Rößler, WM 2011, 918 (922); Gürtler, in: Göhler, OWiG, § 130 Rn. 25 f.

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barkeit des Normadressaten nicht besteht, dann wäre es nur inkonsistent, würde man § 130 OWiG eine Art „Schrankenfunktion“ zuschreiben. Nimmt also ein Normadressat an einer Straftat teil, so geht diese Strafbarkeit der Ahndung nach dem Auffangtatbestand des § 130 OWiG vor.636 Andere dagegen ziehen aus der Existenz des § 130 OWiG eine entgegengesetzte Schlussfolgerung. Sie zeige gerade, dass die Pflicht bestehen könne, auf autonome und voll verantwortliche Personen einzuwirken. Diese im Ordnungswidrigkeitenrecht vorgesehene Pflicht könne gleichermaßen im Strafrecht angenommen werden.637 Namentlich Rübenstahl sieht § 130 OWiG als rechtsgüterschutzverstärkende Ergänzung des Kriminalstrafrechts an.638 Hat man eine Sperrwirkung des § 130 OWiG verneint, so liegt es nahe zu behaupten, dass man sich dann dieser entgegengesetzten Auffassung anschließen muss. Dann aber würde man den Bogen überspannen, denn auch diese Auffassung verdient keine Zustimmung. Aus der bußgeldrechtlichen Vorschrift des § 130 OWiG lässt sich eine strafrechtliche Pflicht nach § 13 Abs. 1 StGB nicht begründen. Bei § 130 OWiG handelt es sich um ein echtes Unterlassungsdelikt. Will man eine Garantenstellung für ein unechtes Unterlassungsdelikt herleiten, so darf niemals die Garantenstellung aus der Handlungspflicht eines echten Unterlassungsdelikts abgeleitet werden. Wenn also diese Ansicht der Existenz von § 130 OWiG die Bedeutung zumisst, sie bringe zum Ausdruck, dass auf autonom und voll verantwortliche Personen eingewirkt werden kann, so tut sie nichts anderes, als die in § 130 OWiG genannte Handlungspflicht auf die Ableitung der Garantenstellung nach § 13 Abs. 1 StGB zu übertragen. Bei der Hilfspflicht nach § 323c StGB und der Anzeigepflicht nach § 138 StGB wird darauf hingewiesen, dass sie nicht dazu benutzt werden können, um daraus eine Garantenstellung zu konstruieren.639 Warum dies aber bei § 130 OWiG nun doch gehen soll, ist zweifelhaft. Insofern kann aus § 130 OWiG auch keine Schlussfolgerungen im Hinblick auf eine Garantenstellung des CO wegen „Nichtverhinderung“ von Straftaten Unternehmensangehöriger, weder im positiven noch im negativen Sinne gezogen werden.640 (3) Fehlende Mittel der Verbandsdisziplin Ferner wird angeführt, dass dem Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit deshalb nicht Genüge getan wird, weil dem CO die Mittel der Verbandsdisziplin fehlten. Man könnte sich nun die Frage stellen, was denn die Mittel der Verbandsdisziplin mit dem 636

Siehe Rübenstahl, NZG 2009, 1341 (1343); Rößler, WM 2011, 918 (922). Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981 (989); Ransiek, AG 2010, 147 (150). 638 Rübenstahl, NZG 2009, 1341 (1343); ebenso Deutscher, WM 2010, 1387 (1389). 639 Roxin, AT II, § 31 Rn. 29. 640 Ähnlich und im Ergebnis ebenso Beulke, in: FS Geppert, 2011, S. 23 (29 f.); Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 183 ff. 637

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Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz zu tun haben. Wie aber bereits in der Vorbemerkung angedeutet, kann durch das Bestehen der Mittel der Verbandsdisziplin die Herrschaft über die Gefahrenquelle begründet werden. Ist diese Herrschaft gegeben, so kann sie die Tat des unmittelbar Handelnden als die eigene erscheinen lassen. Ist sie nicht gegeben, so wird in der Regel davon auszugehen sein, dass das Eigenverantwortlichkeitsprinzip überwiegt. Beulke spricht in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit eines Verhaltensbestimmungsrechts. Sobald dem CO nach seiner innerbetrieblichen Stellung kein Direktionsrecht gegenüber dem Straftäter zustehe, scheide er als Garant aus.641 Berndt verweist diesbezüglich auf die Kriterien, die bei den Befürwortern der Geschäftsherrenhaftung entscheidend zur Annahme ihrer Garantenstellung seien. Diese Kriterien seien die Befehlsgewalt, die Herrschaft über den Grund des Erfolges oder die Mittel der Verbandsdisziplin. Genau diese fehlten allerdings beim CO.642 Ohne an dieser Stelle näher darauf eingehen zu wollen, wird nach h.M. die Geschäftsherrenhaftung auf das Direktions- und Weisungsrecht, aber auch auf einen Informationsvorsprung des Betriebsinhabers gestützt, die seine Herrschaft über die Organisation als Quelle von Gefahren begründe.643 Der CO besitzt in der Regel kein Direktions- und Weisungsrecht. Wie Rönnau und Schneider jedoch anführen, verfügt er aber gegenüber der Geschäftsleitung über einen nicht unerheblichen Informationsvorsprung. Ob dieser Vorsprung zur Begründung der Herrschaft über die Gefahrenquelle genügt, muss näher untersucht werden, soll aber erst im letzten Teil der Arbeit erfolgen. Hier soll der Fokus auf der Schlüssigkeit der von der Literatur gegen das Abstellen auf den Informationsvorsprung vorgebrachten Kritik liegen. Warneke merkt diesbezüglich an, dass das Wissen um eine konkrete Tat als Wissenselement Bestandteil des Vorsatzes ist und schon deshalb keine herausgehobene Herrschaft über das Geschehen begründen kann. Rönnau und Schneider spezifizieren den Bezugspunkt des Wissensvorsprungs nicht.644 Der Verweis auf Schünemann zeigt aber, dass sich das Herrschaftswissen auf monopolisierte Kenntnisse über die Gefährlichkeit von Produkten, über die betrieblichen Vorschriften, geplantes Verhalten dritter Personen, die Benutzung von Informationskanälen sowie die Binnenorganisation oder Außenkontakte des Unternehmens usw. bezieht. Als Kern des personalen Handlungsunrechts bildet der Tatbestandsvorsatz das allgemeine Merkmal des subjektiven Unrechtstatbestandes und die Grundlage für die

641

Beulke, in: FS Geppert, 2011, S. 23 (37). Berndt, StV 2009, 687 (691). 643 Roxin, AT II, § 32 Rn. 135; Fischer, StGB, § 13 Rn. 38; Busch, Unternehmen, S. 541 f.; Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981 (991); Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (56); Beulke/ Bachmann, JuS 1992, 737 (740); Bottke, Täterschaft, S. 106 f.; Schünemann, wistra 1982, 41 (45); ders., Unternehmenskriminalität, S. 102. 644 Warneke, NStZ 2010, 312 (316). 642

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subjektive Zurechnung des tatbestandlichen Erfolges.645 Nach herrschender Auffassung ist Vorsatz als psychischer Sachverhalt der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller seiner objektiven Tatumstände.646 Üblicherweise, wenn auch sprachlich ungenau, wird der Vorsatz als „Wissen und Wollen der zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden objektiven Merkmale“ definiert.647 Dieser für Begehungsdelikte geltende Grundsatz passt für Unterlassungen nur sinngemäß, da es hier an einem vom Verwirklichungswillen getragenen aktiven Tun fehlt. Vorsätzliches Unterlassen ist die Entscheidung zwischen Untätigbleiben und möglichem Tun.648 In diesem Sinne hat sich der BGH geäußert: „Der „Entschluss, untätig zu bleiben, ist eine bewusste und gewollte Entscheidung. Das genügt für den Vorsatz.“649 Gegenstand des Vorsatzes ist bei den unechten Unterlassungsdelikten die Gesamtheit der den objektiven Tatbestand erfüllenden Merkmale unter Einschluss der die Garantenstellung begründenden Umstände.650 Der vorsätzlich handelnde Unterlassungstäter muss also Kenntnis (Wissenselement) von der objektiven Tatbestandsmäßigkeit, also in der Regel der jeweiligen Gefahrenlage, haben. Er muss den Entschluss (Wollenselement) gefasst haben, untätig zu bleiben und sich seiner individuellen Handlungsfähigkeit bewusst sein.651 Wie beim Begehungsdelikt besteht also auch beim Unterlassungsdelikt der Vorsatz strukturell aus einem Wissenselement (cognitive652 Seite) und einem Wollenselement (voluntative Seite).653 Wenn folglich das Wissen um eine konkrete Tat als Wissenselement zur Begründung des Vorsatzes herangezogen wird, kann derselbe Gesichtspunkt nicht auch zur Bestimmung einer herausgehobenen Herrschaft über das Geschehen angeführt werden. Voraussetzung wäre jedoch, dass es sich jeweils um dasselbe Wissenselement handelt oder anders ausgedrückt, der Bezugspunkt bei der Begründung der Herrschaft über das Geschehen identisch ist mit dem Bezugspunkt bei der Bestimmung des Vorsatzes im subjektiven Tatbestand. 645

Wessels/Beulke, AT, Rn. 202. BGHSt 19, 295 (298); Wessels/Beulke, AT, Rn. 203; Cramer/Sternberg-Lieben, in: Sch/ Sch-StGB, 28. Auflage 2010, § 15 Rn. 7 ff.; Roxin, AT I, § 12 Rn. 4. 647 RG 58, 247; 70, 257; BGHSt 36, 1 (10); 51, 100 (119); 52, 182 (189 f.); BGH NStZ 88, 175; Lackner/Kühl, StGB, § 15 Rn. 3; Roxin, AT I, § 12 Rn. 4; Fischer, StGB, § 15 Rn. 3; Gropp, AT, § 5 Rn. 60; Cramer/Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch-StGB, 28. Auflage 2010, § 15 Rn. 9. 648 BGHSt 19, 295 (299); 46, 373 (379); Wessels/Beulke, AT, Rn. 732; Freund, AT, § 7 Rn. 41; Gropp, AT § 11 Rn. 84; Kühl, AT, § 18 Rn. 125; Jescheck/Weigend, AT, S. 630; Jakobs, AT, 29/82 f.; a.A. Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 60 ff., 110 ff., 148 ff., 309 ff. und Welzel, Strafrecht, S. 204 f., die ein Vorsatz bei Unterlassungsdelikten bestreiten. Der Grund liegt darin, dass sie einen Vorsatz nur im Sinne einer finalen Steuerung des Kausalverlaufs anerkennen. Da eine aktive Steuerung nur bei Begehungsdelikten möglich ist, ist für sie ein Unterlassungsvorsatz nicht gegeben. 649 BGHSt 16, 159. 650 Wessels/Beulke, AT, Rn. 732; Roxin, AT II, § 31 Rn. 186. 651 Gropp, AT, § 11 Rn. 84; Roxin, AT II § 31 Rn. 186; Jescheck/Weigend, AT, S. 631 f. 652 Von lat. cognoscere = erkennen. 653 Gropp, AT, § 5 Rn. 60; § 11 Rn. 84. 646

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Auf den ersten Blick sieht es so aus, als handle es sich um ein und dasselbe Kriterium. Denn das Wissen um eine konkrete Tat, also über die Gefahrenlage, ist als Wissenselement schon Bestandteil des Vorsatzes, so dass die Begründung der Herrschaft mit demselben Gesichtspunkt nicht möglich ist. Es ist im deutschen Strafrecht nicht möglich, zwei verschiedene Tatbestandsmerkmale, hier den Vorsatz und die Garantenpflicht, mit identischen Kriterien zu bestimmen. Der Vorsatz bildet die Grundlage für die subjektive Zurechnung des tatbestandlichen Erfolges,654 während sich die Garantenpflicht auf ein besonderes Rechtsverhältnis bezieht, in dem sich eine Person befindet (Garantenstellung) und ihn die Pflicht zum Tätigwerden trifft,655 weil „er rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt“ (Garantenpflicht). Bei näherem Hinsehen fällt aber auf, dass sich das Herrschaftswissen bei Schünemann nicht auf die konkret verwirklichte Tat, sondern auf den überlegenen Informationsfundus bezieht, der erst durch die Bündelung der Informationen zum Herrschaftswissen wird. Dieses Wissen kann dann der CO etwa zur Steuerung des Verhaltens Unternehmensangehöriger benutzen. Eine andere Frage ist, ob er aufgrund seiner Kompetenzen dazu befugt ist. Durch das bei ihm als CO konzentrierte größere Wissen, genauer durch die Vereinigung der Informationen, will Schünemann die Herrschaft über das Geschehen festmachen. Damit will er wohl nicht auf einzelne Wissenskomponenten abstellen, sondern zum Ausdruck bringen, dass der auf der obersten bzw. auf einer höheren Stufe in der Unternehmenshierarchie stehende Vorgesetzte bzw. Mitarbeiter durch die bei ihm vereinigten Informationen einen besseren Überblick über das Gesamtgeschehen im Unternehmen besitzt und eben dieser Überblick zur Überwachung verpflichtet und damit zu einer Garantenpflicht wird. Demgemäß handelt es sich nicht um identische Bezugspunkte, so dass diesem Einwand nicht gefolgt werden kann. Damit ist freilich noch nicht die Frage beantwortet, ob der Informationsvorsprung zur Begründung einer Herrschaft über die Gefahrenquelle ausreichend ist, aber auch dazu dienen kann, die Eigenverantwortlichkeit des unmittelbar handelnden Mitarbeiters zu „beseitigen“. Es kann nur festgehalten werden, dass der Informationsvorsprung nicht Bestandteil des Vorsatzes ist. Auch die Beanstandungen von Beulke und Berndt gehen fehl. Ihre Kritik, also etwa der Verweis auf die Notwendigkeit eines Verhaltensbestimmungsrechts aber auch das Fehlen der Befehlsgewalt beim CO taugen nur beim Versuch der Begründung einer originären Garantenstellung. Denn dann muss tatsächlich der Garant die Gefahrenquelle in vollem Umfang beherrschen, damit ihm eine Garantenpflicht auferlegt werden kann. Sie berücksichtigen aber nicht, dass es sich beim CO um eine sekundäre Garantenstellung aus der Übernahme einer Überwachungsfunktion handelt. Gelten bei der sekundären Übernahmegarantenstellung Besonderheiten? In welchem Umfang muss der Übernehmende hier die Gefahrenquelle „beherrschen“?

654 655

Wessels/Beulke, AT, Rn. 202. Heinrich, AT II, Rn. 920 f.

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Teil 3: Garantenstellung des CO in Rechtsprechung und Literatur

All dies lassen die Autoren unberücksichtigt. Diese Fragen sollen ebenso erst im letzten Teil der Arbeit eingehender untersucht werden. (4) Zwischenergebnis Folglich lässt sich zusammenfassend festhalten, dass weder die spezialgesetzlichen Regelungen noch § 130 OWiG etwas zur Garantenstellung des CO beitragen. Die fehlenden Verbandsmittel des CO führen ebenso noch nicht dazu, dass dem Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz nicht auf anderem Wege Rechnung getragen werden kann. Die Autoren, die einen Verstoß gegen das Eigenverantwortlichkeitsprinzip annehmen, berücksichtigen nicht den Umstand, dass es sich um eine sekundäre Garantenstellung handelt. Die Frage, ob das Eigenverantwortlichkeitsprinzip der Garantenstellung des CO entgegensteht, soll erst im letzten Teil der Untersuchung behandelt werden. cc) Ist die Nichtanzeige von Straftaten nur nach § 138 StGB strafbar? Möglicherweise führt schon die Existenz des § 138 StGB zur Verneinung einer Garantenstellung, da das StGB nur in den Fällen des § 138 StGB eine Strafbarkeit wegen der Nichtanzeige von Straftaten vorsieht, die nur bei den dort geregelten schwerwiegenden Delikten eingreift. Deshalb weist Warneke darauf hin, dass das Wissen nur in § 138 StGB unter Strafe gestellt wird und nicht als Beteiligter durch Unterlassen an einer fremden Tat. § 138 StGB ist ein echtes Unterlassungsdelikt656 und als ein konkretes Gefährdungsdelikt ausgestaltet.657 Diese Vorschrift schränkt die negative Handlungsfreiheit des Bürgers, Art. 2 Abs. 1 GG, mit Rücksicht auf die aus dem Sozialstaatsprinzip erwachsende Solidaritätspflicht ein und legt jedermann die Pflicht auf, sich um Verhinderung bevorstehender, im Einzelnen bestimmter Straftaten zu bemühen.658 Als geschütztes Rechtsgut wurde vormals (auch) die staatliche Rechtspflege als Organ der Verbrechensverhütung angesehen.659 Zutreffend werden heute als Schutzgut die in den Katalogtatbeständen geschützten Rechtsgüter angesehen.660 Dafür spricht zum einen der Umstand, dass das Gesetz für § 138 Abs. 1 StGB auch

656

Lackner/Kühl, StGB, § 138 Rn. 1; Fischer, StGB, § 138 Rn. 2; Ostendorf, in: NK-StGB, § 138 Rn. 1; Hohmann, in: MünchKomm., StGB, § 138 Rn. 3. 657 Hohmann, a.a.O., § 138 Rn. 3; Ostendorf, a.a.O., § 138 Rn. 3; Loos/Westendorf, JURA 1998, 403 (406). 658 Fischer, StGB, § 138 Rn. 2 und 3; Ostendorft, a.a.O., § 138 Rn. 1. 659 Krey, BT I, S. 312; Rengier, BT II, S. 349; Tag, JR 95, 133 (134). 660 BGH 42, 86; Cramer/Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch-StGB, 28. Auflage 2010, § 138 Rn. 1; Fischer, StGB, § 138 Rn. 3; Lackner/Kühl, StGB, § 138 Rn. 1; Rudolphi/Stein, in: SKStGB, § 138 Rn. 2; Ostendorf, in: NK-StGB, § 138 Rn. 3; Hanack, in: LK-StGB, Band 5, 12. Auflage, § 138 Rn. 2 f.

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die Anzeige an den Bedrohten genügen lässt.661 Zum anderen die prozessuale Zuständigkeitsregelung in § 120 Abs. 1 Nr. 7 GVG, die auch für § 138 StGB an die dort aufgeführten Delikte anknüpft.662 Auch die Garantenstellung dient dem Rechtsgüterschutz. Nimmt man eine Garantenstellung beim CO an, so liegt der Vorwurf darin, dass er seiner Pflicht, die relevanten Informationen an den Geschäftsherrn weiterzugeben, nicht nachgekommen ist. Durch die Weiterleitung kann der Geschäftsherr seiner Geschäftsherrenverantwortung und damit eben dem Rechtsgüterschutz Folge leisten. Dies macht deutlich, dass eine gewisse Nähe zu § 138 StGB gegeben ist. Gleichwohl geht es nicht um ein und dasselbe. Bei der dem CO vorgeworfenen Unterlassung der Informationsweitergabe handelt es sich um eine unternehmensinterne Aktivität, wohingegen § 138 Abs. 1 StGB eine Anzeige gegenüber einer Behörde oder dem Bedrohten verlangt. Im übertragenen Sinne bedeutet dies, dass der CO entweder eine Strafanzeige erstatten oder den Bedrohten, also außenstehenden Dritten, über die Straftat informieren müsste. Hier muss der CO die Unternehmensleitung von der Straftat des Mitarbeiters in Kenntnis setzen. Nur insoweit soll ihn auch eine Garantenstellung treffen. Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 138 Abs. 1 StGB trifft auch ihn keine allgemeine Rechtspflicht zum Stellen von Strafanzeigen.663 Dass auch der BGH von einer unternehmensinternen Aktivität ausgeht, zeigt der Umstand, dass er ausdrücklich von der „gegenüber der Unternehmensleitung übernommen Pflicht, Rechtsverstöße und insbesondere Straftaten zu verhindern“664 spricht. Das Argument von Warneke, dass § 138 StGB als eine Privilegierung anzusehen sei, falls das Wissen um eine Straftat für eine Garantenhaftung genügt, überzeugt jedoch auch aus einem weiteren Grund nicht. Eine Privilegierung wäre dann gegeben, wenn durch Hinzutritt eines Privilegierungsgrundes das Delikt weniger strafbar wäre. Dagegen spricht einerseits, dass die Nichtanzeige bei der Geschäftsleitung im Gegensatz zur Nichtanzeige bei Behörden oder dem Bedrohten kein Privilegierungsgrund darstellt, weil Letzteres nicht auf gemindertem Unrecht oder geminderter Schuld beruht. Andererseits ist noch nichts darüber gesagt, ob die Strafbarkeit durch Unterlassen eine höhere Strafbarkeit auslöst als dies in § 138 StGB vorgesehen wird, da dies jeweils vom verwirklichten Tatbestand abhängt.

661 Cramer/Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch-StGB, 28. Auflage 2010, § 138 Rn. 1; Ostendorf, a.a.O.; dass § 138 Abs. 2 StGB nur eine Anzeige an die Behörde vorsieht, kann zur Begründung der gegenteiligen Auffassung nicht herangezogen werden, da es bei der Bildung terroristischer Vereinigungen nach § 129a StGB an einem konkret Bedrohten fehlt. 662 Ostendorf, a.a.O. 663 Vgl. oben Teil 2, E. II. 3. c) bb). 664 BGHZ 54, 44 (49) Rz. 27.

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Folglich kann festgehalten werden, dass die Existenz des § 138 StGB auch nicht gegen eine Garantenstellung des CO spricht. Er stellt weder eine Privilegierung dar noch entfaltet er eine Sperrwirkung. dd) Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz? Auch die Befürchtung von Berndt, die Annahme einer Garantenstellung sei aufgrund des Bestimmtheitsgrundsatzes nach Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB problematisch, ist nicht begründet. Dass eine Übertragung der Garantenpflicht von Unternehmensbeauftragten mit klar normierten Rechtspositionen auf den CO nicht möglich ist, wurde bereits erläutert.665 Rönnau und Schneider machen zwar die Ergebnisse der Debatte über den Betriebsbeauftragten für den CO fruchtbar. Allerdings wird nicht die für den Betriebsbeauftragten bestehende Garantenpflicht auf den CO übertragen. Vielmehr weisen die Autoren lediglich darauf hin, dass in beiden Bereichen die Lösung maßgeblich von der Kompetenz sowie dem Aufgaben- und Pflichtenkatalog des Beauftragten abhängt.666 Überdies wurde ebenso dargelegt, dass das Berufsbild des CO nicht geregelt ist. Daher nimmt Berndt an, dass es für den CO unmöglich sei zu bestimmen, ob er bereits eine soziale Funktion wahrnimmt, für die ursprünglich der Unternehmensinhaber zuständig war. Dieser Umstand führe dazu, dass Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB verletzt werde. Gemäß Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB, der an der Spitze des Strafgesetzbuchs steht, kann eine Tat nur dann bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Diese Regelung, die auch Gesetzlichkeitsprinzip genannt wird, beinhaltet für das Strafrecht neben dem Verbot der Anwendung von Gewohnheitsrecht, dem Rückwirkungsverbot und dem Analogieverbot auch das Bestimmtheitsgebot.667 Letzteres besagt, dass die Straftatbestandsvoraussetzungen gesetzlich konkretisiert sein müssen.668 Es verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so genau zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände für den Normadressaten schon aus dem Gesetz selbst zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln und konkretisieren lassen.669 Das Grundgesetz will sicherstellen, dass jeder vorhersehen kann, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist, damit er sein Tun und Un665

Teil 2, E. I. 2. d). Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (58). 667 Vgl. BVerfGE 73, 206 (234 ff.); BVerfGE 91, 1 (11 ff.); Eser/Hecker, in: Sch/Sch-StGB, 28. Auflage 2010, § 1 Rn. 6; Degenhart, in: Sachs-GG, Art. 103 Rn. 49; Pieroth, in: Jarass/ Pieroth-GG, Art. 103 Rn. 40 ff; Sangenstedt, Garantenstellung, S. 66. 668 BVerfGE 45, 363 (370 f.); BVerfGE 41, 314 (319); BVerfGE 51, 60 (73); Degenhart, in: Sachs-GG, Art. 103 Rn. 67; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig-GG, Art. 103 Rn. 178. 669 BVerfGE 71, 108 (114 ff.) = NJW 1986, 1671; BVerfGE 73, 206 (234 f.) = NJW 1987, 43; BVerfGE 75, 329 (340 ff.) = NJW 1987, 3175; BVerfGE 78, 374 (382) = NJW 1989, 1663; BVerfG NJWS 2002, 1779; BVerfG NJW 2003, 1030. 666

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terlassen auf die Strafrechtslage eigenverantwortlich einrichten kann und willkürliche staatliche Reaktionen nicht befürchten muss.670 Dies ist im Rahmen des § 13 Abs. 1 StGB deshalb problematisch, weil sie – wie schon mehrmals thematisiert – die einzelnen Entstehungsvoraussetzungen von Garantenstellungen nicht im Tatbestand benennt und die inhaltliche Konkretisierung der Rechtsprechung und der Lehre überlässt. Der Kreis möglicher Garantenpflichten ist nicht ohne weiteres dem StGB zu entnehmen. Das Gebot der Gesetzesbestimmtheit geht aber nicht so weit, dass der Gesetzgeber gezwungen wäre, sämtliche Straftatbestände ausschließlich mit rein deskriptiven, exakt fassbaren Tatbestandsmerkmalen zu umschreiben. Vielmehr sind Generalklauseln oder unbestimmte, wertausfüllungsbedürftige Begriffe im Strafrecht nicht von vornherein verfassungsrechtlich zu beanstanden,671 um der Vielfalt des Lebens Herr zu werden. Anders formuliert ist eine gewisse Unbestimmtheit der Norm hinzunehmen, da das Bestimmtheitsgebot keine Einzelfallregelung erfordert. Das Strafrecht muss auf verändernde Umstände reagieren können und anpassungsfähig sein.672 Das Bundesverfassungsgericht verlangt diesbezüglich nur, dass „Tragweite und der Anwendungsbereich des Tatbestandes zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen“.673 Auch eine unbestimmte, aber „durch eine jahrzehntelang gefestigte Rechtsprechung hinreichend präzisierte Norm“ soll dem Bestimmtheitsgebot genügen.674 So hat das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2003 die Verfassungsmäßigkeit des § 13 Abs. 1 StGB mit dem Verweis auf die gefestigte Rechtsprechung bestätigt. „Die Anbindung an das Erfordernis normativ begründeter Pflichten und eine auf langjähriger Tradition beruhende einheitliche und klare richterrechtliche Umschreibung möglicher Garantenstellungen gewährleisten aber, dass das Risiko einer Bestrafung für den Normadressaten voraussehbar ist.“675 Auch wenn der Verweis auf die gefestigte Rechtsprechung in der Literatur kritisiert wird,676 670 BVerfGE 64, 389 (393 f.) = NJW 1984, 225; BVerfGE 85, 69 (72 f.) = NJW 1992, 890; BVerfG NJW 2003, 1030. 671 BVerfGE 4, 352 (358); BVerfGE 11, 234 (237); BVerfGE 45, 363 (371); BVerfGE 48, 48 (56); Gribbohm, in: LK-StGB, Band 1, 11. Auflage, § 1 Rn. 46; Eser/Hecker, in: Sch/SchStGB, 28. Auflage 2010, § 1 Rn. 19; Jakobs, AT, 4/13 ff., 32. 672 BVerfGE 4, 352 (358); Schmid-Aßmann, in: Maunz/Dürig-GG, Art. 103 Rn. 107; Albrecht, Garantenstellungen, S. 146 ff. 673 BVerfGE 25, 269 (285); BVerfGE 26, 41 (42); BVerfGE 32, 345 (363); BVerfGE 92, 1 (11 ff.). 674 BVerfGE 26, 41 (43); BVerfGE 37, 201 (207 f.); BVerfGE 75, 329 (342 f.). 675 BGH NJW 2003, 1030 f. 676 Vgl. Weigend, in: LK-StGB, Band 1, 12. Auflage, § 13 Rn. 19; Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 188; Vogel, Norm und Pflicht, S. 326 ff., der letztlich von einer Interpretation des [Straf-]Rechts als Sinnganzen als Rechtsquelle von Garantengeboten spricht; Sangenstedt, Garantenstellung, S. 95 ff.; Krahl, Bestimmtheitsgrundsatz, S. 258 ff.; es wird ein Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip gesehen, denn dann wäre nicht die Legislative der eigentliche Gesetzgeber, sondern die Judikative. Der Richter sei zu einer „Festlegung“ der Garantenpflichten weder demokratisch legitimiert noch funktionell-rechtlich kompetent und die Entscheidung wäre seinem Rechtsgefühl und damit seiner Willkür anheimgegeben.

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soll dies an dieser Stelle nicht vertieft werden. Es ist davon auszugehen, dass § 13 Abs. 1 StGB mit dem Bestimmtheitsgebot im Einklang ist. Daher führt auch das ungeregelte Berufsbild des CO nicht zu einem Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot. Richtig ist zwar, dass die Pflichten des CO von Unternehmen zu Unternehmen variieren können,677 allerdings trifft es nicht zu, dass es dem CO unmöglich ist zu bestimmen, ob er solche Pflichten übernommen hat, die seine Garantenstellung begründen. Die Übernahmegarantenstellung ist richterrechtlich anerkannt. „Der Inhalt und der Umfang der Garantenpflicht bestimmen sich aus dem konkreten Pflichtenkreis, den der Verantwortliche übernommen hat.“678 Sobald der CO die Pflicht übernimmt, die Compliance-Aufgaben im Unternehmen wahrzunehmen, zu denen auch die Pflicht zählt, Maßnahmen zur Straftatverhinderung zu ergreifen, ist es für ihn vorhersehbar, dass er bei Zuwiderhandlung Garant sein könnte. So formuliert Vogel zutreffend, dass wegen § 13 Abs. 1 StGB das Risiko der Strafbarkeit für denjenigen, der es unterlässt, einen tatbestandsmäßigen Erfolg abzuwenden, ohne weiteres vorhersehbar ist, da er Garant sein könnte.679 Dabei spielt es keine Rolle, dass die Compliance-Pflichten je nach Größe, Branche, Rechtsform u. ä. des Unternehmens variieren können, sobald der CO entsprechende Aufgaben übernommen hat. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des CO beschränkt sich zweifelsohne auf die auf ihn übertragenen Aufgaben und die von ihm wahrzunehmende Funktion. Wenn die Geschäftsherren ihm keine adäquaten Kompetenzen übertragen, sind seine Handlungsmöglichkeiten beschränkt, so dass sich auch seine Garantenstellung nur darauf beziehen kann. M.a.W. wird der CO ohne adäquate Kompetenzen keine Garantenstellung innehaben. Folglich kann der CO aus dem konkret übernommenen Pflichtenkreis bestimmen, ob ihn eine Garantenpflicht trifft oder nicht, so dass die Anforderungen an den „nullum-crimen“-Satz gewahrt sind. Wie er seiner Verhinderungspflicht im Einzelnen nachzukommen hat, ist eine andere Frage und soll daher auch an anderer Stelle erörtert werden.680 ee) Zwischenergebnis Da noch nicht eingehend untersucht wurde, ob der CO Herrschaft über die Gefahrenquelle hat, kann hier noch nicht mit hinreichender Gewissheit gesagt werden, ob ihn eine Garantenstellung trifft oder nicht. Diese Problematik wird erst später erörtert, da zuvor die Geschäftsherrenhaftung aufgezeigt werden muss. Darüber Überdies wird darauf hingewiesen, dass nur durch vorhandene Rechtsprechung der Gerichte dem Bestimmtheitsgebot Rechnung getragen werden könnte, so dass dieses verfassungsrechtlich verankerte Prinzip leerlaufen würde. Es sei auch zweifelhaft, wie gefestigt die Rechtsprechung zur Garantenproblematik im Einzelnen ist und dass die richterlich hergestellte Bestimmtheit keine gesetzliche Bestimmtheit darstellt. 677 Siehe oben Teil 2, E. III. 678 BGHSt 54, 44 (46) Rz. 26. 679 Vogel, Norm und Pflicht, S. 332. 680 Siehe unten Teil 4, D. III. 1. a).

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hinaus muss noch der richtige Anknüpfungspunkt der Herrschaft über die Gefahrenquelle festgelegt werden. Es kann allerdings festgehalten werden, dass weder die spezialgesetzlichen Regelungen noch § 130 OWiG für oder gegen eine Garantenpflicht des CO sprechen. Ein Verstoß gegen den Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz lässt sich daraus nicht herleiten. Der CO besitzt einen nicht unerheblichen Informationsvorsprung. Ob dieser als ein Mittel der Verbandsdisziplin die Herrschaft über die Gefahrenquelle begründen kann, wird ebenso an anderer Stelle untersucht. Jedenfalls ist mit Wissen nicht das Wissenselement des Vorsatzes gemeint, vielmehr soll dadurch zum Ausdruck gebracht werden, dass der auf einer zumindest höheren Ebene in der Unternehmenshierarchie stehende Mitarbeiter durch die bei ihm gebündelten Informationen einen besseren Überblick über das Gesamtgeschehen im Unternehmen besitzt und daher die Herrschaft über die Gefahrenquelle haben kann. Es handelt sich daher um unterschiedliche Bezugspunkte. Der Verweis Ransieks auf den Wortlaut des § 13 Abs. 1 StGB mit dem Argument, es gehe gar nicht darum, Straftaten anderer zu verhindern, sondern allein um die Frage, ob jemand rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist zwar richtig; der Wortlaut dieser Vorschrift besagt allerdings noch lange nicht, dass der Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz tangiert ist oder nicht. Vielmehr besagt er nur, dass eine Garantenstellung erforderlich ist, ohne genau anzugeben, wann dies der Fall ist. Die Existenz des § 138 StGB spricht nicht gegen eine Garantenstellung des CO. Er stellt weder eine Privilegierung dar, noch entfaltet er eine Sperrwirkung. Während die unterlassene Informationsweitergabe eine unternehmensinterne Aktivität darstellt, geht es in § 138 Abs. 1 StGB um eine Strafanzeige bei der Behörde oder dem Bedrohten. Dies sind zwei völlig unterschiedliche Vorwürfe, so dass eine Vergleichbarkeit der Handlungspflicht nicht gegeben ist. Ferner kann von einer Privilegierung des schon deshalb nicht gesprochen werden, weil die Nichtanzeige der Straftat beim Geschäftsherrn im Gegensatz zur Nichtanzeige bei der Behörde oder dem Bedrohten kein Privilegierungsgrund darstellt, aber auch weil Letzteres nicht auf gemindertem Unrecht oder geminderter Schuld beruht. Ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz liegt nicht vor. Dieser Grundsatz zwingt den Gesetzgeber nicht dazu, sämtliche Straftatbestände ausschließlich mit rein deskriptiven Tatbestandsmerkmalen zu umschreiben. Vielmehr muss das Strafrecht innerhalb des möglichen Wortsinnes auf veränderte Umstände reagieren können und anpassungsfähig sein. Daher führt auch das ungeregelte Berufsbild des CO nicht zu einem Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot. Für denjenigen, der einen tatbestandlichen Erfolg nicht abwendet, ist das Risiko der Strafbarkeit wegen § 13 Abs. 1 StGB voraussehbar, da er Garant sein könnte.681 Dabei beschränkt sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit auf die auf ihn übertragenen Aufgaben und die von ihm wahrzunehmende Funktion. Ohne adäquate Kompetenzen wird der CO keine Garantenstellung innehaben. 681

Vogel, Norm und Pflicht, S. 332.

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7. Garantenstellung aus Ingerenz a) Darstellung Das Landgericht Berlin hat im entschiedenen Fall die Garantenpflicht des Angeklagten auch darauf gestützt, dass er „als Leiter der Tarifkommission den Bewertungsfehler zu vertreten habe und dessen Behebung in der folgenden Tarifperiode hätte veranlassen müssen“.682 Er war in der Tarifperiode 1999/2000 Leiter der Projektgruppe Tarifkalkulation. Diese beging den Berechnungsfehler, der später zwar bemerkt, aber nicht korrigiert wurde. Das Landgericht geht also davon aus, dass das Vertretenmüssen des Bewertungsfehlers in der vorherigen Abrechnungsperiode ein pflichtwidriges Vorverhalten darstellt, das sich dann in die nächste Tarifperiode hinein fortsetzt. Es ist davon auszugehen, dass das Landgericht seine beim Leiter der Tarifkommission vertretene Ansicht ebenso vertreten würde, wenn es sich bei dem Angeklagten um einen CO handelt. Der BGH ist der Beurteilung des Landgerichts entgegengetreten und eine Garantenstellung aus Ingerenz verneint. Ein (pflichtwidriges) Verhalten begründe nur dann eine Garantenstellung, wenn es die nahe liegende Gefahr des Eintritts des konkret untersuchten tatbestandsmäßigen Erfolgs verursacht.683 Der Umstand, dass die vorherige Tariffestsetzung fehlerbehaftet war, bedeute nicht, dass sich dieser Fehler auch in die nächste Tarifperiode hinein fortsetze. Dies gelte jedenfalls, sofern nicht eine gesteigerte Gefahr bestünde, dass die zunächst unerkannt fehlerhafte Berechnungsgrundlage ohne erneute sachliche Prüfung der neuen Festsetzung ohne weiteres zugrunde gelegt würde. Vielmehr werde in der nächsten Tarifperiode der Tarif uneingeschränkt neu bestimmt. Schon die ausschließliche Verantwortlichkeit der neuen Tarifkommission stehe deshalb der Annahme einer Garantenstellung aus Ingerenz entgegen. Zwar möge eine gewisse, eher psychologisch vermittelte Gefahr bestehen, zur Vertuschung des einmal gemachten Fehlers diesen zu wiederholen. Ein solcher motivatorischer Zusammenhang reiche jedoch nicht für die Begründung einer Garantenstellung aus. Der neue Tarif werde auf der Grundlage der hierfür maßgeblichen Rahmendaten selbständig festgesetzt. Beulke, der eine Beschützer- oder Überwachergarantenstellung beim CO ablehnt, nimmt bei einer gefährlichen Betriebsorganisation sowohl für den Geschäftsherrn als auch dem CO eine Garantenpflicht aus Ingerenz an. Eine solche Haftung des Geschäftsherrn komme insbesondere dann in Betracht, wenn zwar die unmittelbare Gefahr von einem untergeordneten Mitarbeiter ausgehe, sich aber mittelbar Gefahren realisierten, die aus pflichtwidriger Betriebsorganisation herrühren. In solchen Fällen sei es gerechtfertigt, neben dem unmittelbar Handelnden den Vorgesetzten in die Haftung zu nehmen, da die Gefahr bei wertender Betrachtung auch von 682

Landgericht Berlin Urteil v. 3.03. 2008 – (514) 3 Wi Js 1361/02 KLs (9/04) – Rz. 244 = BKR 2009, 422 Rz. 6. 683 BGHSt 54, 44 (47) Rz. 21; hier verweist der 5. Senat auf BGHR StGB § 13 Abs. 1 Garantenstellung 14; BGH NJW 1999, 69 (71); BGH NStZ 2000, 583.

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ihm geschaffen werde. Beulke sieht den Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz als nicht tangiert an, da es primär nicht um die Verhinderung fremder Taten, sondern die Verantwortlichkeit für eigenes Tun gehe.684 Ebenso wird in der gesellschaftsrechtlichen Literatur teilweise vertreten, dass der Geschäftsleiter z. B. durch zu hohen Provisionsdruck eine Ingerenzsituation schaffen und die Mitarbeiter so zu gesetzeswidrigem Verhalten veranlassen könne.685 b) Stellungnahme Im entschiedenen Fall ist dem BGH vorbehaltslos zuzustimmen. Hier geht es um die von der Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens grundsätzlich zu trennenden Frage, wann eine Garantenstellung aus Ingerenz in Betracht kommt. Völlig zu Recht stellt der 5. Senat darauf ab, dass ein (pflichtwidriges) Verhalten nur dann eine Garantenstellung begründet, wenn es die nahe liegende Gefahr des Eintritts des konkret untersuchten tatbestandsmäßigen Erfolgs verursacht. Das Kriterium der naheliegenden Gefahr wird verwendet, um die Ingerenzhaftung auf Fälle zu begrenzen, in denen das Verhalten gerade die Gefahr geschaffen hat, dass der in Rede stehende tatbestandsmäßige Erfolg eintritt.686 Damit setzt der 5. Senat seine restriktive Handhabung bei der Annahme von Pflichten aus Ingerenz fort.687 Das pflichtwidrige Vorverhalten des Angeklagten in der früheren Periode hat sich nicht im Erfolg des Betruges, im Schaden der Kunden, niedergeschlagen. Der 5. Senat knüpft zutreffend auf die rechtliche Ausgestaltung des Verantwortungsbereichs an.688 Da die Garantenstellung nicht auf einer bloßen motivatorischen Gefahrsteigerung beruht, reicht diese nicht aus, um die Voraussetzungen der Ingerenz anzunehmen. Fraglich ist, ob die Schaffung gefahrenträchtiger Betriebsstrukturen als ein pflichtwidriges Vorverhalten in Betracht kommt. Bevor en détail darauf eingegangen 684 Beulke, in: FS Geppert, 2011, S. 23 (39 f.); so auch Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 257 ff. 685 Vgl. Weber, ZHR 175 (2011); 425 (426). 686 BGHSt 37, 106 (115); BGH JR 1993, 160; BGH NStZ 2009, 381 (382); Stree/Bosch, in: Sch/Sch-StGB, 28. Auflage 2010, § 13 Rn. 42; Wessels/Beulke, AT, Rn. 725; Stratenwerth/ Kuhlen, AT, § 13 Rn. 28; Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981 (982); Otto/Brammsen, JURA 1985, 646 (651). 687 Vgl. BGH NStZ 1998, 83 (84); BGH NStZ 2000, 583; im Jahre 1958 hatte der BGH noch vertreten, dass jedermann eine Hilfeleistungspflicht trifft, wenn er durch sein Tun, wenn auch schuldlos, einen Unglücksfall mitverursacht hat (es ging um die Strafbarkeit eines Mannes, der dem späteren Begehungstäter ein Taschenmesser überlassen hatte), BGHSt 11, 353 ff., letztlich führte diese Ansicht dazu, dass allein aus der kausalen Verknüpfung zwischen dem Vorverhalten und der später von einem anderen begangenen Straftat eine Handlungspflicht i.S.d. § 13 Abs. 1 StGB hergeleitet wurde, vgl. auch Freund, in: MünchKomm., StGB, § 13 Rn. 131; Kühl, AT § 18 Rn. 104; Roxin, AT II, § 32 Rn. 161. 688 Ebenso zustimmend Rotsch, ZJS 2009, 712 (716); Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981 (982).

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wird, soll zunächst aufgezeigt werden, welche Anforderungen an das haftungsauslösende Vorverhalten zu stellen sind. Kann nur ein pflichtwidriges Vorverhalten eine Ingerenzgarantenstellung i.S.d. § 13 Abs. 1 StGB begründen oder reicht hierzu jegliches gefahrverursachendes bzw. -erhöhendes Vorverhalten aus. Über diese Frage herrscht in Rechtsprechung und Literatur Uneinigkeit. In seinen früheren Entscheidungen forderte der BGH lediglich ein gefährdendes Vorverhalten, wobei dieses nicht pflichtwidrig zu sein brauchte.689 Diese Forderung wurde etwas später teilweise modifiziert690 und schließlich ganz aufgegeben. Heute verlangt der 5. Senat ein pflichtwidriges Vorverhalten.691 Auch wenn der Senat sich zur Notwendigkeit eines pflichtwidrigen Vorverhaltens bekennt692 oder dieses Erfordernis sogar ausdrücklich betont,693 zeigen neuere einschlägige Urteile, dass er keine klare und einheitliche Linie erkennen lässt, sondern eher von Fall zu Fall nach Billigkeitserwägungen entscheidet. Ein Blick auf die berühmte „Erdal-Entscheidung“694 bestätigt das Gesagte. Hier stellte der BGH auf das eigentlich nicht pflichtwidrige Inverkehrbringen des Sprays ab, wobei er „aus der Missbilligung des Gefährdungserfolges“ eine „objektive Pflichtwidrigkeit“ konstruierte.695 „Darauf, ob das Verhalten dessen, der ihn herbeiführt, im Sinne persönlicher Schuld vorwerfbar ist, kommt es nicht an.“696 Es fehlt bereits an einem pflichtwidrigen Vorverhalten, wenn Herstellung und Vertrieb der Ware ohne Sorgfaltsmangel erfolgt ist. Die Pflichtwidrigkeit eines Verhaltens kann nur ex ante und nicht ex post – aus dem Gefährdungserfolg – bestimmt werden.697 Daraus wird ersichtlich, dass der BGH zwar verbal am Pflichtwidrigkeitserfordernis festhält, inhaltlich aber davon abweicht und einzelfallabhängig entscheidet. Auch die Strafrechtswissenschaft ist sich darüber uneinig, welche Anforderungen an das Vorverhalten bei der Ingerenzgarantenstellung zu stellen sind. Strittig ist schon die Bedeutung des Begriffes der Pflichtwidrigkeit. Teilweise wird sie mit der Rechtswidrigkeit gleichgesetzt,698 teilweise wird sie so verstanden, wie bei den Fahrlässigkeitsdelikten i.S.d. Nichtbeachtung der im Verkehr erforderlichen Sorg689 690 691 692

S. 15. 693

BGHSt 4, 20 (22); 11, 353 (355). BGHSt 19, 152 (154). BGHSt 25, 218 (221 f.). BGH 2 StR 582/99, Urteil v. 16.02. 2000, S. 7; BGH 3 StR 237/01, Urteil v. 24.10. 2001,

BGH NStZ 1998, 83 (84). BGHSt 37, 106 ff. 695 BGHSt 37, 106 (117). 696 BGHSt 37, 106 (118 u. 110). 697 Roxin, AT II, § 32 Rn. 199. 698 Herzberg, Unterlassung, S. 325; Jescheck, in: LK-StGB, Band 1, 11. Auflage, § 13 Rn. 33; Krey, AT II, Rn. 352; Wessels/Beulke, AT, Rn. 725; Beulke/Bachmann, JuS 1992, 737 (740); Jakobs, AT, 29/39; Stree/Bosch, in: Sch/Sch-StGB, 28. Auflage 2010, § 13 Rn. 35, 37; Gropp, AT, § 11 Rn. 33. 694

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falt.699 Vornehmlich wird mittlerweile auch gar nicht mehr am Pflichtwidrigkeitserfordernis festgehalten. Vielmehr werden die Fälle mit pflichtwidrigem Vorverhalten nur als besonders klare Anwendungsfälle der Ingerenzhaftung angesehen, wobei sie auch dann eingreifen soll, wenn die Vorhandlung ein „erhöhtes Risiko“700 schafft, „über das sozial adäquate Maß hinausgeht“701 oder dann, wenn der spätere, rechtlich missbilligte Erfolg dem Unterlassenden objektiv zurechenbar ist.702 Begrüßenswert ist die Ansicht, die nicht mehr am Pflichtwidrigkeitserfordernis festhält. Denn eine Gleichsetzung mit der Rechtswidrigkeit hätte zur Folge, dass von dem Begriff der Rechtswidrigkeit bei der Vielzahl der Ausnahmen nichts mehr übrig bliebe. Gleiches gilt auch für die Gleichsetzung mit den Fahrlässigkeitsdelikten. Richtigerweise kann nicht vehement am Pflichtwidrigkeitserfordernis festgehalten werden (was der BGH ja im Grunde auch nicht macht). Vielmehr reicht es für die Ingerenzhaftung aus, dass das Vorverhalten ein erhöhtes Risiko schafft. Kommt man nun auf die ursprünglich gestellte Frage zurück, ob die Schaffung gefahrenträchtiger Betriebsstrukturen ein pflichtwidriges Vorverhalten darstellt, so muss diese Frage mit „ja“ beantwortet werden. Die Errichtung gefahrenträchtiger Betriebsstrukturen ist zu definieren als „Aufbau oder Weiterführen einer betrieblichen Organisationsstruktur, die die Mitarbeiter des Betriebs zu rechtswidrigem Tun nötigt“.703 Im Jahre 1995 stellte der BGH in seiner berühmten Glykolwein-Entscheidung den Grundsatz auf, wonach „derjenige, der einen ständigen Leistungsdruck erzeugt, welcher zwangsläufig zur Verletzung der einschlägigen Rechtsvorschriften führt, sich im allgemeinen nicht darauf berufen (könne), er habe erwartet, dass seine Untergebenen sich rechtstreu verhalten“.704 Durch solche gefährliche Betriebsorganisation, die zu gesetzeswidrigem Verhalten zwingt, wird letztlich ein unerlaubtes Risiko geschaffen. Eine etwaige Rechtsgutsbeeinträchtigung wird dann bereits vom Geschäftsherrn ausgelöst, der für die Organisation des Unternehmens verantwortlich ist, und nicht erst vom Mitarbeiter als Begehungstäter. Freilich wird es in der Regel so sein, dass der Schwerpunkt der strafrechtlichen Vorwerfbarkeit bei der aktiven Errichtung der gefährlichen Betriebsorganisation liegen wird, sodass eine Bestrafung aus Tun die Bestrafung aus Unterlassung verdrängen wird.705 Allerdings ist die Ingerenzkonstruktion in solchen Fällen immer 699

Schünemann, ZStW 96 (1984), 287 (308); Gimbernat, ZStW 111 (1999), 307 (309); Fischer, StGB, § 15 Rn. 16 ff. m.w.N. 700 Jakobs, AT, 29/42; Otto/Brammsen, JURA 1985, 646 (648); Wohlers, in: NK-StGB, § 13 Rn. 43; Freund, in: MünchKomm., StGB, § 13 Rn. 117. 701 Herzberg, Unterlassung, S. 306 f. 702 Kirchner, Unterlassungshaftung, S. 62 ff.; vgl. Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 249. 703 Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 257. 704 BGH NJW 1995, 2933 (2935); diese Ansicht vertritt auch das LG Nürnberg-Fürth in seiner „Speditions-Entscheidung“. Es sah die Geschäftsführer einer Spedition als verpflichtet an, diejenigen Gefahren abzuwenden, die sich aus der zu Lenkzeitüberschreitungen führenden und damit gefahrschaffenden Organisation des Betriebs ergaben, NJW 2006, 1824 (1815 f.). 705 Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 259.

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dann von Relevanz, wenn mehrere Geschäftsherren bzw. Vorgesetzte im Spiel sind, von denen nur einer die gefährliche Betriebsorganisation errichtet hat.706 Die anderen Vorgesetzten können hier nur aus einem unechten Unterlassungsdelikt bestraft werden. Fraglich ist nun, ob all dies, wie von Beulke behauptet, auch für den CO gilt. Die Entscheidung und die Schaffung von Betriebsstrukturen fallen in den Zuständigkeitsbereich der Unternehmensleitung. Die Aufgabe des CO beschränkt sich dagegen darauf, einen Vorschlag zur Errichtung eines umfassenden Compliance-Systems der Unternehmensleitung vorzulegen. Da er die gefährliche Betriebsorganisation nicht errichtet, kann er für die Schaffung derselben auch nicht verantwortlich gemacht werden. Aber auch das Weiterführen einer gefährlichen betrieblichen Organisationsstruktur fällt unter die Definition der Schaffung gefahrenträchtiger Betriebsstrukturen. Zwar wird man damit eher den Fall vor Augen gehabt haben, dass die Geschäftsleiterposition durch eine neue Person besetzt wird und diese trotz Kenntnis von der Gefährlichkeit der Organisation auf eine Umstrukturierung verzichtet. Gleichwohl könnte möglicherweise darunter auch der Fall gefasst werden, dass der CO deshalb als Ingerent in Betracht kommt, weil er zwar die gefährliche Betriebsorganisation nicht errichtet hat, diese hingegen unkommentiert weiterführt und keinen Vorschlag auf Umgestaltung der Betriebsstruktur unterbreitet. Einer solchen Sichtweise muss jedoch entgegengehalten werden, dass es zwar Aufgabe des CO sein kann, einen Vorschlag auf Umgestaltung der Betriebsstruktur zu unterbreiten und die Nichteinhaltung dieser Pflicht eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung darstellt; allerdings führt dies nicht zur Schaffung eines Risikos. Denn dieses wird bereits von den Geschäftsleitern geschaffen, wohingegen der CO nur Maßnahmen ergreift, um das bereits bestehende Risiko zu beseitigen. Dies könnte möglicherweise eine Überwachergarantenstellung begründen; nicht jedoch eine Garantenstellung aus pflichtwidrigem Vorverhalten. Folglich ist zusammenfassend festzuhalten, dass bei der Errichtung pflichtwidriger Betriebsstrukturen zwar eine Ingerenzhaftung des Geschäftsherrn in Betracht kommt, nicht dagegen eine solche Haftung des CO. Auch wenn man auf den unterlassenen Vorschlag auf Umgestaltung der Betriebsorganisation abstellt, stellt dies im strafrechtlichen Sinne kein pflichtwidriges Vorverhalten des CO dar.

706

Ebda.

Teil 4

Meinungsstand zur dogmatischen Herleitung der Garantenstellung A. Vorbemerkung (1) Nicht jeder Mensch, der etwas unterlässt, kann Täter einer unechten Unterlassung sein. Darüber besteht grundsätzlich Einigkeit. Gemäß § 13 Abs. 1 StGB ist die unterlassene Abwendung eines Erfolges, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, nur dann strafbar, wenn der Unterlassende „rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt“, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht. Inhalt und Bedeutung der im Jahre 1975 mit dem 2. Strafrechtsreformgesetz in Kraft getretenen Vorschrift707 sind bislang weitgehend ungeklärt. Einigkeit besteht zwar darin, dass aus dem Merkmal des rechtlichen Einstehenmüssens für den Nichteintritt des Erfolges das Erfordernis einer „Garantenstellung“ bzw. „Garantenpflicht“ zu entnehmen ist.708 Wann aber jemand als „Garant“709 anzusehen ist, d. h. Teil des Personenkreises ist, den die Erfolgsabwendungspflicht trifft, wird von dieser Vorschrift nicht genannt und bildet daher den Mittelpunkt der Problematik des unechten Unterlassungsdelikts.710 Schon seit etwa 200 Jahren wird im strafrechtlichen Schrifttum nach dem Entstehungsgrund der Garantenpflichten in zahllosen Publikationen gesucht.711 Als Ergebnis dieser Untersuchungen kann festgehalten werden, dass sich vor allem aufgrund der unterschiedlichen Begründungsansätze und der jeweiligen Veränderung des Strafbarkeitsumfangs ein unübersichtliches Bild abzeichnet. Einigkeit 707

BGBl. I, S. 1, (11). Lackner/Kühl, StGB, § 13 Rn. 6; Kühl, AT, § 18 Rn. 2; Jescheck, in: LK-StGB, Band 1, 11. Auflage, § 13 Rn. 4, 19; Maiwald, JuS 1981, 473 (480); Stree/Bosch, in: Sch/Sch-StGB, 28. Auflage 2010, § 13 Rn. 2, 7; Fischer, StGB, § 13 Rn. 6 f.; a.A.: Schürmann, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 61 ff., der die Garantenproblematik der Entsprechensklausel zuordnet. 709 Der Begriff „Garant“ geht auf Nagler, GS 111 (1938), 1 (51, 59) zurück und hat sich heute allgemein durchgesetzt. 710 Kühl, AT, § 18 Rn. 2; Roxin, AT II, § 32 Rn. 2 sieht dies als „das heute noch umstrittenste und dunkelste Kapitel der Dogmatik des Allgemeinen Teils“; ähnlich Puppe, AT, § 45 Rn. 10 („… das Kardinalproblem der unechten Unterlassungsdelikte“) und Jakobs, AT, 29/26 („… einer der schwierigsten Aufgaben der Dogmatik des AT“). 711 Vgl. diesbezüglich die Literaturübersicht bei: Sch/Sch-StGB, Vor §§ 13 ff., vor Rn. 134; Lackner/Kühl, § 13 Rn. 12; siehe Kühl, JuS 2007, 497 (500); Roxin, AT II, § 32 Rn. 2. 708

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besteht jedenfalls darin, dass die Garantenstellung nicht sittlich bzw. moralisch, sondern rechtlich begründet werden muss („rechtlich dafür einzustehen hat“). Darüber, wie die Grenze zwischen rechtlichen und sittlichen Garantenpflichten zu ziehen sei, scheiden sich die Geister. (2) Der Streit, ob das Strafrecht an außerstrafrechtliche, insbesondere zivilistische Vorschriften gebunden ist, findet seinen Platz auch in der Begründung von Garantenpflichten. Es geht hier darum, ob die Garantenpflichten im Verhältnis zu außerstrafrechtlichen Pflichten akzessorisch, sekundär oder autonom entwickelt werden müssen.712 Auch wenn neuerdings wieder Stimmen laut werden, die eine Bindung des Strafrechts an das zivilistische Denken fordern,713 kann ihr nicht ohne weiteres gefolgt werden. Richtig ist zwar, dass die Entwicklung der Garantenstellung den außerstrafrechtlichen Wertungen nicht widersprechen darf, was sich aus dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung ergibt. Das Strafrecht hat kein eigenständiges, besseres Zivil- bzw. Wirtschaftsrecht zu betreiben, sondern ist an die zivil- bzw. wirtschaftsrechtlichen Vorwertungen gebunden.714 Es soll kein strafrechtlicher Schutz entgegen den Wertungen des Zivil- oder Wirtschaftsstrafrechts gewährt werden. Gleichwohl sind die Garantengebote im Übrigen autonom zu bestimmen.715 Das bedeutet, dass das Strafrecht sich zwar auf die gesamte Rechtsordnung bezieht und den dort geltenden Wertungen nicht widersprechen darf, in diesem Rahmen allerdings autonom zu bestimmen ist. Zwar geht es im Grunde jeweils um Rechtsgüterschutz, jedoch ist das Strafrecht die letzte unter allen in Betracht kommenden Schutzmaßnahmen. Es sanktioniert als ultima ratio nur kriminelles Unrecht,716 so dass ihre Aufgabe als subsidiären Rechtsgüterschutz definiert wird717. Insbesondere aufgrund dieser Subsidiarität des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes ist es evident, dass Strafrecht und Zivilrecht voneinander getrennt sein müssen. Die Bedenken gegen das Sekundäritätsprinzip Schünemanns wurden schon in mehreren Monographien geäußert, sodass hier unter Verweis auf entsprechende Stellungnahmen718 auf Nachweise verzichtet wird. 712 Vgl. Günther, Strafrechtswidrigkeit, S. 9 ff.; Binding, Handbuch, S. 9 ff.; Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 2 ff., 14 ff., 21 ff., 58; Liszt, Lehrbuch, S. 147 ff.; zu Dohna, Rechtswidrigkeit, S. 16; Vogel, Norm und Pflicht, S. 324 ff.; Bruns, Die Befreiung des Strafrechts, S. 107 ff., 167 ff.; Schaffstein, in: FS Gleispach, 1936, S. 70, (73 ff.); Schünemann, Grund und Grenzen, 221 ff.; Hsü, Garantenstellung des Betriebsinhabers, S. 185 ff.; Herzberg, Unterlassung, S. 206 ff.; neuerdings Hoyer, in: FS Kreutz, 2010, S. 691 ff.; Ransiek/Hüls, ZGR 2009, 157 ff. 713 Siehe Hoyer, a.a.O. 714 Ransiek/Hüls, ZGR 2009, 157 (162 f.). 715 Vogel, Norm und Pflicht, S. 324 f. 716 Warneke, NStZ 2010, 312 (313). 717 Roxin, AT I, § 2 Rn. 1, 97 ff. 718 Herzberg, Unterlassung, S. 217 ff.; Vogel, Norm und Pflicht, S. 325; Hsü, Garantenstellung des Betriebsinhabers, S. 194.

B. Die Einteilung der Garantenstellungen

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(3) Nachfolgend soll nicht eine weitere Garantentheorie neben den bereits existierenden Theorien entwickelt werden. Dies insbesondere deshalb, da ein alle Garantenpositionen erfassender Oberbegriff kaum möglich bzw. wegen der zwangsweisen Oberflächlichkeit eines solchen Begriffes nicht praktikabel ist.719 Aber auch deshalb, weil die Vielzahl der Stellungnahmen zu dieser Problematik eine Bereicherung der Garantensystematik um einen entscheidenden Aspekt geradezu undurchführbar macht. Vielmehr soll nachfolgend ein kurzer Überblick über die Entwicklung der Garantendogmatik und der gegenwärtige Diskussionsstand wiedergegeben werden. Um den Schwerpunkt der Arbeit nicht in das Gebiet der Rechtsgeschichte zu verlagern, soll sich der Überblick nicht auf alle bisher vertretenen Garantenlehren beziehen. Es sollen nur die hauptsächlich vertretenen Richtungen skizziert werden, um sich ein Bild über den Stand der Dinge machen zu können.

B. Die Einteilung der Garantenstellungen Das grundlegende Problem der Garantenstellung liegt in der Festlegung allgemeiner Kriterien zu ihrer Feststellung. Dies beruht darauf, dass das Strafgesetz keinen vollständigen Katalog der Garantenstellungen beinhaltet, aber auch nicht beinhalten kann. Allgemein lassen sich zwei Richtungen von Ansätzen im Schrifttum zur Einteilung der Garantenstellungen feststellen, die jedoch nicht völlig getrennt sind: Formale Lehren (formelle Rechtsquellenlehre), die sich vorwiegend um die Feststellung der rechtlichen Quellen der Garantenstellungen bemüht haben und materielle Lehren, die versuchen, den Gehalt und die Funktion dieser Stellung auszuarbeiten (funktionale Theorien).

I. Formelle Rechtsquellenlehre Die überlieferte Einteilung, begründet von Feuerbach, stützt sich auf den Entstehungsgrund der Rechtspflichten.720 Nur die einer (außerstrafrechtlichen) Rechtsnorm zu entnehmende Rechtspflicht begründe in der jeweiligen Situation eine Garantenverpflichtung.721 Besondere Rechtsgründe könnten nach seiner Auffassung nur durch Gesetz oder Vertrag begründet werden.722 Seit den dreißiger Jahren wurde diese Einteilung um die Fälle „enger Lebens- und Gefahrengemeinschaft“ und „vorangegangenem Tun“ (Ingerenz) erweitert,723 sodass damit schon die Frage 719

Bosch, Organisationsverschulden, S. 150. Feuerbach, Lehrbuch, § 24, zitiert nach der 11. Auflage 1832. 721 Vgl. BGHSt 5, 187 (190); 19, 167 f; 25, 218 ff.; 34, 106 (117). 722 Feuerbach, Lehrbuch, § 24. 723 RGSt 66, 71 ff.; RGSt 69, 321 ff.; Stübel, Theilnahme, S. 61; Traeger, Unterlassungsdelikte, S. 79 ff. 720

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Teil 4: Meinungsstand zur dogmatischen Herleitung der Garantenstellung

aufgeworfen werden musste, ob es sich noch um eine formelle Lehre handelt. Diese formelle Rechtquellentheorie herrschte um 1930 „völlig unangefochten in Rechtsprechung und Schrifttum“.724 Die übliche Kritik dieser Theorie soll hier nicht vertieft werden. Die formelle Rechtsquellenlehre kann keine inhaltliche Begründung für die Anerkennung von Garantenpflichten geben.725 Weder gesetzliche noch vertragliche Pflichten sind für das Entstehen von Garantenstellungen maßgeblich.726 Die bloße Existenz einer gesetzlichen Erfolgsabwendungspflicht auf irgendeinem Rechtsgebiet kann für die Strafbarkeit der Unterlassung nicht genügen.727 Dies würde zu der oben im Grundsatz abgelehnten akzessorischen Bestimmung der Garantenpflichten führen. Allein eine vorwiegend zivilistische Rechtspflicht kann von der stets erforderlichen strafrechtlichen Wertung nicht entbinden. Beide Rechtsgebiete haben unterschiedliche Funktionen, so dass die Folgerung von einer außerstrafrechtlichen Pflicht auf die strafrechtliche Gleichstellung von Tun und Unterlassen systematisch falsch wäre.728 Nicht alles, was zivilrechtlich rechtswidrig ist, ist deswegen strafbar.729 Ebenso kann das Bestehen oder gar die Wirksamkeit eines Vertrages zur Begründung einer Garantenstellung keine Rolle spielen.730 Denn nicht der rechtsgültige Abschluss eines Vertrages, sondern die tatsächliche Übernahme löst die strafrechtliche Gleichstellung aus.731 Dies haben schon Schaffstein und Nagler vor 70 Jahren anhand des berühmten Falles des Kindermädchens nachgewiesen, sodass er hier nicht weiter besprochen werden soll.732

724

Roxin, AT II, § 32 Rn. 4; Schünemann, ZStW 96 (1984), 287 (290 f.); Gropp, AT, § 11 Rn. 17; Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 199 f.; RGSt 58, 130 (131); 63, 392 (394); BGHSt 4, 20 (22); 11, 353 (355). 725 Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 283 ff.; Androulakis, Unterlassungsdelikte, S. 205 ff.; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 217 ff.; Jescheck/Weigend, AT, S. 621; Henkel, MSchrKrim 1961, 178, (184 ff.). 726 Teile der Literatur sprechen sich noch für eine Herleitung von Garantenstellungen aus Gesetz aus, so etwa: Fischer, StGB, § 13 Rn. 12 ff.; Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 15 Rn. 52 ff.; Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 46 Rn. 67, 76 ff.; Krey, AT II, Rn. 335 ff., 361 ff. 727 Jakobs, AT, 29/28; Roxin, AT II, § 32 Rn. 12; Mezger, Strafrecht, S. 140 f.; Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 201. 728 Siehe hierzu ausführlich Schünemann, in: FS Amelung, 2009, S. 303 (309). 729 Schünemann, Grund und Grenzen, S. 221 ff.; ders., in: FS Amelung, 2009, S. 303 (309); Herzberg, Unterlassung, S. 208 (… liefe auf die Abdankung des Strafrechts im Unterlassungsbereich hinaus“). 730 So schon RGSt 17, 260 (261 ff.); BGHSt 47, 224 (229); Roxin, AT II, § 32 Rn. 12 f.; Stree/Bosch, in: Sch/Sch-StGB, 28. Auflage 2010, § 13 Rn. 28; Krey, AT II, Rn. 343, 347; Kühl, AT, § 18 Rn. 69; Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 201; Wessels/Beulke, AT, § 16 Rn. 720. 731 Roxin, AT II, § 32 Rn. 13; Mezger, Strafrecht, S. 144; weitere Argumente gegen die Herleitung einer Garantenstellung aus Vertrag bei Stree, in: FS H. Mayer, 1965, S. 145 (148 ff.). 732 Siehe Schaffstein, in: FS Gleispach, 1936, S. 70 ff.; Nagler, GS 111, 1, 59 ff.; siehe auch Freund, Erfolgsdelikt, S. 27 f.; Herzberg, Unterlassung, S. 212.

B. Die Einteilung der Garantenstellungen

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Die vehemente Kritik an der klassischen Rechtsquellenlehre hatte zur Folge, dass nach anderen Ansätzen zur Bestimmung von Garantenstellungen gesucht wurde. So wurde verstärkt auf materielle und funktionale Gesichtspunkte zurückgegriffen. Soweit heute noch eine Berufung auf die formelle Rechtsquellenlehre erfolgt, wird zugleich eine Erweiterung des formellen Ausgangspunkts um materielle Gesichtspunkte gefordert.733

II. Funktionenlehre Armin Kaufmann hat in einer eher beiläufigen Bemerkung die Garantenstellungen in zwei Gruppen eingeteilt. Im Zentrum seiner Überlegung stand die soziale Funktion einer Garantenposition. Aufgrund des jeweiligen Aufgabenbereiches wird zwischen Beschützer- und Überwacherpflichten unterschieden.734 Nach dieser der heute h.M.735 entsprechenden Unterteilung, geht die Pflicht in einem Fall dahin, das Rechtsgut gegen Gefahren aus allen Richtungen zu schützen (Beschützergarant); im anderen Fall hat der Überwachergarant grundsätzlich alle Rechtsgüter gegenüber Gefährdungen zu schützen, die aus einer Gefahrenquelle stammen, für die er verantwortlich ist (Überwachungsgarant).736 Bedenken gegen diese Lehre wurden bereits eingehend thematisiert.737 In welchen Fällen eine Person Inhaber einer Garantenstellung mit daraus folgender Erfolgsabwendungspflicht ist, kann diese Lehre nicht konkretisieren. Darüber hinaus gelingt es ihr auch nicht, die Entstehung, den Umfang und Inhalt der betreffenden Pflichten genau zu bestimmen.738 Allerdings zeigt diese Ansicht die unterschiedlichen Schutzrichtungen auf.739

733 Vgl. etwa Stree/Bosch, in: Sch/Sch-StGB, 28. Auflage 2010, § 13 Rn. 8; Maurach/ Gössel/Zipf, AT II, § 46 Rn. 43; Freund, Erfolgsdelikt, S. 27 ff. 734 Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 282 ff. 735 Vgl. Jescheck/Weigend, AT, S. 620 f.; Otto, AT, § 9 Rn. 22 ff.; Stree/Bosch, in: Sch/SchStGB, 28. Auflage 2010, § 13 Rn. 9; Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, § 13 Rn. 24 ff.; Henkel, MschrKrim 1961, S. 178 ff.; Wessels/Beulke, AT, § 16 Rn. 716 ff.; Herzberg, Unterlassung, S. 316; Jescheck, in: LK-StGB, Band 1, 11. Auflage, § 13 Rn. 19; vgl. auch BGHSt 19, 167 (168); BGH NJW 2003, 525. 736 Siehe hierzu ausführlich Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 283 ff. und Otto/Brammsen, JURA 1985, 530 (533). 737 Siehe oben Teil 3, C. I. und II. 738 Siehe insoweit Vogel, Norm und Pflicht, S. 340 f.; Schünemann, ZStW 96 (1984), 287 (305). 739 Vgl. oben Teil 3, C. II.

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Teil 4: Meinungsstand zur dogmatischen Herleitung der Garantenstellung

III. Materialisierungsansätze Aufgrund dieser deutlich gewordenen Problematik versuchen einige Autoren Garantenpositionen aus materiell-inhaltlichen Kriterien herzuleiten.740 Andererseits wird der Versuch unternommen, durch Verbindung von materiellen und formellen Kriterien den Kern aller Garantenstellungen zu ermitteln.741 Die ausführliche Wiedergabe aller Ansätze zur Herleitung von Garantenstellungen würde aber den Rahmen der Untersuchung sprengen; infolgedessen muss ein Überblick über die Ansätze, die zumindest teilweise auf Zustimmung gestoßen sind, genügen. So übernimmt Schünemann die Einteilung in Beschützer- und Überwachergaranten und sieht in Parallele zum Begehungs-Erfolgsdelikt den Haftungsgrund in der „Herrschaft über den Grund des Erfolges“.742 Rudolphi will Garantenstellungen dann bejahen, wenn der Unterlassende gegenüber bestimmten Rechtsgütern bzw. Gefahrenquellen eine Schutzfunktion innehat, aus der er zur Abwendung des Erfolges verpflichtet war.743 Garant könne ein Unterlassender nur sein, wenn er „die Zentralgestalt des zu der Rechtsgutsverletzung hindrängenden Geschehens“ sei.744 Gimbernat sieht eine Garantenstellung als gegeben an, wenn jemand die ihm zugewiesene Aufgabe, einen bestimmten Gefahrenherd zu überwachen, durch seine Untätigkeit destabilisiert, oder die bereits eingetretene Destabilisierung nicht wieder auf das normale Maß zurückführt.745 Jakobs dagegen differenziert zwischen „Pflichten kraft Organisationszuständigkeit“ (z. B. Verkehrssicherungspflichten, Ingerenz, Übernahme von Pflichten) und „Pflichten kraft institutioneller Zuständigkeit“ (z. B. Eltern-Kind-Verhältnis, Ehe, Ersatzverhältnisse und Vertrauensbeziehungen) als Garantenstellungen, bei denen es um „Verantwortungsbereiche für Gefahren“ geht.746 Nach Freunds Auffassung soll die Sonderverantwortlichkeit das Wesen des Erfolgsdelikts ausmachen und den für die Begehung wie für das unechte Unterlassen gemeinsamen Grund der Bestrafung bezeichnen.747 Die besondere Verantwortlichkeit sieht er vor allem dann als gegeben an, wenn die Gefahr für das

740 Schünemann, Grund und Grenzen, S. 237 ff.; Wolff, Kausalität, S. 37 ff.; Bärwinkel, Garantieverhältnisse, S. 91 ff. 741 Vgl. Maurach/Gössel/Zipf, AT II, § 46 Rn. 64 ff.; Stree/Bosch, in: Sch/Sch-StGB, 28. Auflage 2010, § 13 Rn. 8; Stree, in: FS H. Mayer, 1965, S. 145 (146 f.); Jescheck/Weigend, AT, S. 621; Arzt, JA 1980, 647 (648). 742 Schünemann, Grund und Grenzen, S. 229 ff.; ders., Unternehmenskriminalität, S. 95 ff.; ders., ZStW 96 (1984), 287 (294); ders., in: FS Amelung, 2009, S. 303 (312 ff.), ders., in: Madrid-Symposium, S. 49 (72 ff.). 743 Rudolphi, Gleichstellungsproblematik, S. 196 ff.; ders., NStZ 1984, 149 (150 f.); ders., NStZ 1991, 361 (363 f.). 744 Rudolphi, Gleichstellungsproblematik, S. 99. 745 Gimbernat, ZStW 111 (1999), 328. 746 Jakobs, AT, 29/29 ff., 57 ff.; ders., Zurechnung, S. 19 ff. 747 Freund, Erfolgsdelikt, S. 116 ff., 139 ff.

B. Die Einteilung der Garantenstellungen

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Rechtsgut aus dem Organisationskreis des Täters stammt,748 so dass also in direkter Anlehnung an Jakobs der Begriff des Organisationskreises zum entscheidenden Zurechnungskriterium der Sonderverantwortung gemacht wird.749 Brammsen und Otto sehen in den tatsächlichen Verhältnissen des sozialen Alltagslebens die Grundlage für die Begründung von Garantenstellungen.750 Sie nehmen an, dass die Strafbarkeit bestimmter Verhaltensweisen auf negativ erfahrenen real existierenden Verhaltenserwartungen, deren Anforderungsaspekt je nach Situation und Stellung des Erwartungsadressaten zum gefährdeten Rechtsgut variabel ausgestaltet sein kann, zurückzuführen ist.751 Herzberg greift ähnlich wie Brammsen und Otto auf ein Kriterium der sozialen Erwartung zurück und schlägt zur Begründung von Garantenstellungen die „soziale Sonderverantwortlichkeit“ vor. Er nimmt an, das Vorliegen einer Garantenstellung setze eine besondere Verantwortlichkeit im sozialen Leben bzw. ein besonderes Anvertrautsein voraus.752 Für Androulakis ist die „soziale Nähe“ das entscheidende Kriterium zur Begründung von Garantenstellungen. Er meint, dass eine Strafbarkeit aus unechter Unterlassung dann in Betracht käme, wenn der Unterlasser sich in einer gewissen Nähe zum Gefahrenherd oder zum Träger des geschützten Rechtsgutes befinde. Die Nähe müsse dabei eine „innere, soziale und mitmenschliche Nähe“ sein.753 Nach Ansicht von Bärwinkel ist eine rechtlich relevante Unterlassung nur dann gegeben, wenn eine soziale Rolle eine Handlung gebietet. Rollen wie Freundschaft, Nachbarschaft, Zechgemeinschaft, zufällige Gefahrengemeinschaften und Liebesverhältnissen würden noch keine garantenstellungsbegründende Wirkung zukommen.754 Vielmehr seien Garantenstellungen „durch eine gruppennotwendige Rolle spezialisierte Schutzpflichten“ in Bezug auf das „tatbestandlich geschützte Rechtsgut“, die durch „objektive Bewertungsmerkmale“ auf ihre „Notwendigkeit für das Gemeinwohl“ zu überprüfen.755 Dementsprechend verbindet Bärwinkel zur Begründung von Garantenstellungen rechtliche, sozialethische und soziologische Kriterien. Honig dagegen versucht, Garantenstellungen mit Hilfe sozialethischer Kriterien, insbesondere dem Element der Intimsphäre, zu begründen.756 Arzt geht davon aus, dass bei allen Garantenstellungen die Gefahrschaffung als Begehungselement vorhanden sei. Ob und wie eine Gefahr geschaffen wurde, sei für die Bestimmung von 748

Freund, a.a.O., S. 161 ff.; ders., AT, § 6 Rn. 65 ff.; ders., in: MünchKomm., StGB, § 13 Rn. 111 f. 749 Siehe Schünemann, in: Madrid-Symposium, S. 49 (52). 750 Otto, AT, § 9 Rn. 42 ff.; Otto/Brammsen, JURA 1985, 530 (536 f.); Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 114 ff., 445 f. 751 Otto/Brammsen, a.a.O., S. 536; Brammsen, a.a.O., S. 116 f.; Otto, AT, § 9 Rn. 34 ff., 42 ff. 752 Herzberg, Unterlassung, S. 334. 753 Androulakis, Unterlassungsdelikte, S. 159, 205 ff. 754 Bärwinkel, Garantieverhältnisse, S. 111 f. 755 Bärwinkel, a.a.O., S. 112 ff. 756 Honig, in: FS Schaffstein, 1975, S. 89 (96 ff.).

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Teil 4: Meinungsstand zur dogmatischen Herleitung der Garantenstellung

Garantenstellungen im Einzelfall zumindest mitbestimmend.757 Seelmann ist der Ansicht, dass ein Handlungsgebot als Voraussetzung eines dem Begehen gleichzusetzenden Unterlassens dann gegeben sei, wenn „der Verpflichtete einem anderen die Abwehrbereitschaft gegenüber Gefahren entzogen oder selbst die Gefahr geschaffen oder erhöht hat“.758 Damit zieht er zum Kriterium der Gefahrschaffung auch das Element des Entzugs von Abwehrbereitschaft zur Begründung von Garantenstellungen heran. Hinsichtlich Letzterem macht er darauf aufmerksam, dass das zu bewertende Verhalten geeignet sein müsse, „Vertrauen in die Übernahme der Abwehrbereitschaft entstehen zu lassen“.759 Ebenso bauen auch andere Autoren auf das Vertrauensprinzip.760 So formuliert beispielsweise E. A. Wolff in seiner Kausalitätslehre: „Der Einzelne baut darauf, daß die anderen ihre Verpflichtungen wirklich erfüllen und durch dieses Vertrauen ist er von ihnen abhängig“. Vertrauen schließe ein Erwartendürfen ein. Die entscheidende Frage laute, ob es sich bei der unterbliebenen Handlung um eine „Heldentat“ oder um eine „normalerweise zu erwartende Handlung“ handelt.761 Vogler bezeichnet den Vertrauensgedanken als „Grundlage der Garantenpflicht“: „Alle Erfolgsabwendungspflichten beruhen darauf, dass der Schutz des gefährdeten Rechtsguts von einer positiven Leistung einer bestimmten Person abhängt und die Beteiligten sich auf den aktiven Einsatz dieser Person verlassen“.762 Schließlich will Pfleiderer Garantenstellungen anhand sogenannter „Grundfälle“ bestimmen. Diese „Grundfälle“ seien Geschehnisse, bei denen nach allgemeiner Auffassung unzweifelhaft Garantenstellungen vorliegen, und die Frage nach dem „Warum“ gerade deshalb keine Rolle spiele.763

IV. Stellungnahme 1. Allgemein Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die vorgenannten Ansichten in gewissen Teilaspekten zu passablen Ergebnissen führen. Hinsichtlich einer Detailkritik der Ansätze muss auf die zahlreichen Stellungnahmen in der Literatur verwiesen wer757 Arzt, JA 1980, 553 (560), 712 (717); einen ähnlichen Ausgangspunkt wählen auch Schultz, Amtswalterunterlassen, S. 138 ff., 145 ff., 161; ders., JuS 1985, 270 (271 ff.) und Stree, in: FS H. Mayer, 1965, S. 145 (147 ff.). 758 Seelmann, in: NK-StGB, § 13 Rn. 49; ders., GA 1989, 241 (251 ff.). 759 Seelmann, a.a.O. 760 Speziell zur Ingerenz auf ein Vertrauensverhältnis abstellend Welp, Vorangegangenes Tun, S. 171 ff.; ebenso Maiwald, JuS 1981, 481 f. 761 Wolff, Kausalität, S. 40 f.; ebenso Jescheck/Weigend, AT, S. 620; ähnlich Welp, Vorangegangenes Tun, S. 173 ff. 762 Vogler, in: FS R. Lange, 1976, S. 265 (281). 763 Pfleiderer, Garantenstellung, S. 96.

B. Die Einteilung der Garantenstellungen

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den.764 Festzuhalten ist lediglich, dass sie sich insbesondere in ihrer Herangehensweise, ihrer inhaltlichen Ausrichtung und Reichweite sowie der Gewichtung einzelner Anknüpfungspunkte unterscheiden. Betrachtet man aber die Begründungsversuche eingehend, so wird schnell deutlich, dass die Autoren immer wieder auf typische Merkmale wie die Herrschaftsmacht, die Verantwortlichkeit, die Erwartungshaltung, die Gefahrschaffung und das Vertrauen zurückgreifen. In den meisten Fällen werden dieselben Aspekte lediglich aus einem anderen Blickwinkel betrachtet.765 Wenn beispielsweise Jakobs zur Begründung einer Garantenstellung die Herrschaft über einen Organisationsbereich für zutreffend erachtet, wird der Täter wohl zugleich – wie von Rudolphi vorausgesetzt – „Zentralgestalt“ des Geschehens sein und häufig auch nach Schünemann die „Herrschaft über den Erfolgsgrund“ besitzen.766 Unstreitig ist, dass sich die dargestellten Theorien zur Begründung der Garantenstellungen nicht durchsetzen konnten, da eine jede denkbare Konstellation erfassende Theorie trotz zahlreicher Bemühungen nicht gefunden werden konnte. Andererseits liefern sie in Teilbereichen überzeugende Begründungen für plausible Ergebnisse, meist jedoch nur Lösungen im Einzelfall. Wie oben bereits erwähnt,767 ist ein allen Garantenpositionen gerecht werdender Ansatz kaum vorstellbar, da sie dann so offen gehalten werden müsste, dass sie die Garantenstellung nicht mehr mit Inhalt füllen könnte.768 Hingegen sind in jedem Einzelfall Inhalt und Zielrichtung der Garantenpflicht zu berücksichtigen.769 Um dies nun sinnvoll beachten zu können, ist mit der herrschenden Ansicht die Einteilung in Beschützer- und Überwachergaranten insofern hilfreich, als sie den Blick der Frage nach der Tragweite der jeweiligen Garantenstellung schärft und die Schutzrichtung vorgibt.770 Dass es sich bei dieser Lehre zwar nur um ein Ordnungsschema ohne materiellen Gehalt handelt, wurde oben bereits thematisiert. Auch wurde bereits ausgeführt, dass sie zur Begründung und inhaltlichen Ausfüllung von Garantenpositionen nicht geeignet ist. Daher muss diese funktionelle Einteilung mit den entsprechenden Garantenquellen wie zum Beispiel der tatsächlichen, freiwilligen Übernahme oder der Gefahrenbeherrschung um die oben dargelegten infrage kommenden materiellen Kriterien angereichert werden, damit im jeweiligen Einzelfall die Garantenstellung aussagekräftig mit Inhalt ausgefüllt werden kann.771 764 Vgl. diesbezüglich die Literaturübersicht bei: Sch/Sch-StGB, Vor §§ 13 ff., vor Rn. 134; Lackner/Kühl, § 13 Rn. 12; aber auch ausführlich Vogel, Norm und Pflicht, S. 339 ff. 765 Dießner, Unterlassungsstrafbarkeit, S. 227. 766 Siehe Dießner, a.a.O., S. 227 m.w.N. 767 Siehe oben Teil 4, A. (3). 768 Bosch, Organisationsverschulden, S. 150. 769 Stree/Bosch, in: Sch/Sch-StGB, 28. Auflage 2010, § 13 Rn. 14. 770 Vgl. oben Teil 3, C. II.; siehe auch Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 13 Rn. 15. 771 Ähnlich gehen Otto, AT, § 9 Rn. 48 ff.; Kühl, AT, § 18 Rn. 41 ff.; Roxin, AT II, § 32 Rn. 33 ff.; Jescheck, in: LK-StGB, Band 1, 11. Auflage, § 13 Rn. 19 vor.

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Teil 4: Meinungsstand zur dogmatischen Herleitung der Garantenstellung

Erst die Kombination der unterschiedlichen Ansätze führt zu einer tauglichen alternativen Lösung. Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass eine funktionelle Einteilung in Beschützer- und Überwachergaranten mit den entsprechenden Entstehungsgründen erfolgen muss, wobei die Begründung und inhaltliche Ausfüllung der Garantenstellung nach materiellen Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Die Entstehungsgründe, auf denen zum Teil bereits die Rechtsquellenlehre gründete, sind an die aktuelle dogmatische Entwicklung anzupassen. So lassen sich die Überwachungspflichten in vier Gruppen einteilen: die Überwachungsgarantie aus gefährlichem vorangegangenem Tun (Ingerenz), aus tatsächlicher und rechtlicher Herrschaft über eine Gefahrenquelle, aus der Herrschaft über Personen und aus der Übernahme von Überwachungspflichten. Obhutspflichten können sich aus natürlicher Verbundenheit, aus einer Gefahrengemeinschaft, kraft einverständlicher Übernahme einer Schutzfunktion oder aus der Stellung als Amtsträger oder als Organ juristischer Personen ergeben.772 Da es eine allumfassende Garantenlehre nicht gibt, aber auch nicht geben kann, muss die materielle Begründung für den Einzelfall entsprechend der oben genannten Begründungsansätze gesondert erfolgen. 2. Einordnung der Haftung des CO Nachdem bisher Gesagten kommt ausgehend von der Funktionenlehre eine Beschützergarantenstellung des CO nicht in Betracht;773 vielmehr muss die Haftung des CO für „Nichtverhinderung“ der Straftaten Unternehmensangehöriger der Überwachergarantenstellung zugeordnet werden. Da ihn die Überwachungsaufgabe nicht originär trifft, muss ihm zunächst diese Aufgabe übertragen werden, so dass als Entstehungsgrund lediglich die freiwillige Übernahme einer Überwachungspflicht in Frage kommt. Materieller Grund für diese Garantenstellung ist nach h.M. das Erzeugen von Vertrauen in die Konstanz des Verhaltens des Übernehmenden.774 Das Vertrauen muss bewirkt haben, dass das Opfer sich einer bestimmten Gefahr ausgesetzt hat, oder dass sich die Gefahr für das Opfer deswegen vergrößert hat, weil mit Rücksicht auf die Übernahme andere Schutzvorkehrungen unterblieben sind.775 Hinzu kommt, dass der CO nach der Übernahme der Aufgaben die Herrschaft über die Gefahrenquelle haben muss. Nur dann kann er nämlich seinen Pflichten nachkommen. Folglich spielt auch die Herrschaft als materieller Grund der Garantenstellung des CO eine Rolle. 772 So ähnlich die Einteilung bei Kühl, AT, § 18 Rn. 46a, Meurer, AT, S. 182 ff. und Wessels/ Beulke, AT, Rn. 716, Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 205. 773 Vgl. oben Teil 3, C. III. 1. und 2. 774 OLG Celle NJW 1961, 1939 (1940); Blei, in: FS H. Mayer, 1965, S. 119 (138); Jakobs, AT, 29/46; Stree, in: FS H. Mayer, 1965, S. 145 (156); Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 93. 775 BGHSt 7, 211 (212); Blei, in: FS H. Mayer, 1965, S. 119 (122); Stree/Bosch, in: Sch/SchStGB, 28. Auflage 2010, § 13 Rn. 27; Jakobs, AT, 29/47, 49; Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 93.

B. Die Einteilung der Garantenstellungen

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Es stellt sich allerdings die Frage, ob der von der h.M. vertretene Vertrauensgrundsatz auch im Rahmen der vertikalen Delegation von Aufgaben angewendet werden kann. Denn der Geschäftsherr muss ja nach der Übertragung der Aufgaben auf einen nachrangigen Mitarbeiter, diesen regelmäßig beobachten und also überwachen. Kann er dann auf eine ordnungsgemäße Erfüllung der Pflichten vertrauen? Würde dies nicht auf blindes Vertrauen hinauslaufen? Schließen sich insbesondere bei der vertikalen Arbeitsteilung Vertrauen und Kontrolle nicht gegenseitig aus? Nach all dem bedarf es an entsprechender Stelle einer näheren Untersuchung, ob der Vertrauensgrundsatz auch für die Pflichten des CO Verwendung finden kann. Darüber hinaus ist fraglich, ob der CO nach der Übernahme der Aufgaben die Herrschaft über die Gefahrenquelle haben wird. Reicht das Bestehen eines Informationsvorsprungs, um von einer Herrschaft über die Gefahrenquelle reden zu können?

Teil 5

Die Garantenstellung des CO A. Vorbemerkung Nachfolgend soll nun die Verantwortlichkeit des CO für „Nichtverhinderung“ der Straftaten Unternehmensangehöriger aufgezeigt werden. Die bisherigen Untersuchungen haben ergeben, dass eine originäre Garantenstellung des CO nicht in Betracht kommt. Daher kann ihm eine Überwachergarantenstellung nur in Gestalt einer sekundären, aus der Position des primär verantwortlichen Geschäftsherrn abgeleiteten Garantenstellung, zuwachsen. Die Vorfrage muss demnach sein, ob eine Garantenstellung des Geschäftsherrn zur Verhinderung betriebsbezogener Straftaten der nachgeordneten Mitarbeiter anzuerkennen ist (B.). Denn nur dann, wenn der primär Verantwortliche eine Garantenstellung inne hat, kann eine von ihm delegierte Garantenstellung dem sekundär Verantwortlichen zukommen. Als zweite Vorfrage ist zu klären, ob die Delegation der Compliance-Pflicht auf den CO möglich ist (C.). Erst anschließend kann untersucht werden, ob den CO eine Garantenstellung aus der Übernahme der Compliance-Pflicht vom Geschäftsherrn trifft (D.).

B. Die Geschäftsherrenhaftung Zunächst ist also die Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn in gebotener Kürze aufzuzeigen. Es geht dabei um die Frage, ob und inwieweit der Geschäftsherr für Nichtverhinderung betrieblicher Pflichtverletzungen oder Straftaten seiner Mitarbeiter verantwortlich ist. Geschäftsherr ist im Ausgangspunkt jedes Mitglied des Geschäftsleitungsorgans, d. h. bei der GmbH jeder Geschäftsführer, bei der AG jedes Vorstandsmitglied (§ 14 Abs. 1 StGB, § 9 Abs. 1 OWiG).776 Die Rechtsprechung hatte sich bisher mit der Geschäftsherrenhaftung nur spärlich befasst. Am 20. Oktober 2011 hat der BGH allerdings erstmals ausdrücklich zur Geschäftsherrenhaftung Stellung genommen.777 In der strafrechtlichen Literatur

776 Rieder, in: FS Goette, 2011, S. 413 (418); Rogall, in: KK-OWiG, § 9 Rn. 43; Moosmayer, Compliance, S. 14. 777 BGH – 4 StR 71/11, NJW 2012, 1237.

B. Die Geschäftsherrenhaftung

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präsentiert sich mittlerweile ein unüberschaubares Bild.778 Nachfolgend soll nach kurzer Zusammenfassung der Rechtsprechung lediglich ein Überblick über Grund und Grenzen der Geschäftsherrenhaftung in der Strafrechtswissenschaft gegeben werden. Dabei werden ausschließlich die wichtigsten Ansichten wiedergegeben, die im Schrifttum zumindest auf teilweise Zustimmung gestoßen sind.

I. Rechtsprechung zur Geschäftsherrenhaftung Das RG verneinte zunächst in einer Vielzahl von Fällen eine Haftung des Geschäftsherrn779 und begründete dies damit, dass allein aus dem Umstand, dass es sich beim Geschäftsherrn um einen Vorgesetzten handle, eine strafrechtliche Verantwortung des Betriebsinhabers für strafbare Handlungen seiner untergeordneten Mitarbeiter nicht abgeleitet werden könne.780 Im Jahre 1924 befürwortete das RG dagegen eine umfassende Geschäftsherrenhaftung.781 Betriebsinhaber und leitende Angestellte des Unternehmens würden eine an den Umständen des Einzelfalls orientierte Aufsichts- und Überwachungspflicht über die untergeordneten Mitarbeiter und den Betrieb selbst treffen. Zur Begründung zog das RG die „Stellung im Betrieb“ und den Aufgabenkreis eines Vorgesetzten heran.782 Der BGH hatte zunächst zur Geschäftsherrenhaftung nicht umfassend Stellung genommen, obgleich er in einigen Entscheidungen diese Möglichkeit hatte.783 Ausführliche Begründungen wurden lediglich hinsichtlich der Haftung des Geschäftsherrn für sachliche Gefahrenquellen geliefert;784 zu nennen sind hier insbe-

778 Vgl. Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 63 ff. und Hsü, Garantenstellung des Betriebsinhabers, S. 17 ff.; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 77 ff., ders., Unternehmenskriminalität, S. 61 ff.; ders., in: Madrid-Symposium, S. 265 ff.; ders., ZStW 96 (1984), 287 ff.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 36; Welp, Vorangegangenes Tun, S. 235 ff.; Walter, Pflichten, S. 2 ff.; Göhler, in: FS Dreher, 1977, S. 611 ff.; Gimbernat, in: FS Roxin, 2001, S. 651 ff.; Tiedemann, Gutachten zum 49. DJT; Bosch, Organisationsverschulden, S. 81 ff.; Heine, Verantwortlichkeit, S. 108 ff.; Rotsch, Haftung, S. 188 ff.; Bottke, Haftung, S. 22 ff.; Roxin, AT II, § 32 Rn. 134 ff.; Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, § 13 Rn. 35a; Jescheck, in: LKStGB, Band 1, 11. Auflage, § 13 Rn. 45; Otto, JURA 1998, 409 ff.; Brammsen, GA 1993, 97 (110). 779 RGSt 13, 90 ff.; 19, 205; 35, 109; 48, 320; 57, 151; GA 44 (1896), 398 ff. 780 RGSt 48, 320. 781 RGSt 58, 130 ff. (133), unter Bezugnahme auf RGSt 19, 204. 782 RGSt 58, 130 ff. (133); vgl. Schünemann, wistra 1982, 41 (43 und Fn. 24 m.w.N.). 783 Eingehende Analysen der BGH-Rechtsprechung bei Hsü, Garantenstellung des Betriebsinhabers, S. 25 ff., Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 73 ff. und zuletzt bei Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 79 ff. 784 BGHSt 19, 286 (288 f.); BGH NStZ 2002, 421 (422 f.); BGH NJW 1973, 1379 f.; BGH VRS 18, 48 ff.

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Teil 5: Die Garantenstellung des CO

sondere die berühmten Entscheidungen des BGH im „Erdal-Fall“785 aus dem Jahre 1990 und im „Wuppertaler-Schwebebahnfall“786 aus dem Jahre 2002. Am 20. Oktober 2011 befasste sich der BGH erstmals mit der Frage der Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn für Straftaten seiner Mitarbeiter. Der Sachverhalt trug sich wie folgt zu: Der Angeklagte war als Vorarbeiter beim städtischen Bauhof beschäftigt. Seiner Kolonne gehörten drei Mitarbeiter (Mitangeklagte) an, die über mehrere Jahre hinweg den ebenfalls beim städtischen Bauhof angestellten, aber in einer anderen Kolonne tätigen D, während der Arbeitszeit körperlich in demütigender Weise misshandelten. Hierfür setzten die Mitarbeiter zum Teil Knüppel, Ketten oder andere Werkzeuge ein. Bei drei dieser Übergriffe war der Angeklagte anwesend, verhinderte die Taten jedoch nicht. Das Landgericht Siegen sprach den Angeklagten vom Vorwurf der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung durch aktives Tun aber auch durch Unterlassen frei.787 Der BGH hob hervor, dass das Landgericht eine Strafbarkeit wegen unechten Unterlassensdeliktes (§ 13 StGB) zur Recht abgelehnt habe, weil es an einer Garantenstellung fehle. Der BGH führte im Weiteren wie folgt aus: „Eine solche Garantenstellung ergibt sich zum einen nicht aus einer dem Angeklagten von seiner Arbeitgeberin, der Stadt H., übertragenen Pflicht zum Schutz der Rechtsgüter des Geschädigten vor Angriffen durch Dritte. Dabei kann dahinstehen, ob die Stadt H. eine solche Schutzpflicht – etwa aus § 618 BGB […] – überhaupt traf und welche konkreten Vorgesetztenpflichten sich ferner aus dem Arbeitsvertrag des Angeklagten mit der Stadt H. ergaben. Selbst wenn hier eine solche – grundsätzlich mögliche […] – arbeitsvertragliche Übertragung einer Schutzpflicht im Interesse nachgeordneter Mitarbeiter anzunehmen sein sollte, würde sich dieser jedenfalls nicht auf den Geschädigten erstreckt haben. Dieser befand sich zu keinem der Tatzeitpunkte innerhalb des personellen Verantwortungsbereichs des Angeklagten. […]. Ebenso wenig ergibt sich eine Garantenstellung aus einer der Stadt H. obliegenden und vom Angeklagten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses übernommenen Pflicht zur Überwachung der Mitangeklagten S, K und B mit dem Ziel, von diesen ausgehenden Straftaten zum Nachteil des Geschädigten zu verhindern. Zwar kann sich aus der Stellung als Betriebsinhaber bzw. Vorgesetzter je nach den Umständen des einzelnen Falls eine Garantenpflicht zur Verhinderung von Straftaten nachgeordneter Mitarbeiter ergeben. Diese beschränkt sich indes auf die Verhinderung betriebsbezogener Straftaten und umfasst nicht solche Taten, die der Mitarbeiter lediglich bei Gelegenheit seiner Tätigkeit im Betrieb begeht […]. Betriebsbezogen ist eine Tat dann, wenn sie einen inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Begehungstäters oder mit der Art des Betriebs aufweist […].

785 786 787

BGHSt 37, 106 ff. BGHSt 47, 224 ff. BeckRS 2011, 27599.

B. Die Geschäftsherrenhaftung

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Die Beschränkung der Garantenhaftung des Betriebsinhabers auf betriebsbezogene Taten ist unabhängig davon geboten, welche tatsächlichen Umstände für die Begründung der Garantenstellung im Einzelfall maßgeblich sind […]. Weder mit einem auf dem Arbeitsverhältnis beruhenden Weisungsrecht gegenüber Mitarbeitern noch mit der Herrschaft über die ,Gefahrenquelle Betrieb‘ […] oder unter einem anderen Gesichtspunkt lässt sich eine über die allgemeine Handlungspflicht hinausgehende, besondere Verpflichtung des Betriebsinhabers begründen, auch solche Taten von verantwortlich handelnden Angestellten zu verhindern, die nicht Ausfluss seinem Betrieb oder dem Tätigkeitsfeld seiner Mitarbeiter spezifisch anhaftender Gefahren sind, sondern die sich außerhalb seines Betriebs genauso ereignen könnten […]“.788

Der BGH bejaht also nunmehr die Geschäftsherrenhaftung ausdrücklich. Freilich kann bei diesen Entscheidungen nicht von dogmatisch belastbaren Begründungen die Rede sein. Warum kann sich aus der Stellung als Betriebsinhaber bzw. Vorgesetzter eine Garantenpflicht zur Verhinderung von Straftaten nachgeordneter Mitarbeiter ergeben? Diese entscheidende Frage lässt der BGH offen. Der Senat hebt jedoch mit überzeugenden Argumenten hervor, dass sich die Garantenhaftung nur auf betriebsbezogene Taten beschränkt.

II. Überblick über den Meinungsstand in der Literatur Der Meinungsstand in der Literatur ist vielfältig.789 Eine einheitliche Meinung konnte bisher nicht gefunden werden. Der wesentliche Grund dafür ist auch hier vor allem die dogmatische Unklarheit der Grundlage. Diese Unklarheit führte im Schrifttum zu Bemühungen, eine Begründung der Garantenposition des Geschäftsherrn zu liefern. Als Ergebnis dieser Untersuchungen wird die Haftung des Geschäftsherrn für Nichtverhinderung von Straftaten Untergebener teilweise insgesamt verneint.790 Als Argumente werden überwiegend solche genannt, die gegenwärtig auch gegen die Garantenstellung des CO vorgebracht werden, nämlich die Eigenverantwortlichkeit des unmittelbar handelnden Mitarbeiters, der Gegenschluss aus den §§ 357 StGB und 41 WStG sowie aus § 130 OWiG. Dass sich eine Sperrwirkung aus den spezialgesetzlich geregelten Vorschriften aber auch aus § 130 OWiG nicht zuverlässig herleiten lässt, wurde bereits im Rahmen der Auseinandersetzung mit den zur Garantenstellung des CO vertretenen Meinungen ausführlich erörtert, sodass es an dieser Stelle keiner Wiederholung bedarf.791 Eine nähere Beschäftigung mit dem Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit ist dagegen 788

BGH NJW 2012, 1237. Vgl. oben Teil 3, C. III. 790 Jescheck, in: LK-StGB, Band 1, 11. Auflage, § 13 Rn. 45; Langkeit, in: FS Otto, 2007, S. 649 (651); Otto, JURA 1998, 409 (413); Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, § 13 Rn. 35a; Kirchner, Unterlassungshaftung, S. 157; Kretschmer, JR 2009, 471 (476); Stoffers, NJW 2009, 3173 (3176); Berndt, StV 2009, 687 (691); Campos Nave/Vogel, BB 2009, 2546 (2549). 791 Siehe oben Teil 3, C. III. 6. g), bb), (1) und (2). 789

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Teil 5: Die Garantenstellung des CO

unvermeidlich, wird allerdings erst an entsprechender Stelle erfolgen.792 Andere dagegen befürworten eine Garantenstellung des Geschäftsherrn mit jeweils unterschiedlichen Begründungen.793 Die Fülle der einzelnen Meinungen macht die Bezeichnung ihrer Grundlinien nahezu unmöglich.794 Bei der Darstellung der heute herrschenden dogmatischen Herleitung der Garantenstellung wurde aufgezeigt, dass die funktionelle Einteilung mit den entsprechenden Garantenquellen um materielle Kriterien angereichert werden muss. Folglich soll nachfolgend nur solchen Ansichten Rechnung getragen werden, die dieser Grundlinie gerecht werden und in der Literatur zumindest partiell auf Zustimmung gestoßen sind. So wird im Allgemeinen die Garantenstellung des Geschäftsherrn zur Verhinderung von Straftaten Untergebener aus dem Gesichtspunkt der Überwachung von Gefahrenquellen abgeleitet. Die einen sehen die im Betrieb Beschäftigten als Gefahrenquelle an;795 die anderen dagegen den Betrieb oder die Organisation als derselben,796 wobei hier wiederum Uneinigkeit herrscht, für welche betrieblichen Gefahren eine Garantenpflicht bestehen kann. M.a.W. stützen sich einige Stimmen auf eine Garantenstellung aus personaler Herrschaft; andere hingegen sehen den Betrieb bzw. die Organisation als Auslöser einer Garantenstellung an. Es existieren jedoch auch Ansichten, die ohne nähere Begründung beide Aspekte miteinander verknüpfen.797 So spricht etwa Schlüchter in diesem Zusammenhang von einer „Ver-

792

Siehe unten Teil 5, B. II. 4. Ganz überwiegende Meinung, vgl. nur Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 101 ff.; Rieder, in: FS Goette, 2011, S. 413 (417 f.); Jakobs, AT, 29/29 ff.; Kindhäuser, AT, Rn. 73; Lascuraín, in: Madrid-Symposium, S. 35 ff.; Busch, Unternehmen, S. 537 ff.; Roxin, AT II, § 32 Rn. 137; Rogall, ZStW 98 (1986), 573 (616 ff.); Landscheidt, Garantenpflichten, S. 110 ff.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, AT, § 4 Rn. 185; ders./Vogel, JuS 1988, 295 (299); Bottke, Haftung, S. 22 ff.; Gimbernat, in: FS Roxin, 2001, S. 651; Schall, in: FS Rudolphi, 2004, S. 267; Göhler, in: FS Dreher, 1977, S. 611 ff.; Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (56); Walter, Pflichten, S. 91 ff.; Rengier, in KK-OWiG, § 8 Rn. 47 ff.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 36. Einschränkend: Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 208 ff.; Schlüchter, in: FS Salger, 1995, S. 139 (158 ff.); Lackhoff/Schulz, CCZ 2010, 81 (83). 794 Zu Recht weisen Hsü, Garantenstellung des Betriebsinhabers, S. 134 und ihr folgend Heine, Verantwortlichkeit, S. 114 f. darauf hin. 795 So insbesondere Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 101 ff.; ebenso Rogall, ZStW 98 (1986), 573 (616 ff.); Landscheidt, Garantenpflichten, S. 110 ff.; Bottke, Haftung, S. 25 ff.; Busch, Unternehmen, S. 537 ff.; Hoyer, Verantwortlichkeit, 30 ff.; Stree, in: Sch/SchStGB, 27. Auflage 2006, § 13 Rn. 52; ablehnend aber ebenso auf die personale Herrschaft abstellend Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 208 ff. 796 Hellmann/Beckemper, Fälle, Rn. 551 f.; dies., Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 941 und 949 ff.; Mittelsdorf, ZIS 2011, 123 (126); Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 35 f.; ders., AG 2010, 147 (150 f.); Heine, Verantwortlichkeit, S. 118 ff.; Fischer, StGB, § 13 Rn. 12; Bosch, Organisationsverschulden, S. 216 ff.; Otto, JURA 1998, 409 (411); Mosbacher/Dierlamm, NStZ 2010, 268 (269); Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981 (990 f.); Wohlers, NK-StGB, § 13 Rn. 53. 797 Schlüchter, in: FS Salger, 1995, S. 139 (158); Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (56); Dann/Mengel, NJW 2010, 3265 (3267). 793

B. Die Geschäftsherrenhaftung

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antwortlichkeit für fremdes Verhalten“, ordnet diese aber in eine „verlängerte Sachgarantenstellung“.798 1. Garantenstellung aus personaler Herrschaft Sobald von einer Garantenstellung aus der Herrschaft über andere Personen die Rede ist, wird darauf hingewiesen, dass „eine solche Herrschaft über andere Menschen in einem freiheitlichen Gemeinwesen von vornherein höchst problematisch“ ist und grundsätzlich eine Rechtsgrundlage erfordert.799 Als weiteres Gegenargument der Garantenstellung aus personaler Herrschaft wird der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit angesehen.800 Eine Garantenpflicht wird aber dort angenommen, wo es sich um Autoritäts- und Weisungsverhältnisse handelt.801 Hingewiesen wird im Wesentlichen auf das Weisungsrecht und den Informationsvorsprung des Geschäftsherrn sowie auf die Fungibilität der Mitarbeiter;802 andere betonen dagegen die Befehls- und Organisationsherrschaft des Geschäftsherrn,803 wobei letztlich beides Mal dasselbe gemeint wird. Teilweise wird mit der Stellung des Geschäftsherrn im Unternehmen argumentiert. Seine Berechtigung, den Mitarbeitern vorzuschreiben, wer, wann, welche Arbeit zu verrichten hat oder aber auch seine Möglichkeit, den Angestellten nötigenfalls zu kündigen, zeige gerade, dass seine Anweisungen regelmäßig befolgt werden, sodass er eine gute Verhinderungsmöglichkeit habe.804 Ebenso wird angeführt, dass der Geschäftsherr neben der reinen Weisungsmacht auch Organisationsmacht besitzt, die seine Einflussmöglichkeiten im Unternehmen reichhaltig erweitert.805 So rechtfertigt dies beispielsweise Bottke wie folgt: „Wer in einer freiheitlich verfassten Gesellschaft seinen Lebenskreis so organisiert, dass er erhöht machtstiftend (…) zu seiner individuellen Wohlfahrt (…) 798 Schlüchter, in: FS Salger, 1995, S. 139 (158); ebenso wohl auch Roxin, AT II, der die Geschäftsherrenhaftung bei den „auf Überordnungsverhältnissen beruhende Garantenstellungen“ einordnet (Rn. 133), in Rn. 137 allerdings ebenso von einer „verlängerten Sachgarantenstellung“ spricht und darauf hinweist, dass sich Sach- und Personalgefahren kaum trennen lassen, so dass er auf den Gefahrenherd Betrieb abstellt; sich ihm ausdrücklich anschließend Schall, in: FS Rudolphi, 2004, S. 267 (276). 799 Vgl. Schünemann, Grund und Grenzen, S. 58; Heine, Verantwortlichkeit, S. 116; Freund, Erfolgsdelikt, S. 252 f. 800 Freund, a.a.O., S. 227 f.; Heine, a.a.O., S. 116; Mittelsdorf, ZIS 2011, 123 (126); Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 358 ff.; Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 209; ders., GA 2010, 222 (225). Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, AT, § 4 Rn. 183; Berndt, StV 2009, 687 (690 f.). 801 Tiedemann, a.a.O.; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 101 ff.; Rogall, ZStW 98 (1986), 573 (616 ff.). 802 Schünemann, a.a.O., S. 102 ff. 803 Roxin, AT II, § 32 Rn. 135; Rogall, ZStW 98 (1986), 573 (617). 804 Bottke, Haftung, S. 25 f.; Landscheidt, Garantenpflichten, S. 112; Rogall, a.a.O., S. 616 f. 805 Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 102; Göhler, in: FS Dreher, 1977, S. 611 (621).

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Teil 5: Die Garantenstellung des CO

drittlastige Gefahrenquellen (…) schafft und hierfür die Bereitschaft der Gesellschaft, seine Organisation zu akzeptieren, in Anspruch nimmt, hat neben dem Nutzen fairerweise (…) auch den rechtigten, ordnungspolitisch begründbaren Sicherheitserwartungen der Gesellschaft Rechnung zu tragen.“806 Vergleichbar argumentiert Hoyer, der in einem privatnützigen Unternehmen eine potentielle Gefahr für das Recht sieht, „soweit Gewinnerzielung nur auf Kosten des Rechts und Rechtsbefolgung nur auf Kosten des Gewinns möglich ist. Wer aber zu privatem Nutzen eine Gefahrenquelle für das Recht eröffnet, mag als Ausgleich für die private Nutzziehungsmöglichkeit nach außen hin als Garant strafrechtlich haften.“807 Die überwiegende Meinung stellt darauf ab, dass dem Geschäftsherrn als „Kehrseite der Freiheit, ein Unternehmen zu betreiben, die Pflicht auferlegt werden muss, durch Anweisungen und Kontrollen strafbare Handlungen der Mitarbeiter aus dem Betrieb heraus zu verhindern“.808 Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass die Autoren entweder mit einer (fiktiven) unbegrenzten Handlungs- und der daraus herrührenden Verhinderungsmöglichkeit des Geschäftsherrn argumentieren, oder aber einen Ausgleich dafür verlangen, ein Unternehmen zu betreiben. Schünemann weist ebenso auf das Direktionsrecht und den Wissensvorsprung des Geschäftsherrn hin, betont aber zugleich auch die „partielle Unmündigkeit“ des Mitarbeiters. Letzteres folge aus der schwachen innerbetrieblichen Stellung des unmittelbar handelnden Mitarbeiters, der daher beaufsichtigt werden müsse.809 Unter „partieller Unmündigkeit“ sei die auf einem bestimmten Gebiet bestehende Gehorsamspflicht zu verstehen, wie sie beim Arbeitnehmer nicht geleugnet werden könne.810 Zwar gebraucht er in seinen späteren Veröffentlichungen den Begriff der „partiellen Unmündigkeit“ nicht mehr, seine Argumentation erfolgt aber nach dem bisherigen Muster.811 Die Garantenstellung des Geschäftsherrn für Handlungen seiner Untergebenen resultiere aus der Herrschaft des Geschäftsherrn aufgrund der hierarchischen Unternehmensorganisation.812

806

Bottke, Haftung, S. 25 f. Hoyer, Verantwortlichkeit, S. 32. 808 Wohlers, in: NK-StGB, § 13 Rn. 53; Landscheidt, Garantenpflichten, S. 112 ff.; Rogall, ZStW 98 (1986), 573 (616 ff.); Roxin, AT II, § 32 Rn. 137; Stratenwerth/Kuhlen, AT I, § 13 Rn. 48; Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981 (989); Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (56); Schall, in: FS Rudolphi, 2004, S. 267 (277). 809 Schünemann, Grund und Grenzen, S. 323 ff. 810 Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 102. 811 Schünemann, wistra 1982, 41 (45); ders., ZStW 96 (1984), 287 (318); ders., in: LKStGB, Band 1, 12. Auflage, § 14 Rn. 67. 812 Schünemann, wistra 1982, 41 (45). 807

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2. Garantenstellung aus der Herrschaft über den „Betrieb als Gefahrenherd“ Als Ursache der Garantenstellung wird hier nicht der Mitarbeiter angesehen, sondern der Betrieb bzw. die Organisation als Gesamtgefahrenquelle begriffen. Es wird schlicht nicht zwischen sachlichen und personalen Gefahrenquellen unterschieden, wobei die Begründungen, warum eine solche Differenzierung unterbleiben muss, variieren. So wird teilweise davon gesprochen, „dass sich die Herkunft der Gefahren vom sachlichen oder persönlichen Potential oft kaum trennen ließen“.813 Es ist auch die Rede von einer „verlängerten Sachgefahrenhaftung“, deren Vertreter plastisch ausgedrückt die Sach- und Personalgefahren „über einen Kamm scheren“.814 Andere wiederum betrachten die „Gefahrenquelle Betrieb“ sowohl als personalen, wie auch als sachlichen Gefahrenquellen umfassenden Gefahrenherd. Fischer merkt hierzu an: „als Gefahrenquellen kommen (…) sowohl der räumliche Zusammenhang des Betriebs selbst als auch einzelne Anlagen, Einrichtungen und Abläufe, grds. aber auch (…) Personen in Betracht.“815 Ebenso sprechen Rönnau und Schneider davon, dass der Geschäftsherr „das Unternehmen als ,Quelle von Gefahren‘ durch seinen Informationsvorsprung, sein Weisungsrecht und aufgrund der Fungibilität der einzelnen Mitarbeiter“ beherrscht, unabhängig davon, ob die Gefahr von Sachen oder Personen ausgeht. Sie räumen der Geschäftsherrenhaftung einen sich auf Personalgefahren erstreckenden Anwendungsbereich ein und begründen die Herrschaft über die Gefahrenquelle mit der Macht über die Organisation und der Befehlsbefugnis des Geschäftsherrn.816 Eine nähere Begründung erfolgt nicht. Ransiek, der von der Prämisse ausgeht, es handle sich nicht um die Verhinderung von Straftaten Untergebener, sondern um die Eindämmung von Unternehmensgefahren, verzichtet ebenso auf eine Differenzierung zwischen Sach- und Personalgefahren und begründet dies damit, dass es nicht nur um drohende Gefahren durch Sachen oder Tiere gehe, sondern allgemein um Gefahren, die durch eine Organisation hervorgerufen werden. In der Regel sei nicht schon die Sache selbst, sondern erst der Umgang mit ihr gefährlich.817 Ganz ähnlich argumentiert Bosch, bei dem eine Differenzierung zwischen Sach- und Personalgefahren deshalb unterlassen wird, da die Garantenstellung eine Pflichtenposition zur gefahrenmindernden Gestaltung des eigenen Organisationsbereichs erfasse.818 Sowohl nach Bosch als auch nach Ransiek ist es gleichgültig, ob jemand anders eine Straftat begeht oder nicht, vielmehr sei

813 Roxin, AT II, § 32 Rn. 137; Schall, in FS Rudolphi, 2004, S. 267 (276); Mittelsdorf, ZIS 2011, 123 (126). 814 Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 277; ders., in: Amelung, Individuelle Verantwortung, S. 105 (126 ff.); Roxin, AT II, § 32 Rn. 137. 815 Fischer, StGB, § 13 Rn. 38. 816 Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (56). 817 Ransiek, AG 2010, 147 (150); ders., Unternehmensstrafrecht, S. 35 f. 818 Bosch, Organisationsverschulden, S. 219.

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entscheidend, ob sich die Rechtsgutsverletzung „auf strukturelle Organisationsmängel zurückführen lässt“.819 Während die Ansichten mit unterschiedlichen Begründungen zu demselben Ergebnis kommen, dass nämlich eine Differenzierung zwischen Sach- und Personalgefahren unterbleiben bzw. eine Gleichsetzung beider Gefahrenarten erfolgen muss, sind sie sich hinsichtlich der Reichweite einer solchen Garantenstellung uneinig.820 3. Garantenstellung aus der Verknüpfung beider Aspekte Ansichten, die beide vorgenannte Auffassungen miteinander verknüpfen, liefern beinahe keine Begründung. Wie bereits erwähnt, meint Schlüchter, dass es sich bei der Geschäftsherrenhaftung um eine Verantwortlichkeit für fremdes Verhalten handelt.821 Diese Verantwortlichkeit fasst sie aber zu einer verlängerten Sachgefahrenhaftung zusammen. Roxin, der von der Untrennbarkeit der Sach- und Personalgefahren ausgeht, nimmt eine Aufsichtsgarantenstellung des Geschäftsherrn infolge der Befehlsgewalt und Organisationsherrschaft an, spricht aber später unter Verweis auf Schlüchter von einer verlängerten Sachgarantenstellung.822 4. Stellungnahme Hinsichtlich einer detaillierten Kritik der Ansichten muss auf die vielen zu diesem Thema existierenden Monographien823 verwiesen werden, da eine eingehende Aufarbeitung den Rahmen der Arbeit bei weitem überschreiten würde. Nachfolgend soll nur die hier vertretene Auffassung unter Eliminierung der übrigen Ansichten aufgezeigt und begründet werden. (1) Die Befürworter einer Garantenstellung aus der personalen Herrschaft knüpfen – wie es der Wortlaut schon wiedergibt – an die Beziehung zwischen dem Geschäftsherr und dem Mitarbeiter, also an eine zwischenmenschliche Beziehung an. Bei der Begründung dieser Beziehung geraten die Autoren stets in Schwierigkeiten beim Überspringen der Hürde des Grundsatzes der Eigenverantwortlichkeit des Begehungstäters. Verwiesen wird daher auf die Weisungsbefugnis und den Informationsvorsprung des Geschäftsherrn, die wegen der Fungibilität des Mitarbeiters ein den typischen Fällen vergleichbares Gewaltverhältnis darstellen soll. Dass dies dem Selbstverantwortungsprinzip nicht Rechnung tragen kann, wurde bereits von 819

Bosch, a.a.O., S. 224 f.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 36. Vgl. diesbezüglich unten Teil 5, B. IV. 821 Schlüchter, in: FS Salger, 1995, 139 (158 ff.). 822 Roxin, AT II, § 32 Rn. 135 u. 137. 823 Vgl. Hsü, Garantenstellung des Betriebsinhabers, S. 104 ff.; Dous, Verantwortlichkeit, S. 184 ff.; Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 124 ff.; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 77 ff.; Walter, Pflichten, S. 13 ff., 35 ff. 820

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Spring in seiner Monographie aus dem Jahre 2009 ausführlich nachgewiesen, sodass nachfolgend nur mehr eine kurze Erörterung erfolgen soll.824 Wie bereits ausgeführt, besagt das Selbstverantwortungsprinzip, dass grundsätzlich jede Person nur für ihr eigenes Verhalten verantwortlich ist und nie für das Verhalten frei verantwortlich Handelnder anderer. Um gleichwohl eine Garantenstellung aus der Herrschaft über Untergebenen annehmen zu können, ist neben dem Weisungsbefugnis bzw. Informationsvorsprung des Geschäftsherrn eine partielle Unmündigkeit des Weisungsunterworfenen erforderlich. Der Geschäftsherr muss die Macht haben, jederzeit, also auch vor einer möglichen Straftatbegehung, auf die Willensbildung des Untergebenen Einfluss zu nehmen.825 Eine Weisungsgebundenheit begründet aber noch lange keine solche Macht, so dass von einer partiellen Unmündigkeit der Untergebenen nicht gesprochen werden kann. Die Weisungsgebundenheit ist nämlich nur die Folge des Weisungsrechts und nicht der Grund der partiellen Unmündigkeit. Wird mit der Fungibilität des Arbeitnehmers und dessen Prägung durch die Verbandsattitüde argumentiert und darauf aufgebaut, dass dann die Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen beim Verbandshandeln „weitgehend nur eine Fassade“ sei,826 so kann dem allenfalls in den untersten Hierarchieebenen des Unternehmens beigepflichtet werden. Ansonsten wird in Betrieben mehr und mehr auf Spezialwissen gesetzt,827 sodass entsprechende Positionen mit Mitarbeitern besetzt werden, die diese Qualifikationen aufweisen. Blickt man auf § 75 Abs. 2 BetrVG, so fällt auf, dass bei den Mitarbeitern kein „geistloser“ Gehorsam mehr herrscht. Zu Recht weist Schlüchter darauf hin, dass die Konstellation des laienhaften Vorgesetzten mit einem fachkundigen Untergebenen in der Diskussion um die Reichweite der Geschäftsherrenhaftung nicht genügend berücksichtigt wird.828 Daher kann in einem modernen Unternehmen von einer grundsätzlichen Austauschbarkeit des Arbeitnehmers nicht gesprochen werden. Außerdem betont Beulke zutreffend, dass die „moderne unternehmerische Führungslehre auf Mitverantwortung, Vertrauen und Kooperation statt auf Befehl und Kontrolle durch Vorgesetzte und tumben Gehorsam der Befehlsempfänger“ setzt.829 Diese Umstände zeigen ausdrücklich, dass das bloße Über- und Unterordnungsverhältnis im Unternehmen nicht notwendigerweise dazu führt, dass der Geschäftsherr Herrschaft über die Mitarbeiter im Betrieb hat. Die Eigenverantwortlichkeit des Untergebenen steht dem entgegen. Spring geht daher davon aus, dass sich eine Aufsichtsgarantenstellung nur dann begründen lässt, wenn der zu Beaufsich824 Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 208 ff.; der zusätzlich einen materiellen Haftungsgrund verlangt. 825 Bosch, Organisationsverschulden, S. 163; vgl. insbesondere Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 226, 269; etwas einschränkend Spring, a.a.O., S. 212 ff. 826 Vgl. vor allem Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 104. 827 Bosch, Organisationsverschulden, S. 389; Bock, Compliance, S. 82. 828 Schlüchter, in: FS Salger, 1995, S. 139 (159). 829 Beulke, in: FS Geppert, 2011, S. 23 (32 f.); ebenso Bock, Compliance, S. 77 ff.

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tigende ein Defizit aufweist und die Aufsichtsperson eine rechtlich anerkannte Autoritätsstellung innehat; darüber hinaus soll eine solche Garantenstellung dann gegeben sein, wenn eine gesteigerte Gefährlichkeit einer Personengruppe gegeben ist, die Aufsicht seine berufliche Kernaufgabe ist und die Aufsichtsperson eine rechtlich anerkannte Autoritätsstellung innehat.830 Die Frage, ob der Geschäftsherr eine dieser Voraussetzungen erfüllt, lässt Spring aber unbeantwortet. Nach dem oben Gesagten wird sich beim Mitarbeiter in der Regel kein Defizit aufweisen lassen, da die Mitarbeiter nur weisungsgebunden und nicht wegen dieser Weisungsgebundenheit partiell unmündig sind. Zudem ist fraglich, wann es sich um eine gesteigerte Gefährlichkeit von Personengruppen im Unternehmen handelt. Ferner ist anzumerken, dass dieser Anknüpfungspunkt weiter zur Folge hätte, dass der Geschäftsherr in eine Reihe mit Eltern, Lehrern, Strafvollzugsbeamten und anderen Inhabern militärischer oder sonstiger behördlicher Aufsichts- und Autoritätspositionen gestellt werden würde, mit denen er nur wenig gemein hat.831 Dous, der auch von einer personalen Herrschaft ausgeht, will für den Bereich der Unterlassungsstrafbarkeit den Grundsatz der Eigenverantwortung als normatives Leitkriterium gelten lassen, ohne allerdings bei sonstigen Abgrenzungsmöglichkeiten einer Verantwortlichkeit von Tätern hinter den Tätern zu widersprechen. Aufgrund dieses Grundsatzes tue sich das deutsche Strafrecht mit der Erfassung von Hierarchien schwer. Machtverhältnisse, bei denen der Untergebene unter einem Defekt leide, unter Nötigungsdruck stehe oder aus anderen Gründen nicht zu bestrafen sei, spielen im Alltagsleben eine sehr untergeordnete Rolle, während real diejenigen im Vordergrund stünden, die durch einen gewissen Druck des Geschäftsherrn bei gleichzeitiger teilweiser Unkenntnis des Mitarbeiters gekennzeichnet seien.832 Dous stellt nicht in Frage, dass das Eigenverantwortlichkeitsprinzip elementar für das deutsche Strafrecht ist; er hält es aber für fraglich, ob dieses Prinzip in jedem Einzelfall sinnvoll gegenüber anderen Gesichtspunkten angewendet werden könne. Welche Gesichtspunkte bzw. welche anderweitigen Abgrenzungsmöglichkeiten der Autor meint, führt er nicht aus. Richtig ist zwar, dass sich die Machtverhältnisse, bei denen der Untergebene unter einem Defekt o. ä. leidet, sehr selten sind. Deshalb aber den Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz nicht anzuwenden zeigt, dass Dous vom Ergebnis ausgehend denkt und seine Lösung daher auch ergebnisgerecht gestaltet. Die Anwendung des besagten Prinzips wäre nur noch willkürlich, denn sobald gewisse Geschehnisse nur häufig vorkommen und andere trennscharfe Abgrenzungskriterien gegeben sind, dürfte es nicht zur Anwendung kommen. 830

Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 226. Bosch, Organisationsverschulden, S. 163; Brammsen, in: Amelung, Individuelle Verantwortung, S. 105 (124); Landscheidt, Garantenpflichten, S. 113 f.; Rudolphi/Stein, in: SKStGB, § 13 Rn. 33 ff.; Stree/Bosch, in: Sch/Sch-StGB, 28. Auflage 2010, § 13 Rn. 52 ff.; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 101 ff.; Seelmann, in: NK-StGB, § 13 Rn. 128 ff. 832 Dous, Verantwortlichkeit, S. 235 ff. 831

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Zusammenfassend ist daher eine Aufsichtsgarantenstellung des Geschäftsherrn aus personaler Herrschaft abzulehnen. Vor allem der Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz führt dazu, dass sich eine Verantwortung für fremdes Handeln nicht angemessen begründen lässt. Fraglich ist, ob die Verbindung der Verantwortung für fremdes Handeln mit einer verlängerten Sachgarantenhaftung, die hier als Kombinationstheorie bezeichnet werden soll, die Geschäftsherrenhaftung begründen kann. (2) Die Kombinationslehre ordnet die Geschäftsherrenhaftung in die Kategorie der Verantwortlichkeit für fremdes Verhalten ein, also in die Herrschaft über Untergebene; bei dieser Verantwortlichkeit handle es sich quasi um eine verlängerte Sachgarantenstellung. Warum handelt es sich um eine solche Garantenstellung? Damit beschäftigt sich Schlüchter, als führende Vertreterin dieser Auffassung, überhaupt nicht. Wenn schon behauptet wird, dass die Herrschaft über Menschen mehr oder weniger mit einer Herrschaft über Sachen gleichzusetzen sei, so muss dies auch belegt werden. Namentlich Roxin unternimmt den Versuch einer Begründung und stellt dabei fest, dass sich sachliche Gefahren von Gefahren mit persönlichem Potenzial oft kaum trennen lassen. Als Beispiel führt er einen technischen Mangel im Betrieb an, der durch Wartungsfehler hervorgerufen oder potenziert wurde.833 Lassen sich beide Gefahrenarten tatsächlich nicht voneinander trennen? Doch, denn Personalgefahren beruhen auf dem Verhalten einer Person, Gefahren, die von einer Sache ausgehen, sind dagegen gegenständlicher Natur.834 Freilich handelt es sich im Unternehmen überwiegend um Gefahren, die vom Umgang eines Menschen mit einer Sache ausgehen. So auch im Beispielsfall von Roxin. Man kann in diesen Fällen von gemischt sachlich-personalen Gefahren835 sprechen. Die entscheidende Frage ist, welcher Gruppe diese Gefahren angehören.836 Die Gefahr geht von der sachlichen Gefahrenquelle aus, wobei ein Mensch diese verursacht hat. Legt man nun den Schwerpunkt auf das Verhalten der Person oder auf die sachliche Gefahrenquelle oder lassen sie sich tatsächlich nicht trennen? Maßgebend kann es nur sein, dass es sich um eine betriebsbezogene Gefahr handelt. Wie diese Gefahr hervorgerufen wurde, durch menschliches Versagen oder durch eine sachlich gefährliche Verrichtung, ist belanglos. Für die Beurteilung einer Garantenstellung ist nicht entscheidend, ob die Gefahr durch menschliches Verhalten oder von selbst entstanden ist. Daher sind solche gemischt sachlich-personalen Gefahrenquellen den sachlichen Gefahrenquellen zuzuordnen, für die den Geschäftsherrn ohnehin eine Garanten-

833

Roxin, AT II, § 32 Rn. 137. Für die Trennbarkeit auch Beulke, in: FS Geppert, 2011, S. 23 (35); Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 160 f. 835 Diese Bezeichnung verwendet auch Spring, a.a.O., S. 160. 836 Diese Frage stellt auch Spring, a.a.O., S. 160. 834

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pflicht trifft.837 Der von Roxin genannte Fall kann daher nicht zur Begründung der Geschäftsherrenhaftung herangezogen werden. Dass die Behauptung der Untrennbarkeit der sachlichen und personalen Gefahren sich nicht bewahrheitet, wird wohl auch Roxin selbst erkannt haben. Er formuliert nämlich nicht, dass sich die Gefahren „nicht“ trennen lassen, sondern dass sie sich „oft kaum“ trennen lassen.838 „Kaum“ bedeutet nicht „nicht“, sondern eben nur „in geringem Maße“. Nach dem oben Gesagten stimmt jedoch auch diese Feststellung nicht, da sich eine Trennung der unterschiedlichen Gefahren sehr wohl durchführen lässt. Überdies spricht gegen die Kombinationslehre, dass sich der für sachliche Gefahrenquellen anerkannte Ansatz nicht ohne Weiteres einheitlich auf die Überwachergarantenstellung des Geschäftsherrn übertragen lässt. Die Herrschaft über sachliche Gefahrenquellen ist sowohl in der Rechtsprechung839 als auch der Literatur840 allgemein anerkannt. Der Grund für eine solche Garantenstellung aus der Herrschaft über eine sachliche Gefahrenquelle liegt darin, „dass Außenstehende auf Gefahrenquellen in fremden Herrschaftsbereichen nicht einwirken dürfen und sich infolgedessen darauf verlassen müssen, dass derjenige, dem die Verfügungsgewalt und die Verantwortung innerhalb des eigenen Herrschaftsbereichs obliegt, die daraus herrührenden Gefahren unter Kontrolle hält und wirksame Sicherungsvorkehrungen gegen eine Schädigung seiner Mitmenschen trifft“.841 Von einer Verfügungsgewalt des Geschäftsherrn über die Arbeitnehmer kann nicht die Rede sein. Während der Geschäftsherr nämlich über eine Sache nach Belieben verfügen kann, kann er dies nicht bei einem Menschen. Menschen sind keine Sachen, sie sind aber auch nicht Menschen, die im „vollen Besitz anderer Menschen“ stehen. Eine solche Betrachtungsweise erinnert an die rechtlich wie Sachen behandelten Sklaven im römischen Recht. Der Sklave stand im Eigentum seines Herrn und musste seinen Weisungen Folge leisten.842 Zwar hat der Geschäftsherr auch ein Direktionsrecht gegenüber dem Mitarbeiter, er darf jedoch nicht jeder Weisung des Geschäftsherrn „blind“ Folge

837 So auch Beulke, in: FS Geppert, 2011, S. 23 (35); Gimbernat, in: FS Roxin, 2001, S. 651 (661 f.); Otto, JURA 1998, 409 (411); Spring, a.a.O., S. 160 f. 838 Roxin, AT II, § 32 Rn. 137. 839 RGSt 10, 6 (7); BGHSt 19, 286 (288 f.); 53, 38; OLG Stuttgart NJW 2005, 2567. 840 Wessels/Beulke, AT, Rn. 722 f.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 34; Bosch, Organisationsverschulden, S. 189; Otto/Brammsen, JURA 1985, 592 (600); Kühl, AT § 18 Rn. 106; Roxin, AT II; § 32 Rn. 108 ff.; Stree/Bosch, in: Sch/Sch-StGB, 28. Auflage 2010, § 13 Rn. 43; Schlüchter, in: FS Salger, 1995, S. 139 (148 f.); Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 159. 841 Wessels/Beulke, AT, Rn. 723; Ransiek, a.a.O., S. 35; Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, § 13 Rn. 27; Spring, a.a.O.; Schall, in: FS Rudolphi, 2001, S. 267 (277); Schlüchter, a.a.O.; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 290. 842 Vgl. Nachweise bei v. Bar, Kausalität, S. 115; Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 231 f.; Spring, a.a.O., S. 148 ff.

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leisten. Er muss notfalls, auch bei Androhung einer Kündigung, dem Geschäftsherrn widersprechen.843 (3) Nach all dem kommt also nur eine Herrschaft über die betriebliche Gefahrenquelle als Auslöser der Garantenstellung infrage. Die Ansichten, die auch hier mit der Untrennbarkeit der Gefahren argumentieren, können, wie eben festgestellt, nicht überzeugen. Eine verlängerte Sachgefahrenhaftung würde ebenso voraussetzen, dass sich die Gefahren nicht in sachliche oder personale aufsplitten lassen. Richtigerweise begründet die Eröffnung einer Gefahrenquelle bzw. das Betreiben des Betriebes die Pflicht, die aus dem Unternehmen resultierenden Gefahren zu kontrollieren und aufzufangen, da Dritte nicht in der Lage sind, sich vor den sich aus dieser Gefahrenquelle entwickelnden Gefahren ausreichend zu schützen. Außenstehende Dritte sind vielmehr in ihrer Unversehrtheit davon abhängig, dass der Geschäftsherr die aus dem Betrieb nach außen dringenden Gefahren eindämmt. Sie können die im Unternehmen bestehenden bzw. erzeugten Gefahren nicht koordinieren bzw. steuern. Als „Entschädigung“ für die rechtliche Billigung eines Unternehmens obliegt dem Geschäftsherrn die Pflicht, durch Anweisungen und Kontrollen die Gefahrenquellen so abzusichern und zu überwachen, dass sich aus ihnen keine Gefahren für die Allgemeinheit ergeben.844 Der Geschäftsherr ist wegen seiner Herrschaft über die Gefahrenquelle aufgrund seines Weisungsrechts,845 seiner Organisationsgewalt i.V.m. seinem Informationsvorsprung846 in der Lage, die Gefahren im Unternehmen so zu steuern, dass sie auf ein Minimum reduziert werden. Kraft der ihm durch das Weisungs- und Organisationsrecht verliehenen rechtlichen Macht ist er verpflichtet, den Gesamtbetrieb bzw. seinen Organisationsbereich zu überwachen und drohende Rechtsgutsverletzungen durch Ausübung seines Weisungsrechts zu verhindern. Er kann im Unternehmen Anordnungen treffen und durch seine Gestaltungs- und Steuerungsmöglichkeiten die Gefahren im Unternehmen zumindest limitieren. Mithin hat er als Garant dafür einzustehen, dass sich die Gefahren im Unternehmen nicht zum Nachteil der Rechtsgüter Außenstehender realisieren. Das Weisungsrecht ermöglicht dem Geschäftsherrn die Bestimmung individueller Verhaltensregeln zur Durchführung der Arbeit. Daneben bietet es auch die Gelegenheit organisationsbezogener Weisungen, durch die die Ordnung und die 843

Vgl. hierzu eingehend Spring, a.a.O., S. 166 ff. u. 216 ff. Vgl. hierzu insbesondere Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (56); Wohlers, in: NK-StGB, § 13 Rn. 46; Herzberg, Unterlassung, S. 320; Schall, in: FS Rudolphi, 2001, S. 267 (277); Schünemann, Grund und Grenzen, S. 290; ders., Unternehmenskriminalität, S. 95 ff.; Freund, Erfolgsdelikt, S. 169, 177; Heine, Verantwortlichkeit, S. 118 f.; Kindhäuser, AT, § 36 Rn. 54; Ransiek, AG 2010, 147 (150); Rudolphi, in: FS Lackner, 1987, S. 863 (874); Brammsen, GA 1993, 97 (110 ff.). 845 Hinsichtlich der Begründung einer Aufsichtsgarantenstellung darauf abstellend Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 102; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, § 4 Rn. 183; Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 208 ff. 846 Schünemann, a.a.O., S. 98, 102, Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (56); Schall, in: Deutsche Wiedervereinigung, Band III, S. 99 (111). 844

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Harmonie, aber auch die Reputation des Unternehmens sichergestellt werden sollen.847 Der Wissensvorsprung wird sich – wie Schünemann zutreffend feststellt848 – an der Unternehmensspitze konzentrieren. Zwar kann der Tatsache nicht widersprochen werden, dass in einem modernen Unternehmen „Spezialisten“ angesichts ihres Spezialwissens eingesetzt werden und sich daher das Wissen in allen Details bei diesen Mitarbeitern zusammenfindet. Dieser wird besser informiert sein als der Geschäftsherr. Man könnte daher von der Prämisse ausgehend „Wissen begründe Macht“ argumentieren, dass ja der Mitarbeiter aufgrund seines Wissensvorsprungs mächtiger sei als der Geschäftsherr. Wie kann dann der Geschäftsherr aufgrund seines Informationsvorsprungs Herrschaft über die Gefahrenquelle haben? Das Wissen beschränkt sich nicht auf einen einzigen Prozess oder auf das Mehrwissen eines einzelnen Mitarbeiters, sondern auf den gesamten Prozess der unternehmerischen Tätigkeit. Es ist nicht erforderlich, dass sich das Wissen bis ins kleinste Detail beim Geschäftsherrn verdichtet. Vielmehr führt das allseitige Zusammenführen der Informationen beim Geschäftsherrn dazu, dass er das gesamte Geschehen im Unternehmen besser beeinflussen kann, einen größeren Überblick hat und in Verbindung mit seinem Direktions- bzw. Anordnungsrecht entsprechend koordinieren kann. Sollten ihm die bekannten Informationen nicht genügen, so hat er jederzeit die Möglichkeit, den entsprechenden „Spezialisten“ zur Konkretisierung seines Wissens einzuschalten. Dieses überlegene Wissen verschafft durch die Organisationsstruktur die betriebliche Herrschaftsmacht, um gebotene Organisationsmaßnahmen zur Vermeidung von jeglichen betriebsbezogenen Gefahren zu treffen.849 Dazu ist freilich eine Einwirkungsbefugnis des Geschäftsherrn erforderlich. Denn ohne diese kann ein Mehrwissen keine Herrschaft begründen. Über diese Einwirkungsbefugnis verfügt der Geschäftsherr durch sein Weisungsrecht und seine Organisationsgewalt. Wenn nun den Geschäftsherrn die Pflicht trifft, aufgrund der Eröffnung des Betriebes die betriebsbezogenen Gefahren zu überwachen, da er Herrschaft über die Gefahrenquelle hat, so muss er auch die Straftaten Untergebener verhindern. Dies ist nicht aus der Einwirkungsmöglichkeit des Geschäftsherrn auf betriebliche Abläufe abzuleiten, sondern aus seiner unternehmensbezogenen Einwirkungspflicht. Der Geschäftsherr verfügt über eine hinreichende Grundlage, auch auf das Verhalten nachgeordneter Mitarbeiter einen gewissen Einfluss zu nehmen. Er hat dafür zu sorgen, dass sich aus dem Unternehmen herrührende Gefahren nicht zu Lasten der Rechtsgüter der Allgemeinheit realisieren. Kommt er dieser Pflicht wissentlich nicht nach, trifft ihn eine Garantenpflicht.

847

Schaub, Arbeitsrechts-Hdb., § 31 Rn. 31, 33. Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 102. 849 Im Ergebnis ebenso Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (56, 58); Schall, in: Deutsche Wiedervereinigung, Band III, S. 99 (111); Schünemann, a.a.O., S. 98 u. 101. 848

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Insbesondere Bosch spricht zwar auch von der Herrschaft über die Gefahrenquelle, will aber die Pflicht zur Überwachung auf eine rechtliche Zuständigkeit für diese stützen, die es dem Gefahrenquelleninhaber gestattet, andere aus dem eigenen Herrschaftsbereich auszuschließen. Die Pflicht zur Gefahrenminimierung bestehe unabhängig von einem „Wissens- und Wirkungsvorsprung“ oder einer „besonderen Einflussmacht“ des Zuständigen. Er hält also allein die Verantwortlichkeit für die Gefahrenquelle Betrieb für entscheidend. Soweit sich die Strafbarkeit des Untergebenen auf strukturelle Organisationsmängel zurückführen lasse, treffe den Vorgesetzten eine Aufsichts- und auch Abwendungspflicht, wenn sich tätigkeitstypische Risiken verwirklichen, für die eine originäre Zuständigkeit des Vorgesetzten besteht.850 Die Pflicht des Geschäftsherrn zur Gefahrenminimierung besteht gerade deshalb, weil er insbesondere Weisungsrecht und Organisationsgewalt hat. Beruft man sich aber allein auf die Verantwortlichkeit für die Gefahrenquelle, so ist es mehr als fraglich, ob sie ohne Einflussmöglichkeiten eine Garantenstellung begründen kann. Darüber hinaus ist es zweifelhaft, ob damit ein materieller Gesichtspunkt gefunden wird. Ist denn „Verantwortung“ nicht gleichbedeutend mit „Rechtspflicht“ im Sinne von § 13 Abs. 1 StGB?851 Das rechtliche Einstehenmüssen drückt ja gerade das Erfordernis einer Garantenstellung aus, wobei letztere lösgelöst von § 13 Abs. 1 StGB ermittelt werden muss. Wird aber nun auf die Verantwortung verwiesen, wird im Grunde dasselbe mit einem sinnverwandten Ausdruck noch einmal gesagt. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Gefahr der Herrschaft des Geschäftsherrn unterstellt ist und der Außenstehende deshalb erwarten darf, dass diese Gefahr nicht seiner Kontrolle entspringt.852 (4) Ob ein Ereignis als Gefahr zu werten ist, hängt nicht davon ab, ob die Gefahr von einer Person im Betrieb ausgeht oder von einer Sache, Einrichtung, Maschine o. ä., sondern davon, wie sie aus der Perspektive der Allgemeinheit zu beurteilen ist. Für einen außenstehenden Dritten wird es sich sowohl bei einer Straftat des Begehungstäters im Betrieb als auch einer betriebsbezogenen sachlichen Gefahr um eine Gefahr handeln. Es macht für ihn keinen Unterschied, ob nun die Gefahr von einem Mitarbeiter ausgeht (Personalgefahr), durch einen Mitarbeiter verursacht wurde (gemischt sachlich-personale Gefahr) oder aber von sich aus entstanden ist (Sachgefahr). Die Gesamtgefahrenquelle Betrieb muss daher einheitlich gesehen werden. (5) Im Einzelnen: Nach der hier vertretenen Auffassung muss der Geschäftsherr die Gesamtgefahrenquelle Betrieb bzw. seinen Organisationsbereich im Betrieb unter Kontrolle halten. Dies kann er aufgrund seines Weisungsrechts und seiner 850 Bosch, Organisationsverschulden, S. 218 f., 224; ähnlich Ransiek, AG 2010, 147 (149 f.). 851 Schünemann, in: Madrid-Symposium, S. 49 (53 ff.) weist zutreffend darauf hin, dass die Definition der besonderen Rechtspflicht beim unechten Unterlassungsdelikt durch die Sonderverantwortung auf eine nutzlose Tautologie hinausläuft. 852 Siehe Hsü, Garantenstellung des Betriebsinhabers, S. 148 f.

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Organisationsgewalt jeweils i.V.m. mit seinem Informationsvorsprung. Es macht nämlich keinen Unterschied, ob die Gefahr ausschließlich von der Sache selbst herrührt oder aber dadurch, dass ein Mitarbeiter die Gefahr herbeiführt, denn die Überwachergarantenpflicht bezweckt den Schutz der Rechtsgüter der Allgemeinheit. M.a.W. ist der Ursprung der Gefahr gleichgültig. Das Eigenverantwortlichkeitsprinzip kann seiner Definition853 zur Folge die Strafbarkeit des Geschäftsherrn für das Verhalten seiner Mitarbeiter ausschließen. Dies würde letztlich voraussetzen, dass – wie im Falle eines Erst- und Zweitschädigers – diese beziehungslos hintereinander geschaltet wären.854 Schließt man sich daran an, so werden die Besonderheiten eines Unternehmens nicht berücksichtigt. Wie bereits festgestellt, trifft die Geschäftsherren sowohl eine Legalitätspflicht als auch eine Legalitätskontrollpflicht.855 Sie müssen sich also selbst gesetzeskonform verhalten, aber auch dafür sorgen, dass die Mitarbeiter sich rechtmäßig verhalten. Letzteres können sie allerdings nur, wenn sie die Gefahren im Unternehmen beherrschen können. Als Organ des Unternehmens trifft sie eine solche Pflicht zur Gefahrenbeherrschung. Insbesondere wegen ihres Direktions- und Organisationsrechts sind sie in der Lage, dieser Pflicht nachzukommen. Als weiteres Argument dient der Umstand, dass der Geschäftsherr Mitarbeiter für sich arbeiten lässt und sie in die Arbeitsabläufe des Unternehmens eingliedert. Dies hat zwangsläufig zur Folge, dass der Geschäftsherr durch geeignete organisatorische Maßnahmen die Gefahren im Unternehmen beherrschen und bekämpfen muss.856 Folglich wird im Unternehmensbereich dem Geschäftsherrn nicht vorgeworfen, die Straftat des Untergebenen nicht verhindert zu haben, sondern die aus dem Unternehmen heraus entstandenen Gefahren entgegen seiner Verpflichtung nicht unterbunden zu haben. Der Geschäftsherr muss nicht die Straftat eines Mitarbeiters verhindern, sondern die betriebsbezogene Gefahr, die durch die Straftat verursacht wird, unterbinden. Der Mitarbeiter handelt auch in einem Betrieb eigenverantwortlich. Da aber der Geschäftsherr nur solche Gefahren zu bekämpfen hat, die aus der betrieblichen Tätigkeit herrühren, also etwa nur Straftaten des Mitarbeiters, die nicht nur bei Gelegenheit, sondern in Wahrnehmung betrieblicher Aufgaben begangen werden, kann die Garantenstellung des Geschäftsherrn nicht von der eigenverantwortlich begangenen Straftat des Mitarbeiters abhängig gemacht werden. Der Mitarbeiter handelt zwar immer noch eigenverantwortlich, der Geschäftsherr „solidarisiert“ sich aber mit der betriebsbezogenen Straftat. Es wurde zudem umfassend dargelegt, dass in diesem Zusammenhang weder die spezialgesetzlich ver-

853

Vgl. oben Teil 3, C. III. 6. g) bb). Mittelsdorf, ZIS, 2011, 123. 855 Teil 2, C. I. 856 Ähnlich Hellmann/Beckemper, Fälle, Rn. 552, der dadurch eine Straftatverhinderungspflicht des Geschäftsherrn kreiert. 854

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ankerten Normen (§§ 357 Abs. 1 Alt. 3 StGB, 41 WStG und 108 SeemG) noch § 130 OWiG gegen oder für eine Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn sprechen.857 Wenn darauf hingewiesen wird, dass die Weisungsbefugnis, die Organisationsgewalt und der überlegene Informationsfundus des Geschäftsherrn die Eigenverantwortlichkeit des Mitarbeiters nicht beseitigen kann,858 so muss hervorgehoben werden, dass die Eigenverantwortlichkeit des Mitarbeiters nicht beseitigt wird aber auch nicht beseitigt werden muss; denn die Garantenpflicht dient nicht dazu, „fremde Verantwortung zu beseitigen oder zu übernehmen und die fremde Nichtverantwortung zu ersetzen“.859 Trotz des eigenverantwortlichen Handelns des Mitarbeiters ist der Geschäftsherr verpflichtet, die betriebsbezogene Straftat zu verhindern. Und genau dies kann er nur deswegen, weil er weisungsbefugt ist, über Organisationsgewalt und einen überlegenen Informationsfundus verfügt. Anders als Ransiek, der auch davon ausgeht, dass es um die Eindämmung von Unternehmensgefahren geht, wird der Eigenverantwortungsgrundsatz nicht deshalb nicht berührt, weil sich dies aus dem Wortlaut („Erfolg“) des § 13 Abs. 1 StGB ergibt,860 sondern weil allgemein an Unternehmensgefahren angeknüpft wird. Dass das Wortlautargument Ransieks schon bei einer Strafbarkeit des Gehilfen versagt, wurde oben bereits näher dargelegt.861 Denn für den Gehilfen ist die vorsätzlich rechtswidrige Straftat des Begehungstäters der Erfolg und nicht der tatbestandliche Erfolg. Auch die Einwände von Spring und Beulke greifen nicht durch.862 Spring führt aus, dass bei Sachen und Tieren die Überwachungsbedürftigkeit daher rührt, „dass sie naturgemäß kein Bewusstsein besitzen, sich nicht selbst zwischen Recht und Unrecht entscheiden können und daher, wenn sie ihrer Art oder ihrem Zustand nach gefährlich sind, über kurz oder lang zwangsläufig zur Verletzung von Rechtsgütern Außenstehender führen würden“. Aus diesem Grund verlangt er bei Sachgefahren keinen materiellen Haftungsgrund, da dieser immer vorliegen wird. Nach Beulke muss der Inhaber der tatsächlichen Herrschaft über gefährliche Sachen und Anlagen diese schon deshalb überwachen, weil sein Eigentum bzw. sein Besitz Dritte regelmäßig von der Einwirkung auf die Gefahrenquelle ausschließt und er allein das nötige Wissen hinsichtlich Existenz und Intensität der Gefahr hat. Er untermauert dies mit folgendem Beispiel: „Wer an einem Haus vorübergeht, muss deshalb darauf vertrauen dürfen, dass sich nicht in diesem Moment ein Dachziegel löst und ihm auf 857

Vgl. oben Teil 3, C. III. 6. g) bb), (1) und (2). Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, § 13 Rn. 35a; Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981 (989 f.); Ransiek, AG 2010, 147 (150). 859 Vgl. Hsü, Garantenstellung des Betriebsinhabers, S. 163. 860 Vgl. Ransiek, AG 2010, 147 (150); ebenso Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (54 f.); Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981 (990). 861 Vgl. oben Teil 3, C. III. 6. d) bb). 862 Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 216 ff.; ders., GA 2010, 222 (224 ff.); Beulke, in: FS Geppert, 2011, S. 23 (33 ff.). 858

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Teil 5: Die Garantenstellung des CO

den Kopf fällt.“ Anders sei es nach beiden Autoren aber bei Menschen. Diese seien mit Bewusstsein ausgestattet und könnten ihr Verhalten so gestalten, dass sie andere damit nicht schädigen. Da also das menschliche Handeln in der Regel willensgetragen ist, bedürfe es nicht der Überwachung durch Dritte. Neben der handelnden Person einen „Aufpasser“ mit Handlungspflichten gemäß § 13 Abs. 1 StGB zu belegen, sei nur dort gerechtfertigt, wo die Gefahr nicht allein vom Handelnden ausgeht, sondern das Maß der Gefährdung Dritter allein oder zugleich vom Garanten bestimmt werde. Dies sei auch wegen dem Autonomieprinzip ausgeschlossen.863 Diese Einwände sind völlig berechtigt, möchte man eine Garantenstellung aus personaler Herrschaft begründen. Richtig ist auch, dass zwischen Garanten für Sachgefahren und Aufsichtsgaranten unterschiedliche materielle Legitimationsgrundlagen gelten. Betrachtet man den von Beulke gebildeten Beispielsfall zur Untermauerung der Überwachungspflicht des Eigentümers/Besitzers von gefährlichen Sachen und Anlagen, so verdient er freilich Zustimmung. Er geht vom Vertrauen-Dürfen eines an einem Haus vorbeigehenden Menschen aus, dass sich nicht ein Dachziegel löst und ihm auf den Kopf fällt. Wegen dieses Vertrauen-Dürfens muss also der Hauseigentümer/-besitzer sein Haus so überwachen, dass keine Dachziegel auf Außenstehende herabfallen. Diese Einwände sprechen aber nicht gegen die hier vertretene Auffassung. Sach- und Personalgefahren lassen sich voneinander trennen. Die Existenz einer Verantwortung aus der Herrschaft über sachliche Gefahrenquellen und der Verantwortung für rechtswidriges Verhalten Dritter wird nicht geleugnet. Nur muss eine Differenzierung im Unternehmen deshalb unterbleiben, weil es für den Außenstehenden irrelevant ist, woher die Gefahr im Unternehmen herrührt. Von Relevanz ist lediglich, dass es sich um eine betriebsbezogene Gefahr handelt. Daher ist der Geschäftsherr kein „Aufpasser“ der handelnden Person, sondern „Überwacher des Gesamtbetriebs bzw. seines Organisationsbereichs“. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Geschäftsherr durch sein Weisungsrecht und seine Organisationsgewalt jeweils i.V.m. dem überlegenen Informationsfundus den Gefahrenherd Betrieb beherrscht. Ein Verstoß gegen den Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz liegt nicht vor.

III. Der Betrieb bzw. die Organisation der Gesellschaft als Gefahrenquelle? Nun stellt sich jedoch die Frage, ob sich der Betrieb mit seinen sachlichen und personalen Ressourcen als Gefahrenquelle begreifen lässt. In der gesellschaftsrechtlichen Literatur findet sich hierzu die Meinung, dass die Organisationsstruktur einer Gesellschaft nicht als eine Gefahrenquelle angesehen werden könne, da sie 863

S. 35.

Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 217; ders., GA 2010, 222 (224); Beulke, a.a.O.,

B. Die Geschäftsherrenhaftung

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lediglich die Systematisierung der Gefahrenabwehr sei.864 Schünemann, und ihm zustimmend Gimbernat, halten es „mit dem normalen Sprachgebrauch“ für „schwer vereinbar, einen Arbeitnehmer als eine „Gefahrenquelle“ anzusprechen, die der Vorgesetzte zu überwachen hat“.865 Roxin dagegen vertritt die gegensätzliche Auffassung und führt aus, dass die Bezeichnung eines Mitarbeiters als „Gefahrenquelle“ durchaus möglich sei, „soweit die Gegebenheiten des jeweiligen Betriebes die Gefahr einer Begehung entsprechender Straftaten mit sich bringen“.866 Ebenso findet Schall eine solche Bezeichnung des Arbeitnehmers mit dem normalen Sprachgebrauch vereinbar und legt dar, dass „derartige Arbeitnehmer, die durch ihren übereifrigen und kriminellen Einsatz potentielle oder tatsächliche Kunden des Betriebes verletzen oder schädigen und damit letztlich auch dem Betrieb selbst schaden“.867 Blickt man auf die spezialgesetzlichen Normen wie §§ 64a VAG, 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpHG, 25a KWG, aber auch auf Ziffer 4.1.3 DCGK, so wird eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation zwingend vorschrieben. Für den Vorstand einer Aktiengesellschaft ist zwar eine eigenständige Compliance-Pflicht aus diesen Vorschriften mangels verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedankens nicht abzuleiten. Jedoch trifft die Vorstandsmitglieder eine Compliance-Pflicht aus § 93 Abs. 1 S. 1 AktG unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit, wobei deren nähere Ausformung in ihrem unternehmerischen Ermessen liegt.868 Wird nun beispielsweise Wertpapierdienstleistungsunternehmen eine spezialgesetzliche Organisationspflicht auferlegt (§ 33 WpHG), so beruht dies nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes darauf, dass durch die Organisationspflichten eine Schädigung des Kunden durch das Wertpapierdienstleistungsunternehmen verhindert werden soll.869 Dies gilt im Finanzsektor deshalb, weil im Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Interessen des Kunden und die des Unternehmens in der Regel auseinandergehen werden.870 Aus diesem Interessenkonflikt resultieren Risiken, also Gefahren für den Kunden, sodass der Betrieb bzw. die Organisation eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens samt seiner Mitarbeiter als eine Gefahrenquelle angesehen werden muss, während der Vorstand diese Gefahrenquelle zum Schutze der Kunden durch Organisation der Betriebsabläufe unter Kontrolle halten muss. Folglich kön-

864

(426).

Vgl. Weber, Diskussionsbericht zum ZHR-Symposion 2011, ZHR 175 (2011), S. 425

865 Schünemann, wistra 1982, 41 (43); Gimbernat, in: FS Roxin, 2001, S. 651 (661 f.); ebenso Mosbacher/Dierlamm, NStZ 2010, 268 (269): „Betriebsmitarbeiter normal agierender Unternehmen als Gefahrenquelle ähnlich derartigen gefährlichen Anlagen zu begreifen, fällt schon nicht leicht (sofern keine konkreten Anhaltspunkte für massive und regelmäßige Straftaten aus dem Betrieb heraus bestehen)“. 866 Roxin, AT II, § 32 Rn. 139. 867 Schall, in: FS Rudolphi, 2004, S. 267 (276). 868 Vgl. oben Teil 2, C. I. und II. 869 BT-Drucks. 12/7918, S. 105. 870 BT-Drucks. 12/7918, S. 105; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rn. 52.

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Teil 5: Die Garantenstellung des CO

nen in einem solchen Unternehmen sowohl sachliche als auch personale Gefahrenquellen als solche bezeichnet werden. Fraglich ist, ob das Gesagte auch in einem Wirtschaftsunternehmen Geltung beansprucht. Einen ähnlichen Interessenkonflikt wie in einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen wird man in den meisten Wirtschaftsunternehmen nicht finden, wobei dies von mehreren Faktoren abhängig ist. Daher muss eine Übertragung der Argumentation auf andere Wirtschaftsunternehmen unterbleiben. Allerdings wird beinahe in jedem anderem Wirtschaftsunternehmen Folgendes der Fall sein: Wie bereits erörtert,871 ist die Arbeitsteilung in einem modernen Wirtschaftsunternehmen unerlässlich. Diese sorgt nicht nur für bessere Produktivität, für die Arbeitsentlastung des Geschäftsherrn und die Ermöglichung der Heranziehung von Spezialisten, sondern trägt u. a. dazu bei, dass die Gefahren im Unternehmen besser überwacht werden. Daher ist in der Literatur auch zutreffend davon die Rede, dass die Organisationsstruktur einer Gesellschaft die Systematisierung der Gefahrenabwehr ist. Andererseits bergen aber solche Organisationen auch Gefahren, sowohl für Rechtsgüter des Unternehmens als auch für die der Kunden, Wettbewerber, Lieferanten etc. Anders als in einem Ein-Mann-Unternehmen kommt es in Unternehmen, die auf Arbeitsteilung setzen und setzen müssen, in der Regel zu Fallkonstellationen, in denen die Wissensaufspaltung innerhalb der Organisation dazu führt, dass Rechtsgüter Außenstehender gefährdet bzw. verletzt werden.872 Schmidt-Salzer873 spricht diesbezüglich zutreffend von „gruppendynamischen Verdrängungsprozessen“, die zur Folge haben, dass sich der Einzelne für Vorgänge innerhalb der Organisation nicht mehr persönlich verantwortlich fühlt, sondern im Großen und Ganzen bewusst einem anderen Mitwirkenden die Verantwortung für bestimmte Vorgänge zuschreibt.874 Die Schwierigkeiten im Rahmen des Informationsflusses, der Kommunikation und der Verdrängungsprozesse bergen daher für außenstehende Dritte das Risiko, in ihren Rechtsgütern verletzt zu werden. Sie dulden diese Tätigkeiten aufgrund der Erwartung, es werde im Unternehmen entsprechende Schutzvorkehrung getroffen werden. Aus diesem Grund hat der Geschäftsherr bei der Delegation der Aufgaben immer noch eine Auswahl-, Aufsichts- und Kontrollpflicht, aber auch eine Informationspflicht. Damit soll gesichert werden, dass ein arbeitsteilig hergestelltes Produkt dieselben Sicherheitsgarantien für die Güter außenstehender Dritter bietet, die ohne Aufteilung auf mehrere Personen einzuhalten wären.875 Die im Unternehmen bestehenden Fehlerquellen und die Vielzahl der Personen sprechen eindeutig dafür, dass der Betrieb mit seiner Organisation für die Rechtsgüter des Außenstehenden eine Gefahrenquelle darstellt.

871 872 873 874 875

Vgl. oben Teil 2, D. VI. Vgl. Dannecker, in: Amelung, Individuelle Verantwortung, S. 209 (212). Schmidt-Salzer, Produkthaftung, Rn. 1.173. Dannecker, in: Amelung, Individuelle Verantwortung, S. 209 (212). Vgl. Dannecker, a.a.O., S. 217; Bock, Compliance, S. 603.

B. Die Geschäftsherrenhaftung

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Dies ist auch nur konsequent. Wenn die gesellschaftsrechtliche Literatur die Organisationsstruktur als eine Systematisierung der Gefahrenabwehr qualifiziert, dann versteht es sich von selbst, dass Gefahren nur dann abgewehrt werden müssen, wenn solche da sind oder da sein können. Wenn es nun – wie bereits dargelegt – keine Rolle spielt, ob die Gefahr von einer Sache oder von einer in die Organisation eingegliederten Person ausgeht, kann auch der Mitarbeiter als „Teil der Organisation“ als „Gefahrenquelle“ bezeichnet werden.

IV. Reichweite der Garantenpflicht des Geschäftsherrn Einigkeit besteht jedenfalls darin, dass sich die Pflicht des Geschäftsherrn, die Gefahrenquelle Betrieb zu überwachen, nur auf die Verhinderung „betriebsbezogener“ Straftaten erstreckt.876 Die Straftat muss aus der Gefahrenquelle Betrieb resultieren. Das ist nach der überwiegenden Meinung dann der Fall, wenn „der Untergebene die Straftat – auch ohne Verwendung gefährlicher betrieblicher Gegenstände – unter Ausnutzung der tatsächlichen und rechtlichen Wirkungsmöglichkeiten begeht, die ihm seine Beschäftigung im Betrieb bietet“.877 Bei Exzesstaten, also bei Taten, die nur bei Gelegenheit und nicht in Ausübung der beruflichen Tätigkeiten begangen werden, handelt es sich nicht um betriebsbezogene Straftaten.878 Problematisch und umstritten ist, ob die Garantenpflicht auf spezifische Gefahren begrenzt werden muss oder ob auch unspezifische Gefahren erfasst werden. Als spezifische Gefahren werden etwa Gefahren für die Umwelt genannt, die von einem großen Chemieunternehmen ausgehen. Einschränkend wird zum Teil gefordert, dass die Garantenpflicht nur darauf abzielen könne, „aus der Eigenart bestimmter Betriebe und Produktionsprozesse herrührende besondere Bedrohungspotentiale, also betriebstypische Gefahren, unter Kontrolle zu halten“.879 Ansonsten sei zu befürchten, dass grundsätzlich eine strafbewehrte Generalverantwortung des Geschäftsherrn für betriebliche Gesetzesverstöße bestünde, „sofern sie sich nur irgendwie zugunsten der Organisation niederschlagen“. Es widerspreche hergebrachten Grundsätzen der Unterlassungshaftung, aus typischen Allgemeingefahren, die Produkt allgemein gesellschaftlicher 876

BGH NJW 2012, 1237. Wohlers, in: NK-StGB, § 13 Rn. 53; Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (56); Schall, in: FS Rudolphi, 2004, S. 267 (282); ähnlich Stree, in: Sch/Sch-StGB, 27. Auflage 2006, § 13 Rn. 52; a.A.: Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 238 f.; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 104 f.; Rogall, ZStW 98 (1986), 573 (604 f. u. 618 f.); Göhler, in: FS Dreher, 1977, S. 611 (621); Landscheidt, Garantenpflichten, S. 115 f.; Bottke, Haftung, S. 69; Thiemann, Aufsichtspflichtverletzung, S. 18 f.; Bosch, Organisationsverschulden, S. 224. 878 Vgl. statt aller: Schünemann, a.a.O., S. 22 ff., 27 u. 105 f. 879 Bosch, Organisationsverschulden, S. 191 f.; Heine, Verantwortlichkeit, S. 120; Jakobs, AT, 29/34; Jescheck, in: LK-StGB, Band 1, 11. Auflage, § 13 Rn. 45; Kretschmer, JR 2009, 471 (477); Otto, JURA 1998, 409 (411); Roxin, AT II, § 32 Rn. 139; Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, § 13 Rn. 35a; Weigend, in: LK-StGB, Band 1, 12. Auflage, § 13 Rn. 56. 877

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Teil 5: Die Garantenstellung des CO

Entwicklung seien, eine gesteigerte strafrechtliche Verantwortung abzuleiten. Erforderlich seien spezielle Risiken, um eine haftungsbegründende Garantenstellung anzunehmen.880 Ebenso verlangen Mosbacher und Dierlamm, dass zur normalen Geschäftstätigkeit besondere Umstände hinzukommen müssen. Geschäftsherren sind demnach nur dann Garanten, „wenn besondere Umstände die Annahme nahe legen, dass gerade auf Grund der Besonderheit des Betriebes, der Personen oder ihrer betriebsbezogenen Tätigkeit besondere Gefahren für Rechtsgüter anderer ausgehen“.881 Brammsen will erst dann eine Pflicht des Geschäftsherrn zum Eingreifen annehmen, wenn es sich um die Verletzung elementarer Rechtsgüter wie Leib, Leben oder Freiheit der Willensbetätigung und -entschließung handelt.882 Andere dagegen sehen in jedem Geschäftsbetrieb per se einen Gefahrenherd. Als Hauptargument wird auf die Eröffnung bzw. auf das Betreiben eines Betriebes verwiesen: „Als Kehrseite der Freiheit, einen Betrieb zu eröffnen/zu betreiben, muss der Geschäftsherr die Gefahren, die von dem konkret eröffneten Betrieb ausgehen, kontrollieren und nicht nur die Gefahren, die von besonders gefährlichen Betrieben ausgehen.“883 Ransiek führt aus, dass sich die Überwachungspflichten nach § 13 StGB auf sämtliche Gefahren beziehen, die Rechtgütern Dritter aus der unternehmerischen Tätigkeit drohen. Der Verpflichtete habe dafür zu sorgen, dass sich keine (rechtswidrigen) Gefahren aus dem Betrieb des Unternehmens realisieren.884 Der Auffassung, die eine Begrenzung der Garantenpflicht des Geschäftsherrn auf spezifische betriebliche Gefahren fordert, muss die Gefolgschaft verweigert werden. Es ist schon höchst fraglich, ob sich eine solche Differenzierung in spezifische und unspezifische Gefahren überhaupt in die Praxis transformieren lässt. Wohnt nicht jeder betrieblichen Tätigkeit, die auf ein arbeitsteiliges Zusammenwirken beruht, eine gewisse „besondere“ Gefahr inne? Wo und wann handelt es sich um eine unspezifische allgemeine Gefahr und wann um eine spezifische besondere Gefahr, die aus der Eigenart des Betriebes herrührt?885 Das fragwürdige Kriterium ist nicht praktikabel, weil es letztlich einzelfallabhängig ist, ob sich auch tatsächlich eine Gefahr realisiert hat, die aus der Eigenart des Betriebes folgt. Schon aus diesem Grund kann eine solche Begrenzung nach der hier vertretenen Auffassung nicht erfolgen.

880

Heine, a.a.O. Mosbacher/Dierlamm, NStZ 2010, 268 (269). 882 Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 277. 883 Bottke, Haftung, S. 26 ff. u. 58 f.; Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981 (991); Freund, Erfolgsdelikt, S. 168 f. und 177; Mittelsdorf, ZIS 2011, 123 (126); Ransiek, AG 2010, 147 (151); ders., Unternehmensstrafrecht, S. 36; Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (56); Schall, in: FS Rudolphi, 2004, S. 267 (276); Stree, in: Sch/Sch-StGB, 27. Auflage 2006, § 13 Rn. 52; Wohlers, in: NK-StGB, § 13 Rn. 53. 884 Ransiek, a.a.O. 885 Vgl. zu dieser Problematik auch oben Teil 3, C. III. 6. c) bb). 881

B. Die Geschäftsherrenhaftung

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Vielmehr ist jeder Geschäftsbetrieb per se als Gefahrenquelle anzusehen. Denn für den außenstehenden Dritten, und nur darauf kommt es an, spielt es keine Rolle, ob die Gefahr aus der Eigenart des Betriebes herrührt, aus der Eigenart einer Sache, Maschine oder Einrichtung oder aus dem sorgfaltswidrigen oder vorsätzlichen Fehlverhalten eines Mitarbeiters. Er hat keinen Einblick in die Gefahrenpotentiale im Unternehmen und kann daher etwaige Straftaten der im Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter nicht verhindern. Er kann nur hoffen, dass der Geschäftsherr die aus der Gefahrenquelle Betrieb resultierenden Gefahren entschärft. Denn selbst handeln kann der außenstehende Dritte nicht. Er muss die fremde Herrschaftssphäre respektieren und darf nicht auf die in einem solchen Bereich liegenden Gefahrenquellen einwirken.886 Wer als Geschäftsherr eines Unternehmens seiner Freiheitsentfaltung die Grundlage gibt, hat diese Freiheit so auszuüben, dass sich die Gefahren für außenstehende Dritte in passablem Rahmen halten.887 Der Hinweis auf eine strafbewehrte Generalverantwortung des Geschäftsherrn verfängt ebenso nicht. Es wird keine gesteigerte strafrechtliche Verantwortung aus typischen Allgemeingefahren abgeleitet. Der Geschäftsherr ist nicht für das Verhalten des Mitarbeiters in jeglicher Hinsicht verantwortlich. Vielmehr erfolgt eine Beschränkung auf betriebsbezogene Pflichten. Sein Weisungsrecht, seine Organisationsgewalt jeweils i.V.m. seinem Informationsvorsprung, und die Eingliederung des Mitarbeiters in die Arbeitsabläufe machen es erforderlich, dass der Geschäftsherr die betriebsbezogene Straftat des Mitarbeiters verhindert. Als Ausgleich für diese dem Geschäftsherrn eingeräumte Herrschaft über den Betrieb bzw. die Organisation ist es nur sachgerecht, dass er Gefahren, die aus dem Betrieb heraus herrühren, kontrolliert und seinen Herrschaftsbereich entsprechend absichert. Von einer generellen Verantwortung kann dabei nicht gesprochen werden.888 Überdies kann der Hinweis auf eine strafbewehrte Generalverantwortung deshalb nicht überzeugen, weil für eine Unterlassungsstrafbarkeit weitere Tatbestandsvoraussetzungen, wie etwa die Quasikausalität, die physisch-reale Handlungsmöglichkeit aber auch der Vorsatz gegeben sein müssten. Vor allem der Vorsatz begrenzt die Verantwortlichkeit des Geschäftsherrn stark, da die vorsätzliche Nichtverhinderung einer Straftat des Untergebenen nur ausnahmsweise vorkommen wird. In den meisten Fällen wird der Geschäftsherr seiner Pflicht nur fahrlässig nicht nachkommen. Der Vorwurf der Verwirklichung eines fahrlässigen unechten Unterlassungsdelikts setzt aber voraus, dass das verursachte Delikt auch fahrlässig begehbar ist. So sind etwa Vermögensund Korruptionsdelikte nicht fahrlässig begehbar.889 Aus diesen Gründen kann von einer strafbewehrten Generalverantwortlichkeit des Geschäftsherrn nicht die Rede sein. 886 Wessels/Beulke, AT, Rn. 723; Schall, in: FS Rudolphi, 2004, S. 267 (277); Schünemann, Grund und Grenzen, S. 290. 887 Freund, Erfolgsdelikt, S. 177. 888 Ebenso Hellmann/Beckemper, Fälle, Rn. 552. 889 Siehe hierzu ausführlich Kraft/Winkler, CCZ 2009, 29 (33); Kraft, wistra 2010, 81 (85).

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Teil 5: Die Garantenstellung des CO

V. Zwischenfazit Als Zwischenergebnis kann Folgendes festgehalten werden: Weder die personale Herrschaft noch die Kombinationstheorie können die Geschäftsherrenhaftung überzeugend begründen. Das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit spricht gegen eine Aufsichtsgarantenstellung des Geschäftsherrn. Die Kombinationslehre versagt deshalb, weil von einer Untrennbarkeit zwischen Sach- und Personalgefahren nicht die Rede sein kann. Der für sachliche Gefahrenquellen entwickelte Ansatz kann nicht ohne weiteres auf personale Gefahrenquellen übertragen werden, da Menschen eben keine Sachen sind und deshalb mit Bewusstsein und Verstand ausgestattet sind. Es kommt aber die Herrschaft über eine Gefahrenquelle als Auslöser der Garantenstellung in Betracht. Als Gegenwert für die rechtliche Zubilligung eines Unternehmens muss der Geschäftsherr durch Anweisungen und Kontrollen die betriebsbezogene Gefahrenquelle überwachen und dadurch die Gefährdung der Rechtsgüter der Allgemeinheit verhindern. Die Herrschaft über die Gefahrenquelle Betrieb übt der Geschäftsherr durch sein Weisungsrecht und seine Organisationsgewalt jeweils i.V.m. seinem Informationsvorsprung aus. Dadurch ist er in der Lage, die Gefahren im Unternehmen angemessen zu koordinieren und auf ein Minimum zu reduzieren. Für den außenstehenden Dritten spielt es keine Rolle, ob die Gefahr durch ein menschliches Zutun verursacht wird oder ob sie von selbst entstanden ist. Für ihn handelt es sich um eine Gefahr, die aus dem Unternehmen heraus entstanden ist. Da die Überwachergarantenstellung dem Schutz der Rechtsgüter der Allgemeinheit dient, kommt es nur auf diese Sichtweise an. Eine Differenzierung der beiden Gefahrenarten muss daher unterlassen bleiben. Die eigenverantwortlich begangene Straftat des Untergebenen ist für die Bestimmung der Garantenstellung deshalb ohne Bedeutung, weil er nur betriebsbezogene Gefahren unterbinden muss, ohne dass es auf eine zwischenmenschliche Beziehung ankommt. Darunter sind solche Gefahren zu verstehen, die unter Ausnutzung der tatsächlichen und rechtlichen Wirkungsmöglichkeiten des Unternehmens begangen werden. Ausgenommen werden sogenannte Exzesstaten. Die Geschäftsleiter trifft als Organ des Unternehmens die Pflicht der Gefahrenbeherrschung. Hinzu kommt, dass sie die Tätigkeit der Mitarbeiter in Anspruch nehmen und in die Arbeitsabläufe eingliedern. Dies verpflichtet die Geschäftsherren, organisatorische Maßnahmen zur Eindämmung der Gefahren zu ergreifen. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, so „solidarisieren“ sie sich mit der durch den Mitarbeiter eigenverantwortlich begangenen Straftat. Der Betrieb bzw. die Organisation des Betriebes ist deshalb als eine Gefahrenquelle einzuschätzen, weil das Phänomen der Arbeitsteilung in modernen Wirtschaftsunternehmen Gefahren für Rechtsgüter des Unternehmens wie auch für die Allgemeinheit in sich birgt. Dies gilt nicht nur bei spezifischen Gefahren, sondern der Geschäftsbetrieb ist per se als Gefahrenquelle zu sehen. Einerseits wäre eine solche Begrenzung in der Praxis nicht praktikabel. Andererseits sind in einem Betrieb alle Gefahren zu kontrollieren und nicht nur solche, die von besonders gefährlichen

C. Möglichkeit der strafrechtlichen Delegation der Garantenpflicht auf den CO

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Betrieben ausgehen. Denn für den außenstehenden Dritten macht es keinen Unterschied, ob die Gefahr deshalb entstanden ist, weil es sich um einen besonders gefährlichen Betrieb handelt oder nicht. Von einer Generalverantwortlichkeit des Geschäftsherrn kann nicht die Rede sein, da eine Begrenzung auf betriebsbezogene Gefahren erfolgt und für eine Unterlassungsstrafbarkeit das Vorliegen weiterer Tatbestandsmerkmale erforderlich sind.

C. Möglichkeit der strafrechtlichen Delegation der Garantenpflicht auf den CO I. Allgemein Die Geschäftsherrenhaftung ist zu bejahen. Die zweite Vorfrage ist nun, ob der für Compliance-Aufgaben primär verantwortliche Geschäftsherr diese Pflichten auf den CO delegieren kann. Im Grunde geht es darum, ob die strafrechtliche Geschäftsherrenhaftung auf den CO übertragen und von diesem tatsächlich übernommen werden kann. Dass im Unternehmensbereich eine vertikale Aufgabendelegation typisch ist, wurde bereits oben thematisiert. Aspekte wie die Arbeitsentlastung des Geschäftsherrn durch Arbeitsteilung, die Ermöglichung der Heranziehung von Spezialisten aber auch Zumutbarkeitsgesichtspunkte begründen die Zulässigkeit der innerbetrieblichen Delegation von Aufgaben an untergeordnete Mitarbeiter.890 Die Delegation von Pflichten ist nicht nur möglich, sondern regelmäßig auch unumgänglich und im Interesse des Rechtsgüterschutzes sogar geboten.891 Gezeigt wurde jedoch nur die zivil- bzw. gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit der vertikalen Delegation. Allerdings darf sich das Strafrecht den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben nicht verschließen. Dies ergibt sich aus der Einheit der Rechtsordnung. Das BVerfG geht davon aus, dass das Recht nicht mit der Gesamtheit der geschriebenen Gesetze identisch sei, sondern seine Quelle in der Rechtsordnung als einem Sinnganzen finde; es zu finden und in Entscheidungen zu verwirklichen, sei Aufgabe der Gerichte.892 Insofern ist auch die strafrechtliche Zulässigkeit der vertikalen Delegation unbedenklich.893 Nicht nur die Aufsichtspflichtverletzung nach § 130 OWiG und die Vertreterhaftung nach §§ 14 StGB, 9 OWiG spiegeln die strafrechtliche Zulässigkeit der Delegation von Pflichten wider, sondern auch § 831 BGB.

890

Vgl. oben Teil 2, D. VI. und D. VIII. 2. a). Dannecker, in: Amelung, Individuelle Verantwortung, S. 209 (222 f.). 892 BVerfGE 34, 287. 893 Vgl. BayObLG wistra 1993, 236 (238); OLG Düsseldorf NStZ 2002, 178; Bock, Compliance, S. 679. 891

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Teil 5: Die Garantenstellung des CO

Bei Compliance handelt es sich um Leitungsaufgaben, denen sich der Geschäftsherr nicht vollständig entledigen darf.894 Die grundsätzliche Zulässigkeit ist inhaltlich begrenzt durch die organschaftlichen Mindestzuständigkeiten. Im strafrechtlichen Sinne bedeutet dies, dass der Geschäftsherr seine strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht allgemein auf den CO übertragen kann. Den Geschäftsherrn treffen weiterhin die Auswahl-, Anweisungs-, Organisations-, sowie Überwachungsund Eingriffspflichten.895

II. Die Bedeutung des Dienstvertrages bzw. der Stellenbeschreibung Da es kein typisches Berufsbild des CO gibt, wurde in Frage gestellt, ob den CO „regelmäßig“ eine Pflicht trifft, Straftaten Unternehmensangehöriger zu verhindern.896 Genau aus diesen Gründen kommt der Stellenbeschreibung bzw. dem Dienstvertrag eine herausragende Bedeutung zu. Hier kann ausdrücklich geregelt werden, welche konkreten Aufgaben auf den einzelnen CO übertragen werden sollen. Ob die Straftatverhinderungspflicht ebenso delegiert und übernommen wird, kann mithilfe der Stellenbeschreibung oder des Dienstvertrages bestimmt werden. Die Pflichten des CO können aber nicht weiter reichen als seine Rechte. Folgerichtig ist der Inhalt der Garantenpflicht abhängig von der Ausgestaltung des Dienstvertrages oder der Stellenbeschreibung.897 Fehlt allerdings eine Stellenbeschreibung und werden im Dienstvertrag die Aufgaben des CO nicht konkretisiert, was in kleineren und mittelgroßen Unternehmen häufig der Fall ist, kann daraus noch nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, die Delegation der Geschäftsherrenhaftung sei unterblieben. Vielmehr kann sich aus den Umständen des Falles ergeben, dass dem CO gleichwohl die Garantenpflicht übertragen und von ihm übernommen wurde, auch wenn dies nicht schriftlich festgehalten wurde.898

D. Übernahmegarantenstellung des CO Die Geschäftsherrenhaftung ist zu bejahen und die strafrechtliche Delegation der Garantenpflicht auf den CO ist möglich. Damit sind nun beide Vorfragen geklärt. Nun ist der entscheidenden Frage nachzugehen, ob den CO durch die Übernahme der 894 895 896 897 898

Wie bereits in aller Ausführlichkeit erörtert, siehe oben Teil 2, D. VIII. 2. a). Vgl. oben Teil 2, D. VIII. 2. a). Vgl. oben Teil 2, E. IV. 1. und 2. Siehe hierzu Rönnau, Symposium CO, S. 12. Rieder, in: FS Goette, 2011, S. 413 (420).

D. Übernahmegarantenstellung des CO

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Compliance-Pflichten eine Garantenstellung trifft. War bisher von der Delegation der Compliance-Pflichten die Rede, so ist das systematische Gegenstück899 dazu die Übernahme dieser Pflichten. Zutreffend wird hier von verschiedenen Seiten einer Medaille900 bzw. davon gesprochen, dass die Betrachtung der „Garantieverlagerung“901 aus der Perspektive des einen und des anderen Beteiligten erfolgt.

I. Garantenstellung aufgrund freiwilliger Übernahme im Allgemeinen 1. Darstellung Es ist allgemein anerkannt, dass man durch freiwillige ausdrückliche oder konkludente Übernahme von Schutz- oder Überwachungsfunktionen einem Individuum oder der Allgemeinheit gegenüber zum Garanten werden kann.902 Auch wenn in den meisten Lehrbüchern bzw. Kommentaren die Garantenstellung aus Übernahme im Rahmen der Übernahme einer Schutzfunktion genannt wird, besteht eine solche Garantenstellung auch bei der Übernahme einer Überwachungsfunktion.903 Die Garantenstellung aus Übernahme ist im Grunde die Weiterentwicklung der im Rahmen der formellen Rechtsquellenlehre ins Leben gerufenen Garantenpflicht aus Vertrag.904 Da die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertrags zur Begründung einer Garantenstellung keine Rolle spielt,905 kommt es auf die tatsächliche Übernahme der Pflicht an. So merkt der 5. Senat in der hier relevanten Entscheidung an, dass die Übernahme von Überwachungs- und Schutzpflichten auch durch einen Dienstvertrag erfolgen kann, weist dann aber zutreffend im nächsten Satz darauf hin, dass hierfür der bloße Vertragsschluss nicht ausreicht, sondern die tatsächliche Übernahme des Pflichtenkreises maßgeblich ist. Die Schutz- und/oder Überwachungsfunktionen können auch von einem bereits vorhandenen Garanten übernommen werden. Es handelt sich dann um eine derivativ 899

So zutreffend Schünemann, Grund und Grenzen, S. 345 Fn. 82. Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 159. 901 Sangenstedt, Garantenstellung, S. 440. 902 BGHSt 7, 211 (212); BGHSt 47, 224 (229 ff.); Blei, in: FS H. Mayer, 1965, S. 119 (121 f.); Jakobs, AT, 29/46; Maiwald, JuS 1981, 473, (481); Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 92 ff.; Rudolphi, NStZ 1984, 149 (151 f); Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, § 13 Rn. 45a; Stree, in: FS H. Mayer, 1965, S. 145 (155 ff.); ders., in: Sch/Sch-StGB, 27. Auflage 2006, § 13 Rn. 26; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 344 ff.; Weigend, in: LK-StGB, Band 1, 12. Auflage, § 13 Rn. 34; Meurer, AT, S. 188. 903 OLG Celle NJW 1961, 1939 (1940); Rudolphi/Stein, a.a.O., § 13 Rn. 63; Neudecker, a.a.O., S. 92; Weigend, a.a.O., § 13 Rn. 34. 904 RGSt 58, 130 (132); 64, 273 (277); Blei, in: FS H. Mayer, 1965, S. 119 (121); Neudecker, a.a.O., S. 92 f.; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 335; ders., ZStW 96 (1984) 308; Stree, in: FS Mayer, 1965, S. 145 (150 f.). 905 Vgl. oben Teil 4, B. I. 900

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Teil 5: Die Garantenstellung des CO

erworbene Garantenstellung, also um eine solche, die durch die Ableitung der Herrschaft von einem vorherigen Garanten erworben wird.906 2. Stellungnahme Die Übernahme ist das systematische Gegenstück der Delegation. Das bedeutet vor allem, dass erstere ohne letztere nicht existieren kann. Für das tatsächliche Element der Übernahmegarantenstellung kommt es daher nicht allein auf die tatsächliche Übernahme an, sondern es gilt beide Betrachtungswinkel gleichermaßen zu berücksichtigen. Während nämlich die eine Seite (der Geschäftsherr) die Aufgaben delegiert, werden eben diese Aufgaben von der anderen Seite (Mitarbeiter) übernommen. Weder die Perspektive des Delegierenden ist demnach maßgebend, noch die des Übernehmenden, sondern beide „Gesichtshälften“ müssen entscheidungserheblich sein. Es muss also ein beidseitiges Einvernehmen über die Delegation und Übernahme der Aufgaben vorliegen, damit das tatsächliche Element der Übernahmegarantenstellung bejaht werden kann. Zur „Materialisierung“ dieser Garantenstellung wird von der h.M. das Bestehen eines besonderen Vertrauensverhältnisses verlangt.907 So setzt auch der 5. Senat des BGH voraus, dass zur Übertragung von Pflichten regelmäßig ein besonderes Vertrauensverhältnis hinzutreten muss, das den Übertragenden dazu veranlasst, dem Verpflichteten besondere Schutzpflichten zu überantworten.908 Andere dagegen halten bereits die Zusage des Übernehmenden für ausreichend und verzichten auf ein besonderes Vertrauensverhältnis.909 Nachfolgend soll daher näher untersucht werden, worin der materielle Grund der Übernahmegarantenstellung bei der vertikalen Delegation von Aufgaben im Unternehmen zu sehen ist.

906

Jakobs, AT, 29/52; Neudecker, a.a.O, S. 92; Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, § 13 Rn. 61; Stree/Bosch, in: Sch/Sch-StGB, 28. Auflage 2010, § 13 Rn. 26, 26a; Weigend, in: LK-StGB, Band 1, 12. Auflage, § 13 Rn. 60. 907 Blei, in: FS H. Mayer, 1965, S. 119 (122); Stree, in: FS H. Mayer, 1965, S. 145 (156); Jakobs, AT, 29/46; Rudolphi/Stein, a.a.O., § 13 Rn. 58 u. 61; Lackner/Kühl, StGB, § 13 Rn. 9; Meurer, AT, S. 188. 908 BGHSt 54, 44 (48 f. Rz. 25). 909 Sangenstedt, Garantenstellung, S. 442 ff.; Weigend, in: LK-StGB, Band 1, 12. Auflage, § 13 Rn. 34; Freund, AT, § 6 Rn. 87; Jescheck, in: LK-StGB, Band 1, 11. Auflage, § 13 Rn. 27; Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 84 ff.; Ransiek, AG 2010, 147 (152); Kühl, AT, § 18 Rn. 70 sieht die Zusage als eine Ausnahme zur Begründung des Vertrauens.

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II. Der materielle Grund der Garantenstellung aus freiwilliger Übernahme 1. Die Zusage als materieller Grund der Garantenstellung aus Übernahme? Einer Ansicht in der Literatur zufolge ist der materielle Grund für die strafrechtliche Haftung des Übernehmenden allein dessen Zusage; sie verpflichte ihn in besonderer Weise, für die Abwendung der von der Zusage erfassten Gefahren einzustehen.910 Freund führt hierzu aus, „dass sich der Betreffende als verantwortliche Person ,beim Wort nehmen‘ lassen muss und sich selbst widersprüchlich verhielte, wenn er die übernommene Gefahrenabwendungsaufgabe nicht als die seine auffassen wollte“.911 Zwar gehen auch die Vertreter dieser Ansicht davon aus, dass es häufig so sein werde, dass die nach außen in Erscheinung tretende Übernahme einer Schutz- oder Überwachungspflicht dazu führe, dass sich die zu schützende Person bzw. die Inhaber potentiell gefährdeter Rechtsgüter sicher fühlen, größere Risiken eingehen, Vertrauen entwickeln oder sogar bewusst auf andere vorhandene Schutzmöglichkeiten verzichten; allerdings seien dies keine zwingend nachzuweisenden Voraussetzungen für das Entstehen der Garantenpflicht, sondern lediglich starke Indizien.912 Die Garantenstellung aufgrund freiwilliger Übernahme einer Überwachungsfunktion verlangt neben dem tatsächlichen Übernahmemoment ein materielles Element.913 Rekurriert man aber auf die Zusage des Übernehmenden, so führt dies genau genommen zu einem Rückfall in die formelle Rechtsquellenlehre. Eine materielle Begründung kann darin nämlich nicht erblickt werden. Warum sollte eine Zusage ein hinreichender Grund für eine strafrechtliche Haftung sein? Lediglich Freund versucht diese Behauptung, wie oben thematisiert, zu begründen. Ein widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) ist eine wichtige Fallgruppe des Prinzips von Treu und Glauben (§ 242 BGB). „Die Rechtsausübung ist unzulässig, wenn der Berechtigte sich damit zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch setzen würde.“914 Doch wann wäre dies der Fall? Treuwidrig wird dies erst, wenn man das berechtigte Vertrauen des Gegners enttäuscht.915 Es wird also auch nach seiner Auffassung auf Vertrauensgesichtspunkte rekurriert. Ferner verlagert sich nach dieser Ansicht der Beginn der Garantenstellung ohne triftigen Grund nach vorne. Ohne dass es auf das tatsächliche Element des beidseitigen Einvernehmens ankommt, begründet schon die Zusage allein eine Garan910 911 912 913 914 915

Vgl. die Nachweise in Fn. 915. Freund, AT, § 6 Rn. 87. Weigend, in: LK-StGB, Band 1, 12. Auflage, § 13 Rn. 34. Vgl. oben Teil 4, B. IV. 1. Brox/Walker, BGB AT; § 32 Rn. 690. BGH NJW 1986, 2104; Schellhammer, SchR, Rn. 1194.

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tenstellung. Damit wird – wie es Roxin zutreffend formuliert – „das Übernahmeprinzip ohne hinreichenden Grund preisgegeben“.916 2. Der Vertrauensgrundsatz Die h.M. verlangt dagegen ein besonderes Vertrauensverhältnis. So heißt es beispielsweise bei Rudolphi und Stein: Ein Hilfsversprechen oder der tatsächliche Antritt einer Stellung mit Schutz- oder Überwachungsfunktion muss dazu geführt haben, dass eine andere Person im Vertrauen auf dieses Hilfsversprechen oder auf die Präsenz der Hilfsperson entweder sich erhöhten Gefahren aussetzt oder anderweitige Möglichkeiten der Sicherung unterlässt und daher schutzlos ist, wenn die Hilfsperson nicht gefahrabwendend tätig wird.917 Der Vertrauensgrundsatz hat sich zuallererst im Verkehrsstrafrecht herausgebildet.918 Allgemein besagt dieser, dass derjenige, der sich im Verkehr ordnungsgemäß verhält, darauf vertrauen darf, dass andere dies auch tun, es sei denn, es liegen konkrete Anhaltspunkte für die gegenteilige Annahme nahe.919 Dadurch wird dem Einzelnen bei risikobehafteten, aber sozial erwünschten Tätigkeiten der Freiraum eingeräumt, den er benötigt, um seine Tätigkeit ordnungsgemäß und zügig ausüben zu können.920 Gleichzeitig werden die Interessen des Dritten berücksichtigt, da nur dann ein Einschreiten verlangt wird, wenn Anzeichen für fehlerhaftes Verhalten des anderen vorliegen.921 Nach und nach wurde der Vertrauensgrundsatz im Arzt-/Medizinstrafrecht922 vorgeschlagen und schließlich als allgemeiner Rechtsgedanke begriffen und auf allen Feldern arbeitsteiliger Kooperation ausgeweitet,923 um zu zeigen, dass es nicht richtig sein kann, dass jeder an einer arbeitsteiligen Organisation Beteiligte für sämtliche hiermit zusammenhängenden Sorgfaltspflichten einzustehen hat.924

916

Roxin, AT II; § 32 Rn. 66. Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, § 13 Rn. 58 m.w.N. 918 BGHSt 9, 92 f.; 14, 211 f.; Exner, in: FS Frank, 1930, S. 569 (576 f.). 919 BGHSt 4, 47; 4, 182; 7, 118; 9, 93; 14, 201; Roxin, AT I, § 24 Rn. 21 m.w.N.; Dannecker, in: Amelung, Individuelle Verantwortung, S. 209 (220 f.); Bosch, Organisationsverschulden, S. 381 m.w.N. 920 Dannecker, a.a.O., S. 220. 921 Ebda. 922 BGH NJW 1980, 649 (650); OLG Hamm MedR 1999, 35; Wilhelm, JURA 1985, 183 ff.; Vogel, in: LK-StGB, Band 1, 12. Auflage, § 15 Rn. 274 ff.; Dous, Verantwortlichkeit, S. 111; Stratenwerth, in: FS Schmidt, 1961, S. 383 ff. 923 Bosch, Organisationsverschulden, S. 380; Stratenwerth, a.a.O.; Vogel, a.a.O., § 15 Rn. 232; Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, S. 63. 924 Dannecker, in: Amelung, Individuelle Verantwortung, S. 209 (220); Brinkmann, Vertrauensgrundsatz, S. 115 ff.; Roxin, AT I, § 24 Rn. 25. 917

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Hergeleitet wird der Vertrauensgrundsatz nach einer Mindermeinung925 aus dem Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit, nach der h.M.926 wird er als Unterfall des erlaubten Risikos angesehen. Wer selbst sorgfältig/erlaubt riskant handelt, darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass auch andere sorgfältig/erlaubt riskant handeln.927 Ob nun jemand sorgfaltswidrig/unerlaubt riskant gehandelt hat, muss durch Abwägung aller rechtlich relevanten Belange unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls bestimmt werden.928 Zuzustimmen ist der h.M. unter der Prämisse, dass bei der Abwägung auch der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit Berücksichtigung findet.929 Eine direkte Herleitung aus dem Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz ist schon deshalb abzulehnen, weil „Verantwortlichkeit“ nicht gleichbedeutend mit „Eigenverantwortlichkeit“ ist, wovon die Mindermeinung aber ausgeht, wenn sie behauptet, es gebe dem Individuum zugeordnete Sphären der absoluten Alleinverantwortlichkeit.930 3. Der Vertrauensgrundsatz im Bereich der vertikalen Delegation Betrachtet man die von der h.M. anerkannten Anwendungsbereiche des Vertrauensgrundsatzes, so fällt auf, dass im Straßenverkehr Anonymität zwischen den Verkehrsteilnehmern herrscht. Sie stehen in keiner näheren Beziehung zueinander und schulden einander keine Beaufsichtigung, Kontrolle oder Überwachung.931 Alle, die im Straßenverkehr ein Pkw o. ä. führen, müssen sich an die Regeln der Straßenverkehrsordnung halten. Ein Über- und Unterordnungsverhältnis ist nicht gegeben. Daher ist es hier auch angebracht, dem Vertrauensgrundsatz uneingeschränkte Geltung einzuräumen. Im Bereich des ärztlichen Handelns hat der BGH anerkannt, dass sich bei einer Operation „die dabei beteiligten Fachärzte grundsätzlich auf die fehlerfreie Mitwirkung des Kollegen aus der anderen Fachrichtung verlassen können“.932 Auch hier führt der Vertrauensgrundsatz zu vernünftigen Ergebnissen, weil ein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen den gleichberechtigt handelnden Fachärzten nicht gegeben ist.933 Der Chirurg muss dem Kardiologen vertrauen, da er nur bruchstückhafte Kenntnisse über seinen Fachbereich haben wird. Sein Spezialgebiet wird den Einsatz der vollen Arbeitskraft erfordern und insbesondere aus fachlichen Gründen eine Überwachung ausschließen. So formuliert der BGH, dass „jede Form der Zusammenarbeit im Operationssaal fragwürdig und mit zusätzlichen 925

Schumann, Handlungsunrecht, S. 4 f., 7 ff., 20; Jakobs, AT, 7/51. Lackner/Kühl, § 15 Rn. 39; Roxin, AT I, § 24 Rn. 22; Schroeder, in: LK-StGB, Band 1, 11. Auflage, § 16 Rn. 170 m.w.N. 927 Vogel, in: LK-StGB, Band 1, 12. Auflage, § 15 Rn. 224. 928 Grundlegend Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 69 ff. 929 So auch Vogel, in: LK-StGB, Band 1, 12. Auflage, § 15 Rn. 225. 930 Kuhlen, Produkthaftung, S. 131; Dous, Verantwortlichkeit, S. 112 f. 931 Vogel, in: LK-StGB, Band 1, 12. Auflage, § 15 Rn. 232. 932 BGH NJW 1980, 649 (650). 933 Siehe Bosch, Organisationsverschulden, S. 386 ff.; Dous, Verantwortlichkeit, S. 116 f. 926

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Risiken verbunden würde, wenn Chirurg und Kardiologe ihre Kräfte zugunsten einer wechselseitigen Überwachung zersplitten“.934 Dem Ressortfremden ist es in aller Regel nicht zuzumuten, sich mit dem Aufgabenfeld des Zuständigen vertraut zu machen.935 Gegenüber einem unerfahrenen Assistenzarzt hingegen nimmt der BGH an, dass ein berechtigtes Vertrauen nicht bestehen kann.936 Anders als bei gleichberechtigt agierenden Fachärzten, dürfe sich der erfahrene Arzt nicht einfach auf fehlerfreies Handeln des unerfahrenen Assistenzarztes verlassen. Er muss sein Handeln überwachen und wenn nötig sogar eingreifen.937 Übertragen auf Wirtschaftsunternehmen bedeutet dies, dass der Vertrauensgrundsatz bei der horizontalen Delegation von Aufgaben Geltung beanspruchen kann. Das Kollegialorgan darf darauf vertrauen, dass sein Kollege seine Aufgaben recht- und ordnungsgemäß wahrnimmt. Meist wird es sich ohnehin um verschiedene Ressorts handeln, sodass beispielsweise dem Kaufmann im Verhältnis zu seinem Kollegen aus der Technik die nötige Sachkunde fehlen wird.938 Der Techniker wird sich vom Kaufmann nicht in seinen Bereich hineinregieren lassen.939 Bei der vertikalen Delegation von Aufgaben kommt es entscheidend darauf an, qualifizierte, gewissenhafte und unabhängig agierende Personen zu betrauen, denen allerdings nicht blind vertraut werden kann. Den Geschäftsherrn treffen weiterhin die Auswahl-, Anweisungs-, Überwachungs- sowie Organisations- und Eingriffspflichten.940 U.a. deshalb wird der Vertrauensgrundsatz im Bereich der vertikalen Delegation verneint.941 Die betriebliche Hierarchie sei nicht mit der gleichberechtigten Situation der Straßenverkehrsteilnehmer vergleichbar.942 Hier sei nicht das Vertrauen, sondern das Misstrauen zum Prinzip erhoben,943 wobei sich dies auch aus § 130 OWiG ergebe.944 Die wohl überwiegende Meinung geht dagegen auch bei vertikaler Delegation vom Vertrauensgrundsatz aus.945 Legitimiert wird dies insbesondere mit volks- und betriebswirtschaftlichen Gründen.946 934

BGH NJW 1980, 650. RRH-OWiG, § 130 Rn. 27. 936 BGHSt 43, 310 f. 937 Roxin, AT I, § 24 Rn. 25; Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, S. 64. 938 Vgl. hierzu eingehend Schlüchter, in: FS Salger, 1995, S. 139 (162 ff.); freilich darf das Kollegialorgan nicht die „Augen verschließen“ vor ihm im Rahmen seiner Position zugänglichen Informationen. Sollte sich ihm eine Unregelmäßigkeit in einem anderen Ressort aufdrängen, so hat er dies zu beachten. 939 Bock, Compliance, S. 687. 940 Vgl. oben Teil 2, D. VIII. 2. a). 941 Vgl. Bosch, Organisationsverschulden, S. 386 ff.; Herzberg, Arbeitsschutz, S. 171 f.; Dannecker, in: Amelung, Individuelle Verantwortung, S. 209 (221). 942 Bosch, a.a.O., S. 386. 943 Herzberg, Arbeitsschutz, S. 171. 944 Dannecker, in: Amelung, Individuelle Verantwortung, S. 209 (221). 945 Doms, Verantwortlichkeit, S. 156 ff.; Bock, Compliance, S. 707 ff.; Schmucker, Dogmatik, S. 214; Kraatz, JR 2009, 182 (184); Mayer, Produktverantwortung, S. 418 ff. 935

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Muss der Geschäftsherr überwachen, so versteht es sich von selbst, dass er nicht umfassend auf ein recht- und ordnungsgemäßes Handeln der Mitarbeiter vertrauen darf. Aus diesem Grund wird teilweise geltend gemacht, dass Kontroll- und Aufsichtspflichten sowie Vertrauen sich gegenseitig weitgehend ausschließen.947 Das Wesen von Kontrolle und Aufsicht würde ad absurdum geführt werden.948 Aufgrund der Kontrollpflicht müsse der Delegierende mit jeglichem Fehlverhalten in demjenigen Bereich rechnen, welcher von diesen Pflichten umfasst wird.949 Ähnlich argumentiert Bosch und weist darauf hin, dass der Vertrauensgrundsatz bei der vertikalen Delegation von Aufgaben nicht pflichtbegrenzend, sondern pflichtbegründend wirkt. Die weiterhin bestehenden Pflichten des Geschäftsherrn (insbesondere Überwachungspflichten) würden für eine „Umkehrung seines Regelungsgehalts“ sorgen. Die Frage laute dann, unter welchen Umständen es pflichtwidrig sei, auf eine Pflichterfüllung des anderen zu vertrauen.950 Diese Auffassung ist insoweit begrüßenswert, als davon ausgegangen wird, dass sich Kontroll- und Aufsichtspflichten sowie Vertrauen gegenseitig „weitgehend“ ausschließen. In der Tat kann jemand nicht verpflichtet sein, jemanden zu beaufsichtigen bzw. zu kontrollieren, gleichzeitig aber umfassend darauf vertrauen dürfen, er werde die übertragene Aufgabe ordnungsgemäß erfüllen. Zu berücksichtigen sind jedoch die Gründe, die die Delegation von Pflichten erforderlich machen. Es wurde bereits ausführlich dargelegt, warum eine Delegation von Aufgaben nicht nur möglich, sondern sogar erwünscht ist.951 U.a. wurde angeführt, dass der Geschäftsherr nicht in der Lage ist, alle im Unternehmen anfallenden Arbeiten eigenhändig wahrzunehmen. Insbesondere die vertikale Delegation soll folgerichtig die betriebliche Entscheidungsebene entlasten. Daher kann vom Geschäftsherrn nicht verlangt werden, seine Arbeitskraft nur noch zur Beaufsichtigung bzw. der Kontrolle des Delegationsempfängers einzusetzen. Dies würde dem Sinn und Zweck der Delegation widersprechen. Er muss vielmehr darauf vertrauen dürfen, dass der Delegationsempfänger die übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt. Zu beachten ist aber, dass der Vertrauensgrundsatz hier nicht so weit geht, wie im Straßenverkehrsrecht bzw. bei der horizontalen Delegation. Er gilt zwar, erfährt aber wegen dem Bestehen der Beaufsichtigungs- bzw. Kontrollpflicht weitere Einschränkungen. Nachfolgend soll daher aufgezeigt werden, wo die Grenzen des Vertrauens bei der vertikalen Delegation liegen. Der Geschäftsherr muss in jedem Fall seiner Auswahl- und Einweisungspflicht nachkommen. Wenn er diese Pflichten nicht beachtet, kann er auf eine ordnungsgemäße Erfüllung der delegierten Aufgaben nicht vertrauen. Die Intensität der 946 947 948 949 950 951

Siehe hierzu Bock, a.a.O., S. 707. Bosch, Organisationsverschulden, S. 384 m.w.N.; Dous, Verantwortlichkeit, S. 116. Dous, a.a.O. Dous, a.a.O. Bosch, Organisationsverschulden, S. 387 ff. Vgl. oben Teil 2, D. VI.

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Überwachungspflicht hängt dagegen von Aspekten wie Unternehmensgegenstand, Erfahrung und Vertrauenswürdigkeit der Person sowie der Bedeutung und dem Schwierigkeitsgrad der übertragenen Aufgabe ab.952 Ihre Grenze findet die Überwachungspflicht zum einen in der objektiven Zumutbarkeit und zum anderen darin, dass eine durchgehende oder regelmäßige Kontrolle ohne einen entsprechenden Anlass nicht erforderlich ist, da sie dem Sinn der Arbeitsteilung im Unternehmen zuwiderlaufen würde. Eine Verpflichtung zum Einschreiten besteht im Falle von Verdachtsmomenten; überdies wird in Zeiten der Krise eine höhere Aufmerksamkeit verlangt.953 Andernfalls wäre sowohl die Möglichkeit der Delegation als auch der Einsatz von Mitarbeitern sinnlos.954 Überdies entspricht es auch nicht der Unternehmenswirklichkeit, da es für einen in der Regel beschäftigten Geschäftsherrn unmöglich sein wird, die Ausführung der Tätigkeit dauernd zu überwachen.955 Da eine lückenlose Überwachung rund um die Uhr unverhältnismäßig und daher gleichzeitig unzumutbar wäre, darf der Geschäftsherr bei ordnungsgemäßer Überwachung in dem o.g. Umfang auf die Einhaltung der Vorschriften durch den Delegationsempfänger vertrauen. M.a.W. kann sich der Geschäftsherr nicht blind auf den Delegationsempfänger verlassen. Wenn er aber seinerseits die betreffenden Pflichten ordnungsgemäß erfüllt, kann er dann auf die ordnungsgemäße Erfüllung der vom Delegationsempfänger übernommenen Pflichten vertrauen. Demnach gilt auch für die vertikale Delegation der Vertrauensgrundsatz, um eine Überlastung des Geschäftsherrn zu vermeiden. Der Unterschied zur horizontalen Delegation liegt darin, dass bei den rechtlichen Grenzen des Vertrauens Zurückhaltung geboten ist.956 Nach all dem ist es also richtig, dass sich Vertrauen und Kontrolle weitgehend ausschließen, jedoch geht dies nicht so weit, dass überhaupt kein Vertrauen mehr möglich ist. Solange keine ernsthaften Zweifel an der Tätigkeit des Delegationsempfängers erkennbar sind und der Delegierende seiner Auswahl-, Instruktions- und Überwachungspflicht in entsprechendem Umfang nachkommt, kann er auf eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung vertrauen. Wenn sich dagegen Unregelmäßigkeiten in der Person oder der Tätigkeit des Delegationsempfängers aufdrängen, so ist ein Vertrauen auf eine ordnungsgemäße Erfüllung der übernommenen Aufgaben nicht mehr gerechtfertigt.

952

Vgl. oben Teil 2, D. VIII. 2. a). Ebda. 954 Dannecker, in: Amelung, Individuelle Verantwortung, S. 209 (225); Bock, Compliance, S. 711 ff. 955 Vgl. OLG Hessen StrS Kassel NJW 1947/48, 350; Bock, a.a.O., S. 712. 956 Ähnlich Bock, a.a.O., S. 707 ff., der wegen der hierarchischen Überlegenheit des Geschäftsherrn in der vertikalen Arbeitsteilung weitere Einschränkungen für erforderlich erachtet. 953

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4. Zwischenfazit Folglich kann festgehalten werden, dass auch bei der vertikalen Delegation von Aufgaben auf Vertrauensgesichtspunkte abzustellen ist, wobei dieses Vertrauen seine Grenzen in der objektiven Zumutbarkeit und einer regelmäßigen jedoch nicht dauerhaften Kontrolle findet. Die Zusage des Übernehmenden kann die „Sekundärgarantenstellung“ eines Mitarbeiters im Unternehmen nicht mit Inhalt füllen. Als tatsächliches Element ist das beidseitige Einvernehmen beider „Parteien“ hinsichtlich der Delegation bzw. der Übernahme der Pflichten erforderlich. 5. Übertragung bzw. Übernahme der Herrschaft über die Gefahrenquelle Damit Überwachungsgaranten ihrer übernommenen Pflicht nachkommen können, benötigen sie immer eine besondere Herrschaftsposition. Diese Herrschaftsposition muss bei der Übernahme auch konkret übertragen werden.957 Das bedeutet im Grunde, dass der Mitarbeiter als „Sekundärgarant“ mit der Ausfüllung der Garantenrolle betraut wird, wobei auch in seiner Person die originären Entstehungsvoraussetzungen gegeben sein müssen, und zwar entweder in vollem Umfang oder nur hinsichtlich eines Teils der zu erfüllenden Pflichten. Es existieren in der Fachliteratur aber auch Ansichten, die es bei der Übertragung von Garantenpflichten für nicht notwendig erachten, dass die Entstehungsvoraussetzungen einer Garantenpflicht beim „Sekundärgaranten“ vorliegen. So nimmt Sangenstedt schon unter folgenden zwei Voraussetzungen eine sekundäre Überwachergarantenstellung an: Zum einen muss der Delegierende berechtigt sein, einen „Substituten“ mit der Erfüllung seiner Aufgabe zu betrauen. Zum anderen verlangt er einen rechtlich relevanten Übertragungsakt. Er hält es aber für nicht erforderlich, dass in der Person des „Sekundärgaranten“ die originären Entstehungsvoraussetzungen der Garantenstellung gegeben sein müssen.958 Wird nur ein Teil der Aufgaben übertragen, so wird auch hier nicht verlangt, dass alle originären Entstehungsvoraussetzungen beim Übernehmer vorliegen. Allerdings muss dann doch ein Teil der Herrschaftsposition „mit“-übertragen werden. Ohne die Existenz einer konkreten Herrschaftsposition kann der sekundäre Überwachergarant keine Maßnahmen zur Verhinderung der Gefahren aus der zu überwachenden Gefahrenquelle ergreifen. Alle Überwachergaranten, ob primäre oder sekundäre, müssen in einer Herrschaftsbeziehung in Bezug auf die entsprechende Gefahrenquelle stehen. Wird aber die Herrschaftsposition auf den Delegationsempfänger nicht übertragen, so kann der „Sekundärgarant“ die Gefahren nicht effektiv bekämpfen. Daher kann Sangenstedts Auffassung nicht überzeugen. 957 I.d.S. zutreffend schon Schünemann, Grund und Grenzen, S. 296 f. und Brammsen, Entstehungsvoraussetzungen, S. 183. 958 Sangenstedt, Garantenstellung, S. 383 ff. u. 405 ff.

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III. Sekundärgarantenstellung des CO Folglich kann den CO nur dann eine Garantenstellung aus freiwilliger Übernahme treffen, wenn ihm neben dem tatsächlichen Moment des beidseitigen Einvernehmens die erforderlichen Herrschaftsmöglichkeiten eingeräumt werden. Träger einer Überwachergarantenstellung kann nur sein, wer Herrschaft über die Gefahrenquelle hat.959 Er muss in der Lage sein, seinen auf Erfolgsabwendung gerichteten Willen mittels rechtlicher Einwirkungsmöglichkeiten wirksam durchzusetzen. Die Herrschaft über die Gefahrenquelle Betrieb übt der Geschäftsherr durch sein Weisungsrecht, seine Organisationsgewalt jeweils i.V.m. seinem Informationsvorsprung aus. Zur Legitimation der Herrschaftsposition des CO lassen sich das Weisungsrecht und die Organisationsgewalt nicht übernehmen, da ihm diese Rechte regelmäßig nicht übertragen werden. Vielmehr ist er auch nach Übernahme der CompliancePflichten der Unternehmensleitung gegenüber weisungsgebunden. Gerade wegen seiner beratenden Funktion ohne eigene Entscheidungsbefugnis steht dem CO „lediglich“ ein Eskalationsrecht zu. Er muss Informationen beschaffen, bearbeiten und bewerten. Seine Handlungspflicht beschränkt sich dabei auf die Information der nächsthöheren Ebene.960 Daher verwundert es nicht, wenn die meisten Stimmen, die eine Garantenstellung des CO verneinen, auf das fehlende Weisungsrecht bzw. diesem vergleichbare Sanktions- und Eingriffsmöglichkeiten des CO verweisen.961 Der CO habe nur allgemeine Kontrollbefugnisse, die nicht ausreichen würden, um entgegen dem Selbstverantwortungsprinzip eine Garantenpflicht des CO für das Handeln vollverantwortlicher Dritter zu begründen. Der Gedanke, dass die Garantenpflicht des Geschäftsherrn aus seiner Verantwortung für den von ihm errichteten und organisierten Gefahrenherd Betrieb folgt, greife für den CO nicht, da er Aufbau und Organisation des Betriebes nicht zu verantworten habe, und diese auch nicht aus eigener Kompetenz verändern könne.962 Spring verlangt immer ein Weisungsrecht gegenüber untergeordneten Mitarbeitern. Liege es nicht vor, scheitere jede Aufsichtsgarantenstellung bereits an dieser Voraussetzung.963 Berndt weist ebenso darauf hin, dass dem CO im Gegensatz zum Geschäftsherrn die „Mittel der Verbandsdisziplin“ fehlen.964 Die Stimmen, die eine Garantenstellung des CO bejahen, weisen auf seinen nicht unerheblichen Informationsvorsprung hin.965 „Informationen begründen Entschei959

Vgl. oben Teil 4, B. IV. 1. und 2. Vgl. oben Teil 2, E. II. 3. c) aa) und E. III. 961 So insbesondere Warneke, NStZ 2010, 312 (316); Berndt, StV 2009, 687 (691); Spring, GA 2010, 222 (226); Rübenstahl, NZG 2009, 1341 (1342). 962 Warneke, a.a.O. 963 Spring, GA 2010, 222 (226). 964 Berndt, StV 2009, 687 (691). 965 So insbesondere Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (58); Dannecker/Dannecker, JZ 2010, 981 (991); Dann/Mengel, NJW 2010, 3265 (3267). 960

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dungsoptionen und damit Macht“.966 Da es gerade Aufgabe des CO sei, Informationen zu sammeln und auszuwerten, stelle er ein Nadelöhr zum Vorstand dar. Mit dem entstehenden Informationsfundus übernehme er einen Teil der Herrschaft, die die Garantenstellung des Geschäftsherrn begründe.967 Zu untersuchen ist also, ob der CO die für die Garantenstellung erforderliche Herrschaftsmacht über die Gefahrenquelle Betrieb durch seinen Informationsvorsprung besitzt. Begründet der nicht unerhebliche Informationsfundus ohne Weisungsrechte bzw. Organisationsgewalt tatsächlich Macht bzw. Herrschaft? Der Ausdruck Macht ist sinnverwandt mit Begriffen wie „Herrschaft“, „Gewalt“, „Zwang“, „Autorität“ und „Überredung“.968 Nach Max Weber ist Macht „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht“.969 Sie ist also dort gegeben, „wo der Herrscher die Macht hat, seinen Anweisungen durch Androhung oder Durchführung von Konsequenzen Nachdruck zu verleihen“.970 Der Geschäftsherr übt die Herrschaft über die Gefahrenquelle Betrieb durch sein Weisungsrecht und seine Organisationsgewalt aus. Ob der überlegene Informationsfundus ohne Weisungsbefugnis oder Organisationsgewalt, mithin also ohne Einwirkungsmöglichkeiten ausreicht, die Herrschaft über die Gefahrenquelle zu begründen, ist fraglich. Die Aussage „Wissen ist Macht“ geht auf den englischen Philosophen Francis Bacon zurück.971 Bündelung von Informationen führt nach Schünemann zum Herrschaftswissen.972 Durch dieses größere Wissen, das sich beim CO konzentriert, hat er zwar Macht, da er einen besseren Überblick über das Gesamtgeschehen hat, doch kann er mangels Anordnungs- und Weisungsrechte mit dieser Macht nichts anfangen. Denn was nützt es einer Person, die mit sehr vielen Informationen ausgestattet ist, jedoch nicht die Möglichkeit hat, die von der Gefahrenquelle ausgehenden Gefahren zu beeinflussen. Ist jemand gefesselt, so kann er, auch wenn er mit großem Wissen ausgestattet ist, das Geschehen nicht beeinflussen. Wissen begründet folglich zwar Macht; dies allerdings nur, wenn der Wissensträger entsprechende Einwirkungsmöglichkeiten hat. Aus diesem Grund kann das ausschließliche Abstellen auf den überlegenen Informationsfundus des CO nicht die Herrschaft über die Gefahrenquelle begründen.

966 Rönnau/Schneider, a.a.O.; Böse, NStZ 2003, 636 (640); Schall, in: Deutsche Wiedervereinigung, Band III, S. 99 (111); Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 97 f. 967 Rönnau/Schneider, a.a.O.; Rodewald/Unger, BB 2007, 1629 (1631 f.). 968 Hättich, in: Hauser Staatslexikon, Sp. 978 f. 969 Weber, Wirtschaft, S. 28. 970 Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 213. 971 Vgl. Büchmann, Geflügelte Worte, S. 436. 972 Vgl. oben Teil 3, C. III. 6. g), bb), (3).

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1. Vervollständigung des Informationsvorsprungs, eigene Auffassung Wie festgestellt, reicht das Bestehen eines Informationsvorsprungs des CO nicht aus, um die Herrschaft über die Gefahrenquelle zu begründen. Mehrwissen führt nicht notwendigerweise dazu, dass der CO die Herrschaft über die Gefahrenquelle Betrieb hätte. Denn ohne Einwirkungsmöglichkeiten kann von einer Herrschaft nicht die Rede sein. Wenn der CO erforderlichenfalls nicht eingreifen darf, dann kann er diese Gefahrenquelle auch nicht beherrschen. a) Pflicht zur Ergreifung von Maßnahmen zur Verhinderung von Straftaten Allerdings wurde bereits oben festgestellt, dass den CO keine Straftatverhinderungspflicht trifft. Nachfolgend sollen zunächst die Ansicht des 5. Senats und die hierzu in der Strafrechtsliteratur vertretenen Ansichten dargestellt werden, um anschließend auf die Herrschaft über die Gefahrenquelle zurückzukommen. Der 5. Senat des BGH vertritt die Ansicht, dass das Aufgabengebiet des CO auch die Verhinderung von Rechtsverstößen umfasse, insbesondere von Straftaten, die aus dem Unternehmen heraus begangen werden.973 Wie soll aber der CO die Straftat verhindern, wenn er keine Anordnungs- und Weisungsrechte bzw. Organisationsgewalt hat, und sich auf eine Eskalation beschränken muss. Es gehört nicht zum Aufgabengebiet des CO, auch Weisungen zum Abstellen von Missständen oder zur Prävention von Verstößen zu erteilen.974 Da der Geschäftsherr für die ComplianceAufgaben primär zuständig ist und ihm das Letztentscheidungsrecht zusteht, obliegt allein ihm die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich des weiteren Vorgehens. Ein Einschreiten gegenüber Mitarbeitern ist dem CO daher nicht gestattet. Andere stellen darauf ab, dass es entscheidend auf die vertragliche Ausgestaltung und auf die konkrete Beschreibung des übertragenen Dienstpostens ankomme. Nur wenn die Sorge für aus dem Betrieb hervorgehende Gefahren auch ausdrücklich in Hinblick auf den Schutz außerbetrieblicher Rechtsgüter erfolgt, könne den CO eine abgeleitete, sekundäre Garantenpflicht zur Verhinderung betriebsbezogener Straftaten von Unternehmensangehörigen treffen.975 Auch diese Ansicht überzeugt nicht. Der CO wird in erster Linie im Unternehmensinteresse tätig. Der Schutz der Rechtsgüter Dritter ist lediglich ein Regelungsreflex.976 All dies wurde bereits mehrmals ausführlich diskutiert, sodass es hier nicht einer nochmaligen Erörterung bedarf. Es ist unwahrscheinlich, aber auch praxisfern, eine diesbezügliche Regelung in der Stellenbeschreibung bzw. im Arbeitsvertrag zu finden. Zudem kommt es nicht 973 974 975 976

BGHSt 54, 44 (49) Rz. 27. Vgl. oben Teil 2, E. II. 3. c), aa). Mosbacher/Dierlamm, NStZ 2010, 268 (269). Vgl. oben Teil 2, E. I. 2. c).

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lediglich auf den Inhalt der Stellenbeschreibung bzw. des Dienstvertrages an, sondern auch auf die tatsächlich ausgeführte Tätigkeit. Aufgrund der fehlenden Anordnungs- und Weisungsbefugnisse kann der CO keine Straftatverhinderungspflicht haben, wobei letzteres unstreitig Bestandteil der Compliance ist. Festgehalten werden muss demnach, dass der CO nicht unmittelbar verpflichtet ist, Straftaten Unternehmensangehöriger zu verhindern. Auch eine vertragliche Verpflichtung und die Benennung in der Stellenbeschreibung führt noch nicht zu einer Straftatverhinderungspflicht des CO, wenn er nicht mit entsprechenden Kompetenzen, nämlich mit Anordnungs- und Weisungsrechten ausgestattet wird. Dies bedeutet freilich nicht, dass er überhaupt nichts zu tun hätte. Wirft man nämlich erneut einen Blick auf den Aufgabenbereich des CO, so wird er ja gerade deshalb beauftragt, um zu überwachen, ob die Regeln im Unternehmen eingehalten werden. Dabei muss er Informationen beschaffen, bearbeiten und bewerten. Die compliancerelevanten Informationen muss er an die nächsthöhere Ebene weiterleiten. Dies hat zur Folge, dass er zwar die Straftaten eines Unternehmensangehörigen nicht verhindern muss; allerdings muss er Maßnahmen zur Verhinderung der Straftat ergreifen. Die Weiterleitung der Information an den Geschäftsherrn ist eine solche Maßnahme. Das Eskalationsrecht des CO wandelt sich beim Verdacht einer Straftat eines Unternehmensangehörigen in eine Eskalationspflicht.977 b) Herrschaft über die Gefahrenquelle Kann und muss der CO die Straftat des Mitarbeiters als solche nicht verhindern, wird ihm also „nur“ die Pflicht auferlegt, Maßnahmen zur Verhinderung der Straftat zu ergreifen, so hat der CO nicht deshalb die Herrschaft über die Gefahrenquelle, weil er Informationsvorsprung gegenüber der Geschäftsleitung hat, sondern deshalb, weil ihm mit diesem Informationsvorsprung zusammen ein Eskalationsrecht zusteht. Zu untersuchen ist zunächst, ob dieses Recht des CO mit Blick auf seine Wirkungsintensität ausreicht, um dem CO im Rahmen der Garantendogmatik eine pflichtbegründende Herrschaftsposition zu vermitteln. Als Vergleich kann das Weisungsrecht des Geschäftsherrn herangezogen werden. Es muss also durchleuchtet werden, ob dem Eskalationsrecht die gleiche rechtliche Verbindlichkeit zukommt wie dem Direktionsrecht des Geschäftsherrn. Daran lassen sich in dieser Pauschalität zunächst Zweifel geltend machen. Durch das Weisungsrecht kann der Überwachungspflichtige seinen Willen bereits im Vorfeld der Straftatbegehung rechtsverbindlich gegenüber der Gefahrenquelle durchsetzen. Eine Herrschaftsposition ist nämlich dort gegeben, „wo der Herrscher die Macht hat, seinen Anweisungen durch Androhung oder Durchführung von Konsequenzen Nachdruck zu verleihen“.978 Mangels Eingriffsrechte kann der CO, der „nur“ ein Eskalationsrecht

977 978

Siehe hierzu Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (59). Spring, Geschäftsherrenhaftung, S. 213.

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Teil 5: Die Garantenstellung des CO

besitzt, seinen auf Straftatverhinderung gerichteten Willen nicht gegenüber dem Mitarbeiter rechtsverbindlich durchsetzen. In diesem Punkt gilt es allerdings sich vor Augen zu führen, dass den CO keine Straftatverhinderungspflicht trifft, sondern „lediglich“ eine Pflicht zur Ergreifung von Maßnahmen zur Verhinderung von Straftaten Unternehmensangehöriger. Da dem CO Leitungsaufgaben nicht übertragen werden, und er nur Vorbereitungs- und Ausführungsaufgaben wahrnehmen muss, müssen auch bei der Begründung der Herrschaftsposition Abstriche getätigt werden. D.h., dass sich die Herrschaft des CO nicht wie die des Geschäftsherrn auf die endgültige Verhinderung der Straftat beziehen muss, sondern eben nur auf die Vorbereitung der Verhinderung der Straftat. Diese Pflicht kann er mit seiner Gestaltungskompetenz der Informationen erreichen. Auch der CO erfüllt daher die Voraussetzungen der Herrschaftsmacht. Er kann seinen Willen, der darauf gerichtet ist, Maßnahmen zur Straftatverhinderung zu ergreifen, rechtsverbindlich gegenüber der Gefahrenquelle durch sein Eskalationsrecht durchsetzen. Er kann die relevanten Informationen an die übergeordnete Instanz weiterleiten, er kann nur einen Teil der Informationen zur Anzeige beim Geschäftsherrn bringen, er kann aber auch die relevanten Informationen zurückhalten und von einer entsprechenden Anzeige gänzlich absehen. Damit verfügt der CO bezüglich seiner übernommen Pflicht ebenfalls über Einwirkungsbefugnisse. Eine herrschaftsgerichtete Garantenstellung kann dann angenommen werden, wenn der Unterlassende kraft seiner Rechtsposition in der Lage ist, die strafrechtliche „Herrschaftspflicht“ zu erfüllen.979 Dass es sich um eine strafrechtliche Pflicht handelt, zeigt die bereits erörterte Geschäftsherrenhaftung. Wird ein Teil dieser Pflichten auf Unternehmensangehörige delegiert, so ändert dies nichts an der Qualität dieser Pflichten. Die Herrschaftsposition muss sich folgerichtig nur auf die übernommene Pflicht beziehen. Wie bereits gezeigt, kann der CO durch seinen Informationsvorsprung i.V.m. seinem Eskalationsrecht die Grundlage für die Straftatverhinderung durch den Geschäftsherrn schaffen. Einer solchen Garantenpflicht steht im Hinblick auf den zu beachtenden Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung980 auch die gesellschaftsrechtliche Wertung nicht entgegen. Bei der vertikalen Delegation von Pflichten wurde bereits aufgezeigt, dass lediglich Vorbereitungs- und Ausführungsaufgaben übertragen werden können. Die Entscheidungsverantwortung verbleibt dagegen beim Geschäftsherrn, um die Leitungsmacht durch die Delegation nicht zu berühren. Während also originär die Vorbereitungs- und Ausführungsaufgaben sowie das Entscheidungsrecht beim Geschäftsherrn gebündelt sind und im Grunde die Geschäftsherrenhaftung „ins Leben rufen“; führt die vertikale Delegation von Vorbereitungs- und Ausführungsaufgaben dazu, dass die Geschäftsherrenhaftung modifiziert wird. Sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich wandelt sich die Hand979 Herzberg, Arbeitsschutz, S. 234; Schutzbach, Betriebsunfälle, S. 123; Schilha, Aufsichtsratstätigkeit, S. 117 ff., 174. 980 Vgl. dazu oben Teil 4, A. (2).

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lungsverantwortung des Geschäftsherrn zu einer Restverantwortung im Sinne einer Aufsichtspflicht um.981 Daher trifft den Geschäftsherrn auch nur noch diesbezüglich eine Garantenpflicht. Auf der anderen Seite der Medaille wird erst durch die Delegation von Pflichten eine Handlungspflicht bei CO geschaffen, die sich freilich nur auf die Vorbereitung und Ausführung der übertragenen Aufgaben bezieht. Folglich wird die originäre Geschäftsherrenhaftung zwischen dem Geschäftsherrn und dem CO entsprechend aufgegliedert. Während sich die beim Geschäftsherrn verbleibende „restliche Geschäftsherrenhaftung“ auf die Aufsichtspflicht und der Entscheidungsverantwortung bezieht, entsteht beim CO eine „modifizierte Geschäftsherrenhaftung“, die sich „nur“ auf Vorbereitungs- und Ausführungsaufgaben bezieht. Zur Verdeutlichung lässt sich folgendes Schaubild erstellen:

Das bei einer Arbeitsteilung unternehmenstypische Auseinanderfallen von Entscheidungskompetenz und Handlung sowie von Information und Entscheidungsverantwortung982 führt nach der hier vertretenen Auffassung zu keinen Strafbarkeitslücken. Eine organisierte Unverantwortlichkeit ist damit nicht zu befürchten. Die Garantenpflicht wandert mit der entsprechenden Aufgabe im Falle des CO automatisch mit. Alles in allem kann schließlich von einer aus dem Eskalationsrecht und dem Informationsvorsprung hervorgehenden Informationssteuerungsherrschaft oder einer Informationsorganisationsherrschaft die Rede sein. Die Informationen werden beim CO gebündelt, sodass dieser mehr weiß als der primär Verantwortliche. Dieses Mehrwissen wird nur dann zu einer Herrschaftsposition, wenn der Wissensträger die 981

Siehe oben Teil 2, D. VIII. 2. a). Schünemann, wistra 1982, 41 (42); ders., Unternehmenskriminalität, S. 5; Bock, Compliance, S. 84. 982

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rechtliche Macht verliehen bekommen hat, es zu organisieren und zu koordinieren. Das Eskalationsrecht des CO stellt ihm diese Möglichkeit zur Verfügung. c) Ist eine Erfolgsabwendung i.S.d. § 13 Abs. 1 StGB durch die Nichtvornahme der gebotenen Handlung möglich? Als gewichtiges Argument gegen diese Ansicht könnte der Wortlaut des § 13 Abs. 1 StGB sprechen. Denn diese Vorschrift verlangt, dass jemand rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt. Im Grunde wird im Schrifttum die Garantenstellung des CO genau aus diesem Grund abgelehnt. Wenn der CO nur ein Eskalationsrecht hat und keine Weisungs- und Entscheidungsbefugnisse, so könne er auch nicht i.S.d. § 13 Abs. 1 StGB rechtlich dafür einstehen, dass der Erfolg nicht eintritt.983 Der CO hat bekanntlich nur eine Kontroll- und Informationsfunktion. Er muss also nur den primär Verantwortlichen, also i. d. R. den Geschäftsherrn, in Kenntnis setzen. Dieser kann dann wegen seines Weisungs- und Anordnungsrechts und die damit herrührende Machtposition die Gefahr abwenden und so seine Garantenpflicht erfüllen. Trotz des Eskalationsrechts hat der CO keine Macht darüber, die Straftat des Mitarbeiters durch aktive Eingriffe in die betrieblichen Abläufe zu verhindern. Die Eskalation an sich führt noch nicht zur Erfolgsabwendung, sondern macht den Weg zur Erfolgsabwendung durch den Geschäftsherrn erst frei. Der CO kann daher die ihm physisch mögliche Rettungshandlung unterlassen, da er nicht dafür auf Posten gestellt wird. Dies ergibt sich aus dem allgemein anerkannten Grundsatz,984 dass Unterlassen im Sinne des § 13 Abs. 1 StGB die Nichtvornahme einer konkreten geforderten Handlung darstellt und insoweit auf bestimmten normativen Handlungserwartungen aufbaut.985 Wenn der Betroffene zivilrechtlich oder vertraglich rechtmäßig handelt, so kann er sich deswegen nicht strafbar machen, da die strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht weitergehen kann, als die zivilrechtliche Haftung.986 Unabhängig davon, ob mit „Erfolg“ der tatbestandliche Unrechtserfolg gemeint ist, oder jedes „tatbestandsmäßige Geschehen“987, ist dieser Einwand nicht durchschlagend. Zwar kann der CO mangels Weisungs- und Anordnungsrechte den Eintritt 983

In diesem Sinne gegen eine Garantenstellung des Gewässerschutzbeauftragen Rehbinder, ZHR 165 (2001), 1 ff., 17 f.; Steindorf, in: LK-StGB, Band 8, 11. Auflage, § 324 Rn. 49; Truxa, ZfW 1980, 220, (224); Weber, Betriebsbeauftragte, S. 239 ff.; Winkemann, Probleme, S. 171 ff.; Warnike, NStZ 1986, 223. 984 Roxin, AT II, § 31 Rn. 14; Weigend, in: LK-StGB, Band 1, 12. Auflage, § 13 Rn. 65; Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 15 Rn. 18. 985 H. Schneider/Gottschaldt, ZIS 2011, 573 (576). 986 Ebda. 987 Diese Frage ist in der Literatur umstritten: vgl. insbesondere Weigend, in: LK-StGB, Band 1, 12. Auflage, § 13 Rn. 14 ff.; Jakobs, AT, 29/2; H. Schneider/Gottschaldt, a.a.O., S. 576 f.; Lackner/Kühl, StGB, § 13 Rn. 6; Rudolphi/Stein, in: SK-StGB, § 13 Rn. 7 f. u. 14; Stree/Bosch, in: Sch/Sch-StGB, 28. Auflage 2010, § 13 Rn. 3.

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des Erfolges in der Tat nicht verhindern. Allerdings meint „die Einstandspflicht i.S.d. § 13 Abs. 1 StGB“ nicht „die Übernahme einer Garantie für den Nichteintritt des unerwünschten Erfolges, sondern die Verpflichtung, alles in seiner Macht stehende zu tun, um den Erfolgseintritt zu vermeiden“.988 Davon geht auch die Gesetzesbegründung aus, wenn es heißt: „Diese Umschreibung verdeutlicht das Erfordernis der Garantenstellung und der aus ihr entspringenden Garantenpflicht, in Richtung auf die Abwendung des drohenden Erfolges tätig zu werden.“989 Folglich kann der CO als Garant in Betracht kommen, auch wenn er nur ein Eskalationsrecht und keine Weisungs- und Anordnungsrechte hat. Er hat dann aber nur dafür einzustehen, dass Gefahren „nicht deshalb eintreten, weil er seine Kontroll- und Informationspflichten nicht erfüllt hat“, dass der Erfolg also nicht deshalb eintritt, weil dem Geschäftsherrn als betrieblichen Garanten die drohende Gefahr verborgen geblieben ist.990 Die fehlende Anordnungs- und Weisungsbefugnis führt also dazu, dass dem CO keine Straftatverhinderungspflicht trifft, sondern lediglich eine Verpflichtung, die übergeordnete Ebene zu informieren; sie schließt es jedoch nicht aus, diese Pflicht als Garantenpflicht aufzufassen. Wenn eine vertikale Delegation von Aufgaben möglich und sogar wünschenswert ist,991 wenn dies also zulässig ist, auch solche Aufgaben auf untergeordnete Ebenen zu übertragen, die Garantenpflichten darstellen, so muss es ebenso möglich sein, die Garantenpflichten zu „splitten“ und einem Mitarbeiter nur bestimmte Garantenfunktionen zuzuweisen.992 Mit Blick auf das Organ des Aufsichtsrats einer AG kann die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung nicht bestritten werden. Sowohl der Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit als auch einzelne Aufsichtsratsmitglieder sind ebenso Beschützergarant (zugunsten des Gesellschaftsvermögens gegenüber Schädigungen durch den Vorstand) wie auch Überwachergarant (zugunsten Dritter gegenüber Straftaten seitens des Vorstands).993 Dies wird aus der in § 111 AktG normierten Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats im Verhältnis zur Geschäftsführung geschlossen.994 Der Aufsichtsrat besitzt jedoch keine Weisungsrechte gegenüber dem Vorstand. Die Garantenpflicht begrenzt sich daher auf die rechtlichen Instrumente, die das Aktienrecht dem Aufsichtsrat zur Einwirkung auf den Vorstand vorgibt.995 Beispielhaft 988

Schall, in: FS Amelung, 2009, S. 287 (290); Kuhlen, in: Amelung, Individuelle Verantwortung, S. 71 (88). 989 E 1962, BT-Drucks. IV/650, S. 124. 990 So zutreffend für den Gewässerschutzbeauftragten Rudolphi, in: FS Lackner, 1987, S. 863 (878); vgl. auch Schall, in: FS Amelung, 2009, S. 287 (290); Kuhlen, in: Amelung, Individuelle Verantwortung, S. 71 (88). 991 Vgl. oben Teil 2, D. VI. und D. VIII. 2. 992 Siehe Schneider/Gottschaldt, ZIS 2011, 573 (576). 993 Tiedemann, in: FS Tröndle, 1989, S. 319 (322); Cramer, in: FS Stree/Wessels, 1993, S. 563 (564 ff.); H. Schneider/Gottschaldt, a.a.O. 994 BGHSt 47, 187 (201); Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, § 4 Rn. 183. 995 H. Schneider/Gottschaldt, ZIS 2011, 573 (576); Cramer, in: FS Stree/Wessels, 1993, S. 563 (564).

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sei das Zustimmungsverweigerungsrecht gemäß § 111 Abs. 4 S. 2, 3 AktG genannt.996 Für diese Auffassung spricht auch folgender Fall aus der Ingerenzgarantenstellung: „Wer einen anderen fahrlässig anfährt und dadurch dessen Leben gefährdet, hat nach der Lehre von der Ingerenz eine Garantenstellung, die ihn verpflichtet, den Tod des Unfallopfers zu verhindern.“997 Auch wenn es bei der Ingerenzgarantenstellung im Gegensatz zur Überwachungsgarantenstellung nicht primär um die Sicherung, sondern um Rettung aus der geschaffenen Gefahr geht, wird vom Garanten „nur“ verlangt, dass er den Verletzten ins Krankenhaus bringt oder ihn auf anderer Weise rettet.998 Es wird von ihm nicht gefordert, etwa die Operation im Krankenhaus durchzuführen. De facto rettet ihn nicht der Erfolgsabwendungspflichtige, sondern der operierende Arzt. Seiner Erfolgsabwendungspflicht kommt der Pflichtige aber in der Regel schon durch das Herbeiholen des Rettungswagens bzw. des Transports des Verletzten zum Krankenhaus nach. Übertragen auf den CO bedeutet dies, dass den CO sehr wohl auch ohne Weisungs- und Anordnungsrechte eine Garantenstellung treffen kann, wobei er seiner Pflicht durch die Information des Geschäftsherrn nachkommt. Er schafft gewissermaßen den Weg zur endgültigen Erfolgsabwendung durch den Geschäftsherrn. 2. Der Einwand der Eigenverantwortlichkeit Der Einwand der Eigenverantwortlichkeit des unmittelbar handelnden Mitarbeiters wird nicht nur im Rahmen der Geschäftsherrenhaftung999 vorgebracht, sondern auch hinsichtlich der strafrechtlichen Haftung des CO. Ersterenfalls wurde ausgeführt, dass die Geschäftsherrenverantwortung als Kehrseite der Freiheit, einen Betrieb zu eröffnen und zu betreiben, zu sehen ist. Da außenstehende Dritte auf die im Unternehmen bestehenden bzw. erzeugten Gefahren keinen Einfluss nehmen können, der Geschäftsherr aber wegen seines Weisungsrechts, seiner Organisationsgewalt jeweils i.V.m. seinem Informationsvorsprung dazu in der Lage ist, wurde die Geschäftsherrenhaftung bejaht. Ein Verstoß gegen den Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz wurde deshalb verneint, weil dem Geschäftsherrn nicht vorgeworfen wird, die Straftat des Mitarbeiters nicht verhindert zu haben, sondern die Gefahren, die aus dem Unternehmen heraus entstanden sind, nicht unterbunden zu haben. Diese Argumentationslinie kann nicht für die strafrechtliche Haftung des CO herangezogen werden. So hat Warneke Recht, wenn er behauptet, der CO habe Aufbau und Organisation des Betriebes nicht zu verantworten.1000 Seine Garantenpflicht folgt nicht aus dem Gedanken der rechtlichen Tolerierung eines Unterneh996

Vgl. eingehend, Schilha, Aufsichtsratstätigkeit, S. 169 ff. Vgl. zum Beispielsfall Roxin, AT II, § 32 Rn. 143. 998 Roxin, AT II, § 32 Rn. 143, 145. 999 Vgl. oben Teil 5, B. II. 4. 1000 Warneke, NStZ 2010, 312 (316).

997

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mens. Der CO lässt weder Mitarbeiter für sich tätig werden noch gliedert er sie in die Arbeitsabläufe des Unternehmens ein. Dem Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz kann beim CO nicht mit dieser Rechtfertigung Genüge getan werden. Völlig zu Recht stellt daher der 5. Senat in seiner Entscheidung nicht auf die eben genannte, für den Geschäftsherrn geltende Argumentationslinie ab, sondern darauf, dass es die notwendige Kehrseite ihrer gegenüber der Unternehmensleitung übernommenen Pflicht sei, Rechtsverstöße und insbesondere Straftaten zu unterbinden.1001 Freilich muss dies dahingehend korrigiert werden, dass es die notwendige Kehrseite ihrer gegenüber der Unternehmensleitung übernommenen Pflicht ist, Maßnahmen zur Unterbindung von Rechtsverstößen und insbesondere Straftaten zu ergreifen. Wenn jemand erklärt, er werde solche Maßnahmen ergreifen, und dies seine berufliche Kernaufgabe darstellt, so kann er sich später nicht auf den Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz berufen. Anders als beim Geschäftsherrn ist es beim CO die Übernahme dieser Verpflichtung, die diesen Grundsatz unberührt lässt. Dagegen argumentiert Spring wie folgt: „Niemand wird allein durch das Versprechen, eine andere Person zu überwachen, und sei es noch so innig abgegeben, zum Aufsichtsgaranten über diese.“ Als Beispiel führt er das Versprechen des Lebensgefährten eines Gewalttäters gegenüber dessen Eltern an, solche Straftaten des Partners künftig zu verhindern.1002 Diese Argumentation überträgt der Autor auf den betrieblichen Bereich.1003 Überzeugen kann diese Übertragung allerdings nicht, auch wenn dem von Spring gebildeten Beispielsfall beigepflichtet werden muss. Es wird hier anders als im Beispielsfall eine bereits existierende Garantenpflicht übernommen. Darüber hinaus ist die Übernahme einer beruflichen Pflicht etwas ganz anderes als die Übernahme einer Pflicht im privaten Bereich. Nach all dem spricht also auch der Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz nicht gegen die Garantenstellung des CO. 3. Reichweite der Garantenpflicht Die strafrechtliche Garantenpflicht geht immer nur so weit, wie der Herrschaftsbereich des Sicherungspflichtigen reicht. Daher gibt die Reichweite der normativen Herrschaftsgewalt zwangsläufig immer auch die Grenzen für die Bestimmung einer entsprechenden Gefahrabwendungspflicht vor.1004 Es ist evident, dass die Garantenpflicht des CO nicht weiter reichen kann, als die des Geschäftsherrn. Ein Herrschaftsrecht steht dem CO folgerichtig für Straftaten im privaten Bereich nicht zu, sondern bezieht sich „nur“ auf betriebsbezogene Straftaten der Mitarbeiter, wobei eine Begrenzung der Garantenpflicht auf spezifische Gefahren

1001

BGHSt 54, 44 (49 f. Rz. 27). Spring, GA 2010, 222 (226 f.); zum Beispielsfall vgl. oben Teil 3, C. III. 6. f). 1003 Spring, a.a.O., S. 227. 1004 Vgl. entsprechend der Geschäftsherrenhaftung, Rogall, ZStW 98 (1986), 573 (618); Schumann, Handlungsunrecht, S. 121; Herzberg, Unterlassung, S. 321. 1002

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nicht erfolgt.1005 Zur Vermeidung von Rechtsverstößen ist die primäre Aufgabe des CO die Erkennung, Kontrolle und Weiterleitung von Informationen, denen ein rechtliches Risiko innewohnt (compliance-relevante Informationen).1006 Wenn der CO einen Regelverstoß aufdeckt, hat er dies je nach Ausmaß des Verstoßes an die übergeordnete Ebene zu melden. Je nach Größe des Unternehmens und Schwere des Verstoßes, hat der CO das interne Berichtssystem in Gang zu setzen, damit für die Zukunft Abhilfe geschaffen wird und im konkreten Fall gegebenenfalls interne disziplinarrechtliche Maßnahmen ergriffen werden.1007 Es handelt sich hierbei um die schwierige Frage, ab welchem Verdachtsgrad die Anrufung der übergeordneten Instanzen geboten ist. Hierzu wird vertreten, dass bei sicher festgestellten betriebsbezogenen Delikten eine Anzeige beim Geschäftsherrn in jedem Fall erfolgen muss; während der CO bei vagen Hinweisen auf eine Straftat eines Mitarbeiters eine Einzelabwägung vornehmen muss.1008 Diese Ansicht verdient Zustimmung. Der CO darf sich kritischen Entwicklungen, von denen er Kenntnis erlangt, nicht verschließen.1009 Erhält er Informationen über (mögliche) Straftaten, muss er diesen nachgehen. Müsste er aber jedes auch unbestimmte Anzeichen beim Geschäftsherrn melden, so wäre Letzterer durch die Arbeitsteilung, also durch die Delegation der Compliance-Pflicht auf den CO, nicht entlastet, vielmehr würde er dadurch noch mehr Arbeit auf sich nehmen. Es würde zu einer Informationsflut führen.1010 Der CO muss anhand einer Abwägung sowohl die rechtliche Bedeutung der Information als auch den Verdachtsgrad bestimmen und so gewisse nicht relevante Informationen im Voraus schon filtern. Aufgrund dieser Filterfunktion wird Compliance auch als ein Informationsclearing verstanden.1011 Die durch diese Funktion gewonnen Ergebnisse sind dann durch den CO entsprechend zu steuern. Mit Ausnahme von § 14 Abs. 2 Nr. 2 StGB bleibt bei der Delegation von Aufgaben eine grundsätzliche strafrechtliche (Mit-)Verantwortung des Geschäftsherrn bestehen.1012 Erfolgt die Meldung der Straftat, ist der CO seiner strafrechtlichen Handlungspflicht grundlegend nachgekommen. Da ihm eine vom Geschäftsherrn abgeleitete „modifizierte“ Garantenstellung zukommt, genügt er seiner übernommenen Pflicht durch die Information des Geschäftsherrn über die Straftat. Zu weitergehenden Verhinderungsmaßnahmen ist er üblicherweise weder berechtigt noch 1005 Vgl. zur Reichweite der Garantenstellung des Geschäftsherrn oben Teil 5, B. IV.; so auch Rübenstahl, NZG 2009, 1341 (1343). 1006 Hauschka, AG 2004, 461 (463); Ehrler, Compliance in Universalbanken, S. 4; Schweizer, Insiderverbote, S. 163; Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 274, 277. 1007 Casper, in: Bankrechtstag 2008, S. 139 (159 ff.). 1008 Siehe Rönnau/Schneider, ZIP 2010, 53 (59). 1009 Bürkle, CCZ 2010, 4 (9). 1010 Siehe Rönnau, Symposium CO, S. 15. 1011 Ehrler, Compliance in Universalbanken, S. 133, 156; Schweizer, Insiderverbote, S. 214; Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 274 ff.; Eisele, in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrecht Hdb., § 109 Rn. 150; ders., WM 1993, 1021 (1024). 1012 Vgl. oben Teil 2, D. VIII. 2. a).

E. Zusammenfassung

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verpflichtet.1013 Nur insoweit trifft ihn eine Garantenpflicht, sodass diese Garantenpflicht durch die Meldung wieder zurückgegeben wird. Als Ausgleich fehlender Entscheidungsmacht hat er folglich die Möglichkeit, den Geschäftsherrn als Entscheidungsträger durch seine Meldung im Zweifelsfall bösgläubig werden zu lassen.1014 Eine Strafanzeigepflicht des CO gegenüber staatlichen Behörden besteht mit Ausnahme von § 138 Abs. 1 StGB allerdings nicht.1015 Compliance ist „Chefsache“, sodass der Geschäftsherr das Letztentscheidungsrecht besitzt. Dann ist es auch nur konsequent, dass der CO sich an den Geschäftsherrn wendet und nicht an die staatlichen Behörden,1016 da dies andernfalls zu einer Vorwegnahme des Letztentscheidungsrechts des Geschäftsherrn führen würde. Darüber hinaus handelt der CO primär im Unternehmensinteresse und nicht im Interesse der Allgemeinheit, sodass die Anzeige solcher Vorgänge seiner Funktion widersprechen würde.1017

E. Zusammenfassung Es bleibt damit festzuhalten, dass der CO eine sekundäre Überwachergarantenstellung aus freiwilliger Übernahme innehaben kann. Die beiden Vorfragen, nämlich ob eine Geschäftsherrenhaftung zu akzeptieren ist und ob die Delegation der Compliance-Pflicht möglich ist, sind zu bejahen. Hinsichtlich der Übernahme der Garantenpflicht muss als tatsächliches Moment ein beidseitiges Einvernehmen über die Delegation und Übernahme der Compliance-Aufgaben vorliegen. Der materielle Grund der Garantenstellung ist dagegen nicht in der Zusage des CO zu suchen, sondern besteht im Vertrauen auf die ordnungsgemäße Erfüllung der CompliancePflicht durch den CO, wobei dieses Vertrauen seine Grenzen in der objektiven Zumutbarkeit und einer regelmäßigen, jedoch nicht dauerhaften Kontrolle findet. Der CO hat die Herrschaft über die Gefahrenquelle nicht aufgrund seines Informationsvorsprungs. Da er Maßnahmen zur Verhinderung von Straftaten der Mitarbeiter ergreifen muss, liegt seine Herrschaft in seinem Eskalationsrecht i.V.m. mit seinem Informationsvorsprung. Die Übernahme der Kontroll- und Informationspflichten führt dazu, dass sich der CO nicht auf den Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz berufen kann. Das Fehlen des Anordnungs- und Weisungsrechts des CO bedeutet zwar, dass er nicht in der Lage ist, den Erfolgseintritt zu vermeiden. Allerdings verlangt § 13 Abs. 1 StGB von ihm nur, dass er das Zumutbare tut, um den Erfolgseintritt zu verhindern. Er hat rechtlich dafür einzustehen, dass der Erfolg 1013 1014 1015 1016 1017

Rieder, in: FS Goette, 2011, S. 413 (422). Lebherz, Emittenten-Compliance, S. 323. Vgl. oben Teil 2, E. II. 3. c), bb). Ebenso Rodewald/Unger, BB 2007, 1629 (1632). Vgl. oben Teil 2, E. I. 2. c).

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Teil 5: Die Garantenstellung des CO

deshalb nicht eintritt, weil dem Geschäftsherrn die Gefahr nicht bekannt geworden ist. Die Garantenpflicht des CO bezieht sich in Parallele zur Garantenpflicht des Geschäftsherrn gleichermaßen nur auf betriebsbezogene Straftaten. Entsprechend seinem Aufgabenbereich gibt er die Garantenpflicht durch die Meldung der Straftat wieder an den Geschäftsherrn zurück. Ein Anzeigerecht der Straftat gegenüber staatlichen Behörden besteht mit Ausnahme von § 138 Abs. 1 StGB nicht, da der CO im Unternehmensinteresse tätig wird und das Letztentscheidungsrecht dem Geschäftsherrn zusteht.

Teil 6

Schlussbetrachtung Die relevante Ausgangsfrage der hiesigen Untersuchung lautete, ob das obiter dictum des 5. Strafsenats seine Richtigkeit hat. Ob also den CO regelmäßig eine Garantenstellung kraft freiwilliger tatsächlicher Übernahme von Überwachungs- und Schutzpflichten trifft, solche im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmens stehende Straftaten von Unternehmensangehörigen zu verhindern. Diese Fragestellung kann mit einer Modifikation im Großen und Ganzen bejaht werden. Der CO ist nicht verpflichtet, die Straftaten von Unternehmensangehörigen zu verhindern. Er ist verpflichtet, Maßnahmen zur Verhinderung von Straftaten Unternehmensangehöriger zu ergreifen. Auch wenn ein Berufsbild des CO nicht existiert, kann ein bestimmtes Aufgabenprofil des CO hergeleitet werden, sodass de facto von einer „regelmäßigen“ Garantenpflicht ausgegangen werden kann. Letztlich soll im Folgenden noch aufgezeigt werden, wie die relevante Stelle im obiter dictum des BGH nach der hier vertretenen Auffassung aussehen müsste. Dies gilt allerdings nur bezüglich des hier vorgestellten CO. Zunächst das obiter dictum des BGH: „Eine solche, neuerdings in Großunternehmen als ,Compliance‘ bezeichnete Ausrichtung, wird im Wirtschaftsleben mittlerweile dadurch umgesetzt, dass sog. ,Compliance Officers‘ geschaffen werden […] Deren Aufgabengebiet ist die Verhinderung von Rechtsverstößen, insb. auch von Straftaten, die aus dem Unternehmen heraus begangen werden und diesem erhebliche Nachteile durch Haftungsrisiken oder Ansehensverlust bringen können. […] Derartige Beauftragte wird regelmäßig strafrechtlich eine Garantenpflicht i.S.d. § 13 StGB treffen, solche im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmens stehende Straftaten von Unternehmensangehörigen zu verhindern. Dies ist die notwendige Kehrseite ihrer gegenüber der Unternehmensleitung übernommenen Pflicht, Rechtsverstöße und insbesondere Straftaten zu unterbinden […].“

Eigene Auffassung: „Eine solche, neuerdings in Großunternehmen als ,Compliance‘ bezeichnete Ausrichtung, wird im Wirtschaftsleben mittlerweile dadurch umgesetzt, dass sog. ,Compliance Officers‘ geschaffen werden […] Deren Aufgabengebiet besteht darin, Maßnahmen zur Verhinderung von Rechtsverstößen zu ergreifen, insb. auch von Straftaten, die aus dem Unternehmen heraus begangen werden und diesem erhebliche Nachteile durch Haftungsrisiken oder Ansehensverlust bringen können. […] Derartige Beauftragte wird regelmäßig strafrechtlich eine Garantenpflicht i.S.d. § 13 StGB treffen, solchen im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Unternehmens stehenden Straftaten von Unternehmensangehörigen entgegenzuwirken. Dies ist die notwendige Kehrseite ihrer gegenüber der Unternehmensleitung übernommenen Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, um Rechtsverstöße und insbesondere Straftaten zu unterbinden.“

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– – – – – – – – – – –

formelle Bestellung 74 Kompetenzen 74 Position im Unternehmen 78 Stellung 76 Strafanzeigepflicht 203 Strafanzeigerecht 85 Straftatverhinderungspflicht 88, 110, 194 Unabhängigkeit 79 Weisungsrecht 83, 90, 102, 112, 121 Wirksamkeit 80 Zugangsrecht 81

DCGK 34, 43 Delegation 47, 55, 66, 109, 181, 202 – externe 67, 70 – Grenzen 62 – horizontale 56, 61 – vertikale 61, 67, 70, 181, 188, 196 Delegationsempfänger 65, 190 Dienstvertrag 114, 119, 182, 194 Doppelfunktion 100 Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz 115, 117, 120, 124, 159, 165, 172 f., 187, 200, 203 Eingriffspflicht 63 Einvernehmen 184 Einweisungspflicht 63, 189 Einwirkungsbefugnisse 196 Electrical Cases 22 Erdal-Fall 158 Erfolgsabwendung 116, 192, 198 Erfolgsabwendungspflicht 145 Ermessen 40 Erwartungshaltung 153 Exzesstaten 177, 180 Formelle Rechtsquellenlehre 147, 183, 185 Früherkennungssystem 38 Fungibilität 108

Sachregister Funktionen – Beratungs- und Informationsfunktion 29 – Marketingfunktion 30 – Qualitätssicherungs- und Innovationsfunktion 31 – Schutzfunktion 28 – Überwachungsfunktion 30 Funktionenlehre 96, 149, 154 Gefahr – personale 118, 163, 167, 171, 174 – sachlich-personale 118, 167, 171 – sachliche 118, 163, 171, 174 – spezifische 177 f. – unspezifische 177 f. Gefahrenminimierung 171 Gefahrenquelle 112, 138, 163, 169, 174, 178, 180, 192 Gefahrschaffung 153 Generalverantwortung 179, 181 Gesamtverantwortung 56, 58, 66, 68, 70 – Grundsatz 56 Geschäftsführung 48 – Geschäftsführung im engeren Sinne 52 Geschäftsherrenhaftung 103, 108, 131, 156 – modifizierte 197 Geschäftsverteilung 58 Herrschaft 112, 153, 163, 169, 173, 193, 195 – personale 164, 166 – Übertragung 191 Herrschaftswissen 193 Informationsclearing 202 Informationsorganisationsherrschaft 197 Informationssteuerungsherrschaft 197 Informationsvorsprung 108, 110, 112, 123, 131, 133, 162, 164, 169 f., 172, 180, 192, 194, 197 Informationsweitergabe 84, 135, 195 Ingerenz 141, 200 Kalkulationsfehler 18 Kassationsrecht 66 Kernbereichslehre 58 Kombinationslehre 167 f., 180

231

Legalitätskontrollpflicht 117, 172 Legalitätspflicht 26, 39, 44, 52, 117, 172 Leitung 48 – Führungspostenbesetzung 51 – Leitungsaufgabe 49, 52, 55, 58, 70, 182 – Maßnahmen außerordentlicher Bedeutung 51 – Steuerung des Unternehmens 50 – Überwachung 51 – Unternehmensplanung 50 Letztentscheidungsrecht 66, 70, 76 Loyalität 18 Macht 193 Materialisierungsansätze Mission Statement 47

150

Nichtanzeige 134, 204 Nichtverhinderung 139 Organisationsgewalt 169, 172, 180, 192 Organisationsmacht 113 Organisationspflicht 63 Outsourcing 67 Pflichtwidrigkeitserfordernis Privilegierung 135

143

Rechtsgüterschutz 135, 146 Restverantwortung 59, 63, 70 Rückwirkungsverbot 136 Sachgefahrenhaftung, verlängerte 163 f., 167 Schutzherrschaft 94 Schutzlücken 109 Sekundärgarant 191 Sperrwirkung – Bußgeldtatbestand 128 – Sondervorschriften 125 Standard-Compliance-Modell 46 Stellenbeschreibung 114, 119, 182, 194 Straftatverhinderungspflicht 199 – regelmäßig 89 Täterschaft 129 Teilnahme 129

232

Sachregister

Übernahme 91 Übernahmegarantenstellung 182 Überwachergarantenstellung 93, 149 – originäre 105 – sekundäre 108 Überwachungsaufgabe 88 Überwachungspflicht 60, 63 Überwachungssorgfalt 64 Unmündigkeit, partielle 162 Unternehmensbeauftragte 71, 106, 109 – Aufgaben 72 Unternehmensinteresse 90, 98, 104, 108, 115, 203 Unternehmensschutz 74 Unverantwortlichkeit, organisierte 197 Verantwortlichkeit 153 Verbandsdisziplin 122, 130, 192 Verbandsgeldbuße 57 Verkehrsstrafrecht 186 f.

Versicherungsunternehmen 32 Vertrauen 103, 117 f., 153, 155, 186 – horizontale Delegation 188 – vertikale Delegation 187 Vertrauen-Dürfen 174 Vorbereitungsaufgaben 197 Vorsatz 132, 179 Wechselwirkungsverhältnis 95 Weisungsrecht 162, 164, 168 f., 171, 180, 192, 199 Wertpapierdienstleistungsunternehmen 33, 74, 175 Wissen 132 Wuppertaler-Schwebebahnfall 158 Zumutbarkeit Zusage 185 Zuständigkeit

45, 64, 175, 190 f., 203 171