Nietzsche Werke: Band 3 Nachgelassene Aufzeichnungen (Herbst 1862 - Sommer 1864) 9783110912340, 9783110185843

This volume presents notes from Nietzsche’s final years in gymnasium between the fall of 1862 and the summer of 1864, in

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German Pages 486 [487] Year 2006

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Nietzsche Werke: Band 3 Nachgelassene Aufzeichnungen (Herbst 1862 - Sommer 1864)
 9783110912340, 9783110185843

Table of contents :
Vorwort
Nachgelassene Aufzeichnungen
[14; Oktober 1862 bis März 1863]
Erstes Buch der Lieder von Horaz. Anmerkungen v. F. Nietzsche
[14A; Oktober 1862 bis März 1863]
[15; April 1863 bis September 1863]
[15 A; April 1863 bis September 1863]
Erster Abschnitt I. Voltaire (Exzerpt aus Hettner, Geschichte der französischen Literatur)
[16; Oktober 1863 bis März 1864]
[16A; Oktober 1863 bis März 1864]
[17; April 1864 bis September 1864]
[18; April 1864 Sommer 1864]
Nachweis der aktuellen Signatur im Goethe-Schiller-Archiv Weimar (GSA) für die im vorliegenden Band abgedruckten Texte

Citation preview

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Nietzsche · Werke

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Nietzsche Werke Kritische Gesamtausgabe

Begründet von Giorgio Colli und Mazzino Montinari Weitergeführt von Volker Gerhardt, Norbert Miller, Wolfgang Müller-Lauter und Karl Pestalozzi

Erste Abteilung Herausgegeben von Johann Figl Dritter Band

Walter de Gruyter · Berlin · New York

III

Friedrich Nietzsche

Nachgelassene Aufzeichnungen Herbst 1862 – Sommer 1864 Herausgegeben von Johann Figl und Hans Gerald Hödl

Bearbeitet von Hans Gerald Hödl und Ingo W. Rath

Walter de Gruyter · Berlin · New York

IV

Ü Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

ISBN-13: 978-3-11-018584-3 ISBN-10: 3-11-018584-9 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Copyright 2006 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin. Kritische Ausgabe sämtlicher Werke und unveröffentlichter Texte Friedrich Nietzsches nach den Originalmanuskripten. Alle Rechte der Reproduktion, der Übersetzung und der Übernahme für alle Länder vorbehalten. Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin, für die deutsche Ausgabe. Editions Gallimard, Paris, für die französische Ausgabe. Adelphi edizioni, Mailand, für die italienische Ausgabe. Hakusuisha Publishing Company, Tokio, für die japanische Ausgabe. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Schutzumschlag: Barbara Proksch, Frankfurt/M. Satz: Dörlemann Satz GmbH & Co. KG, Lemförde Druck: Gerike GmbH, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Stein + Lehmann GmbH

Vorwort

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Vorwort I. In diesem Band sind nachgelassene Aufzeichnungen aus den beiden letzten Pfortenser Jahren Nietzsches enthalten (Herbst 1862 bis Herbst 1864). Wie in den vorangegangen zwei Bänden aus der Schulzeit stellen Schularbeiten naturgemäß einen hohen Anteil des hier präsentierten Materials dar, vor allem im Zusammenhang des Unterrichtes in der deutschen, lateinischen und griechischen Sprache und Literatur entstandene Niederschriften. Die Gruppe [18] enthält die Arbeiten zu Theognis aus dem Sommer 1864 mitsamt Nietzsches Valediktionsarbeit. Sie bildet gewissermaßen den Übergang zu den Aufzeichnungen aus der Studentenzeit, die in den Bänden 4 und 5 abgedruckt sind. Im vorliegenden Band finden sich neben den im schulischen Kontext abgefaßten auch solche Texte, die aus mehr oder minder eigenem Antrieb verfaßt worden sind, darunter wohl ein Großteil der Gedichte, aber auch autobiographische Aufzeichnungen, Arbeiten für den Freundeskreis Germania und andere Niederschriften. Zu den in eigenen Gruppen mit der Sigle A enthaltenen Manuskripten, die, so weit dies aufgrund der überlieferten Materialien feststellbar gewesen ist, als Exzerpte eingestuft worden sind, vergleiche das dazu im Vorwort zu Band 2 Ausgeführte. Wie dort ebenfalls bereits angemerkt, werden weitere Schularbeiten, die weniger eigenständige Bearbeitungen darstel-

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Vorwort

len (wie Kollektaneen oder Arbeiten mehr formal-technischer Natur) im Nachbericht dokumentiert.1 II. Das Prinzip der geschlossenen Wiedergabe eines Überlieferungsträgers hat uns dazu bewogen, die Aufzeichnungen 15 [34] – 15 [37] (GSA 71/216, MP II 33) als einen Zusammenhang abzudrucken, obwohl die darunter befindliche Niederschrift 15 [36] ein Exzerpt aus Emersons „Die Führung des Lebens“2 darstellt. Die thematische Nähe und die Art, in der die Seiten beschrieben sind, weisen diese Niederschriften als zusammengehörige aus. Das sachlich wie zeitlich nahe zweite Exzerpt aus diesem Buch, das im vorliegenden Band wiedergegeben wird, ist, da es vom Manuskriptbefund her nicht in den unmittelbaren Kontext der oben genannten Aufzeichnungen gehört, unter den Exzerpten in 15A (als 15A [4]) abgedruckt worden. III. Die bislang noch nicht veröffentlichten Gedichte 14 [58] und 14 [59] liegen uns nicht in der Handschrift Nietzsches, sondern nur in einer vom Nietzsche-Archiv gefertigten Abschrift einer Abschrift von Nietzsches Pfortenser Kommilitonen Guido Meyer vor (GSA 71/373a). Da die beiden Gedichte sowohl durch Gedichtlisten Nietzsches (vgl. etwa im vorliegenden Band 15 [19], 16 [21], 16 [24] und in KGW I/4, 40 [1]), in seinem Briefwechsel und auch aufgrund eines Briefes von Guido Meyer vom 3. 12. 1913 (GSA 72/463) bestens bezeugt sind, sind sie hier aufgenommen worden. IV. Mitunter sind zwei Fassungen eines Textes abgedruckt worden, so im Fall des Aufsatzes über den Charakter der Kriemhild

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Vgl. KGW I 2, Vf. Ralph W. Emerson, Die Führung des Lebens. Gedanken und Studien. Übers. von E. S. v. Mühlberg. Leipzig 1862.

Vorwort

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im Nibelungenlied. Nietzsche hat eine Version bei der Germania eingesendet (14 [17]), eine andere stellt einen Schulaufsatz dar (14 [18]). V. Die editorischen Prinzipien hinsichtlich der Bearbeitung entsprechen denjenigen für Band I. Ingo W. Rath hat die Aufzeichnungen 14 [6], [16], [20], [21], [33]; 15 [5]; 16 [4], [25], [26]; 17 [1] und die gesamte Gruppe 18 bearbeitet. Die übrigen Aufzeichnungen sind von Hans Gerald Hödl bearbeitet worden. VI. Vielen Personen und Institutionen ist für Unterstützung zu danken, durch die das Zustandekommen dieses Bandes gefördert worden ist. In erster Linie ist dem österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung für die langjährige Unterstützung dieses Editionsprojektes unser Dank auszusprechen. Den Verantwortlichen und Mitarbeiter/innen des Goethe- und Schiller-Archivs in Weimar, insbesondere Frau Roswitha Wollkopf, sind wir für Hilfe in allen archivarischen Belangen zu großem Dank verpflichtet. Ohne die Einrichtungen des Institutes für Religionswissenschaft der Universität Wien hätte dieses Projekt nicht realisiert werden können. Hier ist vor allem die unermüdliche Arbeit von Institutsreferentin Dagmar Hofko in allen administrativen Angelegenheiten zu nennen. Den Mitarbeiter/innen des Verlages Walter de Gruyter, vor allem Frau Dr. Gertrud Grünkorn, Frau Dr. Sabine Vogt und Herrn Andreas Vollmer gilt unser besonderer Dank für die sorgfältige Betreuung dieses Projektes. Wien, den 16. August 2006

Johann Figl Hans Gerald Hödl

Oktober 1862 bis März 1863

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[14 = Oktober 1862 bis März 1863; MP I 56–61; Mp II 22–27; MP III 10–12; MP IV 3–7; MP V 7, 34; 151–156; MP V 8, 55f; 66; MP V 10, 53; 55; 95; MP V 15, 98; GSA 71/373a]

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Nachgelassene Aufzeichnungen

14 [1] 14 [2] 14 [3] – 14 [4] 14 [5] 14 [6] 14 [7] 14 [8] 14 [9] – 14 [12] 14 [13] 14 [14] – 14 [15] 14 [16] 14 [17] 14 [18] 14 [19] 14 [20] 14 [21] 14 [22] – 14 [27] 14 [28] – 14 [30] 14 [31] 14 [32] 14 [33] 14 [34] 14 [35] 14 [36] 14 [37] 14 [38] – 14 [39] 14 [40] 14 [41] 14 [42]

= MP V 15, 98 = MP III 10 = MP I 56 = MP V 10, 53; 55 = MP IV 3 = MP I 57 = MP V 10, 95 = MP V 7, 34; 151–156 = MP III 11 = MP III 12 = MP IV 4, 1–13 = MP II 22 = MP II 22a = MP II 23 = MP IV 5 = MP IV 6 = MP V 8, 55f; 66 = MP I 58 = MP I 58a = MP I 58b = MP IV 7 = MP I 59 = MP I 60 = MP II 24 = MP II 25 = GSA 71/373a = MP I 61 = MP II 26 = MP II 27

Oktober 1862 bis März 1863

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14 [1] Meine literarische Thätigkeit, sodann meine musikalische. 1862.

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Vor den Osterferien entstand das Gedicht „Ermanarich.“ In den Ferien der Aufsatz „Fatum und Geschichte.“ Las sonst Emmerson, Büchner in den Anregungen für Kunst etc., fieng in Pforte Schillers aesthetische Erziehung usw. an. Stöckerts Tagebücher am 29 Apr!il" gelesen. Petöfi kennen gelernt. Von Longfellow ausgezeichnetes Gedicht „die alte Uhr“ übersetzt von Pertz. Materialismus. Hundstage 1861 beendigt „Schmerz ist der Grundton der Natur“, vierhändig. Michaelis viel an der Serbia gearbeitet, zuletzt aufgegeben etwa um Weihnachten. Ungarsche Skizzen „die Heideschenke Siegesmarsch, wilde Träume“ bis 2 Februar 1862 vollendet, dann bis Ostern „Heldenklage“. In Ostern den Plan zum „Merlin“ gefaßt. 29 Apr!il" Einleitung componirt „Satan steigt aus der Hölle auf.“ 30 Apr!il" Gefällt mir nicht mehr; es ist so schwer das Satanische zu treffen und die Kandida richtig zu zeichnen.

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Michaelis 1861 war es, wo ich in wenigen Tagen das vorliegende Bruchstück der Ermanarichsymphonie anfieng und vollendete, für zwei Klaviere berechnet nach dem Vorbild der Dantesymphonie, die ich kurz vorher hatte kennen lernen. Es war eine Zeit, in der der Ermanarichstoff mich heftiger als je bewegte, zur Dichtung war ich noch zu sehr erschüttert und noch nicht fern genug, um ein objekt!ives" Drama zu schaffen; in der Musik aber erfolgte der Niederschlag meiner Stimmung, in der sich die Ermanarichsage völlig inkarniert hatte. Trotzdem schwankte ich noch, wie ich das Produkt taufen sollte, ob „Ermanarichsymphonie“ oder „Serbia“, da ich den Plan hatte, ähnlich wie in der „Hungaria“ Liszt’s geschehen, die Gefühlswelt eines slavischen Volkes in einer Composition zu umfassen, da ich ferner den Gefühlsgang, der die Schöpfung durchwogte, noch nicht unparthei!i"sch secieren konnte und nur ahnte, was ich darin ausgesprochen. Es ist jetzt gerade ein Jahr darnach, wo ich genau die Stimmungen, die Wechsel der Gefühle sich in ihr drängen und stoßen finde, oft unvermittelt und herbe, die die Hauptpersonen des Ermanarichstoffes durchwühlen und damals meine Seele erfüllten. Jetzt bei der Revision des Bruchstückes habe ich das in der ersten Fassung oft nur Angedeutete in schärferer Fassung wiederzugeben gesucht. Einzelne fehlende Momente habe ich eingefügt, insbesondere ist das Ende ziemlich ganz neu und seiner Wildheit nach bei weitem alles überbietend, was mir in der ersten Fassung vorlag. Allerdings, es sind keine Gothen, keine Deutschen, die ich gezeichnet, es sind – ich wage es zu behaupten – Ungargestalten; der Stoff ist aus der germanischen Welt in die ungarischen Pußten, in die ungarischen Gluthseelen getragen. Und das ist der Hauptfehler des Ganzen. Sodann – fehlen auch den Personen jene urgermanischen, mächtigen Züge und Eigenschaften, die

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Gefühle sind mehr wühlend, modernisiert, zu viel Reflexion und zu wenig Naturkraft. Nach diesen allgemeinen Bemerkungen werde ich mög lichst deutlich das aussprechen, was mir jetzt, als ich das Bruchstück genauer durchforschte, als die Fäden des Verständnisses in die Hände fielen. Die ersten Takte – heroisch düster – führen uns den greisen Ermanarich vor, eine ernste, wilde Heldenpersönlichkeit, der Milde und Zartheit fern, die auf ihre verrauschten Lebenswogen kalt herabschaut. Die nächsten sechs Takte zeigen mehr Lebhaftigkeit und Unruhe, eine leise Freude schimmert durch – erwartet doch der alte Held den Brautzug mit der lieblichen Swanhild, angeführt von seinem Sohn Randwe! Von Ferne klingen die Töne eines nationalen Marsches, der Zug kommt näher, die Gefühle Ermanarichs steigern sich zu leidenschaftlicher Hast. Ist es Ungeduld, oder denkt er seines Sohnes, seines heißblütigen Randwe? Ahnt er, fürchtet er? Seine stürmischen Gefühle verschlingt der machtvoll eintretende Hochzeitsmarsch, voll ungarischer Gluth und Kraft. Währenddem wogt der Zug bis an seinen Palast heran; Swanhild, von Jungfrauen umringt, geht auf den König zu, von Harfenklänge!n" eingeführt, „lind, wie der Sonnenstrahl, der in den Säalen glänzt.“ (Edda) aber doch durchhaucht von Besorgniß, wenn sie den greisen, blitzaugigen Ermanarich anschaut. Das folgende Motiv, basierend auf den Tönen, die das Swanhildenthema durchklingen – an-

A Heroisch-düster

B Lebhafter. Dreivierteltaktrythmus

C Immer feuriger D Mit Hast

E Großartig F Lind und Innig

G Mit starkem Ausdruck. Taktfrei zu spielen

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deutend die Gleichstimmung der Seelen – tritt grell und heftig auf, schmerz durchwühlt, gramumnachtet. Randwe empfindet den Zwiespalt der Verhältnisse stark und leidenschaftlich, den Zwiespalt seiner Liebe und der Liebe seines Vaters; weltschmerzliche Verbitterung, daß seine Liebe zerstört, unheimliche Gedanken durchzucken ihn und ziehen nieder in die Tiefe, stumm fragend. Da dringen von fern die Klänge des Hochzeitsmarsches an ihn heran, heiter und traurig, herbe und süß: Randwe bricht in Wuth aus, er flucht und tobt, leidenschaftliche Triolen, impetuoso vorgetragen, zeichnen seine Verzweiflung. Seine Liebe zu Swanhild dringt durch, er wird weicher gestimmt, aber doch noch ist er furchtbar aufgeregt, die Gedanken und Gefühle stürmen und wechseln in ihm. Die für ihn fürchterlichen Klänge des Hochzeitsmarsches umziehn seine Seele, reißen sie fort, immer schneller immer stürmischer. Hier liegt in dem Ermanarichdrama der Punkt, wo Randwe in den Hochzeitssaal hereinstürzt, wüthend Swanhild an sich reißt, wo Ermanarich seinen Dolch nach ihm wirft. Die Musik drückt blos die wachsende Leidenschaft aus, jähe Aufschreie der Verzweiflung, dann plötzliches Entsetzen über seine That, die Wuth Ermanarichs, dessen Augen rollen, dessen Seele auffluthet, der den Sohn verflucht, dem Henker übergiebt; dann wie in Betäubung dasteht, von den Wellen der Wuth ver-

H Im Takt. Lebhaft

K Ruhiger, allmählich schneller

L Sehr stürmisch

M pp. Immer Schwächer

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schlungen, stumm und finster. Leise setzen die Musikanten das Hochzeitsmarschmotiv ein: das packt Ermanarichs Seele, das rüttelt ihn aus seiner Betäubung; das Fürchterliche übermannt ihn plötzlich, ozeanartig tost er auf; der Rythmus der Hochzeitsklänge klingt verzerrt, wie aus wildem Traum auftauchend, in seiner Seele Tiefe. Ein Geiger nimmt das Thema wehmütig, doch slavisch trotzig auf. Ein letzter Aufschrei Ermanarichs – voll ungarischer Wildheit – und der erste Theil eines Dramas ist ausgespielt, alles ist stumm, todt, harrend auf Erlösung. –

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O ffff. impetuoso Tremolo langsam, wie träumend recitativisch – sehr schnell –

Ich füge nun noch einige Anmerkungen über das Formelle hinzu. Der ganze Wechsel der Stimmungen ist sonderbarer Weise in ganzen Takttheilen ausgedrückt, indessen sind für den Vortrag eine Menge wechselnde Rythmen hervorzuheben. Dreivierteltaktrythmus ist an meheren Stellen. An andern wieder weder Rythmus, noch Takt, es ist aus drücklich bemerkt, daß sie taktfrei zu spielen sind. Einige mal ist das richtige Tempo in seinem raschen Wechsel sehr schwer zu treffen. So zum Schluß, wo ein Hineinleben in den fürchterlichen Vorgang allein das richtige Spiel lehren kann. Schwer hervorzuheben ist insbesondere die Ironie des Hochzeitsmarschmotivs. Unmittelbar vor dem Nationalmarsch im Anfang sind mehere sehr kühne Uebergänge. Von ges dur plötzlich nach g cis e a, dann von ges dur in d moll. Der Weltschmerz wird durch seltsame Harmonien eingeführt, die sehr herbe und schmerzlich sind und mir anfangs durchaus mißfielen. Jetzt erscheinen sie mir durch den Gang des Ganzen etwas wenigstens gemilde!r"t und entschuldigt. Das Drängen und Jagen der Leidenschaft zuletzt mit ihren plötzlichen Uebergängen und stürmischen Ausbrüchen strotzt von

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harmonischen Ungeheuerlichkeiten, über die ich nicht zu entscheiden wage. Das Entsetzlichste ist der Sprung aus des dur in ffff f as ces d mit a im Baßtremolo. Das folgende d moll ist mysteriös, besonders stört das tiefe es darin. Soliegt das ganze Bruchstück denn vor mir, abschreckend durch seine Wildheit und Herbe und wartend auf die Lösung, auf Befreiung von der drückenden Schwüle, die auf dem Schlusse lastet. Die Beendigung des Ganzen ist meine nächste größe!re" Aufgabe; ihre Beurtheilung wird dem Chronisten des nächsten Quartals zukommen, ebenso wie eine Würdigung des Ganzen, unpartheiischer als die meinige sein kann. –

14 [3] Und auf den Fluth

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So ists in meinem Herzen heiß, Am hellen Tag wie still wie weit! Doch in der Dämmrung wallt es leis Und lodert bald in hellen Brände!n" Und aus verschollner, trüber Zeit Da steigt es auf und quält mich wild Und schlingt sich stumm um alles Süße, Was mich noch labt, das bleiche Bild Und bringt mir aus den Gräbern Grüße.

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14 [4] Zum 18 Oktober 1862. Prolog.

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– Es geht eine Mär’ trübe und alt, Wie Nachts auf blut’gem Schlachtgefild, Wenn still der Mondschein niederquillt, Ein dumpfes Brausen wogt und wallt; Und wie vor Tönen, fern, verschwommen, Die träumende Erde jäh erschrickt; Und wie der Mond, so bang entglommen, So ängstlich bleich hernieder blickt. – Längst ist der blut’ge Tag verblaßt, Und Kampf und Sieg verschlang die Nacht; Die Todten haben nicht Ruh, nicht Rast, Sie stürmen heran zur Geisterschlacht, Sie tosen heran wie Sturmesbrausen, Umschlingen sich, packen sich haßdurchglüht: Indeß die Nixe sich mit Grausen Am Strome singt ihr Abendlied. – – Ein Gleichniß war’s. Ich will’s euch deuten. – Wie fern ist Leipzigs blutger Tag! Und doch! Ein wildes Sturmesläuten Braust durch die deutschen Seelen nach. Die heil’ge Gluth ist angefacht Und lodert nun in hellen Bränden; Zur Geisterschlacht, zur Geisterschlacht Da zieht’s, da wogt’s, da stürmt’s ohn’ Enden.

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Vorbei die Zeit des süßen Traums – Es ist kein Wahn, kein leerer Schein, Daß Gluthen frischen Lebensschaums Sich gossen in das Volk hinein; Daß in der Geister heil’gen Fernen Der ew’ge Freiheitskampf erglüht, Und daß herab von jenen Sternen Der Weltgeist segnend niedersieht. – Die Spötter höhnen frech und zittern Und nennen’s „Wahn ohn, Kraft und Saft“, Wenn sich zu heiligen Gewittern Der Völker Kern zusammenrafft. Sie sehn das jüngste Weltgericht Verkündet schon durch Gluthkometen Und schaun mit bleichem Angesicht Auf uns, die wir zur Freiheit beten. O brause, heil’ge Geisterschlacht, Und zehre auf der Spötter Blut! Du mächtig Wetter, das zur Nacht Sich sturm- und blitzereich entlud! Und zittern mag die ganze Welt, Wenn sie die Geister schaut, die bleichen, Wie sie, vom grellen Blitz erhellt, Aus ihrer Gräbertiefe steigen! O Deutsche, wollt ihr, schon erschlafft, Die Hände legen in den Schooß, Indeß aus schnöder Sklavenhaft Sich schmerzlich rang die Freiheit los? – Der Weltenorgel Machtakkord Mag euch aus euren Träumen wecken: Ihr seid der Freiheit ew’ger Hort,

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Ein Lied ein feuriges durch die Nacht Durch die träumende Nacht im Sternenschein! O laßt mich leben noch ein!en" Tag O laß!t" mich schauen noch eine Nacht Dann sargt mich ein Und singt mir nach Ein feuriges Lied im Sternenschein. Das Lied soll stürmen wie der Nord Daß die träumend!en" Herzen erstarren zu Eis Wie ein fernes Nordlicht blutig loht Soll es mir künden bleichen Mord Heimlicherweis Lej! Haj bis zum Tod. Ein feuriges Lied zur ewigen Reis Der bleiche Mord hat mein Herz verwundt Er hat mir erbrochen den Grabesschrein Den Schlüssel entwandt, ich find ihn nicht Und die Toten schaun mir alle Stund So bleich hinein Ins Angesicht. Sie lassen mich nimmer ach nimmer allein. Ein Lied ein feuriges durch die Nacht Ein Sturmlied blitz und donnerreich Dann muß ich ringen mit dem Mord Bis der bleiche Knabe, der Mond erwacht. Den küssen so gern Die Todten bleich Sie spielen zusammen mit Herz und Stern.

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Mein Herz das warfen sie in das All Da ist es versunken, ein Flugstern hell. Da haschten !es" die Todten im Sturme geschwind Und fandens zerbrochen vom schweren Fall Eine Wolkenwell’ Umfieng es lind: Es weinte der Mond, das blasse Kind. Die Todten haben mein Herz verlorn, Mein Stern ist untergegangen stumm. Nun bin ich den lieben Todten gleich Und habe mir auch ein Lieb erkorn Den Mond so bleich Fragst nicht warum? Wir wandeln Nachts auf den Gräbern um. Lun’ küß mich Lieb, du blasser Knab Dann muß ich ja ringen hülflos allein Noch wollen wir träum!en", noch ist es Zeit, Noch flattern die Todten frei vom Grab Im luftigen Reihn Vertanzen mein Leid Mein ewiges Leid im Sternenschein! Es geht eine Mär trübe und alt Wie der Mord der bleiche Geselle sich Durch die finstere Nacht zum Kirchhof stahl, Und die Gräber erbrach so stumm, so kalt. Von dannen schlich Im Mondenstrahl Eine Leiche und weinte bitterlich. – Es geht eine Kunde trübe und alt Wie der Mond die Erde überschleicht

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Durch die Wälder und durch die Höhen schweift Und heiße Thränen niederthaut Auf eine Leiche stumm und kalt. Die Wange gebleicht Schaut er und schaut Und schleicht und weint so laut, so laut. – Ein Lied ein feuriges durch die Nacht Durch die träumende Nacht im Sternenschein! O laßt mich leben noch ein!en" Tag O laß!t" mich schauen noch eine Nacht Dann sargt mich ein Und singt mir nach Ein feuriges Lied im Sternenschein. Das Lied soll stürmen wie der Nord Daß die träumend!en" Herzen erstarren zu Eis Wie ein fernes Nordlicht blutig loht Soll es mir künden bleichen Mord Heimlicherweis Lej! Haj bis zum Tod. Ein feuriges Lied zur ewigen Reis Der bleiche Mord hat mein Herz verwundt Er hat mir erbrochen den Grabesschrein Den Schlüssel entwandt, ich find ihn nicht Und die Toten schaun mir alle Stund So bleich hinein Ins Angesicht. Sie lassen mich nimmer ach nimmer allein. Ein Lied ein feuriges durch die Nacht Ein Sturmlied blitz und donnerreich Dann muß ich ringen mit dem Mord

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Bis der bleiche Knabe, der Mond erwacht. Den küssen so gern Die Todten bleich Sie spielen zusammen mit Herz und Stern. 5

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Mein Herz das warfen sie in das All Da ist es versunken, ein Flugstern hell. Da haschten!s" die Todten im Sturme geschwind Und fandens zerbrochen vom schweren Fall Eine Wolkenwell’ Umfieng es lind: Es weinte der Mond, das blasse Kind. Die Todten haben mein Herz verlorn, Mein Stern ist untergegangen stumm. Nun bin ich den lieben Todten gleich Und habe mir auch ein Lieb erkorn Den Mond so bleich Fragst nicht warum? Wir wandeln Nachts auf den Gräbern um.

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Lun’ küß mich Lieb, du blasser Knab Dann muß ich ja ringen hülflos allein Noch wollen wir träum!en", noch ist es Zeit, Noch flattern die Todten frei vom Grab Im luftigen Reihn Vertanzen mein Leid Mein ewiges Leid im Sternenschein!

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Es geht eine Mär trübe und alt Wie der Mord der bleiche Geselle sich Durch die finstere Nacht zum Kirchhof stahl, Und die Gräber erbrach so stumm, so kalt. Von dannen schlich

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Im Mondenstrahl Eine Leiche und weinte bitterlich. –

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Es geht eine Kunde trübe und alt Wie der Mond die Erde überschleicht Durch die Wälder und durch die Höhen schweift Und heiße Thränen niederthaut Auf eine Leiche stumm und kalt. Die Wange gebleicht Schaut er und schaut Und schleicht und weint so laut, so laut. –

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Epigrammata. 1862.

FW Nietzsche.

Solo. 15

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Ante diem IV Id. Octbr. Te nos, juste Solo, precimur: quid Tartara nigra Usque premis? Redeas, tempora cerne nova! Annos nonne decem tua vix servata verenda Jura, novi jam per millia legiferi? Multa doloris habet secum sapientia multa, Et qui multa docet, multa necesse pati. – Augustus. Sors, Auguste, tibi semper gratissima fautrix; Te celebrat vates tempus in omne sacer. Gratia sed major fati quod suavis Horati Usque fruebaris vivus amicitia.

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Nachgelassene Aufzeichnungen

Maecenas.

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Quisquis pauper et exsecrans sua fata poeta Vivit et usque caret dite patrocinio: Te celebrabit amans, Maecenas teque putabit Et sibi defunctum praemia ferre et opes. –

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Claudius Caligula. Te divum, Claudi, scelerate tyranne vocavit Aetas aequalis, divus honor tibi erat. At te non hominem despexit justior aetas Sed modo turpe animal nil nisi sceptriferum.

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Claudius Civilis. Claudi Civilis, Batavum tu semper amasti Germanumque decus nominaque ingenua. Non tibi ut Arminio fallax fortuna secunda Romanûm exitium servitiique dedit.

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Andromache. Hectora cum teneas puerumque, miserrima, caros, Deliciae divum et dulce videre manes. Deliciae maestusque simul, cum tale deorum Munus corripiant fata maligna tibi. Cassandra.

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Fata hominis sunt fluxa tibi, Cassandra, beati (ut Aeschyli verba beati imiter) Atque favor superum ceu levis umbra fugit. Si quondam graviora dedit tibi Parca maligna, Detersa in nihilum mox ut imago redit. Antigona. Antigonae quae suasit amans divisque sacrata Mens, obstante hominis lege peracta feri.

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Cum Jove qui stolidus rege est contendere fastus, Qui sedet aeterno numine cuncta movens! Fastus factaque vana cadunt humanaque cedunt; Sed stat in auxilio mens memor usque deûm. 5

Livia. Conjux Augusti quae praegnans venit in aedem Dira cupido novi compulit imperii. Splendida forma tui devinxit corda mariti Sed tibi erat feritas mensque scelesta simul.

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Cornelia. O utinam pictis matrem spectare tabellis Te possim et natum sidere utrumque simul, Tamquam dulce decus blandis te cernere ocellis Qui claro igne micant quique et amore tui. Felix quae patriae dedit ingenuos et alumnos Et patriae et natis pectora fida tuis.

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14 [7] Zum 18 Oktober.

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Ich denke einer trüben Zeit Wo dich, mein deutsches Vaterland, In dumpfer Traumvergessenheit Der Knechtschaft schnöde Fessel band; Und wo du, deiner Schmach bewußt, Mit Schauder dachtest deiner Ahnen, Wenn leis hinein in Sünd’ und Lust Ertönte ihrer Stimme Mahnen.

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18

Nachgelassene Aufzeichnungen

Da war’s, als ob in Spott und Hohn Man deine alte Herrlichkeit Zu Grabe trug mit Glockenton, Zu Grabe trug für ewge Zeit. 5

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Da war’s, als ob, ein Meteor, Dein helles Glühen ausgebrannt Und tief in gift’gem Sumpf und Moor Dein letzter blasser Glanz verschwand. Doch horch! Ein Brausen mitternächtig Zerreißt der Gräber stille Nacht Daß vor dem Wetter, schwer und mächtig, Der Todten bleiche Schaar erwacht. Da stiegst du wieder, deutsche Kraft, Empor vom Traume lang und stumm, Und warfst dir, frei von schnöder Haft Der Freiheit stolzen Mantel um. Und als die Nacht vergangen war, Und sich der Wolkenhimmel lichtet, Da standst du da, das Auge klar Hin auf der Zukunft Ziel gerichtet; Auf deinem Banner blutigroth Bezeugt die ewige Verheißung: Der Wahrheit Sieg, der Lüge Tod, Der Freiheit heil’ge Jochzerreißung! –

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Gedichtet von FW Nietzsche Am 16 Okt. 1862.

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14 [8] Ueber das Idyll. In Frankreich Marie Antoinette. Zu gering die Bukolika.

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14 [9] Ueber das Idyll. In der Einleitung findet sich eine Stelle, der ich wiedersprechen muß, weil sie mir Theokrit’s Stellung zu ver schieben scheint. Sie lautet:

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Im Allgemeinen unbedingt richtig, mit der Anwendung aber auf Theokrit unpassend. Die Neigung zum Volks tümlichen, zum Volkslied, zum Volksleben ist nicht gegen ie Richtung eines überfeinerten Geschmackes, sondern der Zeit eigenstes Erzeugniß, also zeitgemäß wie irgend etwas. Aus dem Volke regeneriert sich ja die Zeit immer wieder, denn es liegt in einer überfeinerten Zeit immer ein dunkles Ahnen, wo die Quellen fließen, aus denen allein eine Läuterung, ein Reinigungsprozeß sich herleiten läßt. Diese Ansicht hat der Verfasser nachher selber speziell ent wickelt im Widerspruch zu den angeführten Worten. Ich vergleiche übrigens die Neigung unsrer Zeit zum Volkslied und zu Volksgeschichte mit dem Bestreben eben jener Zeit

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Eichhorn frühste Erinnerung Thierfabel. Geburtstage. Kriegsvorliebe. Lekture von Abenteuern und Mytholog!ie". Geschichte griech. Natur. Lektüre des Cid und Ovid Weihnachten Franz. Gedicht. Uebersetzung von Ovid und Homer Tägliche Studien. Natur Heimat Religion Dramat!ische" Sachen Gereinigt!e" Form. Wehmut. Ohne Heimat

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Versuch der Novelle [–] Jena. Verstimmung. Geburtstag Tod Großvaters. Serb!ische" Lieder. Zweifel. Gesichte Deussen. Altmütterlein. Weltschmerz. Dramenstoff.

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Geburtstagsgedicht. Meeressturm. 1. Elegie. Ueberfall. Rettung. Cyri Jugendjahre 2. Ein Schifflein Gewitter Sepastopol. Februar 1856. II.

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Cecrops. Andromeda Leonidas und Telakeus. Ringgrafs Kleinod 3. Auf dem Meere ist es dunkel

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4. Messenerkriege 5. Chiron. 6. (Die Charolois. Götter im Olymp, Orkadal) Geburtstagsgedicht. Febr. 57. Chiron. Rinaldo 8. Raub der Proserpina. 7 Alfonso. (Lorenzo und Guido) Choral.

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Nachgelassene Aufzeichnungen

13. Weihnachten Hektor!s" Abschied. 9. Italia. 10. Der Geist. Uebersetzung 11. Iason. 12. Schirm dich Gott Februar 58. NB.

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Geburtstaglied. 14. Theodor Körner. Morgen. Abend. Herrschermacht. Schifferlied. 15. Lerche 16. Sturm auf dem Meere. Frühling. Conradin. Neujahrslied. 17. Nachtigall. 18. Müde Am Sonnabend Sommerabend. 19. An den Nebel. Frühlings Erwachen 20. Dort möcht ich sein. Frühlings Ende. 21. Osterfeier. 22 Nachts. Am Morgen. 23. Die Jagd. 24. Fata morgana. 25. Schönburg.

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26. Auf dem Eise. Im Mondenschein 27 Untergang Trojas) bis April 58. 5

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1859 1 Schwan. 28 Mailied. Maisonne. 30 In der Ferne. 29. Abendläuten. Heimweh. 1 Barbarossa. 31 Abschied. Bußlied. 32 Ohne Heimat Saaleck. 33 Heimkehr. Geburtstagl. 60. Die heilige Eiche Kapri und Helgoland. 34. Dornröschen Geburtstag Großpapas. 35. Verzweiflung. 28. 11. 60. 61. Februar. Geburtstagsgedicht, über Pobles usw. 36 Zwei Gesichte.

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Nachgelassene Aufzeichnungen

37 Serb. Volkslieder. 38 Herbstlieder. 39 Auf Deus!s"en. Geburtstagsged!icht" für Bormann. 40 Rein zu Thal Rein zur Höh. 41 Alt Mütterlein 42 (Ermanarich)

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Ich bitte in Voraus, die Behandlung meiner eignen Gedichte mir nicht als eitles Selbstinteressantsein aufzufassen. Ich stehe den Zeiten, die ich mit ihren Wirkungen auf mich darzustellen versuche, zu fern, um selbstgefällige Kritiken zu schreiben. Im Gegentheil denke ich zu zeigen, nicht wie man Dichter ist, geboren wird, sondern wie man Dichter wird d.h. wie aus dem fleißigen Reimschmied bei wachsender geistiger Fähigkeit auch schließlich ein wenig Dichter werden kann. Dies zur Vorbemerkung. Es ist nicht nur interessant, sondern sogar nothwendig, sich die Vergangenheit, die Jahre der Kindheit insbesondere, so treu wie möglich vor Augen zu stellen, da wir nie zu einem klaren Urtheil über uns selbst kommen können, wenn wir nicht die Verhältnisse, in denen wir erzogen sind genau betrachten und ihre Einflüsse auf uns abmessen. Wie sehr auf mich das Leben meiner ersten Jahre in einem stillen Pfarrhaus, der Wechsel großen Glückes mit großem Unglück, das Verlassen des heimatlich!en" Dorfes und die mannichfaltig!en" Ereign!i"sse des Stadtlebens einwirkten, glaube ich noch täglich an mir wahrzunehmen. Ernst, leicht Extremen zuneigend, ich möchte sagen, leidenschaftlich ernst, in der Vielseitigkeit der Verhältnisse, in Trauer und Freude, selbst im Spiel,

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5. Heideschenke. 1. Zwei Prophetenchöre. 2. Der Könige Tod. 8. Aus der Jugend. 9. Es geht ein Bach 10. So lach doch mal. 6. Ungar!ischer" Nachtmarsch

J u l i 1862. Sei still mein Herz Aus der Jugendzeit. Septemb!er". Es geht ein Bach. So lach doch mal. O c t o b e r Sinfon!ie" Ermanar!i"ch 7. Sei still mein Herz. Mazurek 12. Mazurek. Plan zur FSonate. 4. Heldenklage. J a n u a r 1862 3. Bagatelle. Drei ungarische Skizzen. 1. Hochzeitsmarsch. 1 Heideschenke 2 Wilde Träume Drei ernste Stücke. 3. Ung!arischer" Marsch. 1 I Bagatelle. 2 II Mai 3 III. Ungar!ischer" Ma!r"sch. 4 Bagatelle. Nachts. 5 Vier ungar!ische" Skizzen. Zigeunertanz. I. Heideschenke. 1 8 6 1 . October 6 II. Heldenklage. Serbia sinf. Dich t. 7 III. Nachts auf der Heide. J u l i 1 8 6 1 8 IV. Sei still mei!n" Herz. Schmerz ist Grundton. 9 Hochzeitsmarsch. Aug!ust" 1860 Drei Lieder Einleit. und Chor. 10 Aus der Jugendzeit. O c t o b ! e r " 1860 11 II. So lach doch mal. Zwei Hirtenchöre. 12 III. Es geht ein Bach. D e c e m b ! e r " 1860 13. Mazurek. Zwei Prophetenchöre. Zwei Proph!eten" Chör!e" J a n u a r 1 8 6 1 Vierungarsch!e" Skizzen I Marien[s]verkündigung

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Nachgelassene Aufzeichnungen

Drei Lieder. Hochzeitsma!r"sch. Mazurek 5

März 1861 II Marienverkündig!ung". Mai 1861 Einleitung zur dritten Szene. Juni Mohrengesang.

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Sturmmarsch. Edes titok. Aus der Jugendzeit. Es geht ein Bach. Aus der Szarda. Im Mondschein auf der Puszta.

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Lieder und Bilder. Aus der J!ugendzeit". Es geht ein Bach. Im Mondsch!ein" Sturmmarsch

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14 [16] Lat. Arbeit Oct. 1862. P r o o e m i u m L i v i h i s t o r i a r u m e x p l i c a t u r.

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Non avium cantu aut volatu, non inspiciendis pecudum fibris, non interpretandis somniis hariolorumque carminibus, quae futura sunt, elucent; si quis quidquid exoritur et evenit in rerum connexu accuratissime observaverit, is demum quid ex quo eventurum sit pro certo conjicere et fere providere poterit. Quamquam enim non certa quadam et immutabili serie res humanae volvuntur, ut hoc ipsum verisimile sit multa praeter id quod verisimile est evenire: plerumque tamen e similibus similia exsistunt neque ulla certior regula est judicandi, quo quaeque res evasura sit quam inspicere quem exitum similia in longinquitate temporum saepius et frequentius habuerint. Utilitas igitur quanta ex historia si ei summam damus operam, percipiatur, quis non videt! Jam vero Livius etiam alias graviores caussas inquirit et paucis amplectitur cur nobis admodum sit repetenda rerum gestarum memoria, in suorum librorum praefatione. Quae mihi et in hac ratione et in alia multum habere momenti videtur, quod ex his pulcris et simplicibus verbis quo animo Livius ad res scribendas aggressus sit, facile apparet. Itaque primo qui verborum sit vis et sententiarum series, deinde, quid nobis adjungendum esse videatur singulis Livianis dictis, simpliciter exponere conabimur. „Facturusne operae pretium sim si a primordio urbis res populi Romaniperscripserim, nec satis scio nec si sciam dicere ausim, quippe qui cum veterem tum vulgatam esse rem videam, dum novi semper scriptores aut in rebus certius aliquid adlaturos se aut scribendi arte rudem vetustatem superaturos credunt.“ His verbis Livius qua est modestia num sui ingeni vires ad rei magnitudinem sint accommodatae, dubitat; nam si sciat operae

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pretium sese facturum, summae sit arrogantiae id profiteri, cum tot et tanti viri antea eandem rem tractaverint, ut novis nihil restet scriptoribus nisi sermone ad unguem polito et certiore fontium cognitione superare, quicunque in easdem res scribendas suam operam contulerint. Re igitur integra relicta Livius „utcumque erit, pergit, juvabit tamen rerum gestarum memoriae principis terrarum populipro viriliparte et ipsum consuluisse.“ Quanto enim populus Romanus ceteris gentibus imperi magnitudine praestitit, tanto historia populi Romani ceterarum gentium historiis antecellit. Nullius populi obscuriora et tenuiora principia; nullius admirabiliores processus, nullius tanta majestas, tanta in prosperis rebus moderatio, in adversis animi magnitudo; nusquam et virtutum et vitiorum omnis generis aut plura exempla aut illustriora. Rerum autem magnitudo praestantia ingenia evocavit: scriptorum praestantia rerum magnitudinem adaequavit. Quibus se adjungere cum non audeat Livius, „et si in tanta. scriptorum pergit, turba mea fama in obscuro est, nobilitate et magnitudine eorum me qui nomini officient meo, consoler.“ Quos dicit Livius? Certe nec L. Calpurnium Pisonem, cujus annales sane exiliter scripti, neque P. Sempronium Asellionem, quem magis pueris fabulas narrare non historias scribere Gellius existumat, neque Coelium Antipatrum vel Claudium Quadrigarium, nec Valerium Antiantem quem ipse Livius censet nullum mentiendi modum tenere, neque denique Cornelium Sisennam pingue aliquid sonantem: at sane Porcium Catonem simplicem et luculentum scriptorem originum, certe Ennium patrem poeseos Romanae, cujus fama usque ad Livium vix integra et imminuta permanavit, certe ut omittam Cornelium nepotem et Cajum Caesarem, certe Crispum Sallustium quo nemo gravius et nervosius mihi scripsisse videtur. Nimirum ea est parva consolatio Livio, si parcam vel nullam rebus in scribendis gloriam acturum esse opinetur tantis viris suo nomini officientibus: ≤sed≥ sed nova ac major accedit:

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„Res praeterea est et immensi operis ut quae supra septingentesimum annum repetatur, et quae ab exiguis profecta initiis eo creverit, ut jam magnitudine laboret sua.“ Dixerit enim quispiam, num omnino unus homo historiam quae tam longinqua, tam diversa tempora quam illa Romana complectatur, in omnibus ejus partibus eadem diligentia scribere possit cum ex innumeris fontibus exhauriendum sit, deinde ex repertis coniciendum, conferendum, ejiciendum, corrigendum ut unius hominis vires nimis infirmae sint ad rei amplitudinem. „Et legentium plerisque haud dubito quin primae origines proximaque originibus minus praebitura voluptatis sint, festinantibus ad haec nova, quibus jam pridem praevalentis populi vires se ipsae conficiunt.“ Non enim soli Camilli, Curii, Fabricii, Maximi, Laelii, Scipiones in tanta rerum serie reperiuntur, sed etiam imagines corruptorum temporum, ubi res publica contentionibus paene diversis partium laceratur; ut homines qui quasi etiam in eodem orbe circumvolvuntur, de novissumis rebus sibi proximis quid judicet scriptor legere malint, quam memoriam priscae quamvis sincerae aetatis animo repetere. „Ego contra, ait Livius, hoc quoque laboris praemium petam ut me a conspectu malorum quae nostra tot per annos vidit aetas tantisper certe, dum prisca tota illa mente repeto, avertam, omnis expers curae, quae scribentis animum etsi non flectere a vero, sollicitum tamen efficere posset.“ Cum enim in repetendis priscis temporibus a spe, metu, partium studiis animus liber sit, et ex multis miseriis et periculis requiescit et aspectu sincerae virtutis, morum simplicitatis, fortium virorum corroboratur. Qua re has origines quasi sanctas habet Livius neque ex iis quae vera sint, quae ficta exquirere vult. !„"Quae, inquit ante conditam condendamve urbem poeticis magis decora fabulis quam incorruptis rerum gestarum monumentis traduntur, ea nec adfirmare nec refellere in animo est. Datur haec venia antiquitati ut miscendo humana divinis pri-

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mordia urbium augustiora faciat. Et si cui populo licere oportet consecrare origines suas et ad deos referre auctores, ea belli gloria est populo Romano ut cum suum conditorisque sui parentem Martem potissimum ferat, tam et hoc gentes humanae patiantur aequo animo quam imperium patiuntur.“ Non igitur Livius ut rerum scr!iptores" nostrae aetatis solent, investigare studet, ad quas caussas priscae fabulae sint referendae, neque num a poetis affictae an e popularibus carminibus exortae videantur perquirit, sed quaecunque narrant annales et alia vetustatis monumenta confert nec si dissentiunt quae vera vel verisimillima sit sententia dijudicare audet. Paucis ut dictionibus usitatis rationem historiae tractandae ejus significem, pragmaticam scribit, non criticam historiam. Quae sint caussae, quibus adductus id faciat, ipse declarat. Ut enim omnia sublimia et insignia si parvis primordiis exoriuntur, ad deos auctores referuntur ab hominibus simplicibus et aliquid rudibus, sic Romani principia sua mox fabulis conservabant cum quo miro modo ex quadrato vico, certe parvo et raro, tam celeriter summum imperium post tot bella pericula, obsidiones, incendia, ecresceret considerassent. Livius autem, qua erat summa deorum verecundia, eorum favorem nec scrupulis deminuere nec omnino laedere audet sanctam vetustatem, praesertim cum adeo in ea quidem aetate adspicienda requiescat et recreetur. !„"Sed haec et his similia utcumque animadversa aut existimata erunt, haud in magno equidem ponam discrimine: ad illa mihi pro se quisque acriter intendat animum, quae vita, qui mores fuerint, per quos viros quibusque artibus domi militiaeque et partum et auctum imperium sit; labente deinde paulatim disciplina velut desidentes primo mores sequatur animo, deinde ut magis magisque lapsi sint, tum ire coeperint praecipites, donec ad haec tempora, quibus nec vitia nostra nec remedia !pati" possumus, perventum est.“ His verbis Livius mihi ad partem prooemi principalem venisse videtur, qua quo animo ad rerum

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memoriam repetendam aggrediendum sit exponit pulcris et veris verbis. In rerum enim gestis, in tot clarorum virorum numero, in tantis inceptis et consiliis, si accuratius haud sine aliquo ingeni acumine connexun et rerum tenorem perspexerimus, facile inveniemus nostram naturam, nostras voluntates, nostra incepta tamquam in speculum inspiciamus. Videbimus ut moribus delapsis imperia senescant et paulatim evanescunt: videbimus ut res publica in quam vitia luxuriesque irrepserint, nusquam remedia invenire possit, quibus morbus extirpetur: ut pestis in omnia membra manet: ut totum corpus nervis debilitatis, robore omnino consumpto celerius ad ruinam proruat. At etiam quibus virtutibus reipublicae crescant, efflorescant, vigeant, nobis summa diligentia est perquirendum: si vero omnia animo admodum agitaverimus, certe in rerum memoria summa ad virtutem incitamenta, gravia ad vitia detestanda adjumenta constare profitebimur. „Nam pergit Livius, hoc illud est praecipue in cognitione rerum salubre et frugiferum, omnis te exempla documenta in illustri posita monumento intueri: inde tibi tuaeque rei publicae quod imitere capias, inde foedum inceptu, foedum exitu, quod vites.“ Cum igitur ut Ciceronianis utar verbis, tot nobis imagines non solum ad intuendum, verum etiam ad imitandum fortissimorum virorum expressas scriptores et Graeci et Latini reliquerint, si eas nobis et in vita certa norma dirigenda et in re publica administranda alioque in officio praestando proponimus, perfruimur summa utilitate historiae simul et voluptate; nam malle viros amplos eorumque vitam sequi, quorum facta admiremur et imitari studeamus, quam praecepta magistri vel legiferi moralia homines facile est intellegendum. „Ceterum, pergit Livius, aut me amor negoti suscepti fallit, aut nulla umquam res publica nec major nec sanctior nec bonis exemplis ditior fuit, nec in quam civitatem tam serae avaritia ≤lu≥ luxuriaque immigraverint nec ubi tantus ac tam diu paupertati et parsimoniae honos fuerit: adeo quanto rerum minus, tanto minus cupiditatis erat. Nuper divitiae avaritiam et abun-

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dantes voluptates desiderium per luxum atque libidinem pereundi perdendique omnia invexere.“ Erat enim in populo Romano robur indebilitatum usque ad Livi tempora; quod quotiescunque Romani e severis majorum praeceptis cesserant, semper detrimenta resarciebat neque insanabilem fieri morbum reipublicae patiebatur omnibus intentis viribus. Quod cum paulatim languesceret et novae luxuriae nimis indulgeret, ut tandem prisca sinceritas deluderetur et Graecis libidinibus cederet: res publica immutata ex pulcherrima et optuma pessuma et flagitiosissima facta est. Quae cum considerarit Livius, dolore percussu animus hilaris quo incepit proaemium omnino relinquit. Sed ad deos se vertit ne malis ominibus opus incipiat: „Sed querellae ne tum quidem gratae futurae cum forsitan necessariae erunt ab initio certe tantae ordiendae rei absint: cum bonis potius ominibus votisque et precationibus deorum dearumque, si ut poetis nobis quoque mos esset, libentius inciperemus, ut orsis tanti operis successus prosperos darent.“ – His verbis nihil ego adjungar possum nisi quod deos precibus Livii obsecutos esse Si perlustraverim tantum opus,

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Versuch einer Charakterschilderung der Kriemhild nach den Nibelungen. Der Germania. v. FW Nietzsche.

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Kriemhild. Großes und Erhabenes ist stets das Erzeugniß eines tiefen, vollen Herzens; die kleinen schwächlichen Naturen, die einer großartigen Entwicklung von Kraft nicht fähig in ihren Handlungen nur die eigne Beschränktheit pflegen über die lebensvolle Gluth in leidenschaftlichen Charakteren zu spotten oder zu moralisieren; mitunter auch zu erschrecken, wenn sie etwas von der dämonischen Gewalt ahnen, die durch Himmel und Hölle, durch die Abgründe von Liebe und Haß fortreißt und in grellen Gegens!ä"tzen hinstürmend bald das Erhabenste zertrümmert, bald das Kühnste verwirklicht. Wenige Menschen, voller Glück und innerer Zufriedenheit zusammenlebend, werden plötzlich in den Strudel der Verwirrungen hineingezogen; sie erkennen schauernd eine schwere, waltende und hemmende Schuld an, die in ihrer Selbstvermessenheit, ihrer Göttervera!c"htung wurzelnd allmählich so entsetzliche Früchte getragen hat. Und wenn ihnen ihre Trostlosigkeit, ihre Verzweiflung die Augen verschließt, daß sie sich von den rollenden Rädern eines ewigen Schicksals fortgerissen wähnen: immer werden Augenblicke kommen, wo der Mensch die Götter in heiterer, ewig gleicher Größe fern von Neid und Zerstörungslust auf ihren Stühlen

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sitzend und sich selbst an seine Schuld gefesselt und von Reue zerfleischt erblickt. Auch in den Nibelungen liegt eine solche Anschauung in seltner Tiefe und Erhabenheit zu Grunde; es ist der lügnerische Schein in dem Verhältnisse Gunthers und Siegfrieds den beiden Frauen gegenüber, der die Fäden des Verderbens um ein ganzes Geschlecht schlingt, und selbst in einer in Liebe versunkenen Natur wie die Kriemhildens ist, unermeßliches Haß- und Rachegefühl anschüren kann. Es kann allerdings nichts mehr befremden, als ein Vergleich der Kriemhild, um die Siegfried wirbt mit der, die ihren Bruder und ihren Sohn mordet, um ihrem entsetzlichem Haß volles Genüge zu thun. Hier die träumerische, schüchtern!e", ahnungsvolle Jungfrau, die vor der Mannesliebe zurückbebt, bis sie Siegfried gesehn, dann aber auch in dieser Liebe völlig aufgeht und in ihrer stillen Seligkeit aller weiteren Wünsche und Hoffnungen bar ist; dort ihren sechsundzwanzigjährigen Rachedu!r"st in vollen Zügen ersättigend, diesem einen Gefühl so nachgebend, daß sie den heiligsten Satzungen der Altdeutschen, der Sippenliebe und der Kindesliebe Hohn spricht, daß sie nicht nur die Schuldigen, sondern alle, die mit ihnen verbündet sind, vernichten will, zuerst nicht einmal in offnem Kampfe, sondern heimlich, durch Ueberfall, zur Nachtzeit. Um diese fürchterlichen Uebergänge von Liebe zu Haß zu begreifen, müssen wir die feine, psychologische Malerei beachten, in der uns das Nibelungenlied den Chriemhildencharakter zwischen ih!r"er Siegfriedliebe und der letzten Rachekatastrophe vorführt. Gleich der erste Streit der Königinnen, wie tief, wie großartig ist er erfunden; Kriemhild, wie sie ihren Gatten so herrlich vor den Helden hergehen sieht „wie den Mond vor den Sternen“ wallt in Liebe zu ihm auf: „Ich habe einen Mann, der es verdiente, daß alle diese Königreiche sein wären.“ Sie überhört die finstern, scharfen Worte Brunhildens, sie ist trunken vor Selig-

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keit, daß sie Siegfried angehört und preist ihn vor allen Helden. Das Feuer ist angeschürt, auf dem Kirchgang der Königinnen lodert es zum ersten Male hoch auf. Kriemhild gereizt durch Brunhildens höhnende Rede bricht in schlimme, unsühnbare Worte aus; doch setzt sie begütigend hinzu, – ein schöner Beweis ihres liebevollen, versöhnlichen Sinnes –: „Zu treuer Herzensfreundschaft bin ich immer wieder bereit. Mir ist der Streit immer leid, glaube es mir auf meine Treue.“ Siegfrieds Verderben ist von Brunhilden beschlossen; Kriemhild arglos, ohne eine Ahnung des Bevorstehenden giebt Hagen selbst die Mittel in die Hand; sie zeigt ihm die Stelle, wo er verwundbar, sie befiehlt ihn seiner Mannentreue. Als sie aber Abschied von ihrem Gatten nimmt, da durchschleicht ein banges Gefühl ihr Herz; Träume haben sie geängstet, wie in ihrer Kindheit Tagen. Sie scheidet mit den Worten: „Daß du von mir scheiden willst, das thut mir inniglich wehe.“ – Siegfrid ist todt. Kr!iemhild" hört von einem Kämmerer, daß ein erschlagner Ritter vor dem Gadem läge: sie weiß, wer es ist, wer den Mord begangen hat. Mit einem ents!etzlichen" Schrei stürzt sie vor und sieht die bleiche, blutbesprengte Gestalt des Vielgeliebten im Fakelschein daliegend. „Du bist ermordet, dein Schild ist nicht zerhauen! Dem gilt es den Tod, der das gethan!“ Den lügnerischen Worten Gunthers, Siegfried sei von fremden Räubern erschlagen, entgegnet sie: „Ich kenne die Räuber wohl und Gott wird es an ihnen rächen.“ Noch einmal, bevor Siegfried begraben wird, küßt sie ihren Gatten auf die bleichen Lippen; man trägt sie von dannen. Die Zeit des Leides hebt an. Nach drei Jahren wird eine Versöhnung mit ihren Brüdern vermittelt, mit Hagen nimmermehr. Durch reiche Spenden an Arme und Elende sucht sie sich in ihrem Leid zu trösten. Wieder tritt Hagen dazwischen; er fürchtet, daß sie sich zu viel der Mannen durch ihre Geschenke gewinne und räth zum Raube des Nibelungenhortes. Er nimmt die Schlüssel an sich und versenkt ihn später in den Rhein. Der un-

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heilvolle Bruch zwischen Kriemhild und Hagen wird hiedurch noch vergrößert. Vom Hunnenland kommen Boten, der edle[n] Markgraf Rüdiger von Bechlarn an der Spitze, um für König Etzel um die verwittwete Kriemhild zu werben. Kriemhild weigert sich überrascht. „Euch soll Gott verbieten, daß ihr an mir Armen euren Spott übt. Was soll ich einem Manne, der von einem guten Weibe schon Herzensliebe gewonnen hat?“ Das sind schöne, tiefgefühlte Worte. – Als sie aber von Etzels Macht und Reichthum hört, durchzucken sie wie blutige Schwerter Gedanken der Rache, der vollen, maßlosen Rache. Sie läßt sich von Rüdiger ewige Treue schwören und zieht mit ihm nach dem Osten, ungewisse Ziele verfolgend und sich vielleicht Vorwürfe machend. Unter dem Jubel und der Pracht der Hochzeit, wird ihr Auge naß: sie gedenkt der Zeit am Rheine, die sie mit ihrem Manne verlebte. Ihr Leben im Heunenlande ist scheinbar ein glückliches; sie genest eines Sohnes, den sie Ortlieb nennt. Um sich überhaupt ihr Vermögen, sich einer so unendlichen Rache hinzugeben, begreiflich zu machen, vergegenwärtige man sich ihre Lage: wie sie in eine Stellung gedrängt war, wo ihr Herz nie Ruhe finden konnte, wenn es auch so scheinen mußte; wie sie Etzel Liebe erwies und von ihm Liebe empfieng, nur den einen Siegfried im Herzen; wie der Zwiespalt, den sie dreizehn Jahre in sich trägt, ihre zarteren Gefühle vernichten muß und sie zu einem vollen Erguß ihres Wesens nach so langer Verstellung hindrängen muß, zu dem Gegensatz ihrer früheren schönen Liebe, zum Haß und zur Rache. So ist es auch hier wieder der Schein, die Lüge, die das Verderben anspinnt, auch hier wieder treten Wahrheit und Geradheit als Grundzüge unsrer Altvordern hervor, deren Verletzung die Seele erhärtet und dem wilden Treiben unedler Leidenschaften Neid, Haß, Rache das Thor öffnet. Unter dem Vorwand, ihre Magen wiederzusehn nöthigt Kriemhild den Hunnenkönig, Boten nach dem Rhein zu senden. Ihre entsetzliche Freude, als diese mit glücklicher Botschaft zu-

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rückkehren, zeigt sich in den Worten zu Etzel: „Wie gefällt euch diese Nachricht, lieber Herr? Was ich je und je begehret habe, das soll nun vollendet werden.“ Ihre Verwandte!n" kommen; sie sieht ihren Todfeind Hagen vom Fenster aus; zornige Thränen entströmen ihren Augen; sie fleht ihre Getreuen um Rache, sie will aus Hagens eignem Munde sein Schuldgeständniß. Er erwartet sie sitzend mit gräßlichem Hohn, das Siegfriedschwert mit seinem goldenem Gehänge und rotgewirkter Scheide über das Knie gelegt. Ihre Magen empfängt sie kalt ohne Kuß und Handschlag außer Giselher, den sie als blühenden Knaben verlassen hat. Ihrer Frage nach dem Nibelungenhort entgegnet Hagen mit höhnender Bestimmtheit. Sie merkt, daß die Fremden gewarnt sind; vor Dietrichs entschiedener Äußerung verstummt sie, Racheblicke auf ihre Feinde schleudernd. Ihre Bemühungen, einzelne zur Ermordung Hagens aufzureizen sind zuerst fruchtlos; und nur mit großen Versprechungen überredet sie Blödelin zum Ueberfall der Dienstmannen. Der erste große Kampf schließt sich hieran an. Immer noch ist es Hagen allein, dessen Tod sie auf alle Weise erstrebt; sie verheißt Etzels Schild mit rotem Golde gefüllt dem, der ihr s e i n blutig Haupt überbrächte. Noch einmal taucht ihre ursprüngliche Milde in ihrer Seele auf, als Giselher so rührend die schöne Schwester um sein junges Leben bittet. Nur Hagen fordert sie: „Euch will ich leben lassen, denn ihr seid meine Brüder und e i n e r Mutter Kind.“ Aber alle erklären lieber zu sterben als von der Treue zu lassen. Das reizt sie zur furchtbarsten Wuth. Sie läßt Feuer an den Saal legen, daß die Helden von unsäglichem Durst gepeinigt Blut trinken und mit ihren Schilden sich gegen die herabstürzenden Trümmer decken müssen. Ein kühler Morgenwind kündet den letzten Tag der Helden; im verzweif!el"ten Todeskampfe sinkt einer nach dem andern hin. Die Stiege, die zum Saal führt, füllt sich von neuem mit unzähligen Hunnenleichen. Dietrich ist es schließlich allein, der den

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beiden letzten Burgunden Gunther und Hagen entgegengeht; es gelingt ihm beide gefesselt vor Kriemhild zu führen. Und diese? Sie verheißt Hagen das Leben, wenn er den Nibelungenhort zurückgebe, seiner Antwort gewiß, ob ihr Todfeind auch in schnöden Fesseln zu ihren Füßen liegt. „So lange einer meiner Herren lebt, sage ich nicht, wo der Hort ist.“ Da läßt sie Gunther das Haupt abschlagen und trägt es zu Hagen hin bei dem Haare. Hagens Antwort ist das großartigste, was ich kenne, niederschmetternd in ihrer Einfachheit. Kriemhild schlägt Siegfrieds Mörder mit dem Siegfriedschwerte nieder; das Maaß ihrer Rache ist voll; alle ihre 12 Magen sind todt, und sie selbst, von des ergrimmten Hildebrands Schlag getroffen, sinkt neben Hagens Leiche nieder. Nur volle, tiefe Naturen können sich einer furchtbaren Leidenschaft so völlig hingeben, daß sie fast aus dem Menschlichen herauszutreten scheinen; mir graut aber vor der Herzlosigkeit derjenigen, die den ersten Stein gegen solche Unglückliche aufheben können. „Menschen, sagt Gutzkow, stellt dem Weltenrichter großartige Aufgaben; Sprüche urtiefer Weisheit werden fallen, nicht Schulcensuren.“

Pforte, am 23 Oktober geschrieben.

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Großes und Erhabenes ist stets das Erzeugniß eines tiefen, vollen Herzens; die kleinen schwächlichen Naturen, die, einer großartigen Entwicklung von Kraft nicht fähig, in ihren Handlungen nur die eigne Beschränktheit wiederspiegeln, pflegen über die lebensvolle Gluth in leidenschaftlichen Charakteren zu

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spotten oder zu moralisieren; mitunter auch zu erschrecken, wenn sie etwas von der dämonischen Gewalt ahnen, die durch Himmel und Hölle, durch die Abgründe von Liebe und Haß fortreißt und in grellen Gegensätzen hinstürmend bald das Erhabenste zertrümmert, bald das Kühnste verwirklicht. Wenige Menschen, in vollem Glück und innerer Zufriedenheit zusammenlebend, werden plötzlich in den Strudel der Verwirrungen hineingezogen; sie erkennen schauernd eine schwere, waltende und hemmende Schuld an, die in ihrer Selbstvermessenheit, ihrer Gotterverachtung wurzelnd allmählich so entsetzliche Früchte getragen hat. Und wenn ihnen ihre Trostlosigkeit, ihre Verzweiflung die Augen verschließt, daß sie sich von den rollenden Rädern eines ewigen Schicksals fortgerissen wähnen: immer werden Augenblicke kommen, wo der Mensch die Götter ewig gleicher Ruhe fern von Neid und Zerstörungslust auf ihren Stühlen sitzend und sich selbst an seine Schuld gefesselt und von Reue zerfleischt erblickt. Eine solche tiefe Auffassung des Schicksals leuchtet, wenn auch nur für schärfer Blickende bemerkbar, aus jenen Volksdichtungen hervor, in denen die Geistes- und Gefühlswelt einer ganzen Nation in ursprünglicher Großartigkeit und Reinheit zu Tage tritt, in Ilias und Odyssee, in Ramajana und Mahabbarata, in den Nibelungen und in Gudrun. Gerade in den Nibelungen ist die Verwicklung dem deutschen Gefühl höchst entsprechend: die Schuld beruht auf der Verletzung einer deutschen Stammestugend, es ist der lügnerische Schein in dem Verhältnisse Gunthers und Siegfrieds den beiden Frauen gegenüber, der die Fäden des Verderbens um ein ganzes Geschlecht schlingt und selbst in einer in Liebe versunkenen Natur, wie die Kriemhildens ist, unermeßliches Haß- und Rachegefühl anschüren kann. Es kann allerdings nichts mehr befremden, als ein Vergleich der Kriemhild, um die Siegfried wirbt mit der, die ihren Bruder eigenhändig mordet, um ihrem entsetzlichen Haß volles Genüge

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zu thun. Hier die träumerische, schüchterne, ahnungsvolle Jungfrau, die vor der Mannesliebe zurückbebt, bis sie Siegfried gesehn, dann aber auch in dieser Liebe völlig aufgeht und in ihrer stillen Seligkeit aller weiteren Wünsche und Hoffnungen bar ist; dort ihren sechsundzwanzigjährigen Rachedurst in vollen Zügen ersättigend, diesem einen Gefühl so nachgebend, daß sie den heiligsten Satzungen der Altdeutschen, der Sippenliebe und der Kindesliebe Hohn spricht, daß sie nicht nur die Schuldigen, sondern auch alle, die mit ihnen verbündet sind, vernichtet, zuerst nicht einmal in offnem Kampfe, sondern heimlich, meuchlings, durch Ueberfall. Um diese fürchterlichen Uebergänge von Liebe zum Haß zu begreifen, müssen wir die feine, psychologische Malerei beachten, mit der uns das Nibelungenlied den Kriemhildencharakter zwischen ihrer Siegfriedliebe und der Rachekatastrophe vorführt. Gleich der erste Streit der Königinnen, wie tief, wie großartig ist er erfunden; Kriemhild, wie sie ihren Gatten so herrlich vor den Helden hergehen sieht „wie den Mond vor den Sternen“ wallt in Liebe zu ihm auf: „Ich habe einen Mann, der es verdiente, daß alle diese Königreiche sein wären.“ Sie überhört die finstern, scharfen Worte Brunhildens, sie ist trunken vor Seligkeit, daß sie Siegfried angehört und preist ihn vor allen Helden. Das Feuer ist angeschürt, auf dem Kirchgang der Königinnen lodert es zum ersten Male hoch auf. Kriemhild gereizt durch Brunhildens höhnende Rede bricht in schlimme, unsühnbare Worte aus; doch setzt sie begütigend hinzu – ein schöner Beweis ihres liebevollen, versöhnlichen Sinnes –: „Zu treuer Herzensfreundschaft bin ich immer wieder bereit, mir ist der Streit immer leid, glaube es mir auf meine Treue.“ Siegfrieds Verderben ist beschlossen; Kriemhild arglos, ohne eine Ahnung des Bevorstehenden zu haben, gibt Hagen selbst dazu die Mittel in die Hand; sie zeigt ihm die Stelle, wo ihr Gatte verwundbar ist, sie befiehlt ihn seiner Mannentreue. Als sie aber Abschied von Siegfried nimmt, da durchschleicht ein banges Ge-

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fühl ihr Herz; Träume haben sie geängstet, wie in ihrer Kindheit Tagen. Sie scheidet mit den Worten: „Daß du von mir scheiden willst, das thut mir inniglich wehe.“ Siegfried ist todt. Kriemhild hört von einem Kämmerer, daß ein erschlagner Ritter vor dem Gadem liege: sie weiß, wer es ist, wer den Mord begangen hat. Mit einem entsetzlichen Schrei stürzt sie vor und sieht die bleiche, blutbesprengte Gestalt des Vielgeliebten im Fackelschein daliegend. „Du bist ermordet, ruft sie, dein Schild ist nicht zerhauen. Dem gilt es den Tod, der das gethan!“ Den lügnerischen Worten Gunthers, Siegfried sei von fremden Räubern erschlagen, entgegnet sie: „Ich kenne die Räuber wohl, und Gott wird es an ihnen rächen.“ Noch einmal, bevor Siegfried begraben wird, küßt sie ihren Gatten auf die bleichen Lippen; man trägt sie von dannen. Die Zeit des Leides hebt an. Nach drei Jahren wird eine Versöhnung mit ihren Brüdern vermittelt, mit Hagen nimmermehr. Durch reiche Spenden an Arme und Elende sucht sie sich in ihrem Leide zu trösten. Wieder tritt Hagen dazwischen; er fürchtet, daß sie sich zu viel der Mannen durch ihre Geschenke gewinne, und räth zum Raube des Nibelungenhortes. Er nimmt die Schlüssel dazu an sich und versenkt den Hort später in den Rhein. Die unheilvolle Kluft zwischen Kriemhild und Hagen wird dadurch noch erweitert. Vom Hunnenland kommen Boten, der edle Markgraf Rüdiger von Bechlarn an ihrer Spitze, um für König Etzel um die verwittwete Kriemhild zu werben. Kriemhild weigert sich höchst überrascht. „Euch soll Gott verbieten, daß ihr an mir Armen euren Spott übt. Was soll ich einem Manne, der von einem guten Weibe schon Herzensliebe gewonnen hat?“ Das sind schöne, tiefgefühlte Worte. – Als sie aber von Etzels Macht und Reichthum hört, durchzucken sie, wie blutige Schwerter, Gedanken der Rache, der vollen, maßlosen Rache. Sie läßt sich von Rüdiger ewige Treue schwören und zieht mit ihm nach dem Osten, ungewisse Ziele

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verfolgend und sich vielleicht Vorwürfe machend. Unter dem Jubel und der Pracht der Hochzeit wird ihr Auge naß: sie gedenkt der Zeit am Rhein, die sie mit ihrem Manne verlebte. Ihr Leben im Hunnenlande ist scheinbar ein glückliches; sie genest eines Sohnes, den sie Ortlieb nennt. Um sich überhaupt ihr Vermögen, sich einer so unendlichen Rache hinzugeben, begreiflich zu machen, vergegenwärtige man sich ihre Lage: wie sie in eine Stellung gedrängt ist, wo ihr Herz nie Ruhe finden kann, wenn es auch so scheinen muß; wie sie Etzel Liebe erweist und von ihm Liebe empfängt, nur den einen Siegfried im Herzen; wie der Zwiespalt, den sie dreizehn Jahre im Herzen trägt, ihre zarteren Gefühle vernichtet und sie zu einem vollen Erguß ihres Wesens nach so langer Verstellung hindrängen muß, zu dem Gegensatz ihrer früheren schönen Liebe, zum Haß und zur Rache. So ist es auch hier wieder der Schein, die Lüge, die das Verderben anspinnt, auch hier wieder treten Wahrheit und Geradheit als Grundzüge unsrer Altvorderen hervor, deren Verletzung die Seele erhärtet und dem wilden Treiben unedler Leidenschaften, – Neid, Haß, Rache, – die Thür öffnet. Unter dem Vorwande, ihre Magen wiederzusehn, nöthigt Kriemhild den Hunnenkönig, Boten nach dem Rhein zu senden. Ihre entsetzliche Freude, als diese mit glücklicher Botschaft zurückkehren, zeigt sich in ihren Worten zu Etzel: „Wie gefällt euch diese Nachricht, lieber Herr? Was ich je und je begehret habe, das soll nun vollendet werden.“ Ihre Verwandten kommen; sie sieht ihren Todfeind Hagen vom Fenster aus: zornige Thränen entströmen ihren Augen; sie fleht ihre Getreuen um Rache, sie will aus Hagens eignem Munde sein Schuldgeständniß. Er erwartet sie sitzend mit gräßlichem Hohn, das Siegfriedschwert mit seinem goldenem Gehänge und rothgewirkter Scheide über das Knie gelegt. Ihre Magen empfängt sie kalt ohne Kuß und Handschlag, außer Giselher, den sie als blühenden Knaben verlassen hat. Ihrer

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Frage nach dem Nibelungenhort begegnet Hagen mit höhnender Bestimmtheit. Sie merkt, daß die Verwandten gewarnt sind; vor Dietrichs entschiedener Äußerung verstummt sie, Racheblitze auf ihre Feinde schleudernd. Ihre Bemühungen, Einzelne zur Ermordung Hagens aufzureizen, sind zuerst fruchtlos; und nur mit großen Versprechungen überredet sie Blödelin zum Ueberfall der Dienstmannen. Der erste große Kampf schließt sich hieran an. Immer noch ist es Hagen allein, dessen Tod sie auf alle Weise anstrebt; sie verheißt Etzels Schild dem mit Gold gefüllt zu geben, der ihr sein blutig Haupt überbrächte. Noch einmal taucht ihre ursprüngliche Milde in ihrer Seele auf, als Giselher so rührend die „schöne Schwester“ um sein junges Leben bittet. Nur Hagen fordert sie: „Euch will ich leben lassen, denn ihr seid meine Brüder und einer Mutter Kind.“ Aber alle erklären, lieber zu sterben als von der Treue zu lassen. Das reizt sie zu furchtbarer Wuth. Sie läßt Feuer an den Saal legen, daß die Helden von unsäglichem Durst gepeinigt Blut trinken und mit ihren Schilden sich gegen die herabstürzenden Trümmer decken müssen. Ein kühler Morgenwind kündet den letzten Tag der Helden; im verzweifelten Todeskampfe sinkt einer nach dem andern hin. Die Stiege, die zum Saal führt, füllt sich von neuem mit unzähligen Hunnenleichen. Dietrich ist es schließlich allein, der den beiden letzten Burgunden Gunther und Hagen entgegengeht; es gelingt ihm beide gefesselt vor Kriemhild zu führen. Und diese? Sie verheißt Hagen das Leben, wenn er den Nibelungenhort zurückgebe, seiner Antwort gewiß, ob er gleich in schnöden Fesseln zu ihren Füßen liegt. „So lange einer meiner Herren lebt, sagt er, sage ich nicht, wo der Hort ist.“ Da läßt sie Gunther das Haupt abschneiden und trägt es an den Haaren zu Hagen. Hagens Antwort ist das Großartigste, was ich kenne, niederschmetternd in ihrer Einfachheit.

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Kriemhild schlägt Siegfrieds Mörder mit dem Siegfriedschwerte nieder; das Maaß ihrer Rache ist voll; alle ihre Magen sind todt, und sie selbst, von des ergrimmten Hildebrands Schlag getroffen, sinkt neben Hagen nieder. – Nur volle, tiefe Naturen können sich einer furchtbaren Leidenschaft so völlig hingeben, daß sie fast aus dem Menschlichen heraus zu treten scheinen. Mir graut aber vor der Herzlosigkeit derjenigen, die den ersten Stein gegen solche Unglückliche aufheben können. „Menschen, sagt Gutzkow, stellt dem Weltenrichter großartige Aufgaben; Sprüche urtiefer Weisheit werden fallen im Gericht, nicht Schulcensuren.“

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Erstes Buch der Lieder von Horaz. A n m e r k u n g e n v. F. N i e t z s c h e . E r s t e s L i e d . Widmung an den Maecenas. Die höchsten Lebensziele einzelner Menschen werden zusammengestellt, zuletzt nennt der Dichter den Epheukranz um die Stirne dasjenige, was ihn den Göttern zugesellt, und schließt mit feiner Wendung gegen den Maecenas: „wenn du mich den lyrischen Sängern einreihst, so werde ich mit erhabenem Scheitel die Sterne berühren.“ Schön ist darin die Schilderung eines gemüthlichen, epikureischen Lebens auf dem Lande. Man sieht darin die heitere, bequeme Lebensanschauung des Dichters, die z.B. auch in dem zu naiven elften Liede des zweiten Buches hervortritt. Der Anfang ist etwas zu schmeichlerisch, aber wird gut gemacht durch die Wärme der zweiten Zeile. – Im Gegensatz zu den beiden ersten Gliedern stehen die beiden folgenden: zuerst

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Erwähnung derjenigen, die nach den Begriffen der Griechen und der Römer das höchste Ziel erstreben, hier Sieg in den Olympien, dort die höchsten Ehrenstellen im Staate; dann die genügsameren Naturen, von denen der Eine nur volle Scheuern, der Andre die Bebauung seines väterl!ichen" Landguts sich wünschen, unter sich wieder entgegengesetzt, indem der erste in der Fremde, der zweite in der Heimat sein Glück sucht. Die beiden folgenden Glieder bilden wieder den Gegensatz zu dem sieben!tem" und achtem Gliede. Und zwar so, daß das Anspruchslosere vorangesetzt erscheint. Der Kaufmann voll Furcht vor dem Meer und Lob seines Landlebens, aber doch zu gewinnsüchtig und unruhig, um dort immer zu sein; der Tagedieb, der bei einer Flasche Wein im grünen Gebüsch, bald an der Quelle hingelagert die Zeit verträumt. Der Soldat, der den Krieg liebt „trotz Muttern.“ Der Jäger, der die zarte Gattin verl!ä"ßt. (man denke an Siegfried und Kriemhild) Die Stellung der Glieder bilden also dem Sinne nach einen Chiasmus. Zu bemerken noch der Gegensatz der beiden mittelst!en" Glieder, hier der Landmann, den keine Macht der Welt auf die See bringen würde, dort der Kaufmann, der sie fürchtet, aber doch des Gewinnes halber befährt. Zuletzt stellt sich der Dichter allen diesen Lebensbestimmungen gegenüber. Durch die Poesie trennt er sich von dem Volke, durch den Erfolg der Poesie, die begeisterte Stimmung (die unter dem Bilde des die Stirne bekränzenden Epheu dargestellt ist.) gesellt er sich zu den Göttern. In den Zeilen liegt versteckt auch eine Bitte, an die Musen, ein Flehen um ihren Beistand. Pforte 25. Okt. 1862.

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Des ersten Buches drittes Lied.

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Das Lied zerfällt in drei Theile, von denen der zweite und dritte enger zusammenhängen, als der erste und zweite. Das Schiff, auf dem Vergilius nach Athen fährt, wird zuerst angeredet, nachdem Venus, die beiden Dioskuren, und Aeolus angefleht sind. Ähnlich wie Tibull den verwünscht, der die Waffen erfunden, so hier Horatius den, der zuerst das Meer befahren. Er führt die Schrecken des Meeres vor Augen, die Gewalt der Winde, die Seeunthiere, die Klippen; umsonst habe ein Gott Land und Meer getrennt, wenn man zu Schiff das Meer befahre. Das sei aber die Verwegenheit der Menschen die gerade das durch Götter Verbotne (vetitum nefas) erstreben. Daran knüpfe sich alles Unglück der Sterblichen, wie die Kühnheit des Prometheus die Magerkeit und den Schwarm der Fieber und den beschleunigten Tod veranlaßt habe. So habe Daedalus sich in leerer Luft versucht, da doch dem Menschen keine Flügel gegeben sein: (man denke sich hinzu, wie sich diese Vermessenheit durch den Fall des Ikarus rächte.) So habe auch Herakles sich in den Orkus herabgewagt; ja selbst den Himmel erstreben wir, da wir nichts für zu steil halten, in unsrer Thorheit und veranlassen Juppiter ewig zum Schleudern seiner Blitze. – Also durch Himmel und Hölle dringt der vermessne Mensch, aber überallhin folgt ihm das Blitz des Gottes, die Nemesis, die nach der schönen Anschauung des Dichters gerne ruhen will von ihrem ewigen Strafen, aber von den Menschen zu rastloser Thätigkeit gezwungen wird. Wir begegnen hier der geläuterten Ansicht der Alten, denen das Schicksal als die unvermeidliche Folge unsrer Handlungen erschien. – Wie Juppiters Blitz aber umzuckt uns, wenn uns die Strafe plötzlich jählings überfällt, eine Ahnung dieser Anschauung: wir schauen im schnellen Glanze, wie der Vater dasitzt, unwillig die Hand emporhebend zum Fluch, aber doch

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genöthigt, daß die Menschen nicht titanenmäßig den Himmel stürmen. Die Ode ist in ihrem Anfang sehr herzlich, man merkt die tiefe Besorgniß für den reisenden Freund. Wie der Dichter aber zum zweiten Th!eil" übergeht, da entschwindet ihm allmählich sein Vergil immer mehr aus den Augen. Er selbst spricht seine eigne Furcht vor den Gefahren des Meeres aus; noch zittert der Anlaß des Liedes durch. Als er aber erst die Verwegenheit der Menschen schildert, da reißt ihn der Stoff aus seinem engen Kreise, immer großartiger wird er, die Gedanken immer enger und kürzer ausgedrückt, bis er endlich in dem Schluß das Erhabenste kühn in einem schönen Bilde zusammendrängt. Dies Lied ist selbst ein Beleg für das mächtige Streben der Menschheit nach dem Göttlichen; aus dem weichen Abschiedsgefühl quillt eine große, kühne Idee hervor, der Dichter steht zuletzt wie ein Prophet auf einer hohen Warte und überschaut Himmel und Erde. Es liegt zugleich eine entschiedene Demut in dem Schluß, die den Menschen immer überschauert, wenn er Göttliches verkündet. –

Des ersten Buches dreiundzwanzigstes Lied. Ein lyrisches Lied mit moderner, fast heinischer Za!r"theit gemalt. Reizend ausgedrückt ist non sine vano aurarum et silvae metu. Man glaubt das Laub im Wind rauschen zu hören. Auch das mobilibus veris inhorruit adventus foliis gefällt mir sehr wie auf dem Meer die Wellen im Schauer zittern, (homerisch ) so schauert der kommende Frühling in dem bewegl!ichen" Laub; wie ein lauer Wind kommt der Lenz, daß die Natur vor Wonne erschauert. Auch die Eidechsen die im Brombeergesträuch rascheln, sind äußerst angemessen dem Bild. Scherzhaft und voll leisesten Vorwurfs ist der Schluß; !„"ich bin ja kein wildes Thier, das !d"ich fressen will. Sei doch nicht

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so fabelmäßig schüchtern, laß nun nur die Mama, du magst nun dem Manne folgen.“ Für unsern Geschma!c"k ist das tempestiva sequi viro beinahe etwas zu natürlich und roh. Wir würden lieber eine verblümte Wendung, wie dies auch in meiner Uebertragung ist. Doch gereicht unser schlechter Geschma!c"k dem Horaz nicht zum Vorwurf. –

Des ersten Buches sechsundzwanz!igstes" Lied.

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„Ohne die Liebe kein Interesse; in der Liebe einziges Leben. Weh und Furcht mögen die Winde ins Meer tragen, ich bin selig und unbekümmert um die polit!ischen" Ereignisse. Du Pimpleis, Quellmuse bekränze meinen Lamia! Ohne dich vermag mein Loblied nichts. Du selbst mit einen Schwestern magst ihn mit der Laute Lesbos’ preisen.“ Der Dichter fleht den Beistand der Musen an, er fühlt sich zu schwach, den Lamia ohne ihre Hülfe würdig zu preisen. Allerdings das Höchste, was er dem Lamia sagen kann. Mögen wir übrigens über dergleiche Verhältnisse denken wie wir wollen, leugnen können wir nicht, daß eine tief poetische u. gefühlsreiche Natur auch dergleichen veredeln und versittlichen kann. Der Anfang des Liedes erinnert an ein heinisches Gedicht:

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Diffuso liquido nitet Ridens temperies lumine per Jovis Immensa atria, cum quies Ponti caeruleam reddat imaginem:

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Ut mirans placidos deos Vectos in niveis cernere navita Se solis radiis putet: Sic caeli species panditur integra. 5

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At terra invida, quae coquit Nox gurgesque soli, nubila contrahit Et caelum, nebulis caput Velata, in tenebras volvere vult malas. Jam Sol occiduis aquis Abdit se, tremulo jam volitat cohors Ventorum sonitu: jam tenebrae ingruunt, Mutescunt volucres, flosque dolet tener. Abreptam nitidi dolet Caeli temperiem flos, volucres, ferae, Abreptam ex oculis cupit At sero cupit – heu! terra diem sibi. – O virtutis imagines O vos pulcrae animae, muneribus dei Dignae, cur cruciant malae Vos saepe Jnvidiae vocibus impiis? Cur Fama ex latebris loquax Obscurare studet consilia integra, Ejecitque procul bonos Dilecta meritos e patria viros?

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Infensos habet, heu, nitor Et virtus, alios ut nimis arguens, Et quo splendidior micat, Elucent maculae tristius et scelus.

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Sero mens redit, exule Virtute; at populi vota neque aequior Lex hanc, quae volat ad deos Indignata, potest retrahere exulem. –

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14 [21] Per aspera ad astra.

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Silvarum pavor, o leo, Constrictus pedibus, vulneribus miser, Cur non, quod dominus jubet, Vis mulcere manus appositas tibi? Exhalans animum, ut deus Immotis oculis, cur medicum retro Ingratum rejicis, mori Sub tecto, silüis vivere, non lubens?

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Te centuplicis adspicit Hydrae victor ovans, quod sui imaginem, Morti non domitum videt Pectus, teque sui signa animi facit. Ipse urentem animum volens Non servare, jubet colligere ignea Signa ut flammiferum caput Oetae morte sua mox celebret sacrae. At divi meritum inserunt Et signum ordinibus, lucida sidera Astrorum innumeris, nova Percolenda sacris numina postibus.

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Solus sentibus inviis: Sed mutus leo ceu mox periturus aut Ignes ipse parans necis Atrides, oculis suspicias piis, Non ut consilium roges, Sed quaeras tibi quem di dederint locum, In tot sideribus vagis, In tot egregium luminibus locum!

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Kein größerer Schmerz die blühende Jugend im Keim vergiftet zu sehen. Wenn man die einen an ihren Lastern zu Grunde gehen sieht, andre dabei sich aohl befinden, u. die meisten doch so verderbt, ergreift uns ein so sehnendes Gefühl schmerzlich über diese Welt wie um herauszufliegen aus diesem Dasein. Oft mit so geringem froh, oft an dem Größten nicht genug, oft so vollen Herzens u. oft so entsetzl!iche" Leere. Glockenläuten Momente im Leben in Winternacht in Feld. Arm, arm, entsetzlich arm!

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Nachgelassene Aufzeichnungen

14 [23] Scene zwische!n" Swanhild u. Becca, glühende sinnl!iche" Liebe u. Lebensverdruß. Ermanarichs Selbstmord und Randwes Seelenqual.

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14 [24] !„"Nun tretet heraus, ihr Fremdlinge; schwer lastet eure

Botschaft auf mir.“

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Bekka ist ziemlich unvorsichtig u. ganz ohne Scheu vor der Welt Gerede. Es ist hier ein Knoten

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5 N o v. Schl!acht" bei Roßbach. Inkermann. Pulververschwörung. – Nachts wollte ich lat!einische" Arbeit machen, kam aber mit Stöckert in ein Gespräch über den moral!ischen" Einfluß der Kunst oder mehr über das Verhältniß von Kunst u. Moral. Sprachen bis 2 Nachts. Zuletzt noch Einiges über unsre Herzenssituationen. Mittwoch. Componiert ein!e" Mazurka. 4 N o v. Dienstag. Nachts von Montag Bowle mit Granier und Jäger stand zu offen. Am Morgen etwas heiß, ohne Lust zur Arbeit. Ausschlafetag. In Almrich Mittags.

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2 N o v. Sonntag. Mittags Spazierg!ang" am Teichgraben. A b e n d Ta n z . Ganz nett. – – V. Fuchs. L a t ! e i n i s c h e " A r b e i t . Donnerstag am Tag ganz wohl, wollte Nachts arbeiten, wurde nichts, schlief ein. Zettel Schulhausinsp!ektion" auf der Inspica!tion" Lange Rede von Busch. Kein Spaziergang.

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Nichts verkehrter als alle Reue über Vergangnes, nehme man es wie es ist. ziehe man sich Lehren daraus, aber lebe man ruhig weiter betrachte man sich als ein Phänomen, dessen einzelne Züge ein Ganzes bilden. Gegen die andern sei man nachsichtig, bedaure sie höchstens, lasse sich nie ärgern über sie, man sei nie begeistert für jemand, alle nur sind für uns selbst da, unsern Zwecken zu dienen. Wer am besten im herrschen, der wird auch immer der beste Menschenkenner sein. Jede That der Notwendigkeit ist gerechtfertigt, jede That notwendig, die nützlich ist. Unmoralisch ist jede That, die nicht notwendig dem Andern Not bereitet; wir sind selbst sehr abhängig von der öffentl!ichen" Meinung, sobald wir Reue empfinden u. an uns sel!b"st verzweifeln. Wenn eine unmoral!ische" Handl!ung" notwendig ist, so ist sie moralisch für uns. Alle Handlungen können nur Folgen unsrer Triebe ohne Vernunft, unsrer Vernunft ohne Triebe u. unsrer Vernunft u. Triebe zugl!e"ich sein.

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14 [28] Ermanarich.

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I Nacht. Fernher hell erleuchtet Schloß. Klänge von Musik leise herüber. 1. Gruppen von Menschen vorüber. Schönheit der Braut, Alter des Bräutigams. Furcht vor den Hunnen. 2. Heidnische Partei zieht vorüber zum Heiligtum. Man hört eine!n" Schrei aus der Ferne. Hunde bellen. 3. Randwe das Schwert in der Hand. athemlos. Zweikampf u. Zank zwischen ihm und Bekka. Bekka verwundet ihn, Volkshaufen trenne!n" sie ein Gewitter kommt heran, allmählich ab, 4. nur Bekka erscheint wieder, ein altes Weib mit ihm. (B!ekka" liebt Swanhild, ist Heide, haßt Erman!arich" als Christen und Gema!h"l der Swanhild u. als König; er ist Freund dem Randwe und will ihm auf alle Weise Swanh!ild" verschaffen. Hat ihn in Bez!ug" auf den Vater beleidigt.) Will vom Weibe einen Zauber, um Randwe zu fesseln, Beschwörungen des Weibes, läßt Swanhild erscheinen Gewitter, Liebe !Bekkas" erwacht, soll Randwes Namen rufen, nennt seine!n". Blitz. Zauberin verschwindet. 5. Monolog Schauer seiner That, Entzücken und tiefes Leid, Zweifel an der Erscheinung u. der Zauberkraft. 6. Chor der Heiden kommt zurück, verabreden sich zur Vernicht!ung" des Königs, !Bekka" als Oberpriester wird zur Vernicht!ung" des ganzen Hauses aufgefordert, schwankt bei Swanhild und Randwe. Giebt endlich für Randwe nach. Nicht für Swanhild, die Heidin ist. Sie soll dem Hause entrissen werden. Stürmisch auseinander.

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II.

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1. Bekka ist vom König ins Gefängniß geworfen. 2. Randwe kommt, um ihm zu verzeihen. Scene zwischen ihnen, Erinnerungen, Bekka redet in vor Aufregung, offenbart ihm endlich seine Liebe zu Swanhild. Randwe entsetzt. 3. Sie kommt selbst und lösst ihm die Fesseln. Schauer Bekkas. 4. Die Thüren aufgebrochen, die Heiden stürmen herein, nehmen Swanhild, Rufe an Bekka, Randwe zu opfern er unentschlüssig, endlich rettet er Swanhild u. Randwe, 5 Ermanarich herein, Bekka u. Swanhild zusammen, die Heiden entfliehen, Erma!narich" dankt Bekka, Swanhild umarmt leidenschaftl!ich" Randwe: „sie haben dich tödt!en" wollen“. R!andwe" nennt B!ekka" Verräther, Zorn, der König heißt beide gehn, 6. spricht mit B!ekka" der in Wuth klagt Randwe der Liebe an, der König außer sich, Gothen kommen auf sein Geheiß, 7 er trägt die Hinrichtung Randwes auf u. die Niederreitung Swanhilds. III.

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1. Ermanarich träumend. Bekka schleicht herein u. will ihn tödten. 2. Volksaufstand wegen der königl!ichen" Dekrete. Swanhild wird hereingeschleppt, der König u. Swanhild, Bekka und Randwe, Randwe zückt das Schwert auf den Vater, Bekka flüstert Swanhild zu Rettung für R!andwe" u. sie, sie entweichen beide. 3. König vermißt sie, furchtbarer Argwohn, der Sohn sagt dem König was er weiß. Der König schickt Häscher nach beiden aus, will allein sein. 4. Monolog, aus der Ferne sieht er Swanhild u. Bekka gefesselt herangeführt. Kunde vom Hunneneinfall kommt. 5. Das Volk verlangt Randwe zum Führer. 6 Randwe sieht Sw!anhild" u. Bekka zusammen dem Tode bestimmt, sucht dem Vater umzustimmen, veräth sich, wird vom Vater verflucht, gefangen gelegt.

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IV.

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1. Randwe wird herumgeführt auf der Stätte, wo Swanhild ermordet u. soll dann gehenkt werden Bekka ist entflohen, nachdem er Swanhild gesehen. !2." Die christ!liche" Partei für Randwe, wollen nicht henken. Die heidn!ische" auch für Randwe, der sich an ihre Spitze stellt gegen die Gothen. 3. Weite Haide. Zusammenkunft mit den Hunnen, an deren Spitze Bekka, Heftiger Zwiespalt, Randwe gebunden zurück gelassen, 4. das alte Zauberweib erscheint, Rachemittel gegen Gothen und Bekka, entdeckt sich als Mutter der Swanhild, Beschwörung, seine Fesseln zerbrochen, !5." aus der Ferne hört man das Brausen der Schlacht, Soldate!n" fliehn vorüber, Gothen geschlagen, 6. Kunde von Ermanarich der vertriebe!n" ist aus dem Schloß. 7. Ermanarich kommt todtwund u. mordet sich einsam in der Haide. Randwe will ihn abhalten, das Zauberweib aber hält ihn durch höhn!ische" Reden zurück. V.

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Man sieht aus der Ferne das Schloß brennen, 1. Randwe aus der Höhle hervor; dunkel alles, Monolog. Verfluchung. Irrsinnig. 2. Ein Zug kommt, Randwe verbirgt !sich", es ist Bekka der todteswund niedergesetzt !wird", die Christen überlassen ihn dem Tod zur Rache, sie selbst ziehend singend vorüber 3. Randwe kommt zu Bekka, Versöhnung aus der Ferne der Gesang der Christen. Bekka will zuerst nicht, endlich reicht er die Hand.

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14 [29] Am Tag vorm Todtenfest.

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O Glockenschall im Winternacht Mein armes, irres Herz erwa!c"ht Und denkt der Todten all zur Stund Die schliefen lang in Herzensgrund. O liebe Todten bringt zurück Mein Lieben u. mein Lebensglück D!er" Glocken Ton verweht u. hallt So voll, so warm aufs Herz so kalt. Ein Licht das zünd ich an u. schau Hinaus ins oede Wintergrau Das Licht das zittert ohne Ruh Mein Herze zittert auch dazu.

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Ein Windstoß hat es ausgeweht, Ich sprach für mich ein leis Gebet Und dacht an mein!en" Tod so bang In Winternacht und Glockenklang. O Glockenton in stiller Nacht – Die lieben Todten sind erwacht Und rufen mich zu lange!m" Schlaf Zum langen, kühlen Todtesschlaf. O wies mich seltsam überthaut: Die Töne rufen mich so laut O laßt mich sterben daß ich hin Zur Ruhe komm, u. stille bin.

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Es ist Nacht: aus der Ferne das hell erleuchtete Schloß. Es schleichen sich einige Gestalten über die Bühne. Man hört aus der Ferne einen Schrei, Thüren zugeworfen. Randwe verfolgt Bekka. R a n d w e Steh! B e k k a setzt sich auf einen Stein, unbeweglich. Verbirgt sein Gesicht. Ich mag ni!c"ht. Es ist genug.

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1. Randwe mit Bekka uneins, weil Bekka gegen Ermanarich auftritt, Randwe für den Vater. 2. Bekka in Folge verbittert, seine Freundesliebe augenblicklich geschwächt, seine Swanhildliebe mit seinem Christenhaß. Giebt noch nicht seiner Swanh!ildliebe" nach. Seine Inneres aufgeregt findet sich in der wilden Wetternatur; sein poetisches Naturell veranlaßt die Herbeirufung des Zauberweibs, aber zugleich seine edlere Natur die dem Freund das Glück der Swanhild gönnt. Die Worte der Hexe rufen seine glühende Liebe für Swanhild zurück, er giebt dieser nach. Innerer Zwiespalt wach, nach dem der Zauber schwindet. Durch Haß sucht er seine Liebe zu übertäuben gegen Ermana!rich" Rache, aber indem er auch Randwe Rache schwört, tritt sein innerer Zwiespalt wieder hervor, wird von Häschern weggeführt, erneute trotzige Stimmung.

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Durch den ersten Akt

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1. Randwe’s Zwist mit Bekka angedeutet der bis zum Ende des zweiten wächst. 2. Die Zerrissenheit des Reiches in heidni!sche" u. christ!li" che Partein vor dem Hunnensturm 3. Der tragische Hintergrund, Ermana!ri"ch!s" Ehe als Greis, die Möglichkeit der Liebe Randwe!s" u. Swanhilds, aus den Reden des Volks u. Bekkas. Ebenso Randwes Ueberstürzung. u. Bekka gemischter Charakter. I.

Entwicklung bis zur erklärten Feindschaft zwischen Bekka u. Randwe. II. Folgen Swanhilds Tod u. des Königs beim Einbruch der Hunnen. III. Randwe u. Bekka gestürzt bis zur Versöhnung. E i n b r u c h d e r H u n n e n , histor!ischer" Hintergrund, dadurch Ermanarich, völlig gebrochen, Bekka Mittel zur Rache in die Hand gegeben, Randwe mit Bekka zusammengebracht. S w a n h i l d s Tod. Ermanarichs Tod dadurch motiv!iert" seine Schuld liegt hierin. Ebenso Randwes Kriegsversuch gegen den Vater motiviert. Bekkas Rache gegen den vermeintl!ichen" Verrätherfreund dadurch entflammt. 1. Randwe u. Bekka als innige Freunde geschildert. Swanhild als Zankapfel zwischen sie. R a n d w e kämpft mit sein!em" Ehrgefühl, seiner Vaterliebe und der Liebe zu Swanh!ild" u. !Bekka". B e k k a kämpft mit seiner Freundesliebe, seiner Swanhildliebe, seinem Ermanarichhaß u. seine!m" Christenhaß. E r m a n a r i c h kämpft mit seiner Christenvorliebe, sein!em" Heidenhaß, seiner Sohnesliebe, seiner Weibesliebe. S w a n h i l d kämpft mit ihrem Ehrgefühl, ihrer Randweliebe, ihrem Bekkahaß.

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Sie kann Bekka nicht leiden, weil ein einheitlicher Charakter eine Aversion vor gemischten hat.

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Sie achtet den Greis Ermanarich, sie fühlt sich als Frau des größt!en" Herrschers geschmeichelt, sie wird blos als Trost im Alter angesehen, im sichern Bord bei Ermanarich, das erfaßt sie erst spät und sie schuldigt sich des größten Undanks. Randwe liebt sie enorm heißblütig weil er eine ihrem Charakter entgegengesetzte Persönlichkeit ist u. sie in ihm den Mann kenn!en" lernt. Deshalb ist sie auch gegen Bekka freundlich, wenngleich mit innerer Scheu. Sie bemerkt ihr Gefühl selbst nicht für R!andwe" sie wird bei dessen Lebensgefahr davon überwältigt, Angst vor dem Tode. E r m a n a r i c h . Hohes Selbstgefühl, verlangt zu viel vom Weibe, ungeheures Ehrgefühl. Despotisch gegen den Sohn, sehr heftig, Einflüsterungen gegen seine Ehre hingeneigt. Sein Grundsatz: Es nimmt die Welt dich stets wie du dich giebst. Nach Verletzung seiner Hausehre gebrochen. Reue über seine That. Selbstmord. B e k k a . etwas zu R e f l e k t ! i r t " in seinem Wesen, dies Schein, dieser Schein verdeckt seine ungestüme L e i d e n s c h a f t . Am Ende bricht seine leidenschaftl!iche" Freundesliebe durch Sophist. Nach langer Verstell!ung" überrascht ihn seine Swanhildliebe. Für das Heidenthum seinem Grundcharakter nach eingenommen; Dichter von Natur. Geschmeidig, gelehrt, bald unentschlossen, bald sich überstürzend, haßt Ermanarich als eine urprosaische Natur, dann auch, weil er so kalt ist. Ueber sich oft lächelnd. R a n d w e . Jugendlicher Schwärmer, blindlings in alles stürzend, für einige Moralgrundsätze begeistert, die zusammenstürzen. Etwas Weltstürmer, fällt bald ab. Seine Thaten geschehn im Rausch des Gefühls.

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Nebenpersonen. Ulphilas, gleichmäßig warm, väterlich, leidenschaftslos, mild im Urtheilen. A t h a n a r i c h Heidenanführer. Schleichend, will Erm!anarich" Randwe vernichten, giftig, die Schwächen anderer absehend. Mann des Systems. B l e d a Anführer der Hunnen, roher Krieger, aber ehrlich u. gerade. Grausam. J a g o m i r. Anführer der Hunnen. Eifersüchtig in seiner Macht. Sehr sinnlich. G u d r u n Zauberweib Alraune, begünstigt Hunnen, mitleidig. A u s d e m Vo l k . Ein musikal!ischer" listiger Böhme. Ein Grieche lüderlich. Ein Römer Bramarbas. Ein alter Gothe. Gutmüthig, bummlig usw. 1. 2. 3. 4. 5. 1. 2. 3. 4.

Volksscene. Ferne das erleucht!ete" Schloß. Duell v. R!andwe" u. B!ekka". Gewitter naht. Bekka u. Zauberin. Heidenscene. Häscherscene.

Ruhig, nur Streiflichter. Offen ausgesprochner Groll. Hell und Grell. Dumpf mehr innerlich. Leidenschaftlich mit drohende!n" Lichtern auf die Zukunft. 5. Grelle Gegenwart.

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1 . A c t . Eine Haidegegend. Nacht. Im Hintergrund die erleuchtete Königsburg Ermanarichs. S c e n e I . Vo l k s s c e n e . Gruppen ziehen vorbei. Unter ihnen die gothische Heidenpartei, die zum nächtlichen Dienst des Thor zieht. Aus den Gesprächen wird klar 1. Ermanarichs hoher Ruhm, Beliebtheit beim Volk, seine neue Heirat, die Bedenken dagegen, der Preis der Swanhild, die Unruhe vor dem Hunnensturm, die Feindschaft der Christen und Heiden, drohende Anzeichen der Götter, am Himmel nahendes Wetter; die Einen kommen aus den Gegende!n" neugierig zur Königsburg, von der Musikklänge herüberschallen; sie sind sehr beweglich, leichtgläubig, königstreu, trauen der Heidin Swanhild nicht. Die Andren, die Heiden sind starr, unköniglich, der Swanhild und den Hunnen zugeneigt. Das Volk besteht etwa aus Folgenden: 1. Christliche Partei: E i n R o ß h i r t aus der Haide einfach und kühn, etwas roh und launig. E i n p a a r F i s c h e r i n n e n von der Theiß gutmüthig u. dumm, neugierig. E i n a l t e r M a n n vom Tatra. Weise und vorsichtig. Abergläubisch. Mehere Betteljungen. Unverschämte Landstreicher, zotig. E i n G r i e c h e aufdringlich, eitel, lüderlich und feige. S a r u s u. A m m i u s , der Swanhild Brüder, unkenntlich, zum Schutz der Schwester gekommen, affektier!en" Christensein und völlige Unkenntniß der goth!ischen" Verhältnisse. Erzählen von den Hunnen, werden bald der Gespräche Mittelpunkt. Sie kamen heimlich, von Götterzeichen getrieben u. von der Mutter, weil sie Gefahr für die Schwester fürchten. Sie nähern sich besonders dem j u n g e n G o t h e n vom Hofe, dem Sohn des Alten vom Tatra, von dem sie möglichst viel zu erfahren suchen. –

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2. Heidnische Partei. Athanarich Anführer. energisch. Giftig, schleichend, die Schwächen anderer ausspürend, Mann des Systems. E i n e Z a u b e r i n , altes Weib, mitleidig. A n s a Heide von reinstem Wasser, stolz und großartig, haßt Athanarich. M ä n n e r und We i b e r. Etwaige Folge der Handelnden.

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Ringsherum Gruppe der Christen. S a r u s u. A m m i u s treten auf. Wenden sich an den A l t e n v. Tatra, der zieht den S o h n ins Gespräch. Die Z a u b e r i n geht vorüber schimpfend und zankend mit den F i s c h e r i n n e n , rings B e t t e l j u n g e n . Der G r i e c h e kommt heran, neugierig, will Sarus u. Ammius über des Lands Zerrissenheit aufklären, wird ironisch über die Gothen, der R o ß h i r t , bisher stumm hingekauert duckt ihn, der G r i e c h e stellt sich in den Schutz der vorbeiziehenden H e i d e n , Zusammenstoß beider Parteien, S a r u s stellt die Ordnung wieder her, indem er von den Hunnen erzählt, A t h a n a r i c h frohlockt, A m m i u s will ins Schloß mit dem jungen Gothen, A t h a n a r i c h sucht ihn zurückzuhalten Aus der Ferne Hundegebell. S c e n e I I . B e k k a kommt von Hunden verfolgt. Hinterdrein R a n d w e mit gezognem Schwert. Die H e i d e n nehmen Bekka in Schutz. R a n d w e wüthend will sich Recht verschaffen, wird zurückgehalten, wirft sein Schwert nach Bekka, er wird verwundet, Donner, die C h r i s t e n umringen Randwe und geleiten ihn zum Schloß, B e k k a wird von den Heiden beruhigt, er sendet sie fort zum Thordienst u. behält nur die alte Z a u b e r i n zurück. S a r u s hat sich an Randwe angeschlossen und sucht ihn zu beruhigen durch die Erzählung von den Hunnen, die We i b e r drängen sich an ihn u. drücken ihre Furcht aus. Die Menge fort. – Das Gewitter naht. Donner u. Blitz.

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S c e n e I I I . B e k k a außer sich über Randwe, in Erinnerung seiner Liebe, höhnischer Spott über Ermanarich, die Z a u b e r i n sucht ihn zu trösten, e r ruft die Elemente zur Rache an, dann unterbricht er sich in seiner poetischen Raserei und fragt die Zauberin nach ihrer Kraft, hört von ihrem Liebeszauber, will Ermanarich damit vernichten, indem er Randwe die Swanhild zueignen will. Die Z a u b e r i n läßt Swanhild erscheinen, ! B e k k a " ruft in Entzücken seinen eignen Namen statt den Randwes; der Zauber schwindet. Scene IV Monolog des !Bekka". Schauer über seine That, Entzücken u. Grausen, wenn er ihre Folgen bedenkt, tiefer innerer Vorwurf Randwe gegenüber, Zweifel an der Wahrheit der Zauberkunst, er versteckt seine Liebe in seinen Ermanarichhaß; der Himmel ist aufgehellt, im Schloß ist es dunkel geworden. S c e n e V Das Fenster thut sich auf; Swanhild spricht in die Nacht hinein; jungfrauliche Schauer, tiefes Liebesgefühl, Gebet für Erman!arich" u. sein Haus, dunkle Ahnung des Verhängnisses. Randwe lauscht entzückt; die Heiden kommen allm!ä"hlich hinzu und lauschen. Geheime Unterredung zw!ischen" A t h a n ! a r i c h " u. !Bekka". A t h a n a r i c h fragt, nach welchem Rechte diese Blume hier verdorren sollte ungenossen. B e k k a antwortet gereizt. A t h ! a n a r i c h " fragt, weshalb zwischen Randwe u. Swanhild keine Liebe wäre. B e k k a schweigt. Ath!anarich" fragt, warum die Heidin einem Christen vorgeworfen werde, warum noch der alte Erman!arich" als Christ sich eine Heidin nehme, warum er als Lockspeise den Sohn als Brautwerber gesandt habe; schildert dann Randwe als jetzt schwermüthig und herzzerrissen, legt dann in die vorherigen Worte der Swanhild einen für Bekk!a" günstigen Sinn und treibt diesen zur Raserei, schließlich sagt er ihm an, daß die Häscher ihn bald fangen würden. B e k k a braust auf, erinnert sich, was er vorhin Randwe thun wollte u. gethan hat, gedenkt seines Vorwurfs und ergreift die Rache gegen Erman!arich" als Deckmantel seiner

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Verwirrung. Die Heiden sind fast über diese plötzl!iche" Entschlossenhe!i"t bestürzt u. heißen ihn ruhiger sein. S c e n e V I . Noch einmal schaut Swanhild heraus; sie hat das Wort Rache gehört u. ihr graust. Sie knüpft ihre Ahnungen daran u. gedenkt ihrer Jugend u. ihrer Brautfahrt. – Die Häscher kommen und wollen alles umstellen, um Bekka zu bekommen; der fleht laut auf zur Swanhild, die ihm ihren Schutz verspricht; die Häscher führen ihn ab. Die Heiden flüstern zusammen noch Pläne der Rache, theils aus Liebe zu Swanhild. Sie schweigen plötzlich; S c e n e V I I . Heraus tritt Erman!arich" aufgeregt durch die Hunnennachricht, Randwe halb träumerisch, über seinen Freund nachdenkend u. Sarus u. Ammius, die ihrer Schwester Geschick verwünschen. Es ist Mitternacht. Ermanarich spricht ein Gebet für sein Reich, Sarus und Ammius für Swanh!ild" und endlich Randwe für sich selbst u. seine Mutter. A t h a n ! a r i c h " im Verborgen!en" verwünscht alle und empfindet eine diabol!ische" Freude, diese alle zusammen zu fangen. A n s a betet zu den Göttern ruhig, diese alle zu vernichten u. sich selbst wenn sein Gebet gottlos sei. –

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Primi Ajacis stasimi Interpretatio et versio cum brevi praefatione. FW Nietzsche

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1862. Nov. Paucis quae in prologo agantur referam ut cognoscamus cur chorum ingredi in orchestram necesse sit; deinde parodum per-

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stringam et quae insit ei vis et sententiarum connexus simpliciter exponam. Denique ad stasimum progrediar, quod explicandum mihi proposui. Quo in interpretando primum de verbis et constructionibus, dein de sententiarum tenore agam, denique duplicem adjungam versionem. In prologo igitur non, quae ante Ajacis rabiem facta sint, narrantur, sed quaecunque sunt fabulae themata, viri gloria et ignominia, ejus nimia arrogantia, e qua nascitur ejus infortunitas, quam dolemus quamvis meritam esse sortem perspicientes, callidi Ulixi inimicitia et aequitas etiam in adversarium, Athenae durus ac sublimis animus: omnia haec prologus, fabulae expositio complectitur. Athena ostenditur aliena a mollitia, rigidis oculis, armis induta; quam manibus aegidem tenentem Athenienses semper in arce aspiciebant. Offensa Ajaci furorem immisit; Ulixem incitat ad inimicum deridendum; ipsa Ajacem deludit et ei propitia videtur malesano. Paene aliquid laedimur nimia quadam deae duritia; sed in extrema expositione ante ingressum choreutarum omnino reconciliamur; nam cum Ulixi praecipiat et qua mente sint divi in homines bonos improbosque, deam magnanimam cognoscimus. Ulixem agit poeta facinoris auctorem investigantem; quo per Athenae gratiam cognito, de inimici casu non exultat sed misericordia clari et infelicis viri afficitur. In deis demisse venerandis differt ab Ajace neque in rebus secundis se jactat. Is est Graecus , 2 quemdei amant;    2 laedit Ajax immodica sui aestimatione elatus. – Jam in Iliade mentio fit virtutis ejus severae et nimii sui suspectus. – Inprimis Athenam offendit (771); item suam voluntatem opponit deae (112); se ipsum cum deis comparat (589.). De interfecti Achillis corpore acerrimum exortum erat certamen. Ajax corpus et arma in castra tulit, Ulixes irruentes hostes repressit. Quibus in meritis uterque caussam armorum sibi vindicandorum inesse ratus est. Sed contione principum convocata dijudicatum est pro Ulixe. Qua de re valde iratus Ajax, cum ju-

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dicium ex Atridarum inimicitia et Ulixi fraude exortum esse suspiceret, ultionem animo volvit per plures dies, in tabernaculo receptus; tandem noctu ad facinus perficiendum exiit; sed Athena mentem ejus perturbavit, ut in greges irrueret, non in inimicos Atridas et Ulixem. Jam vero in prologo apparet et Ajacis magnitudo, cum Ulixes etiam insanum pertimescat et deam imploret, ne eum exire e tabernaculo jubeat, dein quoque cum Athena dicat:   « Ν  # $µ« ν   « ν » $     α sed etiam ejus magnus casus elucet ita ut ipse acerbissimus ejus adversarius hunc contemplans dolore afficiatur et de sorte hominum fragili queratur: ²  π»« ξ ! « Ν"" "κ &"# Ρ ( ν    ). Ita in expositione et quae Ajax ipse agat et sentiat etquae de ejus fortuna Athena et Ulixes cogitent, dea et homo adversarius, narratur; restat ut cognoscamus quid socii Ajacis, amici homines de insania sentiant. Itaque necesse est ut chorus intret; nimirum quispiam dicat, cur non prima Tecmessa veniat cui multo propior sit viri calamitas; sed mihi hac in re gradatio videtur inesse ita ut primum dea, dein homines et quidem primum adversarius, tum socii, tum conjux, denique cognatus quid in aspectu tantae fortunae sentiant, pronuntient. Sed altera caussa cur chorum hoc temporis puncto incedere opus sit, in eo videtur constare, quod animis deae verbis sedatis nullo modo quisquam ingredi potest, qui aut insanus aut gravissimo perculsus dolore sit, cum Sophocles modo semper observato abhorreat a mutationibus in extremum. Choreutae autem non satis sunt certiores facti de Ajacis insania; dubitant; sperant omnia ficta esse, et cum neque ut dea procul a misericordia neque ut cognati propiores sint ejus calamitatibus, judicant ut vulgus et utuntur locis communibus ut se ipsos et Tecmessam consolentur. Ita res a divina quiete et contemplatione traducuntur ad Tecmessae vehementes animi concitationes.

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Primum enim se gaudere Choreutae rebus Ajacis in secundis, se dolere in adversis enuntiant; sic nunc rumore per castra perlato de ejus ignominia se pertimescere; cujus sermonis auctorem esse Ulixem, qui fortasse haec ficta perfuderit inter Danaos; quorum quemque attentis auribus eum accipere; nam ad magnos homines serpere invidiam quamvis parvi ipsi maxime magnis careant. Sed Ajax surgat et famam perrumpat ut illi obmutescant tamquam volucres appropinquante aquila. Chorus igitur omnia ficta esse sperat; qua de re non ita agitatur dolore, quamquam rumorem hominum moleste fert. Sed cum oculis obversentur omnia, quae homines dicant, si vera sint, gravius animi concitantur, id quod e stasimo elucet. Jam motiori et vario rythmo, crebris dactylis id significatur. Sed aggrediamur primum ad verba constructionesque stasimi explicanda. – NB. Una sola editione usus sum, Gustavi Wolffii: nolo conferre quae editores conjecerint, nolo ubique, si quid ipse cognoscere vel conicere possim, interpretatores sequi; sed ipse quid mihi de singulis versibus videatur explicabo. – * +)  T ," -µ« 5A « – Cur Artemis Tauropola? Primum interfecti tauri admonent ad deam, quae tauris immolatis celebratur. Cultus illius deae, a principio Asiaticae lunae deae per Tauricam Chersonesum, per Thraciam et Graeciam erat notus. Cui etiam homines priscis temporibus immolabantur. Vis ei attribuebatur, qua insanum reddere posset; in ejus festis celebrandis et sacerdotes et festi participes saepe furore rapiebantur. Haud absurda mihi videtur Wolffii conjectura, qui Braurone raptum Dianae Tauricae simulacrum retineri dicat; ubi postea filius quidam Ajacis sedes cepisse fertur. Sophoclem ea, quae Atheniensibus nota esse deberent, in remotiora tempora posuisse Wolffius conicit: „Der Dichter datiert diese für Ajax Krieger heimischen Bezüge zurück.“ τ )" ) «, τ »  /0 « )« # Chorus cur interrumpit suam sententiam luctuosa exclamatione? Si illa vera essent, non ficta, non solum esset ignominia

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affectus Ajax, sed socii ipsi, qui participes miseriae domini sunt. Suarum rerum Sophoclei choreutae raro obliviscuntur; semper respiciunt, in quas angustias ipsi calamitate domini veniant. Si illa exclamatio deest, nimis quietus esse chorus videtur; non enim placide contemplatur, quis fortasse sit insaniae auctor, sed turbide, animis concitatis. Ajacem in tabernaculo sedentem nescio an in extrema parodo aspexerint, si eum aspicere possint (id, quod conjici potest ex verbis 1)"« " « !# 30 et $""# Ν 1 4), Ρ     ( –) Sed immobilis manet ille. Suspicio subita eos invadit: gravius excitantur ad dolorem. τ )" ) «, exclamant, τ »  /0 « )«. # – – — ) « 1λ 78« $" «. Magna et pretiosa armenta elegebant principes Danaorum sibi; reliquebantur non divisae boves minoris pretii. V.54   )  " « Ν  7 ,"  9  Itaque turpissimum est Ajaci, quod in ) « 78« irruit, id quod contemptim dictum est. – *  «  « $)  0), – *  "  1) : ;# – $   ¹ λ µ O  µ '« 2, ³«  κ h"' $ µ   « 7,"« , $«    «  , Ρ  ) $ O     µ !  λ  "   «  ', 5 . T 2   $ O «  A , χ«  R« 2, ¹ « ^ 8 « λ ψ 2 µ«  "  , Ρ« µ '«   ,λ« 9  7,9 " λ "λ«  « «  M8 '« ' « $'. O « ξ 'α 8«  λ !« λ +8« Q  e  ν Ν)   )  Q   # τ +' Q  Ν  ξ, µ« R  7  2   2'.

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Die Idee der Tragoedie ist also: „die Gottheit verhängt oftmals dem Menschen Leiden ohne sein Verschulden, nicht nach Willkür, sondern zur Wahrung einer sittlichen Weltordnung.“ Selbst diese Leiden – die hier als unfreiwillige Schuld auftreten – genügen einem höhern Plane: also selbst das Böse ist nach der Anschauung des Dichters nicht unbedingt böse, sondern erst der Gedanke macht es dazu. Der Oedipus König verlangt aber in seiner Idee nothwendig den Abschluß und die Versöhnung im Oedipus Coloneus; denn wenn Sophokles auch bei dem Dichten des Oed!ipus" Kön!ig" darauf rechnen konnte, daß das Ende des großen Dulders seinen Zuhörern bekannt war, und daß die Erinnerung daran die herbe Stimmung, in die der Schluß des ersten Oedipus versetzt, mildern müsse: so drängte doch bei der schließlichen Aufführung des Stückes das fürchterliche Anwachsen des einbrechenden Unglückes über des Oedipus’ Haupt den

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Gedanken an eine Versöhnung außerhalb des Stückes, in der Idee, zu sehr zurück; die dargestellte Wirklichkeit ließ das, was nach der Sage nachfolgen mußte, aber nicht zur Darstellung kam, erblassen; ja der Schein, daß Sophokles mit rücksichtsloser Schroffheit ein Willkürwalten der Götter habe zeichnen wollen, war zu mächtig und die dagegen gehenden Andeutungen zu gering oder zu schwer zu erfassen, daß wir es der attischen Kritik, wie auch jedem, der nach der ersten Lesung des Stückes sein Urtheil bildet, verzeihen, wenn mißgünstige Urtheile gefällt werden. Der innere religiöse Sinn protestirt sicherlich gegen dieses Stück, wenn der aesthetische auch die vollste Befriedigung gefunden; er protestirt indeß mit Unrecht und wird immer seine Protestation zurücknehmen, wenn ihm erst der Coloneus bekannt geworden und ihm die Fortsetzung und der Abschluß einer Idee durch diese Tragoedie deutlich geworden ist. Interessant ist übrigens, daß auch der höchste aesthetische Genuß das Urtheil der Athener nicht gegen die ethischen und religiösen Momente verblendete, daß sie den religiösen Ursprung der Tragoedie immer im Auge behielten; die Wirkungen ihrer theatralischen Vorstellungen waren deshalb weder die unserer Bühnen, noch die unsrer Kirchen, aber sie waren aus beiden gemischte und in eins verschlungene. Daß der König Oedipus aber den höchsten aesthetischen Genuß gewährt, daß sie die kunstvollste des Sophokles ist und alle die Feinheiten und Besonderheiten, die sonst ein Stück zum Liebling des Volkes machten, in sich barg, das ist immer anerkannt worden. In ihr finden sich Peripatie- Erkennungs- Pathosscenen, geschmückte Berichte der Endboten; nichts, was die aristotelische Poetik fordert, fehlt ihr, sie ist ihr darum die Tragoedie # +,. Der Plan aber ist, um ihn schematisch aufzustellen, folgender: – Allgemeine Bemerkung. Bis zum Höhepunkte: Die, welche Oedipus Angst einzuflößen suchen, hüllen ihn immer mehr in Verblendung.

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Nach dem Höhepunkte: Die, welche Oedipus’ Angst zu heben suchen, lichten ihm immer mehr den Schleier. Die Rolle des Oedipus ist der Kampf zwischen trotzigem Selbstgefühl und bodenloser Selbstverachtung; mit dem Höhepunkte endet das erste, beginnt das zweite. Prolog. Voraussetzung: Theben unter Oedipus in Pestzeit. Erregendes Moment: Der Mord des Laios soll bestraft werden, damit die Stadt befreit werde. Erste Stufe. Teiresias, von Oedipus gerufen, weigert sich den Spruch zu deuten und weist im doppelsinnigen Wort auf den Mörder, im Zorne scheidend. Zweite Stufe. Streit des Oedipus mit Kreon, durch Iokaste geschieden. Höhepunct. Unterredung des Oedipus mit Iokaste. Erzählung der Iokaste über den Tod des Laios. „O Weib, wie faßt es – Erste Stufe. Oedipus immer bedenklich. Iokastes furchtbare Gewißheit. Oedipus nochmals getäuscht. Zweite Stufe. Der Hirt erscheint. Alles liegt klar zu Tage. Oedipus eilt ins Haus. Katastrophe. 1. Botenscene: Tod der Iokaste, Blendung des Oedipus. 2. Pathosscene zwischen Chor und Oedipus. 3. Weicher und versöhnender Schlußakkord. Ueber den Prolog der Tragoedie. Eine kunstvolle und geschickte Einleitung in ein Drama ist eine keineswegs leichte Aufgabe; es müssen verschiedene Momente zusammenkommen, um das, was zum Verständniß des Ganzen nothwendig ist, künstlerisch einzuflechten, um sodann die Hörer auf den Charakter des Dramas vorzubereiten und gleichsam die Akkorde anzugeben, aus denen sich, wie aus einem musikalischen Thema alle übrigen Motive mit Nothwendigkeit

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entwickeln. Meister in solchen charakterisirenden Akkorden ist anerkannt gerade Sophokles, dessen größte Kunst in dieser Hinsicht mir im Ajaxprolog zu liegen scheint; sodann Shakespeare, dessen Romeo und Julie und insbesondere Hamlet hierin unerreichbare Muster sind. Endlich muß in die Einleitung vor allem das erregende Moment eingewebt sein, das nach dem ersten Chorgesange in der alten Tragoedie sofort die Handlung steigert. Fragen wir, wie diese allgemeinen Erfordernisse zu einer guten Einleitung im Oedipus König erfüllt sind: so erkennen wir erstens, daß dieser Prolog wie ein selbstständiges Kunstwerk mit Exposition, Steigerung, Höhepunkt, Herabsinken der Handlung gearbeitet ist, daß also die Gesetze, auf denen der Bau der ganzen Tragoedie beruht, auch in diesem kleinen Theile sich wiederfinden, zweitens daß fast alle Motive, Charaktereigenschaften der Haupthelden Stimmung der untergeordneten Rollen in ihm andeutungsweise vorhanden sind, daß er also die Grundstoffe des Handelns und des Fühlens, aus denen sich das Ganze entwickelt, in sich birgt. Das erste wird deutlich werden, so bald wir den Bau des Prologs näher betrachten. Er beginnt mit der plastischen Ruhe einer großen Gruppe: um den Altar Jünglinge und Greise in schöner Symmetrie, Oelzweige in den Händen; es ist nach einer wahrscheinlichen Annahme Morgenfrühe, über dem Theater steigt die Sonne empor. Feierlich in höchster Ruhe beginnt die Tragoedie, aber doch beruhigt sich der Sinn des Zuschauers nicht mit dem Anschaun der Gruppe, er verlangt zu wissen, was diese Versammlung von Hülfeflehenden veranlaßt. Oedipus tritt auf und spricht dies Verlangen aus, wie ein Vater zu seinen Kindern redet, theilnehmend, ehe er weiß, was sie leiden, versprechend, ehe er erfährt, was sie erflehen. An den Priester, den durch Alter und Stellung Ehrwürdigsten wendet er sich, voll des ruhigen Selbstgefühls, daß er, der überall berühmte Oedipus, helfen kann, wenn er will. In einer längeren, fünftheiligen Rede ant-

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wortet der Greis; er weist auf die schon früher der Stadt geleistete Hülfe des Oedipus hin und verlangt von ihm, dem Weisesten der Sterblichen, Rettung vor der gegenwärtigen Noth, der Pest, die er ergreifend schildert. Oedipus entgegnet voll tiefen Mitgefühls, daß er ihre Leiden wohl kenne und schon Wege eingeschlagen habe, um ihnen abzuhelfen. Bis hieher war die Einleitung voll feierlicher Ruhe, die Gruppe der Hülfeflehenden verharrte in ihrer Stellung, Oedipus und der Priester sprechen würdevoll in längeren Reden, das Interesse an dem Grunde, der diese Versammlung veranlaßt, ist nun erschöpft, aber schon ist das neue Motiv gegeben, das wieder die Aufmerksamkeit spannt: Was wird die Antwort des Orakels enthalten? Deshalb kommt jetzt Kreon, zuerst von dem Priester erschaut, der dem Thore, durch das er kam, näher steht als Oedipus. Sofort steigert sich die Lebendigkeit; zweizeilige rasche Fragen und Antworten folgen aufeinander bis zu dem Punkte, wo Kreon in vier Versen das erregende Motiv, den Orakelspruch verkündet. Das ist die Höhe der Einleitung, hier bestürmen das Gefühl Zweifel und Schwankungen über die Dunkelheit des Spruches, hier zeigt sich zuerst Oedipus betroffen; er überhäuft Kreon mit Fragen über die einzelnen Punkte des Orakels, besonders über Laios; aus Kreons Antworten wird die frühere Geschichte des Oedipus deutlich, zugleich aber wird der Sinn des Zuhörers wieder beruhigt, da die Fragen über vergangene Dinge das Interesse von dem Gegenwärtigen etwas ablenken: die Handlung ist also im Sinken und erreicht ihre Katastrophe, als Oedipus seinen Eifer, nach dem Mörder zu forschen, verspricht; damit findet die Handlung gewissermaßen seinen Abschluß; die äußeren Verhältnisse haben im Gemüthe des Haupthelden einen bestimmten Entschluß und Willen hervorgebracht. Hier ist also ein kleiner Stillstand, hier ist also das Ende der Einleitung, da jede That des Oedipus, die jetzt aus dem gefaßten Willen entspringt, nun schon in das Gebiet der eigentlichen dramatischen Handlung gehört.

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Auch das Zweite, daß in dieser Einleitung die Charakterzüge der Hauptpersonen schon angedeutet, die Grundzüge des ganzen Stückes skizzirt sind, ist leicht zu erkennen. Es treten sämmtliche Schauspieler auf, zuerst Oedipus und der Priester (der nachher die Iokaste spielt), der Protagonist und der Deuteragonist, der Hauptheld und der Spieler der Angehörigen, Naheverwandten oder ihm wenigstens, wie hier, nicht Entgegenstrebenden, dann Kreon, der dritte Schauspieler, der Gegensatz und das Widerspiel des Hauptspielers. Kreon tritt schon in der Einleitung in deutlichen Gegensatz zu Oedipus; vorsichtig für alle Fälle will er den Spruch nicht vor der Menge verkünden, Oedipus im Gefühl seiner Unschuld gebietet es. Man hört aus Kreons Entgegnungen auf die Fragen des Oedipus die innre kalte Ruhe des Mannes heraus, der mit der größten Schärfe und Bestimmtheit die drängenden und sich überstürzenden Fragen des Königs beantwortet. Diese Aufgeregtheit, dieser leichtentzündliche Eifer des Oedipus, sein Selbstgefühl, das sich allmählich zum Trotz steigert, sind Eigenschaften, die das ganze Stück bestimmen, diesen entgegen ist die kalte Besonnenheit des Kreon scharf hervorgehoben. Auch die Doppeldeutigkeit in den Reden des Oedipus, die wesentlich das Graun, das wir beim Lesen dieser Tragoedie empfinden, !steigert," tritt auch schon im Schluß der Einleitung zu Tage, von dem Augenblick an, wo Oedipus seinen Eifer zu der Erforschung des Mörders verspricht. Es ist ein dämonischer Zug in diesem Eifer, der, je aufgeregter er das Wahre zu ergründen strebt, den König in immer tiefere Irrsale hineinreißt. Auf die Aufforderung des Königs ziehn jetzt die Hülfeflehenden ab; von der andern Seite der Orchestra her erscheinen die Choreuten, die ,A « Ν «, umringen die Thymele und beginnen das erste Chorlied, das auf das engste noch mit dem Prolog zusammenhängt. Während nämlich überhaupt die Chorlieder die lyrischen Seiten der Ereignisse herauskehren und die Erregung der Gefühle durch die Ereignisse umfassen: so sind

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auch die zwei Momente, aus denen das Chorlied besteht, der Einleitung entnommen: erstens die Klage über die fürchterliche Pest, von der die Stadt heimgesucht wird: zweitens, die Unsicherheit und Zweifel über den Inhalt des Orakels, an dem die Rettung der Stadt hängt. Der Chor wendet sich also, in Leiden und Zweifel versenkt, an die Götter, und so ist das erste Chorlied, wie in vielen Tragoedien ein Gebet. Altera commentarii pars. Gedanken über die chorische Musik in der Tragoedie, mit Anwendung auf dieses Chorlied. Während sich das Drama der Germanen aus dem Epos, aus der epischen Erzählung religiöser Stoffe entwickelt hat, nahm das griechische Drama seinen Ursprung aus der Lyrik, vereint mit musikalischen Elementen. Diese Anfänge erklären vieles aus der Geschichte und den Eigenthümlichkeiten Beider. Noch in den ältern uns erhaltenen Tragoedien des Aeschylus nimmt der Chor eine bei weitem überwiegende Stellung ein; die Zwischenreden dienen oft nur dazu, um neue Motive einzuführen, die die Stimmungen des Chors umändern und einen Fortgang der Gefühle bedingen. Allmählich trat freilich der Chor zurück, als die Handlung immer mehr aus ihm heraus in die zwischenliegenden Theile gerückt wurde; er behielt seine Bedeutung nur, weil er die musikalischen Elemente zusammenfaßte, die nothwendig zu der Tragoedie gehörten, wenn sie einen wirklich tragischen Eindruck machen sollte. Ueber diesen tragischen Eindruck dachten die Griechen anders als wir; er wurde bei ihnen besonders durch die großen Pathosscenen herbeigeführt, breit angelegte Gefühlsergüsse, größtentheils musikalisch, in denen die Handlung nur eine geringe, die lyrische Empfindung dagegen alles war; hieraus begreifen wir, weshalb Euripides von Aristoteles der   A « genannt wird. Der Chor und diese Pathosscenen umfaßten also einen der wichtigsten und für den Erfolg des Dramas entscheidenden Mo-

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mente, die Musik in der Tragoedie. Es ist sicherlich eine gegründete Vermuthung, wenn ich annehme, daß zur Blüthezeit der Tragoedie auch die musikalischen Elemente zusammen nach einen einheitlichen Plan geordnet, daß Ordnung und Ebenmaß der musikalischen Glieder sowohl in der ganzen Tragoedie als in jedem einzelnen Chorliede herrschte. Daß letzteres der Fall, zeigt die Betrachtung jedes sophokleischen Chorliedes. Was ist Strophe und Antistrophe anders als musikalische Symmetrie, was ist durchgeführte Rythmengleichheit anders als Melodiengleichheit? Ich erwähne hier nur aus den Choephoren das kunstvoll geordnete Gewinde von einzelnen Strophen und Antistrophen, das von dem eminenten Formensinn und von der Eurythmie des Aeschylos einen Beweis giebt. Da nun aber einer jeder Melodie zu einem Liede bestimmte Gefühle, die in ihm ausgedrückt waren, entsprachen, so mußte auch die Grundstimmung der Antistrophe dieselbe sein, die es in der Strophe war: wir müßten denn annehmen, daß die feinfühligen Griechen zu dem Unsinn herabgekommen wären, in dem sich unsre Oper bis auf diese Tage – die genialen Reformpläne und Thaten R. Wagners abgerechnet – befindet, zu dem ungeheuerlichen Mißverhältniß zwischen Musik und Text, zwischen Ton und Empfindung. Also Strophe und Antistrophe enthalten im Allgemeinen gleiche Gefühle, weil gleiche Melodien; da nun aber jede Melodie aus Gliedern besteht, die Glieder der Musik aber bei vernünftiger Musik mit den Gliedern des Gedankens, der Empfindung im Einklang und innigem Zusammenhang stehn müssen, so bekommen wir als zweites Gesetz, daß die musikalischen Perioden und Glieder sich in Strophe und Antistrophe entsprechen müssen, und daß also bestimmte Gedankeneinschnitte an gleichen Stellen sich wiederfinden. Diese musikalischen Perioden umfassen eine bestimmte Anzahl verschiedener Metren und sind also Systeme von Metren; es dürfte dies mitunter nicht ohne Einfuß und Wichtigkeit für das Conjicieren und die Erklärung sein.

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Aus der Folge dieser musikalischen Perioden, ihrer längern und kürzeren Ausdehnung kann man wieder Schlüsse auf die Eurythmie des ganzen musikalischen Baues machen. Aus allen Bemerkungen erkennt man einen den Tragikern eigenthümlichen Vorzug: nicht nur, daß sie Dichter waren, sie waren auch Komponisten und noch mehr, sie waren beides so, daß eins mit dem andern Hand in Hand gieng; und wenn wir noch hinzunehmen, daß auch in den Gruppirungen und ihrer Folge, in der Orchestrik, in der scenischen Kunst sie nach alten Zeugnissen eine große Meisterschaft bewährten, ja daß sie selbst Schauspieler und zwar bedeutende waren, die wie Göthe sagt, ihr Metier und ihre Bretter kannten, wie irgendeiner: so hätten wir in ihren Kunstwerken das was die neuste musikalische Schule als das Ideal des „Kunstwerks der Zukunft“ aufstellt, Werke, in denen die edelsten Künste sich zu einer harmonischen Vereinigung zusammenfinden, in denen die eine Kunst dazu dient die andre in ihrem rechten Lichte erscheinen zu lassen und alle zusammenwirken, um einen einheitlichen Kunstgenuß zu hinterlassen; so hätten wir endlich in ihnen so glücklich und göttlich organisirte Menschen, daß die Strahlen aller Künste sich in den Brennpunkten ihrer Geister zusammenfinden. Was nun die oben erwähnte Einheit aller musikalischen Elemente in der ganzen Tragoedie betrifft, so müssen wir uns diese etwa so denken: alle lyrischen Gefühle, die in der Tragoedie geweckt werden, die also unter einander durch den Gefühlsgang des Ganzen verbunden sind, kommen zum Ausdruck in den Chören und den Pathosscenen; ist also die Folge der Gefühle in der Tragoedie überhaupt eine natürliche, so ist auch die musikalische Folge eine natürliche; und manches möchte uns da unnatürlich erscheinen, was in der That in der menschlichen Natur tief begründet liegt: so daß häufig der Katastrophe noch ein heiteres Tanzlied vorhergeht, das den seltsamsten Kontrast mit den folgenden Gefühlsstürmen bildet. Es ist dasselbe, wie wenn in den größten Symphonien öfter vor den bewegtesten und leiden-

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schaftlichsten Ergüssen ein Scherzo in heitrer Laune dahinsprudelt; oder wenn Shakes≤s≥peare das Fürchterliche durch den Gegensatz des Lächerlichen, Trivialen um so greller hervorhebt. Im Allgemeinen ist als Regel anzunehmen, daß nie zwei musikalische Stücke von demselben Gefühlsinhalt auf einander folgen; bei vielen Tragoedien ist es der Fall, daß die Kraft und die Leidenschaftlichkeit der Chöre mit dem Fortschreiten der Handlung sich steigert; in einigen finden wir auch ein Gegenspiel, indem der Chor in seiner Verblendung aus anfänglicher Unruhe und Beängstigung sich zu immer größerer Ruhe und Heiterkeit durchwindet, so daß dann die Katastrophe um so erschütternder einbricht. So z.B. in den Choephoren, wo die freudige Hoffnung der Choreuten, daß durch den Mord der Klytämnestra sich endlich das Haus im Sonnenscheine des Glückes emporheben werde, sich fürchterlich gegen die letzten Scenen abhebt, in denen der Sinn des Orestes allmählich aus der Bahn abgleitet und von Schauern gepackt wird, so daß der Chor voll Verzweiflung ausruft: „Wo endet sie noch, wo findet sie Ruh, „Die besänftigte Macht des Verderbens?“ Wenden wir uns endlich zur Betrachtung unsres Chorliedes: so drücken seine drei Haupttheile zuerst ängstliche und hülfeflehende Furcht aus, dann tiefes Leid und Weh, endlich eine lebhafte und sich steigernde Verwünschung der Pest und Herbeiwünschung der gnädigen Götter, ja der Schluß erlangt ein fast dithyrambisches Feuer, im Ende der dritten Strophe und Antistrophe. Von diesen drei Theilen ist der erste am mannigfachsten zergliedert und aus den verschiedensten Metren zusammengesetzt, der zweite bewahrt die meiste Gleichförmigkeit in seinen traurigen Rythmen, der dritte steigert sich zu größter Lebhaftigkeit der Empfindung, etwas was den Schlußtheilen der ersten Chöre in der Tragoedie eigenthümlich ist. In ihnen wird häufig Bacchus erwähnt; und hier haben sich Anklänge an bacchische Dithyramben erhalten.

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Das Schema des Chorliedes nach musikalischen Perioden. Stro!phe" I.

1 2 3  «α 2  '   – ! 3  – P ! 1 4 2 3 – #E « 5 Ν  k! . Antistr!ophe" 1 2 3 5A  2 ψ – ! 3 λ k – A 1 2 3 –  « 5 5  λ . ! " Stroph e II. Antistr!ophe" II. 1 1 2 2 3 langsam und 3 langsam und 1. 4 schmerzlich 4 schmerzlich 5 5 6 6 1 1 2. 2 bewegter 2 bewegter 3 3 1

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Str!ophe" III. Antistr!ophe" III. 1 1 2 – in dieser 2 1. 3 Strophe und 1. 3 4 Antistrophe 4 5 sind die Einschnitte 5 1 kürzer und geringer; 1 2. 2. 2 es ist alles 2 1 1 3. 3. Fluß; das Ganze 2 2 3. 1 eine reich gegliederte 3. 1 4. 2 Periode. 4. 2 3 3 Von musikalischer Bedeutung ist noch die ähnliche Vokalisation in τ , $!  8' 

und @ « $!« E  "' , überhaupt das Vorherrschen des O-lautes in der zweit!en" Strophe und Antistr!ophe".

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Dispositio. In prima stropha choreutae dubitationibus exagitati, quid dei oraculum contineat et ex Thebanis quaerat, primum dulcem Jovis vocem ipsam invocant, dein eandem Apollinis nomine appellant, denique hanc vocem spei filiam quod sperantes oracula consulant, significant. In prima Antistr!opha" Minervam, Dianam, Apollinem ut subveniant, deinceps implorant, cum jam antea quondam urbem ab imminenti pernicie vindicaverint; qui tres dei averruncantes appellantur. Ut etiam nunc suo jure auxilium a deis petivisse videantur, in secunda stropha et antistr!opha" praesentes calamitates vividissimis coloribus depingunt choreutae, ita ut secunda stropha pestem totum populum corripientem, inopiam omnium reme-

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diorum, frugum segetumque mala et feminarum parturientium, denique mortis celeritatem complectantur, secunda vero antistropha difficiles sepulturas, querellas mulierum ad aras, iteratam Minervae invocationem contineat. Contra deum pestilentiae rursus chorus deorum auxilium implorat, quem in tertia stropha detestatur et abominatur; et Jovis fulmina contra eum expetit. In antistropha Apollinem, Dianam, Bacchum ut facibus bellum contra Martem ineant, adhortatur et suis quemque laudibus extollit. Haec igitur carminis dispositio. D e d e i s q u i i n c a r m i n e c h o r i c o c o m m e m o r a n t u r.

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Contra deum pestilentiae, qui urbem quasi obsidet et facibus urget, invocantur dei ignis et lucis, ita ut bellum deorum urentium et lucentium a poeta fingatur. Qui dei hoc in carmine omnes genuinam quam olim habuerunt vim ostendunt vel quidem de sua natura quaedam vestigia praebent, quae ingredi harum esse paginarum liceat. Dionysus et Mars e Thracibus ad Graecos jam mature traducti videntur esse; colebat enim antiquissimis temporibus inter Parnassum et Heliconem Thracum quaedam gens solem in duas personas discissum ut vim creantem et delentem, Dionysum et Martem; restabant etiam ex illis originibus apud Graecos Dionyso attributae faces, quas vibrans per silvas vagatur. De Apolline et Diana diversa e natura regionum, ubi colebantur, tradita sunt. Apollo, olim solis deus, quamquam jam pridem eum non solem ipsum, sed in eis, quae sol efficit, venerantur Graeci, apud Iones asiaticos fruges procreat et tuetur, apud Doros bello inservit et pastorum est patronus: et ipse et Diana detrimentum affert, in primis pestilentiam sagittis emissis, sub quarum specie solis radii intelligendi sunt. sed etiam varia detrimenta repellit et frugum vitia, pestem averruncat; qua re is cum Diana multis epithetis, quae ad ejus Κ  pertinent, ornatus

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est. Attribuebantur ei ' solis radii et Dianae 8 ρ . Z7« et #A" significant caelum et aethera et quidem caelum, quod prodest aut nocet, nubes colligens (8"' ) et ad fruges procreandas imbrifer; aut fulmina jaculans; poeta fulmina a Jove petit, ut Martem depellat: non ipsum Jovem exposcit et venire orat sed ejus E  , quibus voluntatem suam ostendit. Graeci qui elementum caloris et lucis ut omnes Indogermani etiam supra aera credebant, aethera sub persona #A" « ( R) inducebant, filiam Jovis in aere habitantis. Ut hic caeli deus non solum ignem jaculatur sed etiam aquam emittit, sic aetheris dea calorem ignemque et rorem humoremque dat. Quam duplicem naturam significant epitheta ‚  $«‘ et ‚  ' ‘. De Minerva conjuncta cum deis marinis dissertationem inauguralem nuperrime scripsit Bernhardus Doerdelmann. Quod conjungit calorem et humorem, Minerva etiam frugum patrona et creatrix colebatur. Primum chorus tres deos averruncantes invocat, Minervam, Dianam, Apollinem, ut mala imminentia ab urbe defendant; qua de causa Dianam  !, nominat, quod epitheton „terrae tutricem“ significat. Cum autem chorus Martem descripserit facibus urbi instantem, ut bellatorem, qui urbi exitium minitatur, denuo novo in ordine deos implorat, sed non ad urbem obtinendam, sed ad Martem depellendum eos adhortatur, qua re bellum deorum lucentium et frugiferorum contra deum facibus irruentem segetesque destruentem fingitur; nam omnes qui invocantur dei Apollo (&7 «) Diana, Bacchus e genuina ratione vim solis lucisque repraesentant, quae primum lucet – inde faces – dein fruges procreat – inde pestis deo opponuntur. Ultimo loco Dionysus nominatur et proprio amore a choreutis imploratur, cum ejus cultus, ab initiis Thracius, primum a Thebanis, ut fabula refert, receptus sit, unde ad omnes Graecos redundavit. Jovem vero, ut jam dixi, non ipsum subvenire, sed sola fulmina mittere volunt choreutae, metu dei optumi maxumi re-

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tenti; quem metum etiam illa res dilucide ostendit, quod in nullis Graecorum tragoediis Juppiter ipse partes agit, sed alii dei summi dei voluntatem et loquentes et agentes illustrare et pronuntiare videntur. Ut etiam in Eddae carminibus, si tres dei summi una per terras proficiscuntur, nunquam Odinus ipse ad homines loquitur, sed per alios voluntatem declarat. Quam observationem Jacobo Grimmio debeo. Pestilentiae hoc in carmine descriptio.

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Pestis cujus descriptio mediam hujus chorici carminis partem complectitur, jam in prologo ore pontificis satis ita depicta est, ut hic ignifer deus (8«) primum tellurem sterilem reddat, dein inter greges saeviat, tum partus feminarum perdat; domum igitur Cadmeam desertam et vacuam sic fieri, Orcum vero querellis et ululatibus ditari. Sterilitatem soli, pecoris exitium, infelices feminarum partus tria mala esse, quibus urbs Cadmea aegrotet, e prologo cognoscimus. Quod longius et pulcrius chorus explicat. Ille deus, qui urbi minitans instat, 5A"« Ν,  « $  appellatur, qui querellis circumdatus facibus (8') in urbem irruit. Totus populus aegrotat, id quod Seneca in Oedipode, ut solet, pluribus versibus plenius depingit: ‘nec ulla pars immunis exitio vacat ‘sed omnis aetas pariter et sexus ruit. ‘juvenesque senibus jungit et gnatis patres ‘funesta pestis, una fax thalamos cremat.’ Ovidius vero in Metam!orphoseon" libro VII eandem sententiam ita exprimit: ‘Quo se cumque acies oculorum flexerat, illic ‘Vulgus erat stratum, veluti cum putria motis ‘Poma cadunt ramis agitataque ilice glandes.’ Nullum invenitur remedium neque quasi telum, quod contra deum pestiferum homines jaculentur; hoc extremum malum Seneca ita describit:

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‘non ars ulla correptos levat, ‘cadunt medentes.’ Ovidius eodem loco: Dum visum mortale malum, tantaeque latebat ‘Causa nocens cladis, pugnatum est arte medendi. ‘Exitium superabat opem, quae victa jacebat. ‘Nec moderator adest. inque ipsos saeva medentes ‘Erumpit clades obsuntque auctoribus artes.“ Ea, quae gignit tellus ubertate clarissuma, non crescunt; etiam id vividis coloribus depingit Seneca: ‘denegat fructum Ceres ‘adulta et altis flava cum spicis cremat ‘arente culmo sterilis emoritur seges.’ Mulieres partuum dolores non sustinent i. e. aut ipsae cadunt aut mortuos montrososve natos pariunt vel fortasse etiam informia in lucem proferunt; saepe apud poetas in detestationibus homines irati talia mulieribus imprecantur ut illa Anna in Richardo III. „Hat er ein Kind je, so sei’s mißgeboren, „Verwahrlost und zu früh ans Licht gebracht, „Deß gräulich unnatürliche Gestalt „Den Blick der hoffnungsvollen Mutter schrecke.“ vel rex Lear: Muß sie kreisen, „So schaff’ ihr Kind aus Zorn, auf daß es lebe „Als widrig quälend Mißgeschick für sie.“ Ut turbae volucrum, homines congregati ad Hadem summa cum celeritate volitant, alius alium sequentes. Etiam hunc locum comparare liceat cum Senecae verbis in primo chorico carmine Tragoediae. ducitur semper nova pompa morti. longus ad manes properatur ordo agminis maesti seriesque tristis haeret (confunduntur hic imagines – properatur – haeret –)

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mors alta avidos oris hiatus pandit et omnes explicat alas. (Iterum confuse: nam primum mors est Hades, qui omnes oris hiatu devorat, dein est genius mortis homines invitans, qui omnes alas explicat, ut magis properet in invitandis omnibus hominibus.) Timent Sophoclei choreutae, ne contagione pestis participes fiant; ideo sine querellis corpora jacent contra morem. Seneca: properatque ut alium regerat in eundem rogum quin luctu≤s≥ in ipso luctus exoritur novus suaeque circa funus exsequiae cadunt. alio: fletuque acerbo funera et questu carent. Ovidius: neque enim capiebant funera portae Aut inhumata premunt terras aut dantur in altos Indotata rogos. – Qui lacriment, desunt. indefletaeque vagantur Natarum matrumque animae, juvenumque senumque. Non sufficiunt rogi ad omnia corpora comburenda vel ut Seneca dicit: deest terra tumulis, jam rogos silvae negant. Ovidius. nec locus in tumulos, nec sufficit arbor in ignes. Per aras sonant clamores et querellae conjugum matrumque orbarum: prostrata jacet turba per areas. Miscentur deorum invocationes laudesque cum totius multitudinis lugubribus carminibus et lamentationibus. Ita depinxit Sophocles pestilentiam, paucis lineis tantam rem adumbrans, ut saepe unum vocabulum suffecerit, ubi Senecae plures versus opus videbantur. Ceterum Thucydideam illam clarissimam pestis descriptionem, si quis cum hac comparaverit, certo inveniet, quam aliter poeta et historicus de peste referant: omnia enim quae taedium procreant, haud rara in historici narratione, quam mira arte vitavit Sophocles! Etiam illam omnium rerum oblivionem et contemptum, deorum et sacrorum ignomi-

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nias et despectiones suo jure poeta praeterit, cum hic extremus desperationis status paene abhorreat a tragica dignitate et poetae religiosae pietate. Sed propius adire ad comparationem non ad rem. Ceterum mihi fere ridiculum videtur, si quis ex descriptione pestilentiae concludat tragoediam ineunte bello Peloponn!esiaco" compositam esse: obliviscuntur illi homines Sophoclem poetam esse. Contra mihi diversas poetarum Latinorum descriptiones comparanti in mentem venit illarum magna discrepantia si adhibueris hanc quam tenemus Sophocleam. Ex ea ipsa re, quod Sophocles multa tristia et paene mira, quae Athenis vere acciderunt et in omnes poetarum descriptiones redundaverunt, non descripsit et generalia, quae omnibus pestibus, etiam minoribus, communia sint, sola depinxit, mihi verisimile videtur tragoediam ante illam pestem esse compositam, cum alioquin vividioribus coloribus et recenti memoria illa omnibus horrenda pestis describenda fuisset, aut id quod mihi maxime placet, cum fas et religio negasset hanc materiem populo nimis tristem tractari. – De chorici carminis compositione.

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Verba quibus summa generalis totius carminis expressa mihi videtur, ex ipso carmine sumere licet.   ξ !  !  « Ρ «. Et quidem stropha et antistropha prima paeanem, secunda lamentationem, tertia iterum paeanem complectuntur, ita ut paeanibus descriptio malorum pestilentiaeque circumdetur. Paean enim est carmen canticum, quo dei aut laudantur aut implorantur aut una et laudantur et invocantur. Ab initiis ad Apollinem cantati postea etiam ad alios deos canuntur, ut inprimis mala impendentia averruncent. Sed deus Apollo per totum hoc carmen omnibus in partibus ter invocatus ( >! P !, k« 3 !«, &7  Ν +) significat genuinum Paeanum genus hoc in carmine esse expressum.

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P  autem ! i. e. claris vocibus canitur, id quod inprimus sonus κ paeanibus proprium efficit. 6O « non ad paeanem et  est referendum, sed solum ad , cum carmina querula ad tibias cantata sint, non paeanes; « Ρ « vero idem significat, quod alias etiam +  vocatur, carmen ad plures tibias cantatum; veluti nomos Olympi (+  ) Athenis satis notus erat, quo Aristophanes in equitibus utitur. – Wie schon erwähnt, waren die beiden lyrischen Momente der Einleitung, die in dem ersten Chorliede ausgeführt werden mußten, 1) die Ungewißheit über den Inhalt des Orakelspruches, 2) der Schmerz über die Pest der Stadt. Das erste Moment, das am Ende des Prologs hervortritt, beginnt demnach das Chorlied, das zweite, das zu Anfang des Prologs eingeführt wird, bildet den Haupttheil des Chorliedes als das stärker Bewegende von Beiden, und so rundet sich durch das Chorlied der Prolog ab zu einem Ganzen, dessen Anfang- und Schlußempfindung dieselbe ist. Beide Momente erwecken den Gedanken an die Ohnmacht des Menschen und die einzig von den Göttern zu erwartende Hülfe; beide Momente gehn deshalb, weil sie dieselben Empfindungen enthalten, sehr bald in einander über, und schon in der ersten Antistrophe ist der Zweifel über die Ungewißheit des Orakelspruches vor dem größeren Leide der Stadt zurückgetreten, so daß die Choreuten nicht mehr um Lösung des Orakels, sondern im Allgemeinen um Hülfe vor der Pest flehen. Der Mittelpunkt des Ganzen sowohl der Stellung als dem Gedanken nach, ist die Schilderung des Leides, in das die Stadt versunken ist, ich sage nicht Schilderung der Pest, denn diese wird eben nur in ihren Wirkungen höchst kunstvoll beschrieben, während mit feinem Geiste der Dichter alle unangenehmen Einzelzüge der Pest ferngehalten hat. In dieser Schilderung ist alles mit tiefem Mitleid und Selbstleid dem Zuhörer vor die Seele geführt. Nicht die Seuche als solche, sondern der Schmerz über den allgemeinen Tod, die Hülflosigkeit menschlicher Kunst, die

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Frauen und Mütter am Altare hingelagert, das sind die Züge, die uns mit empfinden lassen. Die Beschreibung in dem Mittelstrophenpaar wird veranlaßt durch die Erwähnung jener Pest zur Zeit der Sphinx, aus der die Götter gerettet haben. Um zu zeigen, wie nothwendig auch jetzt wieder die Hülfe der Götter ist, folgt die Beschreibung des Unglückes. Diese bringt die Anschauung einer belagerten, von einem Feinde bestürmten Stadt nahe; die dritte Strophe faßt diese auf, bezeichnet den « als den wilden Ares, der ohne Speere, aber mit Fackeln die Stadt bedränge und endigt mit einer kräftigen Verwünschung dieses Gottes. Gegen diesen sollen, wie die dritte Antistrophe ausführt, die andern Hauptlichtgötter einen Kampf beginnen, und zwar in ihrer Eigenschaft als Lichtgötter, weil Ares die Stadt mit Fackeln bestürme, und dann in ihrer Eigenschaft als segnende, fruchtbringende Götter, weil sie so dem Ares natürliche Gegner sind. Der erste und der dritte Theil des Liedes führt uns unter die Götter, der mittlere unter die leidende Menschheit. Die Götterwelt des ersten Theiles ist eine unheilabwehrende, städteschirmende, die des dritten Theils eine bewegte, durch Wald und Berg streifende. Es entspricht dies dem verschiedenen Charakter der Theile, der auch in der Verschiedenheit des musikalischen Periodenbaus hervortritt. – III. Adnotationes exegeticae et criticae. Prima stropha. Solent poetae omnia, quae e Jove emanant, voces, cogitationes, somnia ut personas inducere et tamquam Minervae partum quodam modo repetere. Sic hoc loco >µ« 8! «, quae infra vocatur Ν  8! , non solum verbum numenque Jovis significat, sed ipsa ut dea venit (6 «) dulcisona voce; quam poeta filiam Jovis Speique fingit, Jovis, quod omnia oracula, etiam Delphica, ad Jovem auctorem, ore Apollinis loquentem, referun-

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tur, Spei vero, quod omnia oracula tamquam spe consulentium concipiuntur et semper in meliorem partem accipiuntur. Vulgo legebatur 4«, sed recte Nevius Laurentianorum A et B auctoritate motus 4'« in textum recepit, comparans illud Homericum 6H" $ '« Il!ias"VIII, 209. Concinnius cum Sophocleo usu est 4' , ut v. 464 ' . Vox ipsa 4' bis exstat, Hesiod!us" theo!gonia" 965, 1020. Orph!eus" ad Mus!aeum" 36.  '   : i. e. tormento vexor, mens mea quasi extenditur, ut etiam nos si quis vehementius aliquid expectat, dictione utimur „auf die Folter gespannt.“ Non recte ut mihi videtur scholiastes, qui dicit  '   µ   '" ,  # Ρ ¹   ' « 5  A « λ $ "   Ρ)  ,)      !,. Non enim sunt obstupefacti choreutae neque ideo timore immoti ($ " ), sed dubitatione, exspectatione vexati, qua re adpositum est „! 8'

   metu q u a t i e n s mentem“   3  > !    P  !  . Angor qui mentes extendit, adducit choreutas ad hanc invocationem, qua Apollinem et oracula dantem et servantem salvantemque implorant. P  , qui curas solvit. $  8 λ   λ 4 h      « . Item $8λ λ in Electra 1144, $8# λ 1180. Agam!emnon" 893 +"", $8  !" ²$ . Ν      8 !  . Adnotat Schneidevinus ad primum carminis versum famam 4 dici, quod choreutae omnia, quae e deis oriantur, sive bona, sive mala, dulcisona esse opinentur, religione et pietate erga deos obnoxii. Sed mihi illud 4'« nihil aliud videtur significare, nisi ‚τ ,' « '   «‘, cum homines semper bona a deis exspectent: qua re hic choreutae oraculum bene eventurum et dulcisona voce esse sperant. Prima antistropha. Nescio quo consilio poeta vocabulum Ν  in fine strophae positum jam repetierit in initio antistrophae: sed similia

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per totum carmen deprehendo, ut certo consilio factum esse coniciam. Sic in antistropha I     « , in stropha II paulo post    ; eadem imitatio soni exstat in  . . „'4 $  !  “ in proximo versu „ Ν , -   « “ Sic iteratur $  !      8' et $  !      « E ; τ ,' « '   « et τ ,    ' 7 " >«.        « . Plerique codices et etiam Aldini habent  ') , quod cum 8!" '  est construendum. Sed Laurentianus retinet genuinam lectionem quamvis difficilem ‚  «‘, ad quod vocabulum neque λ supplendum neque pro '   est accipiendum, sed est $ , cum aliter pergere instituit poeta ac vere pergit. Tamen multo magis placet quam illa nimis exquisita et ad regulam apta constructio ‚  ')  – 8!" .‘  2  ' . Iterum Laurentianus rectam scripturam servasse videtur, cum vulgo legatur 2 », quod nullo modo cum metro concinit. Restituendum enim est 2 ' dactyli metrum, id quod jam scholiastes conatus est, cum dicit Κ  esse pro EΚ  , quo nomine Diana in Boeotis est culta. Plut!archus" Arist!ides" c. 20. Sed non EΚ  , sed EΚ - ex EΚ 

ortum esset; et praeterea alio loco s t a r e t in structura verborum, quae nimis dura esset. E2 ' igitur accusativus videtur esse, cujus solita forma est 2 »; sed ad lyricorum rationem 2 ' dactylo usus est Sophocles. Saepe enim  in 2 « ejicitur ita ut Pindarus 2 ' Dativum, 2 ', 2 ' «,   7 ˘2 ˘ 2 habeat; hoc accusativum 2 ˘ ˘ etiam in Herm. Pind. Anth.  Ω . Nescio quo jure recentiores editores non retinuerint illud Ω, Ω, quod omnes libri praebent. Si enim ad metrum respicimus, Ω non convenit cum P !, cujus prior syllaba non brevis invenitur; Ω vero hoc in loco pro una syllaba habendum est, ita ut Ω, Ω spondeum efficiat.   ξ  D     '  « . . Triplici modo interpretatores hoc ξ intellegunt. Hi conjungunt  cum D' « ad unum vocabulum, quod alibi non exstat; hunc genetivum ad Ν «

Item

#  2 « ^ . 

#  2  8 . 2

Pausan!ias" 1, 14, 5 9, 17, 1.

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referunt, ita ut 8 cum duobus genetivis construatur ‚Ν «‘ et ‚ «‘, id quod non solum artificiosum, sed contra regulam est, qua duo genetivi inter se ad unum nomen conjungantur. Necesse enim est, ut hi genetivi alter subjectivus, alter objectivus sit, aut ut unus genetivus totum, alter partem significet: sed  et Ν fere eandem vim habent, ut nullo modo ab uno nomine regi possint. Alii interpretatores dicunt ξ significare ‚pro‘; sed non p r o malis, Thebis imminentibus, sed c o n t r a mala venerunt dei; et vix ita hanc explicationem sustentaveris, si dicas ‚pro malis‘ hic esse ‚pro malis avertendis‘; non enim licet, „pro“ et ‚contra‘ tali modo miscere, cum etiam dicere possis ‚contra‘ poni quolibet loco, ut ‚pro‘ significet; nam ‚contra mala‘, esse ‚contra mala avertenda‘ i. e. ‚pro malis.‘ Denique   ξ  id quod mihi maxime placet, vim habet „ü b e r, in Betreff, von wegen“, quae cum hoc loco prorsus concinit. Veluti Il!ias" 6, 524   ξ  ' R,# $ 7 „wenn ich Schmähungen über dich höre“; Oed!ipus" r!ex" 1444 $µ« $  7# %   . Dem!osthenes" Ol!ynthica" 2. §. 1. ‚ κ   ξ   ' A"  7 " 5,‘ Sic ‚ξ‘ hoc loco suo jure Hermannus interpretatur ‚quod attinet.‘    7  #     8        « . Vulgo „ihr habt die Unheilsflamme entfernt“; sed hoc modo vis verbi $7 plane est neglecta. Mihi est prorsus alia sententia de hoc loco, qui mihi alludere videtur ad illud Homericum Od!yssea" 24, 71. 8+  Q „die Flamme verzehrte dich.“ Interpretor igitur „ihr habt verzehrt, ausgelöscht die Unheilsflamme außerhalb des Ortes d. i. Thebens.“ Vulgo enim 8+ $7, sed dei 8 Q , id quod convenit cum deorum ignis et lucis certamine in ultima carminis parte expresso. „Außerhalb Thebens“, cum Sphinx non in urbe ipsa, sed extra moenia versata sit, quam devicit Oedipus. Inest igitur in verbis quaedam allusio et festivitas. –

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Stropha secunda, quam accuratius illustrare conabor. τ      . Non ita est scribendum, sed φ  et quidem his de causis.  non est nomen, sed exclamatio, quamquam Lycophron (943) et Euphorion diversis casibus usi sunt, quod tum antiquarum rerum investigatores « apud Dryopes appellari deos dixerunt; quam doctrinae speciem illi homines, ut solebant, in sua scripta intulerunt. Alii  esse pro τ 5 = τ   sc.  . Schol!ia in" Od!ysseam" 1, 32. At  est sonus ex naturae imitatione exortus, ut   . Sic saepe apud Aeschylum      Ag!amemnon" 1100, Ω , 1076  ». Pers!ae" 550 Z'+"« ξ Q  . In omnibus locis aliis sequitur vocalis, ita ut hiatus oriri videatur; sequuntur vero apud Homerum 2 , ³«, f, /, R. Et ubique est scriptum φ , quod dactylum in vers!u" hexam!etro" efficit. Cur vero τ  et non φ  antiquitus jam saepe scriptum sit, facile perspici potest, cum multa similia veluti τ 8  eodem accentu ornata in sermone vulgari et scriptura fuerint; ad quam normam etiam hanc interjectionem accentu τ  affecerunt. Genuinam et primariam scripturam restitueris, si scripseris φ     .   . Suo jure positum est, cum causam afferat exclamationis φ , in qua dolor acerbissimus inest.       '        «     « . Penes primores urbis, e quibus chorus est compositus, erat rerum urbanarum cura et animadversio, ita ut acerbitates pestilentiae inprimis ad illos choreutas redundarent et bene eis dicere liceret:  ξ . Quamvis vero urbis mala animo agitent, nullum inveniunt remedium, id quod eis tristissimum videtur:  2  # 5   8      « 5,«. Ut videamus, quam habeant vim haec verba, explicandum primum est, quid significent 5,« et 8 «. 8 « vero est cura, quae aliquid singulari diligentia amplectitur et ejus ad salutem semper respicit. Qua re curam quo-

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dam modo conferre licet cum praesidio urbis, quod urbem quibuscunque rebus potest, tueri studeat et imminentia mala avertat. Haec vero 8 «, quam choreutae volunt, non habet 5,« i. e. telum, in omnium armorum numero gravissimum, utilissimum, nobilissimum. 8  ergo fingunt choreutae in defensione urbis, cui pestis instet, armis carere, ita ut 8 « nihil efficiat ad urbis salutem et quasi ex cura in dolorem et angorem mutetur; dolor enim luget tantum imminentia, cura averruncare studet. Retinendum etiam 2# esse censio neque in Κ # vim sententiae extenuandam. Inest enim in verbis gradatio.  ξ   «  «: haec verba fere circumscribunt urbem esse ab hoste obsessam: et jam hoc valde est lugendum et multa ut ita dicam φ  postulat; sed multo gravius est secundum malum, cum omnia remedia omnia tela, quibus averti possit hostis, desint. 5 (pro 5 ) hoc exprimit: „ne telum quidem curae in meo animo inest.“ Quamquam non infitior mendum hoc in loco facile oriri posse, cum saepe inter se fluctuent 2λ, 2 5, 2# 3λ; quae scripturae, excepta hac una 2# 5, facile rejici possunt, cum multo difficilius et artificiosius cum totius sententiae vi concinant.   » « ,    µ « . Hoc in loco levi conjectura opus est, ut restituamus metrum, quod longam in initio syllabam postulat. Saepissime jam conjectum est  »«, cum hae formae inprimis apud Homerum, utcunque metrum fert, inter se in vice adhibeantur. Sed non mihi placet omnino vis quae inest in his verbis „berühmt“, cum terra Boe!o"tia non sit insignis fecunditate et ubertate, sed montibus et jugis imposita videatur. Et tamen scripturam  »« sustentaveris, si dicas animis patriae amantissimis etiam terram patriae videri clarissimam et laude dignissimam. Mihi vero Sophocles scripsisse videtur   »« ‚terrae lacrimis dignissimae‘ vel „non crescunt terrae segetes, ut haec fiat lacrimis digna“.   µ« pro   µ« exstat apud Aeschylum Sept!em" a!dversus" Th!ebas" 330.

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 Κ         " 32    !   $  ' ,     . $',Ω duas habeo hujus verbi explicationes, inter quas ipse quo modo dijudicem nescio. $', intransitive usitatum significat ‚exire‘, ‚emergere‘, ‚oriri‘, etiam ‚crescere‘ et dicitur de sole, omnino de omni splendore exoriente, de plantis crescentibus, de natantibus e fluctibus emergentibus. Hanc ultimam vim tropice inesse in hoc loco recentiores interpretatores censent: feminae non emergunt e partus doloribus i.e. ‚moriuntur in parturiendo‘; non hac explicatione id conjicias, quod Hermannus his verbis tribuat: non emergunt e partus doloribus i.e. ‚non liberantur partu, sed steriles manent.‘ Quod quidem exspectamus, sed non in verbis inest, si ita explicamus $',. Sed non agitur de feminarum morte, sed de mulierum sterilitate; praeterea dativus   si hanc sequamur explicationem, nescio quo modo explicari possit, nisi artificiose. Qua re alteram $', verbi explicationem malim; significat autem $', ‚retinere‘ !„"aufhalten, Einhalt thun“, conjunctum cum accusativo, veluti C« $', Il!ias" 23, 426. vel omisso objecto, veluti  87 $', „dem Gemetzel Einhalt thun“ Plutarch!us" Alex!ander" 33. Interpretor igitur: „nicht thun die Weiber durch Geburten Einhalt ihren qualvollen Schmerzen.“ Mulieres finguntur correptae doloribus et delatae, donec partus doloribus quasi frenum injicit et eos retinet. Duae igitur sunt res, quas chorus describere his verbis velit, primum feminas non parere, dein summis doloribus laborare. Ν # e Ν )        « . Dativum Ν)  simpliciter construo ad « in verbo  « veluti apud Sophoclem Ν« Ν   . Ϊ   . Sic legendum est, non ς ) , quod metro repugnat.  Κ      E     Comparat poeta celeritatem moriendi cum volatu volucrum; in mentem venit similis locus ex Hiob: Und meine Tage eilen schneller als Läufer, Sie fliehen u. sahen kein Glück; Hinfahren sie gleich Kähnen auf reißendem Strom, W i e e i n A d l e r s t ü r z t auf die Beute.

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Praeterea, ut aves in longis agminibus migrare solent, sic homines pestilentia correpti ad litus Plutonis festinant. Saepissime etiam in populorum fabulis manes mortuorum cum avibus comparantur et avium naturam et habitum accipiunt, quia in avibus inest celeritas volandi, cogitationis et ingenii hominis similior, quam in ceteris animalibus.  $  '  «. Sic in Euripidis Hecuba legi v.608    κ # $ ,

  «. $ !!  «" est epitheton epicum, quod ad  positum exstat apud Hesiodum Theog!onia" 319 π ξ X    5  , '  $ !   . Et Il!ias" VI, 179 ipsa Chimaera $  ' " dicitur. Videtur antiquum verbum esse et habet illam reduplicationem quam in priscis verborum Graecorum radicibus saepe invenimus –, T! «, T! «. Fortasse radix verbi !,  inest ita ut significet „unbezwinglich“. $  µ« 3' . 3'  est pro Hade et #A32 "« fere idem vult quod U« « (der unsichtbare, d u n k l e – der abendliche, trop. d u n k l e Gott.) Alibi non extat hic tropus, si non velis Pindarum afferre, qui canit Pyth!iorum" XI stro!pha" II P #A,' « $  !# Κ , vel Sophocl!es" Antig!ona" 810 – 6A « h$  Ν  #A,' « $ . Antistropha II. @ « $!« E . $!« magis poetica vox pro usitatiori $  " «; primum exstat in Pind!ari" Isthm!iis" 5, 64. Saepius apud tragicos, qui etiam cum genetivo construunt, cum notio abundandi insit in voce. Sic Trach!iniae" 248 π$ $«

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Sic Elec!tra" 232 $!«  et "$ $!« in Ajace 604, si Hermanni acceperis conjecturam.  "  ' . "'"« i. e. qui non habet misericordiam, et quidem active et passive. Active igitur ‚crudelis‘, passive ‚flebilis‘, ‚miseratione dignus‘. Quam secundam vim hunc locum habere censeo quamvis Schneidevino contradicente, qui "' « esse putat mortuos, quod contagione etiam vivos corripiant ad mortem; qua re quasi crudeles esse mortuos. At id Sophocles vocabulo   "8 exprimit. Et inprimis recipiendum est ad illum parallelismum inter "' et $ «, quae quasi contraria alterum ad initium, alterum ad finem enuntiationis posita sunt. "' enim est, si cum $ « comparaveris „quamvis flebilis, tamen non fletus“ vel sine lacrimis et miseratione. Quem parallelismum pulcrum non omittam. $       A     . Priora verba cum haud gravia neque difficilia explicatu praeteream, ad hunc locum animum adverto, cum ab interpretatoribus saepe male tractatus sit, et campum conjiciendi invenire opinentur multi, ubi nihil est mutandum, sed solum recte interpretandum. Intellexit jam scholiastes $ κ esse +,κ sive eminentiam aliquam, et cum hoc loco jam comparatus est ille ex Choep!horis" 711 ,A « $  et ex Xenop!hontis" Anab!ase" 6, 2, 1. Sed cur non vis genuinam vim vocabuli κ servare, cum tam pulcre ad sententiam totam apta sit?

κ enim est locus, ubi maris aestus franguntur (Ν), et sic ara appellatur $ κ, ubi fluctus malorum et laborum quasi franguntur, ubi praesidium est naufragorum, cum quibus comparant choreutae illas supplices mulieres. Cum hac explicatione concinit Ν Ν , cum circum aram undique adfluant supplices et quamvis ex diversis regionibus urbis tamen unam aram, unum praesidium, unam spem, in deis positam, appetant. Concinunt hoc modo conjecturae $  Musgravii, $, Schneidevini, qui doctissimi viri novum vocabulum   A« fingunt, ut ea, quae conjecerunt, teneant.

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     ξ  !            !  « Ρ «. De ratione hujus versus jam dixi et hic tantum versabor in explicando tropo ‚ ‘ pro ‚clare sonare.‘ Similia exstant in huj!us" trag!oediae" v!ersu" 473 5 4 – 8 

8! P ! ! " ! " ! 8κ   ! Plat o Phil ebus" p. 51.,   "7 Eurip!ides" Heracl!idae" 864,  µ $7h. Et ipse legi in Bacchylidis fragm!entis" (ed. Bergk.) (13, 12) –   #  $   # $ λ,    # % 8' . Ρ     « . Non sine caussa ita describit poeta carmen maestum; Ρ « enim est ‚ad unam tibiam cantatus‘ vel omnino ‚una voce ‚einstimmig‘ cantatus‘ ut oppositum sit carminibus ad diversas et harmonia inter se differentes tibias et voces cantatis. Est enim aliquid maesti, si omnes voces eandem melodiam sine ulla differentia tenent, et ut exemplum afferam, quam bene haec lex jam nunc observetur: Romae diebus ante f!estum" Pasch!alem" sanctis in Sixtini delubro cantus celeberrimi in talem modum etiam nunc occinuntur. @  %   . Maxime mihi placet haec verba referre ad 

quod in initio hujus strophae exstat. Omnia enim in intervallo posita describunt haec  , quae continens chorus pergit: ‚@ %.‘ % item explico, quo modo jam in versu 164 explicavi % D' «.  2 $   '  4   $  !  . Consentiunt paene omnes recentiores interpretatores 2$ esse ad $  referendum. $ κ quasi dea inducitur laeto ore, propitiis oculis et sic Choep!horis" 487 ! « Κ8 dicitur, 965 7,)

2  ) . – Haec quidem hactenus. – N a c h t r a g zu der Stelle ‚     ξ  !     .‘ Die Sinne des Sehens und des Hörens sind unter einander in ähnlicher Weise näher verwandt, wie etwa Geruch und Geschmack. Dies mag in derÄhnlichkeit der Entstehung von Licht

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und Schall durch Schwingungen seinen Grund haben. In dem Volksmythus und in der Dichtung ist diese nähere Verwandtschaft mannigfach angedeutet. So ist Apollo ein Licht- und Sonnengott und zugleich der Töne Erfinder und Meister; und ganz im griechischen Geiste dichtete Hölderlin: Wo bist du? trunken dämmert die Seele mir Von aller deiner Wonne denn eben ist’s, Daß ich gelauscht, wie, goldner Töne Voll, der entzückende Sonnenjüngling Sein Abendlied auf himmlischer Leyer spielt; Es tönten rings die Wälder und Hügel nach . . . . Eine ähnliche Anschauung liegt zu Grunde, wenn die Sage meldet, daß die Sonne mit großem Geräusch frühmorgends aufgehe, oder wie Goethe sagt: „Tönend wird für Geisterohren „Jetzt der neue Tag geboren.“ Auch die Sage von dem Tönen der Memnonssäule mag wohl im Grunde nichts anders bedeuten. Das Umgekehrte, daß die Wirkung des Tones durch eine Lichtwirkung bezeichnet wird, ist vollständig durchgeführt in unsrer jetzigen musikalischen Terminologie. Sei es daß unsre Sprache !zu" arm ist, um Schattirungen der Toneffekte auszudrücken, sei es überhaupt, daß wir, um die Wirkung von Schällen auf uns einem anderen vor die Seele zu führen, die faßlicheren und beschreibbareren Wirkungen des Lichtes als Medium gebrauchen müssen – wir reden von glänzenden, düstern, verschwommenen Harmonien, während wir in der Malerei von dem Tone des Gemäldes, von seiner Harmonie sprechen. Ve r s i o . a.1 O vox dulcisona Jovis qualis tandem ab aureis Delphis adisti illustres Thebas! Distrahor mentem quatiens trepidam, Ieïe Delie, Paean, veritus quid tu me vel nunc vel volventibus annis poscas; dic mihi, aureae filia spei, Fama immortalis!

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a 2. Primam te invoco, Jovis immortalis filia, Athene et sororem terras amplectentem Dianam quae solio glorioso in foro insidet, et Phoebum sagittas procul jaculantem, adeste mihi, vos tres dei averruncantes: quando quidem, quod attinet ad priorem urbi imminentem perniciem, repressistis extra urbem flammam, nunc quoque auxilio veniatis. – b. 1. Eheu, innumerabilia enim fero mala: aegrotat mihi totus populus neque est curae telum, quo quis arcere possit: non crescunt flebilis terrae segetes nec partibus mulieres dolores acerbissimos finiunt. Alium cum alio videas veluti avem praepitem, igne celerius invicto ad dei vespertini litus volitare. b. 2. Quorum abundans funeribus urbs interit. Jacent miserandae turbae, mortem ferentes, in solo indefleti. Inter has nuptae canaeque matronae, aliae alibi ad aras prostratae supplices de suis tristibus doloribus gemunt. Paean autem fulget simulque una tibia comitante cantus querulus. Quapropter, o aurea Jovis filia auxilium mitte laetum! – Epilogus.

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„Favete, adeste aequo animo et rem cognoscite, „Ut pernoscatis, ecquid spei sit relicuom.“ (Ter!entius" Andr!ia" Pro!logus" 24, 25.) $ 9  7,9 ".

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Des Mondes Helle zuckt in ungewissen, Zerstreuten Strahlen durch die Mitternacht; Die Wolken fliegen wie vom Sturm zerrissen, Ein aufgelöstes Heer nach wilder Schlacht. Der Kidron braust in ungestümem Drängen – Der Oelberg ruht auf stummen Felsenhängen. Auch deine Jünger schlafen, hingestreckt Auf feuchtem Boden, und manch’ ängstlich Bild Scheucht ihrer Seelen Ruhe und erschreckt Die Stille, die die Schlummernden umhüllt. Sie sehen Dich im Traum zu ihnen treten, Sie sehn dich seufzen, sehn dich ängstlich beten. Doch du liegst einsam, keine Welt erfaßt Die Qualen, die dein großes Herz umfluten, Du liegst, gebeugt von ungemess’ner Last, Und alle Wunden brechen auf und bluten. Das ist dein letztes, größtes Todesringen – Und Erd und Hölle will dich niederzwingen. – Da steht vor deinem Blick ein Berg der Qual, Darauf ein Kreuz und frecher Spötter Fülle, Das ist dein Berg, dein Kreuz, dein Marterpfahl, Das ist dein Loos – nein! ’s ist dein eigner Wille. Und nicht genug – was nie ein Mensch kann sagen – Die Hölle selber kommt, dich anzuklagen. Du willst die Sünde tragen, und sie naht, Aus tiefster Finsterniß ans Licht gekrochen, Da naht verstörten Blicks des Zweifels Saat, Und Greuel, stumm und tief, nie ausgesprochen.

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Sie nahen dir mit drohender Geberde, Sie wolln dich niederziehn zu Tod und Erde. Du ringst gewaltig – blutger Thräne!n" Fluth, Sie kündet deiner Seele tiefstes Wehe: Vorüber geht er nicht, der Kelch voll Blut, Du mußt ihn trinken, Gott, dein Will’ geschehe! Und wieder naht mit leisem Flügelschlage Ein Engel wie an dem Versuchungstage. O Stätten heiligster Vergangenheit, Gethsemane und Golgatha, ihr tönet Die frohste Botschaft durch die Ewigkeit: Ihr kündet, daß der Mensch mit Gott versöhnet, Versöhnet durch das Herz, das hier gerungen, Das dort verblutet und den Tod bezwungen! O Stätten, heilig ernster Gegenwart, Zu denen sich die müde Seele führet, Und still der ewgen Lebensfluten harrt, Die auch noch jetzt ein Engel Gottes rühret. Es nahn die Kranken – und der Himmel schließet Sich auf, und Lebenswasser fließet! O Stätten, ihr, der Zukunft Weltgericht, Der Frommen Hoffnung und der Sünder Grauen! Vor Euch wird eitler Ruhm und Glanz zu nicht, Von Euch wird Segen auf die Welten thauen. – So schaut ihr, vorwärts, rückwärts, auf die Zeit, Ein Merkmal in dem Strom der Ewigkeit.

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17 [3] Gethsemane und Golgatha. FW Nietzsche.

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1 S’ giebt Stätten, wo der Geist von Welt und Tod Empor sich hebt zu himmlischen Gefühlen, S’ giebt Gräber, die ein junges Morgenroth Und frische Morgenlüfte stets umspielen, Um die es leuchtet wie von hellen Sternen – Und aus den Gräbern leuchtet’s in die Fernen. 2. Gethsemane und Golgatha! Gleich Sonnen Voll tiefsten Glanzes schaut ihr in die Welt, Gethsemane, du heilger Leidensbronnen, Und Golgatha, du heilges Todtenfeld, Auf dem aufgieng die Saat, die dort gesä[e]t, Gesät mit Blutestropfen, im Gebet! 3.

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Zu Boden liegst du. Keine Welt erfaßt Die Qualen, die dein großes Herz umfluthen; Du liegst, gebeugt von ungemess’ner Last, Und alle Wunden brechen auf und bluten. Das ist dein letztes, größtes Todesringen – Und Erd’ und Hölle will dich niederzwingen.

!4." Da steht vor deinem Blick ein Berg der Qual,

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Darauf ein Kreuz und frecher Spötter Fülle, Das ist dein Berg, dein Kreuz, dein Marterpfahl, Das ist dein Loos – nein! ’s ist dein eigner Wille. Und nicht genug – was nie ein Mensch kann sagen Die Hölle selber kommt, dich anzuklagen.

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Nachgelassene Aufzeichnungen

!5." Du willst die Sünde tragen, und sie naht,

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Aus tiefster Finsterniß ans Licht gekrochen, Da naht verstörten Blicks des Zweifels Saat Und Greuel, stumm und tief, nie ausgesprochen. Sie nahen dir mit drohender Gebärde, Sie woll’n dich niederziehn zu Tod und Erde. !6." Du ringst gewaltig – blutger Thränen Fluth,

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Sie kündet deiner Seele tiefstes Wehe. Vorüber geht er nicht, der Kelch voll Blut, Du mußt ihn trinken, Gott, dein Will’ geschehe! Und stärkend naht mit leisem Flügelschlage Ein Engel, wie an dem Versuchungstage. – !7." O Stätten heiligster Vergangenheit,

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Gethsemane und Golgatha, ihr tönet Die frohste Botschaft durch die Ewigkeit, Ihr kündet, daß der Mensch mit Gott versöhnet, Versöhnet durch das Herz, das hier gerungen, Das dort verblutet und den Tod bezwungen. !8." O Stätten heilig ernster Gegenwart,

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Zu denen sich die müde Seele führet Und still der ew’gen Lebensfluthen harrt, Die auch noch jetzt ein Engel Gottes rühret. Es nahn die Kranken – und der Himmel schließet Sich segnend auf, und Lebenswasser fließet! !9." O Stätten, ihr, der Zukunft Weltgericht,

Der Frommen Hoffnung und der Sünder Grauen! Vor euch wird eitler Ruhm und Glanz zu nicht, Von euch wird Segen auf die Welten thauen. So schaut ihr, vorwärts, rückwärts, auf die Zeit, Ein Merkstein in dem Strom der Ewigkeit. –

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S’ giebt S t ä t t e n , wo der Geist von Welt und Tod Empor sich hebt zu h i m m l i s c h h o h e n Zielen, S’ giebt G r ä b e r, die ein junges M o r g e n r o t h Und frische M o r g e n l ü f t e stets umspielen, Um die es l e u c h t e t wie von hellen Sternen – Und aus den Gräbern leuchtet’s in die F e r n e n . G e t h s e m a n e und G o l g a t h a ! Gleich Sonnen Voll tiefsten Glanzes strahlt ihr in die Welt, Gethsemane, du heil’ger L e i d e n s b r o n n e n , Und Golgatha, du heil’ges To d t e n f e l d , Auf dem a u f g i e n g die Saat, die dort g e s ä t , Gesät mit B l u t , im heiligen G e b e t ! Herr, e i n s a m liegst du. Keine Welt erfaßt Die Q u a l e n , die dein großes Herz umfluthen; Du liegst, gebeugt von u n g e m e s s ’ n e r Last, A l l ’ deine Wunden brechen auf und bluten. Es ist dein l e t z t e s , s c h w e r s t e s Todesringen, Und Erd und Hölle will dich n i e d e r z w i n g e n . Schon steht vor deinem Blick der Ort der Q u a l , Darauf ein K r e u z und f r e c h e r S p ö t t e r Rotte; Das ist d e i n Berg, d e i n Kreuz, d e i n Marterpfahl, Das ist d e i n Loos, dein L o h n von deinem Gotte. Und nicht genug – was n i e ein Mensch kann sagen Die H ö l l e selber kommt, dich a n z u k l a g e n . Du willst die Sünde t r a g e n , und sie naht, Aus tiefster Finsterniß ans Licht gekrochen, Da naht verstörten Blicks des Zweifels Saat, O G r e u e l , stumm und tief, nie ausgesprochen!

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Sie nahen dir mit d r o h e n d e r Geberde Und wolln dich n i e d e r z i e h n zu Tod und Erde.

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Du ringst g e w a l t i g – blutger T h r ä n e n Fluth Verkündet deiner Seelen t i e f s t e s Wehe; „Vo r ü b e r geht er nicht, der Kelch voll Blut Du m u ß t ihn trinken, Gott, d e i n Will’ geschehe!“ Sprichst du; da naht mit leisem Flügelschlage Ein Engel, wie einst am Versuchungstage. O Stätten heiligster Ve r g a n g e n h e i t ! Gethsemane und Golgatha! Ihr tönet Die f r o h s t e Botschaft durch die Ewigkeit, Ihr kündet, daß der M e n s c h m i t G o t t v e r s ö h n e t , Versöhnet durch das Herz, das hier g e r u n g e n , Das d o r t verblutet und den To d bezwungen! O Stätten heilig ernster G e g e n w a r t ! Zu denen sich die m ü d e S e e l e wendet Und still der ew’gen L e b e n s f l u t h e n h a r r t , Die auch noch j e t z t ein Engel Gottes spendet. Es nahn die K r a n k e n – und die Himmel schließen Sich s e g n e n d auf, und L e b e n s s t r ö m e fließen! O Stätten, ihr, der Z u k u n f t Weltgericht, Der F r o m m e n Hoffnung und der S ü n d e r Grauen! Vor euch wird eitler R u h m und Glanz z u n i c h t , Von euch wird S e g e n auf die Welten t h a u e n . So schaut ihr, v o r w ä r t s , r ü c k w ä r t s , auf die Zeiten, M e r k s t e i n e in dem Strom der E w i g k e i t e n .

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17 [5] Ueber Stimmungen.

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Man vergegenwärtige sich, wie ich am Abende des erste!n" Ostertages in einen Schlafrock eingehüllt zu Hause sitze; draußen regnet es fein; niemand ist sonst im Zimmer. Ich starre lang auf das vor mir liegende weiß!e"Papier, die Feder in der Hand, ärgerlich über die wirre Menge von Stoffen, Ereignissen und Gedanken, die alle niedergeschriebe!n" zu werden verlangen; und manche verlangen es sehr stürmisch, da sie noch jung und gährend wie Most sind; dagegen sträubt sich aber mancher alte, ausgereifte, geklärte Gedanke, wie ein alter Herr, der mit zweideutigem Blick die Bestrebungen der jungen Welt mißt. Sagen wir es offen, unsre Gemüthsverfassung ist durch den Streit jener alten und jungen Welt bestimmt, und wir nennen die jedesmalige Lage des Streites Stimmung oder auch, etwas verächtlich, Laune. Als guter Diplomat erhebe ich mich etwas über die zwistigen Parteien und schildere den Zustand des Staates mit der Unbefangenheit ein!e"s Mannes, der Tag für Tag aus Versehn allen Parteisitzungen beiwohnt und denselben Grundsatz praktisch anwendet, den er auf der Tribüne verspottet und auszischt. Gestehn wir es, ich schreibe über Stimmungen, indem ich eben jetzt gestimmt bin; und es ist ein Glück, daß ich gerade zum Beschreibe!n" der Stimmungen gestimmt bin. Ich habe an diesem Tage viel die Consolations von Liszt gespielt, und ich fühle, wie die Töne in mich eingedrungen sind und in mir vergeistigt wiederklingen. Und ich habe kürzlich eine schmerzliche Erfahrung gemacht und eine!n" Abschied oder eine!n" Nichtabschied erlebt, und nun merke ich, wie dies Gefühl und jene Töne sich mit einander verschmolzen habe!n" und glaube, daß die Musik mir nicht gefalle!n" habe!n" würde, wenn ich nicht diese Erfahrung gemacht. Das GleichartigealsosuchtdieSeeleansich zu ziehen, und die vorhandn!e" Masse von

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Empfindungen drückt die neue!n" Ereignisse, die das Herz treffe!n" aus wie eine Citrone, doch imme!r" so, daß nur ein Theil des Neue!n" sich mit dem Alten vereinigt, daß aber doch ein Rest bleibt der noch nichts Verwandtes in der Seel!e"nwohnung findet und deshalb allein sich hier einlogiert, recht oft zur Unlust der alte!n" Bewohner, mit dene!n" er darum oft in Streit geräth. Aber siehe! da kommt ein Freund, da öffnet sich ein Buch, dort geht ein Mädchen, horch! da klingt Musik! – Schon ströme!n" wieder von allen Seite!n" neue Gäste in das alle!n" offenstehende Haus und der eben allein Stehende findet viele und edle Verwandte. Aber es ist wundersam; nicht die Gäste kom!me"n weil sie wollen, oder nicht die Gäste kommen, wie sie sind; sondern es komme!n" die welche müssen und nur eben die, welche müssen. Alles, was die Seele nicht reflektiere!n" kann, trifft sie nicht; da es aber in der Macht des Willens steht, die Seele reflektiere!n" zu lassen oder nicht, trifft die Seele nur das, was sie will. Und das scheint viele!n" wiedersinnig; den!n" sie erinnern sich wie sie sich gegen gewisse Empfindunge!n" sträuben. Aber was bestimmt schließlich den Willen? Oder wie oft schläft der Wille und nur die Triebe und Neigungen wachen! Eine der stärkste!n" Neigungen der Seele aber ist eine gewisse Neubegierde, ein Hang nach dem Ungewohn te!n", und aus diesem erklärt sich, warum wir oft uns in unangenehm!e" Stimmunge!n" versetze!n" lassen. Aber nicht nur durch den Wille!n" nimmt die Seele an; die Seele ist aus demselbe!n" Stoff aus dem die Ereignisse gemacht sind oder aus ähnliche!m" und so kommt es, daß ein Ereigniß, das keine verwandte Saite trifft, doch mit der Last der !Stimmung" schwer auf der Seele liegt und allmählich ein solches Uebergewicht erlange!n" kann, daß es den ande!r"n Inhalt der Seele zusammendrückt und einengt. Stimmungen komm!en"also entweder aus innern Kämpfen oder aus einem äußern Druck auf die innere Welt. Hier ein Bür-

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gerkrieg zweier Heerlager, dort ein!e" Bedrückung des Volkes von Seite!n" eines Standes, einer klein!en" Minorität. Ist mirs doch oft, wenn ich meine eigne!n" Gedanke!n" und Gefühle belausche und stumm auf mich achte, als ob ich das Summe!n" und Brausen der wilden Partei!e"n hörte, als ob ein Rausche!n" durch die Luft ginge, wie wenn ein Gedanke oder ein Adler zur Sonne fliegt. Kampf ist der Seele fortwährende Nahrung, und sie weiß sich aus ihm noch genug Süßes und Schönes herauszunehmen. Sie vernichtet und gebie!r"t dabei neues, sie kämpft heftig und zieht [den] den Gegner doch sanft aufihre Seite zu inniger Vereinigung. Und das Wunderbarste ist, daß sie nie auf das Äußre achtet, Name, Personen, Gegenden, schöne Worte, Schriftzüge, alles ist ihr von untergeordnetem Werthe, abe!r" sie schätzt das, was in der Hülle ruht. Das was jetzt vielleicht dein ganzes Glü!c"k oder dein ganzes Herzeleid ist, wird vielleicht in Kurzem nur noch das Gewand eines noch tiefern Gefühls sein und wird darum in sich verschwinden, wenn das Höhere kommt. Und so vertiefe!n" sich imme!r" mehr unsre Stimmungen, keine einzige gleicht einer andern genau, sondern jede ist unergründlich jung und die Geburt des Augenblicks. Ich denke jetzt an manches, was ich liebte; Name!n" und Persone!n" wechselte!n" und ich will nicht behaupte!n", daß wirklich ihre Naturen imme!r" tiefer und schöner geworden wären; wohl aber ist es wahr, daß jede dieser ähnliche!n" Stimmunge!n" für mich ein!en" Fortschritt bedeutet, und daß es dem Geist unerträglich ist, dieselbe!n" Stufen, die er durchschritt, noch einmal zu durchschreiten; immer mehr in Tiefe und Höhe will er sich breiten. Seid mir gegrüßt, liebe Stimmungen, wundersame Wechseleiner stürmische!n" Seele, mannichfach wie die Natur ist, aber großartiger als die Natur ist, da ihr ewig euch steigert, ewig aufstrebt; die Pflanze aber duftet noch jetzt wie sie am Tage der

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Schöpfung duftete. Ich liebe nicht mehr, wie ich vor Woche!n" liebte; ich bin in diesem Augenblick nicht mehr so gestimmt, wie ich es beim Beginn des Schreib!e"ns

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Nachtgedanke Ich sah ins Licht, von einer Mücke leis Umschwirrt, in mein!en" Stuhl zurückgesunken: Durchlaufen hat ich den gewohnte!n" Kreis, Gewohnte Freuden hat ich ausgetrunken, Das Haar dem Winde und die Brust der Fluth, Das Herz der Dämrung freundlich dargeboten Und sanft erregt das leicht beschwingt!e" Blut, Der Todten eingedenk, der liebsten Todten. Ich sah sie stehe!n" auf der Wolke Saum – Ich war allein und schaute hin und wieder Sinds ihre liebe!n" Züge? Merklich kaum Schwang schauernd rings derNachtwind sein Gefieder. Sie sinds, sie sinds. Und du auch mitten drin? Gestorbe!n" bist du mir, und warst doch lieber Als alles meine!r" Brust? Auch du giengst hin? Nein, dein!e" Liebe sta!r"b und ging hinüber! S’ ist still um mich. Durch’s leicht verhängte Fenster Lugt blassen Angesichts der Mondenschei!n". Was sucht er hier? Wie flüchtige Gespenste!r" Umspiele!n" Wolke!n" ihn, duftig und fein Sie fliehn an meine!r" Wand im Wiederglanz Vorüber – und ich seh sie gerne ziehn –

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Mir ists, als säh ich der Gedanke!n" Tanz, Um stille Gräber hin und wieder ziehn.

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Da liege!n" vor mir Büche!r" aufgeschlage!n" Und mitte!n" drin ein vollgeschriebe!n" Blatt Die Büche!r" sind so todt – doch volle!r" Zage!n" Greif ich zum Brief – die Schrift ist matt, Verbliche!n" ist die Hand, die sie geschriebe!n" Das Herz ist todt, daß diese!r" Hand befahl An diese!m" Briefe haftet all mei!n" Liebe!n" An diesen Züge!n" alle mei!ne" Qual. Und doch – ihr seid nicht todt, ihr dicke!n" Bände Ihr Bäuche voller Weisheit seid nicht todt – Da nehm ich freundlich dich in mei!ne" Händ!e" – Du gabst mir Trost, du gabst mir Wein und Brot Mein Sh!akespeare," als mich Schme!r"ze!n" niederzwange!n"; Vergesse!n" darf dies mein!e" Seele nicht: Wie Mondesschatte!n" sind sie weggegange!n" Du bliebst mir treu, tiefsinn!i"ges Gesicht!

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Fast eingebrannt das Licht – es flackert auf Und helle!r" wirds im Zimm!er", in der Brust: Ja auf mei!n" He!r"z, steig aus der Gruft heraus Und bade dich in neuer Morgenlust Noch ist dein Geistesöl nicht ausgebrannt Noch kannst du weithin helle Funke!n" werfen, Verrostet ruht dein Eise!n"schwert im Sand – Nimm Felsen, Blitze, Donner, es zu schärfen. Zusamm!en"brach des Lichtes letz!t"e!r" Schein – Des Mondes schatte!n" husche!n" hin und wieder Das Fenster klirrt – die Nacht schaut bleich herein

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Erseufzend schwingt der Nachtwind sein Gefiede!r". Die Hand erstarrt, des Schreibe!n"s endlich müd Die Auge!n" blicke!n" düster, Wehmuth trunken Die Mücke summt sich leis ihr Abe!n"dlied – Ich ruh im Lehnstuhl, tief in mich versunken.

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1. Grüße dieses kleine Blatt, aus meiner Hand Leicht entflattert und als Bote Dir gesan!d"t. Tausend Grüße hafte!n" an dem klein!en" Blatt, Die die Feder nicht hinein geschriebe!n" hat. 2. Fasse diese Seite an mit liebe!r" Hand, Wenn zu deine!n" Händen sie die Wege fand. Denke daß dir gern die Hand gedrückt Der viel Händedrucke durch dies Blättlein schickt

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3. Schaue diese!n" Brief mit liebe!n" Auge!n" an – Denkst du daß der arme dich nicht sehe!n" kann? Dennoch werde!n" dich zwei Auge!n" sehn Und darauf im Fluge wieder zu mir gehn. 4. Also mein!e" Grüße, mein!e" rechte Hand Mein!e" beide!n" Auge!n" hab ich dir gesandt: Sie sind dein für eine!n" Augenblick: Aber schicke alle schleunigst mir zurück 5. Wohl! sie sind entflattert. Ich doch denke dein – In Gedanke!n" bist du ganz und völlig mein. Heimlich hab ich dir dich selbst entwandt, Und zurückempfange!n" Grüße, Aug und Hand.

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1 Er starb und ward begraben. Kaum gekannt Inmitten grauer Steine und umschlungen Von Moose lag sein Grab. Sein Glück, sein Stand, Sein Leben war in aller Mund verklungen; Kaum daß man seltne Kunde von ihm fand, Und diese selbst verwittert und zersprungen. Es giengen über ihn mit wilder Welle Der Zeiten buntbewegte Wechselfälle. 2 Die Bühnen sind geschlossen. Heimlich kaum Bei Nacht und Stille sieht man mit Behagen, Wie König und Gefolg auf engem Raum Und Witz und Ernst im Spiel vorüberjagen: Man sieht den langentbehrten, schönen Traum, Den Kirch’ und Volk in enge Haft geschlagen, Als Werk des Teufels schmachvoll, ohne Rechte: Der Bühne Diener heißen Teufelsknechte.

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3 In Blut und Wirren starb der letzte Klang, Der noch von ihm aus jenen Zeiten tönte, Wo er, ein junger Adler, auf sich schwang Und seines Volkes Blüthentage krönte, Wo England frisch und stark, im Jugenddrang Zu Land und See die stolzen Feinde höhnte Und über Meere seine Arme streckte Nach Schätzen, die ihm keine Ferne deckte.

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4. Doch jetzt vorüber! Finstrer Zwang umhüllt Die strengen Seelen mit selbsteignen Nöthen. Sie tragen es – und keine Thräne quillt – Sie mögen lieber ihren König tödten, Als auf der Bühne sehen Bild um Bild

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Und einen Schmerz zu hören ohn’ Erröthen Die Leute sind zu ernst. Die Kunst wird flüchtig – Und wird in Frankreich prunkend, hohl und nichtig.

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5 Da kehrte Karl der Zweite. Es erstand Die Bühne, doch mit fremdem Schmuck und Prangen. Man sah den Helden reich mit Ordensband, Mit Degen und Perrücke rings umhangen. Man sah ihn zierlich rühren Fuß und Hand, Doch so, wie höf’sche Sitten es verlangen, Nie toben, doch höchst würdig und gehalten In steifen Versen sein Gefühl entfalten. 6 Da lag er eingesargt, vom Volk vergessen, Bald mißgedeutet oder arg geschmäht: Man dürf’ ihn nicht nach diesen Zeiten messen, Da jene wüsten, rohen längst verweht. Man wolle nicht der Väter Eicheln essen – Es reiche süß’re Kost ja seine Majestät. Und mancher sprach, ein unberufner Richter, Von ihm, dem rohen, ungefügen Dichter. 7 Doch steht in hohen, ahnungsvollen Zügen 4 Sein Bild in einer Seele ausgeprägt, In einer Seele, die zu hohen Flügen Die jungen, kaum erschloss’nen Schwingen regt: Ein Garrik ists, der in erhabnen Siegen Der Menge Stumpfsinn glorreich niederschlägt, Der Shakespeare’s Welt, dem Volk im Traum verloren, In seiner Seele Tiefe neu geboren. 8 Und wie die Bergesgipfel, wenn das Thal Noch lange ruht von Nebeln dicht umzogen, Am frühsten trifft der morgendliche Strahl,

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Und auf den Höhen schweifen Lichteswogen: So haben auch den neuen Glanz zumal Die höchsten Geister in sich eingesogen: In Lessings und in Herders Geisteshöhen Schien einer Morgensonne Glanz zu stehen.

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9 Die nächt’gen Nebel fluthen immer wilder, 5 Durchzuckt von Lichtesblitzen Well’ auf Well’; Es flüchten jählings all’ die Schattenbilder, Und sieghaft blickt der Sonnen Lichtesquell – Und neue Lüfte wehen, reiner, milder, Es blüht das Land im Schimmer goldenhell: Und alles will in neue Form sich gießen Und Erd und Himmel in sich überfließen. 10 Dem Lebenden, des Grab verschlossen war, Auf dem der Vorurtheile Felsen lagen, Der unter uns auch wandelt wunderbar Und immer neu ersteht in diesen Tagen: Dem Lebenden, dem noch von Jahr zu Jahr Mehr Herzen jubelvoll entgegenschlagen, Nur ihm dem Lebenden, nicht jenem Todten Sei heut, des Festes erster Gruß entboten. –

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Ich versucht es erst in Tönen: siehe, es gieng nicht; weiter stürmte das Herz; und der Ton blieb todt. Ich versucht es dann in Versen; nein, nicht Reime fassen’s, nicht ruhige, gemessne Rythmen. Fort Papier: ein neues her, und nun kritzle schnell Feder, nun rasch Tinte! Weicher Sommerabend; dämmernd und blaßstreifig. Kinder-

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stimm!en" auf den Gassen; in der Fern!e" Lärm und Musik; es ist Messe; die Leute tanzen, bunte Latern!en" brenne!n", die wilden Thiere brumme!n", hier knallt ein Schuß, dort Paukengerassel, gleichmäßig, durchdringend. Es ist etwas dunkel in der Stube; ich zünd’ ein Licht an; doch blickt des Tages Auge neugierig durch die halbverhangen!en" Fenster. O es möchte weiter sehn, mitte!n"hinein in dies Herz, das heißer als das Licht, dämmernder als der Abend, bewegter als dieStim!m"en aus der Ferne, tiefinner lich zittert und schwingt, wie eine große Glocke[n], die bei einem Gewitter geläutet wird. Und ich erflehe ein Gewitter; zieht nicht das Glocke!n"läute!n" die Blitze an? Nun so nahe Gewitter, läute!re", reinige, blase Regendüfte in meine matte Natur, sei willkommen, endlich willkomme!n"! Sieh! Da zuckst du, erster Blitz mitte!n" hinein in das Herz, und daraus steigt’s wie ein langer fahler Nebel auf wä!r"ts. Kennst du ihn, den düstern, tückischen? Schon blickt mein Auge heller, und meine Hand strecke ich nach ihm aus, um ihm zu fluche!n". Und der Donner murrt; und eine Stimme erscholl: „Sei gereinigt.“ Dumpfe Schwüle; mein Herz schwillt. Nichts regt sich. Da ein leiser Hauch, am Boden zittert das Gras – sei mir willkommen, Regen, lindernder, erlösender! Hier ists oede, leer, todt; pflanze du von neuem. Sieh: Ein zweiter Schlag! Grell und zweischneidig mitte!n" ins Herz! Und eine Stimme scholl: „Hoffe.“ Und ein weicher Duft zieht aus dem Boden, ein Wind flattert heran, und ihm folgt der Sturm, heulend und seine Beute haschend. Abgeknickte Blüthen jagt er vor sich her. Der Rege!n" schwimmt lustig dem Sturm nach. Mitte!n" durchs Herz. Sturm und Regen! Blitz und Donner! Mitte!n" hindurch! Und eine Stimm!e" scholl: „Werde neu!“

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64. Am 5 Mai starb Giacom!o" Meierbeer in Paris. Am Tage darauf spielte ich und hörte singen sein „Komm schönes Fischermädchen v!on" Hein!e"“ das erste, was mir von ihm gefiel. Ouvertür!e" von Struensee ist mir sehr gerühmt.

17 [11] In wie fern ist der Reichthum ein Glück und in wie fern hat er auch seine Gefahren?

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Nietzsche. Es ist bekannt, wie sehr das Verhältniß des Menschen zu den irdischen Gütern dem Wechsel unterworfen ist, und es ist eine Aufgabe der Wissenschaft, seine Bedeutung für die einzelnen Völker und Zeitalter näher zu bestimmen, und seinen Schwankungen in der Einwirkung auf das gesammte Volksleben nachzugehen. Zugleich aber mit diesem Wechsel tritt ein Bleibendes, Gemeinsames hervor, zwar bei diesem oder jenem Volke schärfer oder schwächer ausgeprägt, aber doch Gemeingut aller Völker, insofern wir unter Volk vor allem die Massen verstehen, nicht einlne durch Bildung und höhere Einsicht hervortretende Stände: das ist der Glaube an ein enges Verhältniß des Reichthums zum Glück, der Armuth zum Unglück, an die innerliche Verwandtschaft äußerlicher Glücksgüter mit dem Seelenglücke des Einzelnen. Es ist augenscheinlich, und die Erfahrung bestätigt es immer wieder, daß dieser Zusammenhang gar nicht nothwendig ist, daß im Gegentheil sehr häufig neben dem Reichthum der Unfriede der Seele, das geistige Elend, die Verzweiflung wohnt, daß dagegen in den Hütten der Armuth Ruhe des Gemüths, heitere Zufriedenheit mit dem beschiedenen Loose hei-

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misch werden kann. Aber so viel ist richtig: ist der Zusammenhang kein nothwendiger, so ist er doch ein möglicher. Denn in dem Streben nach Reichthum etwas Unnatürliches, den Menschenrechten überhaupt Widerstreitendes zu erkennen, ist ebenso irrthümlich, als wenn man den Reichthum als das einzige, höchste Ziel des Menschen aufstellen wollte. Wir müssen einsehn lernen, daß Reichthum und Armuth nicht an und für sich Glück oder Unglück in sich schließen, wohl aber, daß die Art, wie man sich ihrer bedient, das Glück sowohl als das Unglück des Einzelnen steigern kann. Untersuchen wir also die Bedingungen, unter denen der Reichthum für den Menschen ein Glück heißen kann, unter denen er Gefahren jeder Art veranlassen und den Seelenfrieden stören kann. Da das Glück aber durchaus nur als ein innerlicher Zustand, als eine gewisse Gleichstimmung der geistigen und sittlichen Kräfte bezeichnet werden kann: so muß der Reichthum seine Wirkungen auf das geistige und sittliche Leben des Menschen äußern, wenn er das Glück desselben erhöhen soll. Und es genügt, anzudeuten, wie dem Reichen einerseits Mittel in die Hand gegeben sind, die Kräfte seines Geistes zu einer größern Vollkommenheit auszubilden, die Weite seines Gesichtskreises, etwa durch Reisen, zu erweitern und alle die geistigen Mächte zu seinem Dienst zu zwingen, die dem Armen bei der Beschränktheit seiner Mittel durchaus unbekannt bleiben. Anderntheils kennt der Reiche nicht jene gefährlichen Gemüthszustände, in die wohl der unglückliche Arme gerathen kann, wenn seine Sittlichkeit im Kampfe mit der Noth, mit dem Elend zu unterliegen droht; im Gegentheil kann er zur Linderung allgemeiner Nothstände oder zur Unterstützung der Armen, der Kranken, der Waisen nicht nur mit Rath und Vorschlag, sondern auch mit seinen Mitteln thätig ein greifen. Ueberhaupt giebt ihm der Reichthum eine größere Unabhängigkeit von den Menschen, im Gegentheil kann sein Einfluß wohlthätig auf die weiteren Kreise seiner Umgebung wirken, während der Name und die

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Thätigkeit des Armen selten zur Öffentlichkeit gelangt und mit seinem Tode völlig erstirbt. Ueberhaupt hat der Reiche Zeit und Muße zu seiner geistigen und sittlichen Ausbildung; der Arme versäumt nur zu oft die eine wie die andre, um nur seine nothwendigsten Bedürfnisse zu bestreiten. So ist dem Reichen die Möglichkeit gegeben, sich das Leben mit Anmuth und Schönheit auszuschmücken und jene Feinheit der Empfindung, jenes Wohlbehagen am Genuß des Daseins sich zu erwerben, um das der im Schweiße des Angesichts arbeitende Tagelöhner seinen reichen Gutsherrn glücklich preist. Und dennoch zeigt gerade die Erfahrung so häufig ein völlig anderes Bild vom reichen Mann, als ich eben entworfen habe. Dieselben Mittel, die er auf seine Ausbildung verwenden sollte, finden wir oft genug im wüsten Genuß vergeudet, die Feinheit der Empfindung in gefühllose Härte gegen Mitmenschen einerseits, in rohe Gier nach sinnlichen Genüssen andernseits verkehrt. Statt jener glücklichen Behaglichkeit haben sich schlechte Leidenschaften in sein Herz eingenistet, die nicht allein ihn selbst zu Grunde richten, sondern auch auf seine Umgebung den verderblichsten Einfluß ausüben. Wir erkennen, wie auch dem Reichen schwere Versuchungen, oft in anmuthiger und verführerischer Gestalt, entgegentreten, nicht geringere, als jene, die den Armen zu umstricken suchen, und gefährlichere, weil sie gewöhnlich nicht nur das Unglück des Einzelnen nach sich ziehn. Wir erkennen, daß des Reichen müheloses Auskommen ihn häufig zur Mißachtung der Arbeit, auch zur Geringschätzung seiner ärmeren Mitmenschen verführt, wie aber sein müssiges Leben leicht die Keime zu allen möglichen Leidenschaften in sein Herz legen kann. So ist auch der Reichthum ein so zweifelhaftes Gut, wie die äußere Ehre, die unter den Händen des Menschen sich zum Segen oder zum Fluche wandeln kann, je nachdem Reichthum und Ehre eben nur äußerliche Güter sind und noch nicht mit einem reichen Gemüthsleben, mit einer inneren Ehrenhaftigkeit zu einer schönen Einheit verwachsen sind. Trotz jenen Gefahren ist aber kaum

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etwas begründeter, als das menschliche Streben nach Reichthum, wie es in allen Schichten des Volkes sich offenbart: ihm liegt jener höchst richtige Gedanke zu Grunde, daß der Reichthum viele nothwendige Bedingungen zu einem schönen und des Menschen wahrhaft würdigen Leben in sich schließt. –

17 [12] Ueber das Verhältniß der Rede des Alcibiades zu den übrigen Reden des platonischen Symposions. Nietzsche. 1864. 10

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Um sogleich an die Spitze zu stellen, wie ich mir das Verhältniß der fünf ersten Reden zu der des Sokrates denke: so scheint mir die Behauptung durchaus irrig, daß Plato in jenen fünf Reden nur verfehlte Ansichten über den Eros zusammengestellt habe, um ihnen die einzig richtige des Sokrates gegenüber zu setzen. Sokrates selbst versagt diesen Reden seinen Beifall nicht, er kommt auf sämmtliche zurück, indem er den einzelnen Ansichten den ihnen gebührenden Platz anweist. Vielmehr glaube ich, daß von der ersten Rede bis zu der letzten ein entschiedener Fortschritt stattfindet, insofern jede nachfolgende Ansicht die des Vorgängers um ein Wesentliches vermehrt und erweitert; die einzelnen Redner sehen den Begriff des Eros mit wachsender Deutlichkeit vor sich entstehen: bis endlich Sokrates das von ihnen allmählich aufgeführte Gebäude nur zu einer Kuppel rundet, nicht etwa wieder umstürzt. Dies gilt natürlich nur in Betreff der Grundansichten eines Jeden: was die Andern als Schmuck ihren Ausführungen beifügen, wird vielfach von Sokrates als unberechtigt zurückgewiesen. Die Rede des Phaedrus zeichnet nur das Gebiet, worin sich die Frage bewegt: er schildert Eros als den ältesten Gott und als

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der größten Güter Urheber. Ich übergehe hier natürlich die Bedeutung der einzelnen Reden für die Charakteristik der Personen und hebe nur die Grundgedanken hervor. – Pausanias erklärt den Eros der himmlischen Göttin als die Liebe mit dem Zweck der aktiven oder passiven Veredlung des Menschen. Eryximachus erweitert die Bedeutung des Eros auf das Allleben der Natur, während die beiden ersten Redner die Liebe nur in ihrer Wirkung im Menschen darstellen. Aristophanes sagt, daß dem Eros eine Naturnothwendigkeit zu Grunde liege, das Gesetz der Wahlverwandtschaft. Agathon endlich nennt Eros die Liebe zum Schönen, die alles Gute und Große erzeuge, in der Natur, in der Kunst, überall. Zusammengefaßt würde nach diesen Reden der Begriff des Eros sein: Eros ist die auf die Hervorbringung des Guten gerichtete Liebe zum Schönen als Naturgesetz. Nicht wesentlich anders lautet die Bestimmung des Sokrates: Eros ist die auf das Erzeugen und Gebären im Schönen gerichtete Liebe, die er dann als den der geistigen und physischen Natur innewohnenden Unsterblichkeitstrieb bezeichnet. In dem von ihm aufgestellten Stufengang zum höchsten Eros bemerke ich das Eigenthümliche, daß in ihm die verschiedenen Standpunkte der Redner sich wiederfinden. Phaedrus zwar ist wie auch sonst, nur der „Geburtshelfer“ der folgenden Reden. Aber Pausanias, bei dessen Rede man nie seine Liebe zum Agathon außer Acht lassen darf, zeigt den Standpunkt des Menschen, solange er noch ein Schönes, sei es ein körperliches oder ein geistiges, liebt. Eryximachus ist Liebhaber alles Schönen, wie es sich in der gesammten Natur offenbart. Aristophanes steht schon auf der höheren Stufe der Liebe zu Kunst und Wissenschaft, ebenso wie Agathon, der, wie mir scheint, seine höhere Stellung über Aristophanes als Tragoediendichter von Plato bekommen hat: ein Urtheil, dem wir jetzt nicht mehr beistimmen würden: der geistig größere Mensch ist bei weitem Aristophanes. Endlich erreicht Sokrates selbst die Stufe, die Diotima als die höchste bezeichnet hat, die Liebe zum Urschönen; wir zweifeln nicht, daß er sie er-

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reicht hat, aber Sokr!ates" selbst sagt es uns nicht und darf es seinem Charakter gemäß nicht. Wohl schildert er sich, wie er ehemals im selbigen Irrthum, wie jetzt Agathon, befangen war; jene große Einsicht hat er ge wonnen. In wiefern sie aber ins Leben übergegangen ist, ob sie überhaupt im Stande ist, verwirklicht zu werden, das muß dem Leser des Dialogs ungewiß bleiben. Darum tritt Alcibiades auf, um die Liebe zum Urschönen in ihrer Wirkung auf das praktische Leben des Menschen darzustellen; und zwar die Wirkung dieser Liebe im einzelnen Menschen als im Sokrates, und die Rückwirkung eines von solcher Liebe erfüllten Menschen auf Andere als des Sokrates auf den Alcibiades. Hier liegt der Punkt, warum Plato gerade den Alcibiades gewählt hat, um diese Wirkung zu schildern. Wäre irgend ein Jünger des Sokrates aufgetreten, um Sokrates zu verherrlichen, die Wirkung wäre eine ungleich schwächere gewesen. Alcibiades dagegen ist ein vom Sokrates ganz abgefallner, der Philosophie völlig entfremdeter Jüngling. Die Einwirkung des Sokrates auf einen solchen und zwar auf einen so genialen Menschen ist die wunderbarste, die Plato als Beweis jener erwähnten Rückwirkung hätte anführen können. Sodann weiß Alcibiades nichts vom vorhergegangnen Gespräch: zum Erstaunen der Zuhörer zeichnet er die praktische Seite des dem Urschönen geweihten Menschen, während Sokrates die theoret!ische" zeichnete. Plato stellt ihn trunken dar, um ihn freier sich über Dinge äußern zu lassen, die im ernsten, gemessenen Gespräch gemieden werden mußten; ihre Erwähnung war aber eine nothwendige, zumal da es historische Fakta waren. Dann ist der Gegensatz der Reden des Sokrates und des Alcibiades bemerkenswerth, wie der Gegensatz der beiden Naturen, während beide ihre tiefsten Empfindungen aussprechen, der eine durch den Mund der gottbegeisterten Prophetin, der andre in der Begeisterung des Weines, ihre tiefsten aber doch gleichen Empfindungen für das Urschöne, der eine in der Idee, der andre in der Hinweisung auf die Wirklichkeit: Sokrates ist der Liebhaber des

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Urschönen, aber Alcibiades ist auch Liebhaber des Urschönen. Dabei welche Verschiedenheit der Naturen: der eine ebenso sittlich erhaben, wie der andre sittlich gesunken; der eine körperlich ebenso schön als der andre häßlich, der eine ebenso nüchtern und seiner mächtig als der andre trunken und aufgeregt. Es ist deutlich, daß diese Gesichtspunkte sich zugleich auf die Philosophie als auf die künstlerische Anlage des Dialogs beziehen. Hierbei ist zu beachten, daß mit dem Auftreten des Alcibiades ein Umschwung des Tones eintritt; es ist der kühnste künstlerische Griff, daß in dem Augenblick, wo die Rede des Sokrates die Hörer gleichsam auf das hohe Meer des Schönen geführt hat, die Schaar der Trunkenen und Schwärmenden eindringt, und doch die Wirkung der Rede des Sokrates nicht vernichtet, sondern gesteigert wird. Die Rede des Alcibiades ist das Werk des Eros, ebenso wie es die Rede des Sokrates ist. Aber die Rede des Alcibiades wirkt durch Thatsachen, wie die des Sokrates durch Ideen; und die Thatsachen wirken kräftiger und überzeugender als die ausgesprochnen Ideen. Die Reden des Sokrates und des Alcibiades verhalten sich ähnlich wie die des Agathon und des Aristophanes, wie die des Eryximachus und des Pausanias, nur in einer höheren Sphaere. Sokrates, Agathon, Eryximachus sind die größern Denker, Alcibiades, Aristophanes, Pausanias wirken durch Thatsachen und Mythen: bei Pausanias ist nämlich zu beachten, daß er immer seine eigne Liebe zum Agathon im Auge hat. Die drei Denker erheben den Eros in den weitesten Kreis der ihnen eigenthümlichen Künste und Wissenschaften, Eryximachus betrachtet den Eros als Arzt, Agathon als Dichter, Sokrates als Philosoph. Durch den Gegensatz des Sokrates und Alcibiades kommt endlich jene dämonische Doppelnatur des Eros selbst zur Anschauung, jenes Mitteninnen zwischen Göttlichem und Menschlichen, Geistigem und Sinnlichem; wie auf der andern Seite durch das Auftreten des Alcibiades der Dialog selbst jene wunderbare Färbung erhällt, jenes Schwanken zwischen entgegenge-

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setzten Farbentönen, das bis in die einzelnen Theile des Dialogs zu verfolgen ist und sich selbst auf die Sprache erstreckt. Selbst schon die wundersame Vereinigung philosophischer Reden mit dem Genusse des Weines erinnert hieran. So erscheint das Auftreten des Alcibiades als der Wendepunkt des kunstvollen Dramas und zugleich der Philosophie nach der Seite der Wirklichkeit hin; und, wenn es mir erlaubt ist, einen Vergleich zu wagen, so hat Plato alle Theile des Dialogs in diesen Knotenpunkt zusammengeschnürt, nicht anders als wie Zeus die verschiedenen Seiten und Häute des Menschen mit der Nabelschnur zusammenband und in einem Knoten vereinigte. –

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Bello punico primo Romanos non tam opum magnitudine aut militari ducum scientia quam constantia et patriae amore superiores factos esse. Nietzsche. Cum Mamertinorum legati Romam venissent et auxilium contra Syracusanos petivissent: patres, cum in senatu de hac re agerent, jam in eo esse perspexerunt, ut novum belli genus valdeque a priore abhorrens susciperent viamque ingrederentur periculosissimam: simul vero, si quidem imperi Romani fines etiam ultra Italiam dilatare concupiscerent, occasionem oblatam sibi non esse praetermittendam cogno verunt. Etenim usque ad id temporis id quidem spectaverant, ut totam Italiam sibi subjicerent: id quod longin quis bellis tandem perfecerant. Sed ipsam Siciliam vi atque armis tentare nondum conati erant, cum bellum in populos hac in insula insedentes rebus Siculis immixti suscipere noluissent, quorum opes suas ante subactam Italiam multo superarent.

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Si vero quaerimus, unde factum sit, ut Romani quamvis novo belli genere usi tandem victores excederent: caussae non sunt repetendae, unde vulgo repetuntur, ex opum magnitudine et militari ducum scientia. Id vero facile erit intellectu, si primum Romanorum opes cum Carthaginiensium comparaverimus. Omnino enim Roma tum tanta omnium rerum copia non floruit, quanta Carthago ea aetate; ad quam et ex fructuosa mercatura et ex ditissimis coloniis redundabant opes. Accedit autem, quod bellis longinquis et ambiguis in Samnites et in Pyrrhum regem gestis Romanorum opes non illae quidem plane exhaustae, tamen ad modum erant debilitatae. Qua re est admiratione dignissumum, quod Romani tot classes exornaverunt, quot ne opulenta quidem Carthago exornare potuit neque voluit, quod et in Siciliam et in Africam et in Corsicam tot exercitus miserunt e civibus Italicisque sociis compositos, quot ne conducticios quidem Carthaginienses poterant. In hac re dilucide ille splendidissimus patriae amor elucet, quo Romani singularem in modum alias gentes antestiterint, in eadem re illa constantia, cujus est praeclarissimum exemplum, quod singuli cives tot cladibus acceptis classibus que amissis, quamquam senatus mari abstinendum esse decreverat, sumptus ad novam exstruendam classem suppeditaverunt. Dein mihi est demonstrandum Romanos ne militari quidem ducum scientia id effecisse, ut tandem superiores fierent. Primum vero, si ad totius belli rationem spectamus: dilucide apparet recte monuisse Mommsenum nunquam Romanos in tanta bellorum serie tam temere bellum iniisse, tam saepe in consiliis fluctuasse, quam in hoc primo punico. Praeterea eis multum attulit detrimenti, quod, quisquis consul factus erat, etiam laudem imperatoriam assequi concupiscebat et ob eam causam cum hoste confligere studebat. Testis est illa Claudi Pulcri clades, qua classis Romana in Drepani portu profligata est; cum Carthaginiensem classem in eodem portu intercludere instituisset. Accedit, quod Romani neque duces neque milites ad bellum maritu-

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mum erant adsueti, unde praecipua causa repetenda est, quod neque patres Romae neque duces bellum ad certam rationem et tamquam artem poterant administrare. Post enim expugnatam Siciliam duas diversas vias Romanis inire licuit: quas profecto ingressi sunt, sed imprudenter. Primum Carthaginienses coloniis privare studuerunt: quo consilio leviter omisso ipsa in Africa hostes aggressi sunt. Sed Regulus cum res prospere evenire viderentur, maximam exercitus partem Romam dimisit: patres vero cum de prima clade audivissent, etiam id consilium terrore affecti rejecerunt. Cum igitur demonstraverimus neque opum magnitudine neque militari ducum scientia Romanos tandem e longinquo bello victores excessisse: id postremo est exquirendum, quibus omnino rebus illa inter Romanos et Carthaginienses discrepantia posita sit. Carthaginienses enim bellum susceperunt, ut florentissimam mercaturam tutarentur, quam in periculum vocatam arbitrabantur, cum Romani Siculis rebus se immiscere coepissent. Contra vero Romani internis discordiis compositis sola in re publica amplificanda patriae que opibus augendis collocaverunt operam: sic Carthaginienses suis quisque inserviebant commodis, Romani solam ad patriae salutem spectabant. Si igitur verum est, quod Sallustius, florentissimus rerum Romanarum scriptor, dicit, ut ad bellum prospere gerendum multo plus ingenium virtusque quam corporis vires magnitudoque opum valeant: etiam id affirmem non tam militarem scientiam quam constantiam patriaeque amorem summi esse momenti ad res decernendas.

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Noch einmal eh ich weiter ziehe Und mein!e" Blicke vorwärts sende Heb ich vereinsamt mein!e" Hände Zu dir empor, zu dem ich fliehe, Dem ich in tiefster Herzenstiefe Altäre feierlich geweiht Daß allezeit Mich seine Stimme wieder riefe. Darauf erglühet tiefeingeschriebe!n" D1as Wort: Dem unbekannte!n" Gotte: Sein bin ich, ob ich in der Frevler Rotte Auch bis zur Stunde bin gebliebe!n": Sein bin ich – und ich fühl’ die Schlinge!n", Die mich im Kampf darniederziehn Und, mag ich fliehn, Mich doch zu seinem Dienste zwinge!n". Ich will dich kenne!n" Unbekannter, Du tief in mein!e" Seele Greifender, Mein Leben wie ein Sturm durchschweifender Du Unfaßbarer, mir Verwandter! Ich will dich kennen, selbst dir diene!n"

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[18 = Mp VII 1, 1–24; Bibliothek Pforta. 22; Mp VII 2, 43–44; Mp VII 3, 1–7; Sommer 1864]

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= Mp VII 1, 1–24 = Bibliothek Pforta 22 (Valediktionsarbeit) = Mp VII 2, 43–44 = Mp VII 3, 1–7

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Die ritterliche Poesie im Mittelalter beschäftigt sich mit Frauendienst, Gottesdienst, höfischer Standessitte. Die ritterl!iche" Poesie des Griechenthums hat zu Hauptelementen d i e h ö f ! i s c h e " Standessitte u. das sympotische Leben, in letzterem zum Theil den Gottesdienst. Uebergang zur Didaktik ebenso im Mittelalter, aber aus verschiedenen Gründen. Urtheile der Alten über Theogn!is". Urtheil des Xenophon. Gebrauch in der Schule.

Einleitung. W!elcker" LXXI. Als Moralist wird er aufgefaßt. Darum auch zum Schulgebrauch

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Urtheil des Plutarch. Des Dio. Ansicht Goethes. Dies eine f a l s c h e A n s i c h t , entsprungen aus Nichtkenntniß der Geschichte. Goethes Worte.

geeignet. Deshalb von den Spätern gering geschätzt, als trivial u. unpoetisch. Hor!atius" Sat!urae" 1, 10. An tua demens Vilibus in ludis dictari carmina velis? Non ego.

Theognis kein g n o m i s c h e r D i c h t e r. 1. E s r ü h r t v o n i h m Bernhardy: 457 „überlieferter k e i n e K y r n o s g n o m o l o - Titel  µ« K  “ g i e h e r. d i e d e m K y r n o s gewidmeten Gedichte heißen . Schwanken des Suidas darüber. Die Hauptcodices haben Ursache des Namens „ logie“ ist, daß frühzeitig nur die. Plutarch hat   . Zu seiner Zeit ser Auszug existierte W!elcker" existirte schon der Auszug. LXXIII Cyrillus 433. Isocr!ates" ad Nicocl!em" § 43. Plato de leg!ibus" VII, 810. Hauptstelle: * 

 «   ; in was für * Menon Versen Die Stelle ist aus den Ar!istophanes" Nub!es" 638 Kyrnosgnome!n", ihr Titel ist Oder Sprüchen Ar!istophanes" . Ob er etwas anders gedichtet Thesm!ophoriazusae" 113 hat? Av!es" 507. Suidas. Plato. SyrakusanerEs müßte sonst heißen elegie. Symp!o"t!ische" 

)    oder  ; Lieder.

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2. D i e s e        s i n d nicht zu einer Zeit sein e s L e b e n s v e r f a ß t . So 183 zur Zeit, wo die Adl!igen" sich mit Plebej!ern" mischten. 173 in der Armuth. von 40–68 alles vor dem Exil geschrieben 1081 1109. 1104. 834. 1197 im Exil geschrieben. Nach dem Exil vielleicht 805. Ebenso 549.

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31–38     « Dageg!en" Teuffel: Daß die Eleg!ien" an Kyrnos ursprüngl!ich" ein wenn auch lose zusammenhäng!endes" Ganzes bildeten beweist auch das noch übr!ige" häufige  u.  441 zu Anfang der einzel!nen" Distichen. Vergl. Dazu Steinhart.

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Dies bloß durch den Nam!en" erwiesen. Feststeht, daß aus allen Zeiten seines Lebens Elegien an Kyrnos gerichtet sind. 3. Es sind Gelegenheitsgedichte, keine gnomischen Gedichte Die Veranlassungen sind durch die mannigfachen Ereignisse gegeben. Die Gnomen sind nicht mit dem Zweck ge- Dagegen 27? schrieben, etwas Belieb!iges" Was er selbst als Knabe lehrte. zu lehren, sondern sind veranlaßt durch bestimmte Fakta. Danebe!n" politische Zweck der Kyrnoselegien. Kyrnos ein Mittelpunkt für den megar!ischen" Adel, der Adel im engsten Zusammenhang mit dem Adel in and!ern" Städten.

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Durch die Elegien lehrt er den Adel u. tadelt ihn auf feine Weise. Zugleich erleichtert er sein Herz, das sich ausspreche!n" will. Seine Hauptlehr!en" schließen sich an Ereignisse an: Vollbluttheorie. Gegensätze von arm u. reich, $« u. «. Anschluß an die Freunde. Bei weitem nicht so viel Lehre darin, sondern viel individuelle Beziehungen. 4. E b e n s o s i n d s e i n e sympotischen Lieder (ohn!e" Kyrnosverse) aus verschiednen Zeiten. So 19 VI. 9  λ  )  !µ "  «. So 5 [:] in Sparta gesungen, im Exil. 1129–32 klagt er daß ihn die liebl!iche" Jugend verläßt, u. erwähnt sein!e" Armut u. die feinds!eligen" Männer. (1017 unmöglich echt. Mimnermus.) Endlich spät im Alter 773 beim Beginn der Perserkriege.

Die Gedichte im Alter werden immer gnomischer. Längste Zeit des Lebe!ns" von 560–!4"83. 79 Perserkr!iege" und Elegie.

Bernh!ardy": 457. Außerdem besitzt der sympotische Theil eine Güte des Vortrags und solche Lebendigkeit, daß man ihn nur den jugendl!ichen" Jahren des Theognis zutrauen darf. 1119.

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(756 aus seiner Jugend auf den Bernh!ardy" 410 II. Dann aber Zug des Harpagus zu beziehn) folgten jene Zeiten, wo die Poesie statt der reinen gemüthHaupttheil. l!ichen" Lebensweisheit auch Sein dichterischer mit jedem Harm und den AusR u h m u . s e i n B e w u ß t - brüchen einer trüben Subjektis e i n s e i n e r S t e l l u n g . vität sich vertrug wie bei dem 22. 237. 769 als Diener u. Dorier Theognis, sogar mit der Bote der Musen. Schätze der einseitig!en" Stimmung einer Weisheit 28. 493. Partei. –

¹   #   I. S e i n e d i c h t e r !i" s c h !e n" Bernh!ardy" 453. die Verschiedenheit der Form ist nicht zu Mittel. übersehn, da die jüng!eren" 1. E s w e r d e n r e d e n d eingeführt: Theile vom Att!ischen" Dialekt Der Plebejer gefärbt sind u. sich immer mehr Aithon zur geschliffenen, aber nüchtern die geliebte Adlige prosaisch!en" Diktion neigen, (ein Pferd) während die Stücke von alterthümliche!m" Klang durch Kraft u. bildlichen Ausdruck sich auszeichnen. Teufel. Doch hat schon Plutarch !de" aud!iendis" poet!is" 2 den wesentl!ich" prosaisch!en" Charakt!er" der Dichtung richtig erkannt. 2. P e r s o n i f i z i r t erscheinen:  « 1135.  «1137

 % « 523. 1117 &   1138.

 « (  )

 351.

ρ « 873.

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( (lacht)  (freut sich) 3. M y t h o l o g ! i s c h e " Bezüge. Odysseus 1123. Alkathous 773 Stadtheros Rhadamanthys 701 Sisyphos. 702 Nestor 714. Harpyen. 715. Boreas 716. Centauren. 541. 4. B i l d l i c h e A u s d r ü c k e . Schlechter Hafen (der Plebejer) säen auf das Meer (wohl thun dem «) Gefahrvoller Schiffarth Schilderung (Lage der Stadt) auf e i n e m Schiff (alle Guten zusamm!en") ein Schiff meid!et" das andre (falscher Freund) Steuer Nachen Anker Hafen (Treue des Weibes.) Steuermann u. Klippe (so vermeid ich die Feinde) Die Bedeutung der vielen Schiffvergleiche 56. Hirsche (die Landbewohner) 949. Hirsch und Löwe(nach der Wiederkehr) 293–94. Löwe nicht immer Fleisch (der Adel im Unglück)

Perseph!one" 974. 704.

114 105. 657–82. 855. 83 970. 457–60

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Esel u. Maulesel (zwei Wettlaufende.) 847 Ein Thier, dem man Ferse, Stachel Joch aufleg!en" muß (das Volk) 257. Ein Pferd redet (die adl!ige" Gel!i"ebte 983 Rosse durch das Waizenfeld (so schnell flieht die Jugend) 811. Vögelein (Sinn des adl!igen" Mädchens. 1097. Vogel aus dem See (das Mädchen von dem Plebej!er") 939. Nachtigall (so hell singen, er ist heiser) 347. Hund aus dem Waldstrom (er aus den Wirren) 602. Schlange am Bus!en" (falscher Freund.) 537 Nicht aus Meerzwiebel Hyazynthe u. Rose (Vollblut) 215 Polyp (der gewandte Freund) fremdes Land pflügen (Ehebrecher) Klangloser Stein u. Erde (nach demTode.) Unhold ins Meer zu stürzen (Armut) Siegel (auf seine Gedichte.) Schwingen verliehn (durch sein Gedicht.)

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Wagschale des Zeus. 157. Thüren auf der Zunge. 421. Zwiebel aus Megara Schol!ia in" Aristop!hanis" Pac!em" 245. Plin!ius" XIX, 5, 30 XX, 9, 40 Sehr viel Rosen im Gefilde von Nisäa Nicandr!os" bei Athen!aeus" XV p. 491. 568. 175 19 236

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Starke Empfindung für Musik. Schilderung der Unterwelt. 975 5. Die Räthsel 1229 u. die Fabel. Geringe Anfänge. 602. 6. Skolion. 255–56.

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II. D i e D i c h t u n g s a r t e n . 1. D i e s y m p o t ! i s c h e n " Dichtungen. Gebete. Zusammenstellu!n"g. Jugendlob. 877. 983–88. Musik. 531–32. !5"33, !5"34. 944. 975. Skolien. 255–56. Räth!sel" 1229 Lob des Weins. 979. Der  «. 1045. Wettstreit. 406–7. 993. an Akademos 1087–89. 788–94. 885–86. Vorb!ereitung" 997–1002. 1047–8. 2. G e d i c h t e b e i a n d e r n Gelegenheiten. An Argyris. Die Liebeselegie.

Phokyl!ides" von Milet vergl!eicht" die Frauen mit Schweinen Eseln Hunden Rossen Bienen. Fr. 3. Scolie 16. Bergk. 800 Hesiod Fabel von Habicht und Nachtigall, 700 Archilochos v. Paros zeigt dem Lykambes durch eine Thierfabel, wie auch ein Schwacher sich an dem Starken rächen könnte. Die Fabel im sem!itischen" Orient eine beliebte Art der Gnomik. Aesop!us" 620. 1, 5, 11, 15 Aus der Jug!end" 1153 Wehmut. 1017–22. 1129–32.

In Sparta.

1209. 261–66. 579–80. 861–64. 1255.

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An Klearistos. 511–22. 923–30. An Demonax. Auf die Eroberung v. Kerinth. 1059–62. An Timagoras. 879–84. In Sparta.? 691–92. Wunsch an einen abreisenden Freund. 597–8. An falsche Freunde. 599–602. 453. An einen ehem!aligen" Demagogen. 1209. Aithon. unerklärt. Syrakuselegie. Skythes. 825. Gelon schloß die Stadt ein und 503–08. Onomakritos. 484. nöthigte sie zu capitulieren. Auch von hier führte er alle Bürger, welche Vermögen Die Kyrnoselegien. Sympot!ische" Dicht!ungen" besaßen, den Adel von Megara miteingeschlossen, nach Syragehören nicht zu den K!yr" ! " kus; das Volk ließ er Mann für nos elegien. K yrnos wird Mann unter der Bedingung als niemals in symp!otischen" El!egien" erwähnt. Also nicht Sclaven verkaufen, daß die als Jüngling liebt er den Kyr- Käufer dieselben aus Sicilien ausführen mußten. Her!odot" nos. Zu der Zeit, wo sein Kampf begann, beginnen die VII, 156. Elegien. Der echte Anfang Persönl!iches" über geht gegen d i e g e m i s c h t e n T h e o g n i s u . K y r n o s . Ehen. 87–92 Liebe oder hasse 183 $ *+ mich. 537–38. 97–100 Wie einen Bruder. 213–18 Der Polyp. v. 1071. 331–32. 219–20. Er räth ihm zur Mittelstr!aße".

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Nachgelassene Aufzeichnungen

Ve r d e r b l ! i c h e r " E i n fluß des Reichthums.

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53–60 1119–14. 699–718 Schilderung des Reichthums. 719–28. Freunde u. Feinde. 31–38 sehr früh. 61–68, 69–72

237–54 Sangesruhm. Doch erlangt Th!eognis" keine wahre Liebe 355 Auch Kyrnos im Ungl!ück". 557 Aufford!erung" zur Reise. 655 allg!emeine" Liebe für Kyrnos. 1049–54. Vater u. Sohn.

Uebermuth der polit!is c h e n " G e g n e r. 39–42, 43–52 603. Mittelstraße. 219–20. 331–32. 367–70 Kassandrarolle. 947. Gewaltherrschaft. 657–82. symbol!ische" Zeichnung. 815–16. 833. Nicht Schuld der Götter. Das Exil. Im sic!ilischen" Megara. Sparta. Euboea. Heimweh. 781–87. 1123. 1197. Rachegefühl. 337 Gebet um Rache. Die Armut. 173–78, 649–52. 180, 181 Sterben besser. 267 Schilderung ders!elben". 351–54. 619.

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Resignation. 425–29 Verzweifl!ung". 441–46. 555–56. 695–96. 1017–18 Mek.[?] 1029–36. D e r Ty r a n n i n M e g a r a . 847. 1081. 1203–6. So Steinhart. Ande!r"s Dunker. R ü c k k e h r. 549–554. 819. Schlacht u. Einnahm!e" der Stadt. Mäßigung in pol! i t i s c h e r " Hinsicht. K!yrnos" ist älter.

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949–54.

Als Kyrnos als Theor!os" nach D!elphi" Rückblick auf seine Leiden.

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Eigentümlichk!eit" der Kyrnoseleg!ien". Sie enthalten seine Bekenntnisse u. seine Erlebnisse, die ihre Moral in sich tragen. Sie sind am Lebensende 19. wahrscheinlich zusammengefaßt u. vereinigt worden. Eigenthumsrecht im Siegel.

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Nachgelassene Aufzeichnungen

Geschichte von Megara.

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Theagenes. Zeitbestimmung. Q u e l l e n f ü r d i e f o l g e n d e 590? Theag!enes" vertrieben. Geschichte. Aristokratie. Demokratie. 559 Heraclea also Ar!istokratie" E i n i g e r m a ß e n b e s t i m m t e 510 herrscht Aristokratie. Zeitpunkte. auch beim Beginn der Perserkr!iege" 422 Thuc!ydides" IV, 74 D a s L e b e n d e s T h e o g n i s . Demokratie aufgelöst. Bestimmung seiner Geburt seines Bekanntwerdens. des Exils. seines Todes. Zustand von Megara

 « als die regier!ende" n a c h s e i n e n B e r i c h t e n . aristokr!atische" Macht dem ( « gegenüber. 924. Aesch!ylus"    «, , ξ µ (  /I-3« 375. vom Monarchen. Sonstige drin erwähnte Ereignisse. Kerinth. 891. Magnet!en" u. Kol!ophon" 603. 1104–5. !0# . Persönliche Geschicke. Seine polit!ische" Rolle. Die Freunde verrathen ihn.

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Er verliert sein Vermögen. Er nähert sich den Feinden. Bekommt seinVermögen zum Theil wieder. Den Feinden ist er ein Hohn. Er empfindet Reue. Die Armut drückt ihn. Er sinnt auf Flucht. Nach Böotien, nach Lebadeia will er. Dann flieht er allein. Sicilien. Megara. Bürger. Seine leidliche Lage. Besuche. Die Verbannten verkehren unter einander. Während dieser Zeit ein Tyrann in Megara. Sparta. Lage von Spartas Politik. Euböa. Rückkehr. Schlacht. Mäßigung. – Annahn der Perserkriege. Syrakuselegie. Die relig!iösen" und eth!ischen" Ideen des Theognis Müllers Dorier. Wel!c"kers Ansicht von seiner Dichtung. Bernhardy. II, 457 die Summe der Elegien ruht auf dem polit!ischen" u. sittl!ichen" Glauben der Dorier oder einer kastenart!igen" Tugendlehre, welche jeglichen Vorzug des Geistes u. der geselligen Bildung, des Güterbesitzes und der Lebensklugheit an adlige Geburt !knüpft", und der

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831–32. 1106. 659. 351–54.

557 Kyrnos soll mit. Häufig Bürger nach Metrop!ole" u. Kolonie genannt. Archilochos Parier u. Thasier, Protagoras u. der jüngere Hekatäus sind Tejer u. Abderiten, Terpandros Böotier u. Lesbier, Mimnermos Koloph!onier" und Smyrnäer.

Müllers Dorier: I, 409. Ueber Dorische Religiosität – zeigt sich durchweg eine idealist!ische" Geistesrichtung, die die Gottheit weniger in Bezug auf das Leben der Natur als auf menschl!iche" freie Thätigkeit faßt u. ihr Wesen u. sein Sein sich mehr nach der Analogie der letztern als der ersten vorstellt. –

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Dichter hat dort bestimmt vom tiefen Abscheu vor dem regierenden Pöbel, die unveräußerl!ichen" Rechte der guten Männer in einem Kern gediegener Sätze u. Erfahrungen bezeugt. Ueber die M ä ß i g u n g des The!o"g!nis" Bernh!ardy"455. Zwar hat der Stolz u. harte Verstand des Doriers schon vielfach durch einen freiern, im Unglückgeschärften Blick sich ermäßigt. Stärke u. allmähl!iche" Schwächung der Aristokratie. 118. Plaß. (W. Teuffel.) Unbedingtes Mißtrauen und tiefinnerliche Verachtung muß die Stimmung gegen die $  sein, nur daß man, zu Bekundung und im Bewußtsein seiner geist!igen" Ueberlegenheit gegen sie die glätteste, herzlichste Mien!e" annimmt. 283. 213 v. 313 365. Diese nichtswürdige Lehre hat der Dichter die Naivität mit der größt!en" Unverhülltheit vorzutragen und als Gewandtheit zu empfehlen, zum Beweis entweder daß er selbst unbefangen an sie glaubt oder daß

Sonach hatte die Frömmigkeit bei diesem Stamme etwas besond!ers" Energisches, weil die Vorstellung von den Göttern klar, bestimmt, persönlich war, und bestand wohl mit einer gewissen heitern Freisinnigkeit zusammen, weil das Niederdrückende überschwenglicher, sowie das Düstre auflösender Gefühle ziemlich entfernt blieb.

63 $ µ 1«. Strenge Absonderu!n"g 69–72.

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durch trübe Erfahrungen sein!e" Stimmung gegen das Volk eine gereizte, erbitterte ist und er die Theorie umso schroffer aufstellt je mehr er in der Praxis Zugeständnisse machen muß, daß er gegenüber den Demüthigungen des Lebens den Stolz des Bewußtseins sich retten und durch dessen Darstellung im Worte für jene sich rächen möchte. E i n l e i t u n g . Es zog mich die Verwirrung der Bruchstücke an. Nicht das ethische. Aber das Problematische der Fragmente. Wel!c"kers richt!iges" Urtheil über die Bedeutsamkeit des Dichters für H i s t o r i e u. E t h i k . µ« $µ«. Kritik des Ganzen. Zusammenstellung des Zusammengehörigen. W!elcker" faßt ihn nicht wie ein sich entwickelndes Individuum auf. Seine Lebensgeschichte mangelhaft. Sh!akespeare" Sonnette. 68. 18 (111) (90) Dir setz’ ich mein Gedicht als Nie aber soll Dein ewger Monument, Sommer schwinden

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Das einst noch ungeschaffn!e" Augen lesen, Und künftiger Geschlechter Mund dich nennt Wenn alle Athmer dieser Zeit verwesen. Denn mein!e" Lieder geben von dir Kunde Solange Odem weht aus Menschenmunde.

Die Zeit wird deine!r" Schönheit nicht verderblich, Nie soll des neidischen Todes Blick dich finden, Denn fort lebst du in mein!em" Lied unsterblich. Solange Menschen athmen, Augen sehn, Wirst du, wie mein Gesang, nicht untergehn.

625 T h e a g e n e s . gestürzt ungefähr 90. A r i s t o k r a t i e . Qu!aestiones" Gr!aecae" 18. 2  *  . Plaß 1, 84. 5 5 9 Heraclea gegründet. Zeichen von inner!er" Aufregung. Der Communismus dringt ein. 677.

Plaß 180. Th!ucydides" 612 c. 570 Smyrna u. Kolophon c. 570. Athen u. Megara Schiedsrichter Sparta über Salamis. Gegen Megara.

Die Palintokie. Pl!aß" 1 25

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Vertreibung vieler 1  . Ar!istoteles" Pol!itica" V, 4, 3 Demokratie. Wild u. zügellos Pl!utarchus" qua!estiones" 18. Frevel gegen die Götter qu!aestiones" gr!aecae" 59. (Tempelraub.)

Demagog!en" verderb!en" das Volk. 39–42. Furcht vor Tyrann!en". Nach dem Vorbild der Seisacht!heia"nur radikaler.

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Rückkehr der Ve r b a n n t e n u . S i e g . Ar!istoteles" Pol!itica" V, 4, 3. IV, 12, 10. 510 aristokr!atische" R e g i e r u n g , da den Spartanern der Weg über den Isthmus offensteht. Um den Hippias zu vertreiben. Bis zu den Perserkr!iegen" aristokr!atische" Reg i e r u n g . Keine Spur, daß es ande!r"s ist. 4 6 8 Demokr!atie" eingeführt. Die Adl!igen" zum zweite!n"mal verjagt. 4 2 2 Der Adel wieder eingesetzt. Die Stadt in Ruhe 48. The!o"g!nis" lebt noch 84 u. 79. Er ist nach Suidas 543 Ehemal!ige" Stellung der Baubekannt geworden. Also etwa ern 53–55 563 geboren. Etwa 533 Die Demag!ogen" ihrer HausSpuren seines Kampfes mit macht wegen 46, 50. dem Volke. Die Armut bricht ein u. der Hohn feindl!icher" Männer, als er seine liebl!iche" Jugend verliert. (613 W!elcker") Zwischen c. 533 u. 310 liegt sein!e" Verbannung u. sein!e" Rückkehr. Der Kampf fällt vor sein Exil. Ueber den kaste!n"artigen Unterschied der Stände.

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conjuncta haec omnia quodammodo olim fuisse credas, adeo ut imaginem sistant civitatis ejus qualis per orientem invenitur divisa ac descripta per certas quasdam classes sive castas, quas dicunt immutabiles. Megara Hyblaea. Gelon M «   ,«  4 9  herrscht von Ol. 72, 2 in Gela, ³«

  « ² von 73,4–75,3 zu Syrakus   *1  ! " ! " (Boe c kh ad Pind ari O!lympia" 1. Explic. p. 100) Nach Herodot 7, 156 scheint es daß er Megara etwa74, 2 eroberte.483 oder 84. Relig!ion" und eth!ische" Anschauung. Th!eognis" aufgefaßt als Glaubensbekenntniß des dorischen Adels. Grote dagegen. Th!eogni"s Stellung in der Auflösung der alten Aristokratie. D a s We s e n d e r ! alt en" Aristokratie. 1. alte u. hohe Abstammung Plaß 118. dagegen das Volk 305, 436 2. ritterl!iche" Tüchtigkeit, verdient um Staat 133. 43. das Volk ohne Verdienste 43. 3. bevorzugte Stellung zu den Göttern.

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das Volk ohne Kenntniß v. Recht u. 5  45. 4. im Bewußtsein seiner Weisheit u. Fortpflanz!ung" derselben. 27. $ . das Volk von schlechter Erziehung u. Umgang. 438, 305–8. 5. 5 «, darum reich. u. gut. Ihr Besitz ewig. 653.197. Das Volk arm, also in Noth, also in Sünde 383–92. Dieser Unterschied ist nicht aufzuheben. Strenge Sonderung 1168. denn die Vereinigung ist nutzlos 100–112. Also nach altem dor!ischen" Glauben lassen die Götter nach einem geschl!ossenen" Vertrag den Menschen zukommen, was Recht ist, also vornehmlich Reichthum u. Armut. Hes!iodus" Theog!onia" Nägelsbach S. 193. 535. Diesen Glauben verwirren die Ereignisse. 1. Die Scheidung der Stände hört auf. 183–92. 2. Die Reichthumsverhält!nisse" ändern sich. 183.

 % «  6  «. Gedanken über  % «. 525–27.

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Folgen u. Glaubenswirren. 1. Zweifel an der Götter Gerechtigkeit. 373–80. 582. 743–52. 2. Furcht daß die Menschen gottlos werden. 382. 3. Häufige Ausdrücke über allgemein!e" Schuld. 1185. 615–16. 799. 4. Resignation. Beim völl!igen" Ausbruch der Leiden. 441–46. 555–6. 695–6 1017–18. 1029–36. 5. Rachegefühl. 337. Andeut!ung" reinerer Ansichten. Wirf keine Armut vor 155–58. Götter geben Glück u. Unglück 133–42. Wünsche dir nur  * 129. Lehre vom Dämon. 161, 349. 403.

731–41 Vorschlag für eine neue Weltregierung.

die $ λ unter Einwirkung der )  werden schlechter. Siehe „Armut“ An Verzweifl!ung" grenzend. 425–29. 180–81.

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Gott dem Koenige der Pforte, seinen verehrten Lehrern, seinen lieben Mitschülern, sagt bei seinem Abgange Dank

FW Nietzsche (am 7 Sept. 1864.)

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An Gott.

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Ihm, dem ich das Meiste verdanke, bringe ich die Erstlinge meines Dankes; was kann ich Ihm anderes opfern, als die warme Empfindung meines Herzens, das lebhafter als je seine Liebe wahrnimmt, seine Liebe, die mich diese schönste Stunde meines Daseins erleben ließ? Behüte er mich auch fernerhin, der treue Gott! Dem Könige

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spreche ich meinen Dank aus, einer Anstalt durch seine Gnade angehört zu haben, deren Name glänzend, deren Vorzüge bedeutend, deren Wirkungen auf mich unendlich sind. Ihm und dem Vaterlande hoffe ich einst Ehre zu machen: mein Wille ist dies. Der Pforte.

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Bevor ich sie kannte, habe ich mich darnach gesehnt, ihr anzugehören. Nun, ich gehöre ihr an, ganz und völlig; am wenigsten vermöchte wohl die äußerliche Trennung, die mir bevorsteht, mich von ihr zu scheiden. Ich weiß nicht, was ich erleben werde: aber in den Wechselfällen des Glücks wird sie mir ein Hafen sein, in dem das bedrängte Gemüth Ruhe zu finden hoffen kann. Ich möchte, daß sie meiner stets in Liebe gedenke, wie eine treue Mutter ihres Sohnes. – Meinen hochverehrten Lehrern

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kann ich nur wiederholen, was ein jeder von unsrer Pforte Scheidender ihnen zuruft: ‚Möge Gott Ihnen danken, was Sie an mir gethan.‘ Ich habe oft die Beweise ihrer besonderen Liebe gefühlt und weiß nicht, womit ich ihnen vergelten könnte; vielleicht kann ich ihnen durch mein späteres Leben Freude machen.

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Vergessen Sie, daß ich Sie hier und da betrübt habe und gedenken Sie meiner freundlichst!

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Meinen lieben Mitschülern und Euch insbesondere, meine lieben Freunde, was soll ich euch sagen, wenn ich jetzt fortgehe? Ihr begreift es, warum die Pflanze aus dem heimatlichen Boden versetzt nur schwer und langsam im fremden Lande Wurzeln schlägt: werde ich mich von euch losreißen können? Werde ich mich an andere Umgebungen gewöhnen? Denkt meiner: seid versichert, ich empfinde es, wenn ihr meiner gedenkt. Lebt wohl! Mein Leben.

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Die Zwecke einer Lebensbeschreibung sind sehr mannigfaltig und bedingen daher auch durchaus verschiedne Arten der Ausführung. Im vorliegenden Falle muß es mir darauf ankommen, einer Schule, deren Einfluß ich das Meiste und Eigenthümlichste meiner geistigen Ausbildung verdanke, ein Bild eben dieser geistigen Ausbildung als Vermächtniß zu hinterlassen, entworfen in dem Punkte, wo ich im Begriff stehe, durch das Aufgeben einer alten, gewohnten Ordnung und durch das Hineinleben in weitere und höhere Bildungskreise meinem Geiste neue Bahnen vorzuzeichnen und hiermit eine neue Entwicklung zu beginnen. Von Wendepunkten, die bis jetzt mein Leben in Theile zerlegen, nenne ich vornehmlich zwei: den Tod meines Vaters, des Landgeistlichen zu Röcken bei Lützen, und den dadurch veranlaßten Umzug unsrer Familie nach Naumburg; ein Ereigniß, das meine ersten fünf Lebensjahre abschließt. Sodann meinen Ue-

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bergang vom Naumburger Gymnasium nach Pforte, der in mein vierzehntes Jahr fällt. Von der frühsten Periode meiner Kindheit weiß ich wenig; was mir davon erzählt worden ist, erzähle ich nicht gern wieder. Sicherlich hatte ich vortreffliche Eltern; und ich bin überzeugt, daß gerade der Tod eines so ausgezeichneten Vaters, wie er mir einerseits väterliche Hülfe und Leitung für ein späteres Leben entzog, andrerseits die Keime des Ernsten, Betrachtenden in meine Seele legte. Vielleicht war es nun ein Uebelstand, daß meine ganze Entwicklung von da an von keinem männlichen Auge beaufsichtigt wurde, sondern daß Neubegier, vielleicht auch Wissensdrang mir die mannigfaltigsten Bildungsstoffe in größter Unordnung zuführte, wie sie wohl geeignet waren, einen jungen kaum dem heimatlichen Nest entschloffenen Geist zu verwirren und vor allem die Grundlagen für ein gründliches Wissen zu gefährden. So kennzeichnet diese ganze Zeit vom 9 t. bis 15 t. Jahre eine wahre Sucht nach einem ‚Universalwissen‘, wie ich es zu nennen pflegte; auf der andern Seite wurde das kindliche Spiel nicht vernachlässigt, aber doch auch mit fast doktrinärem Eifer betrieben, so daß ich z.B. über fast alle Spiele kleine Büchlein geschrieben habe und sie meinen Freunden zur Kenntnißnahme vorlegte. Durch einen besondern Zufall aufgeweckt begann ich im 9 t. Jahre leidenschaftlich die Musik und zwar sogleich componierend, wenn anders man die Bemühungen des erregten Kindes, zusammenklingende und folgende Töne zu Papier zu bringen und biblische Texte mit einer phantastischen Begleitung des Pianoforte abzusingen, componieren nennen kann. Desgleichen machte ich entsetzliche Gedichte, aber doch mit größter Beflissenheit. Ja ich zeichnete sogar und malte. Wie ich nach Pforte kam, hatte ich so ziemlich in die meisten Wissenschaften und Künste hineingeguckt und fühlte eigentlich für alles Interesse, wenn ich von der allzu verstandesmäßigen Wissenschaft der mir allzu langweiligen Mathematik absehe. Gegen dieses planlose Irren in allen Gebieten des Wissens emp-

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fand ich aber mit der Zeit einen Widerwillen; ich wollte mich zu einer Beschränkung zwingen, um einzelnes gründlich und innerlich zu durchdringen. Dies Bestreben konnte sich behaglich zur Geltung bringen in einem kleinen wissenschaftlichen Verein, den ich mit zwei gleichgesinnten Freunden zur Förderung unsrer Ausbildung gründete. Die monatliche Einlieferung von Abhandlungen und Kompositionen und deren Kritik, sowie vierteljährige Zusammenkünfte zwangen den Geist, kleine aber anregende Gebiete genauer zu betrachten und auf der andern Seite durch ein gründliches Erlernen der Kompositionslehre der verflachenden Einwirkung des ‚Phantasierens‘ entgegen zu arbeiten. Zugleich erwuchs zunehmend meine Neigung für klassische Studien; ich gedenke mit der angenehmsten Erinnerung der ersten Eindrücke des Sophokles, des Aeschylos, des Plato vornehmlich in meiner Lieblingsdichtung, dem Symposion, dann der griechischen Lyriker. In diesem Streben nach zunehmender Vertiefung des Wissens stehe ich noch jetzt; und es ist natürlich, daß ich über meine eignen Leistungen meistens ebenso geringschätzend denke, wie oft auch über die anderer, weil ich fast in jedem zu behandelnden Stoff eine Unergründlichkeit oder wenigstens eine schwere Ergründlichkeit finde. Es sei darum auch meine einzige Arbeit erwähnt, mit der ich in meiner Schullaufbahn fast zufrieden war: meine Abhandlung über die Ermanarichsage. Jetzt, wo ich im Begriff bin, auf die Universität zu gehn, halte ich mir als unverbrüchliche Gesetze für mein ferneres wissenschaftliches Leben vor: die Neigung zu einem verflachenden Vielwissen zu bekämpfen, sodann meinen Hang, das Einzelne auf seine tiefsten und weitesten Gründe zurückzuführen, noch zu fördern. Scheinen diese Neigungen sich aufzuheben, so ist dies gewiß in einzelnen Fällen nicht unrichtig, und ich bemerke mitunter in mir etwas Ähnliches. Im Kampf mit der einen, in der Förderung der andern hoffe ich zu siegen.

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De Theognide Megarensi. Fr. Nietzsche.

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I De Theognidis et de Megarensium illa aetate rebus. 1. Conversiones reipublicae Megarensium sexto saeculo adumbrantur. 2. Theognidis vitae anni computando explorantur. 3. Singuli ejus vitae casus e carminibus ipsius possunt cognosci. 4. Welckerus Theognidis vitam in alium ordinem redigit. II De Theognidis carminibus. 5. De ejus carminum fortuna et de veterum judiciis. 6. Recentiorum hominum de Theognidea poesi judicia. 7. Theognis carminibus ad Cyrnum compositis non inscripsit:   . 8. Hae elegiae non sunt compositae certa et circumscripta vitae ejus parte. 9. Theognis his elegiis affectus animique sensus exprimit, nunquam vero agit ut praecepta more magistri det. 10. Item carmina convivalia non sunt ad certam ejus vitae partem referenda. 11. De quibusdam Theognideae poeseos artibus. 12. Argumenta convivalium carminum exponuntur. 13. De Cyrno et de elegiis ad eum compositis. III Theognidis de deis, de moribus, de rebus publicis opiniones examinantur. 14. Qui factum sit, ut ejus de rebus publicis, de deis, de hominibus arctis vinculis inter se cohaererent opiniones? 15. Quibus in rebus nobilium Graeciae dignitas et auctoritas sit posita?

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16. Theognis num in opinionibus etiam in omnium rerum commutatione sibi constiterit? 17. Quibus ex indiciis conici possit Theognidem senem a suis pristinis judiciis aliquid recessisse.? 5

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Fr. Th. Welcker, qui in quaestionibus Theognideis adhuc suo jure primum obtinet locum, cum princeps carminibus transponendis et in meliorem ordinem digerendis operam dedit, tum diligentissime omnibus veterum testimoniis, saepe disjectis et discrepantibus, collatis summaque cum sagacitate perquisitis, his ejectis, illis correctis, accuratius et rectius quam priores editores et de genere Theognideae poeseos et de poetae temporibus Megarensiumque civitate judicavit. Quas quaestiones ne quis a viro doctissimo jam absolutas credat et eo deductas, ut fere nihil novum adici possit: unum illud monendum est usque ad id temporis certamen philologorum praecipue de ratione critica, quae ad Theognidem adhibenda sit, non esse compositum, ita ut rectissime Bernhardy in quaestionibus Theognideis latum patere et examinandi et conjiciendi campum dixerit. Atque caetera Welckero me assentiri non abnuerim, sed illa duo vereor ut ei possim concedere: unum quod de Theognidis vita e carminibus perspicienda dixit, qua in re nescio an multum certius et rectius possit statui, alterum quod Theognidi magnam partem carminum, quae hodie ejus nomine ferantur, inprimis omnia carmina convivalia et potoria abjudicanda esse censuit atque omnino genus ejus poeseos esse gnomicum plerumque demonstrare studuit. Praeterea nemo, quoad sciam, quanti momenti esset Theognis ad ethicam rationem ejus aetatis cognoscendam, exponere conatus est, quamquam in hac re Welckeri vestigia erant sequenda, qui summopere in his quaestionibus versatus primus de usu verborum $µ« et  « civili novam rectamque protulit sententiam. Quare mihi primum tempora Theognidis civitatisque Megarensium statum perscrutari liceat: dein de Theognidis scriptis

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quaerendum est; eorum genuinum nomen, formam, argumentum accuratius opus est examinemus: denique ethicae rationis ejus aetatis, qua floruerit poeta ex illius carminibus explorandae faciam periculum. Cum vero me vix in litterarum quasi limine versantem pudor quidam deterreat, quominus cum viro praestantissimo certare eique in pluribus rebus adversari audeam: nihil habere me profiteor, quo me excusem, nisi illud quod ei, qui meum in Theognide studium excitavit, gratias ita referre studeo, ut ejus viam, quam princeps ingressus sit, intento animo sequar et ubi deflectere mihi visa sit, modeste consignem. I. De Theognidis et de Megarensium illius aetate rebus.

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1. Etiam in Megarensium civitate, ut in fere omnibus Dorium civitatibus, nobiles, penes quos imperium sacrorumque administratio erat, incolas antiquitus in his finibus insedentes et remotos ab urbe et paupertate pressos incultosque tenuerant. Sed paulatim cum Megarensium mercatura magis effloresceret coloniis in uberrimis regionibus conditis, e quibus et opes et luxus ad originem redundarunt: dissensiones inter optumates et plebem exortae sunt, unde factum est ut Theagenes multitudine adjutus, cujus animos sibi conciliaverat, rerum potiretur, eadem astutia usus, qua fere omnes tyranni usi sunt. Arist!oteles" rhet!oric" 1, 2, 19. Polit!ica" V, 4, 5. Si vero quo tempore id factum sit, quaerimus, nihil omnino pro certo haberi potest nisi eum tyrannidem exercuisse, cum Cylon Athenis regnum adfectasset. Neque constat, quo anno ab optumatibus expulsus sit, quamquam id verisimile est factum esse cir!ca" ann!um" sexcent!esimum" a. C. n. Cum vero in hoc sextum saeculum major vitae Theognidis pars inciderit, primum opus est testimonia veterum colligamus,

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quibus de rerum Megarensium eo tempore statu aliquid adferatur: quae scilicet pauca et parva sunt. Anno 570 bellum quod inter Athenienses et Megarenses de insula Salamine exarserat, et ancipiti eventu gestum erat, ita finitum est, ut utraque civitas Spartanos arbitros sumerent; qui concilio e quinque viris composito hanc insulam Atheniensibus adtribuerunt, quamquam Megarenses et sanguine eis propiores et simili reipublicae gerendae genere cum eis erant conjuncti. Anno 559 – quem statuunt Clinton et Raoul-Rochette – Megarenses coloniam Heracleam Ponticam deduxerunt: ubi cum multa alia ex Dorium institutis, tum phylae eodem modo, quo erant Megarae, divisae videntur demonstrare, id quod conjecit Plaß de tyrannide I, 84, post expulsum Theagenem majorem partem optumatium a popularibus vexatam e finibus migrasse et novas sedes quaesivisse. Fortasse hac ratione aliquamdiu animi sedati sunt, cum plebs tot nobiles e patria cessisse vidisset. Summi vero momenti sunt tres loci Plutarchi et Aristotelis quos describamus opus est. Plut!archus" Quaest!iones" Gr!aecae" 18. M « 7 µ    «, 2  *   &   κ

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Q!uaestiones" 18 &  | Ν   # 5 « !    " *

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v. 41 $ λ ξ  # @ & « – π« ξ  &

κ «  . quib!us" c!um" conf!e"r!as" 44, 45 Licet versuum sententiae sint subobscurae, nunquam obliviscamur scriptos esse sub dominatione atrocissima, ut poeta indiciis uti cogeretur, cum libera vox et oratio terrore tamquam exclusa esset. Atque poeta ipse illud carmen, quo desperatum urbis statum imagine navis periclitantis depingit, ita finit: %  9  *  !  « $    1 # U  « λ µ« ν & « V 9. 3. Cum igitur tempora, quibus fuit poeta, investigaverim annosque computando definire studuerim, cumque rerum Megarensium statum, quem Theognis carminibus attigit, paucis descripserim, accuratius singuli casus, quorum mentio fit in carminibus, inter se connectendi et ad certum ordinem dirigendi sunt: quam rem quamvis gravem a Welckero praetermissam doleo. Constat igitur Theognidem nobili genere ortum adulescentem oblectationibus vacavisse, cum hac aetate Megarensium nobiles jam ab antiqua morum integritate degenerassent et luxuria molitiaque quadam correpti essent. Ad hanc juvenilem animi hilaritatem et levitatem spectant v. 1122 9  λ  )  !µ "  « 153 S   !%  $     #1  $« – 566 9    « # – Sed jam ingruebant reipublicae tempestates neque jam ei licuit securam et jucundam agere vitam. In dies enim praecepta, quibus institutus jam a puero erat non modo a plebejis illudi, sed etiam ab optumatibus neglegi observavit. Praesertim cum nobi-

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lem sanguinem novorum hominum conjugiis contaminatum vidisset, summa cum indignatione certamen contra ingruentia reipublicae mala suscepit et quacunque potuit acerbitate et degeneres nobiles castigavit plebejosque homines flagrantissimo cum odio perstrinxit. Nihil vero magis quandam ejus animi superbiam iramque infregit, quam quod, dummodo vitam servare vellet, ad plebem propius accedere ejusque studiis invitus favere cogebatur. Id unum dumtaxat !constat" eum ut sua bona sibi servaret, cum aliorum opes a popularibus arriperentur, aliquamdiu gratiam plebis aucupari studuisse: quod primum quidem succedere visum est ut scriberet:

 * +# W, $ 9  #  19  # $   $&  . Tamen eum fefellit, cum adversarii, qui ejus nobilitatis studium specie popularis animi male tectum perspexerunt ei bona eriperent et ejus vitam in summum periculum vocarent. X  Ω  µ«α λ κ *  ξ * « Summa igitur penuria pressus, ab inimicis illusus, molestus suis amicis, immo proditus ab amicis, quod valde queritur, fugere constituit et primum dubitavit, num suam uxorem – si recte video – Argyrin secum duceret et ipsi adulescentulo Cyrno, quem paterno animo diligebat, proposuit, num forte secum itineris et fugae labores sustinere vellet. Non autem satis apparet, num hi eum secuti sint necne. In Boe!o"tia vero benigne speravit se exceptum iri ab optumatibus Lebadeae urbis, cum nobiles Megarensium a. 559 recordaretur in condenda Heraclea Pontica a Boe!o"tiis optume adjutos esse. Num vere eo venerit, non adseverare ausus sim. Id vero, quod ipse memorat, certum est eum in Sicilia diu esse versatum et Suidae testimonio, quod jam attulimus, confirmatur et Plat!o" leg!es" I, p. 630, qui eum

   4 )  M  vocat, unde error priorum Theognidis editorum fluxit, qui statuerent natum esse poetam Megarae Hyblaeae. Sed multis exemplis doceri potest eximios litterarum artiumque laude viros cives coloniarum et originum

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et fuisse et vocatos esse, veluti Archilochum Parium et Thasium, Protagoram et Hecataeum juniorem Tejos et Abderitas, Terpandrum Boeotium et Lesbium, Mimnermum Colophonium et Smyrnaeum. In Sicilia exilium mediocriter toleravisse se ipse profitetur et si quis cupere velit, quae sit suarum rerum conditio, nuntiari jubet: ³« σ ξ * «, ³« * « ξ # σ. Exilii molestia ea re inprimis videtur deminuta esse, quod exulantes optumates per mutua commercia communi consilio semper id agebant, ut in patriam restituerentur suamque pristinam dignitatem recuperarent. Ex Sicilia in Euboeam Theognis navi advectus esse videtur, cujus insulae nobiles, quibus erant opibus et luxu, magnifice et splendide exulem exceperunt. Ultimam vero exilii partem Spartae degit, ut ita dicam, in nobilitatis sede, unde maxime exules sperabant se auxilium contra suos malos cives accepturos esse. Quae spes eos videtur non fefellisse. Non enim est credibile hos exules sua sola vi, non ab aliis adjutos in patriam irrupisse, plebem vicisse, rerum iterum potitos esse. – Haec fere omnia, quae de ejus vita ante exilium et in exilio peracta explorata habeamus: restat, ut quae poeta de ultima vitae parte significaverit, perscrutemur, pauca scilicet neque gravia. In rebus publicis majore moderatione, quam antea versatus est, ita ut ipsa ejus in plebem indignatio et odium videretur consenuisse. Valde quidem doluit asperis calamitatibus, quibus optumates sibi amicissimi et in suam salutem bene meriti duarum urbium profligati sunt, Cerinthi et Megarae Hyblaeae, id quod jam commemoravimus. Ceterum a severis praeceptis, quibus suam juventutem aluerat, senex magis magisque recessit, cujus rei certa indicia deprehendere possumus. De morte jam diximus nihil constare: secutam esse verisimile est paulo post a. 484, cum de Megara a Gelone capta audivisset et dolore maestitiaque consumeretur.

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4. Cum igitur vitam Theognidis paucis adumbraverimus, Welckerum aggrediamur opus est, qui prorsus aliter singulas res disponat novamque rerum seriem connectat. Theognidem enim dicit, ut in libro suo abunde faciat palam, inter exules fuisse optumates et scripsisse eo tempore, quo principatus eorum, post victam pugna plebem restitutus denuo populari statui cessisset qui ad Ol. 89, 1 usque teneret. Patrimonium, si cum reliquorum turba quod valde dubium una regressus esset, recepisset poeta, tunc certe ei iterum demptum esse. Quo dum possessores de plebe gaudere, dum honores mandari hominibus a republica antea prohibitis et nobilem adeo sanguinem victrici factioni sponte concesso connubiorum jure, novorum hominum conjugiis maculatum videret, indignationem videri versum fecisse. Quid igitur fit? Nonne res mirum in modum discinduntur? Profecto multae oriuntur difficultates, quarum gravissumam elegisse sufficiat. A. 510 imperium fuit penes optimates: post hunc annum paulatim omnia illa mala irrepsisse in rempublicam Welckerus censet, in quae acerbissime invectus est Theognis. At quid fecit poeta ante hunc annum? Nihilne scripsit? Sane scripsit: ex exilio misit elegias ad Cyrnum v. 1197. Et jam ante exilium 53–60: K ,  « ξ #   «,  λ ξ κ Ν ,

θ # Κ « E 9 Κ  !« $# $&λ ! 9 (  « "    6 # —# & (#    «. λ % S# $ , P ! 1 : ¹ ξ λ  λ %   α «  %# $* #  α Qui versus fieri non potest ut ad has dissensiones civiles, quas Welcker dicit referri possint, cum eis plebeji ante has perturbationes rure pellibus amicti degisse dicantur, urbem haud minus, quam cervi fugientes: quod cum ratione historica non quadraret; quoniam plebeji jam prima reipublicae conversione in urbem ingruebant et diu se in luxuriam et licentiam effundebant; his versibus apparet describi rerum statum, in quo urbs ante exilium

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Theognidis fuerit. Tunc igitur jam ¹ λ   λ dignitatem  $ usurpaverant: tunc Theognidi bona vi erepta sunt: 346 * +# * ! 9  !+« – Ω ξ      *   *  ) 

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  «. Tunc Theognis summa penuria vexatus illas elegias composuit, quibus  vehementissime exsecraretur. Quid igitur demonstravimus? Eadem, quae poeta Wel!c"keri quidem sententia post exilium perpessus est, jam ante exilium perpessum esse, ita ut omnes res tamquam iterarentur. At qua necessitate coacti sumus, ut tam contorte interpretaremur? Num versus extant, quibus hanc rerum iterationem significare videatur poeta? Non extant, nulla urguet necessitas. Quamquam non abnuerim cum ea ratione, qua ego vitam poetae descripserim non prorsus congruere praeter Wel!c"kerum eorum, qui omnino vitam poetae, sive obiter, sive copiosius narraverint, judicia et rationem. Fere unusquisque eorum in hac illa re suam propriam secutus est viam, quam magis ingeniose, quam acute et ad historicam veritatem accommodate nobis proponit. Sic K. O. Müller: „Bei einer gewaltsamen Vertheilung des Grundbesitzes war Theognis, der gerade auf einer Seereise abwesend war, des reichen Erbes seiner Väter beraubt worden.“ Sed haec !  (1202), ex quo uno vocabulo fluxit haec conjectura, est ipsum exilium, quamquam nemo hoc e Mülleri verbis conicere potest. Jam restat ut colligam et summatim repetam, de quibus rebus scriptum sit. a. 563? Theognis Megarae natus est. 543? primum poeta inclaruit. 533 certamen contra populares incepit. 530–10 bonisque privatus penuriaque confectus exulavit, versatus est in Sicilia, Euboeae, Spartae, cum ceteris exulibus rediit, plebe proelio victa pristinam recuperavit dignitatem.

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Cerinthi nobiles a plebe expulsos elegia questus est. in Megaram Hyblaeam a Gelone captam elegiam composuit. Haud multo post obiit. – II. De Theognidis scriptis.

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5. Utrum veterum, inprimis Xenophontis et Isocratis de Theognidis poesi judicia sequerer an nostratum vestigia in re perquam controversa ingrederer, diu multumque dubitavi. Illos enim aetati ejus propiores nescio an verisimilius sit de eo rectius judicasse, quam nos recentiores viros: quibus non minus obstat, quod eis e misera carminum farragine coniciendum est, non e totis integrisque carminibus, quam illud, quod apud veteres scriptores, ut docuimus, cum de ejus temporibus patriaeque conditione, tum de ejus vita manca et rara est memoria. Cum vero nuperrime in quaestionibus Theognideis diutius versatus essem et ipsius Theognidis reliquias identidem perlustrassem, neque illis neque his omnibus in partibus suffragandum esse mihi persuasi. Ut enim paucis complectamur, quae veteres diversis antiquitatis temporibus de Theognideae poeseos genere judicaverint: Isocratis aetas in eo magistrum morum severissimum vidit, in ejus libro     λ $ 1  vel  λ $ (« λ « (Xen!ophon" in Stob!aei" Serm!ones" 88, p.499. [Platon. c!on"f!e"r leg!es" I p. 630 Isocrat!es" ad Nicoclem c. 12.]) qui liber jam in puerorum discentium usum abiit, fortasse ne integer quidem, sed sententiarum excerpta, quae memoriae mandare discipuli jubebantur. [Isocr!ates" ad Nicocl!em" init!ium" Aeschin!es" c!ontra" Ctesiph!ontem" p. 525 Reiske.] Ex qua libri fortuna nescio an omnium veterum judiciorum, quae post Xenophontem prolata sint, caussae repetendae sint. Cum enim

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pueri litterarum adhuc rudes ut Theognidi operam darent ediscendo coacti essent et ex eo quasi omnis doctrinae elementa haurire jussi essent: factum est ut Theognidis versus quidem in vulgarem et cotidianum usum abirent et saepissime in sermone citarentur, id quod nos e veterum scriptis cognovimus, in quibus hic illic aliqua Theognidis sententia laudatur – poetam vero Theognidem, non magistrum fuisse mox obliti esse videntur veteres. Unde recte intellegi possunt Plutarchi verba in aud!iendis" poet!is" c. 2 p. 16 qui Theognidis dicit sententias (  «) esse  !«, qui ut solutam orationem effugiant metro et numero pro vehiculo (W*) utantur. Accedit quod integra Theognidis carmina paulatim prorsus evanuerunt, cum pueris ex eis nihil utile esse censerent nisi has excerptas sententias: quis vero vir non se indignum habuit iterum ad puerorum rudimenta accedere? Id quod dilucidis verbis dicit Dio I. p. 74.: $&#  (7  «, ]! !)  U &( Λ    $κ π Ρ «α Ex hac carminum fortuna caussa est repetenda, cur nobis carmina in miserrima conditione, disjecta et interrupta, mixta cum parodiis aliorumque poetarum versibus tradita sint. Quo vero tempore homo sciolus, qui litteratum egit, versus Theognidis ex aliis scriptoribus et ex illis sententiarum excerptis collectos in unum congesserit, de hac re id unum statuam jam Stobaeum librum in eandem formam redactum, qua nunc exstaret, manu trivisse: cui, quod a Bergkio accurate doctum est, etiam id addam nullo pacto id esse factum ante Cyrillum, (433); hic enim Theognidem fatetur scripsisse *  ( 0  λ  0! ²

  U λ    « λ κ λ   λ & U  ! %«    . Quibus ex verbis apparet quantopere ille Theognis quem Cyrillus tanquam nutrimentum infantium censuit, ab hoc Theognide abhorruerit, quem hodie, mixtum cum amatoriis, potoriis, quin etiam obscenis fragmentis, ex rudi et indigesta conflatum farragine habemus.

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Ut igitur, cur a veterum de Theognide judiciis recedendum esse censeam, paucis expromam: nemo, quoad sciam, tempora, quibus floreret poeta ejusque vitam perscrutari studuit, nemo legit Theognidem, ut ejus poesi delectaretur, sed plerique ut sententias morales ex eo carperent et ediscerent. Nemo denique operam dedit, ut carmina incorrupta et integra ad posteros transirent: Theognidi vero id contigit, quod Horatius a se deprecatur: Sat!urae" 1, 10 An tua demens Vilibus in ludis dictari carmina velis? Non ego. – 6. Priusquam nostris temporibus memoria rerum antiquarum adhiberetur ad Theognidis relliquias recte intellegendas, fieri non potuit quin docti homines perverse de Theognide judicarent: quamquam non tam perverse, quam eis judicandum esset, nisi pudor restitisset et nimia quaedam antiquitatis aestimatio quominus clarissimo Graecorum poetae obtrectarent. Unus omnium Goethe ≤ingenue≥ quid sibi ipsi visum sit de Theognide, ingenue hisce verbis profitetur: (Goethe, ges. Werke, Band V, 549) !„"So erinnre ich mich ganz wohl, daß wir uns in jüngerer Zeit mit dem Theognis zu wiederholten Malen abgequält und ihm als einem pädagogisch gesinnten, rigorosen Moralisten einigen Vortheil abzugewinnen gesucht, jedoch immer vergebens, deshalb wir ihn denn abermals bei Seite legten. Erschien er uns doch als ein trauriger griechischer Hypochondrist. Denn wie konnte wohl eine Stadt, ein Staat so verderbt sein, daß es den Guten durchaus schlecht, den Schlechten gewiß gut gienge,in dem Grade, daß ein rechtlicher, wohldenkender Mann den Göttern alle Rücksichten auf redliches und tüchtiges Wollen abzusprechen verharrte? Wir schrieben diese widerwärtigen Ansichten der Welt einer eigensinnigen Individualität zu und wendeten unsere Bemühungen unwillig an die heiteren und frohsinnigen seiner Landesgenossen.“

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Sed ipse Goethe egregie, quantopere suam mutaverit sententiam, cum res Megarenses poetaeque casus ex bonis historicis cognovisset, his verbis expromit: „Nun aber, durch treffliche Alterthumskenner und durch die neueste Weltgeschichte belehrt, begreifen wir seinen Zustand und wissen den vorzüglichen Mann näher zu kennen und zu beurtheilen. Megara, seine Vaterstadt, durch Altreiche, herkömmlich Adlige regiert und im Laufe seiner Zeit durch Einherrschaft gedemüthigt, dann durch Volksübergewicht zerrüttet. Die Besitzenden, Gesitteten, häuslich und reinlich Gewöhnten werden aufs Schmählichste öffentlich bedrängt und bis in ihr innerstes Familienbehagen verfolgt, gestört – verwirrt, erniedrigt, beraubt, vernichtet oder vertrieben, und mit dieser Klasse, zu der er sich zählt, leidet Theognis alle möglichen Unbilden. Nun gelangen dessen rätselhaften Worthe zum vollsten Verständniß, da uns bekannt wird, daß ein Emigrirter diese Elegien gedichtet und geschrieben. Bekennen wir nur in ähnlichen Fällen, daß wir ein Gedicht wie Dantes Hölle weder denken noch begreifen können, wenn wir nicht stets im Auge behalten, daß ein großer Geist, ein entschiedenes Talent, ein würdiger Bürger aus einer der bedeutendsten Städte jener Zeit, zusammen mit seinen Gleichgesinnten von der Gegenpartei in den verworrensten Tagen aller Vorzüge und Rechte beraubt ins Elend getrieben worden.“ Cui judicio cum in universum suffragandum esse censeam, non dubito quin in singulis hujus judicii partibus hoc illud accuratius atque clarius expromi possit: quin etiam error inest in verbis et ille quidem in ipsa re, quod Goethe omnes elegias ab exule poeta compositas esse arbitratur, cum ne major quidem pars earum in exilio scripta sit. Sed facile est intellectu, unde fluxerit hic error: et jam attigimus, quod copiosius explicare et in clariore luce ponere harum erit paginarum. In quatuor igitur locis deinceps explanandis primum versabitur nostra oratio: censeo enim

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1. Theognidem suis carminibus ad Cyrnum compositis non inscripsisse    neque 1« µ« K  . 2. Has elegias non esse compositas certa et circumscripta vitae ejus parte. 3. Immo vero his elegiis poetam in omnibus vitae aetatibus affectus suos animique sensus expressisse, nunquam autem id egisse, ut praecepta daret magistri loco. 4. Item carmina convivalia et potoria, non esse ad certam vitae ejus aetatem referenda. 7. Primum quem dixi locum, quamquam jam Welcker eum propemodum ita expedivit, ut nihil mihi relinqueretur quod adjicerem, tamen a Bernhardyo hisce verbis „überlieferter Titel  µ« K  “ perturbatum miror. Si vero quaeritur, cur diutius in hac re levissima, quam significasse sufficiat, verser: cum poesin Theognideam n o n fuisse g n o m i c a m demonstrare conemur, primum inscriptionem solitam, qua vulgo libellus fertur, opus est avellamus, ne quis futilissimo hujus tituli argumento utatur ad demonstrandum, gnomicam esse ejus poesin. In brevi Suidae ad Th!eognidem" adnotatione hae ad Cyrnum elegiae ter memorantur diversis semper nominibus „ µ« K  ,   ,    «;“ cujus testimonio nemo dubitabit quin nihil sit adtribuendum, cum sibi non constet et mirum in modum in hoc nomine fluctuet. A Plutarcho carmina Theognidea    vocantur, a Stephano Byzantio et Aphtonio    «. Ac redeundum est ad ea, quae de Theognideorum fato in hujus capitis initio dixi: his titulis ( ,    ,    «) significantur illa sententiarum excerpta, quae memoravi. Antiquissimum de inscriptione controversa testimonium exstat apud Platonem in Menone p. 95. 4. 7   µ

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 "   ; 4.   «  « et sequuntur versus, qui etiam nunc leguntur. De his verbis scrupulum injecit Schneidewin, cum ex inter-

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rogatione 

 «   ; et ex responso   «  « conjiciendum esse diceret Theognidem etiam alius generis carmina praeter elegias scripsisse: quod valde dubium, immo vero rejiciendum est, dummodo recte interpretemur: 

 «   ; in qualibus versibus? (ut Arist!ophanes" Nub!es" 638) vel „in qualibus sententiis? (ut Ar!istophanes" Thesm!ophoriazusae" 113, Av!es" 507) Si vero haec verba eam vim, quam Schneidewin vult, haberent, offenderim in 

 «   ; scriberem potius „

)  vel     α„ „in quo poemate?“ Scilicet non prorsus congruit responsum; sed haec respondendi ratio est usitatissima in familiari sermone. Cum igitur Plato, quem integra cognovisse carmina perquam est verisimile, illa  vocet, non est cur dubitemus, quin hoc nomine ipse Theognis inscripserit sua carmina. Alios vero titulos jam recte vidit Welcker non indices esse libro alicui peculiares, sed varia gnomicae poeseos vocabula. 8. Progredimur ad alterum locum, quem gravissimum puto, cum in eo plerumque peccatum esse videatur: ita ut ipse verear, ne in hac re controversa peccem. Goethe – vel Weber, cujus sententiam secutus est – has ad Cyrnum elegias ab exule poeta compositas esse censet, Wel!c"ker ab aetate provecto ac laborante inopia, cum ex exilio rediisset, simili modo Bernhardy: Daß Theognis die Gnomen im hohen Alter abfaßte, darf man aus Stellen wie 527 nicht folgern, sondern nur nach dem Ton der geselligen Lieder 1017ff. 1131ff.; O. C. Müller post exilium, cum Theognis labores et certamina, quae multo ante perpessus esset, describeret. En, tanta est inter viros doctissimos de hac re judicii differentia. Unus omnium – Duncker, Gr!aecorum" hist!oriae" optime, quamquam de Theognide non seorsum agit, videtur in eandem sententiam abire, quam ego valde probo et solam probabilem mihi persuasi: Theognidem per totam vitam facta sensaque singulis aetatibus consignasse et his elegiis mandasse. Quod facere non possum, quin ita demonstrem ut elegiarum fragmenta, quas certa vitae

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aetate scriptas esse per se intellegatur, eligam et inter se connexa proponam. v. 53–58 ut jam docuimus 183–90 1108–14 173–85 ante exilium conscripti 833–36 1103–4 (elegi sola talia fragmenta, in quibus nomen Cyrni exstat, ne quis dubitet, num vere haec fragmenta ex illis ad Cyrnum elegiis sint sumpta.) v. 209–10 in exilio conscripti. 1197–1202 v. 549–54 805–10 post exilium conscripti. 783–88

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Maximam harum elegiarum partem his temporibus esse compositam non abnuerim, quibus Theognis acerbissimis calamitatibus afflictus, de sua reipublicaeque salute desperans asperis urguentibus doloribus saepissime in poeseos tamquam portum confugeret: i. e. ante exilium. 9. His quae modo scripsi jam tertium illud, quod proposui, breviter attigi; quod quidem, si recte video, sponte sequitur, dummodo alterum locum recte explanaverimus. Apud veteres Graecos carmina elegiaca ad modos tibiae vel etiam ad lyrae canebantur; fuit enim apud illos maxima poeseos cum arte musica conjunctio et necessitudo. Qui usus Theognidis aetate nondum evanuit, cum ejus carmina affectus et motus animi exprimerent ideoque cantui essent accommodata. Habent igitur etiam Theognidis ampliora fragmenta id sibi proprium, ut ab animo commoto et affectibus incitato proficiscantur: in plerisque enim his reliquiis, in quibus non sola sententia moralis inest, expressum videris vel aliquem dolorem acerbissimum vel

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iram in plebejos inexstinctum vel patriae exilio ademptae desiderium vel curam de Cyrni salute sollicitudinemque. Nunquam vero cognoveris magistrum severum morosumque qui id unum agit, ut praecepta discipulum doceat. Id quidem non est infitiandum multas res, quas memoret Theognis, jam in se habere aliquam doctrinam; quin etiam nihil magis ille videtur metuisse, quam ne adulescens Cyrnus quem ut filium diligebat, ab optimatium praeceptis vitaeque genere degeneraret; qua re eum quam gravissime monet, ne unquam a via, quam semel ingressus sit, abscedat: sperat per hunc adulescentem vetera nobilitatis instituta, quorum acerrimus est propugnator, propagatum iri: neque absurdum nescio an videatur, quod Theognidem cum illo Schilleri Posa comparo, qui totus in rerum humanarum studio versatus in amico Carolo eum hominem adamet, quem aliquando sua consilia speret machinaturum esse: qua re non dubitat suam vitam hisce consiliis huicque amico devovere. Equidem cum talia in legendo Theognide animo volvere soleam nullo pacto gnomicam invenio poesin: quamquam lubenter unumquemque concedo, qui non historiae cognitione institutus accedat ad Theognidem aliquid simile se invenire putaturum esse, ac Salamonis proverbia, quibuscum re vera Julianus contulit Theognidea. Qua re non est supervacaneum Goethii verba describere, quae ad haec, quae dixi, pulcerrime pertineant: „Wir sind gewohnt, die Äußerungen eines Dichters, von welcher Art sie auch sein mögen, ins Allgemeine zu deuten und sie unsern Umständen, wie es sich eben schicken will, anzupassen. Dadurch erhalten freilich viele Stellen einen ganz anderen Sinn, als in dem Zusammenhang, woraus !wir" sie gerissen; ein Sprüchlein des Terenz nimmt sich im Munde des Alten oder des Knechtes ganz anders aus als auf dem Blatte eines Stammbuches.“ Qua re longe a Plutarchi judicio abhorreo, quod nuper Teuffel his verbis approbavit: „Doch hat schon Plutarch den wesentlich prosaischen Charakter seiner Dichtung richtig erkannt.“

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Contra, si quid videtur in ejus reliquiis sententiosum – neque paucae esse videntur solius argumenti sententiosi – ego id doleo quod tales versus, ex connexu et ordine genuino separati, quando et quibus in casibus a Theognide compositi sint, jam non potest perspici. 10. Jam ultima restat quaestio quamvis non levis, quae de carminibus convivalibus potoriisque agit. Id quidem facillime potest demonstrari haec carmina diversis temporibus esse conscripta, si exceperis senectutem; e qua jam a natura plerumque exclusa videtur jocosa hilaritas amorisque gaudia. v. 1119–22 773–82 ab adulescente compositi. 756–69 1153–54

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{ ab adulto juvene –

1087–1090 Spartae ab exule. 879–84 In nullo carmine convivali cum nomen Cyrni, percrebrum in omnibus aliis elegiis, exstet, jam inde concludere possum, id quod Welcker concedit „non locum habuisse in gnomologia illa carmina: omnino autem poetae non licuit ad adulescentem, quem optimis praeceptis informare voluit, dedicare carmina potoria et amatoria. Sed Welcker ne seorsum quidem haec carmina edita esse, cum tota fere antiquitas de eis taceret, et Theognis a Dione, scriptore illo peritissimo, ab amatoriorum et convivalium carminum poetis aperte discerneretur, affirmat. Narrat enim Alexandrum rogatum a patre, quid esset quod solum e poetis Homerum legeret respondisse non omnem poesin regem decere.  ξ σ Ν

+  π % ,  ξ !

  5,  ξ    – S« +   5 λ     # U, ! !  λ    %  «

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λ " 1 «   ρ  ]! ! λ 7  «. Sed etiam hoc judicium referendum est ad illa excerpta, quae sola ex toto Theognide nota erant: ita ut ex his verbis nihil possit conici de convivalium carminum fide. Neque tacet tota antiquitas de his carminibus, cum Athenaeus ut erat antiquarum rerum diligentissimus scrutator, Theognidi adscribat v. 917–22 et v. 1057–60 his verbis usus, V ξ λ ² 7  «  λ π!  , ³« 5µ«  λ ` % &    . Scilicet nondum tunc erat omnium reliquiarum farrago in hanc formam redacta, quia Athenaeus si haecce fragmenta habuisset, quae nos habemus, equibus multa melius probant Theognidem non abhorruisse a voluptatibus, certe his usus fuisset. Certa quidem argumenta id mihi confitendum est deesse mihi, quibus probem haec carmina convivalia vere profecta esse a Theognide: sed non est, cur omnino de his dubitemus et pulcriorem fragmentorum partem abjudicemus, cum res esset perquam mira, quod carmina hilariora incerti auctoris Theognidi ipsi, quem habebant severum morum magistrum, adscripta fuissent. Valde igitur etiam Bernhardyum gaudeo fere in eandem sententiam locutum esse II, 457: „Außerdem besitzt der sympotische Theil eine Güte des Vortrags und eine solche Lebendigkeit, daß man ihn nur den jugendlichen Jahren des Theognis zutrauen darf.“ E quibus verbis apparet hoc unum etiam Bernhardyum haec carmina Theognidi auctori adtribuere. – Suo vero jure Welcker ultimam Theognideorum partem amatorii argumenti, ex uno codice ceteris fragmentis additam adulterinam censuit, quoniam haec carmina incerti auctoris e Suidae verbis  µ« K   µ 7  «  1     Theognideis asserta sunt: a qua sententia longe abhorreo. – Cf. Welcker CII, Bernhardy II, 458, C. O. Müller 11. Jam de Theognideae poeseos ratione in universum disputavi: pauca addam de artibus, quibus ille usus sit, ut demonstrem non tam jejunum, tam frigidum, tam aptum ad orationem solutam esse Theognidem, quam veteres et inprimis Plutarchus judicaverint. |

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Primum colligam imagines similiaque e Theognide sumpta. 114 malus portus (plebejus homo) 105 in mare serere (µ µ σ

) 657–82 cf. 855 navis periclitans (res publica) – quod simile pulcerrime per singulas partes est expolitum. 83 in una nave (facile omnes bonos complexus sis) 970 navem evitare navem (falsus et subdolus amicus perstringitur) 457–60 navis, gubernaculum, ancora portus (feminae fides) 575 gubernator scopulum vitat (ego inimicos.) – Jure miraris tam crebro poetam usum esse rebus nauticis in suis similibus: cujus rei causa ex florentissima Megarensium mercatura et navigatione repetenda est. 56 cervi (rustici quondam) 949 cervus et leo (ipse post reditum) 293–4 leo non semper carne vescitur (nobiles penuria pressi) 1057–60 asinus et mulus (duo stadiodromi) 847 bestia, cui calcaria et jugum imponenda sint (plebs) 257 equa loquitur (amica nobili genere) 983 equi per agros frumenti plenos (tam celeriter fugit juventus) 811 volucris (puella amica) 1097 ales ex lacu volitans (Cyrnus plebejum hominem fugiens) 939 luscinia (clara voce canere) 347 canis ex torrenti servatur (ipse ex periculis) 602 serpens in sinu (subdolus amicus) 537 non crescunt ex caepis rosae et hyacinthi (non e plebejo nobilis homo) – Megarenses clari erant caeparii Schol!ia" !in" Arist!ophanis" Pac!em" 245 Plin!ius" XIX, 5, 30 XX, 9, 40 – hin agris Nisaeae multae rosae Nicandr!os" ap!ud" Athenaeum XV, 491 215 polypus (amicus dexter)

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568 lapis et terra (homo sepultus) 175 monstrum in mare jaciendum (penuria)

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Inducuntur a poeta ut personae:  « 1135

 « 1137

 % « 523, 1117 &   1138

 « (  )  351

ρ « 873 ( 9  10. Loquentes facit Theognis: hominem plebejum Aithonem: dilectam puellam – equam – Hasce res fabulosas vel personas attingit poeta: Ulixem 1123 Alcathoum, urbis heroa Rhadamanthyn 701 Sisyphum 702 Nestorem 714 Harpyas 715 Centauros 541 Boream 716 Castorem Polucemque 12. Cum igitur paucis artes quasdam exemplis docuerimus, restat ut ad diversa ejus poeseos genera accuratius explicanda transeamus. In quo negotio sic versabimur, ut disserendi initium a carminibus convivalibus faciamus. Etiam apud Megarensium nobiles aeque atque Spartae syssitia antiquitus instituta videntur similesque in eis leges observatae. 563–66, 309–12. c. Welcker pr!o"l!egomena" et Grote,

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hist!ory" of Gr!eece". Ex his nobilium circulis quasi nata est Theognidea elegia: ita ut ex illius reliquias imaginem talium conviviorum animo concipere possimus. Cum convivae cibo satiati sunt 997–1002, infundunt pocula, deis libant, inprimis Apollini preces et cantus adhibent. 943–44. Dein illa sequitur convivii pars, quam   dicunt, musicis artibus jocisque hilaribus omnino dedita. Singuli autem convivae deinceps ad modos tibiae elegias canere solent, in quarum numero paene omnes Theognideae ponendae sunt. Videtur autem Theognis talium carminum argumenta – quae in varias et diversas classes descripseris – de media vita communi et inprimis de medio convivio, ut ita dicam, desumpsisse, cum haec ad convivarum sensus affectusque movendos essent accommodatissima. Etenim modo Theognis suaviter et urbane cum amicis jocatus, veluti cum eos ad convivia et compotationes invitat 1047–48, 997–1002. 879–84., modo hymnos in deos canit vel preces facit: 1–4 in Apollinem 5–10 iterum in Apollinem 15–18 in Musas Charitesque 11–14 ad Minervam 337–40, 341–50 ad Jovem 757–768 ad Jovem et Apollinem 773 ad Apollinem ad Castorem Polucemque quorum pulcerrimum est alterum carmen ad Apollinem, quod descripsisse juvabit: ]  Ν6 Ρ       aΩ &   « b (« * λ &0, $   ,  λ  *  3 9 

» ξ  + c( « $   2(« $ «,  ξ  1 , + ξ ,«  « 4µ«

 («. Modo vini usum suaviter commendat velut 929 aut omnino cohortatur ad juventutem ingenue fruendam 877, 983–88 vel

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ejus fugam acerbissime dolet 1017–22, 1129–32. Id vero, quod monui de connexu et necessitate poeseos cum musica videtur omnino singularem in modum ad Theognidem pertinere, ut non ullum antiquitatis poetam sciam, qui subtilius de musicae effectu scripserit. Unde factum est, ut haud minima convivalium carminum pars in laudanda musica versata miram conjungeret suavitatem et dulcedinem cum sententiarum vi et fervore. Veluti cum Orcum describit et in eo se musicam desideraturum maxime dolet 973–78. 531–32. 533–34. 944. Ad certamen inter convivas crebro exoriens referendi sunt v. 406–7, 993–96, 1087–90. In conviviis erant usitatissima scoliorum et scirporum genera, quae quoque Theognidem tractasse documento sunt 255–56 K   µ    ,   # `  ,

( ξ   ,  %  «  ) » µ !* et 1229–30 ab Athenaeo servati 5H     « S  µ« Ω« #)  & «  . Etiam in aliis versibus scirpum latere veluti 1209, 949–54 sibi videntur investigasse docti viri: quamquam non est, quin hos versus simplici modo explicemus. Praeter has elegias, quarum argumenta in communi omnium conviviorum natura versantur Theognis etiam elegias ad certos casus eventusque composuit, in quarum praestantissimis fragmentis rem tractat amatoriam. Adamavit enim puellam, cujus parentes non ei, sed plebejo homini favebant: videntur igitur in eorum nobilium numero fuisse, quorum animum degenerantem et solis opibus inhiantem acerbe Theognis perstrinxit. Nihilo secius puella nobilem virum quamvis pauperem praetulit et cum eo, quando aquam e fonte hauriebat, convenisse mihi videtur. Tum vero    λ  Ω $# & 265–66  κ, π ξ   &# $ µ  «

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In hac elegia amatoria saepius puellam loquentem facit: 6I

« Ω κ λ $ $    257–60 Ν  &     %# $   . P  #     #b+6 * µ &  ,  Λ µ µ π * . ––––––– #E*  µ Ν , !0 ξ    579–80   (« W   «  %&  * !  . ––––––– O@  &   % λ 5  !   % 861–64 $  &  . $# Ω 5  /E   # 6  λ 2   σ «   g « $ ! & «  . Eandem puellam nescio an postea in matrimonium duxerit: laudat quidem matrimonium cum nobili muliere initum. Fortasse ei nomen Argyridis erat. O5ξ, K #, $(« ! 1   ! « 1225–26  !« Ω, , #  λ  ! $  «. ––––– Mκ # $&« # ! & !« #  (« #A ! α  λ ξ     V  . /H # Ν ξ  ,   ,  #  λ  (« &  , $  # 5   !  , O5# π»«  » .  «  ξ  λ π +, a)    ) . Praeter hanc elegiam scripsit Theognis a n t e e x i l i u m dominatione plebis depressus elegiam ad Simonidem, quam jam commemoravimus 667–82. eo tempore, quo statum rei publicae tecte significare et imaginibus circumscribere licuit: B %«   λ 19    ) 

λ 6   S*       . E x u l Theognis ad Clearistum scripsit, qui ad eum penuria laborans venit et ab eo benigne exceptus est. 511–22. Alio exuli mare ingressuro omnia fausta precatur 691–92.

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Democlem monet, ut paupertatem modice ferat. 923–30. Omnino videntur exules optumates ad vitae mollitiam luxumque adsueti gravius tulisse opum angustias exiliique acerbitates. c6, , ξ

 &  «  ,. 5   9   %#    Ρ  κ !  V 9. 597–98, 599–602 in amicos infideles invehitur, quorum animum subdolum verisimile est exulem expertum esse. P o s t e x i l i u m , ut jam diximus, nobiles Cerinthi a plebe victos elegia deploravit, cujus quatuor exstant versus 891–94. Homo, aliquando popularis, post nobilium reditum in Theognidis gratiam irrepere studuit: quem acerbe rejecit. 453–56. Quid significent v. 1209–10, adhuc a nullo interprete est explanatum. – 13. Denique, quod attinet ad elegias Cyrno dedicatas, ad quas nunc progredimur, non est dubium, quin poeta, cum singulas scriberet, nondum in mente habuerit, ut has collectas et in ordinem redactas postea aliquando ederet: id certo factum est: etenim versus extant 19 ss., qu!i"bus Theognis se tamquam sigillum suis carminibus imprimere profiteatur, quo facile discernantur ab adulterinis. Accedit quod e Xenophontis ap!ud" Stob!aeum" verbis conjiciendum est hos versus initium elegiarum fecisse itaque tamquam titulum esse in fronte totius libri positum. Quos versus a sene Theognide compositos et carminibus cum institueret ea in lucem proferre additos crediderim; praesertim cum 1) se  & #  vocet, id quod solus senex sine arrogantia dicere debuit. Dein 2) non est dubium, quin nullo pacto adulescens scribere potuerit: « ξ # $ 1

!« 2 µ« $   κ Κ  »  4   . Laudem poeticae virtutis non est verisimile jam ante exilium eum tota Graecia assecutum esse: accedit, quod illud Κ  nondum eum sibi et optumates et populares conciliasse significat, quod demum post exilium senex quaesivit. Priusquam autem argumenta, in quibus hae elegiae versentur, deinceps complectar, de Cyrni Theognidisque consuetudine

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pauca dicenda sunt. Welcker quidem Cyrni allocutionem ad solam libri formam pertinere dicit, cum Theognis K , non proprium, ut videatur, nomen, sed vetus appellativum, quo ipso fictio prodatur, frequentet. Ac profecto qui apud lyricos quoque poetas obtineret mos, ut amico blande compellando speciem quandam rei non fictae sed verae efficerent, qua maxime moveretur affectus vel quo vellent animo sensa sua excipi significarent, quasi non alienissimo cuique, sed amicis tantum penetralia pectoris aperientes, eum gnomicae poesi magis etiam convenisse. Mitigata enim per paternae benevolentiae significationem praeceptorum severitate facilius illa se in juvenum animos insinuare. Ab hac sententia quam longissime abhorreo, cum nihil minus ad hanc imaginem, quam nobis de Theognide informaverimus aptum sit, quam illud Welckeri. Non erat praeceptorum magister: non finxit personam, quam blande compellaret, ut hoc modo praecepta facilius se in adulescentium animos insinuarent: omnino non est habendus in gnomicorum poetarum numero: id quod jam demonstravimus. Contra multa sunt illius interioris, quam dixi consuetudinis indicia. Quod enim Theognis modo patris, modo fratris, modo amici affectum erga Cyrnum hic illic profiteri videtur, id referendum est ad diversas utriusque vitarum aetates, quoniam aliquando fit, ut ei, qui alter consulentis patris, alter adulescentis partes tamquam egerunt, seniores magis magisque hanc aetatis differentiam obliviscantur et amicitia inter se conjuncti paulatim tamquam annorum intervalla videantur coarctare. Cyrnus igitur erat ut recentiores editores Welckero excepto consentiunt, Polypai filius P ! 1 «; Wel!c"ker autem nomen proprium et patronymicum et in deorum invocationibus et in hominum alloquiis conjunctum dicit inveniri ut i% a  3 , #E   X  apud Archilochum, i%# #E ! in oraculo apud Herod!otum" VI, 86 et aliis locis. Id quidem fieri potest, non opus est, quod ex multis Homeri locis T!1  Od!yssea" E 18 134,

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303 et sexcenties, a !  Solon. Diog!enes" Laert!ius" 1, 66 intellegas. Primus demonstravit Schneidewin P ! 1  esse patronymicum Cyrni (del!ectus" Lyr!icorum" Graec!orum" pr!o"l!egomena" ad Theog!nidem") Fortasse etiam hoc non est omittendum quod Theognis lusu verborum usus Cyrnum admonet, ut



! 2 κ habeat; in quibus verbis est nominis significatio P !  ! vel P 

!. Cyrnum vero in nobilium circulis perquam fuisse dilectum et carum docent v. 655–6. ,  λ, K ,  « $ 1 «. Adulescens videtur aliquamdiu dubitasse, num se Theognidi ascisceret, ita ut ille nesciret, quid sibi esset faciendum et miraretur, cur Cyrnus non ingenue, quae sentiret, profiteretur. M+ #    ξ  ,   # * λ & « Ν« S  & « λ  µ«   « $ &  µ  «   E # $

 Ω * # $&  « $  «. ––––– $  λ $  ( « & . ––––– 5 Ω 2«   % 5  * " %«, $# —    µ   « # $ ) »«. Cum ingruissent rei publicae tempestates, eum identidem admonuit, ut mediam inter partes viam sequeretur 331–32. 219–20. neve gravius ferret rerum iniquitates. Sed ipse eo tempore tantum abest ut ea moderatione et temperantia in rebus publicis usus sit, ut in dies vehementissima ira incitatus et affectibus jactatus ad ipsum Cyrnum elegias mitteret, quem sedare voluit, quibus odium in plebem inexstinctum, inimicitias adversus degenerantes nobiles gravissimas, despectum amicorum infidelium expromeret et aptis coloribus pingeret. de connubiis inter nobiles plebemque junctis 183–90. 537–38. 193–96 de rerum publicarum conversione

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53–58 279–82 289–92 647–48 1135–50 de effrenata plebis licentia: 39–42 43–52 663–4. 833–36 de perniciosa divitiarum vi: 53–60 699–718 1109–14 719–28 Ac fortasse mireris, qui fieri potuerit ut Theognis tam acerbe, saepe tam inique in adversarios inveheretur et tamen ut docuimus conaretur ut gratiam plebis sibi conciliaret bonaque et vitam inserviendo popularibus studiis servaret. Ad hoc pertinent ea, quae subtiliter monuit W. Teuffel (Pauly v. Th!eognis") „zum Beweis, daß – durch trübe Erfahrungen seine Stimmung gegen das Volk eine erbitterte ist, und er die Theorie um so schroffer aufstellt, je mehr er in der Praxis Zugeständnisse machen muß, daß er gegenüber den Demüthigungen des Lebens den Stolz des Bewußtseins sich retten und durch dessen Darstellung im Worte für jene sich rächen möchte.“ Eodem tempore Theognis in summam egestatem delapsus est, quam sibi onus miserrimum et gravissumum esse multis in elegiis doluit: , inquit 267–70

Κ  "« $ κ  * Κ «, P9   # Κ  * , 9  #  ! «

9  # *  ²«  ,   V 9. Quare pauperem decere mori 181–2 vel certe in mare fugere, ut penuria solvatur. 173–80. Maxime vero id questus est, quod

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egestas et necessitas hominem a recta via avocaret et eum turpia facinora doceret: quibus versibus nescio an tecte significet, quantopere se poeniteat, quod ipse aliquando invitus popularem egerit. 649–52 7A  κ ,   «    X «   *  « λ   π α "*  ξ # 5   9  

   «,  # $ 1  λ #   . cf. 351–54 619–20 Si earum elegiarum, quas exul composuit, argumenta spectas: inest in plerisque quaedam humanarum rerum contemptio et despicientia 425–28.

 ξ κ &%  *    Ν   #   5« 26 «   !. &  # Ρ « X  « #A1   ( λ 

κ (   . ––––––– O5    , !ξ,  * Ν    α  ξ  Κ ,  % «  ) »«. 441–46 555–56 117–18 1229–36 Maxime vero patriae desiderio se exulem laborasse profitetur ipse 787 $# Κ «   0 «  λ & « V .

>« 5ξ Θ # V &  Ν  «. Fortasse etiam conjugem in patria reliquerat, quae illa Argyris videtur fuisse, de qua jam vidimus 1123–28. +   α 

  G # #O!,« Ρ# #A1   # E! 6 «, Ρ« κ λ ( « $  !)  P « &   ! « $* !,

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   # `   &)     λ  ! W&   («     !«  !* «. Dignissimum est etiam illud Theognidis, quod in harum rerum connexu legatur: 5O   « &κ, P ! 1 , 26,  1« E !#    « Ν « V# $  !, ³  !α      6   Ρ  5« Ν * !  $ ,«,

5ξ  π   &# B !  $  !. Dum haec secum reputat, tam vehementer ira et odio in plebejos flagrantissimo rapitur ut ultionem a Jove postulet. T # " κ   Ν !   ` ,   # Ν# $  $«. ––––––  S  G . ––––––––– #A µ«        (  « K #, $

 ! ! # Κ6 6 . Ante proelium, quo optumates plebem vicerunt, hi versus videntur compositi esse #E«

!   µ      K , !&  !«      !. Post hoc proelium (quo optumates plebem vicerunt) v. 949–54; in quibus obscenum scirpum latere Welckerum !putare" satis miror. Restat fragmentum, quod verisimile est post exilium compositum esse: Cyrnum theori munere fungentem monet Theognis, ut diligenter jussa dei observet. – At si cui in his argumentis enarrandis nimis diu versatus esse videor: id suppeditat, quo me excusem. Etenim in mente habui, ut tali modo ea, quae nuper Bergkius de argumentis Theognideorum scripsit refutarem: qui nihil de toto Theognide jam extare nisi seriem interruptam sexcenties sententiarum excerptarum cum affirmaverit, mihi valde videtur errare; atque id

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quidem me docuisse puto haud pauca esse in hac farragine vestigia, quibus ad certas res et facta, ad certos ejus vitae casus agnoscenda nullo negotio perducamur. Quamquam ipse lubentissime concedo mihi in talibus fragmentis eligendis et componendo nullo pacto me satisfecisse; quoniam saepissime factum est, ut diversa diversi argumenta fragmenta in eadem pagina memoranda et describenda essent. – III. Theognidis de deis, de moribus, de rebus publicis opiniones examinantur. !14." Quoniam de Theognidis vita scriptisque jam satis dictum esse videtur, superest, quod tertium nobis proposuimus, ut quaeTheognis de rebus divinis humanisque senserit, explicandi faciamus periculum. Cum vero haud multi viri docti de hac re peculiarem ediderint sententiam, fortasse juvabit jam ab initio disserendi verba Bernhardyi legisse, quibus solita virorum doctorum persuasio breviter est exprompta. II, 457. Die Summe der Elegien ruht auf dem politischen und sittlichen Glauben der Dorier oder einer kastenartigen Tugendlehre, welche jeglichen Vorzug des Geistes und der geselligen Bildung, des Güterbesitzes und der Lebensklugheit an adliche Geburt knüpft, und der Dichter hat dort, bestimmt von tiefem Abscheu vor dem regierenden Pöbel die unveräußerlichen Rechte der guten Männer in einem Kern gediegener Sätze und Erfahrungen bezeugt.“ Atque jam Welcker monuit ne Theognidi auscultantes civem Doriensem et generosum loqui essemus immemores. Cui judicio unus omnium Grote History of Gre!e"ce III c. 9. adversatur, qui sese in Theognideis non posse illam propriam Dorium vim et naturam invenire et agnoscere confitetur. Quamquam de hac re ille non disputat uberius, tamen hoc judicium est dignissimum quod perpendatur.

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Etenim Theognis ex vetere et illustri gente exortus per totam vitam tantopere in nobilitatis studio versatus est, ut in ea restituenda et dilatanda suas omnes cogitationes et vota fixa haberet. Verum tamen in ea rerum conditione fuit, qua genuina nobilitatis Doriensium vis penitus jam esset convulsa ejusque praecepta in omnium rerum conversione tamquam proculcarentur. Ex quo factum est ut ipse Theognis de quibusdam ejus praeceptis dubitare novamque sibi informare persuasionem coepisset. Atque quam viam ingressus sit Theognis, ut senex paullo liberius de republica et de rebus humanis divinisque judicasse videretur, e multis indiciis etiam nunc intellegere possumus. Habet enim Theognidea poesis id sibi proprium, quod opiniones de deis, de moribus arcto connexu conjunctae sunt cum Theognidis de rebus publicis judicio: ex quo non nobis haec et illa segregatim tractare licet. Hujus rei causa ex singulari Megarensis civitatis forma repetenda est, quae divisa et discripta per certas quasdam classes sive castas quas dicunt fieri non potuit, quin diversa diversarum classium de rebus humanis divinisque judicia gigneret et aleret. Cum vero certamen acerrimum inter has classes exortum esset et Theognis alterius optumatium classis sese atrocissimum praestaret propugnatorem, etiam in carminibus ita populum discrevit, ut alteram partem  ,« $ ,« i. e. optumates, bonos viros diceret, quorum esset omnis erga deos relligio pietasque et omnis in homines justitia virtusque, alteram  ,«  ,« vel  ,«   ,« vocaret, in quibus omnis morum pravitas omnisque impietas et nefas inessent. Unde liquet, qui fieri potuerit, ut opiniones de rebus divinis humanisque apud Theognidem arcte cohaererent. !15." Primum vero quaerendum est, quo jure Theognis haec de nobilitate et plebe judicaverit quibusque ex causis hoc judicium repetendum sit. In quinque enim rebus artibusque, ut, quantum nobiles tum valuerint quantumque plebi praestiterint, complectamur posita eorum est dignitas et auctoritas. Primum enim magni apud om-

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nes generis vetustas claraque origo aestimabatur, praesertim cum haec origo saepe ad heroes et ipsos ad deos auctores referretur. Contra plebejus homo, qui tamquam ex inutili perniciosaque stirpe exortus est, obscuritate tegebatur, neque ejus nomen ultra vitam innotescebat. Quod duobus distichis acerbissime exprimit Theognis T ,« $ ,« Ν «  & , Ν «    797–98  ξ  +  5. OΚ

  ! &κ " &! $# $λ   κ # 5* 6  * OΚ   « b &! 5# `  «

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#   «   ! . Dein nobiles, quoniam eis armorum usus erat bellique cognitio, praesertim cum antiquitus sibi munus imposuissent ut rem publicam soli gubernarent neque ullum de plebe ad eam administrandam admitterent: se in rebus publicis salubriter et optimo successu versatos esse sibi semper persuaserunt O5 , K #, $ λ   X Ν « – 43 Et jam pergit $# Ρ ` #       49 ( (  & ! –   –  «  λ &! & $  51 Accedit quod solis nobilibus erat juris cognitio legumque interpretatio; unde factum est ut Theognidi plebs videretur «   $   45: "µ« µ µ Ν  «     #    # 4#   . His ultimis verbis plebejum nullis religionibus adstrictum non vereri deos indicat poeta: id quod est tertium, quo suam auctoritatem positam esse crediderint: erat apud eos omnium sacrorum administratio. Qua re deos sibi propitios, succensentes plebejis fingebant. Hoc loco opinio memoranda hujus aetatis propria, qua Theognis fuit, vel ut rectius definiamus, ab antiquissimis Graecorum

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temporibus usque ad hanc Theognidis aetatem delata quae dilucide, quantam dignitatem nobiles sibi vindicaverint, illustrat. Etenim deos cum hominibus foedus iniisse credebant, quo constitutum esset, ut dei dummodo justos ab hominibus honores sacraque acciperent, sua bona beneficiaque in eos conferre deberent. Neque alia est sententia, quam Pindarus P!ythia" 2, 73. expromat: si quis veri et recti viam ingressus sit, necesse esse ut divorum assequatur beneficia. Sed vereor ne jam priorem aetatem tam ingenue quam Pindarum de hac, quam dicimus, 5  )  et *   )  judicasse affirmem. Immo vero ipsa Sophoclis aetate, si illum Oedipum regem ad hanc quaestionem adhibemus, deos sibi quem amarent suisque bonis afficerent, ex arbitrio eligere neque ullis artibus, ne pietate quidem, ad alium amore complectendum cogi posse, quem sibi non elegissent, in omnium animis haec opinio defixa fuisse neque facile in dubium videtur vocata. Prior vero aetas, ut revertamur, unde paullo defleximus, quantopere in his opinionibus versata sit, ex multis Theognideis conici potest; unde apparet et virtutem et divitias et honorem non intellegi nisi conjuncta et artissimis vinculis conexa. E5 S λ  « & « $   653–54 K # $ (« # Ν« 5«   . Kλ    %  ξ *  $     525–26 π  ξ )   & « $ λ &  . 7 « Κ* !,  «      «. Κ  Ν  171–72  $ 1

« Κ# $# Κ . X ( # χ ξ c  λ , 9  $ λ  197–98 λ  « $λ      . Ex egestate vero plebeji hominis Theognis nasci putat miseram necessitatem ($*) qua ad scelus proripiatur. . . .   # $*«   . . .  # $    !µ « $ ,   !#  + & «   (« ` # $«. .....

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   0  # 6 « # 5 «  « ..... π  λ * κ  $*. Quanti vero momenti ad dignitatem assequendam sint divitiae victusque cultus et splendor: id etiam nostris temporibus percrebro potest observari. Accedit quod apud hanc quam dicimus Graecorum nobilitatem vere cum divitiis conjuncta erat conformatio doctrinae honestarumque artium studium, cum plebeji omni eruditionis expertes et ignari miserrima vitae conditione uterentur:

θ – Κ « E 9 Κ  !«, $# $&λ ! 9 (  « "    6 # —# & (#    «. ....... Erat autem apud nobiles quaedam uberrima praeceptorum copia vitaeque recte et ad nobilium normam instituendae regularum ab avis liberis posterisque tradita ita ut Theognis se Cyrno nihil aliud tradere confiteretur nisi – G  5µ« K # $ µ  $ « # Ω   Contra plebejus homo naturam et indolem a parentibus jam vitiosam acceptam non modo nullo pacto reficere et meliorem reddere potest, sed in malorum hominum usu et consuetudine adultus in dies magis corrumpitur. T λ  λ 5 «  λ   µ«   $# $   « ! &      #   λ    & λ > . –   

Κ



+ « µ µ Ν $. Cum igitur in veteris originis claritate, in belli rei publicaeque gerendae cognitione, in sacrorum administratione, in divitiarum cultusque splendore, denique in optimarum artium informatione posita sit nobilium dignitas, qua plebem subjectam

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et sibi obnoxiam contineret, quid est mirum, quod Theognis cum tantum inter nobiles plebemque interesse sentiret, nobilem virum se omni ratione sejungere debere a plebis commercio dixit? Ac vereor ne v. 343 et 347 de plebejis cogitandum sit, quibus nobiles ne in itinere quidem negotiandi causa suscepto comites se adjungere et cum eis consilia consociare vetentur. Quin etiam nihil esse vanius et inutilius quam plebejo homini prodesse censet, quoniam ille nunquam gratiam referre soleat. c  ,« σ      * «  ρ  λ    

µ« 4µ«

 («. OΚ  U      , +3  $) «

Κ  ,« σ   σ   $  «. Si vero res postulent, ut homo nobilis plebejis utatur, verbis quidem et vultu se amicissumum praestare debet, semper autem re vera odio inexstincto in illos flagrare. cf. Teuffel: „Unbedingtes Mißtrauen und tief innerliche Verachtung muß die Stimmung gegen die $  sein, nur daß man zur Bekundung seiner geistigen Ueberlegenheit gegen sie die glätteste herzlichste Miene annimmt. Diese nichtswürdige Lehre hat der Dichter die Naivetät mit der größten Unverhülltheit vorzutragen und als Gewandtheit zu empfehlen. 283. 213. 313. 365–63. Habemus igitur illam superbam Doriensis nobilitatis persuasionem, cujus judicia nemo in Theognide inesse negabit, quamquam dubitari potest, num Theognis in eadem semper perstiterit etiam eo tempore, quo discordiis civilibus omniumque rerum conversione hujus persuasionis fundamenta, quae in illa 5  )  posita erant, penitus concussa erant. 16. Si enim quaerimus, quibus rebus factum sit, ut paulatim nobilium auctoritas infracta in dies magis delaberetur: prima et gravissima causa inde repetenda est, quod multi plebeji maxime in urbibus maritumis mercatura magna et copiosa suam rem augebant, nobiles celeriter divitiis adaequabant, sumptu luxuque antecedebant: quod iidem jam non ab omni politiore elegantia

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abhorrebant, sed operam in moribus pariter atque ingenio conformandis collocabant, praesertim cum saepe ex longis itineribus scientia aucti redirent. Accedit quod nobiles neque antiquam retinebant morum integritatem, sed saepe luxuriae et voluptatibus se dederunt et ab armorum usu paulatim abalienabantur, neque rem familiarem modice administrabant, sed aes alienum congerebant, ita ut nonnulli in pudendam paupertatem delaberentur. Unde factum est, ut non jam nobiles prorsus se a plebe sejungerent, sed conjugiis mutuis initis opes quaererent, cum plebeji tali modo dignitatem appeterent et assequerentur. „P % «  6  «“ dicit Theognis. Etenim omnia quae de paulatim corrupta nobilitate et de efflorescente plebe diximus, etiam apud Megarenses post Theagenis dominationem evenerunt. Nihil vero nobilibus plus intulit detrimenti, quam ipsa Theagenis dominatio, qui illustri genere natus aliquamdiu popularem egit plebisque favore principatum assecutus est. M  ξ ut est apud Aristotelem pol!itica" 5, 3, 1. ¹ 2  *  !  Ρ 6 5(« !9 ( (« 2  *«  µ π  % + !. In hanc aetatem, quam paucis decripsimus incidit Theognidis vita, instituti praeceptis nobilitatis a puero, quae adultus omnibus partibus neglecta videret. Itaque fieri non potuit, quin de deorum justitia coepisset dubitare, id quod ipse ingenue confessus est 373–380. Z% &, !# α ,    $ «  κ 5µ« * λ    . ––––––

« ξ %, K ,  ) »  « Ν « $  ,«  59 (   )  µ    * α –––––– λ  %# $  % «      Ρ « $κ µ« Ω $ +  # `   * # Ρ   $  µ $  « Ω κ     9 (;

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Praecipue vero id doluit quod cum homines de plebe in amplissimis fortunis morerentur, non esset, qui illi poenas darent, nisi forte eorum liberi posterique paterna scelera poenis solverent. Qua re Jovi proposuit, ut suam viam, quam indicaturus esset, ad puniendos malos homines ingrederetur: Z%  S    « &  « ξ $  « >  4 λ &   %   &  !) , *     & λ Ρ « $ κ«  #  ,  ξ 2 # « 5µ         # 2 

 µ« $    µ. ––––––– %# S    « &. % # ² ξ B  &  , µ µ # Ν «    &  . Si vero homines de deorum justitia coepissent dubitare, metuit Theognis ne viam et rationem nescirent, qua quis deorum gratiam se assecuturum speraret. O5ξ     µ«  «     

5# ²µ   « "Ω $   Ϊ . unde factum iri ut homines in dies corrumperentur et a deis magis abalienarentur. Quam ob rem haud pauci extant versus, quibus non esse ullum hominem crimine prorsus vacuum doleat. #A 1  Ν0 «  λ * λ  5« 799– O5  + $µ λ   Ν  615–16  % $ 1    «  ) ». O5 K # 5λ &   !   1185–86 $ # & #  )  2  «    . Accedit, quod etiam nobiles, inopia gravissima vexati ut a recti via deflecterent cogebantur, praesertim cum hoc paupertatis onus a plebejis ad optumates inclinatum his ita esset insuetum atque inauditum, ut eo quocunque modo poterant, liberare se studerent. 649–52. 7A  κ  . . . .

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   « * κ  ²«  λ (  λ 5   « # * («, K ,    «. Tandem bonis patriaque privatus primum quidem de sua salute paene desperasse et ipsam desiderasse mortem videtur.  , & K ,  * )    $ λ ν #1  * 9 (    9 . cf. 425–29. postea vero magis tempori cessit et omnia mala moderatiore tulit animo: quin etiam eo descendit, ut diceret 444–46 $ –  «

       * # $#   » * κ  # $, G   % , * . –––––– ξ , # $ +    #    Ν « $6 W* # Ν* ! ξ & !« $ # * ,« Κ&  .  # ¹   

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Κ# Ρ 5µ *9  T  «    «. 17. Jam unus superest locus, de quo magis conjectura, quam argumentis demonstrare liceat. Etenim Theognidem perquam est verisimile reversum in patriam vita jam ad finem vergente, cum in rebus publicis majore usum esse moderatione, tum omnino a suis pristinis de deis et de hominibus opinionibus aliquid recessisse et paulo liberius inprimis de plebeji hominis dignitate judicasse. Jam Cyrnum monet, ne cui paupertatem opprobrio vertat. M+

   !&  $ λ * λ« # $*    5  & . Z,«   µ    #b  Ν  Ν« Ν  ξ  !, Ν  ξ * . Omnino in hac cogitatione videtur acquievisse et malum et bonum solis a deis hominibus adtribui planeque in eorum arbitrio esse positum.

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O5λ«, K #, Ν« λ   « S « 5µ«, $  λ   1 « $&  ;

5ξ  « $ 1   # ,  & λ "Ω« «  « S# $µ  S , –––––––– Ν 

ξ    # , "« 5.  λ ξ  &    %  . Jam redeo ad illud Grotii, unde profectus sum. Id unum me docuisse arbitror Theognidem, cum ejus vita in omnium rerum opinionumque conversionem incidisset, facere non potuisse, ut in eisdem opinionibus perstaret quibus puer institutus esse videretur. Unde apparet, quid illud Grotii sibi velit: profecto ei concedendum est genuinam Doriensem vim et naturam jam illis temporibus imminutam et fractam in Theognide perspici. –

18 [3] Quem non haec senis poetae verba movent, si secum tot illius tamque varios reputaverit labores doloresque, qui per totam vitam ejus animum vexassent et turbavissent? Atque quis si hos legerit versus, non mente revocabit illa praestantissimi Pindari, divini propemodum viri, verba? P!ythia" VIII, 45 ss. Jam redeo ad illud Grotii, unde profectus sum. Id unum me docuisse arbitror poetam, cum ejus vita in omnium rerum opinionumque conversionem incidisset, facere non potuisse ut in eisdem opinionibus perstaret, quibus puer institutus esse videretur. Unde elucet, quid illud Grotii sibi velit: profecto ei concedendum est, genuinam Dorium naturam et vim jam illis temporibus fractam et debilitatam in Theognide apparere. Haec fere sunt, quae de Theognide habuerim; quibus jam ab initio id efficere institui, ut ejus vitam naturamque docerem ex

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misera illa carminum farragine comparando et conjiciendo posse satis cognosci et illustrari. Mihi vero his de rebus diu mecum reputanti et quam dubia haec omnia essent et controversa perpendenti haud parvo fuit commodo illa a Welkero in Theognide collocata opera: atque quamquam mihi nonnullis in locis ab ejus judicio recedendum erat, tamen lubenter uni cuique qui in quaestionibus Theognideis aliquid proficere velit primum ad Welkerum redeundum esse profiteor et diligenter observandum, utrum subtilibus ejus argumentis prorsus posset suffragari nec ne.

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18 [4] Studien zu Theognis.

Geschichte der Auffassung des Theogn!i"s im Alterthum. 15

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Die Elegie!n" waren berechnet auf aristokratische Ti s c h g e s e l l s c h a 25 ften u. wurden dort richtig verstanden.

Das Geschick der Theogn!ideischen" Elegien erklärt sich aus der Auffassung, die ihnen im Alterthum zu Theil geworden ist. Es ist sicher, daß sie gegen Ende des sechsten und zu Anfang des fünften J!ahr"h!underts" gedichtet worden sind, somit daß ihre Herausgabe kurz vor, vielleicht schon in die Zeit der persischen Kriege fällt. Was folgt daraus? Daß auf ihre Auffassung in der Nation der Umschwung des mit jen!e"m Kriege eintretenden nationalen Lebens eingewirkt habe. Wir wissen aus den Elegien selbst, daß sie zu Lebzeiten des Theognis weitausgedehnte Bekanntschaft über ganz Griechenland hin gewonnen hatten, ebenso kennen wir die Kreise, in denen sie lebten. Es sind dies die aristokratischen Klubbs, die unter den Anfeindungen der Tyrannis und der auf u. nieder schwankenden Volkssuperio!ri"tät das altadliche Standesbewußtsein durch strenge Abschließung gegen alle neuen Elemente zu wahren suchten. Und zwar waren die Elegien für die Tischgesellschaften bestimmt, um zur Begleitung von Flöten von Jü!n"glingen vorgetragen zu werden. Es ist anzunehmen, ebenso daß Theognis damals mit seinen Lebens-

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schicksalen und persönl!ichen" Eigenschaften bekannt war, als auch daß seine Gedichte richtig aufgefaßt wurden, dh. daß der wesentlich a r i s t o k r a t i s c h e Zug in ihnen verstanden wurde und noch nicht wie es später geschah mit einem e t h i s c h e n verwechselt wurde. Gedichtet waren die Lieder an einzelne Personen, vornehmlich an Kyrnos und andre Jünglinge; man sang die Lieder in den Kreisen junger Leute, von denen die Sänger oft und meistens selbst in der Lage des Kyrnos waren, und setzte sich darüber hinweg, daß der Sänger sich selbst paraenetisch ansang, mit der selben Unbefangenheit, mit der unter verwandten Verhältnissen jetzt Mädchen Lieder von Heine singen, in denen er seine Liebe, seine Ironie, seinen Groll einem Mädchen ausspricht. Es ist festzuhalten, daß diese Gedichte Seelenergüsse von nicht ausschließlicher Art waren, Bilder des bewegten Seelenlebens, in den Zeiten der Bedrängniß, politischer Wirren, der Seefahrt, des Herumirrens, der Rückkehr, der Liebe, der Freundschaft verfaßt, nie mit dem einseitigen Zwecke zu lehren, sonde!r"n die Seele zu entlasten. Dazwischenlaufen auch rein moralische Skolien, aber keine Elegien, ein Unterschied, der nicht außer Acht zu lassen ist; dann überhaupt Lieder, wie sie das Symposion zu erzeuge!n" pflegte, Trinklieder, Anrufungen der Götter u.a. Die alte Aristokratie aber erhielt sich nicht über die Perserkriege hinaus, der Uebergang des Rei!c"hthums zu den Männe!r"n des Volkes, ebenso wie die Verallgemeinerung des Wissens und der Kunst vernichtete den Geblütsadel. Hiermit hatten die Theog!nideischen" Elegien ihre nothwendige Basis um verstanden zu werden verloren. Die Bürger traten mit andern Anschauungen an sie heran. Man fand jetzt ethische Principe, wo man ehema!l"s alles adl!ig" gefunden. Man verstand die Bezüge zu den Tischgenosse!n"schafte!n" nicht mehr. Man kannte Theognis selbst nicht mehr. Dennoch faßte er auch jetzt schnell wieder Wurzel. Wir vermögen dies an den Tragikern zu erkennen. Aeschylus kennt ihn nicht, wenigstens spielt er nie auf ihn

Es sind zu scheiden Seelenergüsse (Elegien) u. gnomische Dicht!ungen" (Skolien)

D er G eb l üt sa del st i rb t a b. D as Vol k st ei g t empo r.

Theognis wird politisch nicht mehr verstanden u. ethisch aufgefaßt.

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E r w i r d l a n g30 weilig befunden.

Wird Schulbuch.

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an. Dagegen spielt Sophokles häufig auf seine Gedanken an und zwar so, daß die politischen Anschauungen ins Sittliche umgedeutet sind. Vg!l". Th!eognis" 731–52 mit dem Soph!okles"fragm!ent aus dem" Alet!es". Also in einem Zeitraum von 50 J!a"hren bürgert er sich vollkommen ein, besonders bei der vorherrschenden Neigung der Zeit zur gnomischen Poesie, die in der Tragoedie vertreten ist. Wir gehen wieder ein Jahrfünfzig weiter und find!e"n jetzt die gewichtigen Stellen des Platon, des Xenochon und des Isokrates, die wir genauer zu betrachten haben. Plato vergleicht ihn Plat!o" leg!es" I p. 630 mit dem Tyrtäus, dem Herold der Tapferkeit und erkennt ihm noch größere Bedeutung zu, wenn er die     wie & ! " u. &  « über die $  stellt. Als der Vertreter und Sänger dieser dreiersten Cardinaltugenden gilt ihm Theognis. Er ist also Lehrer der Moral. Gleichfalls nach dem Zeugniß des Xenophon, das von Stobaeus serm!ones" 88 p. 499 bewahrt ist. Dieser sagt von ihm, er habe über nichts anderes geschrieben als über die $ κ u. die  der Menschen. Sein Buch sei eine Schrift über die Menschen. Hierzu stimmt, daß ein Schüler des Sokrates zwei Bücher einer ermahnenden moral!ischen" Schrift  λ 7!  «" geschrieben hat Antisthenes, wie Diog!enes" Laer!tius" VI, 16 erzählt. Ja Xenophon selbst hat ihm ein Buch gewidmet Stob!aeus". Am wichtigsten ist das Zeugn!i"ß des Isokr!ates" ad Nic!oclem" c. 12. Nach ihm steht Theognis als Sittenlehrer als Ν  «   ! « im besten Ansehen, wird aber ungern gelesen, weil die Menschen nicht gern berathen sein wollen. Th!eognis" wird hier mit Hesiod u. Phokyl!ides" zusamm!en" genannt. Sein Ruhm hatte seine Höhe mit jener Zeit des Geblütadels längst hinte!r" sich. Die frische Lust am Gnomischen wurde durch die Philos!ophen"Schulen und ihre moralischen breiten Ergüsse sehr geschwächt. Man liest Theognis nicht mehr, aber er wird Schulbuch. Bis jetzt war Theognis noch unversehrt geblieben, noch nicht hatte man Auszüge aus ihm gemacht. Das beweist genau

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der Schluß jener Stelle des Isokrates, worin er sagt: „Selbst wenn jemand eine Auswahl der sogenannten Gnomen, auf die sich jen!e" Dichter meistentheils legten, veranstaltete, so würde man sich nicht mehr für sie interessiren.“ Daraus muß man den Schluß ziehn, daß dies noch nicht versucht worden war, zweitens daß auch im ursprünglichen Theognis nicht alles „gnomisch“ war, sondern nur der überwiegende Theil. Dies beweist das  . Drittens daß immerhin der gnomische Theil das interessantere war für das athen!ische" Publikum, woraus deutlich wird, daß das übrige Theognideische persönlicher Art durchaus nicht mehr verstanden – einfach nicht berücksichtigt wurde. Noch eine Folgerung zieht Wel!c"ker daraus, aber sie ist eine gefährliche. Man sehe hieraus, daß dem Buche durchaus nichts beigemischt gewesen sei, was der lascivia hät!t"e Segel geben können. Er versteht darunter Trink u. Liebeslieder. Indessen Vorschriften zum Trinken und zur Liebe konnten dem Zeitgeiste durchaus nicht als lasciv erscheinen, wohl aber als etwas altfränkisch und zopfig, und das mochte sie langweilen. Gerade weil es Xen!ophon" ein Buch über Menschen nennt, ist es wahrscheinlich, daß die verschiedensten Zustände der Menschen darin behandelt gewesen sind. Der Gebrauch der sokratischen Schule stempelte es zum Schulbuch. Man zog die Gnomen aus und ließ sie die Kinder auswendig lernen. Dies wird uns zwar nicht speziell über Theognis berichtet, ist aber mit Sicherheit anzunehmen nach einer Stelle des Aeschines c!ontra" Ctesi!phontem" 525. „ich weiß daß wir als Kinder die Gnomen der Dichter auswendig lernten, damit wir sie als Männer gebrauchten.“ Daß den Theognis mit zuerst das Schicksal traf, läßt seine pädagog!ische" Ausbeutbarkeit wohl vermuthen. Diese Thatsache hat nun zweierlei Folgen 1) die ganzen Eleg!i"en verschwinden immer mehr, und die Auszüge werden zuerst vielseitig u. mannigfach gemacht, bis sie endlich consistent sind. 2) Die Abneigung gegen Theognis von Seiten des Publik!ums" nimmt zu, wie ja überhaupt Schulbü-

Ist noch nicht excerpiert vor Isokrates.

Folgen seines Schuldienstes.

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Ve r g e s s e n h a b e i c h s e i n e p a r o d5i sche Ausbeute.

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E r w i r d v e rachtet als Ammenlehrbuch. 15

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Wie hat sich allmählich die gegenwärtige Recension g e b i l d e t30 ?

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cher häufig das Geschick haben unverdient in der Achtung zu sinken, eine Erscheinung, die man noch jetzt an Cornel!ius" Nepos wahrnehm!en" kann. Alle Zeugnisse späterer Zeit kennen nicht mehr den ganzen Theognis, sondern bloß diese Gnomologien ode!r" Sentenzenexzerpte. Aus diesen war alles Sympotisch!e" u. Erotische ausgeschieden, ja überhaupt alles Poetische. Das beweisen zwei Stellen des Dio or!ator" II und des Plutarch de aud!iendis" po!etis". Letzterer nennt das Metrum allein dasjen!ige" was diese ganz prosaischen Spruchsammlungen emporhöbe. Ersterer erzählt eine Geschichte von Alexander, wie dieser mit Naserümpfen sich von solchen Büchern, die für den gemeinen unwissenden Mann gehörten, abwende. „Was könnte uns denn so etwas nützen? Also ehedem empfand man Langeweile, jetzt Verachtung. Die Theognidea gelten als Trivialitäten. In diesem unwürdigen Zustand haben sie sich durch das Alterthum hindurchgeschleppt, denn noch Cyrill, dessen Buch gegen 433 geschrieben ist, schildert sie als dürftige Chrestomathien, wie wohl die Ammen den Kinder!n", ja auch Pädagogen ihren Schülern vorzusagen pflegten. Julian vergleicht sie mit den Sprüche!n" Salomos, das soll zwar nach den Begriffen der Zeit ein großes Lob sein, aber jene Worte des Cyrill belehren uns, daß eine solche Ueberschätzung nicht allgeme!i"n war, sondern nur eine kaiserliche Grille, der auch aus seine!m" geliebten Heidenthum heraus so schöne Schriften aufweisen zu können glaubt wie jene Sprüche Salomos. Oder soll es gar Hohn sein? – Aber wie ist nun jene Textesrecension entstanden, die uns jetzt vorliegt? Wel!c"ker nimmt zwei Möglichkeiten an, entweder hat der Recensent aus dem vollständ!igen" Werk Auszüge gemacht oder er hat vereinzelte Stellen aus ander!n" Schriftstelle!r"n gesammelt. Er entscheidet sich für letzteres. Er widerlegt die erste Mögl!ichkeit" durch sechs Gegengründe sehr gut. Aber die zweite wird dadurch nicht wahrscheinlich. Es ist unbegreiflich, aus was für Schriftstellern er schöpfen sollte, wenn wir jetzt

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vielleicht nur ein paar hundert Verse bei alten Schriftstellern nachweisen können. Vielmehr mag seine Recension mit Benutzung meherer derart!iger" Gnomenexcerpte gemacht worden sein. Diese hatten auch verschiedn!e" Gesichtspunkte in Auge gehabt und waren nach verschiedn!en" Principien geordnet. Eine alphabetisch geordnete glaube ich noch hier u. da zu erkennen. Ebenso eine nach Argumenten. Endlich ein!e" nach ungefähren Gleichklängen. Ob an der Schlußrecension ein Einzelner od. ein J!ahr"h!undert" gearbeitet, ist gleichgültig. Jedenfalls hat sich in der Seele der Recensenten allmählich ein Bild von Theognis herausgestaltet, das dem wirklichen ziemlich entsprach. Zu dessen Vervollständigung zogen sie auch andre Poesie ander!er" Dichter hinein, die aber Theognis gemacht haben konnte, wenn gleich man es nicht wußte. Eine Notiz des spürenden Athenaeus hatte ihnen Theognis als nicht zu großen Tugendhelden erscheinen lassen, und ein wer weiß woher zusammengetragnes Material von sympot!ischen" u. erot!ischen" Liedern kam zum bestehend!en" Kern. Jetzt verschlechterte sich Theogn!i"s in der Anschau!u"ng immer mehr. Zweideutigkeiten und ein ganzer Cyklus von päderast!ischen" Epigrammen klebte sich an, so daß der eine Schreiber im lex!icon" Suid!as" sein Anathema gegen die eingestreuten    u.  « ausspricht. Nun ist Theognis so weit fertig, wie wir ihn haben. Das Bild, das man mit geschickter Benutzung des Vorhandenen ohne Ausscheidung bekommt, ist ein ziemlich sicheres, vielleicht ein etwas zu dunkel gefärbtes. Theog!nis" erscheint als ein feingebildeter heruntergekomm!ener" Junker mit junkerlichen Passionen, wie sie sein!e" Zeit liebte, voll tödtlichen Hasses gegen das aufstrebende Volk, herumgeworfen du!r"ch ein trauriges Geschick, das ihn mannigfach abschleift und milder stimmt, ein Charakterbild jenes alten geistreichen, etwas verdorbnen und nicht mehr nagelfesten Geblütadels, an die Grenze gestellt einer alten u. einer neuen Zeit, ein verzerrter Januskopf, da ihm das Ver-

Kurzes Charakterbild des Theognis.

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Uebersicht der anzustellenden Studien. 10

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gangn!e" so schön und neidenswerth, das Kommende, an u. für sich gleich Berechtigte widerlich u. abstoßend erscheint, ein typischer Kopf für alle jene Adelsgestalten, die die Aristokratie vor einer Volksrevolution darstellen, die ihre Sonderrechte für immer bedroht und sie selbst mit gleicher Leidenschaft für die Existenz ihres Standes als für ihre eigne Existenz kämpfen u. ringen läßt. Worauf haben sich die nächsten Theognisstudien auszudehnen? 1) Bestimmung seines Lebens aus seinen vorhandnen Gedichten. Dazu nöthig: Ausscheidung alles irgendwie fraglichen. : Ein Bild der Zeit u. Kritik der Notizen über den Zustand Megaras. : Zu ergründen worauf sich die bisherigen Notizen u. Zeitbestimmungen gründen. 2) Bestimmung seiner Liederkreise. Dazu nöthig: Die antike Symposie!ndichtung", vornehmlich die altaristokr!atische". : Sein Verhältniß zum Kyrnos u. zu den Freunden. : Nach welcher Ordnung folgten die Elegien? 3 ) B e s t i m m u n g d e s Te x t e s . Sammlung The!o"g!nideischer" Eigenthümlichk!eiten" der Sprache, des Metrums Die unächten Stellen. War der Verfasser der  !   + ein fingirter Alter, ein Mönch? usw.

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Nachweis der aktuellen Signatur im Goethe-Schiller-Archiv Weimar (GSA) für die im vorliegenden Band abgedruckten Texte 14 [1] 14 [2] 14 [3] – 14 [4] 14 [5] 14 [6] 14 [7] 14 [8] – 14 [12] 14 [13] – 14 [15] 14 [16] 14 [17] – 14 [19] 14 [20] – 14 [21] 14 [22] – 14 [27] 14 [28] – 14 [32] 14 [33] 14 [34] – 14 [35] 14 [36] – 14 [37] 14 [38] – 14 [39] 14 [40] 14 [41] – 14 [42] 14A [1] 15 [1] – 15 [2]

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GSA 71/219 GSA 71/216 GSA 71/214 GSA 71/218 GSA 71/217 GSA 71/214 GSA 71/218 GSA 71/216 GSA 71/217 GSA 71/215 GSA 71/217 GSA 71/218 GSA 71/214 GSA 71/217 GSA 71/214 GSA 71/215 GSA 72/373a GSA 71/214 GSA 71/215 GSA 71/220 GSA 71/214

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Signaturen

15 [3] 15 [4] – 15 [11] 15 [12] – 15 [15] 15 [16] 15 [17] – 15 [23] 15 [24] – 15 [37] 15 [39] – 15 [40] 15 [41] 15 [42] 15 [43] 15A [1] – 15A [4] 15A [5] 16 [1] – 16 [2] 16 [3] 16 [4] 16 [5] – 16 [6] 16 [7] – 16 [8] 16 [9] – 16 [16] 16 [17] – 16 [19] 16 [20] – 16 [24] 16 [25] – 16 [26] 16 [27] – 16 [29] 16A 17 [1] 17 [2] – 17 [4] 17 [5] 17 [6] – 17 [8] 17 [9] – 17 [10] 17 [14] 18 [1] – 18 [4]

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GSA 71/215 GSA 71/214 GSA 71/215 GSA 71/219 GSA 71/216 GSA 71/215 GSA 71/214 GSA 71/216 GSA 71/215 GSA 71/216 GSA 71/220 GSA 71/215 GSA 71/214 GSA 71/215 GSA 71/217 GSA 71/214 GSA 71/215 GSA 71/214 GSA 71/215 GSA 71/216 GSA 71/217 GSA 71/215 GSA 71/217 GSA 71/217 GSA 71/214 GSA 71/215 GSA 71/214 GSA 71/215 GSA 71/214 GSA 71/223

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Inhalt

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Nachgelassene Aufzeichnungen [14; Oktober 1862 bis März 1863]

. . . . . . . . . . . 1–99

Meine literarische Thätigkeit, sodann 1862. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . !Ueber die Ermanarichsymphonie" . . Und auf den Fluth !nur dieser Satz" . . So ists in meinem Herzen heiß . . . . . Zum 18. Oktober 1862 . . . . . . . . . Ein Lied ein feuriges durch die Nacht . Epigrammata . . . . . . . . . . . . . . Solo . . . . . . . . . . . . . . . . . Augustus . . . . . . . . . . . . . . . Maecenas . . . . . . . . . . . . . . Claudius Caligula . . . . . . . . . . Claudius Civilis . . . . . . . . . . . Andromache . . . . . . . . . . . . . Cassandra . . . . . . . . . . . . . . Antigona . . . . . . . . . . . . . . .

meine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

musikalische. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3 4 8 8 9 11 15 15 15 16 16 16 16 16 16

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Inhalt

Livia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum 18. Oktober . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . !Notizen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ueber das Idyll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . !Notizen, Biographie. Lektüre, Gedichttitel" . . . . . . . . . !Notizen Gedichttitel" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ich bitte im Voraus !Entwurf Kritik eigener Gedichte" . . . . !Notizen Kompositionen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . !Notizen Kompositionen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . !Notizen Kompositionen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prooemium Livi historiarum explicatur . . . . . . . . . . . . Versuch einer Charakterschilderung der Kriemhild !Fassung für Germania" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . !Charakterschilderung der Kriemhild, Schulaufsatz" . . . . . Erstes Buch der Lieder von Horaz. Anmerkungen v. F. Nietzsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diffuso liquido nitet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Per aspera ad astra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kein größerer Schmerz !Fragment" . . . . . . . . . . . . . . !Notizen zu Ermanarich" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Scene zwische!n" Swanhild u. Becca . . . . . . . . . . . . Nun tretet heraus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bekka ist ziemlich unvorsichtig . . . . . . . . . . . . . . !Tagebuchartige Notizen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nichts verkehrter als alle Reue !Fragment" . . . . . . . . . . Ermanarich !Gliederung, Inhaltsangabe" . . . . . . . . . . . Am Tag vorm Todtenfeste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Es ist Nacht !Fragment zu Ermanarich" . . . . . . . . . . . . !Notizen zu Inhalt und Gliederung Ermanarich" . . . . . . . !Notizen zu Inhalt und Gliederung Ermanarich" . . . . . . . Primi Ajacis stasimi interpretatio et versio cum brevi praefatione . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonnet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Als des Geruchssinns Kräftigung . . . . . . . . . . . . . . . . In wie fern ist den Soldaten in Wallensteins Lager an der Erhaltung ihres Feldherrn im Oberbefehl sehr gelegen? . . . . .

17 17 17 19 19 20 21 24 25 26 26 27 33 38 44 48 50 51 52 52 52 52 52 53 54 57 58 58 62 65 75 76 77

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Inhalt

Die akust!ischen" Reize !Aufzeichnungen zur Musikästhetik" Rhapsodie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Klang aus der Ferne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Am Meeresstrand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – „In wie fern ist der Ackerbau als die Grundlage aller gesetzlichen Ordnung und Gesittung zu betrachten?“ – . . . . . . . Wie ist der goethische Spruch zu erklären: „Sprichwort bezeichnet Nationen, Mußt aber unter ihnen wohnen“ . . . . .

80 82 84 85 91 95

[14A; Oktober 1862 bis März 1863] . . . . . . . . . . 103–106 Ueber das Verhältniß der schönen Kunst zur Natur !Exzerpt A.W. Schlegel" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

[15; April 1863 bis September 1863]

. . . . . . . . . 107–196

Vor dem Crucifix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jetzt und ehedem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Charakterschilderung des Cassius aus Julius Caesar . !Sophokles, Trachinierinnen" . . . . . . . . . . . . . !Aufzeichnungen zu griechischen Lyrikern" . . . . . . Callinus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tyrtaeus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mimnermus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sappho . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anakreon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sappho schildert ihre Liebe . . . . . . . . . . . . . . . Um Mitternacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mimnermus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sappho . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Noch ferne zwar; doch fühl ich schon . . . . . . . . . Was soll ich schweigen, wenn ich dich . . . . . . . . . 1. Der reine Himmel !Entwurf Allegorie auf Tugend" !Kritik Kompositionen von Gustav Krug" . . . . . . . Heidenröslein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Am Kreuzweg wird . . . . . . . . . . . . . . . . . Faustsymphonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . !Kritik Gedichte von Wilhelm Pinder" . . . . . . . . Liebestraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Preußens Flotte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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109 112 115 122 125 125 125 126 127 129 131 132 132 133 133 134 135 135 135 136 136 136 136 137

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Inhalt

Kampflied der Kreuzfahrer . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Die poetischen Leistungen W. Pinders . . . . . . . . . . . . . 138 !Liste Einsendungen für die Germania" . . . . . . . . . . . . 143 Für die Ferien !Notizen Arbeitsvorhaben" . . . . . . . . . . 144 Welche Bücher ich brauche !Liste Buchtitel" . . . . . . . . . 145 Sturmeslieder !Notizen Gedichttitel" . . . . . . . . . . . . . 146 Was ich nach den Hundstagsferien thun will !Notizen Arbeitsvorhaben" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 !Notiz Buchtitel Horaz" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 !Notizen Tagesablauf Ferien" . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 !Abschrift aus Plutarch" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Anmerkungen zu den Nibelungen . . . . . . . . . . . . . . . 148 Ist wirklich ein tiefgreif!ender" Unterschied zwischen antiker und moderner Dichtung? !Notizen" . . . . . . . . . . . . . . 167 Sixt!i" Aurelii Propertii elegiarum liber primus. !Nur dieser Satz" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 !Notizen zum Nibelungenlied" . . . . . . . . . . . . . . 168–171 Ist es wahr, daß die Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . 168 „Ich habe, las ich einmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 I Aventiure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 !Notizen zu den Evangelien" . . . . . . . . . . . . . . . 171–175 In den Gleichnissen offenbart sich . . . . . . . . . . . . . 171 Jesu freie Erziehung !Stichworte" . . . . . . . . . . . . . 171 Matthaeus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 Nota . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Kassandra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 !Aufzeichnungen zur Aesthetik" . . . . . . . . . . . . . 177–183 Die Quellen des Naturgenusses . . . . . . . . . . . . . . 177 Ueber Naturgenuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 „Schönheit.“ v!on" Emerson . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Naturphysiognomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Heimkehr. Fünf Lieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183–188 Wieder bin ich kommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Weiß nicht, ob die Stunde . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Wolken dort, ihr Segel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Stand auf waldger Haide . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Mondesnacht und Wolke . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

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Inhalt

Was tönen meines Geistes Glocken? . . . . . . . . . Wie das Leben auf und nieder schwankt . . . . . . . Mein Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kann der Neidische je wahrhaft glücklich sein? . . . In keiner Zeit wandeln meine Gedanken !Fragment"

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188 189 192 193 196

[15A; April 1863 bis September 1863] . . . . . . . . . 197–228 Geschichte der französischen Literatur im XVIII Jahrhundert von Hermann Hettner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Erster Abschnitt I. Voltaire !Exzerpt aus Hettner, Geschichte der französischen Literatur" . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 !Abschriften aus Herder, Hoelderlin und Goethe" . . . . . . 222 !Abschriften aus Dramen Shakespeares" . . . . . . . . 222–227 Hamlet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Richard II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Macbeth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Timon v. Athen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 !Exzerpt aus R. W. Emerson, die Führung des Lebens" . . . 227

[16; Oktober 1863 bis März 1864]

. . . . . . . . . . 229–319 „Ueber fünfzig Jahre.“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Über fünfzig Jahre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Die Gestaltung der Sage vom Ostgothenkönig Ermanarich bis in das 12te Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Rectene dicat Livius II,1 omnes Romanorum reges excepto uno Tarquinio Superbo deinceps conditores urbis partium numerari? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Beethovens Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Und wieder schau ich stum!m" dich an . . . . . . . . . . . . 281 Daß wir einmal uns scheiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Die Sterne schreiten traurig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 So mancher lag darnieder lebensmüd !Nur dieser Satz" . . . 284 Auf der Seite Rücke!n" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Nicht Lebewohl, nicht eine!n" Blick . . . . . . . . . . . . . . 285 Und dennoch – Thräne, versiege . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Die Hand, die herzlich dargebotene . . . . . . . . . . . . . . 287 Erster Abschied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Zweiter Abschied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289

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Inhalt

Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Geschichte hat nicht den Zweck zu lehren !Entwurf Aufsatz" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wie! Wars ein scheuer Traum! . . . . . . . . . . . . . . . . . !Ueber das Anziehende, Bildende, Belehrende, das für den Jüngling in der Beschäftigung mit der vaterländischen Geschichte liegt." . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Meine musikalische Thätigkeit im Jahre 1863 . . . . . . . . Gedichtet habe ich !Gedichtliste" . . . . . . . . . . . . . . . Geschrieben habe ich in den Ostertagen . . . . . . . . . . . . Gelesen am meisten !Lektüreliste" . . . . . . . . . . . . . . . Gedichte des Jahres 1863 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quo iure et quibus de caussis Tacitus laborem suum in annalibus positum arctum et inglorium dicat . . . . . . . . . . . . Stoeckertius contendit Tiberium rem laude dignam gessisse . !Inwiefern war die Verbannung aus dem Vaterlande bei den Griechen und Römern in der Regel eine viel härtere Strafe, als sie es bei den europäischen Völkern der Jetztzeit ist?" . . . . Aber das Gefühl nennt diese Wahrheit Härte !Vorarbeit deutscher Aufsatz" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . In wiefern erleidet die Vorschrift, von den Todten dürfe man nur Gutes aussagen, Einschränkung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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[16A; Oktober 1863 bis März 1864] . . . . . . . . . 321–325 !Exzerpt aus Friedrich A. Wolf, Prolegomena ad Homerum"

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[17; April 1864 bis September 1864] . . . . . . . . . 327–391 Primum Oedipodis regis carmen choricum . . Des Mondes Helle zuckt in ungewissen . . . . Gethsemane und Golgotha . . . . . . . . . . . S’ giebt Staetten !Gethsemane und Golgotha" Ueber Stimmungen . . . . . . . . . . . . . . . Nachtgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grüße dieses kleine Blatt, aus meiner Hand . . Er starb und ward begraben . . . . . . . . . . Ich versucht es erst in Tönen . . . . . . . . . . !Notiz zum Tod v. Giacomo Meierbeer" . . .

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Inhalt

In wie fern ist der Reichtum ein Glück und in wie fern hat er auch seine Gefahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ueber das Verhältniß der Rede des Alcibiades zu den übrigen Reden des platonischen Symposions . . . . . . . . . . . . . . Bello punico primo Romanos non tam opum magnitudine aut militari ducum scientia quam constantia et patriae amore superiores factos esse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Noch einmal eh ich weiter ziehe . . . . . . . . . . . . . . . .

381 384

388 391

[18; April 1864 Sommer 1864] . . . . . . . . . . . . . 393–471 Theognis als Dichter !Aufzeichnungen zu Theognis" . . . De Theognide Megarensi !Valediktionsarbeit" . . . . . . Quem non haec senis poetae verba movent !Fragment Theognis" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Studien zu Theognis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . zu . . . .

395 415 463 464

Nachweis der aktuellen Signatur im Goethe-Schiller-Archiv Weimar (GSA) für die im vorliegenden Band abgedruckten Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471