Nietzsche Werke: Band 10 Arbeitshefte W II 8 und W II 9
 9783110312799, 9783110312690

Table of contents :
Vorwort der Abteilungsherausgeber
Editorische Vorbemerkung – Hinweise zur Benutzung
Arbeitsheft W II 8
Arbeitsheft W II 9

Citation preview

Nietzsche • Werke

Nietzsche Werke Kritische Gesamtausgabe Begründet von Giorgio Colli und Mazzino Montinari Weitergeführt von Volker Gerhardt, Norbert Miller, Wolfgang Müller-Lauter und Karl Pestalozzi Neunte Abteilung Der handschriftliche Nachlaß ab Frühjahr 1885 in differenzierter Transkription Herausgegeben von Marie-Luise Haase und Hubert Thüring in Verbindung mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften Zehnter Band

De Gruyter

Friedrich Nietzsche Zehnter Band Arbeitshefte W II 8 und W II 9 Bearbeitet von Marie-Luise Haase, Michael Kohlenbach, Thomas Riebe, Beat Röllin, René Stockmar und Daniel Weißbrodt

De Gruyter

Erarbeitet mit Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft den Schweizerischen Nationalfonds die Fritz Thyssen Stiftung die Freiwillige Akademische Gesellschaft Basel die Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur

ISBN 978-3-11-031269-0 e-ISBN (PDF) 978-3-11-031279-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-038317-1 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandgestaltung: +malsy, Bremen Satz und Layout: René Stockmar Druck: H. Heenemann GmbH & Co., Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Hendricks & Lützenkirchen GmbH, Kleve Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort der Abteilungsherausgeber

KGW IX 7, W II 3, 160,18–20

Wir verdanken es Jan Philipp Reemtsma, daß dieser Band nun endlich vorliegt. Durch sein großherziges Engagement konnte die Arbeit an der IX. Abteilung der Kritischen Gesamtausgabe von Nietzsches Werken in Deutschland wieder aufgenommen werden.

Auf die Veröffentlichung der ersten drei Bände der IX. Abteilung der KGW mit den vier Notizheften N VII 1 bis N VII 4 folgten die Bände 4–9 mit den Arbeitsheften W I 3 bis W I 8 und W II 1 bis W II 7. Der vorliegende zehnte Band enthält die Transkription der Arbeitshefte W II 8 und W II 9, von denen eine vollständige Faksimilierung auf CD-ROM beiliegt. Besondere Erwähnung und Dank verdienen unsere Basler Mitarbeiter, Beat Röllin und René Stockmar, die während der vierzehn Monate, in denen für die deutsche Arbeitsgruppe keine Finanzierung gefunden wurde, die Arbeit allein weitergeführt haben. Im folgenden möchten wir erneut unseren Dank gegenüber Personen und Institutionen ausdrücken, die für die Erarbeitung dieses Bandes unentbehrliche Hilfe und Unterstützung gewährt haben. Dem Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs Weimar, Dr. Bernhard Fischer, und den Mitarbeiterinnen des Benutzerdienstes sind wir für das freundliche und kompetente Entgegenkommen bei der Bereitstellung der Archivalien zu großem Dank verpflichtet. Wir sind froh darüber, in den Räumlichkeiten des Archivs einen privilegierten Arbeitsplatz nutzen zu dürfen, was unsere Arbeit sehr erleichtert hat. Dem Deutschen sowie dem Philosophischen Seminar der Universität Basel, deren Infrastruktur den Mitarbeitern in großzügiger Weise zur Verfügung steht, sprechen wir unseren Dank aus. Desgleichen danken wir dem Institut für Philosophie der HumboldtUniversität zu Berlin und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften für die administrative Betreuung der Arbeitsgruppe in Berlin und Weimar. Herzlich gedankt sei weiterhin Dr. Gertrud Grünkorn, Cheflektorin des Verlags Walter de Gruyter, und dem Hersteller-Team. Bei Sigrid Montinari, die uns nun schon über viele Jahre die Materialien aus dem Nachlaß von Mazzino Montinari zur Benutzung überlassen hat, bedanken wir uns besonders herzlich.

Berlin und Basel, März 2015

Marie-Luise Haase

Hubert Thüring

Editorische Vorbemerkung – Hinweise zur Benutzung Die Wiedergabe von Handschrift im typographischen Satz ist auch bei einer noch so differenzierten Druckgestaltung nicht als Abbildung (,mimesis‘), sondern eher als Resultat einer Übersetzung (,interpretatio‘) von einem polymorphen in ein stereotypes Schreibsystem zu verstehen. Das Schreiben und Lesen von Manuskripten toleriert Spielräume, die auch die Grenzen der genauesten Umschrift im Druck sprengen. Das betrifft sowohl ihre Gesamtkomposition als auch die Materialität schon jedes einzelnen Zeichens. Jede Handschrift besitzt neben generellen auch situative, dem Schreibprozeß unterliegende Merkmale, die in der drucktechnischen Reproduktion fortfallen müssen. Was an einem Manuskript individuell ist, wird im Druck ,typisiert‘. Die Einmaligkeit des handschriftlichen Schreibflusses widersetzt sich jeder Manuskriptdokumentation, die auf normierte Druckbuchstaben angewiesen ist. Zu solchen nicht quantifizierbaren Phänomenen eines Manuskripts gehören, zum Beispiel, die Verteilung des Schriftquantums in der Zeile und auf der Seite, der mal penible, mal fahrige Schriftduktus, die variierende Größe der Buchstaben, die Abhängigkeit der Schriftfigur vom jeweiligen Schreibgerät, von der jeweiligen Aufschreibefläche, die schwankende Tendenz zu kalligraphischer Realisation oder privater Stenographie. Bei den Nachlaßaufzeichnungen Nietzsches kommt hinzu, daß sie in ihrer überlieferten Gestalt keineswegs als Druckvorlage dienen sollten; ihr Schreiber konnte sich als ihr wahrscheinlich einziger Leser verstehen, das heißt er konnte private, für ihn selbstverständliche Weisen des Auf- und Nieder-, Ab-, Um-, Weiter- und Überschreibens realisieren. So sind Zeichen für Flüchtigkeit oder Insistenz, Binnen- und Endverschleifungen, private Abkürzungen und Kürzel, Sonder- und Privatzeichen zwar in Nietzsches Manuskripten, nicht aber im Setzkasten für den Buchdruck vorhanden. Sie erschweren der Transkription, Befund, Deutung und Darstellung in Einklang zu bringen. Die Forderung nach der authentischen Umschrift klingt wie ein unerfüllbarer Imperativ, wenn, auch nach Jahren der Entzifferungspraxis, kein schlüssiges Kriterium dafür gefunden werden kann, ob ein graphematisch keinesfalls korrumpierter Schriftzug nun durch „unseren“, „unsern“ oder „unsren“ wiedergegeben werden soll. Es ließen sich gewichtigere Beispiele zuhauf nennen. Nietzsches Handschrift der späten Jahre gilt als schwer lesbar; sie ist hochgradig individualisiert. Das Varianzspektrum einzelner Grapheme ist beträchtlich, ihre Differenzierbarkeit dagegen oft unzureichend. Polyvalente Einzelzeichen kommen ebenso vor wie nicht unterscheidbare Wortbilder mit offenkundig unterschiedlicher Bedeutung. Ein Wille zur Einheitlichkeit und Konformität ist kaum zu erkennen. Die nicht mundierten Aufzeichnungen sind zum Teil mehrfach, nicht selten unsystematisch und unvollständig überarbeitet. Die Niederschriften können als Material zur Relektüre für ihren Verfasser charakterisiert werden, der sein Schreiben offenbar als einen immer wieder neu nicht abschließbaren Prozeß empfand. Die in der neunten Abteilung der Kritischen Gesamtausgabe transkribierten Manuskripte aus Nietzsches Nachlaß werden auf der jeweils mitgelieferten CD-ROM in digitalisierter Faksimilierung präsentiert. Dadurch ist der Vergleich der Transkription mit den handschriftlichen Aufzeichnungen gewährleistet. Angesichts dieser direkten Anschaulichkeit erübrigen sich weitgehend umfängliche Erklärungen genereller Transkriptions- und Darstellungskriterien. Die Druckseite zeigt das farblich unterlegte Transkriptionsfeld (I) im jeweiligen Format des Manuskripts mit den von Nietzsches Hand stammenden Aufzeichnungen in differenzierter Umschrift. Die zum äußeren Seitenrand hin anschließende Spalte (II) bietet innenbündig Raum erstens für die Zeilenmarkierung, zweitens für die aus dem Transkriptionsfeld ausgegliederten, gleichfalls farblich unterlegten Manuskriptsegmente und drittens für Hinweise zu Anschlüssen bei nicht habituellem Schriftverlauf; außenbündig werden in dieser Spalte Notate und Markierungen fremder Hand verzeichnet. Am Fuß der Seite (III) werden die Druckorte aus KGW, KSA und KGB sowie kritische Anmerkungen zur Transkription lemmatisch mitgeteilt. Manuskriptseiten, die nach Drehung des Heftes beschrieben sind, werden auch im Druck um 90°, 180° oder 270° gewendet; das dreigegliederte Layout ist entsprechend angepaßt. Anders als bei Schriftzeichen läßt sich bei Seiten- und Passagenstreichungen, Randanstreichungen und Markierungen nicht immer entscheiden, ob diese von Nietzsche oder von späteren Bearbeitern herrühren. Für die Dokumentation solcher redaktioneller Spuren im Manuskript wurde folgende Differenzierung vorgenommen: stammen sie mit Sicherheit von Nietzsches Hand, werden sie im Transkriptionsfeld gezeigt; sind sie sicher oder mit großer Wahrscheinlichkeit einer fremden Hand zuzuordnen, werden sie in der Randspalte verzeichnet; bei unsicherer Herkunft werden sie zwar ins Transkriptionsfeld aufgenommen, ihre Zuschreibung in den Fußnoten jedoch in Frage gestellt.

VIII

Editorische Vorbemerkung – Hinweise zur Benutzung

I Die Wiedergabe der Schriftverteilung auf den Manuskriptseiten (Ränder, Einzüge, Zeilenabstände etc.) ist nach Maßgaben des Drucks standardisiert; Aufzeichnungen mit Schriftzeilen, die im Transkriptionsfeld nicht Platz fänden, sind kondensiert, das heißt enger gesetzt. Die Transkription unternimmt es nicht, die in den Aufzeichnungen wechselnde Deutlichkeit der Schrift abzubilden. Abkürzungen werden als solche wiedergegeben, die zahlreichen Ligaturen und Verschleifungen aber aufgelöst. In deutscher Schreibschrift niedergeschriebene Passagen sind im Druck durch Antiquaschrift, in lateinischer Schreibschrift oder Druckschrift geschriebene Passagen sind in serifenloser Schrift gesetzt; wo diese Schriftarten in Nietzsches Handschrift in Abweichungen oder gemischt vorkommen, wird nur der jeweils vorherrschende Duktus berücksichtigt. Die Verwendung verschiedener Schreibmittel wird im Druck durch unterschiedliche Farben dargestellt; es wird zwischen schwarzen, braunen und violetten Tinten sowie zwischen Blei-, Rot- und Blaustiften unterschieden. Bei der Vielzahl verwendeter Tinten und Stifte identifizieren die Druckfarben nicht ein einzelnes Schreibgerät oder -mittel, sondern zeigen deren jeweilige Unterscheidbarkeit an. Eine zusätzliche Druckfarbe (,grün‘) signalisiert einen differenzierbaren Korrekturvorgang mit einer bereits verwendeten Tintenfarbe; diese wird als „Tinte der letzten Korrektur“ bezeichnet. Um darüber hinaus einzelne Schreib- und Korrekturvorgänge zu unterscheiden, benutzt die Transkription verschiedene Schriftgrößen. Erste Niederschriften sind in normaler Größe wiedergegeben; als Einfügungen oder nicht selbständige Hinzufügungen gewertete Aufzeichnungen erscheinen in kleiner Schrift (petit); an diesen vorgenommene Änderungen oder Zusätze werden in einer noch kleineren Schrift gesetzt, falls dieser Vorgang nicht schon durch die Position der Aufzeichnung oder durch das differente Schreibmittel erkennbar ist. Aufzeichnungen, die nicht entziffert werden konnten, werden durch eine Reihe von Kreuzen „xxxxx“ dargestellt. Graphische Elemente im Manuskript (Streichungen, Abtrennungslinien, Anschlußstriche, Einfügungs- und Fortsetzungsschlaufen, Zeichnungen etc.) sind stilisiert; insbesondere gibt die Transkription nur über die Häufigkeit, nicht aber über unterschiedliche Weisen der Tilgung einzelner Wörter oder Zeilen Auskunft; diagonale Passagen- und Seitenstreichungen werden als solche wiedergegeben, andere Formen (Parallel- oder Mehrfachstreichungen, Schraffur- oder Kreuzstreichungen etc.) werden als X-förmige Tilgung gezeigt. Die Vielzahl der Manuskript-,Verschmutzungen‘ (Tintenflecke und -abdrücke, andere mit Sicherheit unabsichtliche ,Verunreinigungen‘, auch von fremder Hand, etc.) läßt eine systematische Dokumentation nicht zu; wo Tintenabdrücke bereits zu Fehlentzifferungen geführt haben, wird dies unter den Berichtigungen im Nachbericht mitgeteilt.

II Zeilenmarkierung: Für eine differenzierte Umschrift, die auch die typographischen Aspekte des Manuskripts berücksichtigt, ist eine regelrechte Zeilenzählung bezüglich vieler Manuskriptseiten oft nicht praktikabel, bisweilen unmöglich. Bei der hier vorgenommenen Zeilenmarkierung, die ausschließlich der Funktion einer bequemeren Referenz dient, sind die indizierten Zeilen mit geraden Zahlen bezeichnet; die dadurch eingeschlossenen Zwischenräume werden durch die entsprechenden, in der Zeilenzahlleiste nicht ausgedruckten ungeraden Zahlen repräsentiert. Ausgegliederte Manuskriptsegmente: Die neben die Zeilenmarkierung plazierten, farblich unterlegten Segmente (etwa W II 8, 39,18), die zum Transkriptionsfeld gehören, enthalten die im Manuskript durch Überschreibung getilgte Schrift (im Beispiel: „um“). Sie korrespondieren mit den auf gleicher Zeilenhöhe im Transkriptionsfeld hervorgehobenen Segmenten, in denen die überschreibende Schrift (im Beispiel: „mir“) wiedergegeben ist. Befinden sich mehrere dieser Segmente auf einer Höhe (etwa W II 8, 93,22), so folgen sie einander entsprechend der Leserichtung. Anschlußpfeile: Auf den unmittelbaren Fortgang des Schreibverlaufs, sofern dieser nicht offensichtlich ist, weisen als Lesehilfe Anschlußpfeile hin. Diese sind entweder optisch verfolgbar in den Seitenfalz gesetzt (etwa W II 8, 115,16 → 116,6 oder W II 9, 42,44 → 43,24) oder außen an die Zeilenleiste mit entsprechender Zeilen- beziehungsweise Seiten- und Zeilenzahl (etwa W II 8, 66,38 → 66,9 beziehungsweise W II 8, 70,40 → 69,2); so bedeutet zum Beispiel Fortsetzung auf Zeile 9 derselben Seite → 9 Fortsetzung von Zeile 38 derselben Seite 38 → Fortsetzung auf Seite 69, Zeile 2 → 69,2 Fortsetzung von Seite 70, Zeile 40. 70,40 → Wenn der Fortgang der Aufzeichnung nicht vom unmittelbaren Zeilenende ausgeht oder nicht zum unmittelbaren Zeilenanfang führt, wird neben dem Lesepfeil der direkte Anschluß aus dem Transkriptionsfeld zitiert (etwa W II 9, 66,20 → 65,2 oder W II 8, 70,1 → 69,6).



Bearbeitungsspuren fremder Hände: Randanstreichungen (etwa W II 9, 90,1–3) und (zumeist vertikal-zentrierte) Passagen- (etwa W II 7, 142,36–40) oder Seitenstreichungen (etwa W I 8, 211,2) werden unter Angabe der in der Transkription betroffenen Zeilen in der Randspalte außenbündig mitgeteilt. Markierungen wie „–“ (etwa N VII 1, 1,1), „ד (etwa W I 8, 123,15), „/“ (etwa W II 4, 116,9) oder „//“ (etwa W II 6, 138,3) und Kommentare oder andere Notizen (etwa W II 9, 22,1 oder W II 8, 3,17) sind transkribiert; den (ungefähren) Ort dieser Aufzeichnungen im Manuskript signalisiert ein ins Transkriptionsfeld gesetzter Platzhalter „x“. Nicht unter die verzeichneten Spuren fremder Hand werden die stereotypen Prozeduren von Paginierung und Foliierung aufgenommen; sie sind in der Beschreibung der Manuskripte dokumentiert.

Editorische Vorbemerkung – Hinweise zur Benutzung

IX

III In den Fußnoten werden die Druckorte für solche Aufzeichnungen angegeben, die als Vorlage für die „Nachgelassenen Fragmente“ in KGW VII 3 und KGW VIII 1–3, für die „Vorstufen“ und „Fassungen“ in KGW VII 4/2 und KSA 14 und für die in die Briefwechselausgabe übernommenen „Briefentwürfe“ in KGB interpretiert werden konnten. Wichtige frühere Druckorte der Aufzeichnungen sowie ihre Eingliederung in die Kompilation „Der Wille zur Macht“ werden in der „Konkordanz der Druckorte“ im Nachbericht mitgeteilt. Ebenfalls in den Fußnoten werden kritische Anmerkungen zur Transkription mitgeteilt, deren Art und Anzahl sich auch subjektiver Entscheidung verdanken. Ist die vor dem Lemma stehende Zeilenzahl unterstrichen (etwa W II 9, 40, Anmerkung zu Zeile 6), so bezieht sich die Mitteilung auf die ausgegliederten Manuskriptsegmente der entsprechenden Zeile. Mit „?“ wird auf unsichere Entzifferungen hingewiesen, mit „¿“ auf Verschreibungen und stark verschliffene oder „atypische“ Schreibweisen (durch Fettdruck hervorgehoben) und mit „Vk“ auf nachträgliche Verdeutlichungskorrekturen im Manuskript (ebenfalls durch Fettdruck hervorgehoben). Schreibfehler werden nur dort nach „>“ von den Herausgebern korrigiert (beziehungsweise nach „>?“ bei einem aus mehreren möglichen Verbesserungen gewählten Vorschlag), wo sie als Lesehilfen nötig erscheinen; ebenso wird bei Auflösungen von Abkürzungen verfahren. Insbesondere die bei Änderungen im Manuskript nicht systematisch durchgeführten grammatikalischen Anpassungen sind in diesen Anmerkungen nicht ergänzt; der Ausdruck „nach Korrektur des Kontextes >“ macht aber (etwa W II 8, 66, Anmerkung zu Zeile 20) auf den Umstand aufmerksam, daß ein im Manuskript nicht verbesserter Schriftzug dank seiner Gestalt schon als die von den Herausgebern mitgeteilte, dem korrigierten Kontext entsprechende Lesart interpretiert werden kann. Um nicht die Kohärenz von Aufzeichnungen zu konstituieren, werden allenfalls thematisch naheliegende, von der Manuskriptgestalt her aber nicht gesicherte oder lediglich vermutete Fortsetzungen (etwa W II 7, 3, Anmerkung zu Zeile 36) nur in den Fußnoten mitgeteilt.

IV Der auf der CD-ROM gegebene Nachbericht enthält die Beschreibung der Manuskripte, Querverweise zu den Abschreibprozessen, einen Stellenkommentar (inklusive eines Literaturverzeichnisses), Berichtigungen, eine Konkordanz der „Fragmente“ und „Briefentwürfe“, eine Konkordanz früherer Druckorte sowie einen Namenindex. Alle diese Mitteilungen entsprechen dem vorläufigen Erkenntnisstand und haben transitorische Gültigkeit. Sie sollen die Arbeit mit der Manuskriptdokumentation schon während des Zeitraums ihres Entstehens erleichtern. Der definitive Nachberichtband wird nach Abschluß der Manuskriptdokumentation publiziert.

V In der Transkription benutzte Schriften und Farben: Schrift (Weidemann) deutsche Schreibschrift Schrift (News Gothic) lateinische Schreibschrift oder Druckschrift Schrift (Bodoni) deutsche Schreibschrift (Diktat Ns) Schrift (Futura) lateinische Schreibschrift oder Druckschrift (Diktat Ns) normal erste Niederschriften petit Einfügungen und Zusätze petit spätere Einfügungen und Zusätze Schrift schwarze Tinte Schrift Bleistift Schrift braune Tinte Schrift Rotstift Schrift violette Tinte Schrift Blaustift Schrift „Tinte der letzten Korrektur“ In den Randspalten und Fußnoten benutzte Schriften: Zitate aus dem Transkriptionsfeld sowie fremde Hand Schrift (Frutiger Light Italic) Mitteilungen der Herausgeber Schrift (Frutiger Light)

Zeichen und Abkürzungen: nicht entziffert ? unsichere Entzifferung ¿ „atypische“ Schreibweise > Korrektur >? Korrekturvorschlag Vk Verdeutlichungskorrektur im Manuskript

xxxxx

X

Editorische Vorbemerkung – Hinweise zur Benutzung

Anm. Anmerkung Be Briefentwurf KGW Kritische Gesamtausgabe, Werke KSA Kritische Studienausgabe, Werke KGB Kritische Gesamtausgabe, Briefe KSB Kritische Studienausgabe, Briefe Ms Manuskript N Nietzsche In KGW gebräuchliche Siglen für Nietzsches Werke und Schriften: GT Die Geburt der Tragödie UB Unzeitgemässe Betrachtungen DS David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller HL Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben SE Schopenhauer als Erzieher WB Richard Wagner in Bayreuth GMD Das griechische Musikdrama ST Socrates und die Tragoedie DW Die dionysische Weltanschauung GG Die Geburt des tragischen Gedankens UZ Ursprung und Ziel der Tragoedie SGT Sokrates und die griechische Tragoedie BA Ueber die Zukunft unserer Bildungsanstalten CV Fünf Vorreden zu fünf ungeschriebenen Büchern NJ Ein Neujahrswort an den Herausgeber der Wochenschrift „Im neuen Reich“ PHG Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen WL Ueber Wahrheit und Lüge im aussermoralischen Sinne MD Mahnruf an die Deutschen MA Menschliches, Allzumenschliches VM Vermischte Meinungen und Sprüche WS Der Wanderer und sein Schatten M Morgenröthe IM Idyllen aus Messina FW Die fröhliche Wissenschaft FWS „Scherz, List und Rache“ FWP Lieder des Prinzen Vogelfrei Za Also sprach Zarathustra JGB Jenseits von Gut und Böse GM Zur Genealogie der Moral WA Der Fall Wagner GD Götzen-Dämmerung NW Nietzsche contra Wagner EH Ecce homo AC Der Antichrist DD Dionysos-Dithyramben

Arbeitsheft W II 8

W II 8a 1-41.indd 1

15.05.15

W II 8a 1-41.indd 2

15.05.15

W II 8a 1-41.indd 3

15.05.15

W II 8

1

$ $

W XIV. schwarze Tinte, mit Bleistift gestrichen W II 8 Bleistift

68 Bl Bleistift 199 Rotstift 71/164 Bleistift

W II 8a 1-41.indd 4

$ $

$

12.06.15

W II 8a 1-41.indd 5

WXIV Rotstift, mit Bleistift gestrichen

W II 8 Bleistift

.

26

24

22

20

18

16

14

12

10

8

u )1

6

4

2

u

11 )

absurde

die solchen Wöchnerinnen = Zuständen

die

Kleine

u. Wehrlosigkeit überhaupt gegen alles

nicht mehr mit einer

Widerstände

im Großen verbraucht,

6: logisch] ? 8: fertig, mit einer] ? 12: Haut=Empfindlichkeit] ? 22: Reizungen] Vk

der kleinsten Defensiv =Instinkte nach sich zieht: gleichsam, all die Kraft,

Lähmung

ungeheure Reizungen u. Entladungen eine Art Ohnmacht

daß mir, daß die die Gewöhnung an Ungeheures u.

man wird eher noch mit dem Schicksal fertig als mit einer Fliege . Es scheint,

die Gewöhnung an ungeheure Widerstände u Lasten rächt sich gleichsam durch Wöchnerinnen =Zuständen eigenthümlich ist absurde Verwundbarkeit

Ein Drittes ist die absurde Haut =Empfindlichkeit gegen kleine Reize Stiche, die solchen

Fliege fertig ..

barkeit: man wird mit dem Schicksal fertig, mit einer

wöhnung an Ungeheures u. Sublimes rächt sich gleichsam logisch durch eine absurde Verwund-

ich möchte deutlicher sagen gegen die Berührung mit zu kleinen Gegenständen: die Ge-

Ein Drittes ist die extreme Haut =Empfindlichkeit gegen kleine Stiche,

an ungeheure Widerstände u Lasten

eigenthümlich sind

$

$

2 W II 8

15.05.15

Ich habe seit 2

4

gegen mich

suche vergebens in meiner Erinnerung nach einem Zeichen von Takt, von délicatesse, – die „unbewußte Brutalität“ gieng so 6

einigen Naturen

es

16

14

12

10

8

weit, daß esAkeinen Widerstand machte, den Verkehr mit mir u zugleich mit einem solchen Hanswurst wie W aufrecht für das

aus meinen Erfahrungen

zu erhalten … Welche feindselige Behutsamkeit gegen meine Bücher! Ich könnteBeine Schule dafür gründen,

die weder rechts noch links, weder N. noch W. auseinanderzuhalten weiß …

schlechten Willen“ sondern nur die vollkommene Instinkt =Verlogenheit der „Germanen“

Und nochmals gesagt, im Hintergrund von dem Allem finde ich nicht den

was ich schleichende Unverschämtheit nenne … In meinem ganzen guten

$

4: Brutalität“] ? 6: W] > Wagner 14: schlechten] > „schlechten 14: Verlogenheit] ? 14: Germanen] ? 16: N.] > Nietzsche

siehe G III Bleistift

15.05.15

W II 8a 1-41.indd 6

3 W II 8

4

W II 8

$

Antichrist p. 232 (VIII Bd.) Bleistift

10 nöthigt die Genese des christl. Gottesbegriffs. –

Zu einem gleichen Schlusse

16

1

Zur

2

Geschichte des Gottesbegriffs. Auch die Entstehung

1

4

1

16 noch

eigenen

1 auf

.

für sich.

Ein Volk, das noch an sich selbst glaubt, hat auchAseinenAGott. nochA. In

6

seine Tugenden

ihm verehrt es die Bedingungen, durch die es obenauf ist,A– es pro=

8

jicirt seine Lust an sich, sein Machtgefühl in ein Wesen, dem man

10

dafür danken kann.AReligion, innerhalb solcher Voraussetzungen, ist

12

u

ein zu … Wer reich ist, will abgeben: die stolzen Völker braucht einen Gott, um opfern zu können …

m

: Man ist für sich selber dankbar: dazu braucht man einen Gott. –

Folge

eine Form{der Dankbarkeit.AEin solcher Gott muß nützen und schaden

14

können, muß Freund und Feind sein können:ADie widernatürliche

16

wie im : man bewundert ihn im Guten u Schlimmen. bloß

en …

d

läge hier

Castration eines Gottes zu einem GottAdes Guten kommt diesen

18

außerhalb aller Wünschbarkeit. Man hat den bösen Gott so gut nöthig als den guten; man verläge

starken Realisten nicht in den Sinn. Was liegt an einem Vol-

20

ke, das nicht furchtbar sein kann? Was liegt an einem Gotte,

22

ja die eigene der dankt seine Existenz nicht seiner Toleranz … gerade der Toleranz, der Menschenfreundlichkeit!…

läge Hohn, List, kennt, dem selbst nicht einmal der nicht Zorn, Rache, Neid,AGewaltthat und vielleichtAnicht ein= wären fremd sind? Man würde einen berauschenden entzückenden mal dieAgefährlichenAardeurs der Zerstörung?kennt? – Wenn Freilich: wenn solchen Gott nicht verstehen: wozu sollte man ihn haben? –



Furcht einflößte?

ein Volk zu Grunde geht; wenn es den Glauben an seine seine Hoffnung auf

24

26

28

endgültig

Zukunft, anAFreiheit und ÜberMachtAschwinden fühlt; wenn ihm

30

die Unterwerfung als erste Nützlichkeit, die Tugenden der Unter-

32

worfenen als Erhaltungsbedingungen ins Bewußtsein treten: dann

34

muß sich

verändern.

m

jetzt

freilich ändert sich auch sein Gott.AEr wirdADuckmäuser, furchtsam,

36

bescheiden, räth zum „Frieden der Seele“, zum Nicht - mehr - hassen,

38

Er moralisirt beständig

zur Nachsicht, zur „Liebe“ selbst gegen Freund und Feind. ErA, kriecht

2-40: KGW VIII 17[4] 321,1-23

W II 8a 1-41.indd 7

40

11: stolzen Völk] nach unvollständiger Korrektur > stolzes Volk

15.05.15

W II 8

5

$

Antichr. p. 233 Bleistift

jeder

2

In der That, es EsAgiebt keine andere Alternative für Götter: entweder sind sie der Wille zur Macht Privatmann u so lange werden sie Volksgötter sein für Jedermann, wird

in die Höhle der Privattugend, zurück, wird der Gott der „kleinen

wird Kosmopolit … Ehemals stellte er mehr ein Volk, die Stärke eines Volkes, seine alles Aggressive u. Machtdurstige 4

ein 6 8 10

.

12

Leute, – er stellt nichtAmehr die aggressive und machtdurstige

Ehemals war er dessen auch … so lange aus der Seele eines Volkes dar … Gott ist entweder der Wille zur Macht – u dann ist er auch Seele eines Volkes, seinen Willen zur Macht dar … Jetzt ist der „gute Gott“.. bloß noch Volksgott: oder die Ohnmacht zur Macht: u dann wird er Privatmann. – Kosmopolit. – Und so allein bleibt Denn das ist seine bedeutet ist Gott sind sie Dies nämlich ist die Alternative eines Gottes: entweder ist er der Wille zur Macht – u so lange wird werden sie gut und daheim daheim er Volksgott sein – oder aber die Ohnmacht 2. zur Macht: – u dann wird er nothwendig Kosmopoliten – in irgend welcher Form Der christl. Gott ist Kosmopolit. – in aller W Der Cosmopolitism gehört zu den guten Göttern

)

Wo dieser Wille, der Wille zur Macht, niedergeht, giebt es

14

auch einen physiolog. Rückgang, eine

16

jedes MalAdécadence. Die Gottheit der décadence, beschnitten

18

an ihren männlichstenAGliedern und Tugenden, wird nunmehr

Tugenden u. Trieben

nothwendig zum

selbst der physiolog. Zurückgegangenen, der Guten. der Schwachen. Sie heißen sichA„die Guten“…

20

zu einem GottAdes Guten. Ihr Cultus heißt „Tugend“; ihre

22

Anhänger sind die „Guten und Gerechten“. – Man versteht,{in

ohne daß ein Wink noch

noth thäte, in

24

m

der Geschichte

Fiktion

Awelchen Augenblicken{erst der dualistische Gegensatz eines guten u eines bösen Gottes möglich wird. Denn

28

mit dem die Unterworfenen ihren Gott zum „Guten an sich“ her-

30

unterbringen, streichen sie aus dem Gotte ihrer Überwinder die

32

guten Eigenschaften aus. Sie nehmen Rache an ihren Herren, dadurch daß

34

indem sie deren Gott verteufeln. –

Mit

nämlich

26

demselben Instinkte{,

Gott u Teufel: Beide nunmehr BeideAConceptionen sindAgleich absurd. –

Der gute Gott, ebenso wie der Teufel: Beide sind Ausgeburten der décadence. – so viel geben die Einfalt der christl. Theologen nachmachen A

12 11 17

36

38

daß man

40

heute 3. noch wie es selbst Renan thut, sich so einfältig stellen und

Wie kann man, mit der Einfalt des geistreichen Renan,

Amit ihm dekretirt,

en

12

Gottes

=Idee

vom Volksgotte bis

Adie Fortentwicklung des GottesAbegriffs vom Gott Israels{Azum christl. Gotte, dem Inbegriff alles Guten sei ein

42

Inbegriffs=Gott alles GutenAeinen Fortschritt? nennenB! Als ob –

Aber selbst Renan thut es! ..

2-42: KGW VIII 17[4] 321,23-322,10

W II 8a 1-41.indd 8

1: zu Zeile 6-13 1: Alternative] ¿ 3: in Ms nicht übereinander 3: Machtdurstige] ¿ 4: Leute] > Leute“ 6: ist] > ist er

)

6: der] Vk 11: daheim] > „daheim 37: selbst] ¿ 39: ihm] nach Korrektur des Kontextes > ihnen 41: in Ms nicht übereinander

15.05.15

6

W II 8

$

Antichr. p. 234. Bleistift

springt doch in die Augen. greift sich

Renan ein Recht auf Einfalt hätte!.. Das Gegentheil liegt ja mit

2

des aufsteigenden Lebens

auf der Händen. Wenn die Voraussetzungen eines starken aufblüh= enden

wenn alles Starke, Tapfere, Herrische, Stolze Lebens,Aaus dem Gottesbegriffe eliminirt

wirden, wenn

4

a .

6

e

eines Rettungsankers

er Schritt für Schritt zum Symbol der Hülfe für alles Müde, Er-

8

par excellence Arme = Leute - Gott

wird Ertrinkende wird heruntersinkt

schöpfte, bloß noch Vegetirende wird, wenn erASünder= Gott, Kran=

10

ken =Gott, Heiland, Erlöser par excellence wird: wovon zeugt

12

das Alles? – Freilich, seindasReichAistAgrößer geworden. (– müßte er

14

) elt“… par exc wird

u. das Prädikat „Heiland“ „Erlöser“ gleichsam übrig bleibt als göttl. Prädikat wird

redet eine solche Verwandlung? eine solche Reduktion des Göttlichen? das Gottes damit auch

selbst damit schon größer geworden sein?..) Ehedem hatte er „auserwähltes Volk“

das an sich glaubt

nur sein Volk, seine „Auserwählten“: jedes Volk hält sich auf hält sich für das auserwählte Volk.

18

gieng er, wie sein Volk selber, in die Fremde

seiner Höhe für „auserwählt“. InzwischenAgieng erA, auf die Waner

16

seitdem

20

überall heimisch

derschaft, u saßAnirgendswo mehr still,: – bis er endlich zum Coswurde, der große Cosmopolit, – bis er

22

u die halbe Erde

mopoliten wurde und die „große Zahl“Aauf seine Seite bekam.

24

Aber der Gott der „großen Zahl“{bleibt nichtsdestoweniger ein Win=

26

kelgott,Ader Gott aller kranken Ecken, aller ungesunden Quar-

28

Er blieb Jude, der große Demokrat unter allen Göttern, wurde trotzalledem kein stolzer Heidengott:

dunklen Ecken u. Stellen er blieb der Gott der Winkel schlimmen wunden Stellen u Seelen, Ecken u.

bloß nach wie vor

tiere der ganzen Welt .. Sein Weltreich istAein Unterwelt= ein Hospital,

=Reich … ein Ghetto - Reich …

30

w blieb

Reich, ein Souterrain verborgnen Elends … Und er selbst ist so

blieb nach wie vor wurde dabei , so blaß, so décadent

schwach, so krank!.. Beweis:ASelbst die Schwächsten der Schwachen, die Metaphysiker und ScholastikerAwurden über ihn noch Herr! – a

34

s

36

e ,

38

s

Begriffs =NarrenAlbinos. waren noch stärker als er:

die Herren Diese

32

Blassesten der Blassen wurden noch Herr über ihn, –

Beweis:

bis er, hypnotisirt durch ihre Bewe selbst Spinne, selbst Metagungen zu ihrem so lange zur

Sie{spinnenAum physikus

ihn herum, in ihn hinein, bis er ihr Abbild, eine spann

wieder

– sub specie Spinozae –

Spinne wirde. Nunmehr spinnt erAdie Welt aus sich heraus,{nun=

40

transfigurirte er sich ins immer Dünnere u. Blässere, ward I Ideal, ward evaporirte er wurde u mehr wird er zum ewigen Metaphysikus, nunmehr wirde er

42

) .

von Anbeginn

„Geist,“

zum Ideal, zum Geist

transfigurirte er sich ins immer Dünnere, ward zum Ideal

2-42: KGW VIII 17[4] 322,11-32

W II 8a 1-41.indd 9

6: Einfügungszeichen verlängert 9: heruntersinkt] ¿ 11: in Ms nicht übereinander 13: in Ms nicht übereinander 30: Einfügungszeichen verlängert 33: Blassen] Vk

36: Einfügungszeichen verlängert 40: wirde] nach unvollständiger Korrektur > wurde

15.05.15

W II 8

7

$

VIII 235. Bleistift

zum

zur zum „reine Vernunft“,A„Ding an sich“… Verfall eines Gottes: Gott ward Ding an sich!!.

2

„purer Geist“… Der christliche Gottesbegriff – Gott als Krankengott,

4

Gott als Spinne, Gott als Geist – ist der niedrigste Gottesbegriff,

6

der auf Erden erreicht wurde: er stelltAden Höhepunkt{der

8

décadence in der absteigenden Entwicklung des GötterAidee dar.

)

einer der corruptesten

die

r o s vo

worden sind

vielleicht selbst Pegel

Typus

10

Gott zum Widerspruch des Lebens abgeartet, statt dessen Verklä=

i

12

rung und ewiges Ja zu bedeuten!; In Gott dem Leben, der Na=

;

14

tur, dem Willen zum Leben die Feindschaft angesagt! Gott die

16

Formel für jede Verleumdung desALebens, für jede Lüge vom

18

„Jenseits“! In Gott das Nichts vergöttlicht, der Wille zum Nichts

20

heilig gesprochen!… So weit haben wirs gebracht!…

zu sein!

Diesseits

;i

22

24

3

W II 8a 1-41.indd 10

stische Religion – um ihres Gottes willen …

4.

26

28

2-40: KGW VIII 17[4] 322,32-323,22

Weiß man es noch nicht? das Christenthum ist eine nihili=

12. 18

Daß die jungen starken Rassen des nördlichen Europa den christlichen

30

Gott nicht von sich gestoßen haben, macht ihrer religiösen Begabung wahr-

32

lich keine Ehre, um nicht vom Geschmacke zu reden. Mit einer solchen

34

krankhaften u altersschwachen Ausgeburt der décadence hätten sie fertig

36

werden müssen. Aber es liegt ein Fluch auf ihnen dafür, daß sie

38

nicht mit ihm fertig geworden sind: – sie haben die Krankheit, den

40

Widerspruch, das Alter in alle ihre Instinkte aufgenommen, – sie haben

5: selbst] ¿ 28: des] ¿

15.05.15

8

W II 8

$

VIII 236. Bleistift

) ..

seitdem keinen Gott mehr geschaffen! Zwei Jahrtausende beinahe:

2

und nicht ein einziger neuer Gott! Sondern immer noch und wie

4

zu Recht bestehend, wie ein ultimatum und maximum der

6

gottbildenden Kraft, des creator spiritus im Menschen, dieser er=

8

barmungswürdige Gott des europäischen Monotono = theismus! dies

10

Widerspruch

hybride Verfallsgebilde aus Null, Begriff undAGroßpapa, in dem alle Feigheiten u Müdigkeiten des Geistes Seele Décadence = Instinkte,Aihre Sanktion erlangt haben!…

alle 15 14 14 Typus des Erlösers Chr. u. Buddhism 16 17

12

!

14

14 Weder die Moral

3

berührt $

5.

15 Buddhis.

– Und wie viele neue Götter sind noch möglich!… Mir selber,

16

Vergl. W. XII, Seite 188. rote Tinte

18

zur Unzeit

in dem der religiöse, das heißt gottbildende Instinkt mitunterAwieder

20

wird:

lebendig werden will: wie anders, wie verschieden hat sich mir

22

jedes Mal das Göttliche offenbart!.. So vieles Seltsame gieng

24

schon an mir vorüber, in jenen zeitlosen Augenblicken, die in’ s

26

Leben hinein wie aus dem Monde fallen, wo man schlechterdings

28

nicht mehr weiß, wie alt man schon ist und wie jung man noch

30

sein wird … Ich würde nicht zweifeln, daß es viele Arten Götter

32

giebt .. Es fehlt nicht an solchen, aus denen man selbst einen ge=

34

nicht

wissen Halkyonismus und Leichtsinn hinwegdenken darf … Die leich=

36

selbst

ten Füße gehören vielleicht sogar zum Begriffe „Gott“.. Ist

38

mit Vorliebe

es nöthig, auszuführen, daß ein Gott sich jeder Zeit jenseits alles

2-40: KGW VIII 17[4] 323,22-324,11

W II 8a 1-41.indd 11

40

4: Gott] Vk 15: Buddhism] ¿ 21: wird] Vk 26: Augenblicken] ¿

15.05.15

W II 8

9

u Vernunftgemäßen

2

Vernünftigen u BiedermännischenAzu halten weiß? jenseits

4

auch, anbei gesagt, von Gut u Böse? „Er hat die Aussicht

6

frei“ – mit Goethe zu reden. – Und um für diesen Fall die

8

nicht genug zu schätzende Autorität Zarathustras anzurufen: Za=

unter uns

10

rathustra geht so weit, von sich zu bezeugen „ich würde nur

12

an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde“..

14

Nochmals gesagt: wie viele neue Götter sind noch mög= : der glaubt weder an alte noch neue

16

lich! – Zarathustra selbst freilich ist bloß ein alter Atheist.

18

Man verstehe ihn recht!Z. Zarathustra sagt zwar, er würde –,

20

aber Zarathustra wird nicht …

)

Er

– er wird nicht …

*

Zarathustra wird nicht ..

* *

KGW VIII 17[4] 324,11-21

W II 8a 1-41.indd 12

2: Biedermännischen] Vk

15.05.15

10

W II 8

$

Vergl. W XII, 124. Bleistift

2

Wir Hyberboreer.

2

1.

4

wir Hyperboreer

Wenn anders wir Philosophen sind, es scheint jedenfalls,

6

durch

Wir sind durchaus keine Moralisten …

daß wir es anders sind als man ehemals Philosoph war. Wir trauen

unsern Ohren nicht, wenn wir sie reden hören, alle diese Ehe= )

Götter.

maligen. „Hier ist der Weg zum Glücke“ – damit springt ein

Jeder von ihnen auf uns los, mit einem Recept in der Hand und

8

10

12

14

machen wir mit dem

einem viereckigen offnen Maule. „Aber was geht uns das Glück?

16

was kümmert uns das Glück? –

an?“ fragen wir ganz erstaunt. „Hier ist der Weg zum Glück – heiligen

fahren sie fort, diese zudringlichen Schreiteufel: undAdie Tugend neue

18

dies da ist

20

wir

ist, derAWeg zum Glück!“ – Aber ich bitte Sie, meine Herrn! Was

22

machen wir mit kümmert uns gar Ihre geht uns gar derATugend?! Wozu

24

Unsereins

geht man denn abseits,

wird Philosoph, wird Rhinozeros, wird Höhlenbär, wird Gespenst?

26

Ist es nicht, um die Tugend und das Glück los zu sein?…

28

Wir sind von Natur viel zu glücklich, viel zu tugendhaft, meine

30

Moralprediger

32

fänden, Philosophen zu werden: das heißt Immoralisten u

34

Abenteurer … Wir haben für das Labyrinth eine eigne Neu-

36

gierde, wir möchten hinein, wir bemühen uns darum, die Be=

38

W II 8a 1-41.indd 13

an

Versuchung

HerrnAMarktschreier, als daß wir nicht eineAWollust darin

2-14: KGW VIII 23[3] 411,25-32

ie

5: Hyperboreer] ¿ 26: Philosoph] Vk

15.05.15

W II 8

11 Was kümmert uns Ihr Strick, der wieder hinaus führt – wir bitten Sie inständigst, sich daran aufzuhängen

kanntschaft des Herrn Minotaurus zu machen: was liegt uns

4

an Ihrem ZwirnsfadenA, der hinaus führt – zu „Glück“ u

Strick

von Weisheit

zu Ihnen meine Herren Moralisten damit uns

6



kümmert uns

2

Und nicht nur uns!

uns

8

es

„Tugend“?.. Sie wollenAretten – u wir, so scheint, wir wollenAverderben …

nur!…

Sie auch noch!.. Warten Sie ein wenig!

würden lieber sehen, daß sie sich daran aufhängten

2.

10

Zuletzt: wir wissen kein anderes Mittel mehr,

12

?

– Und giebt es ein anderes Mittel, die Philosophie wieder u vor den alten Weibern zu retten

14

16

zu erlösen?..

als indem wir sie losmachen von

zu Ehren zu bringenA? Wir Hyperboreer, wir machen aus eine Gefahr, wir verändern ihren Begriff, wir Lehrer lehren Philos. wie könnten wir ihr besser ihr einen lebensgefährlichen Begriff: was könnten wir

)

als einen

12,13 ) 18

unsterbli Idiosynkrasien sie von ihren alten kuriren mit ihrem Glück u Tugend erobert sie die alten Weiber u. macht sie zum alten Weibe wird sein

Besseres thun? – besser zu Hülfe kommen?…

20

Ein Begriff war der Menschheit immer so viel werth, als er

22

ihr Opfer gekostet hat, – Menschenopfer. Wenn Niemand Be=

24

denken trägt, für den Begriff „Vaterland“ „Fürst“ „Freiheit“

26

Hekatomben zu opfern, womit kann sich der höhere Werth des

28

Begriffs Philosophie, ihr Vorrang vor solchen Popular = Werthen,

30

wie „Vaterland“, „Fürst“, „Freiheit“ beweisen, wenn nicht dadurch,

32

daß sie mehr opfert{, – größere Hekatomben? – Wir kennen

34

die Menschheit genug, sie glaubt an Nichts, woran sie nicht fast

36

verblutet ist. Blut beweist; Blut ist ihr „Beweis der Kraft“.

Gott

Vorrang

kostet

bisher war die

38

nicht kostspielig

– Moral:Adie Philosophie war bisher nicht gefährlich{ge Es sind zu Wenige an ihr zu Grunde gegangen …

40

nug.ADaher ihre décadence. – Verfall. –

5: in Ms nicht übereinander 9: daran] Vk 14: Einfügungszeichen verlängert 15: in Ms nicht übereinander 15: verändern] Vk 16: Einfügungszeichen verlängert

W II 8a 1-41.indd 14

17: unsterbli] ?

15.05.15

12

W II 8

Weibern u von den alten zu erlösen wieder

was hilft es! Es giebt kein anderes Mittel, mehr

1 Hülfe

Zuletzt: wir man wissen schlechterdings kein Mittel mehr, die Philos.

zu Ehren zu bringen, als indem wir ihren alten Idiosynkrasien ein Ihren Idiosynkrasien – das will sagen

4

die Philosophie das Recept

Ende machen – ein Ende mit Schrecken! So lange sie von

6

überredete zu reden nöthig hat ge hat gehörte hatte, verführte sie nur

von

„Glück“ u „Tugend“ redete,{gehörte sieAden alten Weibern: man großen Weisen ihre Verführten darauf an, alle diese Philosophen an war

8

war war

sehe sich die Philosophen darauf – wie viel an ihnen istA„altes

10

Weib“! Wir Hyperboreer, wir machen aus ihr eine Gefahr, wir

12

3

)

2

kommen: man muß sie von ihren Idiosynkrasien kuriren! mit

den

Phil. als

den ) 11,17

verändern ihren Begriff, wir lehren einen lebensgefährlichen Begriff. Phi-

14

losophie: wie könnten wir ihr besser zu Hülfe kommen?…

16

2. So lange sie von Glück u Tugend“ redete, überredete sie nur die alten Weiber … Sehen Sie doch den großen diesen „Weisen“ insgesammt ins Gesicht …

Zuletzt: was hilft es! Es giebt kein anderes Mittel, die Phizuerst ihre

18

ern

von den alten Weiblein

losophie zu Ehren zu bringen: man muß sie zuerst von ihren drei Verehrer in die Flucht schlagen

Idiosynkrasien erlösen …

Man

20

nämlich so erst

erlöst sie nicht eher von den

alten Weibern! Denn man erwäge doch: So lange die Philos. mit

verwechselt wurde

22

m

24

s

immer nur zuerst

von Glück u Tugend redete, überredete sieAnur die alten

26

Weiber: Man sehe sich Alle diese grauen Weisen u. Biedermänner

28

eingerechnet die männlichen Jungfern u die die weibl. Junggesellen heimlichsten Instinkte … – sie wendete sich damit an die geschwätzigen Ciceroni u Lebensretter, die sich unter ihrem Namen bisher zu Ehren brachten

waren

die ihr Gefolge durch die Jahrhunderte machen – sind das „Männer“?..

30

Mütter schon eher, in jenem lebensgefährlichen Sinne, in welchem Faust

32

das Wort „Mütter“ braucht …

34

Meister

sie schmeichelten den heimlichsten Instinkten … Alle diese großen von weisen Sätzen u.

36

an ihnen war immer

Weisen: wie viel „altes Weib“! war immer

38

unaufhaltsamer Rede

13: als] ¿ 17: Glück] > „Glück 26: redete] ¿ 26: Einfügungszeichen verlängert 27: die die] > die 27: Lebensretter] ?

W II 8a 1-41.indd 15

37: Sätzen] ¿

15.05.15

W II 8

13

$

VIII 146 Bleistift

Gegen meinen Begriff Jenseits v Gut u Böse hat sich, wie Ob wir moralischer geworden 3sind. –

)

zart, sehr verletzlich,

Wir modernen Menschen, sehr vielAdelikater u. hundert Rücksichten

2

in der That diese zärtliche

4

e

diese Fülle von erreichter Hülfs Einmüthigkeit gegenseitigem von

ein 6

:

8

10

en

von Solidarität mit Einem Wort

Schonung, Hülfsbereitschaft,AVertrauen, „Solidarität“ mit Einem Worte sei

in der

in

im

zb. weit über

ein positiver „Fortschritt“ – damit seien wir zb. den Menschen der der Renaissance

so denkt jede Zeit, so muß sie denken. so muß sie denken hinaus. Aber das ist ein Irrthum, eine op bloß optische Täuschung.

überlegen. Gewiß, daß wir uns nicht hineinstellen

nicht hineinstellen dürften, nicht einmal unsere Imagination hielte jene Wirklichkeit nicht

12

em

die wir darstellen

nehmend u gebend, bilden unsAein, die große Summe von Menschlichkeit,A

14

16

18

dürften in Renaissance = Zustände{; selbst unsere Imagination hielte diese

hineindenken: unsere Nerven hielten jene Wirklichkeit nicht aus, gar nicht aus: Nicht zu reden von unseren Muskeln … Bilder nicht aus. Mit diesem „Unvermögen“ ist aber kein Fortschritt zu reden von unseren Muskeln … eine schwächere zärtlichere bloß andere eine spätere Folge

bewiesen, sondernAeineAzärtlichere Beschaffenheit, die als Maaß daraus

verletzlichere, aus der sich nothwendig aus der sich verletzlichere, unsere physiol. Alterung

20

bedingt. erzeugt.

eine rücksichtenreiche Moral geschaffen hat. Denken wir unsere Zartverlöre

Moral der unsere extreme „Vermenschlichung“

heit u Spätheit{weg, so hätte auch diese menschlich-allzumenschliche ihren

– an sich hat keine Moral werth – selbst

22

Moral keinen Werth mehr: sie würde uns Geringschätzung machen. – Zwei-

24

feln wir{nichtA, daß die „Modernen“Aeine gute KomödieBfür die Zeit-

andererseits daran wir

eine Komödie zum Todtlachen abgeben würden … In summa: die

für Zeit= 26

zum Todtlachen

{genossen Cesare Borgia’ s abgäben … Die Abnahme der feindseligen

u mißtrauenweckenden 28

gerade mit unserer Samthandschuh-Moral Menschlichkeit bei einem

dick wattirten

eine der Folgen in der

AInstinkte stellt nurAdie allgemeine Abnahme der Vitalität dar:

30

es kostet hundert Mal mehr Mühe, ein so bedingtes u. spätes Dasein

32

durchzusetzen – da hilft man sich gegenseitig, da ist jeder Kranker

34

u. jeder Krankenwärter. Das heißt dann „Tugend“ – in der

36

Renaissance, wo man das Leben voller, leidenschaftlicher fühlte,

38

hätte man es anders genannt … „Feigheit, Schlaffheit, Weichlich-

40

keit, Erbärmlichkeit, Altweiber =Moral“ –

42

In summa: die Milderung der Sitten ist eine Folge des Niedergangs;

unter Menschen

die das Leben noch anders kannten, voller, glühender, überwallender vielleicht

5: in Ms nicht übereinander 10: Gewiß] > Gewiß ist 13: in Ms nicht übereinander 15: in Ms nicht übereinander 18: rücksichtenreiche] Vk 21: in Ms nicht übereinander

W II 8a 1-41.indd 16

25: in Ms nicht übereinander 42: Niedergangs] ¿

15.05.15

14

)

W II 8

wie zu erwarten auch ins Zeug geworfen gegen alle Begriffe bisher nur die Ferocität der Dummheit bahngebrochen man hat aus mir einen Bewunderer C. B. gemacht u. mir den Hintergedanken kann eine

von

an

sein

die Härte u Schrecklichkeit der Sitte die Folge eines Überschusses von Leben, so daß

ge

2

viel herausgefordert, viel vergeudet werden kann. was

welches vielAwagt, viel trägt, viel hinnimmt, das uns sofort zu

4

wäre für uns

Grunde richtete … Was Würze ehedem des Lebens war, ist für

6

– auch das ist eine Form der Stärke – gleichfalls zu alt

uns Gift … Indifferent zu sein – dazu sind wir nicht mehr stark zu spät

8

einer physiologischen Reizbarkeit, die allein uns als alt

genug; unsere Moral ist ein Ausdruck unserer extremen}ImpressionaMitleids -Moral

bilität … im Großen u Kleinen …

die Alles, was alt wird,

10

gefährlichen Reizbarkeit u kennzeichnet ..

kennzeichnet

12

Die Zeiten sind zu messen nach den positiven Kräften – u dann

14

ergiebt sich jene so verschwenderische u. verhängnißreiche Zeit als eine

16

große Zeit – u wir, mit unserer ängstlichen Selbstfürsorge u.

18

„Weisheit“, mit unserer Tugend der Arbeit, der Anspruchslosigkeit,

20

– sammelnd, ökonomisch, machinal –

bloß

der Wissenschaftlichkeit, des gegenseitigen Vertrauens u. Helfens als

22

schwache Zeit … Unsere Tugenden sind bedingt, sind herausgefordert durch

24

unsere Schwäche …

26

impressionisme morale

Die „Gleichheit“ – eine gewisse thatsächliche Anähnlichung, ge= hört zum Niedergang: die

zwischen M u M. der Typen Klüfte, die Vielheit, die stark

28

30

u

der Muth, sich abzuzeichnen

abgezeichnete Individualität,Agehört zur starken Zeit. eines Volkes.

32

wird

Die Spannkraft, die Spannweite zwischen den Extremen ist immer

34

zuletzt jetzt

kleiner geworden – die Extreme verwischen sichAzu Ähnlichkeiten … ihre Werthung

im

ihre

Aus der Optik der Zeit heraus ist dies allein die Rechte,Aunsere u einzige

gar

36

38

as

werden

Moral die höchsteA… Anders kann man nicht empfinden{: denn

40

die Moral drückt nur aus, was ein Volk als höchste Erhaltungsbe-

42

unter bestimmten Verhältnissen oberste Necessität

empfinden wird.

– die Bedingung der Erhaltung …

dingung fühlt: das ändert sich je nach seinem Alter –

3: in Ms nicht übereinander 10: Moral] Vk 22: Wissenschaftlichkeit] ¿ 31: sich] ¿ 36: Einfügungszeichen verlängert 40: kann] Vk

W II 8a 1-41.indd 17

44

40: empfinden] nach Korrektur des Kontextes > empfunden 41: in Ms nicht übereinander

15.05.15

W II 8

15 einer anglaise Randbemerkung zur englischen niaiserie. der Moral. – 4 2

„Was du nicht willst, daß dir die Leute thun, das thue ihnen auch nicht“.

4

Das gilt als Weisheit; das gilt als Klugheit; das gilt als Grund

6

der Moral – als „güldener Spruch.“ Aber der Spruch hält nicht den

8

leichtesten Angriff aus. Der Calcul „thue nichts, was dir selber nicht an-

John Stuart Mill u. wer nicht unter Engländern glaubt daran …

10

gethan werden soll“ verbietet Handlungen um ihrer schädlichen Folgen willen:

12

der Hintergedanke ist, daß eine Hdl.Aimmer vergolten wird. Wie nun,

14

wenn Jemand, mit dem „principe“ in der Hand, sagte „gerade solche Hand-

16

lungen muß man thun, damit Andere uns nicht zuvorkommen – damit

18

wir Andere außer Stand setzen, sie uns anzuthun?“ – Andererseits:

20

denken wir uns einen Corsen, dem seine Ehre die vendetta gebietet. Auch

22

er wünscht keine Flintenkugel in den Leib: aber die Aussicht auf eine

24

solche, die Wahrscheinlichkeit einer Kugel hält ihn nicht ab, seiner Ehre

26

zu genügen … Und sind wir nicht in allen anständigen Hdl. eben

28

absichtlich gleichgültig, gegen das, was daraus für uns kommt? Eine Hdl. zu

30

vermeiden, die schädliche Folgen für uns hätte – das wäre ein Verbot

32

für die Moral überhaupt …

immer

anständige Hdl.

34

KGW VIII 22[1] 391,1-392,5

W II 8a 1-41.indd 18

Dagegen ist der Spruch werthvoll, weil er einen Typus Mensch verräth:

36

es ist der Instinkt der Heerde, der sich mit ihm formulirt – man

38

ist gleich, man nimmt sich gleich: „wie ich dir, so du mir“ – Hier

40

wird wirklich an eine Äquivalenz der Hdl. geglaubt, die, in

42

allen realen Verhältnissen, einfach nicht vorkommt. Es kann nicht

1: zur] ¿ 2: willst] ¿ 10: verbietet] ¿ 16: muß] Vk 20: Corsen] Vk 28: kommt] Vk

34: verräth] Vk 38: dir, so] Vk 38: Hier] Vk

15.05.15

16

W II 8

u xxxxxxxxxxxx

jede Hdl. zurückgegeben werden: zwischen wirklichen „Individuen“ giebt

2

es keine gleiche Hdl, folglich auch keine „Vergeltung“… Wenn ich etwas

4

dergleichen

thue, so liegt mir der Gedanke vollkommen fern, daß überhaupt diese

6

es

Hdl. irgend einem Menschen möglich sei: sie gehört mir … Man kann

8

mir

mir gar Nichts zurückzahlen, man würde immer eine „andere“ Hdl.

10

gegen mich begehen –

12

zum Beispiel meine Götzendämmerung“ mit dem Hammer schreibe –

14

John Stuart Mill u wer nicht unter Engländern glaubt daran …

*

n

16

die daß es mir um eine Abschaffung

36 )

aller anständigen Gefühle zu Engländer =

Die Heerden-Moral oder die englische Moral. –

thun sei … Ich erlaube

18

mir, als Antwort, die Frage aufzuwerfen ob wir wirklich moralischer geworden

$

sind

Gegen meinen Begriff von Jenseits v G u Böse, hat sich wie zu erwarten

Götzendämerung p. 145. Bleistift 20

deutschen

mit selten xxxxxxx die ganze Ferocität derADumm heit ins Zeug geworfen

22

en

in Sonderh vor Allem

– ich hätte eine artige Geschichte davon zu erzählen. Man gab mirAdie Überlegen

24

heit unserer Zeit in moral. Dingen zu überdenken: ein Cesare Borgia sei durchaus

26

höherer Mensch oder eine Art Übermensch

nicht werth, von mir als MusterAaufgestellt zu werden … der moralischen Verdummung wie zu erwarten stand, die ganze Ferocität der deutschen Dummheit – u nicht ohne Achtung für den von mir bezeugten Muth – – u abseits aller bösen

ins Zeug geworfen – ich hätte artige

nicht nicht ohne Achtung für mein en M Geschichten davon zu erzählen. Ein Schweizer R. vom Bund gieng so weit, mein Buch dahin zu „verstehen“. –

2-12,16: KGW VIII 22[1] 392,5-11, 391,4-5

W II 8a 1-41.indd 19

2: zwischen] Vk 8: Hdl.] ¿ 8: möglich] Vk 8: gehört] Vk 10: immer eine] Vk 10: Hdl.] ¿

28

30

32

34

S

36

) 17

14: zu Zeile 6 14: Götzendämmerung] > „Götzendämmerung 18: englische] ¿ 32: geworfen] Vk 33: nicht nicht] > nicht 34: R.] > Redakteur

15.05.15

W II 8

17

xxxxxxxxxxxx –

2

4

ausschließlich zum

6

Geschenk machen

4-6: zum Geschenk machen] ?

W II 8a 1-41.indd 20

15.05.15

18

Nach dieser Aufklärung

2

Aber – für die Sinne ein schweres, dh. vorwiegendes

4

6

schwerwiegendes Buch: Vorsichtig Wort um Wort umwenden wie ein die nicht geschriebenen Gedanken so deutlich ablesen

8

v

10

ablesen

wie die geschriebenen

12

Nochmals „Jenseits v Gut u Böse“. – Um diesem Werk

14

beizukommen, muß man es lesen, wie ehemals die guten Philologen

16

es machten – seine verborgenen Zeilen ins Ohr, Auge u Gehör

18

hinein bis verborgene

20

Auch verspreche ich denen, welche überhaupt ein Recht darauf, ein Buch

22

von mir in die Hand nehmen zu dürfen, eine nicht unbedenkliche Lust:

24

– sie halten hinterdrein keine andere Litteratur mehr aus, Alles

26

ist zu flach

28

4: Aber] ? 6: vorwiegendes] ? 8: schwerwiegendes] ¿ 8: umwenden] Vk 14: Nochmals „Jenseits] ¿ 22: darauf] >? darauf haben

W II 8a 1-41.indd 21

W II 8

24: Lust] ? 26: Litteratur] ¿

15.05.15

W II 8

19

$

Ecce S. 98. Bleistift

2

welche Sprache wird ein solcher Geist reden, wenn er mit redet

4

Die Sprache des Dithyrambus. Ich bin der Erfinder des Dithyrambus. Auch

6

die tiefste Sehnsucht eines solchen „Dichters“ ist noch Dithyrambus; ich

8

nehme, zum Zeichen, das Nachtlied, die unsterbliche Klage, durch

10

seine Überfülle an Licht, an Kraft verurtheilt zu sein, nicht

12

geliebt zu werden.

2: mit] vgl. EH Also sprach Zarathustra 7, 343,17-18 > mit sich allein 4: Erfinder] ?

W II 8a 1-41.indd 22

15.05.15

20

W II 8a 1-41.indd 23

W II 8

15.05.15

W II 8

W II 8a 1-41.indd 24

21

15.05.15

22

$

Ähnlich VIII 312 Bleistift Ecce S. 110. Bleistift

$ Bei solchen Sätzen ist es zu Ende mit meiner Geduld u ich habe

2

Lust, den Deutschen einmal zu sagen, was sie Alles auf dem

4

Gewissen haben! Alle großen Cultur- malheurs von 4 Jahr

6

hunderten haben sie auf dem Gewissen! Und immer aus dem

8

gleichen Grunde – aus ihrer innerlichsten Feigheit vor

10

der Realität, die auch die Feigheit vor der Wahrheit

12

ist, aus ihrer bei ihnen Instinkt gewordenen Unwahrhaftigkeit

14

aus „Idealismus“…

16

W II 8a 1-41.indd 25

W II 8

23,40 )

15.05.15

W II 8

23

$

Ecce S. 108. Bleistift

träger

2

noch mehr freilich auf die in geistigen Dingen immer ärmer u. instinktärmer werdende

4

deutsche Nation, die mit einem beneidenswerthen Appetit fortfährt, sich

6

von Gegensätzen zu nähren u. Christenthum so gut wie Wissenschaftlichkeit,

8

die christliche Liebe so gut wie den Antisemitism, den Willen zur Macht

den „Glauben“

die

10

(zum Reich“) so gut wie das évangile des humbles) ohne

12

Verdauungsbeschwerden hinunterschluckt … Diese Stumpfheit, „dies „Nicht

14

wissen - was - man -thut heißt sich „Idealismus“… Bei meinem letzten

16

Besuch Deutschlands, fand ich den deutschen Geschmack sehr unsicher darüber,

ist ohne

18

Dieser Mangel an Partei zwischen

Mangel an Partei

Neutralität zwischen Gegensätzen „Selbstlosigkeit“

20

Gegensätzen! Diese Selbstlosigkeit! diese Anonymität um jeden Preis, ist ohne

22

Dieser gerechte Sinn, der

24

Allem gleiche Rechte giebt!..

26

Kein Zweifel, die D.

28

sind Idealisten …

30

Als ich das letzte Mal Deutschland besuchte, war der D. Geschmack

32

bemüht, Wagner u. dem Trompeter von Säckingen „gleiche Rechte“ zuzu-

34

gestehen; wir aber selber war eigenhändig ZeugeA, wie zur Ehren eines

36

der ächtesten u. deutschesten Musikers, des alten Heinrich Schütz ein

38

Liszt =Verein gegründet wurde, mit dem Zweck der Pflege

40

listiger Kirchenmusik .. Ohne Zweifel, die D. sind „Idealisten“

Zweifel Idealismus

gleiche Rechte gar nicht anders als Alle s gleich z u setzen u. in seinen Magen hinunterzuschlucken –

bin

: ) 22,2

: Wiedergeburt sittliche

44

4: beneidenswerthen] ¿ 10: Reich] > „Reich 14: was-] ¿ 14: thut] > thut“ 20: diese Anonymität] ? 24: anders] >? anders kann

W II 8a 1-41.indd 26

gewesen

Nochmals gesagt,

42

24,42 )

der gerechte Sinn, der

34: wir] > ich 34: eines] Vk

15.05.15

24

W II 8

$

Ecce S. 109. Bleistift

– Aber hier soll mich Nichts hindern, ernst zu reden u den D. ein

2

paar grobe Wahrheiten zu sagen: ich rede von ihrer Unzucht in

4

rebus historicis. Nicht nur, daß den deutschen Historikern der

6

n

gänzlich

große Blick für den Gang, für die Werthe der Cultur abhanden

8

gekommen ist; er ist von ihnen in Bann gethan. Man muß

10

vorerst „deutsch“ sein, „Rasse“ sein: dann darf man über

12

– man setzt sie fest …

alle Werthe u. Unwerthe entscheiden.AEs giebt ein

„Deutsch“ ist ein Argument,

14

16

Deutschland D über Alles ein Princip; die Germanen sind die

18

„sittliche Weltordnung“ in der Geschichte; im Verhältniß zum

20

imperium Romanum sind sie das Princip der Freiheit; im

22

Verhältniß zum 18 Jh. die Wiederhersteller der Moral, des

24

„kateg. Imperativs“… Es giebt eine preußische Ge-

26

schichtsschreibung, es giebt, fürchte ich, selbst eine antisemitische

28

Geschichtsschreibung, es giebt – u hier weiß es alle Welt –

30

selbst eine Hof =Geschichtsschreibung – u Herr von T. schämt

32

wurde machte

sich nicht … Jüngst gieng eine Hornvieh = Dummheit eines verblichenen

in

die Runde

Schwaben, des alten Ästhet. VischerAdurch die deutschen Zeitungen u. nicht ohne

34

Worte

36

zu Ehren am Leibe dieses bewundert

unter den schmeichelhaften Handbewegungen an dieses Säugethier. Der

38

Sinn war ungefähr: Die Renaissance – u die Reformation, erst zu

40

wie ein Satz, zu dem jeder Deut. Ja sagen müsse Handbewegungen

zu Ehren

m

als

aesthet

sammen machen sie ein Ganzes: die sitt künstlerische Wiedergeburt u die

42

) 23,44

4: grobe] Vk 12: darf] ¿ 22: Romanum] ¿ 22: das] Vk 32: T.] > Treitschke

W II 8a 1-41.indd 27

15.05.15

W II 8

25

2

– Und Alles wurde öde u. krank. Die Wissenschaft verschwand; die ganze Cultur-

4

Arbeit war umsonst gewesen. Die Schönheit wurde gehaßt; die Kunst

6

wandelte sich in eine Carikatur. Der Nihilismus formulirte sich zum Maaß:

8

es soll nichts Lebendiges mehr lebendig bleiben. Die Wahrheit ist: folglich

10

darf nicht mehr geforscht werden. Die Moral ist da: folglich darf nicht mehr Die Kirche ist da

12

gelebt azurne

14

ar.

Das Werk steht durchaus für sich: es ist durch eine azurne gedichtet

seiner

16

Einsamkeit gegen Alles abgegrenzt, was bis Gedicht wurde In dieser ungeheuren

18

Spannung u. Freiheit könnte kein ein Goethe, ein Sh. nicht einen Augenblick

Freiheit der Luft der Kraft

ern

noch an den Schätzen

der Jahrhunderte

20

athmen; alles, was ersten Ranges ist unter den Dichtungen aller Zeiten,

22

klingt wie ein Volksdialekt gegen diese Sprache. . Die Voraussetzungen

24

sind nie auch nur ähnliche gewesen, unter denen Zarathustra entstand:

26

hier wird ein Schicksal u Mittag, ein Wendepunkt, ein Verhängniß

28

zum Dichter; hier ist der MenschAwie ein Stoff, an dem

30

ein Bildner arbeitet mit einer Kraft

32

Ich habe das Wort dionysisch entdeckt; ich habe dasAewige höchste

selbst

der Menschheit

d

34

Typus eines dionysischen Kunstwerks gegeben.

36

ich habe die höchste dionysische That gethan, die je als ich den Z.

38

erschuf. Hier sind die tragischen Bedingungen: das Jasagende durch eine ungeheure

)

Begriff

16: bis] > bisher 18: Sh.] > Shakespeare 32: ich habe] Vk

W II 8a 1-41.indd 28

15.05.15

26

W II 8

$

VIII 314. Bleistift

Und man rechnet die Zeit nach dem dies nefastus, mit diesem das Verhängniß anhob!..

2

4

Einsamkeit

von einer azurnen Leidenschaft jenseits alles Das Werk steht durchaus für sich: xxxxxxxxxxxxxxxxx jenseits, daß der ganze

6

8

Rest von Poesie wie ein Volksdialekt klingt.

10

In dieser Höhe u Leidenschaft würde ein Goethe, ein Sh. nicht einen Augenblick

12

athmen können.

14

dessen was bis gedichtet

) 16

16

6)

es ist

steht

lebt durchaus für sich: durch eine azurne Einsamkeit

18

abgegrenzt

)

abgegrenzt gegen AllesA, was bis gedichtet wurde. In dieser Luft

20

könnte ein Goethe ein Sh. nicht einen Augenblick athmen. Der

22

Begriff „dionysisch“, die ungeheure Spannung, in der die alten Gegensätze

24

der Seele sich bedingen u sich immer höher steigern

26

Aufgabe, die zerdrücken u vernichten kann, gleichsam ins Unmögliche

28

hinausgewachsen; die höchste Gegnerschaft heraufbeschworen, um die große

30

Begeisterung zu empfinden; Alles, was sonst zerstört, die Einsamkeit,

32

– eine Aufgabe, durch die die Geschichte

34

in zwei Hälften auseinanderbricht, eine Umwerthung aller Werthe, keine Heterodoxie

36

bloß

38

Das Nein, wie es immer da war: wie? sollte es nicht

das Ja in der Regel verneinen? – Dies ist das psych. Problem.

ins

40

4: diesem] > dem 16: bis] > bisher 20: bis] > bisher 32: empfinden] ¿

W II 8a 1-41.indd 29

15.05.15

W II 8

27

$

VIII 312 Bleistift

2

Ich erhebe gegen die christliche Kirche die furchtbarste Anklage, die je ein Ankläger bisher in den Mund genommen hat. Sie hat nichts unberührt mit

6

ihrer Verderbniß gelassen, sie hat aus jedem Werth einen Unwerth, aus

8

jeder Lüge eine Wahrheit, aus jeder Rechtschaffenheit eine Seelen =Niedertracht

+

4

Niedertracht

y

10

gemacht. Man wage es noch, mir von ihren „humanitären“

12

Segnungen zu reden. Irgend einen Nothstand abzuschaffen gienge wider ihre

14

tiefste Nützlichkeit: sie lebte von Nothständen, sie schuf Nothstände, diese der Sünde

Wurm

16

um sich zu verewigen … Die „Sünde“, der Wurm als Physiognomie der

18

Seele – das ist ein Nothstand, den dieser fluchwürdige Betrüger u.

20

Zerstörer =Instinkt der Kirche in den Menschen hinein „verewigt“ hat

den erst der mit

die Mh. beschenkt hat

gelegt hat

das ist ein Wurm, den erst 22

iese

Die „Gleichheit“ der Seelen vor Gott, die Formel für die rancunes von Begriff

24

aller S niedrigen Seelen – dieses Verhängniß, das immer endlich Revolution,

26

K „moderne Idee“, Niedergangsgang =Princip der ganzen Politik geworden

28

ist, ist ist ein christliches Vermächtniß, ein nihilistischer

30

Dynamit des Begriffes für alles Gedeihen, für alle Zukunft auf Erden …

32

Humanitäre Wirkungen des Christenthums! Aus der humanitas eine Miß-

34

geburt, eine Selbstschändung, einen Willen zur Lüge, eine Verachtung

36

aller guten u ehrbaren Dinge herauszupräpariren – das war bisher

Sprengstoff

Sch

)

8: Niedertracht] ¿ 15: in Ms nicht übereinander 24: das] aus unvollständiger Korrektur 24: Revolution] Vk 26: Niedergangsgang=Princip] > Niedergangs=Princip 34: Selbstschändung] ¿

W II 8a 1-41.indd 30

15.05.15

+

28

höchste aller denkbaren Sie ist die höchste aller denkbaren Corruptionen, sie hat den Willen

W II 8

war sten einen

zur allerletzten aller möglichen Corruption. nur auch nur

$

VIII, 313. Bleistift

diese

Ich will die ewige Anklage des Christenthums alle

2

immer

an die Wände die e malen, wo es nur Wände giebt:

4

bisher

es giebt Es gab nur Einen großen Fluch, Eine große lange ewige

6

e

8

e

unter

Niederträchtigkeit, Einen Instinkt der Vergiftung mit den heimlichsten u verlogensten Mitteln in der ganzen Geschichte bisher – das ist das Christenthum

Ein

10

ewiges Verbrechen an

e 12

der Mheit

Der Parasitism des Lebens, mit den bleichsüchtigen Idealen jedes Blut, jede Liebe, jede Hoffnung des Lebens austrinkend die Kirche als Formel für eine heimliche Verschwörung gegen Gesundheit,

)

Schönheit, Wohlgerathenheit, Tapferkeit, Witz der Seele … Christenthum! Humanitäre Wirkungen des Christenthums! –

14

16

18

20 22 24

1: aller möglichen] Vk 2: Christenthums] ¿ 3: immer] ? 4: nur] nach Korrektur des Kontextes >? es

W II 8a 1-41.indd 31

15.05.15

W II 8

29

$

VIII, 305. Bleistift

32,28 )

2

es hat die ungeheure Arbeit der Römer, um den Boden für eine große Cultur

4

zu gewinnen, über Nacht ungethan gemacht … Versteht man es noch nicht?

6

Das imp. rom. war ein Anfang, sein Bau war berechnet,

8

sich mit Jahrtausenden zu beweisen, – es ist bis heute nie

10

so gebaut, nie nur so geträumt worden vom großen Stil im

12

Bauen … Diese Organisation war fest genug, schlechte

14

Kaiser auszuhalten: sie war nicht fest genug gegen die

16

corrupteste Art der Sterblichen, gegen den Christen … Dies

18

heimliche Gewürm, das anAsich in Nacht, Nebel u. Zweideutigkeit

20

an alle Einzelnen heranschlich u. ihnen den Ernst für wahre

22

Dinge nahm, – das ihnen mit

unermüdlich

24

hat Schritt für

den Instinkt für Realitäten aussog

26

Schritt die „Seelen“ diesem ungeheuren Bau entfremdet, – die

28

M. die daran glaubten, die die Macht=Wohlthat Roms

30

verehrtenA… Die Mucker -Blindschleicherei, die Conventikel = Luft,

32

die Lügen =Gespinste von „Jenseits“, „Sünde“ „Kreuz“ „Erlösung“

34

– diese ganze naturwidrigste Giftmischerei, der schon in

36

ihrer Vor = existenz Epicur den Krieg gemacht hatte – man lese

38

Lucrez, um zu begreifen, daß es nicht das Heidenthum, sondern

40

das in unterirdischen Culten präexistente Christenthum, worüber

, die für sie lebten

Opfertod

)

6: imp. rom.] > imperium romanum 16: corrupteste] ¿ 28: Macht=] ? 32: Erlösung] Vk 34: Giftmischerei] Hinzufügung 30,27 40: Christenthum] > Christenthum war

W II 8a 1-41.indd 32

15.05.15

30

$

W II 8 VIII, 306 /7. Bleistift

Diese Bewegung

Diese Bewegung beerbte das Chr: errathen zu haben,

2

alle

womit man wie man die unterirdischen Culte, die decadent Tschandala-

4

Culte vom ganzen imperium gleichsam unter Eine Formel, u

6

vereinige

ein furchtbares Symbol bringe, das war das Genie, das

8

war das große Verbrechen des Paulus … Sein Instinkt dabei

10

war so sicher, daß er alle die Vorstellungen, die in jenen Culten

12

das Übergewicht hatten, die fascinirten, mit schonungsloser Fälschung

14

dem „Heilande“ seiner Religion in den Mund gab, – daß er

16

nach jenem Bedürfniß die ganze Begriffs = u. Symbol = Welt

18

Christenthums

der ersten Gemeinde umdichtete … Dies war der Augenblick von

20

Damaskus: er begriff, daß er den Unsterblichkeits = Glauben

22

der Mysterienkulte nöthig hatte – folglich „hatte er eine

24

Vision“

26

diese wurde Herr über Rom – dieselbe Art von Religion der schon Epicur

die große Aufklärung gab – Epicur der Erlöser des Alterthums )

Ep seinen Fluch spricht u

von der Lüge „Jenseits“ „Sünde“ „Opfertod“ „Hölle“ –

28

30

32

6: u] ? 19: Christenthums] ¿ 27: Hinzufügung zu 29,34 28: Erlöser] Vk

W II 8a 1-41.indd 33

15.05.15

W II 8

31

$

VIII 304 Bleistift

2

In der That, man darf eine vollkommene Gleichung zwischen Christ u. Anarchist ansetzen.

4

Der Beweis für diesen Satz ist mit furchtbaren Schriftzeichen in das Schicksal der Menschheit

6

eingeschrieben. Lernten wir eben eine Religion kennen, deren Zweck war, die

einer entsetzlichen Deutlichkeit aus dem Schicksal

Europas

abzulesen

Vernunft =Ertrag 8

aus Zeiten der

Unsicherheit

langer Mühsal

zum längsten Nutzen

en

Mühsal

Arbeit{von Jahrhunderten zu verewigen, die Ernte von langer Arbeit, Gefahr,

10

Selbstüberwindung in nützlichster Fülle für lange Zeit heimzubringen: so schreibt

12

sich der Gegenzweck der christlichkeit in seiner furchtbarsten Anklage an

14

die Wand der Geschichte

16

In der That, es macht einen Unterschied, zu welchem Zweck gelogen wird:

18

ob man damit erhält, ob man damit zerstört. Man darf zwischen Christ

20

u Nihilist eine vollkommene Gleichung aufstellen: ihr Zweck, ihr Instinkt

22

geht auf Zerstörung . Der Beweis ist für diesen Satz oft mit entsetzlicher

24

Deutlichkeit aus der Geschichte abzulesen: ich erinnere nur an das, was Jeder

26

schon weiß. Lernten wir eben eine religiöse Gesetzgebung kennen, deren Zweck war

28

die oberste Bedingung für Gedeihen u Wachsen des Lebens, eine große Organisationsform

30

der Gesellschaft zu „verewigen“, so Das das Christenthum hat seine Mission

32

darin gefunden, einer alten solchen Organisations =, weil in ihr das Leben gedieh,

34

ein Ende zu machen. Dort sollte der Vernunft =Ertrag aus Zeiten langer Mühsal

36

u. Unsicherheit zum fernsten Nutzen angelegt werden u die Ernte groß, reichlich

38

vollständig heimgebracht werden: hier sollte umgekehrt zerstört werden,

40

zu Nichts gemacht werden, was gesammlet war. Das, was „aere perennius“

42

da stand, das imp. rom, die großartigste Genie = leistung organisirender

44

Kräfte auf Erden – diese heiligen Nihilisten haben eine Frömmigkeit

46

daraus gemacht, keinen Stein darin auf dem anderen zu lassen

Anarchist

.

erinnere

dafür, daß das Leben gedeiht

Wachsthum

eben

daraus

der

Anarchisten

4: Satz] Vk 6: Religion] ¿ 8: Anschluß 32,8 10: nützlichster] Vk 12: christlichkeit] > Christlichkeit 22: Zerstörung] ¿ 30: Das das Christenthum] ¿, > das Christenthum

W II 8a 1-41.indd 34

32: Organisations=] ¿, > Organisations=Form 32: gedieh] Vk 34: Mühsal] ? 40: gesammlet] Vk 42: imp. rom] > imperium romanum 42: leistung] Vk 44: Kräft] nach unvollständiger Korrektur > Kraft

15.05.15

32

einer Organisations =Form, in der das Leben

2

gedieh, eine kleine Ewigkeit zu geben, den Vernunft

4

ertrag von Jahrhund. der Mühe u. der Unsicherheit heimzubringen aus

6

aus Fehlgriff, Versuc h, Selbstüberwindung aller Art zum längsten langer Mühsal u Unsicherheit, aber ebenso

8

Vortheil heimzubringen: so schreibt sie der Gegen=Zweck des Christenthums

10

als seine furchtbare Anklage an die Wand der Geschichte. Das

12

Christenthum wollte gerade diese Ernte, diesen Vernunft - ertrag, die

14

erreichte Organisationsform, in der das Leben gedeiht, in Grund

16

u Boden zerstören – es hat das imp rom zerstört …

18

einer Organisations =Form, in der das Leben gedieh, eine kleine Ewigkeit zu

20

geben, den Vernunft -Ertrag aus Zeiten langer Unsicherheit u. Mühsal zum fernsten

22

Nutzen heim ein heimzubringen anzulegen u. die große Ernte von ihnen

24

heimzubringen

26

Das Chr. war der Vampyr des imp. rom.

Typen der décadence, beide unfähig, anders als auflösend vergiftend, verkümmernd, blutaussaugend zu wirken …

W II 8

28

) 29,2

30

40 )

32 34 36

die Welt“ dh. heißt das imp. rom. zu vernichten u keinen Stein in

38

ihm auf dem anderen zu lassen. Der Christ u der Anarchist: beide

40

) 30

8: Anschluß zu 31,8 10: sie] > sich 34: verkümmernd] Vk 38: die] > „die 38: dh. heißt] > das heißt S. 33-34 unbeschrieben

W II 8a 1-41.indd 35

15.05.15

W II 8

W II 8a 1-41.indd 36

35

15.05.15

W II 8a 1-41.indd 37

15.05.15 16: schwerste] > Schwerste 22: siegte] Vk 28: er er] > er

Entwurf zu letzter Wille (Dionys Dithyramben) rote Tinte

,

$

wie ich ihn einst sterben sah –,

4

so sterben,

2

göttlich in meine dunkle Jugend warf:: –

8

den Freund, der Blitze u. Blicke

6

st schwer, nachdenklich, vordenklich

20

auf seinem Schicksal ein Schicksal stehend

18

unter Siegern der schwerste

16

unter Kranken der Heiterste,

14

in der Schlacht wie ein Tänzer

12

muthwillig u. tief,

10

Kriegern

hart,

!

u er er befahl, daß man vernichte …

28

befehlend, als er starb –

26

jauchzend darüber, daß er sterbend siegte

24

erzitternd darob, daß er siegte

22

siegend u vernichtend …

34

wie ich ihn sterben sah:

32

So sterben,

30

36

W II 8

W II 8

37

$

Ecce Bleistift

geschah.

2

4

ein gänzliches Mich - nicht - mehr -Verstehen, legte sich aus dem tiefsten u heil-

6

kräftigsten Instinkt des Lebens wie ein Schleier über mich. Man hätte damals mir

8

beweisen können, daß ich der Vater Z. sei: wer weiß, ob ich geglaubt hätte? –

10

Jedenfalls wollte ich das Buch nicht mehr sehen, ich besaß es ein paar Jahre

12

nicht. In einem unvorsichtigen Augenblick, als ich, mitten in der Stille

14

des Oberengadin, zufällig Druckbogen daraus wiederfand, war das über

16

mich zusammenstürzende Gefühl so stark, daß ich in Thränen ausbrach

18

u. zwei Tage krank lag. –

+

es

Und das erfüllte sich. Eines Tages war ich mit Allem fertig. Eine Fremdheit,

wecken

22

24

26

28

v

30

32

Und in der That, es hatte Gefahr in sich, mich hierin aufzu= wecken. Aber man höre doch, was Z. selber zu verstehen, – was er

*

20

Warum ich so gut schreibe

insbesondere seine dritte Menschen - Klugheit nannte.

Was hat doch Zarathustra selber gesagt p. 95. Was immer er seine dritte Menschen-Klugheit Und wahrlich, ihr Guten u Gerechten, an euch ist Viel zum Lachen u zumal eure Furcht vor dem, was bisher Teufel hieß

kein Bedürfniß

6: über] ¿ 8: daß ich] aus unvollständiger Korrektur 8: ob ich] > ob ich es 14: Druckbogen] ¿ 16: Thränen] Vk 22: verstehen] ?, >? verstehen gab

W II 8a 1-41.indd 38

24: schreibe] ¿ 33: zu 38,43

15.05.15

38

Zwische Von diesen zehn - tägigen Perioden nzeiten abgesehen, waren die 4 Jahre während u nach dem Z. ein Nothstand ohne Gleichen. Man büßt es schwer, unsterblich zu sein: man stirbt dafür mehrere Tode Es giebt Etwas, daß ich die rancune des Großen nenne: alles Große,

W II 8

Akten

4.

Werk, That, –

bei Lebzeiten. –

2 4 6

8

ein Werk, eine That –, die Größe hat – wendet sich, vollbracht, unverzüglich

10

gegen den, der sie that. Eben damit, daß er es that, ist er nunmehr

12

aus

schwach, – er hält seine Thaten nicht mehrA, er sieht ihr nicht mehr

14

in s Gesicht … Etwas hinter zu sich zu haben, das man nie wollen durfte, Etwas

16

ist nunmehr fühlt mans auf sich

worin vielleicht das Schicksal der Menschheit eingeknüpft – und sich schwach fühlen ..

18

es zerdrückt beinahe ..

Die rancune des Großen!.. Ein Anderes ist die unbeschreibliche Stille,

20

. a

um sich

die man hört. Die Einsamkeit hat sieben Häute: es geht

22

nichts mehr hindurch. Man kommt zu Menschen, man begrüßt Freunde. Neue

24

Öde. Kein Blick grüßt mehr. Im besten Fall eine Art Revolte. – Eine

26

solche Revolte erfuhr ich, in sehr verschiedenem Grade, aber fast von Jedermann der

28

mir nahe stand nahe stand. Die M. hassen nichts mehr als ein plötzliches

30

Sichtbarwerden von Distanz, wo sie an gleiche Rechte glaubten. – In einzelnen

32

der

einen Fremden

,k

meinem

Fällen, wo ein Zufall Fernerstehende{mit meinem Z. in Berührung brachte,

34

bekam ich sofort Wuth u. Gift als Antwort: ich schmeichle ihnen sogar

36

wenn ichs Gift nenne – es war etwas Anderes, es roch schlecht … Diese Jahre

38

waren die wundenärmstenreichsten, die trostärmsten meines Lebens: es war ein

40

E

so Etwas

tiefer Mißgriff psychol. Mißgriff, zu glauben, daß das Bewußtsein, solcher gethan zu haben,

42

ein Bedürfniß wie

Thaten einen obenauf hielte. Man hat umgekehrt keinen höheren Wunsch

44

nach einer Genesung von seiner That:

als das Bewußtsein abzuschütteln: das Vergessen können, das Sich selbst

46

allein

nicht mehr verstehen; u. denn unser Recept istA, daß man sie vergißt ..

6: daß] > das 12: es] > sie 16: hinter zu] Vk, > hinter 30: nahe stand nahe stand] > nahe stand 30: plötzliches] Vk 34: Z.] Durchstreichung?

W II 8a 1-41.indd 39

48

36: ihnen] Vk 48: Recept] Vk

15.05.15

W II 8

39

$

Ecce Bleistift

3. 2

. –

seltsamer u.

Ich lag einige Wochen hinterdrein in Genua krank. Dann folgte ein schauderhafter wo ich das Leben hinnahm.

dort

zu laut etwas Taubstummes war xxxxxxxxxxxxx

4

Frühling in Rom{. Im Grunde war mirAAlles gleich;AEine Melodie gieng damals

6

um mich herum, deren letzten Sinn ich in den Worten hörte „hin zur Un

8

sterblichkeit“ Ich wohnte an der piazza Barberini; auf einer loggia hoch Lied

10

12

14

über ihr ist das einsamste Gedicht entstanden, was vielleicht gedichtet worden ist Nacht ist es, nun reden lauter alle springenden Brunnen. Aber auch meine selbst

– ich suchte, wo ich michAnoch hören

16

um

18

konnte. Eine Melodie gieng beständig

20

mich, herum, deren letzten Sinn ich in dem ihrem

22

Refrain hörte „hin zur Unsterblicheit“. Ich Ein Versuch mit

24

wechseln, unter

M

26

anderem mit 28

.

30



32

Aquila im

mir

Meine Versuche den Ort zu

mit

ein ander mal Aquila; ich fürchte daß einmal, ganz harmlos, im palazzo Quirinale angefragt habe, ob es hier nicht ein

den Abruzzen ehedem;

stilles Zimmer gebe. Um diese Zeit wohnte

34

ich an der piazza Barberini. Auf einer

36

loggio hoch über derselben, wurde jenes einsamste

38

Lied gedichtet, was vielleicht je aus einem

40

einsamen Abgrunde meiner Einsamkeit

wo man Rom übersieht

das

Nachtlied betitelt ist: ein einsames Abgrund der Einsamkeit

42

das vielleicht je gedichtet worden ist.

44

Nacht ist es nun reden lauter alle springenden Brunnen.

2: lag] ¿ 8: piazza] ¿ 16: hören] Vk 18: mir] aus unvollständiger Korrektur 20: mich] nach Korrektur des Kontextes > nach 26: daß] > daß ich 29: im] > in

W II 8a 1-41.indd 40

31: Abruzzen] ¿ 31: ehedem] ? 34: Barberini] Vk 36: loggio] > loggia 37: betitelt] ¿ 44: Nacht] ¿

15.05.15

40

$

W II 8 Ecce homo Bleistift

heiligen

Im Sommer, heimgekehrt zu jener Stelle, wo der erste Blitz des

2

Zarathustra-Gedankens geleuchtet hatte, fand ich den zweiten Theil Zarathustra.

4

Zehn Tage genügten: ich habe in keinem Falle, weder beim ersten, noch beim

6

dritten Z. mehr gebraucht. Im Winter darauf, unter dem halkyonischen

8

diesen Winter

leuchtete

Himmel Nizzas, derAzum ersten Mal in mein Dasein hineinmalte

10

fand ich den dritten Zarathustra – u war fertig. Etwas vom Entscheidendsten

12

davon die alten u neuen Tafeln dichtete ich im beschwerlichsten Aufstieg

14

von der Station Eza nach diesem wunderbaren Maurenneste in den Felsen

16

: – die Muskel-Behendheit war bei mir immer am größten, wenn die

18

am reichsten floß.

+

schöpferische Kraft am lebendigsten war. Ich konnte damals, ohne einen

20



Begriff von Ermüdung, 7, acht Stunden auf Bergen unterwegs sein:

22

ich schlief gut, – ich war von einer vollkommenen Rüstigkeit u. an

24

* Man hat mich oft tanzen sehen

Leib u Seele. 2.

26

können davon

– Hat Jemand, Ende des 19 Jh., einen deutlichen BegriffA, was alte Dichter Inspiration nannten? Ich will’ s ihm beschreiben. – der starken Zeiten

Andernfalls will ichs ihm beschreiben. –

28

30

32

10: hineinmalte] ? 12: Entscheidendsten] ¿ 19: reichsten] Vk 25: tanzen] Vk 28: Ende des] ¿

W II 8a 1-41.indd 41

15.05.15

W II 8

41 wieder im Herbst 1886

kleine vergessene

2 4

Ecce Bleistift

6

$

ich war zufällig wieder dort, als er das letzte Mal in dieser friedlichsten Stille der Erde weilte.: –

diese Welt von Frieden Glück besuchte. –

1.

friedfertigsten S

Ich erzähle nunmehr die Geschichte des Zarathustra. Die Grundconception des Werks – der Ewige höchste

8

die erreicht werden kann

Wiederkunfts -Gedanke, diese Formel der Bejahung, par excellence gehört in den August des

12

1888: er ist auf einen Zettel geschrieben, mit der Unterschrift: 6000 Fuß über allen jenseits von Mensch u Ort Welt. Ich gie ng am See von S. durch den Wald; an einem mächtigen menschlichen Dingen. Ich gieng

14

pyramidal aufgethürmten BlockAmachte ich Halt. Da kam mir dieser Ged. Rechne ich

16

von jener Zeit Tage bis zur plötzlichen u unter den unwahrscheinlichen Verhältnissen eintre

18

tenden Niederkunft im Feb. des Jahres 1883 – der Schluß = des Werks wurde wie

20

ich mit absoluter Sicherheit festgestellt habe, in der halben Stunde geschrieben, in der

22

Wagner in Venedig starb: so ergeben sich achtzehn Monate für die Schwangerschaft.

24

Diese Zahl gerade von 18 Monaten dürfte den Gedanken nahe legen, unter

26

Buddhisten zum Mindesten, daß ich im Grunde ein Elephanten -Weibchen bin. –

28

In diese Zwischenzeit gehört die „gaya scienza“, die hundert Anzeichen eines

30

von der der Nähe von Etwas Unvergleichem hat; zuletzt giebt den Anfang des

32

Zarathustra selbst, sie giebt im vorletzten Stück den Grundgedanken des Zarathustra

34

Hören wir, wie er sich selber ausnimmt. –

10

auf der in der Nähe von Surlei

Seite

g

sie

(für Chor u Orchester) 36

Insgleichen gehört in diese Zwischenzeit jener Hymnus auf das Leben, dessen

38

Partitur vor 2 Jahren erschienen ist: ein nicht unbedeutender Wink über

40

den Zustand jenes Jahres, wo eine Art von jenes Pathos, das ich tragisch

42

nenne, im höchsten Grade mir innewohnte. Der Text, dieses Hymnus ist, aus-

44

drücklich bemerkt, um einem Mißverständniß hierüber nicht Dauer zu geben, ist nicht

46

von mir: er ist die ausgezeichnete Hervorbringung einerARussin, mit der ich damals Umgang

bei E W Fr in Leipzig

vielleicht

Symptom

jasagende

par excellence

hierüber

merkwürdige Inspiration

jungen

erstaunliche Inspiration

1-5: zu 42,2 2: diese] ¿ 10: 1888] > Jahres 1881 12: S.] > Silvaplana 16: von] Vk 16: unwahrscheinlichen] > unwahrscheinlichsten

W II 8a 1-41.indd 42

30: Unvergleichem] > Unvergleichlichem 34: selber] ¿ 37: E W Fr] > Ernst Wilhelm Fritzsch 37: Leipzig] ¿ 47: Inspiration] Vk

15.05.15

42

D. näher gerückt; ich selbst war bei seinem letzten Aufenthalt an diesem herrlichsten Ort der Welt

2

W II 8 46 )

gleichfalls

$

Ecce Bleistift

überhaupt

hatte, des Fl. Lou von Salomé. Wer den letzten Worten des Gedichts einen

4

Sinn zu entnehmen weiß, wird errathen, warum ich gerade dies Gedicht vorzog

6

u. bewunderte: der Schmerz gilt nicht als Einwand gegen das Leben … Den

8

darauf folgenden Winter lebte ich in jener schwermüthig-stillen Bucht von Rapallo

10

Cagliari u

die sich zwischen{dem Vorgebirge von Portofino u. dem einschneidet. Meine

12

selbst der Winter war kalt u. regnerisch;

ge

Gesundheit war nicht die beste; eine laute Wohnung, Nahrung, Nachtruhe

14

ein kleines Albergo, unmittelbar am Meer ge

16

beinahe

legen, so daß die hohe See Nachts den Schlaf unmöglich machte, bot in Allem ungefähr ungefähr

18

werthen

das Gegentheil des Wünschens. Trotzdem u beinahe zum Beweis meines Satzes, daß

20

baren

Thaten, Werke, Männer

alle entscheidenden Dinge (die sog. großen Männer eingerechnet) vollkommen unabhängig Gunst u Ungunst

„Zeitgeist“

22

unabhängig

von Zufällen; Nothständen, Widerständen, „öffentl Meinungen“ u. anderen in die Welt treten, daß für sie der Augenblick der Entstehung nichts beweist, nichts zu thun hat, mit dem was

24

26

entsteht, war es dieser Winter u diese Ungunst der Verhältnisse, unter denen der Z.

28

entstand.

30

Trotzdem u. beinahe zum Beweis für meinen Satz, daß daß es sein trotzdem in

32

alle alles Entscheidenden „trotzdem“ entstehe, war es dieser Winter u die Ungunst dieser Verhältnisse, unter denen

34

mein Z. entstand

36

stieg

entstand. Den Vormittag gieng ich in südlicher Richtung auf der herrlichen Straße nach Zoagli in die Höhe, an Pinien vorbei u. weitaus

e e

38

d

40

das Meer überschauend: des Nachmittags, so oft es mir die Gesundheit erlaubte,

42

u diese Ortschaft

umgieng ich die ganze Bucht von St. Margherita bis hinter nach Portofino. Dieser

44

fühlte

Weg ist durch die große Liebe, welche Kaiser Fried. III für sie bezeigte, den Herzen der

2: herrlichsten] ¿ 4: Fl.] > Fräulein 6: dies] Vk 6: vorzog] ¿ 11: Cagliari] > Chiavari 16: unmittelbar] ¿ 18: Schlaf] Vk 19: werthen] ¿

W II 8b 42-107.indd 41

46

)2

22: entscheidenden] ¿ 25: treten] ¿ 30: Beweis] ¿ 32: sein] ? 36-38: entstand entstand] > entstand 40: herrlichen] ¿ 40: Zoagli] ¿ 44: Margherita] ¿

15.05.15

W II 8

43

$

Ecce Bleistift

2

3.

Zuletzt Ich sage zugleich, vorläufig, ein allgemeines Wort über meine Kunst des die

4

eingerechnet das 6

Spannung von

eines

auch durch

Stils. Einen Zustand, eine innere Attitüde des Pathos durch Zeichen, durch dieser

u

ein tempo der Zeichen, mitzutheilen – das ist der Sinn jedes Stils; noch in

Anbetracht der 8



der Vielheit innerer Zustände giebt es demgemäß viele Möglichkeiten von

10

Stil. „Guter Stil“ ist jeder Stil, der den inneren Zustand wirklich

12

mittheilt. … immer nochA, wie sich versteht, auch solchen, die überhaupt

14

fähig des gleichen PathosAsind. Mein „Zarathustra“ zum Beispiel sucht

16

einstweilen nach Solchen, – ach! er wird lange zu suchen haben – :

vorausgesetzt

daß es

giebt

fähig

man muß dessen

st

bis dahin

Niemanden geben

20

die{werth sind, ihn zu hören. Und vorher wird es auch Niemanden die Kunst die hier verschwendet ist – geben, der begreift, daß hier das neueste u. unerhörteste Kunstmittel

22

verwendet ist, das je ein Dichter, ein Genie der Kunst der

24

Mittheilung verwendet hat,

18

– es hat nie Jemand vorher vor mehr an erhörten

mirAdie unxxxxxxxxx Kunstmittel

26

verschwenden können ..

28

30

Daß dergleichen mit deutscher Sprache möglich war,

32

war zu beweisen, – ich selbst hätte es am härtesten vorher abgelehnt.

34

Man weiß vor mir nicht, was ka man mit deutschen Wörtern kann … Die

36

Kunst des Rhythmus, die Periodik,, die periodische Symbolik zum Ausdruck

38

des

40

entdeckt. Mit einem Liede wie dem letzten des dritten Theil Z.

42

die „sieben Siegel“Afordere ich alle die Dichter aller Jahrtausende in die Schranken.

vorher der

großen

eines s

Sprache

der große Stil in der Periodik von sublimer

ungeheuren inneren Auf u Nieder höchster Leidenschaft ist von mir erst Hymnus

überschrieben,

18: sind] nach Korrektur des Kontextes > sein 36: Rhythmus] Vk 38: inneren] ? 39: Hymnus] ¿

W II 8b 42-107.indd 42

15.05.15

44

$

W II 8

Ecce Bleistift

man wird aus den letzten Worten entnehmen warum ich das Gedicht vorzog u. bewunderte:

4

der Schmerz wird nicht als Einwand gegen das Leben

6

gefühlt, – im Gegentheil …

8

das

Hervorbringung

2

nicht

Der Text, damit darüber kein MißverständnißAfortdauert,

10

ist nicht von nicht: es ist die ausgezeichnete Hervor-

12

Leistung einer Russin, die

14

bringung

mit der der ich damals Umgang hatte, des Fl. Lou

16

von Salomé.

18

Zuletzt, ins Große gerechnet, waren auch noch diese Erfahrungen unschätzbar. Der

20

Schmerz ist für mich kein Einwand; u insofern der Schmerz ein Thorweg, durch den

22

man zu neuen Erkenntnissen eintritt, wird er sogar heilig … Für den, der

24

die Aufgabe auf sich, den großen Krieg gegen die Tugendhaften zu als der Erste zu

26

an Erfahrung

beginnen, war EinigesAunerläßlich u selbst wünschenswerth, sei es selb auch, daß es jedem

lebensgefährl. im untersten Sinn des Wortes war

die Gefahr keine kleine war, sich selber u seine Aufgabe dabei einzubüßen.

12: von nicht] > von mir 16: der der] > der 16: Fl.] > Fräulein 22: Thorweg] > Thorweg ist 22: durch] ¿ 26: sich] >? sich hat

W II 8b 42-107.indd 43

28

30

26: großen] Durchstreichung?

15.05.15

W II 8

45

1)

2

stellen,

4

überfielen mich damals die Kleinheiten des M. bis zur

6

hi

Und wie um mich über mein Ja zum Leben auf die Probe zu

Seekrankheit am Leben. Denn man es erwäge ernst:

8

10

die Kleinheit des M bleibt der schlimmste Einwand, –

12

mit allem Furchtbaren wird man fertig, weil es Größe hat. am M

3.

14

,

Mir graute damals vor meinem eigenen Gedanken: wie? die

16

ewige Wiederkunft, die auch ewig all das Kleine

18

Erbärmliche „Tugendhafte“ wieder herauf bringt?…

immer

3, S. 97, 4 Verse

20

2) 22

Um jene Zeit machte ich meine reichlichste Erfahrung über die sogenannten guten:

24

Menschen: es ist nicht auszurechnen, was sich Alles unter dem Anschein eines

26

Kampfes gegen das Böse von schlechten, von rachsüchtigen, vonArücksichtslosen

28

Instinkten versteckt. Die andere Seite – nicht weniger verhängnißvoll: diese

30

„guten Menschen“ erwecken Zutrauen, man glaubt an „blaue Augen“ u

32

andere Weiblichkeiten. Und, hinterdrein besehen, schuf diese im Guten

34

Instinkt gewordene Unwahrhaftigkeit, dies Nicht sehen - Wollen des Wirklichen

36

um jeden Preis, das Übertünchen von Mensch u. Dingen mit „Rosenfingern“

38

des Ideals Unheil über Unheil an …

vollkommen

zweite

ies Anfassen

den

6: damals] ¿ 8: es erwäge] > erwäge es 26: rachsüchtigen] ¿ 36: Mensch] Vk 38: Unheil an] > Unheil

W II 8b 42-107.indd 44

15.05.15

46

Und wie um mich auf die Probe zu stellen, was es mit meinem Ja zum Leben habe

die

mit

W II 8

2

Seekrankheit am Leben

auf sich, überfielenBmich die Kleinheiten des Menschen bis zumAÜbelriechenden

4

mich das Leben

: – u der schlimmste Einwand bleibt die Kleinheit, – man wird

6

mit allem Furchtbaren fertig, weil es Größe hat … In jener

8

reichste

darüber, was im Grunde der

Zeit machte erhielt gewann ich die bösartigste Erfahrung über das was man sogenannte

10

wie viel

werth ist

den „guten Menschen“ heißt, – es ist nicht auszurechnen, was sich Alles unter

12

dem Anschein eines Kampfes gegen das Böse von schlechten, von rachsüchtigen,

14

von vollkommen rücksichtslosen Instinkten verbirgt. Die andere Seite –

16

nicht weniger verhängnißvoll – : man traut diesen „guten Menschen, man glaubt

18

an „blaue Augen“ u. andere Weiblichkeiten. Und, hinterdrein be

20

im Guten

sehen, richtete dieseAInstinkt gewordene Unwahrhaftigkeit, dies Nicht

22

sehen-Wollen des Wirklichen, dieses Fehlgreifen über Mensch u

24

Dinge aus „rosenrother“ Unschuld Unheil über Unheil an …

26

„lilienweißer“

Man erinnert sich der Katastrophe im Einsiedler = Glück des Za-

28

rathustra, seiner sieben Tage Krankheit, nachdem er seinen

30

„abgründlichsten Gedanken“ herauf gerufen hat. Weiß man, welcher

32

dieser Gedanke ist? „Ewig kehrt er wieder, der M, deß du müde

34

bist, der kleine Mensch“…

36

Der Überdruß am M

bis ach Ekel! Ekel Ekel.

38

erinnerte sich seiner Krankheit

8: fertig] ¿ 18: verhängnißvoll] ¿ 18: Menschen] > Menschen“ 22: dies] ¿ 26: Unschuld] ¿ 28: Katastrophe] ¿

W II 8b 42-107.indd 45

36: bist] Vk

S. 47-54 unbeschrieben

15.05.15

W II 8

55

allen 2

redet

zu ist

Daß man aus meinen Schriften einen Psychologen herauserkennt, der nicht seines Gleichen hat,

4

ist vielleicht die erste Einsicht, zu der ein aufmerksamer Leser – einer der mich liest

6

wie gute alte Philologen ihren Horaz lasen – gelangen wird. Die Sätze, worüber

8

im Grunde alle Welt einig war, von den Aller = Welts =Philosophen gar nicht

10

zu reden, den Moral =Philosophen, erscheinen bei mir als Naivetäten des Fehlgriffs:

12

zb. besteht ein Gegensatz von „egoistisch u „unegoistisch“ oder „der Mensch

14

strebt nach Glück“ oder „das Glück ist der Lohn der Tugend““ oder

16

daß Lust u Unlust Gegensätze sind sein sollen … Die Circe der

18

Menschheit, die Moral, hatte alle psychologica in Grund u Boden ge-

20

fälscht – bis zum schauderhaften Unsinn, in der Liebe einen Ausdruck

22

des „Unegoistischen“ zu erkennen … Wer nicht fest auf sich sitzt, wer

24

nicht tapfer auf zwei Beinen steht, der kann gar nicht lieben – das

26

wissen die Weiblein nur zu gut … Man gestatte mir die Behauptung

28

daß über das Weib Niemand tiefer, radikaler, unabhängiger geschrieben

30

hat als Nietzsche. Aber es es ist ein Maß der psychol. Tiefe etc. …

32

Euch,

34

wie die Herren Pariser die das Weib als Krankheit für die Lösung

36

vom Problem des Weibes nehmen: man muß ein wenig unsere Geschichte des

38

Weibes, kennen auch Ethnolo

Glaube an

ie …

das Urtheil über das Ewig Weibliche

Herren Gelehrte, Man muß hier nicht aus dem Winkel urtheilen

sein sollte, ist historisch damit u

40

6: lasen] ¿ 8: einig war] ¿ 10: Philosophen] ¿ 12: egoistisch] > egoistisch“ 20: Ausdruck] ¿ 22: Unegoistischen] ¿

W II 8b 42-107.indd 46

Daß an sich das Weib das „schwächere“ Geschlecht

30: es es] > es 32: Euch … Gelehrte] ? 32: urtheilen] ¿ 38: Weibes, kennen] > Weibes kennen, 40: ist] ¿

15.05.15

56

W II 8

wie das ego selbst ein „höherer Schwindel“, ein bloßes „Ideal“ ist

ethnologisch damit widerlegt, daß fast überall Culturformen sich finden, wo

2

die Herrschaft beim Weib ist. Es ist ein Ereigniß, wenn man will, eine

4

Entscheidung im Schicksal der Cultur, daß das Weib zuletzt unterlag, –

6

daß alle Instinkte des Unterliegens darob übereinkamen, zweifeln wir nicht

8

klug,

listig

daß es seitdem nur bezaubernd, interessant, ein Filigran von

10

krausen u. seltsamen Dingen ist

12

unbegreiflichen u. angenehmen verborgenen Dingen Psychologie ist … Was würde

14

die Mh. Mann sich langweilen, wenn das Weib nicht ein Genie der

16

würde man sich langweilen,

Unterhaltung u. Anmuth ge-

18

worden wäre … Auch in

20

Bosheit: unterschätzen wir die

22

erster

Bosheit nicht … Es ist mein Einwand

24

gegen den christlichen Himmel, daß die Engel

26

nicht boshaft sind …

28

1: zu 55,12 6: Entscheidung] ¿ 12: krausen] ? 26: Himmel] ¿ S. 57-64 unbeschrieben

W II 8b 42-107.indd 47

15.05.15

W II 8

65

$

Ecce Bleistift

die Frage „wie hast du dich zu ernähren?“ Ich komme zu einem

2

Die Ernährung, ein Problem, das, wie bekannt, etwas ernsthafterer Natur ist, als das

4

der Religion oder der Moral u. andere Leichtfertigkeiten das Problem vom Dasein Gottes Frage, welche Religion Jemand

6

8

zum Problem der Ernährung. Es ist, in Kürze die Frage

u andere Christlichkeiten – die Frage, kurz gesagt: wie hast du dich zu ernähren? von moralinfreier Tugend

10

um dein maximum von Kraft, von virtù im Renaissance =Sinne, zu erreichen

12

– die Ernährung $

Ecce Bleistift

Ich komme zu einem Problem, das, wie bekannt, etwas ernsthafterer Natur ist,

14

16

als das Problem vom Dasein Gottes u andere Christlichkeiten, – zum Problem der Ernährung.

18

Es ist, in Kürze, die Frage: wie hast du dich zu ernähren, um dein

20

maximum von Kraft, von virtù im Renaissance=Sinne, von moralinfreier

22

Tugend zu erreichen?… Meine Erfahrungen hierbei sind so schlimm wie möglich: ich

24

bin erstaunt, gerade hier nicht früher zur Vernunft gekommen zu sein. Nur die völlige Nichtswürdigkeit

26

Erziehung

Verlogenheit der deutschen Bildung, welche von Anfang an die Realitäten aus den Augen verlieren lehrt

28

lehrt, um völlig problematischen Zielen, zb. „klassischer Bildung“ (– ein klassisch ge

30

bildeter Leipziger! ich bitte …) nachzujagen, rächte sich erklärt mir einigermaßen,

32

weshalb ich hier gerade rückständig bis zur Heiligkeit war. Ich habe, bis zu meinen „reifsten“

34

Jahren, immer nur schlecht gegessen, will sagen „unegoistisch“, „altruistisch“ „un-

36

„persönlich“ – Leipziger Küche zum Beispiel … Sich zum zum Zweck unzureichender

38

Ernährung auch noch den Magen verderben – dies Problem löstAzum Bewundern die

40

Leipziger Küche, – sie „verneint“ den Willen zum Leben. Derart erlöst studirte

42

ich Schopenhauer. –

man denke sich!

mir

2: als das] ¿ 16: Christlichkeiten] ¿ 26: Verlogenheit] Vk mit Tinte der letzten Korrektur 32: reifsten“] Vk 36: Sich zum zum] ¿, > Sich zum 38: löst] Vk

W II 8b 42-107.indd 48

40: studirte] Vk

15.05.15

66

Distanz =Gefühl

W II 8

das zuletzt physiologisch sein möchte

Ein physiol. Widerstands{ = GefühlAbin ich in der allernächsten Nähe W’ s nie los

2

geworden: ich empfinde die Distanz, reinlicher zu sein in jedem Verstande, gleichsam

4

unvers

6

unvermischbar u. obenauf im Vergleich zu einem trüben Elemente

8

geradezu viehische Zu-

unvermischbar u. o

10

38 )

gießung der Alcoholica, Mein Vorrecht, mein Voraus vor den M. überhaupt ist, in

12

einer Menge

einer Fülle unerlebter Welten zu Hause gewesen zu sein: wer meinen

14

in einer Fülle von unerlebter Zustände zuerst gelebt zu haben

selber darin Z. Zeile für Zeile liest, wird hierin Unterscheidungen machen machen.

16

seltener u. neuester Zustände

eine Fülle neuer u. seltener Zustände von höchster Reinheit erlebt zu zwischen

18

u

haben, wo einen Geist oder eine Seele zu benennen ein Cynismus wäre

20

höchster

eine Fülle seltener u. neuester Zustände erlebt zu haben, in Bezug auf welche

22

zwischen Geist u Seele zu trennen ein Cynismus wäre. Unzweifelhaft

24

muß man Philosoph sein, tief sein bis zum Schrecklichen, um in diese

26

Lichtfülle hinauszutreten: aber die Richtigkeit des Gefühls, die

28

lange Tyrannei einer großen Aufgabe sind die noch wesentlicheren Vorbe-

30

dingungen zu dazu.

32

Diät=

Die deutsche Küche hat seit al die drei größten Dummheiten auf dem Gewissen, die

34

Suppe vor der Mahlzeit (man hieß das ehedem in Italien alla tedesca), die ausge-

36

kochten Fleische u. die schweren Mehlspeisen. Rechnet man noch die

38

2-12,22-32: KGW VIII 22[29]

W II 8b 42-107.indd 49

)9

2: W’s] > Wagner’s 8: unvermischbar] ¿ 11: Alcoholica] ¿ 14: Welten] Vk 20: benennen] nach Korrektur des Kontextes > trennen 36: tedesca] Vk

15.05.15

W II 8

67 ) 10

ie

2

Im Punkte der Hygiene habe ich meine bösesten Fehler gemacht: jene fehlerhafte Bescheidenheit , das Wort weit u fein genommen

2)

4

Sehr bedingt u. nur unter einem ausgesuchten u. feinen System von Gewohnheiten zu sich selbst

6

zurückkommend, will sagen zu seiner Aufgabe, zum Recht, zum Wohlgefühl an seiner

8

Aufgabe welche in Deutschland beinahe Tugend selber heißt u.

10

Gleich=

mit

12

sich die{Behandlung wie Jedermann nicht nur zugesteht, sondern

14

anbefiehlt, war im Grunde das Unglück meines Lebens.

xxxxxxxx

Und gerade sie habe ich bei weitem zu theuer erkauft: daß

16

jeder Wink

18

* selbst ein Vorbild

20

gefehlt hat

Rath u Zuspruch

Zufall *

einer selbsteigenen

in diesem Punkte jede Erziehung, jeder Ansatz zur Erziehung meiner Jugend

fehlt, rechne ich unter die größten Verhängnisse unserer Art Cultur

22

Das maximum an Kraft, das ein undurchschnittl. Mensch erreicht,

24

ist im strengsten Sinne bedingt durch fünfzig Klugheiten des Alltags-

26

Lebens: hier sich vergreifen, hier mit nur 49 selbst eine

28

Einzige Dummheit eine Gewöhnung werden kann ein Dasein

30

um seine höchste Erfüllung betrügen. Die höhere Obhut

32

über sich selbst – von unserer Moral nicht gelehrt u beinahe

34

als „feinerer Egoismus“, abgelehnt, in Verruf gebracht –

36

ist für mich der Inbegriff der Pflicht selbst geworden:

38

man taugt etwas, um den Preis, in jenem Sinne jener Obhut

40

unerbittlich gegen sich zu sein. Der Rest folgt daraus: steht Je-

42

mand wieder auf seinen eigenen Beinen u. auf dem Schicksale seiner Aufgabe,

44

so hat er auch seine Art von Menschen =liebe, – er weiß,

seines

u sich sich an Einem Punkte in jenen Gewöhnungen zu vergreifen

bei

wieviel er gerade im großen Sinne nützlich ist, wieviel er allein

46 48

nützlich sein kann …

4: zu] Vk 6: Recht] Vk 12: Jedermann] ¿ 20: gefehlt] Vk 24: fünfzig] ¿ 26: Lebens] ¿

W II 8b 42-107.indd 50

26-28: hier … werden] ? 27: sich sich] > sich 35: bei] > beinahe 38: jener] ¿ 40: sich] ¿ 42: seinen] Vk

15.05.15

68

Im Punkte der Hygiene habe ich meine bösesten Fehler gemacht, u. den Mangel an Vernunft so weit getrieben

2

Sich zum Zweck unzureichender Ernährung auch noch den Magen verderben:

4

W II 8

sagen wir die deutsche wie sie wenigstens im Norden noch

dies Problem löst zum Bewundern die Leipziger{KücheA. Auch die englische

6

beschaffen war.

die ich später

Diät, wie ich sie nur zu lange durch meine Nizzaer Hotel =Erfahrungen kennen lernte,

8

scheint mir meinem Instinkt tief zuwider: – ich meine, daß sie den Geist schwerfällig

10

u. englisch macht. Daß mir Alcoholica nachtheilig sind u im Grunde ein

12

an sich

Glas Wein oder Bier des Tags völlig ausreicht, mir das Leben unerträglich zu u es zu „verneinen“

14

als

machen, habe ich ein wenig spät erst in meine Welt ein Ich habe überall, wo ich bis gelebt

16

begriffen, – erlebt hatte ich es eigentlich

schlecht gegessen, will sagen

von Kindheit an. Als Knabe glaubte ich, Weintrinken „unpersönlich“, „altruistisch“ sei wie Tabakrauchen bloß eine vanitas junger Leute –

18

20

22

Zu glauben

u später eine Angewöhnung … Daß der Wein erheitert,

24

dazu müßte ich Christ zu sein, will sagen glauben

26

eine Absurdität ist

was für mich nicht wahr ist … Seltsam genug, bei einer Verstimmbarkeit

Verstimmbarkeit

28

durch

extremen Irritabilität gegen kleine Dosen Alkohol bin ich unerschütter-

30

seemännischen

lich beinahe gegen starke Dosen: und mit einem Grog wirft

32

seemännischen Kalibers

vom Kaliber wirft man mich am wenigsten um … liebe ich freilich dafür das Wasser.

34

.–

liebe ich auch freilich

Jetzt, in der Mitte meiner „Weisheit“ trinke ich sehr oft Wasser

36

– ich liebe Orte, wo man überall Gelegenheit hat, aus

38

fließenden Brunnen zu schöpfen (– Nizza, Turin zb.)

40

Nachts

ich trage immer ein Glas bei mir .. NichtAaufwachen, ohne

42

einen Schluck Wasser zu trinken … Ich werde nie zugeben

44

Meine Wahrheit ist: heißt:

in vino veritas. der Geist schwebt über dem Wasser …

46

:

48

5: Norden] ¿ 26: Christ zu] > Christ 45: Meine] Vk 46: dem] Vk

W II 8b 42-107.indd 51

15.05.15

W II 8

69 viel Mangel so arger Mangel aus Distanz -Gefühl 70,40 )

2

u Feindseligkeit. Es ist so viel Zudringliches, im Glauben, wohlthun zu können

4

: ich habe öfter das Wohlwollen =wollen unter den allgemeinen Begriff der

6

Brutalität gefaßt

thun=

70,1 ) Es

u. Wo

Es sind junge lüderliche Burschen von xxxxxxxxx zu Besuch Gelehrten, unter dem Vorwande mich zu verehren xxxxxxxxx zu mir gekommen, um mich „anzupumpen“

8

10

12

Woran ich nie gelitten habe: „unerkannt“ zu sein, nicht gelesen zu werden Noch in meinem 45 ten Jahre geben mir Gelehrte der Berliner Universität

14

in aller Gutmüthigkeit zu verstehen, die litterarische Form meiner Schriften sei

16

der Grund, weshalb man mich nicht lese, – ich sollte das anders machen

zur Erziehung

18

Im Grunde gehöre ich zu jenen unfreiwilligen Erziehern, welche keine Prinzipien{ Die

20

brauchen, noch haben: aber die Eine Thatsache, daß ich in 7 Jahren

22

Unterricht keinen Grund hatte, eine Strafe zu verhängen, u daß, wie mir später

24

bezeugt worden ist, die Faulsten für mich fleißig waren, zeugt dafür.

26

Eine kleine Klugheit ist mir im Gedächtniß geblieben: im Fall, wo ein

28

Schüler, im Wiederholen dessen, was ich die Stunde vorher auseinandergesetzt hatte, durchaus

30

unzureichend blieb, nahm ich immer die SchuldAauf mich, – sagte, es sei Jeder

stets

um

Recht

von mir eine

32

Rechts, wenn ich mich zu kurz, zu unbestimmt ausdrücke, mich

Aufklärung

34

zu bitten. Resultat Ein Lehrer habe die Aufgabe, jeder Intelligenz sich

verlangen

36 38

2-16: KGW VIII 22[28] 404,27-405,8

W II 8b 42-107.indd 52

zugänglich zu machen … Man hat mir gesagt, daß dieser Kunstgriff stärker wirkte als irgend ein Tadel

1: aus] > an 2: wohlthun] Vk 7: verehren] Vk 16: lese] Vk 18: Prinzipien] Vk 30: Jeder] > Jedermanns

32: eine] aus unvollständiger Korrektur

15.05.15

70

W II 8

sie die Schutz u Wehr =Instinkte des M. zu schwächen, – ich wußte mich gegen zudringliche Hülfsbereitschaft so wenig wie gegen zudringliche Verehrung genug faust zu vertheidigen

Gegen die Jahre der Krankheit würde ich einzuwenden haben, daß sie mir durch

) 69,6 2

völlig unzureichende, aber zudringlich wohlwollende M. verdorben worden sind. Nicht

4

einmal meine Arbeitsstille in Nizza ist geehrt worden. Man hat,

6

mit einer unbescheiden Ein Kranker hat Mühe damit, Dinge loszuwerden,

8

Menschen eingerechnet: ein gewisser Fatalism, der „sich in den Schnee“

10

legt, nach Art eines russischen Soldaten, wenn die Härte u. das Schicksal

12

zu groß sind, ist mir am stärksten im Gedächtniß aus meiner

14

kranken Zeit geblieben. Die unzuträglichsten Verhältnisse, nachdem sie

16

einmal, durch irgend einen Zufall, gegeben waren, wurden festgehalten, –

18

zähe, Jahre hindurch. –

20

Die Kunst, mich zu trennen, – auseinanderzuhalten,

22

Eine Hälfte Jahre lang zu vergessen …

24

Vortheil aus meiner Krankheit ziehen: die Entlastung von der

26

großen Spannung

28

das liebevolle Wahrnehmen =Lernen für das Kleine

30

Es würde mir unmöglich sein, zu erklären, was ich als den schlimmsten Zu-

32

fall meines Lebens betrachte, – es klänge nicht nur paradox, es klänge

34

undankbar u. niedrig.

36

Die Art Wohlwollen, die ich erfahren habe, hat in vielen Fällen auf

38

f

mich einen schlimmeren Eindruck gemacht als ihre irgend eine Art Bosheit

40

) 69,2

22-40: KGW VIII 22[28] 404,17-27

W II 8b 42-107.indd 53

40: Bosheit] ¿

15.05.15

W II 8

71

2

d

Das Kunststück meines Lebens liegt in der Bescheidenheit, – in dem Willen, in der

4

Kraft dazu, sich klein zu machen .. Nicht sich klein zu stellen: sondern

6

gleichsam Etwas zu vergessen, von sich ablösen, eine Distanz schaffen in

8

sich – anders ausgedrückt: ein Bewußtsein vollkommener Freiheit erlangen

10

vor der Aufgabe, dem Willen, dem unbarmherzigen Instinkt, den sie

12

bedingt ..

14

Das Kunststück war, das viele Arme, Schwache, Leidende meines Lebens mir

16

zu Hülfe zu nehmen, um an einer großen Aufgabe nicht zu Grunde

18

zu gehen: – mich gleichsam zu zertheilen – u die andere Hälfte

20

übrigbehalten zur Freundlichkeit, Menschenfreundlichkeit, Geduld, Zugänglichkeit

22

für alles Kleine u Kleinste. Es ist auch die Seite, wo ich raffinirt u.

24

klug bin in Dingen des Genießens, – ein guter Leser, ein guter Hörer …

26

Hier gefallen mir auch Dinge, die vielleicht eine große Liberalität, noch mehr

28

verlangen als eine feine Intelligenz; zb Petronius, auch Heinr Heine,

30

Offenbach mit seinen unsterblichen Texten …

in der Güte

32

Gegen die Thatsache, daß fast jede Berührung mit M. mir den Begriff

34

gab vom Thier mit unfreiwilligem Humor gab, erwuchs bei mir nicht

36

gerade eine Geringschätzung: ich habe mich in allen Fällen, wo eine

38

Art Rancune oder Ferocität gegen mich zu Tage, bemüht, irgend

40

etwas meinerseits zu thun, um meine Erinnerung damit auszuwischen. u. keinen Um - so -Humaneres

42

KGW VIII 22[26]

W II 8b 42-107.indd 54

Grund zu haben, etwas nachzutragen

30: unsterblichen] ¿ 38: oder] ? 38: Tage] > Tage trat 40: thun] Vk 40: Erinnerung] ¿

15.05.15

72

$

Zarathustra 2, 33 S. 33

Ihr

seht nur des Geistes Funken: aber ihr kennt den

Ambos nicht, der er ist, u nicht die Grausamkeit seines Hammers!

Ich habe weder e

W II 8

Vorgesehene Verbesserung der Stelle: mit Zuordnungslinie, rote Tinte

2

4

i

6

8

: Thier mit unfreiwilligem Humor:

10

Ich habe nie daran gelitten, nicht geehrt zu sein, – ich finde einen

12

Vortheil darin. Andererseits habe ich so viel Auszeichnung u Ehre in meinem

14

Leben, von früher Jugend an erlebt, daß ich mich

16

12-16: KGW VIII 22[27]

W II 8b 42-107.indd 55

15.05.15

W II 8

73

2

I

Die Erlösung vom Christenthum

: der Antichrist

4

II

von der Moral

: der Immoralist

6

III

von der „Wahrheit“

: der freie Geist

8

IV

vom Nihilismus

:

= der Nihilism als die nothwendige Folge von

10

Christenthum, Moral u. Wahrheits=Begriff der

12

Philosophen

14

C

20

ich verstehe unter „Freiheit des Geistes“ etwas sehr Bestimmtes: hundert Mal den Philosophen $ u anderen Jüngern „der Wahrheit“ durch Strenge gegen sich, durch Lauterkeit u

22

Muth, durch den unbedingten Willen, Nein zu sagen, wo das Nein gefährlich

24

ist – ich behandle die bisherigen Philosophen als verächtliche

18

A

überlegen sein Bleistift

ich verstehe unter „Freiheit des Geistes“ etwas sehr Bestimtes: hundert Mal die Philosophen und andre Menschen „der Wahrheit“ durch Verneinen Strenge gegen sich?, durch Liberalität und Lauterkeit und Muth, durch den unbedingten Willen, Nein zu sagen, wo das Nein gefährlich ist – ich behandle die bisherigen Philosophen als verächtliche libertins unter der Kapuze des Weibes „Wahrheit“… rote Tinte und Bleistift

KGW VIII 22[24]

W II 8b 42-107.indd 56

Die Zeichen des Nihilism …

16

unter der Kapuze

libertins im Dienste des Weibes „Wahrheit …

26

$

20: sich] >? sich überlegen sein 26: Dienste] Vk 26: Wahrheit] > Wahrheit“

15.05.15

74

W II 8

Der Immoralist.

der Herkunft nach ist Moral: Summe der Erhaltungs-Bedingungen einer armen, halb oder ganz mißrathenen Art Mensch : diese kann die „große Zahl“ sein – daher ihre Gefahr. :

2

4

6

8

10

ihrer Benutzung nach ist sie das Hauptmittel des Priester-

12

Parasitism im Kampf mit den Starken, den

14

Kritik der

Lebenbejahenden – sie gewinnen „die große

16

„Verbesserer“

Zahl“ (die Niedrigen, die Leidenden in allen

18

Ständen – die Verunglückten aller Art –

20

– eine Art Gesammt=Aufstand gegen die

22

kleine Zahl der Gutgearteten …

24

ihren Folgen nach die radikale Falschheit u Verderbniß selbst

Kritik der „Guten“

KGW VIII 22[25]

W II 8b 42-107.indd 57

26

jener Ausnahme=Schichten: welche schließlich,

28

um sich nur auszuhalten, in keinem Punkte

30

mehr wahr gegen sich sein dürfen: die

32

vollkommene psycholog. Corruption mit dem,

34

was daraus folgt:

36

2: Erhaltungs-] Vk 18: Niedrigen, die] Vk 26: Falschheit] Vk

15.05.15

W II 8

75

Juden = Gesetz Verbot 2

Der Satz „du sollst nicht tödten“ ist eine Naivetät im Ernst meines meines Verbots an die décadents

alle 4

Schlimmeres

Verhältniß zu demASatzes „du sollst nicht zeugen“, es ist vielals eine Naivetät, es ist dessen Geg der Widerspruch dazu es war Schlimmeres noch …

6

leicht an sich schon eine Naivetät, wenn nicht gar Schlimmeres …

8

Das höchste Gesetz des Lebens verlangt, daß man ohne Mitleid

10

sei mit allem Ausschuß u Abfall des Lebens, – daß man vernichte,

12

was für das aufsteigende Leben bloß Hemmung, Gift, Verschwörung, unter-

14

irdische Gegnerschaft sein würde. Es ist unmoralisch zu sagen: du

16

sollst nicht tödten“…

18

Das Bibel = Verbot voller Judain „du sollst nicht tödten“ ist eine Naivetät

20

im Vergleich zu meinem Verbot an die décadents „ihr sollt nicht zeugen! – es ist

22

Schlimmeres noch, es ist der Widerspruch dazu … Das höchste Gesetz des Lebens,

24

von Zarathustra formulirt, verlangt, daß man ohne Mitleid sei mit

26

allem Ausschuß u Abfall des Lebens, – daß man vernichte, was für das

28

aufsteigende Leben bloß Hemmung, Gift, Verschwörung, unterirdische Gegnerschaft

30

sein würde, – Christenthum mit Einem Wort … Es ist unmoralisch

32

zu sagen: du sollst nicht tödten …

es ist widernatürlich im tiefsten Verstande

18-32: KGW VIII 22[23]

W II 8b 42-107.indd 58

3: décadents] ¿ 5: in Ms nicht übereinander 20: décadents] ¿ 20: zeugen!] > zeugen!“

15.05.15

76

W II 8

$

an Hans v. Bülow, Turin, 9. Okt. 1888. Bleistift

Verehrter Herr

2

Sie haben auf meinen Brief nicht geantwortet.

4

Sieh sollen ein für Alle Mal vor mir

6

nunmehr Ruhe haben, das verspreche ich Ihnen.

8

Ich denke, Sie haben einen Begriff davon,

10

daß der erste Geist des Zeitalters Ihnen

12

einen Wunsch ausgedrückt hatte.

14

F. N.

r V

16

4: geantwortet.] ¿ 8: verspreche] Vk

W II 8b 42-107.indd 59

15.05.15

W II 8

77

2

4

6

„selbstlose“ Hdl. giebt es gar nicht

Hdl., in denen das Individ. seinen eigenen Instinkten untreu wird u nachtheilig wählt, sind Zeichen der décadence (– eine Menge der berühmtesten sog. „Heiligen“

8

sind einfach durch ihren Mangel an

10

„Egoismus“ überführt, décadents zu

12

sein

14

16

s

18

selbstisch“, daß sie gerade der Beweis eines sehr starken

20

u. reichen Selbst sind

22

KGW VIII 22[21]

W II 8b 42-107.indd 60

die Hdl. der Liebe, des „Heroismus“ sind so wenig „un-

– das Abgeben =können steht den „Armen“ nicht frei …

24

ebenso wenig die große Verwegenheit u. Lust am Aben-

26

teuer, die zum „Heroism“ gehört

28

nicht „sich opfern“ als Ziel, sondern Ziele

30

durchsetzen, über deren Folgen man aus Übermuth u Zutrauen

32

zu sich nicht besorgt ist, gleichgültig ist …

2: selbstlose] Vk 2: Hdl.] ¿ 16: Hdl.] ¿ 26: gehört] Vk 30: Zutrauen] Vk

15.05.15

78

a)

die falsche Ursächlichkeit

2

Lust Unlust Wille Zweck „Geist“

b)

W II 8

die falsche Einheit „Seele“, „ich“, „Person“

womöglich „unsterbl. Person“

– damit eine falsche Alternative gegeben „ich“ und „Andere“

4

6

8

10

12

(Egoism – Altruism)

„Subjekt“ „Objekt“ c)

KGW VIII 22[22]

W II 8b 42-107.indd 61

14

die vollkommene Verachtung des Leibes ließ die Hauptsache

16

nicht sehen, die vollkommene wundervolle Art

18

seines Organisations =Spiels zur Selbst = Erhal-

20

tung u. Steigerung der Art der Gattung: – mit

22

anderen Worten den unendl. Werth der Einzel=

24

Person als Träger des Lebens = prozesses

26

u. folglich, ihr allerhöchstes Recht auf

28

Egoism, – wie alle ihre Unmöglichkeit,

30

es nicht zu sein …

32

Thatsächlich ist alles „Unegoistische“

34

décadence = Phänomen.

36

4: Wille] Vk 16: Leibes] Vk

15.05.15

W II 8

79

$

Vorwort z. „Götzendämerung“ Bleistift

Eine 2

Die

Umwerthung aller Werthe, dies Fragezeichen so schwarz, so ungeheuer, daß es Schatten

4

auf den wirft, der es setzt, – ein solches Schicksal von Aufgabe zwingt

6

jeden Augenblick in die Sonne zu laufen, einen schweren, allzuschwer gewordenen

8

Ernst von sich zu schütteln. Jedes Mittel ist dazu recht, jeder

10

„Fall“ ein Glücksfall. Vor Allem der Krieg. Der Krieg war immer

12

die große Klugheit aller zu innerlich, zu tief gewordenen Geister;

14

selbst in der Verwundung liegt Heilkraft. Ein Spruch, dessen Herkunft

16

ich der gelehrten Neugierde vorenthalte, ist seit langem mein Wahl-

18

spruch:

20

22

increscunt animi, virescit volnere virtus.

Eine andere Genesung, unter Umständen mir noch erwünschter ist

24

– Götzen aushorchen … Es giebt mehr Götzen als Realitäten in

26

der Welt – das ist mein „böser Blick“ für diese Welt …

28

Es ist auch mein böses Ohr … Hier einmal mit dem Hammer

30

Fragen stellen u, vielleicht, als Antwort jenen berühmten

32

hohlen Ton bekommen, der von öden{Eingeweiden redet

34

– welches Entzücken für Einen, der Ohren auch noch hinter den Ohren

36

hat, – für mich alten Psychologen u Rattenfänger, vor dem gerade

38

was still bleiben möchte, reden muß …

geblähten

e

b

40

Auch diese Schrift – der Titel verräth es – ist vor Allem eine

42

Erholung, ein Sonnenfleck, ein Seitensprung in den Müßiggang eines

)

20: increscunt] ¿ 22: unter Umständen] ¿ 42: in] Vk

W II 8b 42-107.indd 62

15.05.15

80

Diese kleine Schrift ist eine große Kriegserklärung; u was die Götzen betrifft, an die hier mit dem Hammer gerührt

W II 8

2

4

überhaupt

wird, so giebt es keine älteren, keine aufgeblaseneren, keine

6

keine hohleren …

„überzeugteren“… Auch sind sie fern davon, zumal in ihrem vornehmsten Fall, sich für Götzen anzu Das hindert nicht

10

daß sie die geglaubtesten sind: auch sagt man, zumal

12

im vornehmsten Falle, durchaus nicht Götze …

14

welches Entzücken für Einen, der Ohren auch noch hinter den

16

Ohren hat – für mich alten Rattenfänger u Musikanten, vor dem

18

gerade, was still bleiben möchte, reden muß …

20

Und was das Aushorchen von Göttern anlangt, so dürften

22

das dies Mal die ältesten, vielleicht auch die dicksten sein, an

24

welche mit dem Hammer wie mit einer Stimmgabel gerührt wird …

26

Auch sagt man, nicht zumal in dem vornehmsten Fall, durchaus

28

nicht Götze …

30

Götzen ausgehorcht?…

)

8

Psychologen. Vielleicht auch ein neuer Krieg? Und werden neue

18: alten] Vk 18: Musikanten] Vk 18: dem] Vk 20: bleiben möchte] Vk 24: das] aus unvollständiger Korrektur 24: dicksten] ?

W II 8b 42-107.indd 63

es

32

34 )

34

) 32

S. 81-82 unbeschrieben

15.05.15

W II 8

83 meine Man kennt die beiden Worte

meine , man kennt die Formeln Symbol

Das „Wort „Immoralist“, die Formel „Jenseits v G u Böse“ Das xxxx

2

xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx

4

mein

Symbol u Kerbholz = Wort Eins

wie das Andere

: ich handhabe das Eine wie das Andere gleichsam als

6

jenen

Fackeln stärksten Lichts, um in einen Abgrund von Leichtfertig-

8

u Lüge

10

keitAhinabzuleuchten, der bisher „Moral“ hieß“. Die Jahr-

12

tausende, die Völker, die Ersten u Letzten, die Philosophen

14

u die alten Weiber – in diesem Punkte sind sie allesammt

16

einander würdig … Der M war bisher, als das

alle

ein 18

„moralische Wesen“ u als solches absurder, als

20

irgend ein Affe verlogener, eitler, leichtfertiger, sich

22

selber nachtheiliger als irgend ein Verächter des M. auch

24

nur es auszudenken vermöchte. Die Moral war die Circe der

26

Mh: – ich habe früher schon gesagt, daß sie auch die

28

Circe der Philosophen war … Es ist nicht der Irrthum

30

nicht der jahrtausendelange Mangel an Selbstbesonnenheit, wenn

selbst auch der gründlichste

selbst

auch von ferne errathen könnte

vermöge dessen

Niemand bisher sich auch heute

erst heute das vollkommen Erstunkene u Erlogene des ganzen

sich

des höchsten Ansehens erfreut

34

M Moral=Begriffe klar hat, was mich entsetzt: es ist der

36

Mangel an Instinkt, der Mangel an Selbst=Erhaltungs=Energie Natur

2: Immoralist] Vk 2: Das xxxx] Vk 8: Fackeln] Vk 18: Wesen] Hinzufügung 84,17 30: jahrtausendelange] ¿ 32: Erlogene] Vk mit Tinte der letzten Korrektur

W II 8b 42-107.indd 64

)

32

Instinkt,

34: klar] >? klar gemacht

15.05.15

84

Der Moralist will den M „verbessern“; der Immoralist – ich zb will die Mh insofern verbessern dh. besser stellen, als er die Moralisten vernichtet …

W II 8

2

4

6

„Immoralist“ Jenseits v Gut u Böse – meine Worte.

Diese Führer, wie sie sie immer nennen, Philosophen, Priester,

8

Socialisten, „Heilige“ – sie alle waren Moralisten, sie

10

glaubten an die Moral, sie hielten als oberstes Ziel fest, den

12

M zu verbessern

14

umgekehrt

Was wird ein Immoralist von sich verlangen? was stelle

16

)

– eine Spezialität ohne Gleichen in der Welt –

ich mir mit diesem Buche als Aufgabe! Gleichfalls

18

die Mh. verbessern – nämlich sie von der Moral losmachen,

20

der die Mh. nicht längst vor dieser gefährlichsten, verder-

22

berischsten Form des Irrthums gewarnt hat … Nicht sich irren

24

) 40

darüber

sondern sich zu vergreifen über das, was nützlich u schädlich ist –

26

kranke Natur

kennzeichnet die Schwäche, die Erschöpfung, die décadence: wie

28

ist es möglich, daß in allen Hauptsachen nur schädliche

30

Wünschbarkeiten als oberste Wünschbarkeiten von den Führern

32

der Mh. bisher aufgestellt worden sind?… Die Eine

34

Möglichkeit Antwort wäre, daß gerade jene Führer decadents

36

gewesen seien – – –

38

ihren

von den gefährlichsten Führern losmachen

40

20 )

42

8: sie sie] vgl. Mp XVII, Bl. 127r > sie sich auch 17: Hinzufügung zu 83,18 20: verbessern] ¿ 24: irren] Vk

W II 8b 42-107.indd 65

15.05.15

W II 8

85

2

Thesen: es giebt gar keine unegoist. Handlung

4

: es giebt auch kein egoistisches Handeln

6

: Glück ist niemals Zweck des Handelns, Unlust niemals

8

Ursache

10

(– die Unlust könnte noch so groß sein: wäre der Mechanismus nicht frei, so gäbe es dennoch

12

keine Hdl.

14

Lust u Unlust sind keine Ursachen, sie

16

setzen nichts in Bewegung, – sie begleiten nur …

18

20

In wiefern alle Niedrigen, Lasterhaften, Brutalen, Listig=Raffinirten

22

bloß symptomatisch sind für Degenerescenz

der Heerden-Instinkt

24

26

Kritik der Mitgefühle

28

Kritik der Selbstgefühle

30

KGW VIII 22[19]

W II 8b 42-107.indd 66

warum Wahrheit?

8: Ursache] Vk 14: Hdl.] Vk 16: Ursachen] Vk 22: Degenerescenz] ¿

15.05.15

86

Falsche Consequenzen des Glaubens ans „ego“

der Mensch strebt nach Glück: aber in diesem Sinne giebt es keine Einheit „welche strebt“…

6

durchaus nicht Glück – Glück ist eine Begleiterscheinung –

10

beim Auslösen ihrer Kraft: was Handeln macht, ist

12

nicht das Bedürfniß, sondern die Fülle, welche auf

14

einen Reiz hin sich entladet

16

gegen die pessimist. Theorie, als ob alles Handeln auf Los -

18

20

22

werden - wollen einer Unbefriedigung hinausgienge

24

als ob Lust an sich Ziel irgend welchen Handelns

26

wäre …

W II 8b 42-107.indd 67

4

8

jene Spannung ist ein großer Reiz ..

KGW VIII 22[20]

2

u. wonach alle Einheiten streben, das ist

nicht die „Unlust“ Voraussetzung der Thätigkeit

W II 8

28

2: ans] Vk 6: Sinne] Vk 12: Auslösen ihrer] Vk 26: Lust] Vk 26: Ziel] Vk 26: Handelns] Vk

15.05.15

W II 8

87

2

4

Leibnitz u d große

Leibnitz, die deutsche Ph., die Freiheits

das d Reich lauter

jedes Mal ein Umsonst für Etwas was bereits da

Alles alles, was sich versteckt,

ll

verbirgt, aus Instinkt aushorcht …

,

6

Turin, am 30. Sept. 1888, Götzen aushorchen

8

10

12

14

am Tage, wo das erste Buch der Umwerthung beendet wurde.

Kein Ding geräth, an dem nicht der Übermuth seinen Theil hat: Erst das Zuviel von Kraft ist der Beweis der Kraft. – setzt

16

Inmitten einer düsteren u über die Maaßen verantwortlichen Sache seine Heiterk.

18

aufrecht erhalten ist nichts Kleines von Kunststück: u doch was wäre

20

nöthiger als Heiterkeit? –

auch noch

22

24

welches Entzücken für Einen, der Ohren hinter den Ohren will sagen, – für einen alten Musiker, der im Grunde Seelen aushorcht. –

26

welches Entzücken für Einen, der Ohren auch noch hinter den

28

Ohren hat, – für einen alten Musikanten, der im

30

Grunde SeelenAaushorcht …

gleich mir

u andere Hohlräume aus Instinkt

Auch diese Schrift ist – der Titel

)

12: Übermuth] ¿ 15: setzt] vgl. GD Vorwort, 51,9 30: Einfügungszeichen mit Tinte der letzten Korrektur verlängert

W II 8b 42-107.indd 68

15.05.15

88

die schlechten Hdl., die der décadents sind gerade durch ihren

2

Mangel an „Egoismus“ gekennzeichnet, – sie sind nicht auf den

4

letzten Nutzen gerichtet

6

Psychologie der sog. unegoistischen Handlungen

W II 8

8

strengstens

– in Wahrheit sind sieAauf den Selbst = Erhaltungs Instinkt hin regulirt

das Umgekehrte ist bei den sog. egoist Hdl der Fall:

10

12

14

16

hier fehlt gerade der dirigirende Instinkt, –

18

das tiefe Bewußtsein des Nützlichen u Schädlichen

20

Alle Stärke, Gesundheit, Vitalität zeigt von der vermehrten Spannung hin zum commandirenden Instinkt des Selbst alles Locker = werden ist décadence

22

24

26

– der Titel verräth es Auch diese Schrift, ist, gleich dem „Fall Wagner“ vor Allem )

verräth es – vor Allem eine Erholung, ein Sonnenfleck

2-26: KGW VIII 22[18]

W II 8b 42-107.indd 69

2: Hdl.] ¿ 4: gekennzeichnet] Vk 6: Nutzen] Vk 8: Handlungen] Vk 9: strengstens] ¿ 14: Umgekehrte] ¿

28

14: Hdl] ¿ 20: Nützlichen] Vk 27: verräth es] ¿

15.05.15

W II 8

89

versteckte

2

die kleine Rachsucht Herr geworden! Alles Erbärmliche, An sich Leidende, von schlechten

4

Gefühlen Heimgesuchte, u das ganze Ghetto der Seele mit Einem Male obenauf. $

Antichr. No 61. Bleistift 6

8

noch hundert Mal schmerzlichere

– Ich berühre eine für Deutsche noch schmerzhaftere Geschichte. Die D. haben uns um die letzte große Cultur =Ernte gebracht, um die der Renaissance. Versteht man

10

hi endlich, will man verstehen, was die Ren. war? die Umwerthung der

12

christlichen Werthe, der Versuch, mit allen Mitteln, mit allen Inst. mit

14

allem Genie unternommen, die Gegen =Werthe, die vornehmsten Werthe zum Sieg zu bringen! – das jenem einen Versuch zu Gebote stand

16

Es gab bisher nur diesen großen Krieg – es gab nie eine entscheidendere

18

Fragestellung, als die welche die Renaissance stellte … Es gab auch nie eine

20

radikalere, geradere, in ganzer Front geführte Form des Angriffs

22

An der entscheidenden Stelle, im Sitz des Chr. selbst die

24

vornehmen Werthe auf den Thron zu bringen, will sagen in die Instinkte, in

26

die untersten Bedürfnisse u. Begehren der dort Thronenden … Es gab eine

28

Möglichkeit, von vollkommen sublimem Charakter, es hätte beinahe ein

30

Schauspiel gegeben, an dem alle Götter des Olymp einen Anlaß zu un-

32

sterblichem Gelächter gehabt hätten – Cesare Borgia als Papst

Zauber

Schönheit

so schön, so wunderlich

nach dem ich heute allein verlange

34

Wohlan: das wäre der Sieg gewesenA– damit war das

2: Rachsucht] Vk 2: Erbärmliche,] ¿ 4: Ghetto] Vk 8: Renaissance] ¿ 14: vornehmsten] ¿ 16: entscheidendere] ¿ 18: Renaissance] ¿

W II 8b 42-107.indd 70

22: entscheidenden] ¿ 22: selbst] ¿ 24: bringen,] ¿ 26: der] ¿ 29: Hinzufügung 90,27 32: sterblichem] ¿

15.05.15

90

$

W II 8 VIII 311 Bleistift

Christenthum abgeschafft! – Was geschah? Ein deutscher Mönch, Luther

2

kam nach Rom … Dieser Mönch, mit allen rachsüchtigen Instinkten

4

eines verunglückten Pr. im Leibe, empörte sich in Rom gegen

6

die Renaissance … Statt mit ewig tiefster Dankbarkeit das

8

Ungeheure zu verstehen, das geschehen war, die Überwindung des Chr. an

10

seinem Sitz – verstand sein Haß daraus seine Nahrung zu gewinnen –

12

er sah die Verderbniß des Papstes, während gerade das Gegentheil

14

der Fall war: die alte Verderbniß, das peccatum originale,

16

das Christenthum saß nicht mehr auf dem Stuhl des

18

Papstes … Und Luther stellte die Kirche wieder her …

20

Das soll man den Deutschen nie verzeihen: sie haben die

22

ganze Renaissance =Bewegung um ihr Ziel, um ihren Sinn

24

gebracht …

26

so schön, so wunderlich paradox, daß

6: Pr.] > Priesters 10: das] ¿ 27: Hinzufügung zu 89,29 27: wunderlich] ¿

W II 8b 42-107.indd 71

15.05.15

W II 8

91

von germanischem Hornvieh

92,1 )

wunderbare

2

Daß die wunderbare spanische

niedergetreten wurde

4

Cul maurische C. Spaniens von germanischem

6

Hornvieh niedergetreten wurde – diese

8

Cultur, die wieder vornehmsten Instinkten ihre Entstehung

mußte!

wiederum

10

verdankte, die wieder Ja sagte zum Leben, zu allen gr hohen Aspekten des

12

Lebens!

wiederum

ausgesuchten u. stolzen allen seltenen u. raffinirten Kostbarkeiten des Lebens

14

Die Kreuzfahrer bekämpften Etwas, vor dem in dem Staub zu liegen die

16

einzig ihnen schickliche Attitüde gewesen wäre … Und daß die für

ampf

18

Kirche mit germanischem Adel den Krieg führen konnte gegen die vornehmen

20

Werthe auf Erden, das gehört zu den schmerzhaftesten eines für einen Deutschen

22

24

92,42 )

2-13: KSA 14, 447, zu AC 60 26-36: KSA 14, 448, zu AC 60

W II 8b 42-107.indd 72

,

! Die Germanen,

jeder Zeit die Dienstboten =Rasse aller schlechten Instinkte der Kirche!

26

Im Grunde wäre es ja eine Sünde wider den Geist, auch

28

nur die Frage aufzuwerfen, was mehr Werth hat,

30

Chr oder Islam! Es sind ja Gegensatz = Werthe

32

Man kann, wenn man vornehme Instinkte im Leibe hat,

34

gar nicht anders wählen als der Hohenstaufer Fr der 2.

36

Kampf gegen Rom, Friede, Freund. mit dem Islam!…

5: mußte] ¿ 8: vornehmsten] ¿ 10: Aspekten] ¿ 12: Lebens] ¿ 16: einzig] ¿ 17: für] >? für sie

Freundschaft

Friede, mit dem Islam

18: germanischem] ¿ 18: Krieg] aus unvollständiger Korrektur 18: vornehmen] ¿ 31: Islam] ¿

15.05.15

92 u daß diese wunderbare

) 91,1

in Spanien, aus jenen Aspekten vornehmer Instinkte

die maurische Cultur, die in Spanien, mit Hülfe

W II 8

2

der Hornvieh=Rasse par excellence, den Germanen durch

4

vornehmen

das Christenthum vernichtet wurde, hatte wieder jenen Geist

6

wieder

in sich, der aus vornehmen Instinkten stammend, die Tschandala Werthe des Christen, des Priesters aufs Tödtlichste reizt

es war einfach deren Cultur. Und als später das Chr. wieder über die maurische Cultur in Spanien

8

,

10

12

14

gerade

– u daß die Kirche mit germanischem Adel den Krieg gegen

16

die Vornehmheit der Instinkte, gegen die

18

„vornehmen Werthe“ auf Erden zu Gunsten der Tschandala-

20

Werthe führte, gehört zu den schmerzhaftesten Formen der

22

Die Germanen, diese Dienstboten =Rasse aller schlechten

24

Instinkte der Kirche!

26

für einen Deutschen zu den schmerzhaftesten Erinnerungen Wie kann man auch nur die Frage aufzuwerfen,

28

30 32

was man zu wählen hat, wo es sich um Islam u Chr. handelt!

34

Es sind ja Werth =Gegensätze in beiden Rel. ausgedrückt!

36

Entweder ist man Tschandala oder man ist vornehm …

38

Ein vornehmer Deutscher kann gar nicht anders empfinden als der

40

Kaiser Hohenstaufer Friedr. der 2.

42

2-10: KSA 14, 447, zu AC 60 16-42: KSA 14, 448, zu AC 60

W II 8b 42-107.indd 73

Krieg gegen Rom

91,29 )

1: Aspekten] ? 16: Adel] ¿ 18: Vornehmheit] ¿ 34: Islam] ¿ 36: Rel.] > Religionen 42: der] ¿

15.05.15

W II 8

93

$

Antichr. No 59. Bleistift

das

en

2

Die ganze Arbeit der antiken Welt umsonst!: ich habe kein Wort dafür, um mein

4

Gefühl bei etwas so Ungeheures auszudrückt. Und insofern ihre Arbeit eine Vorar-

6

beit, insofern eben erst der Unterbau zu einer Arbeit von Jahrtausenden mit gra-

8

nitenem Selbstbewußtsein gelegt war, der ganze „Sinn“ der antikenAum-

über

Welt

sonst?.. Wozu Griechen? Wozu Römer! Und nicht von einem

10

14

Natur = Ereigniß überwältigt, nicht durch eine Brutalität, eine wie zb von Germanen oder anderen Species Rhinozeros nicht durch Germanen u. andere

16

nordischen schweren Unthieren vom Norden niedergetreten

18

nicht durch schweres xxxxx = Elephanten u. andere „Thiere“ niedergetreten

12

er

20

sten sten sten

22

s h

24

nicht durch Deutsche u. andere Schwerfüßler niedergetreten: – sondern von von schwersten der listigen, von

Germanen

unsichtbaren

Species

heimlichen, schwächsten, blutärmen Gegnerschaft zu Schanden bloß

sogen

26

gemacht! Nicht besiegt, – nur ausgesaugt … Man lese nur den sog. heiligen Augustin zb. mit welchen was christl. Agitator zb. irgend einen „Kirchenvater“, um zu riechen, was das ganze Gesindel

28

werth ist, das hier zum Herren wurde … Wenn der Islam

30

das Christenthum verachtet, so hat er tausend Mal recht

32

dazu: der Islam hat Männer zur Voraussetzung – nicht dieses

34

Halb -Castraten u. Feiglinge … Das, was wir mit jedem

36

Schlag unseres Herzens loben u. hoch halten 55

$

Antichr. No 60. Bleistift 38

)

Cultur

Das Chr. hat uns um die Ernte der antiken Welt betrogen:

40

es hat uns später wieder um die Ernte der Islam - Cultur ge

42

bracht. Die Kreuzfahrer bekämpften Etwas, vor dem im

44

Staube zu liegen ihre schickliche Position gewesen wäre.

einzig

34-36: KSA 14, 447, zu AC 59

W II 8b 42-107.indd 74

6: insofern] Vk 20: andere Schwerfüßler] Vk 22: blutärmen] nach unvollständiger Korrektur > blutarmen 32: Männer] Vk 32: Voraussetzung] ¿ 38: uns] Vk

15.05.15

94

zu anständigen, reinlichen Instinkten zu achtbaren, rechtschaffenen, sauberen, bloß jeder Ansatz zu

2 4

6

: – die Natur hat bei ihnen nicht einmal den Ansatz zu achtbaren anständigen reinlichen Instinkten gemacht

W II 8

30 )

8

10

gar betrügen, wenn

gearbeitet hat )

würde sich ganz u.

was für unsauberen Gesellen die Kirche immer arbeitet. Man soll nie zu

12

lassen, daß es hier an Verstand fehle – oh sie sind klug, giftig

14

klug, diese Herren Kirchenväter! Was fehlt, ist der leiseste

16

Begriff von redlichen, sauberen, vornehmen Instinkten

18

daß man irgend welche unzureichende Bildung“, irgendwelchen Mangel der Intelligenz Man

a

20

22

würde sich ganz u gar betrügen, wenn man irgend welchen Mangel an

Verstand bei den Führern der christl. Bewegung voraussetzte: oh sie sind

24

m

26

en

– klug

klug bis zur „Heiligkeit“, diese Herren Kirchenväter, – was ihnen abgeht,

28

ein

ist bloß die Achtbarkeit, bloß der geringste Ansatz zu selbst

14-16: KSA 14, 447, zu AC 59

W II 8b 42-107.indd 75

30

)6

6: jeder] ¿ 20: Bildung] > „Bildung 20: irgendwelchen] ? 30: ist bloß] Vk

15.05.15

W II 8

95

$

kl. Ausgabe VIII, S. 319f. Bleistift

2

die Ursächlichkeit des Handelns

der Zweck falsch angesetzt:

4

Glück

6

„egoistisch“

8

„unegoistisch“

Sch., der auch noch

12

c) fremdes Leid

14

d) eigenes Leid

hinzufügt: was natürlich nur

16

18

Spezifikationen des Begriffs

20

„eigenes Glück“ sind (a) wenn Glück Zweck der Hdl. ist, so muß

22

24

Unbefriedigung dem Handeln vorausgehen: pessimist.

26

Fälschung des Thatbestandes. Die Unlust als

28

Motiv zum Handeln.

30

W II 8b 42-107.indd 76

b) fremdes

(– tiefster Mangel an Selbstbesinnung bei

10

KGW VIII 22[17] 398,15-399,3

a) eigenes

Meine Theorie: Lust, Unlust, „Wille“, „Zweck“ vollkommen bloß

32

Begleit -Erscheinungen, – niemals ursächlich … Alle sog. „geistige“

34

Ursächlichkeit ist eine Fiktion

12: Sch.] > Schopenhauer 22: wenn] Vk 22: Hdl.] ¿ 24: Unbefriedigung] ¿

15.05.15

96

Ursächlichkeit des Handelns

2

Unlust u. Lust Motive

4

der Wille als ursächlich im Handeln

6

Vorausgesetzt: daß die ganze Vorge-

8

schichte in der Sphäre des Bewußtseins

10

liegt

12

daß die eigentl. Ursächlichkeit eine geistige ist … daß die „Seele“ weiß, was sie

18

will u. daß der Werth des

20

Willensaktes bedingt ist durch ihr

22

Wissen ..

24

Willen u. folglich

W II 8b 42-107.indd 77

14

16

daß die Seele „frei“ ist im

KGW VIII 22[17] 399,4-12

W II 8

26

28

8: Vorge-] ¿ 18: Seele] Vk 24: Wissen] Vk

15.05.15

W II 8

97

2

Umwerthung aller Werthe.

4

Der Antichrist. Versuch einer Kritik des Christenthums.

6

Der Immoralist. Kritik der verhängnissvollsten Art von Unwissenheit, der Moral.

8

10

Wir Jasagenden. Kritik der Philosophie als einer nihilistischen Bewegung.

12

14

16

18

20

Dionysos.

Philosophie der ewigen Wiederkunft.

Zarathustra’ s Lieder

Aus sieben Einsamkeiten.

KGW VIII 22[14]

W II 8b 42-107.indd 78

15.05.15

98

Zarathustra’ s Versuchung.

2

Oder:

4

an wem Mitleiden

6

eine

würde.

8

äre

Von

10

Friedrich Nietzsche

12

Der Fall Wagner. Ein Musikanten - Problem.

14

Götzen = Dämmerung. Oder: wie man mit dem

16

zur

Sünde

Hammer philosophirt. Zarathustra’ s Versuchung. Oder: an wem Mitleiden zur Sünde würde.

2-12: KGW VIII 22[15] 14-22: KGW VIII 22[16]

W II 8b 42-107.indd 79

W II 8

18

20 22

6: zur] aus unvollständiger Korrektur 6: Sünde] Vk

15.05.15

W II 8

99

2

Vom höheren Menschen.

4

Oder:

6

die Versuchung Zarathustra’ s.

8

Zarathustra’ s Versuchung.

10

Oder:

12

Mitleid als letzte Sünde.

14

wem Mitleiden eine Sünde wäre.

KGW VIII 22[13] 397,11-16

W II 8b 42-107.indd 80

15.05.15

100

58. Was man dem Chr. verdankt

W II 8

2

was wichtig ersten Ranges ist

die furchtbare Einbuße, das Alles, was werth hatA, nicht ernst genommen worden ist, – vernichtet worden ist …

– jetzt fangen wir an, Gesundheit, Nahrung, Wetter, Wohnung, ernst zu nehmen … die Vergeudung aller großen Leidenschaft, aller Begeisterung, aller Tiefe u. Feinheit des Geistes

Ich schreibe dem Christenthum seine ewige Anklage an die

4

6

8

10

12

14

16

Wände, – ich habe Buchstaben dafür, an denen die Blinden

18

sehen lernen w werden …

20

2-14: KGW VIII 22[12] 22-28: KGW VIII 22[13] 397,17-20

W II 8b 42-107.indd 81

Zarathustra’ s Versuchung.

22

Oder:

24

wie Mitleiden eine Sünde wird.

26

wem Mitleiden zur Sünde würde.

28

so

3: Ranges] Vk 4: das] > daß 16: Anklage] Vk

15.05.15

W II 8

101

$

Antichr. No 56. Bleistift

Zuletzt kommt es darauf an, zu welchem Zweck man lügt. Daß in der christl. die heiligen Zwecke fehlen, ist mein Einwand gegen ihre Mittel: nur schlechte Zwecke, Vergiftung, Verleumdung, Verneinung des Lebens – folglich sind ihre M schlecht. (

2

Wie kann man ein Buch in den Händen von Kindern u Frauen dulden, daß

4

das niederträchtige Wort enthält: „um der Hurerei willen

6

habe ein Jeder sein eigenes Weib u eine Jegliche habe ihren eigenen

8

Mann: es ist besser freien denn Brunst leiden.“) Das Gesetzbuch des M.

10

Robespierre,

$

Antichr. S. 294 u. Bleistift

12

Erwägt man, wie nothwendig den Allermeisten ein Regulativ ist, das sie von außen her bindet

14

u festmacht, wie der Zwang, in einem höheren Sinn die Sklaverei die einzige u letzte

16

Bedingung ist, unter der der willensschwächere M, das Weib zumal, gedeiht: so versteht

18

man auch die Überzeugung. Der M der Überzeugung hat in ihr sein Rückgrat: viele Dinge

20

nicht zu sehen, in keinem Punkte unbefangen zu sein, eine strenge u einzige Optik

22

in allen Werthen haben – das allein bedingt es, daß er gedeiht. – Ein solcher M ist

24

der Gegensatz, der Antagonist des Wahrhaftigen. Es steht ihm nicht frei, die

26

Frage wahr u unwahr überhaupt ernst zu nehmen, – er gienge sofort zu Grunde, wenn

28

er er nicht wüßte, was für ihn wahr ist. Genau diese pathologische Bedingtheit seiner

30

Optik macht aus dem Überzeugten den Fanatiker, den Gegensatz Typus= des freien, des starken

32

Geistes. Dem Überzeugten nächstverwandt ist der Lügner Aber die große Attitüde der Fa-

34

natiker war bisher

nothwendige

überhaupt

102,46 )

32-40: KSA 14, 446, zu AC 54

W II 8b 42-107.indd 82

,

36

der gefährlichste

38

Hemmschuh der Er-

40

kenntniß …

(

mit Nothwendigkeit

Eine letzte Stelle: alle Öffnungen des Leibes oberhalb des Nabels sind rein, alle unterhalb sind unrein – nur beim Mädchen ist der ganze Körper rein.

1: christl.] > christlichen Religion 2: daß] > das 11: zu Z. 28-32; vgl. AC 54, 235,12-16 16: zumal] ¿ 22: in] ¿ 24: des Wahrhaft] nach unvollständiger Korrektur > der Wahrheit

28: er er] > er 30: Gegensatz Typus=] > Gegensatz=Typus

15.05.15

102

$

W II 8

Antichr. S. 298/9. Bleistift

jedes Mal

auch

deutet, psychologisch nachgerechnet{: der Priester lügt … Er weiß es,

2

man zweifle nicht daran: zum Mindesten in dem Geschlecht, wo man

4

die „Offenbarung“, die heiligen B. macht … In dieser Beziehung

6

lese ich nie ohne neue Bewunderung das Gesetzbuch des Manu –

8

Jenes

anbei gesagt, ein unvergleichlich geistigeres u. feinere Werk

10

als die Bibel oder vielmehr schon durch die Vergleichung mit der das mit der Bibel zu vergleichen Bibel auch nur zu vergleichen ein Fehler gegen den guten Geschmack wirkliche

103,42 )

es

12

14 16

u. in sich

wäre. Es hat eine{Philosophie hinter sich, – nicht bloß armseliges u. Sünden = Schacher“ „Schriftgelehrsamkeit“

Judain von Aberglauben. u.

18

giebt

– es zieht selbst den

20

verwöhntesten Psychologen an etwas zu beißen. (was nicht Gar nicht

22

zu reden von jener Grundverschiedenheit: daß es einem vornehmen Stand

24

der Gelehrten u der Krieger die Macht in die Hände giebt, – daß es

26

gerade die

an denen

alle Dinge ernst, tief, voll Ehrfurcht behandelt, wo das Christensich

28

unergründliche

thum leichtfertig seine zügellose Gemeinheit ans Licht bringt (– die Zeugung endlose

30

bloß stellt

die Ehe überhaupt. Auch kenne ich kein Buch, wo vom Weib so viele

32

;a

.

gütige u. zarte Dingen gesagt würden)... diese alten Graubärte u

34

Heiligen haben eine Art, artig zu sein, die durchaus nicht übertroffen

36

ist. Der Mund einer Frau – sagen sie zb – der Busen eines Mädchens,

38

das Gebet eines Kindes, der Rauch des Opfers sind immer rein.

40

Eine

anderer Stelle: es giebt gar nichts Reineres als das Licht der Sonne den Schatten einer Kuh, die Luft, das Wasser, das Feuer u den Athem eines Mädchens.

An

42

44 46

) 101,35

8: Gesetzbuch] ¿ 22: beißen] Vk 29: unergründliche] Vk 31: endlose] ? 32: überhaupt] Vk 42: Reineres] ¿

W II 8b 42-107.indd 83

15.05.15

W II 8

103 sie sehen nicht weit genug,

Man lasse sich nicht irreführen: große Geister sind Skeptiker 2

)

Die Stärke, die Freiheit aus der Kraft beweist sich durch Skepsis. M. der Überzeugung

4

sind kommen für alles Grundsätzliche von Werth u. Unwerth gar nicht in Betracht.

6

Überzeugungen sind Gefängnisse. Es ist nicht ohne Grund von mir gesagt worden

8

(M. A.) daß „Überzeug. gefährlichere Feinde der W. sind als Lügen. Sind

schon lange von mir zur Erwägung anheim gegeben worden

10

Überzeugung u Lüge überhaupt Gegensätze? –

Überzeugungen hat!“

Welt, wir leben u sterben für sie! Ehrfurcht vor Allem, was 104,46 )

:



12

Partei sind in irgend einem Sinne. Der Priester, Partei durch u. durch,

14

hat von den Juden die Klugheit übernommen, hier den „Imperativ“

16

der göttlichen Geburt Willens Gottes“ einzuschieben (– auch Kant

18

war auf demselben Wege) Es giebt Fragen, wo über Wahrheit u

20

Nichtwahrheit der M. unzureichend ist: alle obersten Fragen, der

22

Werth der Werthe finden ihn zu arm, zu eng, zu niedrig gesinnt –

24

seine „Vernunft“ in Sonderheit reicht nicht soweit … Darum gab

26

Gott dem M die Offenbarung: der M. kann von sich nicht wissen

28

was gut u. böse ist … Der Priester lügt nicht: denn Gott

30

hat ihm gar nicht die Freiheit gegeben, über wahr u. wahr zu

32

entscheiden … Dieses Kunststück von Priester=Klugheit ist durch

34

aus nicht nur christlich; die „Offenbarung“, das „heilige Buch“, der

36

„Wille Gottes“ – Alles nur Worte für das System von Bedingungen, mit

38

denen Priester zur Macht kommen, mit denen Macht aufrecht erhalten –

40

findet sich auf dem Grunde aller Priester=Organisationen, bei Manu zb

42

bei Muhamed, bei Confucius,A„Die Wahrheit ist da“: dies be-

un

) 102,2

.

bei Plato

2: aus der Kraft] ¿ 5: worden] ¿ 6: Überzeugungen] ¿ 8: Lügen] > Lügen“ 11: vgl. AC 55, 236,18-21 16: Willens] > „Willens

W II 8b 42-107.indd 84

28: gut] Vk 36: Alles] ¿ 38: mit denen] > mit denen sie ihre 40: Organisationen] ¿

15.05.15

104

)

sie sehen nicht unter sich. Man muß fünfhundert „Überzeugungen“ unter

2

sich sehen, um über Werth u Unwerth mit reden zu Solche Worte habe ich selbst aus dem Munde

W II 8

4

dürfen. –

$

schmutziger Antisemiten gehört.

z

6

Antichr. No 55. Bleistift

8

Es ist schon lange von mir zur Erwägung anheimgegeben worden, ob

10

nicht. Dies Mal möchte ich die entscheidende Frage thun:

12

ist zwischen Lüge u Überzeugung überhaupt ein Gegensatz? – Alle Welt

14

glaubt es: aber was liegt an aller Welt! – Eine jede

16

Überzeugung hat ihre Geschichte, ihre Vorformen, ihre Tentativen u Fehl-

18

griffe: sie wird Überzeugung, nachdem sie es lange nicht ist, nachdem

20

sie es noch länger kaum ist. Könnte unter diesen Embryonal=

22

Formen der Lüge nicht auch die Lüge sein? – Es bedarf oft

24

Überzeugung

dazu nur eines Personen Wechsels: im Sohn wird Überzeugung, was

26

im Vater noch Lüge war. – Ich nenne Lüge Etwas nicht

28

sehen wollen, was man man sieht, Etwas nicht so sehen wollen,

30

wie man es sieht: – ob die Lüge vor Zeugen oder vor

32

oder ohne Zeugen statt hat, ob man sich belügt oder Andere

34

auch

macht kommt nicht in Betracht. Genau zugesehen: setzt jeder

36

Verkehr mit sich, will sagen jede Bewußtseins = Phäno-

38

menalität eine Art Zweiheit, kurz einen Zeugen voraus. Wenn

40

man sich belügt, belügt man Etwas sich an sich … Nun

42

ist dies Nicht- sehen -wollen, was man sieht, das Nicht so sehen

44

n

wollen, wie man sieht, beinahe die erste Bedingung für Alle, die

46

) 103,12

34-42: KSA 14, 446, zu AC 55

W II 8b 42-107.indd 85

2: fünfhundert] ¿ 12: nicht.] vgl. AC 55, 235,23-25 12: entscheidende] ¿ 30: man man] > man 42: sich belügt] ¿ 42: sich an] > an

15.05.15

W II 8

105

2

Ich habe Fälle erlebt, wo junge Männer achtbarer Herkunft, die lange zuletzt in

4

ihrem Leben kein Ziel zu geben wußten, schließlich sich an in geradezu

6

schmutzigen Bewegungen verloren{, – nur weil diese ihnen ein Ziel gaben: Einige von

8

ihnen wurden zum Beispiel Antisemiten …

Bewegungen vollkommen verschwanden wurden sogar

Einige zb. wurden sogar Antisemiten …

10

in geradezu schmutzigen Bewegu ngen verschwanden

KGW VIII 22[11]

W II 8b 42-107.indd 86

5: vollkommen] ¿ 6: Bewegungen] ¿ 10: sogar] Vk 11: Bewegungen] Vk

15.05.15

106

W II 8b 42-107.indd 87

W II 8

15.05.15

W II 8

107

$

Ecce h. über Götzendämerung Bleistift

schreibe heiter u. verhängnißvoll im Ton, wie Alles was ich das Werk

Diese Schrift von noch nicht 150 Seiten, geschrieben in so wenig Tagen, daß

2

Buch hieß

s

4

ich Anstand nehme, die Ziffer zu sagen, ist unter allem, was bisher geschrieben

6

wurde das Substanzen =reichste, das Unabhängigste, das Umwälzendste. Will

8

man sich kurz einen Begriff machen, wie vor mir Alles auf dem Kopfe stand

stürzendste

10

so mache man den Anfang mit dieser Schrift: – das was „Götze“ auf

12

dem Titelblatt heißt istAeinfach das was bisher Wahrheit

14

genannt wurde Götzen=Dämmerung – heißtA: es geht zu Ende mit

16

der alten Wahrheit …

18

Es giebt keine Realität,Adie in dieser Schrift nicht berührt würde –

20

„berühren – was für ein Euphemismus in diesem Fall .. +Alle

22

politischen „modernen Ideen“, die Reichs Idee eingerechnet, die aller

ganz

auf deutsch

will sagen keine „Idealität“



das Problem des „Verbrechens“, des freiwilligen Todes Idee

24

)

modernste, die „Arbeiterfrage - Idee“, die Ehe ganze litterarische Ideen-

26

Aberglaube an „große Themen“, der ernste Erziehungs = Nothstand

28

unsere aesth. Wahrheiten – ein großer Wind bläst zwischen den

30

Bäumen u. überall fallen Früchte nieder … Und überhaupt wird

32

man eine kardinale Entscheidung in die Hände bekommen, weil ich

34

erst einen Maßstab für WertheAder Mh. besitze …

36

könnte von mir sagen, es sei in mir ein zweites Bewußtsein

38

gewachsen, als hätte sich in mir „der Wille“ ein Licht zur

40

Verneinung der schiefen Bahn angezündet, auf der er bisher lief

42

Und allen Ernstes, erst von mir an wieder Hoffnungen, Aufgaben, vorzuschreibende

44

Wege der Cultur …+Ich sehe öfter öfter mit einigem Mißtrauen meine Hand

bekommt

radikale

m

allein den endlich einen

überhaupt

einen

Man

gelaufen ist



mitunter meine Hand an

2: in] nach Korrektur des Kontextes > von 6: Substanzen=] ¿ 6: Unabhängigste] ¿ 20: berühren] > berühren“ 26: Nothstand] Vk 32: weil] ¿

W II 8b 42-107.indd 88

36: Bewußtsein] ¿ 38: Wille] Vk 42: an wieder] ¿, > an giebt es wieder 44: Hand] ¿

15.05.15

108

W II 8

ich habe Gründe dazu

öfter anA, – es scheint mir, daß ich das Schicksal der Mh in der

2

Hand habe …

4

Diese Schrift von noch nicht 150 Seiten, heiter u verhängnißvoll im Ton, wie Alles, was ich schreibe, das Werk von so wenig Tagen, daß ich Anstand nehme, ihre Zahl zu nennen, ist von Allem, was bisher Buch hieß,

6

8

10

Umwerfendste.

+

das Substanzreichste, das Unabhängigste, das Schrecklichste das Umstürzendste

)

12

s

nicht bloß die ewigen Probleme, sonst auch die politischen „modernen Ideen“,

, der Ehe

Ich sehe mitunter meine Hand an, nicht ohne einiges Mißtrauen: denn es scheint mir, ich habe das Schicksal der Mh. in der Hand …

deren

16

Was Wunder, wenn ich

Ich ich bin ein froher Botschafter … Trotzdem sehe ich

*

14

18

mir ansehe

mir mitunter meine Hand an mit Mißtrauen, – es scheint mir, ich habe

20

das Schicksal der Mh. in der Hand

22

Was Wunder, wenn ich mitunter meine Hand mir ansehe, u nicht ohne

24

?–

Mißtrauen! – es scheint mir, ich habe das Sch. der M in der Hand

26

12: Unabhängigste] ¿ 13: sonst] > sondern

S. 109 -112 unbeschriftet

W II 8c 108-154.indd 111

15.05.15

W II 8

113

1.

Man vermeide den Umgang mit Solchen, die nach wie vor Christen bleiben,

2

– das aus

2.

aus{Gründen der Reinlichkeit.! Die Fälle in Betracht gezogen, wo Christenthum

4

ersichtlich bloß

von Nervenschwäche u

sei

6

ersich ein Folge = Symptom physiol. décadence, verhüte man mit allen Mitteln,

8

daß von solchen Herden aus die Ansteckung um sich greift.

10

3. Daß die Bibel ein schlechtes Buch ist, daß man Vorsicht gegen

12

dasselbe zu lernen hat, – daß es unreifen Altersklassen nicht einmal

14

in die Hand gegeben werden darf Priester

16

4 daß man die Priester wie eine Art Tschandala betrachtet u behandelt

18

5. Alle Stätten, Einrichtungen, Gewohnheit, xxxxxx =

Erziehung

des Priesters

20

KGW VIII 22[10] 396,14-28

W II 8c 108-154.indd 112

reinigen von der Befleckung

22

6.

Feste „Heilige „Erlöser“

24

7.

Zeit=Datirung

2: Umgang] ¿ 4: Gründen] Vk 12: nicht einmal] ? 18: Gewohnheit] ? 18-20: Befleckung des Priesters] ? 22: Heilige] > Heilige“

15.05.15

114

W II 8c 108-154.indd 113

W II 8

15.05.15

W II 8

115

$

VIII, 311. Bleistift

2

Dieser Mönch, mit allen rachsüchtigen Instinkten eines verunglückten Priesters im Leibe,

4

empörte sich in Rom gegen die Renaissance … Statt mit tiefer Dankbark.

6

das Ungeheure zu verstehen, das geschehen war, die Überwindung des Christenthums an seinem Sitz

8

die Heraufkunft höherer vornehmer menschlicher Werthe v er sah

sa

10

verstand sein Haß daraus seine Nahrung zu ziehen – die Verderbniß

12

des Papstes – während gerade das Gegentheil der Fall war: die

14

alte Verderbniß, das Christenthum saß nicht mehr auf dem

16

Stuhl Petri.

die alte Verderbniß, das Christenthum war

18

Man soll es den D. nie vergeben, die Ren. um ihr Ziel, um ihren

20

Sinn gebracht, – den Sieg über das Christenthum. Die deutsche

22

Reformation ist ein dunkler Fleck … Und noch drei Mal hat diese

24

Unglücks =Rasse sich dazwischen geworfen, um den Gang der Cultur zu

26

hemmen – die deutsche Ph., die Freiheitskriege, die Erfindung

28

des Reichs am Ende des neunzehnten Jahrhund. – lauter große

30

Verhängnisse der Cultur!

)

ihr

60. Cap. meine Forderungen.

32

16: KSA 14, 448, zu AC 61 18-30: KGW VIII 22[9] 32: KGW VIII 22[10] 396,13

W II 8c 108-154.indd 114

10: daraus] Vk 20: gebracht] > gebracht zu haben 24: Rasse sich] Vk 26: Ph.] > Philosophie 28: Reichs] ¿

15.05.15

116

2

mit den rachsüchtigen Instinkten eines verunglückten Pr s überladen

4

*

Dieser Mönch, mit allen Instinkten

W II 8

daß erst Mitte dieses Jahrh. die Fragen Nahrung, Wohnung, Gesundheit ernstgenommen wurden

)

abgeschafft, die vornehmen Werthe waren selbst über Rom Herr

6

geworden, – man hätte es erlebt, den prachtvollsten Ausdruck der

8

„Ren“ in jedem großen Sinne Cesare Borgia als Papst

10

wäre

zu sehen … Das war die Erlösung der Menschh. vom

12

gewesen

Fluche des Christenthums{: – versteht man das?

57. Cap.

die heiligen Zwecke: Manus Gedanken bei seiner Lüge

58. Cap. *

59. Cap.

5,16-32: KGW VIII 22[10] 396,1-12

W II 8c 108-154.indd 115

14

16

18

nie soll man humanitäre Wirkungen des Chr. zugeben,

20

es hat Alles verdorben – Die furchtbare Einbuße

22

die Alles alle werthvollen Dinge erlebt haben,

24

daß der Ernst an imaginäre, an schädliche ver-

26

schwendet wurde

28

der große Versuch der Gegenwerthe – die Renaissance die Deutschen

!

30 32

14: das?] Vk 26: daß] Vk 30: Renaissance] ¿

15.05.15

W II 8

117

$

Antichr. No 53. Bleistift

2

Daß Märtyrer etwas für die „Wahrheit“ einer Sache beweisen, ist so wenig wahr, daß ich

4

leugnen möchte, es habe je ein Märtyrer überhaupt etwas mit der Wahrheit zu thun

6

gehabt. In dem Tone, in dem ein Märtyrer sein Für wahr -halten der Welt an

8

den Kopf wirft, drückt sich bereits ein so niedriger Grad von intell. Rechtschaffenheit

intell.

w

10

aus, eine solche Stumpfheit für die Frage Wahrheit, daß man einen M nie zu widerlegen hat …

12

– sein Martyrium Die „Wahrheit“ ist nichts, was einer hätte u was ein Anderer nicht

14

hätte: so denken Bauern oder bäurische Priester wie{Luther über die Wahrheit.

können

in der Art

denken 16

Man darf sicher sein, daß auch der Gewissenhafteste in Dingen des Geistes die Beje nach dem Grade immer größer wird

18

scheidenheit in diesem Punkte zunimmt: in fünf Sachen wissen – im Falle u. mit

20

großer Zartheit sich erlauben, sonst nicht zu wissen

22

zarter Hand es abweisen, sonst zu wissen … „Wahrheit“ wie es jeder Prophet

24

oder „Sektirer“ oder „Freigeist“ oder „Anarchist“ oder „Priester“ versteht, ist

26

ein vollkommener Beweis dafür, daß auch noch nicht der Anfang der strengen Zucht u.

28

u. Selbstüberwindung gemacht ist, die zum Finden irgend einer kleinen, noch so kleinen

30

Wahrheit noth thut. – Die Märtyrer =Tode, anbei gesagt, sind ein

32

großes UnglückAgewesen, – sie verführten … Der Schluß aller Idioten, daß

,

34

eine Sache, für die Jemand in den Tod geht, etwas auf sich hat, ein Idioten Schluß

v

36

comme il faut, ist der Prüfung, dem Geist der Prüfung u. Vorsicht unsäglich

38

nachtheilig gewesen. Noch in diesem Jahrhundert haben wir am Beispiel Carlyle ein

40

Zeugniß, wie jene grobe Crudität, Hinrichtungs=scene mit Worten aller Art die Sym-

42

pathie für Sache erweckt, eine Art Vorurtheil zu Gunsten einer Sache

das Wort

in der Geschichte

ersten Ranges

heute bedarf es nur einer Crudität der Verfolgung, um einer Sache einen

einer

auf

,

Mißhandlung, Hinrichtung

ehrenhaften Namen zu machen

38-42: KSA 14, 446, zu AC 53

W II 8c 108-154.indd 116

6: Märtyrer] ¿ 16: Gewissenhafteste] nach Korrektur des Kontextes > Gewissenhaftigkeit 22: Prophet] ¿ 26-28: u. u.] > und 34: auf] Vk

42: für] > für eine 42: Gunsten] ¿

15.05.15

118

$

W II 8

VIII 292 u. Bleistift

Wie! was ändert es am Werth einer Sache, daß Jemand dafür mit dem

2

Leben zahlt? – Ein Irrthum, der ehrenhaft wird, ist ein Irrthum, der

4

einen Verführungs =Reiz mehr besitzt: glaubt ihr, daß wir

6

euch Anlaß geben würden, für eure Lüge „Märtyrer“ zu werden? –

8

Man widerlegt eine Sache, indem man sie achtungsvoll aus Eis

10

welthist

legt … Gerade das war die Dummheit aller welthist. Verfolger

12

daß sie der gegnerischen Sache den Anschein des „Ehrenhaften“, des „Heroischen“

14

gaben. – Das Weib liegt noch heute auf den Knien vor einem Irrthum,

16

weil Jemand für ihn am Kreuze starb. Ist denn das Kreuz ein Argument? –

18

Über alle diese Dinge hat Zarathustra das wahrste Wort gesagt, das je umsonst

20

gesagt worden ist

22

um einer Sache einen ehrenhaften Namen zu machen. –

6: besitzt] ¿ 10: aus] > auf’s 16: Irrthum] Vk 20: umsonst] ¿ 23: zu 117,37-43

W II 8c 108-154.indd 117

15.05.15

W II 8

119

$

VIII 290 u. Bleistift

2

Ein anderes Abzeichen des Theologen ist sein Unvermögen zur Ph. Ich verstehe hier Ph.

4

in einem sehr allgemeinen Sinne, als die Kunst, gut zu lesen, – Thatsachen ablesen

6

können, ohne sie durch Interpretation zu fälschen, ohne im Verstehen =Wollen die Vorsicht,

8

die Geduld, die Feinheit zu verlieren. – Die Art, wie ein Theolog, gleichgültig ob

10

in Berlin oder Rom, ein „Schriftwort“ auslegt, oder ein Erlebniß, in

12

der höheren Beleuchtung des „Wortes Gottes“ ist immer

14

dergestalt, daß ein Philolog dabei an allen

16

Wänden emporläuft: nicht zu reden davon, wenn

18

schwäbische KüheAihren erbärmlichen Alltags =Zufälle sich mit dem „Finger Gottes“

20

zu einem Wunder von „Gnade“, von „Wink“, von „Vorsehung“ auslegen. zurechtmachen.

22

Der bescheidenste Aufwand von Geist, um nicht zu sagen von Anstand müßte diese

24

Interpreten doch dazu bringen, das vollkommen Willkürliche u. Kindischen eines solchen „Einblicks

26

in die göttliche „Fingerfertigkeit“ zu überführen. Mit einem noch so kleinen Maße

28

Frömmigkeit im Leibe ist ein Gott, der uns zur rechten Zeit vom Schnupfen

30

curirt oder in einem Augenblick in die Kutsche steigen läßt, wo gerade ein starker

32

Regen losbricht, ein so absurder Gott, das man ihn abschaffen müßte, wenn

34

er existirte … Ein Gott als Domestik, im Grunde ein Wort für jeden

36

glücklichen Zufall – – Die „göttliche Vorsehung“, wie sie fast jeder dritte M.

38

versteht, ist ein Einwand gegen Gott, wie er stärker gar nicht gemacht werden

40

kann

einen Sieg des

vaterländischen Heeres z. B.

wenn Pietisten u andere Kühe aus dem Schwabenlande

doch

des

G

Kammerdiener

42

34-36: KSA 14, 446, zu AC 52

W II 8c 108-154.indd 118

Ph. als Ephexis in der Interpretation …

2: zur Ph.] > zur Philologie 6: Interpretation] ¿ 23: des] vgl. AC 52, 232,1 > sich des 24: Einblicks] > Einblicks“ 32: das] > daß 36: dritte] ¿

15.05.15

120

Ein Glaube, der sich auf heilige Bücher stützt, der Wunder aus

2

Büchern gelten läßt, der Bücher durch Offenbarung mitgetheilt

4

denkt, der die Wahrheit nimmt aus etwas, das gegeben ist, das

6

feststeht, nicht als etwas, wohin nur in den kleinsten Schritten u Schrittchen

8

schrittweise u. mit unsäglicher Selbstbezwingung u -Zucht, ein Glaube der

W II 8

10

hat

nie den Willen, seine heiligen Bücher zu verstehen, der auch über die Interpreten

12

bereits durch „Offenbarung“ entschieden sichergestellt ist sein typischer Zustand

14

$

VIII 290, o. Bleistift

Weil die Krankheit zum Wesen des Chr gehört, muß auch der

16

„Glaube“ eine Krankheit sein – : u alle natürlichen, geraden,

18

rechtschaffenen Wege zur Erkenntniß müssen als verbotene Wege

20

von der Kirche geleugnet werden … Der vollkommene Mangel an Recht-

22

122,22 )

bloß

schaffenheit im Priester ist die Folge davon, daß die Krankhaf-

24

über

tigkeit bei ihm den Werth der Werthe entscheidet den Grund abgiebt, von dem aus Werth u. Unwerth

26

28

bestimmt wird. Was krank macht, ist gut; was aus der Macht, aus der

30

Fülle, aus dem Überfluß stammt, ist böse …

32

2-15: KGW VIII 22[8]

W II 8c 108-154.indd 119

6: aus] >? als

15.05.15

W II 8

121 , daß Irrenhaus Irrenhaus ist.

$

Antichr. S. 287 M. Bleistift

2

Nicht freilich einen Priester: denn der leugnet aus Instinkt, daß Krankheit Krankheit

4

ist. Das Christenthum hat die Krankheit nöthig, – krank -machen ist der geheime

6

Absicht

Hinter-

Sinn .

die Kirche ist das Irrenhaus als Ideal.

der ganzen Heils =Prozeduren der Kirche; Wenn es mir erlaubt seinBmuß, sollte

8

einen medizinischen Ausdruck, der keinen Zweifel läßt, auf die Realität dieses

10

Prozeduren-Systems anzuwenden: so würde ich Der religiöse M., wie ihn die

12

Kirche will, ist ein typischer décadent; der Zeitpunkt, wo die religiösen

14

Crisen über ein Volk Herr werden, sind große Krankheits=Zeiten; die innere

16

Welt des rel. M. sieht der inneren Welt von Entnervten u. Überreizten zum

18

Verwechseln ähnlich … der ganze christl. Buß- u Erlösungs = training kann

20

als eine willkürlich erzeugte folie circulaire bezeichnet werden,

22

wie billig, auf einem bereits dazu vorbereiteten, das heißt gründlich mor-

;

24

biden Boden erzeugt. EineAReligion, die den Leib verachten lehrt! die aus

;

26

der unzureichenden Ernährung ein „Verdienst“ macht! die im Leibe, in

;d

28

den „Sinnen“ eine Art Feind, Teufel, Todfeind bekämpft! Die sich einre-

30

dete, man könne einen „achtbaren M. Seele in einem Cadaver von Leib

hat alle Anzeichen des

wird

immer durch gekennzeichnet Zeiten großer Nerven=Epidemien epidem Nervenkrankheiten

,

alle Ich habe mir erlaubt einmal erlaubt

zu bezeichnen

. – Wie muß man eine verachten

„vollkommene Seele“ 32

herumtragen, der dazu nöthig die „Vollkommenheit der Seele“ sich zurecht zu machen,

34

ein bleiches, krankhaftes, idiotisch =schwärmerisches Wesen als sogenannte

36

„Heiligkeit“… Die christl. Bewegung, als europäische Bewegung, ist eine

38

Degenerescenz -Bewegung aus Ausschuß - u Abfalls -Elementen aller Art: sie

40

drückt nicht den Niedergang einer Rasse aus, sie ist von Anfang an eine nicht das Alterthum verfällt (– wie der gelehrte Idiotism heute noch aufrecht erhält.

4-6: KSA 14, 446, zu AC 51

W II 8c 108-154.indd 120

2: Priester] Vk 4: krank-] ¿ 5: Irrenhaus] ¿ 13: in Ms nicht übereinander 17: alle] Hinzufügung 122,1 18: christl.] ¿ 20: bezeichnet] ¿

24: biden] ¿ 26: Leibe] Vk 30: achtbaren] ¿ 32: nöthig] > nöthig hatte, 38: Degenerescenz] ¿ 41: Hinzufügung zu 122,4; vgl. AC 51, 229,31-230,1

15.05.15

122

W II 8

als „Werth aller Werthe“ über der Mh. aufhängt als Heil „höchsten“ Zustände, die die Kirche kennt, sind jedem Irrenharzt bekannt.

aus

$

VIII S. 288 u. Bleistift

Aggregat =Bildung sich zusammendrängender u sich suchender Krankheits

2

-Gebilde. Sie ist deshalb nicht „national“, nicht rassebedingt, –

4

das Christenwendet wendet sich an die „Enterbten“ des Lebens von

6

überall … Sie hat die rancune der Kranken auf dem Grunde – die

8

rancune gegen die Gesunden – alles Wohlgerathene, Stolze, Über-

10

müthige klingt thut ihr weh in Augen u Ohren, – sie braucht

12

ein Symbol, welches den Fluch auf die Wohlgerathenheit u. die

14

Macht darstellt. Sie steht auch im Gegensatz zu jeder geistigen

16

Wohlgerathenheit, – sie kann nur die kranke Vernunft als christliche

18

Vernunft gebrauchen: sie nimmt die Partei aller Idioten, sie spricht

20

den Fluch gegen den Geist, die superbia des Geistes

22

1: KSA 14, 446, zu AC 51

W II 8c 108-154.indd 121

) 120,16

1: Hinzufügung zu 121,17 1: Irrenharzt] nach unvollständiger Korrektur > Irrenarzt 4: Hinzufügung 121,41; vgl. AC 51, 229,31-230,1 6: Christenwendet] > Christenthum 16: geistigen] ¿ 20: spricht] ¿

15.05.15

W II 8

123

2

4

Aus der Vielheit zur Einheit kommen, Ein Plan, seine Mittel, Ein

Viel unheimlicher steht es mit einem anderen „Criterium der Wahrheit“, – dem „Beweis

6

durch die Leidenschaft“, wie man sagen könnte. D Jedermann ungefähr glaubt, daß in

8

einer Überzeugung der Gegensatz der Lüge gegeben sei. –

2: Ein … Ein] ? 4: Criterium] ¿ 4: Wahrheit] Vk 8: gegeben] ¿

W II 8c 108-154.indd 122

15.05.15

124

Gegen den „Beweis der Lust“, über den

W II 8

2

der

Viel gefährlicher ist ein anderer „Beweis – durch die Leidenschaft. Man

4

hält eine Sache für wahr, weil man für sie sich opfert, weil

6

man alle große Überwindung in ihrem Dienste übt, – weil man jede

8

andere Sache sie uns verstärkt, zur Einheit umschafft, zum Gefühl der Macht bringt

10

Die Menschen des „starken Glaubens“, der Überzeugung, sind im Grunde nach E einer

12

solchen Verstärkung mit ihren Instinkten gemindert, – u einzig deshalb, weil sie

14

ein solches Pathos im Auge haben, fehlt ihnen die vorsichtige u. vornehme

16

Kunst, um in der Wahl, wofür, wodurch –

18

Eine Sache, für die man sich opfern kann, zu der man sich zur Einheit formt,



20

$

Antichr. 51. VIII 287. Bleistift

unter Umständen

aber die Seligkeit“ aus

Daß der „GlaubeAselig macht“, daß die fixe Idee durch die Seligkeit nicht keine wahre

aber 22

genügt sei den „Gläubigen“

macht

zur wahren Idee, – ein flüchtiger Gang durch ein IrrenhausAunterrichtet zur

24

Genüge klärt zur Genüge hierüber auf. – Viel gefährlicher steht es mit den sog

26

Überzeugungen – das Kriterium der Wahrheit ist hier nicht die Lust, sondern die

28

Leidenschaft, in deren Dienst eine Sache für wahr gehalten wird. „wahr“ sein muß …

30

.

4: Beweis] > Beweis“ 14: gemindert] ? 21: Seligkeit] > „Seligkeit 23: Gläubigen] ¿ 30: wahr“] Vk

W II 8c 108-154.indd 123

15.05.15

W II 8

125

$

VIII 285 u. Bleistift

, wie es billig ist,

2

– Ich erlasse Niemandem eine Kritik des „Glaubens“, am wenigsten{den „Gläubigen“.

4

Vielleicht giebt es heute immer noch Wenn es heute noch solche geben solle, die es nicht

6

wissen, in wiefern „gläubig sein“ unanständig, morgen sollen sie es wissen …

noch nicht fehle

ist

werden 8

Ich habe die Stimme auch für harthörige Gewissen …

$

VIII 286 M. Bleistift

Setzen wir aber, mit einiger Nachgiebigkeit, daß das Selig = machen durch

10

3.

12

den Glauben bewiesen sei – nicht nur gewünscht, nicht nur durch den

14

etwas verdächtigen Mund vom Priester versprochen: wäre Seligkeit, sachlich

16

Ge geredet Lust, jemals ein Beweis für Wahrheit? – So wenig

18

daß es beinahe den Gegenbeweis, jedenfalls den höchsten Argwohn

20

gegen „Wahrheit“ abgiebt, wenn Lustempfindungen über die Frage „was

22

ist wahr? entscheiden … Der „Beweis der Lust“ ist ein Be-

24

weis für „Lust“: woher um alles in der Welt stünde es

26

fest, daß gerade wahre Urtheile selig machten, angenehm wären? –

28

Die Erfahrung jedes strengen, jedesAtiefen M. ist das Umgekehrte:

30

er hat jeden Schritt Breit Wahrheit sich abringen müssen, er hat

So wenig

*

tiefer gesinnten Geistes ist

breit 32

34

2,28-30,36-38: KSA 14, 446, zu AC 50

W II 8c 108-154.indd 124

die Bedürfnisse nach das Bedürfniß nach Frieden, Ruhe, Sicherheit, nach Wohlgefühl u.

36

gegen die gebieterische Stimme zurückdrängen müssen … Die Lust schmei=

38

chelt, die Lust betrügt – der Glaube macht selig, folglich

3: fehle] ¿ 10: aber,] Vk 16: Beweis] Vk 20: Lustempfindungen] Vk 22: wahr?] > wahr?“ 36: schmei=] Vk

)

38: Lust] Vk

15.05.15

126

W II 8

Psychologie 1. Ich erlasse Niemandem eine Kritik des „Glaubens“, am wenigsten den Gläubigen

inwiefern es

Wenn es heute noch an Solchen nicht fehle, die es nicht wissen, daß es

2

(– oder ein Zeichen von Krankheit) schon

ist

unanständig gläubig zu sein, morgenAwerden sie es wissen. Meine Stimme ist stark

4

genug auch für harthörige Gewissen …

6

t en, eit, Fried k r e it e H , Gefühle en, Ruhe „schöne en müss b h e c r g u is d e r t gen p sich nich lles dage n nicht, e s ssen is er hat A w e den zu la sein G e t r r a e h b r ü e g, – Erfüllun – oder ein Zeichen von décadence, von gebrochenem „Willen“ – utrauen, Sicherhei

+

erreicht auch

Z

8

10

Vertrauen

$ 2.

VIII 286 o. Bleistift

mich nicht verhört

unter Christen es eine

Es scheint mir, wenn anders ich recht gehört habe, daß es im Christenthum

12

eine Art Kriterium der Wahrheit giebt, das man „den Beweis der Kraft“

14

nennt. Der Glaube macht selig: also ist er wahr. Man dürfte

16

einwenden

hier zunächst einwenden, daß gerade das selig machen nicht bewiesen

18

sondern nur versprochen ist als Wirkung des Glaubens: man soll selig

20

werden, weil man glaubt … Aber daß thatsächlich der Glaube

22

selig macht, wer beweist das? – Der angebl „Beweis der

24

Kraft“ ist also im Grunde wieder ein Glaube; nämlich daß

26

die Wirkung nicht ausbleibt, die man sich vom Gl. verspricht

28

ist er wahr …

– ich glaube daß Glaube selig macht: folglich glaube ich

30

– Aber damit sind wir schon am Ende … Das „folglich“

32

ist das absurdum als Bedingung des Glaubens

34

Bedingung = )

Bedingung für „Kriterium der Wahrheit“

lügt er …

3,7-10,20: KSA 14, 446, zu AC 50

W II 8c 108-154.indd 125

36

2: fehlt] ¿ 3: in Ms nicht übereinander 7: Ruhe] Vk 8: nicht, sich] > , sich 8: Gefühle] > Gefühle“ 11: zu Zeile 3

26: daß] Vk 29: ist] Vk 34: Bedingung] ¿ 35: Bedingung] ¿ 35: Bedingung für] ¿ 36: lügt er] Vk

15.05.15

W II 8

127

$

VIII 292 / 3. Bleistift

Daß Märtyrer etwas für Psychologie des „Glaubens“ die Wahrheit einer Sache beweisen ist

) 15

Wie?

2

wird

wirklich

Jemand

– Ihr meint,Aeine Sache würde dadurch ehrenhaft, daß ihr{mit eurem Leben dafür Und gesetzt sie würde es:

:g

4

zahlt?… Ein Irrthum, der ehrenhaft wird, ist ein Irrthum, der eine Verführungs=

6

kunst mehr besitzt. Glaubt ihr, daß wir wünschen würden, euch für eure „Lüge“ zum

8

„Opfertod“ zu ermuthigen? – Gerade das war die welthist. Dummheit in der Verfolgung

noch

Martyrium

anzu

Gerade

ihrer gegnerischen Sache

noch das

Dummheit

Ehrenhaften des

10

aller Verfolger, daß sie ihren Gegnern{den Anschein desA„Heroischen“ gaben – Das

12

Weib liegt heute noch auf den den Knien vor einer Lehre, deren Lehrer am

14

Kreuz gestorben ist. Ist denn das Kreuz ein Argument?..

weil Jemand einmal

denn

es sei jemals jemand für die so wenig wahr, daß ich den Fall überhaupt leugne, daß dafür je ein M für eine

1)

Wahrheit gestorben 16

„Zwischen einer Lüge u einer Überzeugung besteht ein Gegensatz: es giebt keinen

18

größeren.“ – Aber es ist mit Recht gesagt worden, daß Überzeugungen gefährlichere

20

Feinde der Wahrheit sind als Lügen. Eine jede Überzeugung hat ihre Geschichte, ihre Vor-

22

formen, ihre Tentativen u Fehlgriffe: sie wird Überzeugung, nachdem sie es lange nicht

24

ist u noch länger kaum ist. Könnte unter diesen Embryonal = Formen der

26

Überzeugung nicht auch die Lüge sein? – Es bedarf oft nur eines Personen = Wechsels:

28

im Sohn wird Überzeugung, was im Vater noch Lüge war.

30

Was macht es, daß ein Lügner uns einen Irrthum für eine Wahrheit ver-

32

kauft? – Unser Vortheil (unsere „praktische Vernunft“ – würde Kant sagen)

34

36

Was macht es, daß man zwischen verschiedenen Möglichkeiten sich entscheidet? Unser Vortheil, nochmals.

6: besitzt] Vk 8: muthigen] nach Korrektur des Kontextes > rathen 12: auf den] ¿ 15: jemals] ¿ 34: sich entscheidet] ¿

W II 8c 108-154.indd 126

15.05.15

128

Was macht es, daß man zwischen mehreren Hypothesen so u so wählt? – Unser

2

Vortheil.

4

Welcher Unterschied bleibt zwischen einem Überzeugten u einem Belogenen Belogenen:

6

Keiner, wenn er gut belogen ist

8

Was macht es, das alle Philosophen bestimmt, ihre Überzeugungen für Wahrheiten zu

10

ß

halten? Ihr Vortheil.

12

26 )

Nicht der „Geist“: denn es gehört kein Scharfsinn dazu, um

14

den „Schwindel“ zu durchschauen, den

16

W II 8

Genau in dem Tone,

Die christliche Praxis ..

in dem ein M.

man dabei treibt wie es in zurückbildenden Gegenden

eine Überzeugung nicht mehr

18 20

42 )

durch Gründe, sondern

folie circulaire.

durch

gegen Renan. Ursprung der Religion

Ich empfinde das

zb. in Schwaben möglich ist, was

22

da zurückgebildet, ist immer

24

die Rechtschaffenheit …

26

) 12

nach christl. Manier

Das{InterpretirenAals tiefe Leichtfertigkeit. Sein Leben sich so auslegen,

28

wie es schwäbische Christen thun, scheint mir durchaus unanständig, – es gehört

30

Mangel an der großen Rechtschaffenheit dazu, um nicht zu entdecken, was

32

man hier ganz frei hinein zu interpretiren – u. daß es ein armseliges Kunststück

34

wenn

ist

– was die Wissenschaftlichkeit nicht das Gewissen führt, so

36

ist immer ein Rückstand da von Tüchtigkeit, – um nicht schwach

38

feige, , b geistlos, in einer christl. Weise sich sein Leben zurecht

40

zu legen

42

12-42: KGW VIII 22[7]

W II 8c 108-154.indd 127

2: wählt] Vk 12: denn] ? 15-23: zu 127,15 17: M.] > Märtyrer 20: zurückbildenden] ¿ 27: empfinde] ¿

) 20

27: Manier] Vk 32-34: was … hinein] ? 34: interpretiren] >? interpretiren wagt 36-38: nicht … von] ?

15.05.15

W II 8

129

$

VIII 285 Bleistift

bloß „moralische“ Consequenzen für eine Art, so u so zu handeln Creaturen Creaturen

durch Begriffs-Gespenster des Aberglaubens,

sondern durch Wesen des Aber-

2

glaubens, durch „Götter“, „Geister“

4

s

6

8

bewirkt sind, wenn eine Wirkung nicht folgt auf eine Ursache, sondern nur moralische Consequenz

10

einer Art, so u so zu handeln ist

12

so hat man das größte Verbrechen von der Welt, die

14

Erfindung der Sünde … Die Sünde, nochmals, gesagt

16

ist erfunden, um die Wissenschaft zu untergraben: der

18

Priester herrscht durch die Erfindung der Sünde …

20

nur folgend, nicht nothwendig

Der Anfang der Bibel enthält die ganze Psychologie des Priesters.

$

VIII 285. Bleistift

1: Consequenzen] ¿ 2: Anschluß zu 130,16 8-9: zu 130,14-16 14: nochmals, gesagt] > nochmals gesagt,

W II 8c 108-154.indd 128

15.05.15

130

$ gegen die Ablösung des M vom Priester.

VIII 284 / 5 Bleistift 2

Der M. soll nicht hinaus, soll in sich sehen: er soll nicht neu-

4

gierig u klug in die Dinge sehen, er soll gar keine Dinge sehen –

6

er soll leiden … Und er soll so leiden, daß er jeder Zeit

8

den Priester nöthig hat … Der Schuld= u Strafbegriff, eindie Lehre

von der

W II 8

132,40 )

10

der „Gnade“ der „Erlösung“

gerechnet die „Lehre“, verdirbt ein für alle Mal den Ursachen=

12

Sinn des M. Wenn die natürlichen Folgen einer That nicht mehr

14

„natürlich“ sind, sondern Lohn oder Strafwirkungen einer jenseitig

16

waltenden Macht, so ist die Voraussetzung zum Erkennen

18

zerstört. Mit dem Begriff „Lohn u Strafe“ ist die Wissenschaft

20

abgeschafft

22

mit den feigsten listigsten niedersten Instinkten gehandhabt

12-22: KSA 14, 445, zu AC 49

W II 8c 108-154.indd 129

2: vom] Vk 16: Anschlußzeichen zu 129,2 23: zu Zeile 10-14

15.05.15

W II 8

131

$

VIII 282 u. Bleistift

2

Der alte Gott, ganz „Geist“, ganz hohepriesterlich, ganz Vollkommenheit, lust-

4

wandelt in seinen Gärten: nur daß er sich langweilt. Gegen die Langeweile

6

kämpfen Götter selbst vergebens. Was thut er? Er schafft den Menschen –

8

der Mensch ist unterhaltend … Aber siehe da! auch der M. langweilt

10

sich. Das Erbarmen Gottes mit der einzigen Noth, die es bis dahin gab, kannte keine

12

Grenzen: er schuf noch andere Thiere. Aber der M. fand sie nicht unter-

14

haltend: – er herrschte über sie, er wollte nicht „Thier“ sein. – Folglich

16

schuf Gott das Weib. Und in der That, mit der Langeweile hatte es nun

18

ein Ende – aber auch mit Anderem noch! Das Weib war der zweite

20

Fehlgriff Gottes … „Das Weib ist seinem Wesen nach eine Schlange, eine

22

Heva“ – jeder Priester weiß das; vom Weib kommt jedes Unheil in der

24

Welt – jeder Priester weiß das: folglich kommt von ihm die

26

Wissenschaft!“ – Erst durch das Weib lernte der M. vom Baum

28

der Erkenntniß kosten … Eine Höllenangst ergriff den alten Gott: was

30

war geschehen! Der Mensch selbst war sein größter Fehlgriff ge-

32

worden, – er hatte sich einen Rivalen geschaffen, die Wissenschaft macht

34

gottgleich, es ist mit Priestern u Göttern zu Ende, wenn der Mensch

36

wissenschaftlich wird! – Moral: die Wissenschaft ist das an

38

sich VerboteneA; die Wissenschaft ist die erste Sünde, der Keim

40

aller die Erbsünde. Dies allein ist Moral: du sollst nicht

42

erkennen … Die Höllenangst Gottes verhinderte ihn, klug zu

44

sein.: „Wie wehrt man sich gegen die Wissenschaft? das wurde sein

Erster Fehlgriff Gottes: der

an sich

w

2: hohepriesterlich] Vk 14: Thier] Vk 20: seinem] ¿ 22: in der] ¿ 24: folglich] > „folglich 28: Höllenangst] ¿

W II 8c 108-154.indd 130

40: aller] > aller Sünde, 42: Höllenangst] ¿ 42: ihn] vgl. AC 48, 225,13-14 > ihn nicht

15.05.15

132

$

W II 8 283 u. Bleistift

Hauptproblem Antwort: fort mit dem M. aus dem Paradiese! Das

2

Glück, der Müßiggang bringt ihn auf Gedanken – alle Ge-

4

danken sind schlechte Gedanken … Der M soll nicht denken ..

6

Der „Priester an sich“ erfindet den Tod, die Noth, die

8

Schwangerhafschaft, jede Art von Krankheit, Elend, Mühsal –

10

– Alles im Kampf mit der Wissenschaft! Die Noth er-

12

laubt dem M nicht, zu denken … Und trotzdem,

14

entsetzlich! Das Werk der Erkenntniß thürmt sich

16

auf, himmelstürmend, götterdämmernd -andämmernd …

18

Der alte Gott erfindet den Krieg: er trennt die Völker, er

20

macht, daß die M sich gegenseitig vernichten … Unglaublich!

22

die Erkenntniß, die Emancipation vom Priester, nimmt selbst

24

durch den Krieg noch zu. Und ein letzter Entschluß

26

kommt dem alten Gotte: der M. ward wissenschaftlich –

28

man muß ihn ersäufen! –

30

Man hat mich verstanden. kennt

Moral: Der Priester hat nur Eine große Gefahr: das ist die Wissenschaft. Aber die W. gedeiht nur in glücklichen Ver-

32

34

: dies war jeder Zeit die Logik des Priesters.

hältnissen. Folglich muß man den M. unglücklich machen … Man

36

gemäß der Logik

erräth, nach dieser Logik, wieA„die Sünde“Bin die Welt gekommen

38

ist. Der Schuld- u Strafgebegriff ist erfunden gegen die Wissenschaft

40

überhaupt

) 130,2

10: Schwangerhafschaft] > Schwangerschaft 10: Krankheit] ¿ 18: himmelstürmend] ¿ 22: gegenseitig] Vk 40: Strafgebegriff] > Strafbegriff 40: Wissenschaft] ¿

W II 8c 108-154.indd 131

15.05.15

W II 8

133

2

Götzen = Dämmerung.

4

Oder:

6

wie man mit dem Hammer

8

philosophirt.

10

Von

12

Friedrich Nietzsche.

KGW VIII 22[6] 394,25-30

W II 8c 108-154.indd 132

15.05.15

134

„Gott“, will sagen der „Geist“, der „Priester an sich“ liebt schöne

W II 8

2

andere

Gärten u.AUnterhaltungen für Müssiggänger

4

$

VIII 60. Bleistift

welches Entzücken für einen Psychologen, zumal

6

zumal wenn er, wie in meinem Falle, im Grunde nichts mehr als

8

ein alter Musikant ist …

10

Auch diese Schrift ist, gleich dem „Fall Wagner“ vor Allem eine Er-

12

Vielleicht

holung, ein Sonnenfleck, ein Seitensprung.AAuch ein neuer Krieg? Und

14

werden wieder Götter umgeworfen? – Diese kleine Schrift ist eine große Kriegserklärung

16

: u was die Götzen, so

18

t

20

,

$

VIII 60. Bleistift

wenigstens

Auch sagt man,Aim vornehmsten Falle wenigstens, durchaus nicht „Götze“…

6-10: KSA 14, 411, zu GD Vorwort

W II 8c 108-154.indd 133

22

6-8: zumal zumal] > zumal 14: Und] ¿

15.05.15

W II 8

135 sofort wenn auch Rechte kommt, die u dahinfällt, sobald nur an einem P. die Wirkl. zu

$

VIII 281 M. Bleistift

sich

2

Eine Religion, die in keinem Punkte sich mit der Wirklichkeit berührt, muß

4

billigerweise gegen die Erkenntniß, die Zucht des Geistes, die Sauberkeit im Fragen

6

u. Forschen einen bösartigen Fanatism des intell. Gewissens einen Kriegszug ohne Schonung

8

führen: denn „die Weisheit der Welt“, auf deutsch: die Wissenschaft

jeden geraden Weg zur gegen jede die

jede die

jeden

10

gegenAgeraden Weg, der zur Erkenntniß führt, gegen jede Zucht des Geistes

12

gegen jede Rechtschaffenheit u Lauterkeit imAGewissens einen Vernichtungs u Verleumdungskrieg

14

bis aufs Leben u Tod führen. Paulus begriff, was{hier noth that: die Kirche

16

begriff Paulus … Jener Gott, den Paulus sich erfand, der die „Weisheit der

18

Welt“ (unsere Wissenschaft, mit Verlaub) gesagt –) zu Schanden macht, ist

20

in Wahrheit bloß ein „frommer Wunsch: die Realität heißt: wir,

22

ich, Paulus wollen zusehen, sie zu Schanden zu machen – „Gott“ ist

24

das Wort für Alles, was Paulus will … Jener Gott ist im Grunde

26

nur die Höllenangst vor der Erkenntniß … So ist es priesterlich par

28

excellence. Zeugniß die berühmte Geschichte von der Angst Gottes am

30

Anfang des alten Testaments

Dingen des

auf



Vernichtungskrieg

daß dies

resoluter Entschluß dazu

die Wissenschaft

Grunde hatten die Herren Priester

Im Grunde nämlich die Herren Pr. vor der Erkenntniß eine Höllenangst: u

32

folglich hat auch Gott, das ins Dunkle projicirte

34

„ g

„Geist“ ist, PriesterGeist vornehmlich, eine Höllenangst

36

vor der Erkenntniß

38

berühmte

Hat man eigentlich die xxxxxxx Geschichte verstanden, die am Anfang der

40

$

No 48. Bleistift

steht

42

Bibel, – von der Höllenangst Gottes vor der Wissenschaft … Das Priester =Buch

44

par excellence beginnt, wie billig, mit seiner großen inneren Schwierigkeit, – er hat

46

nur Eine große Gefahr, folglich hat „Gott“ nur Eine große Gefahr …

der

10-24: KSA 14, 445, zu AC 47

W II 8c 108-154.indd 134

10: Zucht] Vk 18: unsere] ¿ 20: Wunsch] > Wunsch“ 24: Jener] nach Korrektur des Kontextes > Im 26: Höllenangst] ¿ 32: nämlich] > nämlich hatten

des Priesters

36: Höllenangst] ¿ 42: Höllenangst] ¿

15.05.15

136

Götzen = Hammer.

2

Oder:

4

wie ein Psycholog Fragen stellt.

6

Von

8

Friedrich Nietzsche

10

Leipzig,

12

Verlag von C. G. Naumann

14

1889.

16

W II 8

KGW VIII 22[6] 394,17-24

W II 8c 108-154.indd 135

15.05.15

W II 8

KGW VIII 22[6] 394,12-16

W II 8c 108-154.indd 136

137

2

Götzen = Hammer.

4

Müssiggang

6

eines Psychologen

8

Von

10

Friedrich Nietzsche.

6: Psychologen] Vk

15.05.15

138

Götzen = Hammer.

W II 8

2

Oder Fragezeichen

KGW VIII 22[6] 394,3-11

W II 8c 108-154.indd 137

Heiterkeiten

4

eines Psychologen.

6

Götzen = Hammer.

8

Oder:

10

wie ein Psycholog Fragen stellt.

12

Von

14

Friedrich Nietzsche.

16

6: Psychologen] Vk 8: Hammer] ¿

15.05.15

W II 8

139

2

4

Paulus: er sucht Macht gegen das regierende Judenthum, – seine Bewegung ist zu schwach …

bei Seite gethan – : aber das hieß das Fundament negiren:

6

8

der „Märtyrer“, der „Fanatiker“, der „Werth“ allen starken Glaubens …

10

des S. 113 (unter Cap. 58) Bleistift

KGW VIII 22[4]

W II 8c 108-154.indd 138

Umwerthung des Begriffs „Jude“: die „Rasse“ wird

12

Nie zugestehen, daß die humanitären Wirkungen für das Christenthum

14

sprechen …

16

Das Chr. ist die Verfalls=Form der alten Welt in tiefster Ohnmacht:

$

18

so daß die kränksten u. ungesündesten Schichten u. Bedürfnisse oben

20

auf kommen.

2: Macht] Vk

15.05.15

140

W II 8

Einheit

Folglich mußten andere Instinkte in den Vordergrund treten, um eine Einheit,

2

eine sich wehrende Macht zu schaffen –, kurz eine Art Nothlage war

4

nöthig, wie jene, aus der die Juden ihren Instinkt zur Selbsterhaltung

6

gewonnen hatten …

8

Unschätzbar sind hierfür die Christen = Verfolgungen – die Gemeinsamkeit in der Gefahr, die Massen=Bekehrungen als

10

12

einziges Mittel, den Privat =Verfolgungen ein Ende zu machen (– man

14

nimmt es folglich so leicht als möglich mit dem Begriff „Bekehrung“)

16

KGW VIII 22[5]

W II 8c 108-154.indd 139

a

14: einziges Mittel] Vk

15.05.15

W II 8

141

Wesen

daß der Gesammtheit aller{jeder Einzelne das Heil jedes

2

4

Einzelnen eine unsterbliche Wichtigkeit hat, – daß kleine Mucker u.

6

Lügen -Heilige sich für eine Art Mittelpunkt = Interesse Gottes

8

halten dürfen

Eckensteher

diese unverschämteste Wiederherstellung der Mucker= Selbstsucht

10

12

unter dem Anschein „höherer Aufgaben“ Anspruch auf

Der Glaube an das

14

Vorrecht der Meisten, der

16

18

Revolutionen macht, ist bloß

20

eine Übersetzung christl. Werthurtheile in die Muskeln …

22

KSA 14, 443, zu AC 43

W II 8c 108-154.indd 140

2: der] > in der 2: aller] Vk 10: Wiederherstellung] ¿ 10: Mucker=] ¿

15.05.15

142

Daß Jeder als „unsterbliche Seele“ gleichen Rang hat u. im Gesammt=Rang der Wesen

W II 8

2

4

nicht weniger als

u daß für ihn so gut wie für jeden Anderen der Erlöser gestorben

6

ist, ist bedeutet die große Massen =Verführungslist des Christenthums

8

wodurch es allen Niedrigen, Schlechtweggekommenen, dem ganzen Auswurf

10

mit der Mit der Seelen = Atomistik

u Abhub der Mh. schmeichelt. Das Seelen=Atom, das

12

Lebens mit dem

„gleiche Rechte für Alle“, war das Chr. jeder Zeit die heimliche

sähte das Christenthum jeder Zeit das Gift der aufrühre-

14

16

rischen Haltung, das ressent. gegen alles Vornehme, Schöne, Zu-

18

friedene aus – der Demokratism, der Revolutionen macht, ist bloß eine

20

Praxis der mehr jenes christlichen

22

11-22: KSA 14, 443, zu AC 43

W II 8c 108-154.indd 141

8: bedeutet] ? 16: sähte] > säete

15.05.15

W II 8

143

$

VIII 270. Bleistift

42.

2

u

Man sieht, was mit dem Tode am Kreuze zu Ende war, – ein neuer, ein

4

durchaus ursprünglicher Ansatz zu einer buddhist. Friedensbewegung, e zu einer thatsäch=

6

lichen u nichtAversprochenen „Erlösung“… Der frohen Botschaft folgte auf dem

8

Fuß die allerschlimmste: die des Paulus. In Paulus verkörpert sich der Gegensatz-

bloß

10

Typus zum „frohen Botschafter“, das Genie im Haß, in der Vision des

12

Hasses, in der rücksichtslosen Logik des Hasses{. Was hat P. dem Haß

14

geopfert? Vor allem den Erlöser: er schlug ihn an sein Kreuz.

16

Das Leben, das Beispiel, die Lehre, der Tod,A– Alles war nicht

18

mehr vorhanden, als dieser Falschmünzer aus Haß begriff, was allein er

20

brauchen konnte … Noch einmal vollzog der Priester =Instinkt des Juden

– der Dysangelist

der ganze Typus des Erlösers

Nicht die Realität!…

das große

eine Vergangenheit

22

jenes{Verbrechen an der Historie – er strich die Vergangenheit ein Vorge-

24

stern aus, er schuf sich Erlöser, Lehre, Tod, Sinn des Typus nach seinen

26

Bedürfnissen … Aber sein Bedürfniß war die Macht: in

28

Paulus wollte nochmals der Priester zur Macht, – er konnte nurAMittel,

30

Lehren, Symbole brauchen, mit denen man tyrannisirt … Was

32

entlehnte Muhamed dem Christenthum? – Das Mittel des Paulus,

durch

Begriffe

Erfindungen

das Mittel zur Tyrannei 34

36

144,38 )

38 40

die Tyrannei des Unsterblichkeits-Begriffs … Damit kann er Furcht er= regen … Damit

über Seelen, dieBUnsterblichkeit Seelen=

Mysterien = Culte

34-36: KSA 14, 443, zu AC 42

W II 8c 108-154.indd 142

hinsichtlich des Werthes von Mensch u Mensch. Ein unsterblicher

42

44

ein Priester selbst

Petrus ist eine Blasphemie gegen jede

2: neuer] Vk 4: Friedensbewegung] ¿ 22: jenes] ¿ 28: Priester] Vk 28: Macht] ¿ 37: Culte] Vk

15.05.15

144

W II 8

$

VIII 273 (Nr. 44.) Bleistift

43. bereits unaufhaltsame

Die Evangelien sind unschätzbar als Zeugniß für die vollkommene

2

innerhalb

Corruption schonAin der ersten Gemeinde: – was Paulus später mit

4

der prachtvollen Instinkt-Sicherheit eines Rabbiners zu Ende führte,

6

war trotzdem nur der Verfalls=Prozeß, der sofort mit dem Tode

8

Cynismus

ein Verfalls = Prozeß

des Erlösers eintrat. – Hier wird ein ein Wort nicht ungelegen sein, das

10

dem ganzen neuen Testamente gilt Diese Evangelien kann man nicht behutsam genug

12

lesen: diese Art Bücher hat die größte Schwierigkeit an sich. Was hier zu

14

Worte kommt, ist der Gegensatz aller naiven Verderbniß, – die Evangelien

16

sind das Raffinement der Verd par excell. in der Verderbniß.

18

$

Wenn man das Schwergewicht des Lebens nicht ins Leben, sondern

20

ins „Jenseits“ verlegt – das heißt ins Nichts – hat man

22

dem Leben überhaupt sein Schwergewicht genommen. Die große

24

Lüge von der Personal -Unsterblichkeit untergräbt allen

26

Ernst, allen guten Willen, alle erhabene Gesinnung, alles Zutrauen

28

u. Mithelfen = wollen, allen Zusammenhang von Geschlecht, Volk, Fa-

30

milie

32

No 43. Bleistift

S

sinn

alle wohlthätigen Instinkte des Lebens, – alles Gemeingefühl, alle Dankbarkeit

34

gegen Herkunft u. Vorfahren, alle zutrauende u mitarbeitende Gesinnung, alle

36

u Distanz= Gefühl h Art Pflicht u Ehrfurchts -Gefühl gegen Größe insichtlich

38

1-18: KSA 14, 443-444, zu AC 44

W II 8c 108-154.indd 143

u.

) 143,40

4: was Paulus] Vk 28: alles] ¿ 34: alle wohlthätigen] Vk 36: mitarbeitende] ¿

15.05.15

W II 8

145

$

VIII 266 M. Bleistift

in der Vorstellung

i

kommt

2

Daß In der Vorstellungs =Welt des Christen{nichts vorkommt, was s die Wirklichrührt auch

4

nur anrührt, – dagegenAein Instinkt=Haß gegen die Wirklichkeit eben das

6

treibende, das einzig treibende Element in der Wurzel des Christenthums. ist: so folgt

d

8

daraus, Daß auch in psycholog. der Irrthum radikal dh. wesen=ausmachend

im

10

des

12

Christenthum rollt ins Nichts …

erkannten wir im

Was folgt daraus?

weg hier weg

geworden

Christenthum{ist. Ein Begriff weniger{ – u. das

Substanz geradezu

Eine einzige Realität an dessen Stelle

fremde

14

Aus der Höhe gesehen, bleibt die ungeheure Thatsache, eine durch den Irrthum nur in allein

nur

nur in

16

nicht auf bedingte, sondern{auf schädliche, auf leben- u weltvergiftende

18

Irrthümer abzielende Religion ein Schauspiel für „Götter“: erfinderische u selbst geniale

welche Philosophen sind

)

für –

20

jene Gottheiten Epicurs, zu zugleich

denen ich ich auch die Psychologen rechne,

22 24

Im Augenblick, wo der

26

Ekel beiAuns weicht, sind

28

wir dem Christenthum dankbar

30

: der Christ, falsch bis zur Unschuld ist weit über dem Affen

32

in Hinsicht auf Christen bleibt die Herkunfts = Theorie einiger Na-

34

turforscher eine bloßen Höflichkeit …

möchten um keinen Preis diese „unschuldigen“

ihnen (– u bei uns!)

+

wird

Affen, die Christen

eine bekannte

zur

20-22: KSA 14, 443, zu AC 39

W II 8c 108-154.indd 144

2: Wirklichrührt] > Wirklichkeit 4: eben] ? 22: ich ich] > ich 27: Hinzufügungszeichen zu 146,28 30: falsch] ¿ 30: dem] Vk

15.05.15

146

$

$

W II 8 No 39. Bleistift

Ich erzähle die Geschichte des Christenthums. Im Grunde gab es nur Einen Christen:

2

der starb am Kreuze. – Was von diesem Augenblick an „Christenthum „Evangelium hieß,

4

war bereits der Gegensatz des „Evangeliums. Es ist das tiefste Mißverständniß, wenn

6

man den Glauben an die Erlösung durch Chr. als das Abzeichen der Christen ansieht:

8

macht

die christl. das Praktik, das Leben so wie es der am Kreuze Gestorbene lebte, macht

10

das Christenthum. Der „Glaube“ ist das Grundflasche des Begriffs „Evangelium“

12

VIII 265. Bleistift

A

Grundfalsche

Nicht ein „Glauben“, sondern ein „Thun“

14

ein „Sein“… Bewußtseins =Zustände – jeder

)

16

Psychologe weiß das – sind ja vollkommen gleichgültig u. fünften

18

Ranges gegen den Werth der Instinkte – das Chr. auf ein „Für

20

wahr -halten zu reduziren heißt es annulliren …

22

jenen u denen ich zb. bei den berühmten Zwiegesprächen auf Naxos

24

begegnet bin

26

für den Anblick der Christen

28

12-13: KSA 14, 443, zu AC 39

W II 8c 108-154.indd 145

4: Christenthum „Evangelium] > Christenthum“ „Evangelium“ 6: Evangeliums] > Evangeliums“ 8: Christen] Vk 22: halten] > halten“ 28: Hinzufügung zu 145,27

15.05.15

W II 8

147

$

Antichr. No 38. Bleistift

schwärzer als

Es giebt Tage, ich bekenne es, wo ein Gefühl mich heimsucht, schwarz{wie die

2

4

schwärzeste Melancholie – die Veracht Menschen-Verachtung. Und damit ich keinen Zweifel

6

darüber lasse, was ich verachte, wen ich verachte: der Mensch von heute ist es,

8

der Mensch, mit dem ich verhängnißvoll gleichzeitig bin. Wir Erkennenden sind gegen

10

alles Vergangene an eine große Toleranz gewöhnt: wir gehen durch die

12

Irrenhaus =Welt ganzer Jahrtausende, heiße es Christenthum „oder christlicher

14

Glaube, christliche Kirche, mit einer düsteren Selbstbezwingung hindurch – wir

16

machen die Menschheit nicht für ihre Geistes-Krankheit verantwortlich Aber

18

unser Gefühl verändert sich mit Einem Male, sobald wir in die neuere

20

in unsere Zeit kommen: das, was ehemals krankAward, wurde heute

22

unanständig – ist es unanständig, heute Christ zu sein. Und hier

24

beginnt unser Ekel. – Ich sehe mich um: es ist kein Wort mehr

26

übrig geblieben, von dem, was ehemals die Mh. „Wahrheit“ nannte –

28

Jedermann weiß es, Jedermann wed könnte es wissen, daß es weder

30

einen Gott, noch „Sünder“, noch „freien Willen“, noch sittliche Welt

sie z. B.

bloß

war

ward

von dem

w

hieß

noch Erlöser,

ie

32

34

en

ordnung giebt; daß der Kirche

36

Blutaussauger des Lebens; daß das Christen der Wille zur

thum die große Naturunterwerfung, die Selbst =schändung des Menschheit Niedergang,

38

war – daß „Jenseits“, „Unsterblichkeit“ der Seele, die „Seele

40

selbst virtuose Lügen geworden sind.

42

44

W II 8c 108-154.indd 146

an allem starken ist ist

der Wille zum Nichts, der Wille zum

ist

28-40: KSA 14, 442, zu AC 38

große große der der Vampyr, u.

von widerlichster Art die schlimmste Art gewesen ist Priester ein Parasit des Lebens, daß die bloß

daß mit der Kirche die Selbstschändung des M. als Ziel, als Aufgabe, als „Heiligkeit“

8: verhängnißvoll gleichzeitig] ¿ 8: Erkennenden] Vk 14: Glaube] Vk 20: was] ¿ 22: ist es] > es ist 30: Willen] Vk

31: in Ms nicht übereinander 32: Priester] Anschluß 148,30 32: Parasit] Vk 36: schändung] ¿ 38: „Seele] > „Seele“

15.05.15

148

$

W II 8 VIII 264 u. Bleistift

Trotzdem bleibt Alles beim Alten: u. gerade, weil

2

Alles neu, Alles modern geworden ist, erregt das Beim - Alten-

4

Bleiben Verachtung … Es ist das letzte Gefühl von innerem

6

Anstand verloren gegangen, wenn unsere Staatsmänner heute sich

8

Christen nennen u. zum Abendmahl gehen. Ein Junger Fürst, an der

10

Spitze seiner Regimenter, prachtvoll als Typus der nationalen

12

Selbstsucht u. Selbstüberhebung – aber, ohne jede Scham,

14

Wen

sich Christ nennend … Was verneint das Christenthum? –

16

was heißt seine „Welt“?… Daß man Soldat, daß man

18

Richter, daß man Patriot ist; ist daß man sich wehrt, daß

20

,

22

.

daß man seinen Vortheil will;

man auf seine Ehre hält; daß man stolz ist … Jede Praktik von Lüge

jedes Augenblicks ist antichristlich – was für eine Mißgeburt

24

muß der moderne M. sein, um nicht daran zu leiden sich

26

nicht zu schämen, Christ zu sein heißen …

28

bloß die widerlichste species der Parasiten ist, daß mit dem

30

großen Vampyr Kirche die Selbst =Schändung des M. als Ziel

32

angestrebt worden ist

34

die Blut = aussaugung alles gesunden

gesetzt war; daß ihre unheimlichsten

Lebens

Hülfsbegriffe „wie „Jenseits“ „jüngstes Gericht“ Unsterblichkeit der



36

38

heute

Seele, die Seele selbst virtuose Lügen geworden sind.

2-6: KSA 14, 442, zu AC 38

W II 8c 108-154.indd 147

40

16: sich] ¿ 18: heißt] > heißt es 30: Anschluß zu 147,32 34: Blut=aussaugung] Vk

15.05.15

W II 8

149

2

Buch 2

Zu beweisen, daß die nihilist Denkungsweise die Folge

4

vom Glauben an die Moral u. Priester Werthe ist: wenn

6

man den Werth falsch angesetzt hat, so erscheint, bei der

8

Einsicht in diese Falschheit, die Welt entwerthet …

10

Buch 3.

die Moral in Hinsicht auf Entstehung, auf Mittel,

12

auf Absicht das unmoralischste Faktum der

14

Geschichte …

16

ihre Selbst=Widerlegung, insofern sie, um ihre Werthe

18

aufrecht zu erhalten, die Gegenwerthe prakticiren

20

muß …

KGW VIII 22[3]

W II 8c 108-154.indd 148

15.05.15

150

$

$

W II 8c 108-154.indd 149

W II 8

Buch II. Zu beweisen, dass die nihilistische Denkungsweise die Folge vom Glauben an die Moral= und Priester= Werthe ist: wie wenn man denie Werthe falsch angesetzt hat, so erscheint, bei der Einsicht in diese Falschheit, die Welt entwerthet … rote Tinte und Bleistift

Buch III. Die Moral, in Hinsicht auf Entstehung, auf Mittel, auf Absicht, das unmoralischste Faktum der Geschichte … ihre Selbst=Widerlegung, insofern sie, um ihre Werthe aufrecht zu erhalten, die Gegenwerthe praktiziren muss … rote Tinte

15.05.15

W II 8

151 aus Princip

– dieser Parasit, dieser Giftmischer des Lebens par excellence Vampyr 2

par excellence

Capitel über Paulus

von Instinkt

4

die jüdische Familie der diaspora

6

die „Liebe“

8

die „freie“ Zurechtmachung von Jesus ganz jüdisch - priesterlich

10

12

a) Tod für unsere Sünden

14

b) der „Erlöste“ ist unsterblich

16

)

der tiefe Haß gegen die Cultur. – bereits jüdisch (Genesis 52 u die Erkenntniß

18

die „unsterbliche“ Seele

Psychologie der „Sterbenden“ 18 der Priester als „böser Engel“ 10

20

22

was Alles verdorben ist durch die Kirche

24

1) die Aksese

26

2) das Fasten

28

3) das „Kloster“

30

4) die Feste

32

5) die Mildherzigkeit

34

36

38

40

42

66

Liebe Güte Heroismus Psychologie der ersten Christen 197

243. „richtet“ nicht“ 11

. 63 Protestant

184

große Lügen der Historie

17

1: KSA 14, 442, zu AC 38 2-42: KGW VIII 22[2]

W II 8c 108-154.indd 150

15.05.15

152

)

W II 8

dieser Parasit u Giftpilz des Lebens

von versch. Seiten zb auch von Spitteler

Ich habeAwahre Huldigungsschreiben für meine Schrift über W von versch. Seiten bekommen. Man findet sie nicht nur ein psychol. Meisterstück ersten Ranges, auf

4

einem Gebiete, wo Niemand außer mir überhaupt bisher Augen gehabt hat

6

: man nannte die erste Einsicht über den Decadence - Charakter

8

unserer Musik überhaupt ein kulturhistor. Ereigniß. – in der Psychologie der Musiker – Herbst

bis

10

12 14

conte Robilant.

16

concorso di bellezza

1: KSA 14, 442, zu AC 38

W II 8c 108-154.indd 151

2-5: Bleistiftspur

2

18

2: Huldigungsschreiben] ¿ 18: concorso] ¿

15.05.15

W II 8

153

October bis Ende December

2

500

4

1

600

90 6

fr. 5

an Mutter schreiben

450 150 fr.

600 fr. franz

8

28 10

1000 schweiz.

21 – 21

28 3

12

59 Wohnung 125 2 50

1

180 45

1

14

225

20

22

14-22: KGW VIII 25[21]

W II 8c 108-154.indd 152

285

25 35

9

60

6300

60 10 % = 6 fr. " 90

285 63 fr. fr. 348 610

63

60 16

18

60

1600 fr.

condamno te ad vitam diabole vitae

Indem ich dich vernichte Hohenzollern, vernichte ich die Lüge

21: %] ? 22: " 90] ?

15.05.15

154

Wohnung. 21 Oct.

2

Barbier

4

23 Oct.

W II 8

21

Ein sehr böser Fehler steht auf

: ich bilde mir sogar

S. 20 Z. 3 von unten

ein, ihn ver-

bessert

Der statt Das

6

ch

8

10

zu haben

24 Z. 3 von unten

12

diesen

14

$

Druckfehler im „Fall Wagner“ mit Zuordnungslinie, rote Tinte

2: Oct.] Vk 5: 2 1] ? 9: bessert] Vk

W II 8c 108-154.indd 153

15.05.15

Arbeitsheft W II 9

W II 9a 1-42.indd 1

15.05.15

W II 9a 1-42.indd 2

15.05.15

W II 9a 1-42.indd 3

WXV Rotstift, mit Bleistift gestrichen

W II 9 Bleistift

Ecce homo Bleistift

es

v

12: im] ¿ 22: That] Vk 25: außen] ¿

äußerer Reize.

30

dieselbe ist nur möglich bei einem

künstlich isolirte That

von außen her

dieselbe geschieht gleichsam vermauert gegen Reize u Zufälle

Zufällen u Reizen von außen her.

: dieselbe ist gleichsam herausgelöst aus allen

v

die schöpferische Concentration That zur Voraussetzung hat, als eine aus dem Innersten u gleichsam

Ein Drittes ist die absurde Hautreizbarkeit, eine Art Wehrlosigkeit gegen Kleines., vor allem Kleinen Man wird eher noch mit dem Schicksal fertig als mit einer Fliege. Es scheint überhaupt. mir in der ungeheuren Verschwendung aller Defensiv =Kräfte bedingt, welche

gegen kleine Stiche

im Ganzen verschwendet

Defensiv

Lähmung der kleinsten Defensiv =Instinkte nach sich zieht: dieBKraft ist

die lange Gewöhnung an Reizungen u Widerstände im großen Stile eine

noch mit dem Schicksal fertig als mit einer Fliege. Es scheint mir daß

vollendeten System des Abschließens, Ausschließens,

$

vor allem Kleinen. Man wird eher

eine Art

Ein Drittes ist die absurde Hautreizbarkeit gegen kleine Stiche, die Wehrlosigkeit überhaupt

28

26

24

22

20

18

16

14

12

10

8

6

4

2

$

$

1 W II 9

15.05.15

W II 9

siehe W XII 164. Bleistift

W II 9a 1-42.indd 4

2

$

15.05.15

3

W II 9

$

VIII 122/3. Bleistift

1.

Zur Physiologie der Kunst.

2

Damit es Kunst giebt, damit es irgend ein1.ästh. Thun u. Schauen, ist eine physiol. Voraussetzung

4

unumgänglich: der Rausch

Physiologisch nachgerechnet, ist die Voraussetzung aller Kunst, al-

6

les aesthetischen Thuns u Schauens der Rausch. Der Rausch muß erst

8

kommt es

die Erregbarkeit der ganzen Maschine gesteigert haben; eher giebt zu

keine Kunst. Alle noch so verschieden bedingten Arten des dazu

12

es

zu dieser Erregung

Rausches habenAdie Kraft: dazu: voran

diese allgemeinste

des Rausches Form

der Rausch der Geschlechtserregung, seine älteste u. ursprünglichste Insgleichen

10

der

aller

aller

14

16

eine

kommt

der Rausch,Aim GefolgeAgroßer Begierden, großer Affekte

18

Festes, des

der Rausch des Wettkampfs, des Bravourstücks, des Siegs, aller extremen Bewegung

der Rausch des Festes

der Zerstörung

der Rausch der Grausamkeit; der Rausch in der Zerstörung

20

der 22

24

unter dem Banne narkotischer Mittel

der Rausch nach Gebrauch oder Mißbrauch der narcotica

26

der Rausch unter gewissen meteorolog. Einflüssen, zb

28

der Rausch fluß insgleichen unter dem Einflusse der Narcotica endlich

der Frühlings = Rausch

30

aus

rausch der Rausch eines

der Rausch als WillensAmacht,Ades überhäuften u geschwellten Willens 2.

32

t

34

36

Das Wesentliche am Rausch ist das Gefühl der Kraftsteigerung und

38

3: Schauen] > Schauen giebt 3: physiol. Voraussetzung] ¿

W II 9a 1-42.indd 5

15.05.15

W II 9

4

$

VIII 123 M. Bleistift

waltigt sie man zwingt sie von uns zu nehmen, man verge=

2

Fülle. Aus diesem Gefühle giebt man an die Dinge ab: das

Man heißt diesen Vorgang Idealisiren. Dieses die Dinge

4

heißt, man idealisirt sie. Idealisiren ist nicht, wie gemeinhin

6

geglaubt wird, einAAbziehen u AbrechnenAvieler kleiner Züge:

8

vielmehr ein ungeheures Heraustreiben der Hauptzüge, so daß

bloßes

der kleinen, der Nebenzüge

Ich nenne

logischen

10

die anderen darüber verschwinden (– Hierin ist es jenem Prozeß

12

verwandt, der fälschlich „Abstrahiren“ genannt wird)

14

Man bereichert in diesem Zustande Alles aus seiner eigenen Fülle; stark,

16

was man sieht u will, man sieht es geschwellt, gedrängt, ü=

18

berladen mit Kraft. Der Mensch dieses Zustandes verwandelt die

20

Dinge, bis sie ihn wiederspiegeln, bis sie Reflexe seines Zustandes

22

sind: dies Verwandeln -MüssenAist Kunst. Alles, was nicht

24

er ist, wird trotzdem ihm zur Lust an sich; in der Kunst

26

genießt sich derARausch selbst.

seine Macht

Vollkommenheit

ins Vollkommene

Mensch als Vollkommenheit

28

Es wäre erlaubt, sich einen gegensätzlichen Zustand auszudenken,

30

ein spezifisches Antikünstlerthum, – eine Art zu sein, welche

32

alle Dinge verarmte, verdünnte, verbleichen machte. Und in der

34

That, die Geschichte ist reich an solchen Antiartisten, an solchen Aus=

36

gehungerten des Lebens, im Bilde zu bleiben: welche mit Noth-

38

wendigkeit die Dinge noch an sich nehmen, sie auszehren, sie ma=

40

gerer machen müssen. Das ist zum Beispiel der Fall des

42

ächten Christen; ein Christ, der zugleich Künstler wäre, kommt

schwindsüchtig

3: in Ms nicht übereinander 30: spezifisches] ¿

W II 9a 1-42.indd 6

15.05.15

5

$

W II 9 VIII 124 Bleistift

nicht vor … Man sei nicht kindlich u wende mir Raf-

2

fael ein: Raffael sagte Ja, Raffael machte Ja, –

4

folglich war Raffael kein Christ …

6

3.

8

Was bedeutet der Gegensatz „apollinisch“ u „dionysisch“,

10

beide als Arten des Rausches verstanden? – Der apollinische

12

Rausch hält vor allem das Auge erregt, so daß es die

14

Kraft der Vision bekommt. Der Maler, der Plastiker, der E=

16

piker sind Visionäre par excellence. Im dionysischen Zu-

18

stand ist das gesammte System der Affekte erregt u. gesteigert:

20

mit Einem Male

so daß es alle seine Mittel des AusdrucksAentladet und die

22

Kraft des Darstellens, Nachbildens, Transfigurirens, Verwandelns, alle

24

zugleich

Art von Mimik u SchauspielereiAheraustreibt. Das Wesentliche bleibt

26

die Unfähigkeit, nicht zu reagiren.

ist die Leichtigkeit der Metamorphose,A: so daß der Affekt,

kaum angedeutet, sofort zur Realität übergeht. Es ist dem dioihm

28

dionys. Mensch

auf den leisesten Wink hin in jede Haut, in jeden Affekt eingeht

30

Absicht

nys. Menschen nicht möglich, irgend ein Zeichen von Affekt zu über-

32

er hat im höchsten Grade die Reizbarkeit für jede Suggestion,

sehen: es entladet sofort in ihm den ganzen Affekt, er ver-

34

sofort

wandelt sichAunter jeder Suggestion.

36

die ja

Musik, wie wir sie jetzt verstehen, Musik,Aebenfalls als eine

38

ist wäre

Gesammt =Erregung u Entladung der AffekteA, ist gleichsam nur eine

W II 9a 1-42.indd 7

40

15.05.15

W II 9

6

$

VIII 125. Bleistift

Survival

2

ursprünglich

Reiche des Ausdrucks u. der Affekt-

Abstraktion aus einemAviel volleren ursprünglichen{Ausdruck der Gezu nennen bloßes

4

sammt= Entladung{: einAresiduum des dionys. Histrionismus.

6

Man hat, zur Ermöglichung der Musik an sich, eine Anzahl Sin-

8

ne, vor allem den Muskelsinn still gestellt (relativ wenigstens:

als Sonderkunst

Grade

noch

u nur zu ihnen

10

denn in einem gewissen Sinne redetAaller Rhythmus zu unseren Muskeln{);

12

so daß der Mensch nicht mehr Alles, was er fühlt, sofortAnachahmt

14

u darstellt. Trotzdem ist das der eigentliche dionys. Normalzu

16

stand; die Musik ist eine langsam erreichte Spezifikation{auf

18

Unkosten anderer{dionys. Künste.

leibhaft

desselben

der nächstverwandten

20

Vermögen …

Der Schauspieler, der Mimiker, der Tänzer, der Musiker, der in ihren Instinkten

um

22

Lyriker sindAgrundverwandt u an sich Eins; aber allmählich spe-

24

zialisirt u abgetrennt von einander bis zum Widerspruch. Der

26

Lyriker blieb am längsten mit dem Musiker geeint; u der

28

Schauspieler mit dem Tänzer. Der

4. den Willen, der Berge versetzt, stellt weder einen dionys. noch einen apollin Zustand dar. Hier ist es Architekt stellt der großen Willensakt, den Rausch

einen

30

i die

32

des großen Willens, dar,: Im Bauwerk sollte sich

34

Wille zur Macht{versichtbaren. Architektur ist dieABeredsamkeit

der zur Kunst verlangt. Die Inspiration des mächtigsten M. haben immer die Architekten inspi= ihre Macht, der ihr

der Stolz, der Sieg, der Wille zur Macht



der Macht im Unterwerfen u.

)

ein Commandiren in Raumformen, eine

selbst schmeichelnd *: in milden Formen überredend, mehr noch, er befiehlt.

36

des Willens in Raumformen: der Wille redet u. überredet, {

38

Das höchste Gefühl der Macht inhärirt allen klassischen Typen.

40

Schwer reagirenA; eine gewisse Impassibilität; kein Gefühl, im

42

KampfA; die Ruhe der Nothwendigkeit: das gehört zum klassischen

)

kommt in dem zum Ausdruck von Stolz u ist in dem ausgedrückt Sicherheit dem, was großen Stil hat. die Macht die

antworten, keinen Zeugen um sich fühlen; keinen Beweis nöthig haben.

im

zu sein

als

Fatum seines Seins

des So -u So - seins

44

17: nächstverwandten] ¿ 29: in Ms nicht übereinander 30: Willensakt] ¿ 35: in Ms nicht übereinander 35: Hinzufügungszeichen zu 7,14 37: in Ms nicht übereinander

W II 9a 1-42.indd 8

großen Stil.

Typus.

38: Gefühl] Vk 39: Zeugen] ¿ 41: Fatum] Vk 42: Ruhe der] Vk

15.05.15

7

Multum in parvo.

2

Meine Philosophie

4

im Auszug.

6

Von

8

Friedrich Nietzsche

10

W II 9

11-15: Abgrenzungslinie, Bleistift

)

rirt: der Architekt war immer unter der Suggestion der Macht.

12

eine

)

Architektur ist eine Beredsamkeit in Formen höheren allen großen in den obersten Formen bloß befehlend.

14

16

Beweis

Die Macht, die keinen Beweis nöthig hat; die schwer antwortet; die keinen Zeugen um sich

18

gegen sie

fühlt; die ohne Bewußtsein lebt, daß es Widerspruch giebt; die in sich ruht, fatalistisch,

20

als Gesetz unter Gesetzen: das redet als großer Stil von sich.

22

2-10: KGW VIII 19[5]

W II 9a 1-42.indd 9

14: Hinzufügung zu 6,35

15.05.15

W II 9

8

$

(W XII, 98.) Bleistift

2

Was der Rausch Alles vermag, der Liebe heißt u der noch Etwas Doch

4

Anderes ist als Liebe!, darüber hat Jedermann seine Wissenschaft. Die Mus=

6

kelkraft eines Mädchens wächst, wenn{nur ein Mann in seine Nähe

8

kommt; man hat Instrumente, dies zu messen. Bei einer noch näh=

sobald

es giebt

10

eren Beziehung der Geschlechter, wie sie zum Beispiel der Tanz und

12

andere gesellschaftliche Gepflogenheiten mit sich bringen, nimmt dies Wachs

14

thumAdergestalt zu, um zu wirklichen Kraftstücken Anlaß zu geben:

16

man trautAdabeiAseinen Augen nicht – u seiner Uhr! Hier ist aller-

18

dings einzurechnen, daß der Tanz an sich schon, gleich jeder sehr geschwinden

20

Bewegung eine Art Rausch für das gesammte Gefäß = Nerven - u Muskel

22

system hervorbringt: so daß wir in diesem Fall mit den Wirkungen

diese Kraft

zu befähigen:

an Muskelkraft

mitunter endlich

mit sich bringt. Man hat in diesem Fall

fo

24

26

combinirten

Und wie weise es mitunter ist eines doppelten Rausches zu rechnen. – Und welche Realität wird das Weib in solchem zweier combinirter Rauschesrmen zu thun haben. Die Realität ist vieleinen kleinen Stich zu haben!… Es giebt Realitäten, die man selbst nie sich eingestehen darf; dafür ist solche

leichtAbis zum Affreusen widerlich; eine marktmäßige Aus-

man Weib, dafür hat man alle weiblichen pudeurs … Diese jungen Geschöpfe dürfte

28

der

;

stellung des Geschlechts scheint, wie man voraus zu vermuthen geneigt ist, die dort tanzen, empören

sind

ersichtlich

sind jenseits

aller

Realität: sie tanzen ersichtlich

30

alle weiblichen pudeurs gegen sich haben. Man irrt sich, man hat

32

jenen Zauberer vergessen, jenen Idealisten uAFalschmünzerA, der mit

34

jeder Realität fertig wird, – den Rausch. Diese jungenAGeschöpfe sehen

handgreiflichen nur mit lauterAIdealen, sie sehen sogar, was mehr ist, noch

ewigen

von Anbeginn

Ideale um sich sitzen: die Mütter!.. Gelegenheit, den Faust zu citiren … berauschten

in

sind

durchaus abseits der Wirklichkeit: sie tanzen mit lauter Idealen, sie sehen selbst Ideale um zurecht sogar die 36

nicht mehr idealisiren sich ihre Tänzer, ja, was mehr bedeuten will, ihre sich sitzen, die

38

Mütter … vielleicht sich selbst. Sie sehen unvergleichlich besser aus, die hübschen Creaturen

40

.

wenn sie dergestalt ihren kleinen Stich haben; diese absurden mitunter sind wie werden sie werden sogar

42

auch die absurden Thiere – oh wie gut sie das wissen!

weil sie das wissen! –

liebenswürdig sie werden, weil sie es wissen? –

W II 9a 1-42.indd 10

ihr Putz ist ihr dritter kleiner Rausch!

.

KGW VIII 17[5] 324,22-325,14

noch ihr

sie sogarAliebenswürdiger, Zuletzt inspirirt sie auch der Putz; es giebt ein

23: in Ms nicht übereinander 23: doppelten] ¿ 33: in Ms nicht übereinander 35: in Ms nicht übereinander

15.05.15

9 diesen Glauben? Sie

Dieser Glaube macht selig! Selbstbewunderung?

–u glauben an ihren Schneider, wie sie an Gott glauben: u{wer widerriethe ihnen eine kleine Und die Selbstbewunderung ist gesund! –

s

Glück an seinen Schneider zu glauben, das nicht geringer als das Glück

2

jenes anderen Glaubens ist, – die Selbstbewunderung berauscht. Sie schützt

4

eine solche Selbstbewunderung schützt vor Erkältung. Die Selbstbewunderung ist Und die Selbstbewunderung ist gesund. Sie vermag schützt ist gesund.

Problem: sogar gesund: sie schützt Beweis: Frage auchAvor Erkältungen: hat sich

W II 9

selbst

noch

vor

das

je ein hübsches Weib erkältet, wenn

6

Nie u nimmermehr! Ich setze den Fall

es sich gut bekleidet wußte? Und sei es{selbst, daß sie kaum

8

selbst

bekleidet war …

10

$

KGW VIII 17[5] 325,14-20

W II 9a 1-42.indd 11

VIII 64 (Nr. 25.) Bleistift

1: die Selbstbewunderung] ¿ 3: in Ms nicht übereinander 7: nimmermehr] ¿

15.05.15

W II 9

10

$

VIII, 130/1. Bleistift

1. 2

Nichts ist bedingter, sagen wir beschränkter als unser Gefühl des Schö=

4

nen. Wer es losgelöst von der Lust des Menschen am M. denken wollte,

6

verlöre sofort Grund u. Boden unter den Füßen. Das „Schöne an sich“ ist

8

bloß ein Wort, nicht einmal ein Begriff. Im Schönen setzt sich der Mensch

10

als Maaß der Vollkommenheit; in ausgesuchten Fällen betet er sich darin

12

selbst an. Eine Gattung kann gar nicht anders, als dergestalt zu sich allein

14

ja sagen. Ihr unterster Instinkt, der der Selbst Erhaltung u Selbst = Erweiterung,

16

strahlt noch in solchen Sublimitäten aus. Der Mensch glaubt die Welt selbst mit

18

Schönheiten überhäuft: – er vergißt sich als deren Ursache. Er allein hat

20

sie mit Schönheit beschenkt, ach! mit einer sehr menschlich - allzu

22

menschlichen Schönheit … Im Grunde spiegelt sich der Mensch in den Dingen,

24

er hält Alles für schön, was ihm sein Bild in den Dingen zurückwirft: –

26

das Urtheil „schön“ ist seine Gattungs=Eitelkeit … Dem Skeptiker

kleiner Argwohn die Frage ins Ohr flüstern nämlich hier hier verdacht 28

Adarf eine FrageAnicht verargt{werden: ist wirklich damit die Welt gerade

nimmt

30

verschönert, daßAder M sie für schönAhält? Er hat sie vermenschlicht,

32

das ist Alles. Aber nichts, gar nichts verbürgt uns, daßAder Mensch an sich

gerade

das

ie t

34

ein Modell des Schönen abgäbe. Wer weiß, wie er sich in den Augen eines

,

36

höheren Geschmacksrichters ausnimmt? VielleichtAkomisch, vielleicht erheiternd?

38

vielleicht ein wenig arbiträr?… „O Dionysos, Göttlicher, warum ziehst du mich

gewagt?

einmal

in jenem Ariadne, in jenem berühmten Zwiegespräche, einstmals auf Naxos, einstmals

40

an den Ohren, fragte einst auf Naxos Ariadne{ihren philosoph. Liebhaber

42

„Ich finde eine Art Humor in deinen Ohren, Ariadne: warum sind sie nicht noch länger?…

44

26: seine] Vk 27: in Ms nicht übereinander 30: daß] ¿ 30: vermenschlicht] ¿ 38: ziehst] ¿ 40: Ohren] > Ohren?“

W II 9a 1-42.indd 12

selbst

44: länger?…] > länger?…“

15.05.15

11

$

W II 9

VIII 131/2. Bleistift

2.

„Nichts ist schön, nur der M. ist schön“ – auf dieser Naivetät ruht

2

alle Ästhetik, sie ist deren erste Wahrheit. Fügen wir sofort noch deren

4

entartende

zweite hinzu: Nichts ist häßlich als der mißrathene Mensch: damit ist das

6

Reich des ästhet. Urtheils umgrenzt. – Physiologisch nachgerechnet, schwächt u.

8

betrübt alles Häßliche den Menschen. Es erinnert ihn an Verfall, Gefahr,

10

Ohnmacht; er büßt thatsächlich dabei Kraft ein. Man kann die Wirkung

12

des Häßlichen mit dem Dynamometer messen. Wo der M überhaupt niedergedrückt

14

wird, da wirkt die Nähe von etwas „Häßlichem“. Sein Gefühl der Macht,

16

sein Muth, sein Stolz

sein Wille zur Macht,A– das fällt mit dem Häßlichen, das wächst mit dem

18

Schönen … Im einen wie im anderen Falle machen wir einen Schluß: die

20

Prämissen dazu sind in ungeheurer Fülle im Instinkte aufgehäuft. Das Häß=

22

liche wird verstanden als ein Wink u Symptom der Degenerescenz: was im Ent=

24

ferntesten an Degenerescenz erinnert, so wirkt in uns das Urtheil „häßlich“. Je-

26

des Anzeichen von Erschöpfung, von Schwere, von Alter, von Müdigkeit, jede Art

28

als Wirrsal,

der

die

die

Auflösung, der

Unfreiheit, als Krampf, als Lähmung,Avor allem Geruch, Farbe, Form derAVerwe=

30

der letzten

sung, und sei es auch in einer Verdünnung zum Symbol: was zu Grunde das Alles ruft die

32

gleiche Reaktion hervor: das Werthurtheil „häßlich“. Ein Haß springt

34

haßt da der Mensch

da hervor: wem gilt dieser Haß? Aber es ist kein Zweifel: dem

36

Niedergang seines Typus. gilt er, Er haßt da aus dem tiefsten Instinkte der Gattung

38

heraus; in diesem Haß ist Schauder, Vorsicht, Tiefe, Fernblick; es ist der

40

tiefste Haß, den es giebt. Um seinetwillen ist die Kunst tief …

42

s

4: sofort] ¿ 18: Häßlichen] Vk 26: Degenerescenz] ¿ 30: allem] Vk 40: Fernblick] ¿

W II 9a 1-42.indd 13

15.05.15

W II 9

12

$

Ecce. Geb. d. Tr. 2. Bleistift

Erfahrung

4

Dieser Anfang ist über alle Maaßen merkwürdig. Ich hatte zu meinem innersten Instinkt das u S e i t e n s tü ck, das die Geschichte hat, entdeckt, – ich hatte, einzige Gleichniß, den

6

ebendamit das wundervolle Phänomen des Dionys. zum ersten Mal begriffen. Man

8

weiß Insgleichen war damit daß ich Sokrates als décadent erkannte, ein völlig

2

10

unzweideutiger Beweis gegeben, wie wenig die Sicherheit meines psycholog. Griffs durch

12

irgend eine Moral = Idiosynkrasie beeinträchtigt be Gefahr laufen würde: – die

14

Moral als décadence =PSymptom ist eine Neuerung, eine Einzigkeit ersten Ranges

. über

16

in der Geschichte der Wahrheit Erkenntniß. Wie hoch war ich mit beiden

ein

18

Einsichten über das erbärmlicheAGeschwätz von „Optimismus“ u „Pessimismus“

20

hinweggesprungen! – Ich sah den eigentlichen Gegensatz – den entartenden

22

Instinkt, der sich gegen das Leben mit heimlichster Rachsucht wendet

24

– Christenthum, die Philosophie Schopenhauers, in gewissem Sinne schon die

26

Philosophie Platos, der ganze „Idealismus“ als Typus – ; u eine

28

aus der Fülle, der Überfülle gewachsene Jasagende Weltverklärungs=

30

Formel der Welt=Verklärung, – ein Jasagen ohne Vorbehalt, zum Schmerz,

32

zur SchuldA, zu allem Fragwürdigen u. Fremden des Daseins … Dieses

34

letzte, freudigste, überschwänglich =übermüthiges Ja ist auch nicht

36

nur das höchsteA, es ist auch das tiefste, das an Wahrheit u. Wissenschaft

38

am meisten Gründlichsten am strengsten bestätigte u. aufrecht erhaltene. Hier

40

wird der Muth, aus der Kraft heraus, am weitesten sich wagen können, wird

42

auch am nächsten die Wahrheit erreicht: ebenso nothwendig, als

beeinträchtigt

e

l =

Flachkopf =

höchsten Bejahung

selbst

selbst

Einsicht

Einsicht von

8: Sokrates] ¿ 14: eine Einzigkeit ersten Ranges] ¿ 26: Platos] ¿ 28: Jasagende] ¿ 32: Dieses] Vk 34: übermüthiges] > übermüthigste

W II 9a 1-42.indd 14

15.05.15

13

W II 9

$

Ecce Bleistift

unter der Inspiration der Schwäche, die Feigheit vor der Realität das

2

Reich der Lüge nöthig hat – das „Ideal“ Wer das Wort „Dio

4

nysisch“ nicht nur begreift, sondern sich in dem Wort „dionysisch be

6

greift, hat keine Widerlegung Platos oder des Chr. oder Schopen

8

hauers nöthig – er riecht die Verwesung …

10

letzte

In wiefern ich ebendamit den Begriff „tragisch“, die endliche

12

darüber

Erkenntniß, was „Tragödie“ ist, gefunden hatte, habe ich zuletzt noch

14

der

16

"

zum Ausdruck gebracht.

In diesem Sinne habe ich das Recht, mich selber als den ersten

18

tragischen Philosophen zu verstehen – das heißt den äußersten Gegensatz

20

u. Antipoden eines pessimistischen Philosophen . . Vor mir

22

giebt es diese zur Erkenntniß gewordene Umsetzung des Dionysischen

24

in Philosophie, die Weisheit

26

in das

philosoph. Pathos, in eine tragische Weisheit nicht: ich habe vergebens

28

nach Anzeichen davon den den großen Griechen, denen der 2 Jahrhunderte vor

30

Sokrates gesucht. Ein Zweifel blieb mir zurück bei Heraklit.: die

32

Bejahung des Vergehens u Vernichtens – das Entscheidende einer dionysischen

34

ein

Daseins=Bejahung

Philosophie – das Jasagen zu Gegensatz u. Krieg, das Werden,

36

selbst

mit tiefer Ablehnung auchAdes Begriffs „Sein“ – darin muß

38

ich unter allen Umständen das mir Verwandteste anerkennen, das

40

radikaler

v

bisher

je gedacht worden ist. Die Lehre der „ewigen Wiederkunft“ das

42

heißt des unbedingten u. unendlich wiederholten Kreislaufes aller Dinge

44

6: dionysisch] > dionysisch“ 16: der "] vgl. EH Die Geburt der Tragödie 3, 310,12-13 > in der Götzen-Dämmerung Seite 139 20: Gegensatz] ¿ 30: den den] > bei den 34: Vernichtens] ¿

W II 9a 1-42.indd 15

) 15,4

34: Entscheidende] ¿

15.05.15

W II 9

14 weiter

Hier erfriert „das Genie“, eine Ecke weg erfriert1.„der Heilige“

2

Ecce homo Bleistift 4

$

am Schluß

dort erfriert der Glaube

die Überzeugung

das Denkmal einer Krisis.

fast überall

6

M. Allz. ist ein psychologisch schwieriger Fall. Das Buch heißt sich ein Buch

8

für „freie Geister“: fast jeder Satz darin drückt einen Sieg aus – ich habe mich unechten

10

mit demselben von meiner ganzen Vergangenheit freigemacht. In keinem anderen Sinne will darf

12

hat das Wort „freier Geist“ hier verstanden werden: ein freigewordener Geist, der von sich

14

seiner selber wieder Besitz ergriffen hat. Der Ton, der Stimmklang, hat sich hart

16

18

20

völlig verändert: man wird das Buch klug, kühl, unter Umständen geistreich scheint sich u spöttisch finden, – eine gewisse Geistigkeit vornehmen Geschmacks ist mit eine zu wehren. beständig geg en jede leidenschaftlichere Bewegung auf dem Grunde obenauf zu erhalten. Willkür In diesem Zusammenhang hat es Sinn

im Grunde

es war, was die womit

22

Ich möchte nicht vergessen, daß die hundertjähr. Todesfeier Voltaires seine erste Ausgabe

24

als Anlaß dafür, daß es jetzt schon veröffentlicht wurde die Herausgabe des Werks schon schon für

26

gleich entschuldigt wird

im Jahr 1888 bedingte. Der Name „Voltaire“ auf einem Buch von mir, – war

gerechtfertigt wird

28

das ist wirklich ein Schritt zur Vernunft … Sieht man näher zu, so

30

entdeckt man einen unbarmherzigen Geist, der alle Schlupfwinkel kennt,

32

wo das „Ideal“ wächst, – wo es seine Burgverließe u. gleichsam

34

seine letzte Sicherheit hat. Eine Fackel in den Händen, die durchaus

36

kein „fackelndes“ Licht giebt, – mit einer schneidenden Helle wird in alle

38

diese Winkel hineingeleuchtet. Es ist der Krieg, e aber ein Krieg ohne

40

Lärm u. Dämpfe, – ohne kriegerische Attitüden, ohne Pathos u. ver-

42

renkte Gliedmaaßen. Ein Irrthum wird gelassen auf Eis gelegt, – das

44

„Ideal“ wird nicht widerlegt – es erfriert …

heimisch

Pulver

9: unechten] ? 12: freigewordener] ¿ 18: spöttisch] Vk 20: leidenschaftlichere Bewegung] Vk 25: für] > für das 25: gleich] > gleichsam

W II 9a 1-42.indd 16

26: 1888] > 1878 28: näher] ¿ 40: Dämpfe] Vk

15.05.15

15

die Ende des neunzehnten Jahrhund. mit dem Papstthum paktiren u

$

2

W II 9

D

34 ) unbenutzt Bleistift

– diese Lehre Zarathustras könnte zuletzt schon von Heraklit gelehrt worden sein. Zum Mindesten hat die Stoa, die in den meisten grundsätzlichen Vorstellungen Heraklit beerbt hat, Spuren

4

6

8

davon. (– unsere „tiefen“ deutschen Philosophen Historiker der Ph. haben

10

immer bloß Ironie für diese Vorstellung …)

12

Lutherfeste feiern – als $

13,44 )

14

Ecce Bleistift

Pamphlet

Um dieser Schrift gerecht zu werden, muß man am Schicksal der Musik wie an einer offenen Wunde leiden. Gesetzt aber, daß man dergestalt in

in

16

18

lebt,

die Musik wie eine eigene Sache u Leidenschaft empfindet, wird man die

20

Schrift voller Rücksichten u über die Maßen mild finden. Heiter zu sein u

22

sich selber verspotten – das ist in solchen Fällen die Humanität selbst …

24

Wer zweifelt daran, daß ich, als der alte Artillerist, der ich, im Stande

26

wäre, mein schweres Geschütz hier aufzufahren? – Ich hielt alles Entscheidende

28

Zuletzt liegt

noch in mir zurück … Daß ein Angriff auf W, noch mehr auf

30

die in jedem Sinne instinktlos u. stumpfgewordene deutsche Nation im

32

Sinn u Wege meiner Aufgabe liegt

: diese Deutschen

den Willen zur Macht u. das „évangile des humbles“

34 36

)2

heute mit gutem Ge

38

42 )

wissen hinunterfressen –

40

ißt

42

) 39

die alle Gegensätze

Christenthum u Wissenschaft

18: dergestalt] ¿ 26: der ich,] > der ich bin, 28: hielt] ¿ 28: Entscheidende] ¿ 42: Wissenschaft] Vk

W II 9a 1-42.indd 17

15.05.15

W II 9

16

2

Ah diese Deutschen, was sie mir im Wege sind! Wie viel Gründe ich habe

4

meine Sache von der ihrigen abzutrennen! – Heute sind sie der Ruin der

6

Musik: sie selber wähnen, damit „dem Ideal zu dienen“. Aber so

8

haben sie es immer gemacht. Seit 4 Jahrhunderten haben sie alle

das

ist ihr altes Spiel

10

großen Cultur - malheurs auf dem Gewissen – u immer aus dem gleichen

12

Grunde, aus der Feigheit vor der Realität, die auch die Feigheit vor

ihrer innerlichsten

14

der Wahrheit, aus der Instinkt gewordenen Unwahrhaftigkeit, aus

16

deutschem „Idealismus“… Die D. haben uns um Europa um

18

die Ernte, um den Sinn der letzten großen Zeit, der Renaissance-

20

Zeit gebracht: in einem Augenblick, wo die höhere Ordnung der Werthe,

22

die vornehmen, die zum Leben jasagenden, das Leben Werthe zum

24

Siege gelangt an dem Sitz der entgegengesetzten, in den Instinkten

26

der dort Sitzenden, hat jenes Verhängniß von Mönch, Luther die

28

Kirche u, was tausend Mal schlimmer ist, das Christenthum

30

wiederhergestellt – das Christenthum, die Religion der decadence,

32

der Wille zur Religion gewordene Weltverleumdung u Menschen-

34

Schändung!… Und Ende des neunzehnten Jahrhunderts feiert

36

man in Deutschland Lutherfeste!… Die Deutschen haben

38

zwei Mal, als mit ungeheurer Mühe u Aufwand Tapferkeit eine

40

rechtschaffene, unzweideutige, wissenschaftlichere sich Stellung zu den

eine

eben

e

eine

eine strenge,

eine vollkommen

42

14: Wahrheit] > Wahrheit ist 16: Europa] ¿ 22: jasagenden] ¿ 24: gelangt] ¿, > gelangt waren 26: Sitzenden] ¿ 30: wiederhergestellt] ¿

W II 9a 1-42.indd 18

Selbstüberwindung

Denkweise erreicht war

)

32: Wille] ? 34: Jahrhunderts] ¿

15.05.15

17

mehr, ich las jahrelang nicht mehr – die größte Wohlthat, die ich mir

2

je erwiesen habe … Jenes unterste Selbst, gleichsam verschüttet, gleichsam

4

W II 9

19,44 )

still geworden

erdrückt unter immer einem beständigen u. verschwenderischen

6

Hören =müssen auf andere Selbste (– das ist ja lesen! –) erwachte langsam, schüchtern,

8

10

zweifelhaft: aber endlich redete es wieder … Nie habe ich so viel

12

Glück an mir gehabt, als in den kränksten u schmerzhaftesten

14

Zeiten meines Lebens: man hat nur die Morgenröthe u. den etwa den

16

„Wanderer u seinen Schatten“ sich anzusehen,

diese meine um die „Rückkehr

zur mir“

18

meiner von

„Natur“ als eine zugleich erreichte höchste ArtAGenesung zu

20

erkennen. erkennen.

22

4

Menschl. Allzumensch., dies Denkmal einer rigorösen Selbstzucht, mit der

)

24

ich allem eingeschleppten „höheren Schwindel“ „Idealism“ „schönen“ Gefühl u

26

anderen Weiblichkeiten schmerzlos ein Ende machte, wurde in allen Haupt-

28

sachen in Sorrent niedergeschrieben; es bekam seinen Schluß, seine endgültige in einem

30

Basler, Winter, unter unvergleichlich ungünstigeren Verhältnissen, als denen in

32

Sorrent. Im Grunde hat Herr P. G. – das Buch überhaupt erst

34

möglich gemacht.

36

Ablehnung der Wissenschaft zu finden gewußt Schleichwege zum alten „Ideal“, „Versöhnung“en zwischen Gegensätzen, u im Grunde die Todfeindschaft gegen die Wahrheit Realität eine unterirdische Formel für die ein Recht auf die „Unwahrhaftigkeit“

20: Einfügungszeichen verlängert 20: Genesung] Vk 24: mit der] ¿ 30: endgültige] ¿, vgl. EH Menschliches, Allzumenschliches 5, 325,7 > endgültige Form 32: Basler,] > Basler

W II 9a 1-42.indd 19

:

42 )

38

40 42

) 36

32: ungünstigeren] Vk 34: P. G.] > Peter Gast 36: gemacht] ¿ 38: alten] Vk 42: die ein] > ein

15.05.15

W II 9

18

$

Ecce Bleistift

3. 2

Es war nicht nur ein Bruch mit W., was sich damals bei mir entschied, – ich empfand

4

eine Gesammt =Abirrung meines Instinkts, von der der einzelne Fehlgriff, heiße er

6

nun Wagner oder sonstwie, bloß ein Zeichen war. Eine Ungeduld mit mir überfiel mich:

8

ich sah ein, daß es die höchste Zeit sei, mich auf mich zurückzubesinnen.

10

Mit Einem Male war mir auf eine schreckliche Weise deutlich, wie viel Zeit

12

bereits verschwendet sei, wie nutzlos, wie willkürlich sich meine ganze

14

Philologen -Existenz an meiner Aufgabe ausnahm. Zehn Jahre hinter mir, wo

16

ganz eigentlich die Ernährung in Hinsicht auf meine Aufgabe gefehlt hatte, –

18

wo ich nichtsAhinzugelernt hatte, u unsinnig viel über einem Krimskrams von

20

Staub u Gelehrsamkeit vergessen hatte. Ich kam mir so mager, so abge-

war

stillgestellt war

Brauchbares

bestaubter 22

wo

hungert vor: die Realitäten fehlten gerade zu innerhalb meines brennender

r

erwachte

nach

Realitäten

24

Wissens, – nichts als; ein geradezu brennender Durst erwachte nach Realitä-

26

ten. In der That habe ich von da nichts mehr getrieben als Physiologie,

28

Medizin, Naturwissenschaften: – zu eigentlichen historischen Studien bin ich

30

erst wieder zurückgekehrt, als die Aufgabe mich gebieterisch dazu zwang.

32

Damals verstand ich auch den Zusammenhang zwischen einer instinktwidrig gewählten

34

Thätigkeit, einem sog. „Beruf“ zu dem man am letzten berufen

36

ist – u jenem Bedürfniß nach einer Narkosirung des subjektiven

38

Oede =Armuts=Gefühls durch die Wagnersche Kunst. Beim sorgfältigeren

innerlichen

n

Hunger 40

Zusehen habe ich entdeckt, daß für eine große Zahl junger Männer dieser der

42

Mißbrauch der Kunst zur Narkosirung auf gleiche Weise bedingt ist:

44

in Deutschland, im „Reich“ – um unzweideutig zu reden, ist jeder

fast

12: wie nutzlos] ¿ 17: Brauchbares] Vk 17: wo] > wo ich 20: Staub] Vk 34: zu] ¿ 36: Narkosirung] > Narkotisirung

W II 9a 1-42.indd 20

38: Oede=] Vk mit Tinte der letzten Korrektur 38: Armuts=] ¿ 39: Hunger] Vk 42: Narkosirung] > Narkotisirung

15.05.15

19

W II 9

$ eine Überzahl der

Höherbgeartete

Naturen junge M.

Ecce Bleistift

gewählten Zwiespalt

Mensch beinahe in diesem Zwiespalt einer instinktwidrigen

dritte Mann beinahe,

2

h

4

aber unabwerfbar gewordenen Lebens =Aufgabe. Man geht ins Theater, man

6

hört diese alle Begierden überredende Musik, um sich einen Augenblick

8

los zu sein …

10

ein

Damals entschied sich mein Instinkt unerbittlich gegen jedes noch

12

längere Nachgeben, Mitgehen u Sich selbst verwechseln. Jede Art Leben,

14

Bedingungen

Armut

die ungünstigsten Bedingungen, Krankheit, Armut, – Alles ist

16

jener unwürdigen „Selbstlosigkeit“ vorzuziehen, in die ich zuerst

18

gerathen in der aus Jugend gerathen war, in der mir

aus Unwissenheit, weiterhin später aus Trägheit u. Selbstvergessen gerathen

20

war.

22

– dem sogenannten „Pflichtgefühl“ – nicht genug zu zu

hängen geblieben war hängen blieb. – Hier kam mir auf eine vollkommen bewundernde Weise

24

schlimme Erbschaft

wundervolle Hülfe Weise jene Vererbung von Seiten meines Vaters her zu

26

Hülfe, – im Grunde eine Vorbestimmung zu einem frühen Tode. Die

28

Schritt für Schritt langsam

Krankheit löste michAheraus, – sie ersparte mir jeden „Bruch, jede Absicht auf gewaltthätiges u. anstößiges Bei-Seite=

30

gerade damals mir

32

zu dem Nothwendigkeit eines

Schritts, Die Krankheit gab Umkehr aller Gewohnheiten

34

B

mir insgleichen ein Recht auf eine vollkommene Vertauschung von Buch, Buch, Gedankensie erlaubte, sie gebot mir Vergessen, – sie beschenkte mich bewegungen, mit jener Nöthigung zum Stillliegen, zum „Müßiggang“ zum

.

36

38

Thätigkeit 40

Augen

Warten u Geduldig - sein.

die Augen allein erlösten mich vom „Buch“ – ich las nicht

42 44

) 17,2

12: unerbittlich] ¿ 18: Selbstlosigkeit] ¿ 19: mir] > ich 25: bewundernde] ¿ 30: Bruch] > Bruch“ 42: Geduldig-] Vk mit Tinte der letzten Korrektur

W II 9a 1-42.indd 21

15.05.15

W II 9

20

$

Ecce Bleistift

2. 2

Ich kenne einigermaßen meine Vorrechte als Schriftsteller; u in einzelnen Fällen ist es

4

mir auch bezeugt, bis zu welchem Grade das Studium meiner Schriften „den Geschmack ver-

6

dirbt“. Man hält einfach Bücher nicht mehr, am wenigsten philosophische;

8

flach, querköpfig, biedermännisch, banal bis zum Ich komme aus einer anderen

aus.

tugendhaft

geschwätzig auch

10

Tiefe, ich komme insgleichen aus einer Höhe: – man weiß vor mir nicht, was

12

tief, was hoch ist. Zuletzt fehlt mir alles Biedermännische; ich denke nie

am letzten

14

daran, Schwaben u. andere Kühe zu mir zu überreden. Am wenigsten wird vielleicht

ist wie sehr

16

zu übersehen, daß meine Tapferkeit verwöhnt: – Plato, um nicht

,

18

vom Philosophen des HintersinnsAzu reden, von Kant, ist einfach gegen

ein

20

mich

22

stehen, die je ein Philos. gesprochen hat – noch dazu die formelärmste, die

24

lebendste u. künstlerischste – sich an die umgekehrte Prozedur ge-

26

wöhnen, als das Studium der Philosophie mit sich bringt: diese muß

28

man condensiren, mich muß manAals einen Anlaß benutzen, um

30

selber in die Tiefe zu steigen u die Gedanken zusammen zu holen, die hier

von Kant

als

erscheint

Feigling. Man muß, um die abgekürzteste Sprache zu ver-

die am meisten

bedingt

meine Sätze

ausführlich zu werden, – um

u eben so

e

Alles

eigenen Herzen zu gehen u. alles

herauf u zusammen

was

in der Philos.

32

verborgen sind: – eine ausreichende Das Schweigen ist mir ebenso Instinkt

34

wie den Herren Engländern in der Philos. das Schwätzen. Es ist eine

36

Voraussetzung, der die wenigsten Leser gewachsen sind: ein Problem an die

38

rechte Stelle zu setzen{– nämlich in den Zusammenhang der mit den zuge-

40

hörigen Problemen.: Man muß die Winkel, die schwierigeren Gegenden

Philos.

,

bloß

giebt schließlich wolle

ge

sein

kennen

42

einer ganzen Reihe von Wissenschaften aus eigener Erfahrung kennen, zu wissen,

10: Höhe] > anderen Höhe 22: Philos.] ¿ 33: schließlich] ¿ 34: Schwätzen] Vk 40: Man] ¿ 40: schwierigeren] Vk

W II 9a 1-42.indd 22

42: zu] > um zu

15.05.15

21

$

W II 9 Ecce Bleistift

die die Niemand mehr erlebt hat von

wohin dieser u jener Wink weist; wo von er abweist. – Zuletzt rede ich nur vom Erlebten, nicht bloß vom Gedachten: u das allein genügt

2

einer

4

sieben

um mich in eine vollkommene Distanz gegen sieben Achtel aller

6

Hier

sogenannten Philosophen zu stellen. Bei mir fehlt der Gegensatz von

8

u der Praxis die Einer wird,

„denken“ u „thun“, von „Theorie“ u „Praxis“: man hat aber handeln , – die Wahrheit folgt aus einer Praxis

10

gesetzt er ist fern

) 32

die Hemmungen zur That nöthig gehabt, die oder, um es in der Sprache Zarathustras zu sagen

harten u. vielfachen Praxis

12

O

davon harmlos zu sein.

das verwegene Wagen, das lange Mißtrauen, das grau-

14

16

same Nein, der Überdruß, das Schneiden ins Lebendige – wie selten

18

kommt das zusammen! Aus solchem Samen aber wird – Wahrheit

20

gezeugt.

22

Alles, was den Guten böse heißt, muß zusammen kommen, daß Eine Wahrheit geboren werde …

24

26

gedacht, was vor Allem

um Alles herauf u zusammen zu bringen, was hier „hintergedacht“ ist

u 28

um selber

umfänglich u. tief zu werden –

Theorie wächst aus meiner Praxis oh Meine Erkenntnisse

30

u Leben fehlt bei mir. aus einer

u unbedenklichen

ah! durchaus nicht aus einer harmlosen Praxis …

32

Hören wir, was uns Zarathustra darüber zu verstehen giebt, derselbe

34

der den Satz hinstellt „gute M. reden nie die Wahrheit“:

36

1: zu Zeile 11? 1: die die] > die 6: aller] Vk 8: fehlt] Vk 10: denken“] Fortsetzung Z. 31 10-12: aber die Hemmungen] ?

W II 9a 1-42.indd 23

11 )

24: zusammen] ¿ 28-30: zu 20,29-31 31: u … mir] Fortsetzung von Z. 10 34: was] Vk 36: Satz] ¿

15.05.15

W II 9 an Overbeck Bleistift

22

$

[Turin, ca. 14. Nov. 88.] Bleistift

$

an Dich es scheint mir erlaubt, zu dem Ausnahme -Fall des 16 Nov. Dir{ein Paar

f

Zeilen zu schreiben, obschon ich vor nicht langem erst Dir von erzählt habe.

m n

2

Lieber F.,

Mit

mir hat sich Nichts verschlechtert; u da es sehr gut geht,

4

geht es sogar immer besser. Ich darf gar nicht wagen, zu erzählen, was ich Alles

6

inzwischen wieder unternommen u. zum Theil erledigt habe. Ein{Tag kommt wie der

8

andere in unbändiger Lichtfülle u. Reinheit herauf: da ist es kein

wieder

Ein

10

Wunder, es ist die einfache Schicklichkeit, wenn man selber wie ein

12

Gott lebt. Ich habe noch nie gewußt, was schönes Wetter, was ein schöner

14

Herbst ist. Der ganze Oktober ein Claude Lorrain in glühender

16

Helbe u. zartem Blau von Himmel u. Wasser. – Ein Ofen, Carbon-

18

Natron = Nieske = Dresdner Herkunft, ist unter bestellt. Wir haben

a

20

jetzt das junge fürstliche Paar wieder hier, den Duc d’ Aosta mit seiner

,

22

Laetitia. de Buonaparte. Als tiefer Verlust wurde der Tod des Grafen

24

Robilant empfunden: in ihm verehrte man denABTypus des piemontes.

l

Paar

der Buonaparte

obersten

zuletzt

26

Adels. Das istA, anbei gesagt, ein merkwürdig tüchtiger Typus: ich wollte

28

von Herzen, daß unsere preuß. Junker da in die Schule giengen. –

30

32

23,46 )

22 Jahr alt u de Suidae fontibus nachgraben – ist das nicht eine Gotteslästerung?…

34

der Kalkberge Nizzas

36

vor, wo man das Meer

38

hat u sonst den Kalk …

1: von] > von mir 2: F.] > Freund 4: Alles] Vk 6: habe] Vk 6: wie der] Vk 8: Lichtfülle] Vk 8: Reinheit] Vk 10: Schicklichkeit] ¿

W II 9a 1-42.indd 24

allerersten

12: schönes Wetter] Vk 16: Helb] nach unvollständiger Korrektur > Gelb 16: zartem] Vk 18: Dresdner] ¿ 22: Verlust] Vk 24: piemontes.] ¿ 26: tüchtiger] Vk 30: nachgraben] ?

15.05.15

23

Mit Nizza habe ich einen Bruch gemacht. Ich lasse mir eben die Bücher von dort

W II 9

2

woher

kommen. Weißt Du, ein wahrer Kummer ist mir die Einsicht dabei, woher diese

4

tiefe

Schwäche, diese lange tiefe Depression, die relative Arbeits =Unfähigkeit den letzten

6

Winter daselbst stammt, – ich könnte fast vom verlorenen Winter reden. Eine vollkommen

8

unzuträgliche

unzureichende Ernährung, noch dazu eine mir persönlich antagonistische, mir un –

Nichts

10

nichts

12

,

viel

weiter ist die Ursache. Im Oberengadin, u ebenso, vielleicht mehr mehr hier in Turin, in

h vermag ichA10 Tagen, was ich in Nizza in einem Winter vermochte – u. zuletzt

14

ist es dem Werthe nach noch gar kein Vergleich. – Dazu kam die wirklich er-

16

barmungswürdige Gesellschaft um mich herum, – ein Hauch von niederster englischer

18

Stupidität

eine Art Mitleiden=Müssen nicht an seinem Gegensatz, xxxxxxxxx,

sondern an Ewig u Unsäglich=Gl Banalem .. – ein Degout an Allem, was dort

20

22

e u a

24

da

u

lebt, Heimische, Fremde. Mein Erschlaffen Erschlaffen daselbst hat sich

ll ,

unter Anderem

curioser Weise in einer nicht unbedenklichen Gleichgültigkeit gegen die

26

ordentlicher

honneurs, die man sich selber schuldig ist, zb. in gewählter Kleidung,

zu

28

ge

erscheinen.

zeigt. Was jene Ernährung betrifft, so stand es mir nicht frei, es besser zu

30

habe

haben: daß ich probirt u probirtA, versteht sich von selber. Gesetzt, ich

32

hätte 5 Mal (ohne jede Übertreibung,) so viel gezahlt als ich hier

34

vielleicht

fast ebenso gehabt

Turin, hätte ich’ s auch so haben können. Hier ist Alles Substanz, – Nahrung

36

u. Küche; u., beinahe, erste Substanz. In Nizza lebt man entweder

38

sehr theuer – oder schlecht. Da war die pension de Genève relativ Und Alles

40

behandelt mich mit größter Distinktion: der gemäß ich mich auch betrage.

42

Ich Zuletzt ziehe ich selbst landschaftlich die wundervolle Wald = Berg- u. Flußlandschaft der um Turin herum der bleichen Einöde

bei Beschriftung nach hinten geknickte Seitenecke 4: dabei] Vk 6: Depression] Vk 6: Arbeits= Unfähigkeit] Vk 8: könnte] Vk 8: reden] Vk 10: unzureichende] Vk 12: mehr hier] Vk

W II 9a 1-42.indd 25

44 46

) 22,34

16: Werthe] ? 24: Erschlaffen Erschlaffen] Vk 28: zu] aus unvollständiger Korrektur 30: besser] Vk 34: hier] > hier in 36: haben] Vk 38: erste] Vk 46: bleichen] ?

15.05.15

W II 9

24

2

Herr Köselitz hat wirklich einen Begriff von mir:

4

etwas, das mich immer noch ebenso in Erstaunen setzt als

6

das Gegentheil davon mich kalt läßt. Ich sehe mitunter

8

meine R rechte Hand draufhinA, daß ich das Schicksal

an

Herr Köselitz hat wirklich einen Begriff von mir: etwas, das mich imer noch ebenso in Erstaunen setzt als das Gegentheil davon mich kalt lässt. Ich sehe mitunter meine rechte Hand daraufhin an, dass ich das Schicksal der Menschheit in der Hand habe – : ich breche sie (die Geschichte) unsichtbar in 2 Stücke auseinander, vor mir, nach mir … rote Tinte und Bleistift

KGW VIII 25[5]

W II 9a 1-42.indd 26

10

der Mh. in der Hand habe, – : ich breche sie ent

12

unsichtbar in 2 Stücke auseinander, vor mir, nach mir …

$

bei Beschriftung von S. 23 nach vorn geknickte Seitenecke 8: daß] ¿

15.05.15

25

W II 9

1-3: Bleistiftspur

Zarathustra ist auch noch in einem anderen Sinne eine große Form der Selbstüberwindung:

2

überwunden

in ihm ist der religiöse M bis zu zu seinen Gegensatz verwandelt. Aus ihm

4

in

redet kein Wille, gehört zu werden: es ist nichts von Prophet, nichts von Fanatiker

6

N

von Menschen =Verbesserer an ihm. Er predigt nicht, – xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx

8

Glauben zu machen

xxxxxxxxxxxxxxxx … Das Wort Religion auf das, was er sagt, anzuwenden wäre das verächtlichste

10

Mißverständniß. Ein Z. zieht Handschuhe gegen Alles, was R ist – bloße Pöbel = Affären!

12

Man darf ihm auf Worts glauben, daß er sich „Gläubige“ verbittet. Was

14

räth er doch zuletzt seinen Jüngern an?

16

* *

2: Zarathustra] ¿ 6: von Prophet, nichts von Fanatiker] ¿ 10: verächtlichste] ¿ 12: Handschuhe] > Handschuhe an 14: auf Worts] > aufs Wort 16: räth] Vk

W II 9a 1-42.indd 27

15.05.15

W II 9

26

$

Zar. (VI, 309/10.) Bleistift

Und was für Schaden auch die Bösen thun mögen: der Schaden der

2

Guten ist der schädlichste Schaden!

4

Und was für Schaden auch die Welt -Verleumder thun mögen: der Schaden

6

der Guten ist der schädlichste Schaden

8

Die Guten nämlich – die können nicht schaffen: sie sind immer

10

der Anfang vom Ende

12

– sie kreuzigen den, der neue T Werthe auf neue Tafeln schreibt,

14

sie opfern sich die Zukunft, – sie kreuzigen alle Menschen = Zukunft …

16

VI 310. Bleistift

18

die

$

Bei Welchen liegt doch die größte Gefahr aller Menschen = Zukunft? Ist es nicht bei den Guten u Gerechten?

20

Zerbrecht zerbrecht mir die Guten u Gerechten!

22

VI 311. Bleistift

,

24

$

Als ich euch die Guten u Gerechten zerbrechen hieß u die Tafeln der Guten: da erst schiffte ich den Menschen ein auf seine hohe See.

26

Und nun erst kommt ihm der große Schrecken, das große Um - sich - sehen,

28

die große Krankheit, der große Ekel, die große See - Krankheit.

30

Falsche Küsten u falsche Sicherheiten lehrten euch die Guten:

32

34

in Lügen der Guten wart ihr geboren u geborgen. Alles ist in den

36

Grund Gr

hinein verlogen u verbogen durch die Guten. *

VI 88. Bleistift

38

$

Eure Nächstenliebe ist eure schlechte Liebe zu euch selber …

14: schreibt] ¿ 16: opfern] Vk 24: hieß] ¿

W II 9a 1-42.indd 28

15.05.15

27

$

W II 9

VI 132. Bleistift

Kirchen heißen sie ihre süßduftenden Höhlen. Oh über dies verfälschte

2

Licht, diese verdumpfte Luft! Hier, wo die Seele zu ihrer

4

Höhe hinauf nicht fliegen darf!

6

Sonderlich also gebietet ihr Glaube: „auf den Knien die Treppe hinan, ihr Sünder!“

8

10

Wahrlich, lieber sehe ich noch den Schamlosen, als die verrenkten Augen ihrer Andacht.

12

14

Wer schuf sich solche Höhlen u Bußtreppen? Waren es nicht

16

solche, die sich verbergen wollten, – die sich vor dem reinen

18

Himmel schämten?…

20

* $

$

Voll ist die Erde von Überflüssigen, verdorben ist das Leben

22

durch die Viel - zu -Vielen. Möge man sie mit dem „ewigen

24

Leben“ aus diesem Leben weglocken!

26

Sie wollen gerne todt, u wir sollten ihren Willen gut heißen.

28

Hüten wir uns, diese Todten zu erwecken u diese lebendigen

30

Särge zu versehren!

32

VI 63. Bleistift

VI 64. Bleistift

* $

Wahr sein – das können Wenige! Und wer es kann, der will es noch nicht! Am wenigsten aber können es die Guten. Oh diese Guten! – Gute Menschen reden nie die Wahrheit; für den Geist ist solchermaßen gut sein eine Krankheit.

34

VI 293. Bleistift

36

38

40

8: Sonderlich] ?, > Sondern 8: gebietet] ¿ 14: ihrer] Vk 28: todt] Vk, > todt sein 28: gut] Vk 30: lebendigen] ¿

W II 9a 1-42.indd 29

15.05.15

W II 9

28

Bleibt der Erde treu u. glaubt Denen nicht, welche euch von überirdischen

2

Hoffnungen reden! Giftmischer sind es, ob sie es wissen oder nicht.

4

Verächter des Lebens sind es, Absterbende u. selbst Vergiftete, deren die

6

Erde müde ist: so mögen sie dahinfahren!

8

*

Einst blickte die Seele verächtlich auf den Leib: u damals war diese

10

12

Verachtung das Höchste: – sie wollte ihn mager, gräßlich, verhungert. So

14

dachte sie ihm u. der Erde zu entschlüpfen. Oh diese Seele war selber noch mager, gräßlich u verhungert …

16

* VI, 42. Bleistift

*

18

20

22

$

*

Leiden wars u. Unvermögen – das schuf alle Hinterwelten; u jener kurze Wahnsinn des Glücks, den nur der Leidendste erfährt. Müdigkeit, die mit Einem Sprunge zum Letzten will, mit einem

24

Todessprunge, eine arme unwissende Müdigkeit, die nicht einmal mehr wollen

26

will: die schuf alle Götter u Hinterwelten.

28

30

32

34

36

38

Der Leib wars, der am Leibe verzweifelte, – der tastete mit den Fingern des bethörten Geistes an die letzten Wände. Der Leib wars, der an der Erde verzweifelte, – der hörte den Bauch des Seins zu sich reden. Und da wollte er mit dem Kopfe durch die letzten Wände, u nicht nur mit dem Kopfe, – hinüber zu „jener Welt“…

4: Giftmischer] Vk 18: Unvermögen] ¿ 20: Leidendste] ¿ 20: erfährt] Vk

W II 9a 1-42.indd 30

15.05.15

29

W II 9

Wollen wir dieselben harten Wahrheiten noch einmal aus dem Munde eines Zarathustra hören!

$

Kranke u. Absterbende waren es, die verachteten Leib u Erde u. erfanden das Himmlische u. die erlösenden Blutstropfen …

2

VI 43 Bleistift

4

* $

Vieles krankhafte Volk gab es immer unter Denen, welche gottsüchtig sind: wüthend hassen sie den Erkennenden u jene jüngste der Tugenden, welche heißt: Redlichkeit.

6

VI 44 M Bleistift

8

10

* $

Untergehen will euer Selbst, u darum wurdet ihr zu Verächtern

12

des Leibes! Denn nicht mehr vermögt ihr über euch hinaus zu schaffen.

14

Und darum zürnt ihr nun dem Leben u der Erde. Ein ungewußter Neid ist im scheelen Blick eurer Verachtung.

VI, 48. Bleistift

16

18

* $

Wahrlich, diese Erlöser selber kamen nicht aus der Freiheit u. der Freiheit siebentem Himmel! Wahrlich, sie selber wandelten niemals auf den Teppichen der Erkenntniß.

22

26

Lücke hatten sie ihren Wahn gestellt, ihren Lückenbüßer, den sie

28

Gott nannten.

30

Eifrig trieben sie u mit Geschrei ihre Heerde über ihren Steg: wie

32

als ob es zur Zukunft nur Einen Steg gäbe. Wahrlich, auch diese Hirten

34

gehörten noch zu den Schafen.

36

Und nicht anders wußten sie ihren Gott zu lieben, als indem sie den Menschen ans Kreuz schlugen.

VI 133 M. Bleistift

24

Aus Lücken bestand der Geist dieser Erlöser; aber in jede

$

20

*

38

133 o. Bleistift

40

12: ihr] ¿ 14: vermögt] Vk 30: nannten] ¿ 32: trieben] Vk 40: Menschen] ¿

W II 9a 1-42.indd 31

15.05.15

W II 9

30 wie Wollen wir aus dem Munde Z. hören, wie dieselben Wahrheiten

Ecce Bleistift

2

$

Daß man sich über den Klang seiner Stimme nicht vergreife! Z.

4

redet nicht auf dem Markt, – er redet, wenn es mir erlaubt ist, im

6

Gleichniß zu reden, auch nicht Bühne …

8

2 Seite 17.

10

2, Seite 5.

12

14

16

18

20

Daß man ihm aufs Wort glaube, wo er sich gegen „Gläubige“ wehrt! Was sagt er doch zuletzt noch seinen Jüngern geht fort von mir u. wehrt

Wollen wir dieselben harten Wahrheiten, die ich eben sprach, noch einmal aus dem Munde eines Zarathustra hören. für den Fall, daß wir

31,27 )

an einen Gott glauben müssen

2: Daß man] ¿ 2: vergreife] ¿ 6: Bühne] ?, >? auf der Bühne 8: Seite] ¿ 10: Seite] Vk 16: wehrt] ¿

W II 9a 1-42.indd 32

15.05.15

31

W II 9

$

Ecce Bleistift

Zarathustra ist auch noch in einem anderen Sinne

+ wo die Luft frei u. kühl ist

eine große Form der Selbstüberwind.

überhaupt

Hier redet kein Fanatismus; hier wird nicht „Glauben“ verlangt, hier wirdAnicht gepredigt:

2

das Wort Religion hier anzuwenden wäre das verächtlichste Mißverständniß. Ein Zarathustra zieht an Handschuhe vor allem, was Religion ist – bloße Pöbel = Affären … Z. redet g liegt gern * er liegt zufrieden auf dem allerhöchsten Berge * u Glücks= Tiefe

quillt hier fällt

4

6

Af

auf

in der Sonne, aus einer unsäglichen Lichtfülle herab tropft sein Wort für Wort

8

wie Tropfen Thaus

der Ernst ist ihm schon ein Einwand: die Güte erlaubt ihm nicht finster

10

zuletzt mehr mehr

zu blicken … Wer weiß! Zarath. ist hat viel Muthwillen im Leibe als

12

?

er ist

ich selbst … Wir sind keine Heiligen, ich denke dies ist unser

14

nimmt

wir nehmen das Wort „tugendhaft“ xxxxxxx

Vorzug vor

xxxxxxxxxxxxxxxxxxx … es gehört seiner „Höhe“ zu unserem Begriff „Höhe der Seele“ daß wir ist alles, was schwere Füße Verdrossene alles Schwere, Viereckige, Dumpfe, Biedermännische hat, – der Biedermann –

16 18

20

Aus

u das

Biedere

zum Beispiel, bis auf 6000 Meilen verbannt.

: a

22

24

26

xxxx



Stern - Distanzen Wollen wir sein Glaubensbekenntniß für den äußersten Fall –

) 30,21

Ich würde nur an einen Gott glauben, der zu tanzen verstünde:

28

Und als ich meinen Teufel fand, da fand ich ernst, gründlich, tief

30

feierlich – es war der Geist der Schwere, – durch ihn fallen alle

32

Dinge.

xxxxxxxxxxxxx seinem Teufel ähnlich – die Tugend … 34

1: frei] Vk 2: redet] ¿ 4: Mißverständniß] ¿ 6: Affären] Vk 7: zufrieden] ? 7: Tiefe] Vk 8: aus] Vk

W II 9a 1-42.indd 33

8: tropft] ¿ 10-12: erlaubt … blicken] ? 14: unser] Vk 22: Höhe] Vk 26: zum] ¿ 27: in Ms nicht übereinander 30: fand ich] > fand ich ihn

15.05.15

W II 9

32

$

Ecce Bleistift

zunächst hier

jenes

Was bedeutet hierAder Name des alten Persers? Zarathustra? – Man weiß,

2

Zarathustra

4

worin er der Erste war – daß er in der Moral das Entscheidende, die das eigentl. Entscheidende

6

eigentliche Willens- u Schicksals Bewegung in allen Dingen – er schuf diesen

8

Irrthum. Folglich muß er auch der Erste, der ihn als solchen entdeckt

10

: denn die Perser sind wahrhaftiger gegen sich als andere Völker

12

Die Selbstüberwindung der Moral, aus Wahrhaftigkeit, das bedeutet der

14

Name Zarathustra.

16

da er im Kampf des Guten u Bösen das eigentl. Rad im Getriebe der Dinge

18

sah, – daß erAdie MoralAins Metaphysische übersetzte. Er schuf

zuerst

zuerst

entdeckte

:

22

diesen Irrthum: folglich mußte er auch der Erste sein, der ihn erkannte. hier das Wesentliche ist die Er hatAnicht nur länger u. mehr Erfahrung als irgend Jemand, er ist vor

,

24

allem wahrhaftiger als irgend Jemand: die Perser=Religion lehrte, als oberste

26

Tugend, die Wahrhaftigkeit. Die Selbstüberwindung der Moral, aus W., – das

28

bedeutet der Zarathustra.

20

) 30

Inder seine

seines Satzes

21 )

30

w

32

34

die höchste die längste

die

Ordnung der Welt glücklicherZum Glück ist die

weise nicht „sittlich

Ordnung der Welt nicht „sittlich“

36

38

die Experimental =Widerlegung d, daß die

– die Experimental=Widerlegung daß Satzes, daß die Welt „sittlich“ angeordnet ist, kommt stärksten

in ihm zuerst zumASchluß …:

40

(– ich habe nicht das Geringste davon bemerkt.)

4: Entscheidende] Vk 6: Willens-] ¿ 6: Dingen] > Dingen sah 8: muß er] ¿ 8: Erste] > Erste sein 12: bedeutet] ¿

W II 9a 1-42.indd 34

28: der] > der Name 30: Experimental=] ¿ 34: sittlich] > sittlich“ 38: daß Satzes] > des Satzes 41: Hinzufügung zu 33,36-38

15.05.15

33

W II 9

$

Ecce Bleistift

Hören wir, wie im Munde Z. die Sätze klingen, die ich eben mit der Härte des Psychologen aussprach:

2

4

– das will sagen der Gedanke anders ausgedrückt die „Lehre von der ewigen Wiederkunft“ diese

Die erste Conception des Zarathustra – das will sagen die höchste Formel der Daseins=Bejahung, die bisher erreicht wurde Bejahung, die bisher erreicht wurde

eigentlichen

6

8

gehört in einen August =Tag des

e

10

Jahres 1881. Rechne ich von da bis zu der

12

so kommen 18 Monate heraus: woraus ein Buddhist

14

zuletzt den Gedanken nahe legen

den Schluß ziehen dürfte, daß ich im Grunde ein ElephantenWeibchen sei.

16

18

Die erste Conception des Zarathustra – das will sagen der Gedanke der ewigen Wiederkunft, diese höchste Formel der Bejahung, die bisher erreicht worden ist den 1 gehört in einen August =Tag des Jahres 1881. Ich war gieng am See von S. durch die Wälder; an einem mächtigen pyramidal gest

20

22

24

0

auf

8

26

aufgerichteten

hingestellten Block machte ich Halt. Dort kam mir dieser

28

Gedanke. – Rechne ich von diesem Tage bis zu jener plötzlichen

30

e

unter den xxxxxxxxx Bedingungen eintretenden

u. im höchsten Grade unwahrscheinlichen gewordenen Niederkunft im SpätFebr.

Jan.

32

dann

herbst 1883, so ergeben sich 17 Monate für die eigentliche Schwangersch. welche

34

1 8

mir nicht als solche im Bewußtsein war

( : während der, wie sich von selbst versteht, nicht die entfernteste was im Tiefsten

36

Grunde bei mir sich birgt

Ahnung in mir darüber bestand, womit ich im Tiefsten beschäftigt sei. Diese

38

dürften zuletzt

Zeit Diese 18 MonateA, im Vertrauen gesagt, dürften einem Buddhisten einen Fingerzeig dafür geben,

Die Zahl dieser 17 Monate

5: Wiederkunft] ¿ 6: Conception] ¿ 14: Buddhist] ¿ 26: S.] > Silvaplana 26: Wälder] Vk 31: xxxxxxxxx] vgl. Mp XVI, Bl. 85r: ungünstigsten

W II 9a 1-42.indd 35

40 42

8

33: dann] ? 36: entfernteste] ¿ 36-38: Hinzufügung 32,41

15.05.15

W II 9

34

$

Ecce Bleistift

2

Die Entdeckung der Moral ist ein Ereigniß, das sich nicht seines Gleichen hat, eine :

4

wirkliche Katastrophe. man lebt vor derselb vorher vor ihr

6 8

oder

nach ihr

oder nachher

Der Blitz

der Wahrheit traf das, was bis am Höchsten stand: wer weiß, was

10

da vernichtet wurde, mag zusehen, was er überhaupt noch in den Händen

12

hat. Wer die Moral entdeckt, hat den Unwerth aller bisherigen Werthe über-

entdeckt

mit

entdeckt

majeure

icht

er

ge

14

haupt, an die geglaubt wird: er ist eine force, er ist das

16

Schicksal, er brach in seiner Hand etwas mehr auseinander, als

18

August der Starke, der seine Thaler auseinander brach – er bricht

20

die Geschichte der Mh. auseinander.

selbst

Wendepunkt aller Schicksale

22

ihrem ewigen

An diesem Stelle der Entscheidung, zum unsterblichen Denkmal für

24

die Entscheidung aller Entscheidungen, habe ich meinen Zarathustra d hingestellt

26

– das tiefste, vor allem das höchste Buch das die Mh. hat

28

die ganze Thatsache „Mensch“ liegt in ungeheurer Ferne unter ihm. wo Alles sich entscheidet, zum unsterbl. Gedächtniß

30

eines

32

dieses Ereignisses ohne Gleichnisse habe ich meinen Z. gedichtet: dieses

34

höchste Buch, gegen das gehalten jedes andere im Finstern tappt –

36

die ganze Thatsache „Mensch“ liegt in ungeheurer Ferne unter ihm …

das die Mh. das es giebt

Buch flach u. arm ist.

niedrig u. arm ist flach ist

xx

38

40

Hören wir sofort, wie Z. die Sätze, die eben aussprach in seinem Munde verwandelt verwandelt

2: das sich] > das 6: nachher] ¿ 8: bis] > bisher 8: weiß] ? 12: über-] Unterstreichung? 24: Entscheidung] ¿

W II 9a 1-42.indd 36

24: Entscheidungen,] ¿ 32: Gleichnisse] > Gleichen 38: eben] > ich eben

15.05.15

35

W II 9

$

Ecce Bleistift

Er sieht in dem Begriff Gott alles Schädliche, Verleumderische

2

Heimlich = Vampyrische

Vergiftende, vor der Realität

4

die eigentliche Todfeindschaft gegen das Leben in eine entsetzliche Formel gefaßt

E Der Begriff „Jenseits“ ein Begriff erfunden

8 10

das Diesseits zu entwerthen

12

Der Begriff „unsterbliche Seele“ erfunden, um den Schanden

6

14

aus

Leib zu Grunde zu richten, – um die decadence

16

zur Religion zu erheben eine Religion zu machen

zu verewigen!

18

den Selbstzer Der Begriff „selbstlos“ erfunden, um an der

) 26 20

Sünde

Natur, an den Grundinstinkten des Lebens zu leiden, krank zu werden

22

24

s“ erfunden er sieht den Begriff „selbstlostörungs=Instinkt des décadent zum

) 36 26

19 )

28

dieses

insgleichen das tiefste Buch, das es giebt, – ein unerschöpflicher Brunnen

30

ohne mit Gold, Güte u Weis

in den kein Eimer hinabtaucht, der nicht voll von Gold u Güte heraufkommt

32

mit Gold u Güte gefüllt heraufzukommen

selbstlos

34

, um eine willkürliche

36

das eigentliche Krankheits = Ab-

38

zeichen zum Werth = zeichen der

40

überhaupt zu machen

25 )

42

16: richten] nach Korrektur des Kontextes > machen 17: eine Religion] ¿ 30-33: zu 34,32-36 30: insgleichen das] ¿ 31: Weis] > Weisheit 40: Werth=] Vk

W II 9a 1-42.indd 37

15.05.15

W II 9

36

$

Ecce üb. „Morgenröthe“. Bleistift

37,46 )

2

Wer hat auch nur zu ahnen gewagt, daß es Höhlen sind? Wer unter den Philosophen

W II 9a 1-42.indd 38

4

war überhaupt vor mir Psychologe u. nicht viel mehr dessen

6

Gegenstück „höherer Schwindler“, „Idealist“?… Es kann ein

8

Fluch sein, es ist jedenfalls ein Schicksal, hier der Erste zu

10

sein – denn man verachtet hier auch als der Erste … Der

12

Ekel ist meine Gefahr …

15.05.15

37

„Es giebt so viele Morgenröthen, die noch nicht geleuchtet haben“ – diese

2

Inschrift steht auf der Thür zu diesem Buche. Wo sucht das

4

W II 9

38,36 )

entdeckte

Buch jenen neuen Morgen, jenes noch bis unbekannte zarte Roth

6

was wi mit dem sich wieder ein Tag ankündigt?… In einer Umwerthung aller

10

Werthe, – in einem Loskommen von allen Moral =werthen, in einem Jasagen

12

8

tiefen

u. Vertrauen =Gewinnen zu alledem, was bisher verboten, verachtet, ver-

14

flucht worden ist … Dies Jasagende Buch strömt sein Licht, seine

16

Liebe, seine Zärtlichkeit auf lauter „schlimme“ Dinge aus – es

18

giebt ihnen die „Seele“, das gute Gewissen, das hohe Recht

20

u Vorrecht auf Dasein wieder zurück. Die „Moral“ wird nicht

22

mehr

angegriffen, sie wird nichtAgehört … „Jenseits von Gut u. Böse“ ..

24

Zeichen

An dieser Prozedur wird man mich immer wieder erkennen: die „Morgenröthe, die meine „gaya scienza“,

mein Zarathustra im höchsten u größten

lauter

26

vor Allem

28

bloß

Maaße sind jasagende Thaten – die Verneinung ist ein Schluß,

30

sie folgt, sie geht nicht voran …

32

Dies soll mich nicht hindern, hier diesen Schluß zu ziehen. Ich habe

34

für mich das Wort „Immoralist“ erfunden, – ich glaube damit, eine Höhe, eine

36

Weite des Blicks, eine bisher vollkommen ungeahnte psychologische

38

Abgründlichkeit bewiesen zu haben, daß ich die Moral als unter mir

40

fühle. Ich bin damit mehr Psycholog

42

Wer ist vor mir eingestiegen die in Höhlen, aus denen die giftigen Dämpfe des „Ideals“ gequollen sind?

4: Thür] Vk 6: bis] > bisher 12: Moral=werthen] ¿ 16: Jasagende] ¿ 27: Morgenröthe] > Morgenröthe“ 34: ziehen] Vk

W II 9a 1-42.indd 39

i

44 46

) 36,2

38: psychologische] ¿ 44: die in] > in die

15.05.15

W II 9

38

$

Ecce Bleistift

Ich habe für mich das Wort „Immoralist erfunden.

Mit der „Morgenröthe“ beginne ich einen Kriegszug gegen die Moral. Es ist mir nicht zur

2

gedacht hat

4

Dergleichen

mein

6

läuft in die gedankenlosen Ohren meiner Zeitgenossen hinein, ungefähr wie das J vom

8

Wort Jenseits v Gut u. Böse – u läuft wieder heraus. – Ich hätte Lust

es

10

14

auch

diese hin u her laufenden diese Ohren ein wenig anzunageln, bis ihnen der Schmerz deutlich macht, was

12

v

Mein

Genüge gegenwärtig, ob irgend Jemand dabei sich Etwas zu denken vermag. – das Wort Immoralist

ich von ihnen will, – gehört werden … Was mich auszeichnet, ist zum folglich,

16

ersten Mal die Moral entdeckt zu haben u, gegen sie gegen sie eines Wortes be-

18

dürftig zu sein, das den Sinn einer Kriegserklärung hat. Moral scheint mir die größte

20

Unsauberkeit, die die Mh. auf dem Gewissen hat, eine Instinkt gewordene Unwahrhaftigkeit

22

eine Falschmünzerei in psychologicis bis zum Verbrechen. Moral scheint mir das

24

Verbrechen selbst am Leben….

26

In

Schlechtigkeit

an sich

der das arme Eidechslein anspießte,

39,44 )

wieder aus der Tiefe ziehe.

28

zarte

Die hier 30

Seine Kunst ist nicht klein darin, Dinge, die flüchtig u.

32

ohne Geräusch vorüberhuschen, Augenblicke die ich „göttliche Eidechsen“

34

nenne, ein wenig festzuhalten – nicht etwa mit der Grausamkeit

machen

) 37,2

36

jenes jungen Griechengottes, aber immer doch mit etwas Spitzem – mit der Feder ..

1: Immoralist] > Immoralist“ 8: läuft wieder heraus] Vk 8: hätte] Vk 14: gehört] ¿ 14: zum] ¿ 16: Wortes] ¿

W II 9a 1-42.indd 40

etwa

22: psychologicis] ¿ 24: Leben] Vk 27: Hinzufügung zu Z. 36 27: anspießte] ¿ 36: Griechengottes,] Hinzufügung Z. 27

15.05.15

39

W II 9

$

Ecce Bleistift

gewissen

In anderen Fällen ist es nicht die Feigheit, die große

2

Vogelscheuchen der Moral oder andere Heilige hervorbringt, sondern

4

eine unterirdische Rache seitens Schlechtweggekommener, welche mit

6

der „Moral“ den Glücklichen, den Wohlgerathenen das Gleichgewicht

8

nehmen u. die Instinkte verwirren wollen – Ich habe Gründe, bei dieser

h

10

Ab

Vorstellung gerade jetzt Halt zu machen, da in der Reihenfolge meiner

12

Schriften mein erster Kriegszug gegen die Moral, die „Morgenröthe“, an die

14

Reihe kommt. Nicht daß diese Schrift den geringsten Pulvergeruch an sich

16

hätte: sie liegt in der Sonne, sie strahlt alle Entzückungen u. Licht

18

Schauder einsamer südlicherer Nacht Nächte zurück

20

dies Mal fährt der alte Artillerist, der ich bin, weder großes noch kleines Geschütz auf. Man hat mit einiger Feinheit zwischen der Wirkung

,

22

24

die es dazu anwendet –

des Buchs zu unterscheiden u den Mitteln, aus denen, wie ein

26

Schluß, die Wirkung, folgt. Daß man von dem Buche Abschied nimmt

28

scheuen

mit einem abgründlichen Mißtrauen gegen Alles, was bisher unter dem

30

Namen „Moral“ zur Ehre u selbst zur Anbetung gekommen ist, steht

32

nicht damit im Widerspruch, daß im ganzen Buch kein negatives Wort

34

steht – kein Angriff, keine Bosheit; daß es vielmehr in der Sonne

36

mit rund, glücklich wie ein Seegethier in

mit

liegt, in einer südlichen Nachmittags=Sonne, dem Geruch des Meeres,

38

dem Halkyonismus ungeheurer Fernen eines eingeschlafenen Glücks. Noch

40

jetzt, bei der Berührung mit diesem Buche, wird mir jede Stelle beinahe

42

zum Zipfel, an dem ich irgend etwas Unheimliches von Erinn Erlebniß

44

nachmittäglichen

) 38,28

4: der] ¿ 6: Rache] Vk 18: sie strahlt] ? 32: Ehre] Vk

W II 9a 1-42.indd 41

15.05.15

W II 9

40

$

Ecce Bleistift

mit dem „Buche für freie Geister“

2

da hier

tr

der F.

6

erst die beiden Bücher erreicht, wo wirklich die dünne Luft weht – jene dünne bewegte mit der man geistige, reine Luft, die mit der Gegensatz zum Du Dunstkreis des

8

„Ideals“ ist

4

dem dumpfen dem schwülen Dunstkreis Erbarmen

, bei der man mit Verachtung

10

Sumpfluft da 12

14

wird

Eine Höhe ist wird Alles, was mit der 3 Unzeitgemäßen versprochen war, hier ist es bereits erfüllt. Man lese

als der

da unten zurückdenkt … zurückdenkt

die Luft „vom Thale“ „vom Ideale“

zurückdenkt .. Von jetzt ab wehrte ich

mich nicht mehr mit Gründen gegen unsaubere

; – ein Instinkt der Reinlichkeit, Ideals

die verlogene Welt „des Jenseits,“ der „Moral“ der „Wahrheit“

16

„des Jenseits“ 18

eine Art Haut =Gefühl genügte mir.

* * 20

22

Ich habe mit absoluter Sicherheit nachgerechnet, daß ich diesen Schluß des Zarathustra in derselben halben Stunde schrieb, in der Wagner in Venedig starb. – * *

2: 3] > 3. 3: F.] > Freiheit 4: die dünne] ¿ 6: tr] ? 12: Von] ¿

W II 9a 1-42.indd 42

15.05.15

41

$

W II 9 Ecce Bleistift

diesem Schluß

Mit der Beendigung des Zarathustra ist ein geheimnißvoller Zufall

2

verknüpft. Ich habe mit absoluter Sicherheit ausgerechnet, daß in eben der halben

4

schrieb,

Stunde, wo ich diese WorteAschrieb Richard Wagner in Venedig starb. –

in dieser Schrift plötzlich zum Vorschein kommt: es drückt das

6

8

darüber bei mir

Distanz=Gefühl aus, – die tiefe Sicherheit, was Aufgabe, was

10

Zwischenakt u. Nebensache in meinem Leben ist sei.

12

Es ist meine Klug., Vieles Vielerorts gewesen zu sein, um Eins sein

14

43,32 )

,

12: sei] Vk 14: Vielerorts] ¿

W II 9a 1-42.indd 43

15.05.15

W II 9

42

$

Ecce. Über „Schop. als Erzieher“. Bleistift

Einzelnes, wie billig, ausgenommen, zum Beispiel, wenn bereits mit tiefer Instinkt=

2

e

Elementarische

eine

4

Sicherheit das Elementarische in der Natur W. als seine Schauspieler =Begabung bezeichnet wird,

6

die sich in seinen angeborenen Mitteln u. Absichten nur nur ihre Folgerungen zieht. Im

8

Grunde wollte ich viell. mit diesen Schriften etwas ganz Anderes, als Psychologie treiben: beim Schopf

10

ins Große gerechnet faßte ich zwei berühmte u. ganz u gar noch unbekannte Typen

12

wie man eine „Gelegenheit“ beim Schopf nimmt, um Etwas auszusprechen, um

14

ein Paar Formeln, Zeichen, Sprachmittel mehr in den Händen zu haben, Jetzt, wo ich

16

aus einiger Ferne auf jene Zustände zurücksehe, deren Zeugniß diese Schriften

18

sind, möchte ich nicht verkennen, daß sie im Grunde bloß von mir reden, In

20

Wahrheit ist in „Schop. als Erzieher“ meine innerste Geschichte eingeschrieben. Vor

22

Allem auch mein Gelöbniß … Was ich heute bin, oh wie fern

24

davon war ich damals! Aber ich sah das Land, – ich betrog mich nicht

26

einen Augenblick über Weg, Meer, Gefahr – und Erfolg! Die große

28

Ruhe im dem Versprechen, das glückliche Hinausschauen in eine Zukunft

30

welche nicht nur „Verheißung“ bleiben soll!… Hier ist jedes Wort erlebt

32

tief, innerlich; es fehlt nicht am Schmerzhaftesten, es sind Worte darin, die

34

geradezu blutrünstig sind. Aber ein Wind der großen Freiheit bläst

36

über Alles weg; die Wunde gilt nicht als Einwand … Wie

38

ich den Philosophen“ verstehe, wie ich meinen Begriff „Philosoph“

40

tief abtrennte von einem Begriff, der sogar einen Kant noch in

wo ich heute bin

n

anden

der

42

sich einschließt, nicht zu reden von den achtbaren „Wiederkäuern“ u

44

{Universitäts =Gelehrten der Philosophie: dafür ist diese Schrift eine unschätzbare

)

anderen

4: W.] > Wagners 10: faßte] ¿ 18: reden,] > reden. 28: Hinausschauen] ¿ 32: Schmerzhaftesten] ¿ 38: Philosophen] > „Philosophen

W II 9a 1-42.indd 44

15.05.15

43

W II 9

$

Ecce Bleistift

jene abgründliche

die

Ich gebe eine Psychologie des Gelehrten, wie sie genannten

2

wie von

in der Schrift auf einmal, plötzlich, aus einer unsäglichen

4

Erfahrung emporgeschleudert

Erfahrung u Tiefe heraus, Einem ins Gesicht springt

6

in jener angenehmen Verdorbenheit, die uns Thüringer auszeichnet

8

wir ziehen selbst für die Wahrheit die Schleichwege vor. Ich möchte hiermit

10

meinem allernächsten Landsmann, Leopold von Ranke eine Ehre, erweisen …

12

mich

Will man eine Probe davon, wie ich selber damals empfand, – entartet

14

beinahe zum Gelehrten, ein Bücherwurm mehr, der die antiken

16

mit Akribie u schlechten Augen

eingesperrt

drei Viertel

Metriker um- u umwendete, in ein Handwerk, welches nicht nur drei Viertel

18

)

irgend welchen

meiner Kraft verbrauchte, welches mir keine Zeit selbst ließ, aufAErsatz der

20

Kraft zu denken

22

Belehrung, zugegeben selbst, daß im Grunde nicht Sch. als Erzieher

24

hier zu Worte kommt, sondern sein Gegensatz, „Nietzsche als

26

Erzieher“. – In Anbetracht, daß mein Handwerk damals das eines Gelehrten

28

was man mir glauben

war u, wenn man mir glauben, daß ich mein Handwerk verstand, ist vielleicht ein herbes Stück Psychologie des Gelehrten nicht ohne Reiz, das mitten

30

32

) 41,8

Bedeutung

3: genannten] ¿ 4: unsäglichen] Vk 6: Erfahrung] ¿ 6: springt] ¿ 12: eine Ehre,] > , eine Ehre 18: drei Viertel] ¿

W II 9b 43-86.indd 43

15.05.15

W II 9

44

$

Ecce Bleistift

2

4

Es war dasselbe Jahr, in dem die Deutschen, sehr unwürdig dessen, was sich damals begab, zum Festspiel der Weltverleumdung u. Menschenschändung, genannt Parsifal nach BayBühnen= Entweihung Menschheits =

6

reuth strömten

ein Wille zum Ende

8

trotzdem dasselbe ein Weltverleumdungs-

10

Menschheits- u. Menschenv

12

u

trotzdem daß dasselbe bloß ein nihilistisches, ein Decadence = Ideal ist ist

Lebens= Vergiftungs = Ideal =

14

Antwort auf die Frage

ist

des Priester Ideals stammt

woher im Grunde die ungeheure Macht des ask. Ideals („des christlichen“ –)

45,42 )

16

;

18

stammt, obwohl dasselbe bloß negirt, u. sogar nihilistisch ist? Antwort:

20

nicht weil Gott hinter den Priestern thätig war, sondern weil es bisher

22

das einzige Ideal war, weil es keinen Concurrenten hatte … es

nicht

sondern

viell. menschheits

. Vor Allem

fehlte

ein

24

gab vor Allem kein Gegen=Ideal – bis auf Zarathustra …

26

Man hat mich verstanden. Drei entscheidende Vorarbeiten eines Psychologen für

28

eine Umwerthung aller Werthe

4: begab,] ¿ 7-14: zu Zeile 16 20: sondern] ¿

W II 9b 43-86.indd 44

15.05.15

45

$

Diese 3 Abh.

der Schleichwege Nicht Hintergedanken in Form, in Absicht, in der KunstAder Spannung Widerspruchs Überraschung Unheimlichste sind vielleicht, das Verwirrendste, was bisher geschrieben

worden ist. Jedes Mal ein Anfang, der irre führen soll, kühl, wissenschaftlich ironisch

im

im

u im

absichtlich hinhaltend

Ecce Bleistift

2

4

Ein

; allmählich

A

mehr Unruhe, einzelnes;

langsam im tempo u den Fragen u Antworten; allmählich einzelnes Wetterleuchten; sehr , absichtlich Vordergrund, absichtlich hinhaltend. mit dumpfem Gebrumm

W II 9

6

werdend

unangenehme Wahrheiten werden in der Ferne{laut, – es kommt immer hier

8

näher, bis am Schluß jedes Mal eine ungeheure Spannung erreicht,

10

wo jedes Wort wie aus einer Nacht von bösen Wolken herauskommt

12

nur in

– wo alle Wahrheiten mit der Stimme Sprache schauerlicher

14

Detonationen zu reden wissen

16

nur noch mit Hülfe

– bis endlich

allmählich ein tempo feroce

eine

s

18

ist

erreicht, wo Alles auf

20

Gewalt

Psychologie des Chr.

mit einer ungeheuren Spannung vorwärts

22

p

treibt. – Am Schluß unter

24

a

vollkommen schauerlichen Detonationen

26

eine neue Wahrheit zwischen

28

schwarzen Wolken sichtbar werdend …

30

Antwort auf die Frage

Die erste Wahrheit ist die Einsicht darüber ist

woraus das Chr. gewachsen: die wuchs

Geburt des Chr. aus dem Geiste des und nicht

Ressentiment, – keineswegs aus dem „Geiste!“ – Die zweite Wahrheit

dicken …

32

Psychologie

giebt die Herkunft des Gewissens:

34

vielmehr

das Gewissen, keineswegs eine Stimme Gottes im M, sondern, ursprünglich Instinkt der

weil der als er

36

er

die rückwärts gewendete Grausamkeit, als der Instinkt der Grausamkeit

38

sich nicht mehr nach außen entladen konnte konnte. Die dritte Wahrheit ist die

40

.

Antwort auf

42

) 44,16

2: Abh.] > Abhandlungen 2: Einfügungszeichen verlängert 2: Verwirrendste] ? 6: Antworten] Vk 7: in Ms nicht übereinander 30: werdend] Vk

W II 9b 43-86.indd 45

31: dicken] Vk 40: entladen] Vk

15.05.15

W II 9

46

$

Ecce Bleistift

des – ich bin der Gegensatz = Begriff eines Idealisten. 2

Ich bin zum Beispiel durchaus kein Popanz, kein Moralist. Das Letzte, was ich

4

versprechen würde, wäre, die Mh zu „verbessern“. Von mir werden keine neuen

6

Götzen aufgerichtet: die alten mögen zusehen, daß sie nicht umfallen. Ich bin

stehen wackeln bleiben

was es

wozu was es mit thönernen Beinen auf sich hat.

10

der Todtfeind jedweden „Ideals“; Götzen umwerfen gehört zu meinem Handwerk. um ihren Werth, ihren Sinn gebracht, damit Man hat den Werth der Realität werthlos, sinnlos, falsch

12

das man ein Ideal erlog … Die Lüge des Ideals war bisher der

14

Fluch über der Realität

8

daß man Götzen aufrichtete

Man hat die Realität in dem Grade um ihren Werth, ihren Sinn

16

18

ihre Wahrhaftigkeit gebracht, als man das Ideal erlog … Die

20

Lüge des Ideals war der bisher der Fluch über der Realität

22

„Idealist“: in meinem Munde ein Wort für Verbrecher …

mit ihr

die Menschheit selbst{ist

24

heruntergekommen bis zur Anbetung der

26

heruntergekommen sind die mit denen

umgekehrten Werthe, als die, ihr das

28

30

mit denen

ihr das

Gedeihen, die Zukunft, das hohe Zukunft

,

erst verbürgt ist …

Recht auf Dasein geben.

32

34

Vielleicht, daß es mir gelingt

36

eine Gegensatz=Natur zu der Art M. die bisher verehrt wurde, in einer menschenfreundlichen

38

Weise darzustellen; vielleicht auch, was mir werthvoller wäre, daß Andere

40

an meinem „Ecce homo“ einen Anlaß mehr finden, über sich nachzudenken – ob

42

nicht auch in ihrem Leben „das Ideal“ bloß als Ver Verhängniß, als Gift, als großer

„böses Princip“

)

12: das] > daß 12: ein] ¿ 27: in Ms nicht übereinander 28: ihr] > die ihr

W II 9b 43-86.indd 46

15.05.15

47

Ecce homo.

W II 9

2

lernen Die alten mögenAzusehen, was es mit thönernen Beinen auf sich hat.

– „Ideale“ –

Meine Philosophie ist Todtfeind jedweden „Ideals“: Götzen umwerfen gehört zu meinem Handwerk.

4

f

6

Es fehlt mir die Erinnerung, daß ich je bemüht hätte, – es ist kein Zug von Ringen an meinem Leben erkennbar.

8

10

nach

Jemand der in seinem 44 Jahre sagen kann, daß er sich nie um Ehren

12

um Weiber, um Geld bemüht hat! .. Nicht daß sie mir gefehlt hätten …

14

in ihre untersten Instinkte hinein wurde

.

u falsch

bis in in Grund Boden falsch u. verlogen gemacht –

Die Mh. selbst ist mit ihr bis zur Anbetung der Umgekehrten Werthe herunter-

16

erst

gekommen, als die sind, mit denen ihr das Gedeihen, die Zukunft, das hohe überhaupt

18

sind sein würde.

Recht auf Zukunft erstAverbürgt ist. Idealist: in meinem Munde

20

die größten Falschmünzer

)

ein Wort für Verbrecher …

22

Verführer mitspielte

24

8: ich] > ich mich 15: Grund] > Grund und

W II 9b 43-86.indd 47

15.05.15

W II 9

48

$

4.

Ecce Bleistift

nicht zu umgehen Ich berühre jetzt An dieser Stelle ist es an der Reihe

Antwort auf die Frage Das Meisterstück des Selbsterhaltungs=Instinkts, ist das eigentliche Problem

2

der Entwicklung zu dem, was man ist „wie man wird, was man ist“ zu

4

in

6

geben. Und damit berühre ich das Meisterstück in der Kunst der Selbsterhaltung. Gesetzt

8

nämlich, daß die Aufgabe, die Bestimmung, das Schicksal in der Aufgabe

10

über ein durchschnittliches Maß bedeutend hinausliegt, so würde keine Gefahr größer

12

sein als es plötzlich in seiner eigentlichsten Abnormität vor sich zu sehen.

sich selbst

zu Gesicht zu bekommen. Daß man wird, was man ist

14

heit

in dieser Aufgabe

16

setzt voraus, daß man nicht im Entferntesten ahnt, was man ist … Aus diesem

18

Gesichtspunkte haben die Fehlgriffe des Lebens einen eigenen Sinn u. Werth, –

20

die zeitweiligen Nebenwege u. Abwege, der Ernst auf Aufgaben verschwendet

22

die jenseits der Aufgabe liegen. Darin kann eine große Klugheit, sogar

24

die oberste Klugheit zum Ausdruck kommen: sich vergessen, sich mißverstehen

26

sich verkleinern, verengern, vermittelmäßigen – „Bescheidenheit“ in Einem

28

Wort – die ganze Oberfläche des Bewußtseins rein gehalten von

30

irgend welchen großen Imperativen. Inzwischen wächst u wächst die orga-

32

nisirende u dirigirende „Idee“ in der Tiefe:Aim Augenblick, wo

erst

dominirende

34

sie reif ist, wo sie: sie beginnt zu befehlen, sie leitet langsam

36

aus den Nebenwegen u. Abwegen heraus, – sie bereitet einzelne Qualitäten vor,

38

die einmal als Mittel zum Ganzen sich unentbehrlich

40

erweisen werden: sie bildet der Reihe nach alle

42

dienenden Vermögen aus, bevor sie irgend Etwas von der dominirenden

44

Aufgabe, von „Ziel“, „Zweck“, „Sinn“ verlauten läßt. – Nach dieser Seite hin betrachtet ist mein

46

)

, einzelne Tüchtigkeiten

6: Meisterstück] ¿ 10: durchschnittliches] ¿ 14: man ist] ¿

W II 9b 43-86.indd 48

15.05.15

49

W II 9

$

Ecce Bleistift

Zur Aufgabe einer Umwerthung der Werthe

4

glaubt, als Niedergangs = Symptome begreift

Ecce homo.

– das sind alles plötzliche

beisammen gewesen sind: vor

Oder „Offenbarungen“: ich kam mir vor Allem Gegensätze von Vermögen, ohne als fertig, in allem wie man wird, was man ist. daß sie sich stören, zerstören durften … was in mir bewußt wurde .. )

6

8

10

12

in mir war

einfach

Leben vollkommen wundervoll. Die Instinkt=Obhut war immer in dem stark

2

50 )

sämmtliche obersten Werthe, woran die Menschheit

waren vielleicht mehr Vermögen nöthig wie je in einem Einzelnen

niedersteigenden Leben

14

ich

Maaße Herr, daß in einer vollkommenen Unschuld u. Gleichgültigkeit ich in die Begriffe „Absicht“ „Zweck“ „Ziel“, Wunsch

16

18

auch nur geahnt

keinem Falle gewußt habe, was in mir wächst, – daß alle meine Fähigkeiten plötz-

20

lich, reif, in ihrer letzten Vollkommenheit eines Tages hervorsprangen. Etwas wollen,

22

nach Etwas streben, ein Ziel, einen Wunsch im Auge haben. Das fehlt

24

noch

meine

vollkommen in meiner Erfahrung: so daßAin diesem Augenblick ich die ganze glatte

26

– ich will nicht im Geringsten etwas anders daran

Zukunft wie eine Fläche vor mir sehe, ohne im Geringsten sagen zu können,

28

als es heute ist

ich

warum ich nicht in 20 Jahren genau so weit wie Es fehlt in mir die Er. daß ich mich

etwas Anderes zu anders zu

wollen als es heute ist. Ich habe nie einen immer

30 32 34

Wunsch gehabt. Was ich nöthig hatte, warAeines Tages da … So war ich eines

36

Tages Universitätsprofessor – ich hatte nicht im Entferntesten dergleichen im Auge

38

zwei Jahre vorher

gehabt. So war ichAeines Tages Philologe – in dem Sinne, daß meine erste phil.

einige 40

mein Anfang in jedem Sinne

litterarische Aufzeichnung, wenn man will, meine erste Arbeit, überhaupt{von meinem der einzige geniale Gelehrte, den ich bis gesehen habe

:

42

– Ritschl

Lehrer Ritschl für sein rhein. Museum zum Druck verlangt wurde. Jene

44

viel höheren Qualitäten, die des Dichters eines Zarathustra, die des Immoralisten

46

Typus

u. Gegensatz =Begriffs zu allen philos. Typen bis heute, die des ersten Werth

48

Werth = Fragestellers, der vom aufsteigenden oder vom

50

großen Stils

3: sämmtliche] ¿ 3-5: woran … glaubt] ? 13: was in mir] ? 16: Unschuld] ¿ 24: streben] ¿ 32: Er.] vgl. 47,10 > Erinnerung

W II 9b 43-86.indd 49

)1

43: bis] > bisher 44: rhein.] ¿

15.05.15

W II 9

50

$

Ecce Bleistift

Stücken

2

4

51,42 )

Eine andere Klugheit ist, daß man die Initiative in allenADingen braucht, daß man nicht zu einem bloßen Reagens herunterkommt.

6

Dasselbe gilt noch einmal von Büchern. Der Gelehrte, der im Grunde nur noch

8

im Verkehr mit Büchern lebt, verliert zuletzt ganz das Vermögen, von sich

10

aus zu denken: er antwortet auf einen Reiz („einen Gedanken“) wenn er

12

denkt, er reagirt zuletztAu. giebt seine ganze Kraft bloß noch im

14

Ja und NeinsagenAaus – er selbst sagt nichts mehr … Der Instinkt der

16

Selbstvertheidigung ist bei ihm mürbe geworden: im anderen Falle würde

18

er sich gegen Bücher wehren … Die décadence des Geistes bei begabten Philo-

20

logen, die in den zwanziger Jahren beinahe einem Genie ähnlich sehen u. bereits in

22

den 30 gern bloß Ameisen u. Nagewürmer sind … Frühmorgens beim Anbruch

24

des Tages, in aller Frische, ein Buch lesen – das nenne ich

nur noch

zu bereits gedachten Gedanken

denkt

in der „Morgenröthe“ seiner Kraft 26

lasterhaft! –

2: Initiative] ¿ 6: nur] Vk

W II 9b 43-86.indd 50

15.05.15

51

W II 9

$

Ecce Bleistift

3. von

In alledem, in der Wahl von Nahrung, Ort u Klima, von Erholung

2

gebietet ein Instinkt der Selbsterhaltung, der sich als Instinkt der Selbstver-

4

theidigung am scha unzweideutigsten ausspricht. Vieles nicht sehen, nicht

6

hören, nicht an sich herankommen lassen – erste Klugheit, erster Beweis dafür

8

52,18 )

gangbare

daß man kein Zufall, sondern eine Necessität ist. Das populäre

10

Wort für diese Selbstvertheidigungs= Instinkt ist Geschmack. Sein Impe-

12

,

wo ein Ja eine „Selbstlosigkeit“ sein würde

rativ ist nicht nur, Nein zu sagen,Awo sondern auch so wenig als

14

möglich Nein zu sagen: möglichst sich trennen, sich abscheiden von

16

dem, was Neinsagen nöthig machen würde. Die Vernunft darin ist,

18

daß auch Defensiv =Ausgaben, selbst noch so kleine, zur Regel,

20

zur Gewohnheit werdend eine außerordentl. u. vollkommen überflüssige

22

Verarmung bedingen. Das Abwehren, das Nicht - heran - kommen ist

24

eine Ausgabe: man täusche sich hierüber nicht – eine zu negativen

26

Zwecken verschwendete Kraft. Gesetzt, ich trete aus meinem Hause heraus

28

u. fände die deutsche Kleinstadt vor mir, – der Instinkt sperrt sich

30

u. drängt Alles zurück, was aus dieser Welt plattgedrückten u. feigen

32

Realität hereinkommt. Oder ich fände die deutsche Großstadt vor mir

34

– dies gebaute Laster, von in dem Nichts wächst, in dem

36

jedes Ding eingeschleppt ist, Gutes u Schlimmes. Müßte ich nicht

38

darüber zum Igel werden? Aber Stacheln zu haben ist eine Vergeu-

40

dung von Kräften, wo es freisteht, kein Igel zu sein …

42

) 50,6

24: kommen] > kommen-lassen 38: jedes] ¿

W II 9b 43-86.indd 51

15.05.15

W II 9

52

$

Ecce Bleistift

*

2

geistig an ihr ist … Daß sie

4

Bosheiten in den Füßen hat …

6

Jeder Versuch, in diesen 6 Jahren, W. mir zu Gemüthe

8

zu führen, mißrieth; ich lief nach jedem ersten Akte, tödtlich

10

. er

süß, sonderbar, fein u

davon.

sparsam u. klug

„Genie“

12

gelangweilt,AWie arm, wie bürgerlich=arm ist dieses Geist

14

Wie

k

16

Wie viele Magen muß erAhaben, um immer noch einmal wiederzu

51,2 )

18

käuen, was er ebenAgekäut hat …

53,38 )

20

übel nehme, in jungen Jahren bereits diesem Laster gehuldigt zu

22

haben. Wagner u. Jugend – das ist ja das soviel wie

24

Gift u Jugend … Erst seit sechs Jahren weiß ich wieder

26

was Musik ist – eine tiefe Zurückbesinnung auf meinen hier fast

28

vergessenen Instinkt u das unschätzbare Glück, einen Nächstverwandten

30

im Instinkte zu finden, der mir die Musik schuf, die Niemand

32

mir sonst geben kann … Was ich von der Musik will? – Daß

34

sie heiter u tief ist, wie ein Nachmittag des Herbstes. Mild,

36

gütig, – nicht heiß … Daß sie in der Sonne liegt, daß Alles *

von der Natur angelegt!

welche Geduld muß man haben, bis ihm Etwas wieder einfällt selber

schon uns vor

2: fein] Vk 22: ja das] > ja

W II 9b 43-86.indd 52

15.05.15

53

W II 9

$

Ecce Bleistift

„Ernste“

Diese souveraine Freiheit vor der „Moral“, vor dem „Bewundern“,

2

vor dem eigenen sublimen Geschmack, dies Raffinement in der Mischung

4

von Vulgär u. „Bildungs“ Latein, diese unbändige gute Laune, die

6

über alle Animalitäten der antiken „Seele“ mit Grazie u. Bosheit

8

hinwegspringt – ich wüßte kein Buch zu nennen, das einen gleich befreienden

10

Eindruck auf mich machte. In Fällen, wo ich nöthig habe, mich

12

rasch von einem widrigen Eindruck zu erholen – ich setze den

14

Fall, daß ich in die Sümpfe des Apostel Paulus hineinzu-

16

waten hatte – genügen mir, als heroisches Mittel, ein Paar

18

Seiten Petronius: u ich bin wieder gesund. –

20

54,44 )

2.

Die Musik – um des Himmels Willen! Halten wir sie

22

fest als Erholung u als nichts Anderes!.. Um keinen Preis

24

uns

als

man sie

darf sie{das sein, was heute, durch erbarmungswürdigen Mißbrauch dienen muß als

ihr Loos,

26

als

ein Aufregungs=Mittel, einen Peitschenschlag

aus ihr gemacht hat

28

30

mehr für erschöpfte Nervensysteme!, –

als

32

Nichts ist gefährl icher als der Wagnerische Mißbrauch der Musik unter Wagnerischer

34

allem möglichen „idealistischen“ Hokuspokus: crede experto. – Ich

36

nehme mir wenigBso übel, wie ich die Instinktwidrigkeit mir

38

ein

) 52,20

Dinge

8: mit] Vk

W II 9b 43-86.indd 53

15.05.15

W II 9

54

$

Ecce Bleistift

55,40 )

g

2

Ich muß ein halbes Jahr zurückrechnen, daß ich mich mit einem Buch in der Hand finde:

4

was war es? Eine ausgezeichnete Studie von Victor Brochard Les Sceptiqu

6

Sceptiques Grecs, in der auch meine Laertiana gut benutzt sind. Sonst

8

nehme ich meine Zuflucht fast immer zu einer kleinen Zahl berühmter u. für

derselben

bereits für mich 10

u.

von Büchern,

gerade zu den

vielleicht

Amich bewiesener alter Büchern. Es liegtAnicht in meiner Art, Viel u Vielerlei

12

zu lesen, – so wenig etwa als Viel u Vielerlei zu lieben. Vorsicht, selbst

14

Feindseligkeit gegen neue Bücher ist mir natürlicher als „Toleranz“, als

16

Herankommen -lassen. Von Franzosen erquickte mich von jeher, vielleicht aus

18

Temperaments =Verwandtschaft Montaigne – wir haben Beide viel Muthwillen

20

im Geiste, wer weiß? vielleicht auch im Leibe … Seit zehn Jahren

22

ungefähr unterhalte ich mit Stendhal, eine meiner angenehmsten Bekanntschaften

24

im Zufall der Bücher: seine psycholog.ANeugierde, u ein unter Franzosen

26

geradezu unschätzbar ehrlicher Atheismus geben ihm ein Recht auf

28

meine Sympathie. – Emerson, in seinen Essays, ist mir ein guter Freund

30

u Erheiterer in schwarzen Tagen gewesen: selbst als Knabe schon hörte ich

32

ihm gerne zu. Er hat so viel Skepsis, so viele „Möglichkeiten“, daß

34

bei ihm sogar die Tugend geistreich wird – ein einziger Fall vielleicht …

36

Als Knabe zog ich unter engl. Büchern den Tristram Shandy vor, aus ähnlichen

38

Gründen, die mich Lichtenberg unter deutschen Büchern vorziehen ließen: Lichtenberg,

40

ein Deutscher, der nicht langweilt.. Einen der unerwartetsten starken E.

42

verdanke ich jenem übermüthigsten u., vielleicht, anmuthigsten Geiste des Alter

44

thums, Petronius.

gehört eher zu meinen Instinkten

Abenteurer=

sein harter Realitäten = Sinn Anspruch

, der

) 53,2

6: Laertiana] Vk 18: Temperaments=] ¿ 22: mit] > mich mit 22: eine] Vk 40: Einen] Vk 40: unerwartetsten] ¿

W II 9b 43-86.indd 54

40: E.] > Eindrücke

15.05.15

55

W II 9

$

Ecce Bleistift

1.

Die Wahl der Ernährung; die Wahl von Klima u Ort; das Dritte, ist worin man

2

um keinen Preis einen Fehlgriff thun darf, ist die Wahl seiner Art Erholung. Auch

4

hier sind in dem Grade, in dem ein Geist sui generis ist, die Grenzen des

6

ihm Erlaubten, das heißt Nützlichen sehr eng. In meinem Fall gehört alles Lesen

8

zu meinen Erholungen: folglich zu dem, was mich von mir losmacht, was mich

10

in fremden Landschaften u. Seelen spaziren gehen läßt, – was ich nicht ernst

12

nehme. Es erholt mich eben meinem Ernste. In den Zeiten tief arbeitsamen

14

Zeiten, sieht man keine Bücher bei mir: ich würde mich hüten, Jemanden

16

in meiner Nähe reden oder gar denken zu lassen – u das hieße

18

ja lesen … Hat man bemerkt, daß in jener tiefen Spannung, nebst zu der

20

Schwangers

die fruchtbare Periode der Fruchtbarkeit den Geist u im Grunde den gesammten

22

Organismus verurtheilt, die Zufälle, an jede Art Reiz von außen her, zu

24

vehement wirkt, zu tief „einschlägt“… Man muß den Zufällen, den

26

Reizen jeder Art aus dem Wege gehen: eine Art Selbstverschneidung -

28

– Selbstvermauerung gehört zu den Klugheiten der großen Schwangerschaft. Wie

30

Gedanke heimlich über die Mauer werde ich erlauben, daß ein fremder, gar ein

32

steigt?.. Und das hieße ja lesen … Auf die Zeiten der Arbeit u.

34

Fruchtbarkeit folgt die der Erholung: heran mit euch, ihr ange=

36

nehmen, ihr geistreichen u. schlauen Bücher?… Werden es deutsche

38

Schlechte Bücher

Bücher sein?… Das schlechteste Buch ist immer noch interessanter als das beste deutsche Buch.

40

) 54,2

42

8: Erlaubten] Vk 12: Landschaften] Vk 14: eben] > eben von 21: Schwangers] > Schwangerschaft 24: Organismus] ¿ 38: Bücher?] > Bücher!

W II 9b 43-86.indd 55

15.05.15

W II 9

56

„Vernünftigkeit“ u Instinkt – erstere ein lebensg gefährliches, ein leben=

2

untergrabendes Prinzip …

4

Tiefes feindseliges Stillschweigen über das Chr: es ist weder

6

negirt

8

Ecce Bleistift

weder apollinisch, noch dionysisch: es ist ist allen aesthetischen

$

Werthe

Werthe, die

Werthen – den einzigen{die „die G. der Trag.“ anerkennt: todtfeindlich

10

christliche

der Priester wird einmal als „bösartiger Zwerg“ angedeutet …

12

44 )

14

abhold,

tückischer

es ist „Moral“

Die zwei entscheidenden Neuerungen des Buches sind das Ernstnehmen des dessen – es giebt die erste Psychologie des Orgiasmus, es sieht in ihm die

16

ganzen dionys. Phänomens, als Wurzel=Phänomen für die griech. Kunst; sodann das Ernstnehmen

18

20

die Eine Wurzel

des

der ganzen

die erste Einsicht über den Sokratismus, – einen erster Schritt der griech. decadence.

als gr. Sokrates ein Werkzeug der Auflösung, ein decadent typ. décadent.

Gegen die „Geburt der Trag.“ gerecht zu sein, wird mir heute nicht leicht u selbst fascinirt

22

Sie hat mit dem gewirktA, worin sie verfehlt war – mit ihrer Nutzan-

24

wendung auf die Wagnerei, als ein Aufgangs=Zeichen; dabei ist das nicht

26

gehört worden, was sie neuen Einsichten u Unerhörtestem enthält. Mit

28

aller Neutralität in die Hand genommen, sieht sie sehr unzeitgemäß aus:

30

wie als ob sieA40 Jahre älter wäre, sehr{Hegelisch im Grunde, wie

32

Jedermann nur in einzelnen Formeln noch mit dem Geruche Schopenhauers

mindestens

34

) 14

. in

behaftet. Eine „Idee“ – der Gegensatz dionysisch u. apollinisch. Beide

36

ins Metaphysische übersetzt – dieser Gegensatz als Erklärungs=Princip

38

der menschl. Entwicklung, im engeren Sinne der Geschichte gehandhabt

40

unter dieser Optik Dinge, die sich noch nie einander in s Gesicht

42

gesehen haben, plötzlich gegenübergestellt, aus einander begriffen u

44

beleuchtet … Wär es in der Geschichte nicht artistisch zugegangen

6-8: weder weder] > weder 8: es ist] ¿, > es 14: entscheidenden] ¿ 18: erster] ¿ 22: Sie] ¿ 24: die Wagnerei,] Vk

W II 9b 43-86.indd 56

verdammt

24: Aufgangs=] Vk 26: neuen] > an neuen 26: Unerhörtestem] Vk 32: Schopenhauers] Vk 44: Wär] ? 44: zugegangen] ¿

15.05.15

57

W II 9

$

Ecce Bleistift

Erfolge voller Wunden mit den

29 )

aber die Wunde nicht als Einwand …

Daß es die auf die Namen Wagner u Schopenhauer getauften Schriften sonderlich zum Verständniß

2

beigetragen hätten

oder zur psycholog. Problemstellung beider Fälle beitrügen, möchte ich nicht auch nur

Zuletzt lag mir dergleichen vollkommen fern.

4

6

nächste

behaupten. Im Grunde warenBes bloße beim Schopf ergriffene „Gelegenheiten“,

8

Sch. wie Wagner

um einen Typus zu malen, der mir am Herzen lag. Zuletzt, aus

10

beide Schriften

der Ferne gesehen, enthalten sie eine außerordentlich werthvolle

12

das Werthvollste über mich, was bisher

14

geschrieben ist: ohne daß es es wußte, sprach ich meine innersten Gelöbnisse

16

aus, indem ich diese zwei Typen hinmalte. Will man in jungen

18

Jahren einen starken u. rücksichtslosen Zuspruch Wort über sich selbst u.

20

schließe man sich

an.

gegen sich selbst hören, so schenke man diesen beiden Schriften das Ohr: Vor

u.

22

empfehlungswürdig ist

allem mein „Schopenhauer als Erzieher“, das stärkste Paraineticon

der intellektuellen Rechtschaffenheit, das es in deutscher Sprache giebt.

zur

24

v er

26

zur Rechtschaffenheit des Geistes

Hier ist jedes Wort er-

, zur Selbstzucht des Geistes, das innerlich tief, erlitten, unter Umständen selber ein schmerzhaft lich

ein Buch voller Wunden

versteht

w

zuletzt

lebt, ein wenig blutrünstig unter Umständen,Aerlitten: aber eine unbefast

28

30

durchaus

dingte Härte u. Tapferkeit nimmt die WundeAnicht als Einwand … sondern

32

als

34

Höhe

, die aus jedem Worte spricht athmet

)1

,

athmet

Ich erkenne junge Männer, die einmal zu mir gehören werden, an der tiefen Verzau-

36

berung u. Versenkung, mit der in die sie die Berührung mit dieser Schrift versetzt. –

38

1: Erfolge] ? 2: Daß es] > Daß 16: es es] > ich es 29: lich] ¿

W II 9b 43-86.indd 57

15.05.15

W II 9

W II 9b 43-86.indd 58

58

15.05.15

59

W II 9

$

Ecce

Die Nachwirkung dieser Schrift ist geradezu unschätzbar in meinem Leben. Ich hatte, ohne sie zu kennen, eine Maxime Stendhals in Praxis übersetzt: Eintritt

2

20 )

4

ktik

über „David Strauss, der Bekener etc. Bleistift

zu

seinenAAnfang in der Gesellschaft mit einem Duell machen. Und ich hatte mir

6

der

mit dem nicht zu spaßen war

einen Gegner gewählt, der mich als den errathen hatteAwas ich war – ich hatte den ersten Freigeist der D. herausgefordert u. ihn ausgelacht: eine neue

8

as

10

bis dahin

{Freigeisterei kam damit zum ersten Ausdruck, für dieAdas Ohr, der

12

den Deutschen bis dahin gefehlt hatte

Begriff u. selbst das Wort – ich gab es den Deutschen Wort,A: Immoralist …

den

Deutschen fehlte. Heute haben sie das

Anbei gesagt: aus jener Schrift ist

14

im ich

16

welcher gerade

– jener Muth, derAdie Lieblinge einer Nation auf die Anklagebank

18

61,44 )

20

)2

der

deutschen u Schrift

imASprachAgebrauche, sonderlich in der

bringt …

Zeitungs=Polemik das Wort „Bildungsphilister“ übrig geblieben. –

22

6: Gesellschaft] Vk 8: was] Vk 14: haben] Vk

W II 9b 43-86.indd 59

15.05.15

W II 9

60

$

Ecce Bleistift

entmenschten falschen Ökonomie 1.der ARäderwerk u Mechanismus an der ang

war

Gegentheil Sie beweisen, daß ich ich das

„Theilung der wissenschaft Arbeit 2

von

war

Die vier Unzeitgemäßen sind durchaus kriegerisch. „Hans der Träumer“ bewies, mir

ziehen

vielleicht

gefährlich

4

daß es ihm Vergnügen macht, den Degen zu führen – auch, daß er das HandgelenkAfrei

be

6

hatte. Der erste Angriff wendete sich in ganzer Front gegen die deutschen Bildung, die

, ein

8

mit schonungsloser Verachtung behandelt. Ohne Sinn, ohne Substanz, ohne Ziel:

galt

schlagend

wurde

souveräner

Vorurtheil

In d

10

eine bloße Einbildung. Kein bösartigeres Mißverständniß als zu glauben, der große

12

Waffen =Erfolg der D. beweise den Sieg dieser „Bildung“{über Frankreich … Der

14

zweiten Unzeitgemäßen wird das Lebens Gefährliche, u. Leben =Annagende{in unserer Art

16

des Wissenschafts=Betriebs ans Licht gestellt; das „Historische wird“ hier zum

18

ersten Mal als Krankheit, alsAdecadence - Symptom dargestellt

Etwas zu Gunsten dieser Bildung – oder gar ihren Sieg

zieht

das

u. Vergiftende

modernen Art

typisches

xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx

s

20

In der dritten u. vierten Unzeitg.

+ als Fingerzeige u deren „Symptom“, ein zwei wird, als Gegenstück, dazu das Bilder

dagegen aufgestellt

S

unserem modernen Typus p. excell.

der härtesten

unzeitgemäße

22

Selbstsucht, Selbstzucht dagegengestellt, kriegerische Typen par excellence, voll

24

von souverainer Verachtung gegen Alles, was um sie herum „Zeit“ „Bildung“

26

„Erfolg“ ist. – Wagner u. Schopenhauer. *

einem zuAeinem höheren Begriff der Erziehung Cultur,

28

Von diesen 4 vier Attentaten hat das erste einen außerordentl. Erfolg.

30

Der Lärm, den es hervorrief, war vollkommen prachtvoll.AIch hatte eine siegreiche

32

Nation an ihrer wunden Stelle angerührt, – daß ihr Sieg nicht ein

34

Cultur =Ereigniß sei, sondern vielleicht, vielleicht etwasAAnderes …. Zu

in jedem Sinne

– oh was ich gelacht habe!…

ganz

Die Angriffe

kamen von allen Seiten, u durchaus nicht bloß 36

nächstAwaren es die alten Freunde u Verehrer Straußens, welche mit schwäbischer Grobheit

38

u. Breite den Kampf gegen mich aufnahmen – leider ohne Witz, ohne brio, ohne

40

die alten Tugenden derselben, die man ihnen Unbedingt für mich entschieden sich einige alte

ins Feld zogen …

ohne xxxxx

eigentlichen

1: entmenschten … Arbeit] zu Zeile 16 1: Gegentheil] ? 1: Räderwerk] ¿ 1: Arbeit] > Arbeit“ 5: galt] Vk 8: behandelt] Durchstreichung? 8: Sinn] ¿ 8: ohne Ziel] ¿ 10: Einbildung] ?

W II 9b 43-86.indd 60

12: Waffen=Erfolg] ¿ 12: über] Vk 12: Der] nach unvollständiger Korrektur > Die 16: Betriebs] ¿ 16: Historische wird“] > Historische“ wird 18-19: unserem … excell.] zu Zeile 14 19: in Ms nicht übereinander 26: höheren Begriff] Vk 28: hat] > hatte

15.05.15

61

W II 9

$

Ecce Bleistift

aus gemischten u zum Theil unausfindlichen Gründen

Herren; darunter Ewald in Göttingen, der zu verstehen gab, mein Attentat sei Insgleichen

2

an dem

für St. tödtlich abgelaufen. Dann der alte Hegel. Bruno Bauer, der ich von da einen meiner

4

gehabt habe.

von da zu den aufmerksamsten Lesern meiner Schriften gehörte: Er hat, in seinen

6

,e

Jahren

letzten Zeilen, gern auf mich verwiesen, zum Beispiel den Herren Historiographen des „Reichs“

8

etwa

Preußens, in Sonderheit Herrn von Treitschke angerathen, sich bei mir einige

10

Auskunft über den Begriff „Cultur“ zu holen. Die nachdenklichste, auch

12

längste Betrachtung über das Buch u. seinen Autor kam von einem alten

14

Schüler Baaders, dem Prof. Hoffmann in Würzburg. Er sah aus der Schrift

16

eine große Bestimmung für mich voraus – eine Art Krisis u. höchster B Ver=

18

im

schärfung im Problem des Entscheidung über das Problem des Atheismus, dessen auch

in mir

20

errieth.

instinktivsten u. rechtschaffensten rücksichtslosesten Typus er in mich sah. Das

22

Liebenswürdigste, vor allem das Tapferste, was damit Bei weitem am besten

24

gehört, auch am bittersten empfunden wurde eine außerordentlich starke

26

von Seiten des sonst so milden

u. tapfere FürspracheAKarl Hillebrands in der „Augsburger Zeitung“. Hier

28

war die Schrift als Ereigniß, „Wendepunkt“, erste Selbst = Besinnung

30

inmitten der deutschen décadence

allerbestes ZeichenAdargestellt, – als eine wirkliche Wiederkehr des

32

deutschen Ernstes u. Werthbegriffs in Fragen der

34

Antwort

der deutschen Leidenschaft in geistigen Dingen: Zugleich als

36

ein Muster guten Geschmacks in dem für Deutsche so gefährlichen Handwerk der

38

Hillebrand verhielt sich

zu dem

Polemik.; unbedingt jasagend, sogar verschärfend,Awas ich über die

40

tiefe Sprach -Verlumpung der Deutschen selbst bei ihren „ersten“ Schriftstellern

42

er erkannte die Schrift

Art

gewa zu sagen gewagt hatte;Aendlich als Beweis für den höchsten Muth

1: unausfindlichen] ¿ 4: Hegel.] > Hegelianer 5: da] > da an 8: verwiesen] Vk 10: einige] Vk 22: mich] > mir 26: bittersten] Vk

W II 9b 43-86.indd 61

,

44

) 59,18

26: außerordentlich] ¿ 30: erste] Vk 31: inmitten] ? 32: Zeichen] Vk 35: zu 60,33 36: deutschen] Vk

15.05.15

W II 9

62

$

Ecce Bleistift

sprechen mir nie von dergleichen.

vo

Daß ich nie

2

4

meiner Bücher

{Ich war gegen alle Besprechungen{, sonderlich in Zeitungen die längste Zeit xx das u. bin, wird man mir verzeihen müssen. Alles ohne jedwede NeugierdeA, – meine Verleger wußten, daß ich sprachen mir nie Meine Verleger, , meine Freunde wissen das u.

6

davon. In einem besonderen Falle kam mir einmal Alles zu Gesicht, was über

8

mein Jenseits v G. u Böse „gesündigt“ worden war: ich könnte einen sehr er-

lustigen

Kindlichkeiten

10

heiternden Bericht darüber abstatten, denn es waren unbezahlbareAKindereien darunter

12

Sollte man es glauben, daß die NationalzeitungAmein Buch als ein Zeichen der

14

Zeit zu verstehen wußte, – als die echte rechte Junker=Philosophie, zu

16

der es der Kreuzzeitung nur an Muth gebreche?…

alles Ernstes

63,40 )

will sagen als „idealistischer“ Begriff

18

eines höheren Typus. Wem ich ins Ohr

20

einem

flüsterte, er solle sich eher nachACesare

22

der

Borgia umsehen,Atraute seinen Ohren nicht …

24

4: nie] Vk 16: der es] Vk 20: Wem] Vk 22: Cesare] ¿

W II 9b 43-86.indd 62

15.05.15

63

W II 9

$

Ecce Bleistift

hätte;

Nicht daß es hier an dem allerbesten Willen gefehlt hatte;!

2

64,44 )

4

w

kommenste u. Feinste unter den Heutigen.{– Ich versuche den Fall

6

f

zu erklären. Zu guterletzt kann Niemand mehr aus den Dingen, die

8

an der der

mir

Einer sogar Einer

noch weniger an Intelligenz. Herr Spitteler ist einAder mir

Will-

Allem, was jetzt schreibt. Kritik übt.

Bücher eingerechnet, heraushören, als er schon weiß: wofür man

10

nicht vom Erlebnisse her Zugang hat, dafür hat man kein Ohr.

12

Denken wir uns nun einen äußersten Falle, daß ein Buch von

14

lauter Erlebnissen spricht, die gänzlich außer der Möglichkeit

16

häufigen

nur

einer häufigen oder auch nur einer selteneren Erfahrung liegen: daß

18

es die erste Sprache für eine erste neue Reihe von Er-

20

gehört

fahrungen ist. In diesem Falle wird einfach Nichts verstanden:

22

mit der optischen Täuschung, daß wo nichts gehört wird,

24

en

n

meine

auch nichts da ist … Das ist zuletzt die durchschnittliche

26

u,

Erfahrung,{wenn man will, die Originalität meiner Erfahrung: wer

28

Etwas von mir verstanden zu haben glaubte, hatte sich Etwas

30

– nicht selten den Gegensatz von mir;

aus mir zurechtgemacht; wer nichts verstanden hatte, leugnete,

32

daß ich überhaupt in Betracht komme. – Das Wort „Über

34

,

sehr

mensch“ zum Beispiel, das im Munde Zarathustras einAnachdenkliches

36

wird

WortA, ist fast überall mit voller Unschuld im Sinne der

38

Werthe verstanden worden, deren Vernichter, deren Todfeind Z. ist

40

) 62,18

4: an Intelligenz] ¿ 10: heraushören] Vk 14: Falle] > Fall 18: liegen] Vk 20: es] Vk 28: Originalität] ¿

W II 9b 43-86.indd 63

15.05.15

W II 9

64

$

Ecce Bleistift

irgendwie als es sichAschickt

2

Ich berühre nur so nachlässigAals möglich die Frage nach dem Verstanden - oder Nichtver -

4

standenwerden: sie ist durchausAnicht an der Zeit. Es wäre ein vollkommener Widerspruch zu

6

mir, wenn es heute bereits Ohren u. Münder für meine „Wahrheiten“ gäbe, – es

8

versteht sich von selbst, daß man weder hört, noch nimmt … Nochmals gesagt,

noch

Widerspruch

Hände

hört,

sichtbar

10

nichts ist weniger an meinem Leben sichtbar als böser Wille, auch von litterarischem „bösen

12

Willen“ wüßte ich keinen Fall zu erzählen. Es scheint mir, eine so hohe Auszeichnung

14

die Jemand sich erweist, ein Buch von mir in die HandAnehmen; – ich sagte es

16

einmal, dem Dr Heinrich von Stein, sechs Sätze aus meinem Zarathustra verstanden das heißt

18

erlebt zu haben hebe in eine höhere Ordnung der Wesen hinauf. Wie hätte ich

20

je wünschen können, von diesen „Modernen“, die ich kenne –, gelesen zu

22

werden? Es waren nicht nur bescheidene, u veracht – Umgekehrt hat

24

mir die Unschuld im Neinsagen zu meinen Schriften einiges

26

Vergnügen gemacht. Noch im Sommer 1888, wo

der seltensten

zu

hinauf.

Mein Triumph ist der umgekehrte von dem Schopenhauers: non legor, non legar . –

..

vielmals

7

zu einer Zeit

selben Zeit wo 28

v

65,40 )

) 63,2

im Stande gewesen

in wohlmeinend

Akonnte, gab mir ein Prof. der Berliner Univers.Azu verstehen, ich sollte mich lese

kein Mensch.

32

doch einer anderen Form bedienen: so etwas könne Niemand{lesen Zu-

34

letzt war es nicht Deutschland, sondern die Schweiz, die zwei extreme

36

Fälle geliefert hatte – beide im „Bund“. Ein Aufsatz des

38

Dr. V Widmann über Jenseits v G. u Böse

40

u. ein Gesammt =Bericht des Hr Karl Spitteler

42

über meine Litteratur überhaupt sind ein Maximum in meinem Leben – ich

Wegleugnung der Realität …

sage nicht von was …

44

10: böser] Vk 10: „bösen] Vk 12: Willen“ wüßte] Vk 16: Heinrich] ¿ 22: Es … veracht] ? 24-26: die … sehen] zu 65,23

W II 9b 43-86.indd 64

mit Schrecken sehen überhaupt

Aich ungefähr mit meiner Litteratur den Rest von Litteratur überhaupt aufwiegen

aufwiegen konnte 30

die wir heute

27: überhaupt] ¿ 28: überhaupt] ¿ 32: könne] ¿

15.05.15

65

W II 9

$

Ecce Bleistift

angestrengtesten sich hieraus

großen

Es erklärenAalle Fehlgriffe u.AInstinkt-Abirrungen meines Lebens, zb. daß ich Philologe wurde, daß ich Schopenhauer u. Wagner mir zu Gemüthe, ach wie ganze

2

66,20 )

4

bei meiner excessiven Thätigkeit

sehr zu Gemüthe! führte, daß meine Diät nicht nur unzureichend

6

Personal= Privat

sondern d ohne jede feinere Selbstigkeit u. höhere Vernunft war., aus der

8

Erst

Unwissenheit in physiologicis Als ich fast am war

war

10

in der Basler Zeit

Ende, dadurch daß ich fast am Ende, wurde

12

erst

ich nachdenklich über diese Grund =Unvernunft meines Lebens. Man büßt nichts

aus christlichen

denn u. die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß man

es theuer, aus Familien zu stammen; denn Christenthum als daran zu Grunde geht. gegen die. Ich stelle

14

an Stelle da-

, 16

Ich möchte nicht

mir vor, daß Die grundsätzliche Leichtfertigkeit, mit

unter

18

seit 2 Jahrtausenden

der Leib seit der Herrschaft christl. Werthurtheile behandelt worden ist scheint mir

20

u. Unsauberheit zu sein

viel zu frühe

ist, die Hauptursache für dieAgeistige Versumpfung der Europas ist, – u frühe Alterung

die heute immer noch so groß ist.

Christenthum nicht, wie die „Freigeister“ sich einbilden, als Verbot der

22

) 33 24

genau in

die je nach dem Grade, in dem das Chr. Herr wurde oder unterlag, zunahm Täuschung

26

psychologischen , die es je gegeben hat münzerei

oder zurückgieng. Nicht als Moral, nicht als Fälschung der Vernunft ist ist

:i d

,

28

Europas

das Laster die große „Fatalität, sondern als Verachtung des Leibes, als Glaube an die „Sünde“, an die „unsterbl.

einem Jenseits … Seele“, als Lüge von

30

32

groß ist, daß unsere ersten Staatsmänner sich nicht scheuen,

… 23 )

Christen zu heißen.

Ein Christ denkt nie über die eigentlich wichtigen Fragen nach: er beschäftigt

34

sich mit lauter solchen, bei denen Alles von vornherein falsch u. Lüge ist

36

die Begriffe „Gott“, „Sünde „Erlösung“ haben nicht das geringste Recht in der

38

drei

Realität, sie sindAdie bösartigste Verlästerung u

4: mir] ¿ 15: denn] ? 16: denn] ? 16-18: dagegen die] ? 17: möchte] ? 20: der] > der der 20-22: worden ist ist] Vk, > worden ist 22: Versumpfung] ? 24: einbilden] ?

W II 9b 43-86.indd 65

40

) 64,39

27: in Ms nicht übereinander 27: Täuschung] ? 27-28: Fälschmünzerei] nach unvollständiger Korrektur > Falschmünzerei 30: Fatalität] > Fatalität“ 33: Staatsmänner] ¿ 38: Sünde] > Sünde“ 38: in] Vk 39: drei] ?

15.05.15

W II 9

66

$

Ecce Bleistift

vollzog sich,

68,16 )

2

Ich denke heute mit tiefer Dankbarkeit an diese Los Bruch mit Wagner: er geschah gesprochen

4

ohne daß irgend ein verletzendes WortA, irgend eine Aufwallung niedrigerer Affekte dabei

6

mitgespielt hätte – wie eine Necessität, ernst, einfach, tief – ein Aus=

8

einandergehen zweier Schiffe, die sich kreuzen konnten, die sich eine kleine Zeit nahe-

streng,

düster

in

10

stehen u lieben konnten, – bis ihre Aufgabe sie nach entgegengesetzten Welten Zielen

12

rief … trieb

42 )

absoluten unbestreitbaren

etwa denAMangel an zureichender

14

Gesellschaft: denn dieser besteht

16

26 )

18

giebt. ) 65,2

20

Ausgleichung, keine Gegenrechnung

heute wie er immer bestand, ohne daß er mich hinderte, ausreichend heiter u tapfer

giebt.

22

zu sein. Die Unwissenheit in physiol.

24

ist das eigentl. Verhängniß meines Lebens, etwas Überflüssiges

26

u. Dummes, aus dem nichts Gutes gewachsen, für das es keine

das

darin

) 18

verschiedenen 67,44 )

28

die Eisenbahn Fahrt

kurzen Reisen schon die Grade der Luftfeuchtigkeit, durch die eine Eisenbahn=Reise

32

mich führt – zwischen Mailand u. Turin zum Beispiel – an ihren physiol. Folgen spüre, denke ich m it Schrecken an die unheimliche Thatsache, daß mein Leben bis abzählen kann

34

auf die letzten 10 Jahre, bis auf die lebensgefährlichen Jahre, immer nur in diesen

36

als falsch u geradezu mir verbotenen Orten abgespielt hat. Naumburg, Thüringen

38

überhaupt, Leipzig, Basel – ebensoviele Unglücks=Orte für meine Physiologie

40

Wenn ich von meiner Kindheit, meiner Jugend überhaupt keine willkommene Erinnerung habe,

42

so wäre es eine Thorheit, hier sog. „moralische“ Ursachen geltend zu machen

30

Schulpforta,

ganzen Kindheit u

) 14

14: Einfügungszeichen verlängert 18: Gegenrechnung] Vk 34: immer] > immer sich 38: Physiologie] Vk

W II 9b 43-86.indd 66

15.05.15

67

W II 9

$

Ecce Bleistift

die seine ganze Kraft herausfordern,

Mit der Frage der Ernährung ist nächstverwandt die Fr. nach Ort u. Clima. Es steht Niemandem frei, überall zu leben: u wer große Aufgaben zu lösen hat, hier sogar Der klimat. Einfluß auf den Stoff wechsel, seine hatAeine sehr enge Wahl., wo er überhaupt leben darf Beschleunigung oder Verlangsamung, geht so weit, daß ein Fehlgriff in Ort u. Clima Jemanden nicht nur seiner Aufgabe entfremden kann, sondern ihm dieselbe überhaupt

2

4

6

8

10

vorenthalten kann.

nie zum Bewußtsein kommen läßt. Der anmimalische vigor ist nie groß

12

geworden

genugA, daß jene ins Geistigste überströmende Freiheit erreicht wird, wo

14

zur schlechten Gewohnheit gewordene noch so kleine

Jemand erkennt: das kann ich allein … Eine kleineADyspepsie ist voll-

16

kommen ausreichend, ein Genie zu vermittelmäßigen, zu „verdeutschen“,

18

wenn man mir diesen Wink eines Zaunspfahl vergeben will; ein deutsches

20

selbst

Eingeweide

Clima ist vollkommen ausreichend, um starke u. heroische Mägen zu

22



„vermittelmäßigen, zu „verdeutschen“., zu vermittelmäßigen. Das tempo des

24

nämlich

Stoffwechsels stehtAin einem genauen Verhältniß zur Flug Schwung u.

26

Beweglichkeit oder Schwerfälligkeit der geistigen Bewegung: letztere selbst

28

bloß

einen Fall

ist ja nur eine Art des Stoffwechsels. Ich habe Fälle vor Augen, wo u frei

ein bedeutendAangelegter

30

Geist bloß durch Fehlgriffe oder Unwissenheit in physiologicis M. eng, verkrochen, Spezialist u Eckensteher

Sauertopf

sich

32

u. Bücherwurm wurde, insgleichen mit einem so versauerten Charakter als

34

Charakter versauerte.

36

durch Mangel an Instinkt =Feinheit im Klimatischen

Ich

selbst hätte leicht selber dieser Fall werden können, gesetzt daß mich

38

die Krankheit nicht zur „Vernunft“, zum Nachdenken über die Vernunft in der

40

Realität gezwungen hätte. Jetzt, wo ich die Wirkungen klimat u. meteorol

42

Ursprungs

an

,

dergestalt

zuverlässigen u feinen

C. Ursachen mit Feinheit von meinem sehr nuancenreichen Instrumente ablese u. bei

44

) 66,28

Sicherheit

1: Hinzufügung zu Z. 4 4: hat] Hinzufügung Z. 1 10: überhaupt] ¿ 15: Gewohnheit] ¿ 20: Zaunspfahl] > Zaunpfahls 24: „vermittelmäßigen] > „vermittelmäßigen“

W II 9b 43-86.indd 67

26: Stoffwechsels] Vk 44: C.] >? Causalitäten

15.05.15

W II 9

68

$

Ecce Bleistift

34 )

ein, mit der Widmung

2

meinem theuren Freunde Nietzsche Rich W

4

Kirchenrath

6

Diese Kreuzung der zwei Bücher – es war als ob ich

8

als ob sich Degen

10

einen ominösen Ton dabei hörte – war es nicht wie die Kreuzung

12

von Degen?… Jedenfalls empfanden wir es Beide so: denn

14

wir schwiegen Beide … Seitdem gab es nie wieder eine

16

briefliche oderBpersönliche Beziehung zwischen W. u. mir. –

kreuzten?..

) 66,2

eine unmittelbare

69,44 )

18

20

22

immer physiologisch unterliegend, die Tendenz zur Genesung, zum Leben, zur starken u. rücksichtslosen Bejahung der Realität im Geistigen bei mir zum Sieg gebracht hatte. – Das Buch wurde, unter bedeutend verschlechtertem Verhältnissen

)2

24

Befinden, in Basel zu Ende gebracht: mein Fr. Köselitz hat es

26

im Grunde auf dem Gewissen – ich diktirte, er schrieb ab, er corrigirte

28

ich nannte ihn damals den er war der eigentl. Schriftsteller, ich selber bloß

30

der Autor … Als das Buch fertig war, sandte ich, unter Anderem 2 Exempl.

32

nach Bayreuth. Durch ein Wunder von Sinn im Zufall traf gleich

34

zeitig bei mir ein schönes Exemplar des Parsifaltextes, von W gesandt

auch,

8: Kreuzung] ¿ 20: rücksichtslosen] ¿ 20: Realität] Vk 20: Geistigen] Vk 24: Fr.] > Freund

W II 9b 43-86.indd 68

15.05.15

69

W II 9

$

Ecce Bleistift

mitten drin

Genug, ich reisteAfür ein Paar Wochen ab, sehr plötzlich, mich bei

2

W nur mit einem Telegramm von etwas ominösem u. fatalist. Ausdruck ent-

4

schuldigend. In einem kleinen Walddorfe des Böhmer = Waldes Klingenbrunn

6

70,30 )

wie eine Krankheit

trug ich meine MelancholieAmit mir herum – u schrieb von Zeit zu

8

harte

Zeit einen Satz in mein Taschenbuch, lauterApsychologica, die sich

10

wieder in M. A. wiederfinden lassen. Es war nicht ein Bruch bloß

12

mit der Wagnerei, ich empfand eine radikale Nöthigung, den

14

vielen gefährlichen „Idealismus“, den ich in mich eingeschleppt hatte,

16

durch eine Realitäts=Kur rigoröser Art loszuwerden. Diese

18

Umstimmung

bis in ihre Gründe die immer

Einsicht dabei

Mißbrauch meiner ganzen Natur{, die{tiefe Überzeugung, wie nutzlos, wie will-

20

kürlich u. verbraucht eine ganze Reihe Jahre mein Leben sich meiner eigentl.

22

Gefühl davon werdende

Aufgabe gegenüber

nahm ausnahm,

– das Recht – mehrere Jahre xxxxxxxxxx

dieser Zweifel an mir, an einem Recht auf meine Aufgabe meine eigene Aufgabe – das

der damit bedingte brachte

gab

als

Ganzen eine Erschütterung auch meiner Gesundheit mit sich. Man ist

24

28

ent

30

im : m

32

hörte die Widerstands -Kraft des Instinkts bei mir

34

nach, – u, Schritt

s immt

26

genau in dem Maße gesund, als man mit sich im Einklang ist. Damals

ließ

er

vom Vater her

für Schritt, kam jeneAvererbte Degenerescenz zum Übergewicht über

36

die gesündere u. lebensvollere Mitgift in meiner Natur. Was stark blieb,

38

das war jene rigoröse A Zucht gegen allen „höheren Schwindel“, will

40

sagen Idealism. Ein Winter in Sorrent, in dem der größte Theil von

42

Mensch Allzumenschl. niedergeschrieben wurde, beweist, daß ich, wie sehr auch

44

u.

) 68,18

12: wieder] ¿ 18: Diese] aus unvollständiger Korrektur 21: in Ms nicht übereinander 30: Ganzen] ¿ 36: Degenerescenz] ¿

W II 9b 43-86.indd 69

15.05.15

W II 9

70

$

Ecce Bleistift

war wenig werth; war wenig Werth 38 )

2

mir widerstand ich fand vor Allem

Wag.

Die Aufführung selbst mißrieth im Grunde; mir persönlich war die Wag M. daß die

gelegt hatte

4

das Orchester so tief zu legen{, daß die Stimmführung, die eigentl. musik.

6

Logik vollkommen „mystisch“ wurde, und statt Musik nur eine

8

Art harmonischer Nebel einem zum Bewußtsein kam, im höchsten Grade ermü-

10

dend. Ich zweifle, ob ich mich je so gelangweilt habe, wie im Bayreuther

12

Opernhaus. ich langweilte mich tödtlich bei dieser

14

vollkommen unhörbar gewordenen Musik, die, durch

16

eine absurde Tieferlegung des Orchesters, nur noch wie ein als

18

bisweilen auch

harmonischer (unharmonischer..) Nebel … Einem zum Bewußtsein kam.

20

hier

22

ist

Was die „Rückkehr zur Natur“, will sagen die vollkommene Durchsichtigkeit des einzelnen

24

der Linien, jeder Linie, die Verwendung jedes Instruments in seiner spezifi. Farbe

26

u. in seiner ihm naturgemäßesten u. wohlthuendsten Sprache – bei W lernte ich

, der sparsamste Gebrauch der Instr. überhaupt

der Instrumente, des

31 ) der

28

diese Vergewaltigung alles Individuellen, das künstlich aufrecht

) 69,2

30

erhaltene Chaos

Bunde

der Dritte im

später an der Orchestration Bizets begreifen: – Genius loci, nicht

) 28

die Nohl, Pohl, Kohl – letzterer bloß als

71,42 )

32

34

;

Der Rest waren die Idioten, die eigentl. Wagnerianer, eine gott- u geistverlassene Gesellschaft, die Alles hinunterfrißt, was der Meister mit starkem Magen

36

„abfallen“ läßt … Die

ja

)2

W. Musik bestehtAaus „Abfällen“…

38

2: M.] >? Manier 24: Linien] Vk 27-31: zu Zeile 32 32: waren die] Vk

W II 9b 43-86.indd 70

15.05.15

71

$

abgethan die extrem antiliberal behandelt bis zur Härte besprochen werden.

– fast alle Probleme kommen darin, wie kurz auch immer, vor, die politischen, extrem antiliberal besprochenen, eingerechnet.

M. A. ist ein psychologisch curioser Fall. Wer es, bloß mit der Tagedieb =Manier eines „gebildeten“ Lesers durchblättert, findet es klug, mit sehr vielen Härten,

hart

W II 9 Ecce Bleistift

voll von Realitäten –

2

4

hart

kühl, unter Umständen boshaft, in anderen Fällen witzig … Man versteht

6

das Buch erst, wenn man das, was mit jedem Satze abgelehnt wird, in

8

cynisch

aller Stärke hört – dann drückt fast jeder Satz einen Sieg aus

10

bei neutrale vornehme fast

– u die kühle, geistige, nüchterne Attitüde ist ein Sieg mehr …

12

Es ist der Widerspruch, der nicht mehr widerspricht, – der jasagen gelernt

14

ironische

Herkunft

hat … Die Hervorbringen dieses Buchs gehört mitten in die Zeit der ersten Bayreuther

16

Festspiele hinein: eine heftige Krisis gegen Alles, was mich dort umgab, war

18

as in

damals

seine Voraussetzung. Nicht nur, daß mirAdas Vollkommen Gleichgültige u Illusorische

20

deutlicher wurde

der Art „Ideal“ von den Brettern herab handgreiflich deutlich wurde: ich sah

22

vor Allem, wie selbst den Nächstbetheiligten im Grunde die „Sache“ nicht die

24

war

HauptsacheA, – wie ganz andere Dinge wichtiger, leidenschaftlicher genommen wurden

26

als gerade die Kunst. Dazu diese erbarmungswürdige Gesellschaft der

28

Patronats =Herren u Patronats =Weiblein: man hatte die ganze müssiggängerische

30

Europas

WeltAbeisammen, u. jeder „Fürst“ gieng in W s Hause aus u ein, wie

32

als ob es sich um einen Sport mehr handelte … Und im Grunde war es auch

34

Kunst = Vorwand

in

nicht mehr. Man hatte ein Luxus=Bedürfniß für den Müssiggang für

36

mehr in Scene gesetzt – die „große Oper“ noch einmal; man hatte

38

das

die durch ihre geheime Sexualität überredende Musik Ws als Bindeerkannt

mittel für eine GesellschaftA, in der JedermannAseinen plaisirs nachgieng

1: Hinzufügung zu Z. 5 5: Realitäten –] Hinzufügung Z. 1 17: Hervorbringen] ¿ 17: mitten] aus unvollständiger Korrektur 18: gegen Alles] ¿ 20: Voraussetzung] Vk

W II 9b 43-86.indd 71

40

vor Allem

42

) 70,32

20: Vollkommen] > vollkommen 42: nachgieng] Vk

15.05.15

W II 9

72

$

Ecce Bleistift

dem während u. nach dem Zarath.

Zuordnungslinie über den Falz, Bleistift 2

$

Das Problem, über die letzten 4 Jahre hinwegzukommen, war ungeheuer. Das zu thun, etwas

4

Gefühl mit sich, herumzutragen, etwasAgethan zu haben, was über alles Menschen - Mögliche

i

6

hinausliegt, mehr noch, Etwas, woran der KnotenAim Schicksal der Mh. ge-

rz

8

schüptA– u, hinterdrein, die Oede, die Todtenstille, besten Falls eine

Knoten

ist

als Antwort … Eine solche Revolte mir nahe stehenden in irgend einem Grade

10

Art Revolte gegen mich (die ich fast an allenAM. die mir bekannt sind bewurde von mir fast bei

beobachtet habe

u

im

12

merkt habe, als Antwort auf meinen Zarathustra … Meine Kur war, wie

14

sich begreifen läßt, das Vergessenkönnen um jeden Preis – Vergessen, was gethan war,

16

was ich auf mich genommen hatte. Eine Veränderung, ein Wille zum An-

18

deren, zum GegensätzlichenA… So wenig Zarathustra wie möglich so fern von

20

Zarathustra wie möglich .. Ich durfte ihn nicht mehr sehen, ich besaß ihn

22

nicht mehrA. In ein paar Fällen, wo ich einmal,Aim Engadin, eine Stelle

24

darin nachschlug, war das über mich zusammenstürzende Gefühl so stark,

26

daß ich wie zerbrochen war u. ein paar Tage krank lag. Die ungeheure

28

Leidenschaft in jedes Wort gedrängt bis zu einer Sprengstoff = Intensität ge-

30

drängt, das Zusammen= u. In Eins -nehmen aller fünf Gefühle, die große

32

Verantwortlichkeit, das Abenteuer bis zum Verbrecherischen, die Einsamkeit bis zur

34

Furcht vor der Stille Schrecken vor sich

um jeden Preis

selbst

fern von

das Buch

mehr

m

in der Stille des

Etwas

großen Zustände Die

vom Verbotensten

ein

gar das

mehr=

36

Eine Fremdheit, ein Gänzlich= NichtAverstehen trat mitunter ein – insgleichen

38

die tiefste u heilsamste Instinkt =Reaktion, die es in solchen Fällen geben kann

40

Man hätte es mirAbeweisen müssen, daß ich der Urheber des Zarathustra sei: wer weiß

42

ob ich’s trotzdem geglaubt hätte?…

in solchen Zuständen können

5: Knoten] Vk 6: woran] Vk 8: schüpt] nach unvollständiger Korrektur > knüpft 8: Oede] ¿ 8: eine] Vk 9: in Ms nicht übereinander 10: Revolte] Vk 14: war] ?

W II 9b 43-86.indd 72

16: was] Vk 22: mehr] nach Korrektur des Kontextes > einmal 24: Gefühl] Vk 28: jedes] Vk 34: vor der] ? 34: gar das] ? 38: die es] ¿ 40: mir] ¿

15.05.15

73

W II 9

$

Ecce Bleistift

$ Ich füge ein paar Recepte aus der großen Vernunft der südl. Hyper-

Zuordnungslinie über den Falz, Bleistift 2

bei

boreer, – solchen vorbeh zugedacht, denen eine Aufgabe, ein Schicksal von

4

haben.

Aufgabe auf die Schulter gelegt ist. Die größte Klugheit besteht darin,

6

dies sich zu verbergen –, eine große Bestimmung sich so wenig wie möglich

8

in das Bewußtsein dringen lassen, gegen sie eine Scham, eine Art

10

Augen -zu-machen festhalten. Die Mittel dazu sind: sich gegen sie

12

oder seinem

hinter seiner

seinem

durch Bescheidenheit, oder Muthwillen, oder Raffinement des Geschmacks

14

hinter

selbst durch seine Krankheiten u Schwächezustände verstecken Man muß

16

bloß ihre Gebote thun, nicht wissen wollen, was sie ist, wann sie

18

befiehlt. Man muß keine Worte, keine Formeln, keine Attitüden für sie

20

haben, – man muß leiden, ohne zu fragen, wozu, man muß das Beste

22

thun, ohne sich darin zu verstehen …

24

Die ungeheure Leidenschaft in jedem Wort bis zu zu einer Sprengstoff - Intensität gespannt,

d

26

xxxxxxx

die große Verantwortlichkeit vor einem höheren Willen, das Gefühl des Abenteuers

28

von lauter Verbotenem, die Einsamkeit bis zum Schrecken vor sich selber

30

inmitten eines Labyrinths erlebte ich

Eine solche Revolte, wurde, in verschiedenen Graden, aber fast von Jedermann, der mir nahe stand Die M hassen ein plötzliches Sichtbarwerden von Distanz, – nichts mehr als

v

34



Aufblitzen

, wo sie gleiche Rechte zu haben glauben, xxxxxxxxxxxxxxxxxxx, weshalb der Prophet im Vaterlande nichts gilt. –

2: Vernunft] ¿ 8: dies] >? dies vor 26: zu zu] > zu 26: Intensität] Vk 31: Labyrinths] ¿ 34: Sichtbarwerden] ¿

W II 9b 43-86.indd 73

32

36 38 40

35: Aufblitzen] ?

15.05.15

W II 9

74

$

Meÿsenbug Bleistift

, mit allen anständigen Naturen,

Also Sie nichts von dem Ekel begriffen, mit dem ich mich vor 10 Jahren von dem *

2

4

Bayreuther „Schwindel“ wegkehrte! Sie kennen die tiefe Erbitterung der rechtschaffenen

6

Musiker nicht, wenn sie diese Pest der W. Musik, die zugleich eine vollkommene

8

Charakter -Corruption der Musiker ist, immer mehr um sich greifen sehen? *

von Musik

sobald er handgreiflich wurde, durch die ersten Bayreuther Blätter?

10

Sie haben nichts davon gemerkt, daß ich seit 10 Jahren eine Art Gewissensrath deutscher

12

Musiker bin u. die Rechtschaffenheit, den edlen Geschmack, den tiefsten

14

Haß gegen die ekelhafte Sexualität der W. Musik an allen möglichen

16

Stellen angepflanzt habe? Daß der letzte klass. Musiker, mein

18

Fr Köselitz aus meiner Phil. u. Erziehung herkommt? – Sie haben nie

20

ein Wort von mir verstanden, nie einen Schritt von mir verstanden: es

22

hilft nichts, ich liebe e reinliche Verhältnisse u. ertrage es nicht,

24

von Menschen verehrt zu werden, die einen Wagner verehren können …

wieder

vornehmen

2: Sie] ¿, > Sie haben 8: Charakter-] ¿ 10: Gewissensrath] ¿ 14: ekelhafte] ¿ 18: Fr] > Freund 18: Sie haben] ¿

W II 9b 43-86.indd 74

15.05.15

75

W II 9

$

an die Meysenbug. Bleistift

Vergeben Sie mir, daß ich noch einmal das Wort nehme: es könnte das

2

letzte Mal sein. Ich habe allmählich fast alle meine menschl. Beziehungen

4

abgeschafft, aus Ekel darüber, daß man mich für Etwas Anderes nimmt als

6

ich bin. Jetzt sind Sie an der Reihe. Seit Jahren sende ich Ihnen

8

meine Schriften zu, damit Sie mir endlich einmal, rechtschaffen u naiv, sagen

10

„ich perhorreszire jedes Wort“. Und Sie hätten ein Recht dazu.

12

Denn Sie sind „Idealistin“: – u ich behandle den Idealism als

14

eine Instinkt gewordene Unwahrhaftigkeit, als ein Nicht - sehen Wollen

16

des Wirklichen: jedes Wort meiner Schriften enthält die Verachtung des

18

Idealism. Es giebt gar keinen größeren Fluch über der bisherigen Mh., als

20

s

die sich Ideal. nennt

diese Abkehr von der intellekt Unsauberkeit: man hat den

22

Realität

24

erlog … Verstehen Sie nichts von meiner Aufgabe? Was

26

es heißt „Umwerthung aller Werthe?… Warum Z. die

28

*

Tugendhaften

Art

Moralmenschen als die Verhängnißvollsten M. hinstellt? wenn

30

er sagt zerbrecht zerbrecht mir die Guten u Gerechten“

32

die

weshalb er der Vernichter der Moral sein muß? –

6: mich] ¿ 6: nimmt] ? 12: perhorreszire] ¿ 14: behandle] ¿ 20: Mh.] Vk 28: Werthe] > Werthe“

W II 9b 43-86.indd 75

*

Werth allerADinge entwerthet, damit daß man eine ideale Welt

32: zerbrecht zerbrecht] > „zerbrecht, zerbrecht

15.05.15

W II 9

76 auch

Eben lese ich im J. des débats, daßAein Engländer in einer engl.

2



4

Zeitschrift einen Gesammt =Angriff auf W in ganzer Front gemacht hat. Der Red

6

bemerkt, man habe auf eine entschiedene Gegenbewegung gegen W. jetzt

8

Tag für Tag rechnen müssen. Nach dem, was mitgetheilt war, ist freilich

10

mein Angriff anderen Ranges – eher ein Dolchstich … Ich treffe die

12

verwundbare Stelle, ich kenne sie …

gefährlicher …

2.

14

.

während jeder ernsthafte Leser meiner Schriften wissen muß, daß ein Typus M

16

der mir nicht Ekel machen soll, gerade der Gegensatz =Typus zu den bisherigen

18

Ideal =Figuren der Mh. ist: ein Typus Cesare Borgia ist als ein Typus Christus.

eher noch

20

22

1

Sie haben Sich – Etwas, das ich nie verzeihe – aus meinem Begriff „Übermensch“ wieder einen „höheren Schwindel“ zurechtgemacht, Etwas

24

aus der Nachbarschaft von Sybillen u Propheten! Und wenn Sie

26

gar, in meiner Gegenwart, den ehrwürdigen Namen M A.

28

im Athem Einem Athem mit einer durch u durch unsauberen

30

u. falschen Creatur wie W. aussprechen, so erspare ich mir

32

u Ihnen das Wort für mein Gefühl dabei.

Sibylle

34

– Sie haben sich Ihr Lebenlang in Jedermann getäuscht, – nicht wenig Unheil,

36

auch in meinem Leben, geht darauf zurück, daß man Ihnen Vertrauen schenkt u.

38

daß Ihr Urtheil absolut vertrauensunwürdig ist

40

sich noch zwischen Wagner u Nietzsche – Und indem ich das sage, schäme ich mich, meinen Namen

2: J.] > Journal 4: Red] > Redakteur 12: sie] Vk 20: Sich] > sich 20: Begriff] ¿ 26: M A.] > Michel Angelo

W II 9b 43-86.indd 76

: zuletzt vergreifen Sie

36: darauf] Vk 38: ist] danach Tintenabdruck von S. 77

15.05.15

77

$

W II 9 Meysenbug Bleistift

Verstocktesten Naturen daß dieAVerschiedenstenAder Richtung u Begabung noch vor mir wurden ehrlich geworden sind –

Sie müssen wissen, daß ich seit Jahren eine Art Gewissensrath für deutsche

2

die Verschiedensten xxxxxxxxxxxx an mir ehrlich geworden sind

Musiker gewesen bin u. daß man vor mir Nichts verbirgt; insgleichen daß

4

ni

Componisten

ich den letzten klassischen Musiker, den es giebt, meinen Fr. Köselitz, der

6

Erziehung herkommt

aus meiner Philosophie u. Aesthetik gewachsen ist (– der in 18 Takten Besseres

8

ein

u. Höheres ausdrückt als W je hat empfinden können (– die Musik, die wir Beide lieben der beständig in einer hohen u gütigen Welt der Formen lebt, von der W. nicht gehört

einmal einmal geträumt hat –

10 12 14

zu,

ist in einer Welt zu Hause, in die

16

tr

ein

W. nicht einmal einen Schritt hinaus getreten ist) über W mit meiner Schrift aus

18

mit Schrift

ist … Ich spreche ein sehr verbreitetes, Urtheil aus, nicht, wie billig, ein Laien=

20

Urtheil.: ein Anderes ist es zuletzt, den Muth zu haben, öffentlich sich

24

zu einem solchen Urtheil zu bekennen. Jetzt, wo Kaiser u Reich aus der

26

22

freilich

Sache W s eine Ehrensache der Nation machen, compromittirt esAgründlich,

28

mehr,

den Handschuh aufzunehmen. Aber das ist ein Grund,Adafür, ihn aufzu-

30

nehmen … Als man sich in D. noch mit einer Fürsprache für W. com-

32

promittirte, hat es mir auch dazu nicht an Muth gefehlt (– Sie wissen

34

vielleicht nicht, was mich meine Wagnerei gekostet hat: meine Berufung

36

an deutsche Universitäten –) Aber ich habe seit Jahren grundsätzlich keinen

38

Schritt gethan, der für mich nicht schlechte Folgen gehabt hätte: das ist meine

40

Schule, meine Vorbereitung, wenn man will – wüßten Sie, wer ich

42

eigentlich bin, so wüßten Sie auch, wozu meine Vorbereitung …

44

1: Naturen] ¿ 1: Richtung] ? 2: deutsche] ¿ 5: Componisten] ¿ 8: gewachsen] ¿ 14: hohen u gütigen] Vk 16: Welt] Vk

W II 9b 43-86.indd 77

S

17: einmal einmal] > einmal 18: Schritt] Vk 18: getreten] Vk 19: meiner] Vk 30: dafür] Vk 42: wüßten Sie] Vk 44: Sie] Vk

15.05.15

W II 9

78

$

Meysenbug Bleistift

Verehrte Freundin, Haben Errathen Sie eigentlich errathen

h

2

i

4

„Todesurtheil über W“ „Exekution W“ überhaupt diese „Vernichtung W s“

immer

Sehen Sie,Averehrte Freundin,Anoch nicht, warum ich Ihnen diese „Vernichtung Wagners“ zu-

zugesandt habe

dafür

nie

A sandte? Ich wollte Ihnen einen Beweis mehr dafür{in die Hand geben, daß Sie weder ein Wort, von mir verstanden haben

6

noch einen Schritt m verstehen{. Die Gründe, warum ich vor 10 Jahren W. mit

8

Ekel den RückenA, – alle anständigen NaturenAmit mir – stehen in dieser Schrift öffentlich

kehrte

in meiner Nähe

maßvoll,

sind

so heiter

10

einfach in eine litterarische Form gebracht – so wohlwollend,Awie möglich, anbei

12

gesagt: denn ich hätte hart u. mit Verachtung reden. Ich halte alle

14

meine Hauptpfeile noch zurück … Dieser tiefe Mangel an Instinkt, an

können

behalten

Mangel

Freiheit 16

einen

Freiheit vor dem Unterschied von „wahr“ u. „falsch“, den ich dem modernen M. vorwerfe

s

18

vorwerfe – Sie sind ja selber ein extremer Fall davon, Sie, die sich

i

20

Ihr

nur

fast

sogar über Wagner,

Leben langAüber Jedermann getäuscht haben,Aum noch wieviel um wie viel

mehr über einen etwas sehr

schwierigeren Fall, über

denn

22

mehr überAmich!… Wogegen habe ichAin seit 18 Jahren gekämpft?

24

Gegen das die Verlogenheit um jeden Preis, gegen das „Nicht - sehen -wollen“

26

der Realität, kurz, gegen den „Idealism“ von Plato abA, der ein größerer

des „schönen Gefühls“

– bis Malvida:

Verhängniß

as

immer

scheint zu sein scheint

28

Fluch für die Mh. gewesenAist als irgend etwas Anderes, – selbst noch als

30

das Christenthum …

32

es mich berührt, es

Wie glauben Sie wohl, daß ichA empfinde, wenn ich aus meinem Begriff „Idealist“ kleinen

zurechtgemacht

34

wieder einen solchen „höheren Schwindel“ gemacht sehe, ein „Ideal“ aus der

36

Nachbarschaft von Sybillen u Propheten?… Jeder ernste Leser weiß aus

38

hundert Stellen meiner Schriften, wie ich mir einen höheren, wohlgerathenen

40

Typus M. vorstelle,Aals Instinkt=Gegner des „Ideals“, der „Moral“ oder

Heiligen“

unter Anderem aus Jenseits v G. u Böse“

u überhaupt

Arten

42

aller „höheren Lüge“, an der bisher die Mh. krank gewesen ist – ein

3: nie] Vk 4: dafür] Vk 4: Wort] Vk 5: haben] Vk 12: hart] Vk 12: halte] nach Korrektur des Kontextes > habe 14: tiefe] Vk 20: viel] Vk 21: schwierigeren] nach Korrektur des Kontextes > schwierigen

W II 9b 43-86.indd 78

22: über] danach Einfügungszeichen verlängert 31: berührt] Vk 32: empfinde] Vk 34: höheren] Vk 35: Heiligen] > „Heiligen 39: Jenseits] > „Jenseits 40: Einfügungszeichen verlängert 40: Moral] Vk 42: ist] Vk

15.05.15

79

ein Typus M., bei dem die Verachtung der Mh. nicht mehr jedenfalls

vielleicht

2

Christus

Cesare BorgiaAhundert Mal ähnlicher als einem „Idealisten“… Sobald

Sie müssen wissen, daß ich eine Art xxxxxxxxx u. „gutes Gewissen“ für d. Musiker bin u. daß niemand vor mir Etwas verbirgt –

Ein ander

W II 9

4

der „Schwindel“ Ws unzweideutig zu Tage kam, in den

6

ersten Heften der Bayr.-Blätter, schnitt ich den Verkehr ab: ich habe der schönst geb eine Fest

mit Widmung

8

mehr

auf die Zusendung eines prä schön gebundenen Parsifal = Exemplars{nichtAgeantwortet.

10

eines prächtigen schönen

vielleicht

Sie wissenAnicht, wie klug W. in Tr. gegen mich gewesen ist: er

12

spielte damals ganz vorzüglich den Atheisten – er wußte, in welchen

14

er hatte Etwas

Dingen ich keine Halbheit zulasse, es giebt in der „Geb. der T.

16

sehr harte Ausdrücke … verstanden …

18

Unter wirkl. Musikern giebt es übrigens gar keinen Zweifel über die Falschmünzerei u. Armut der Kunst

20

*

absolute Falschheit u. Verlogenheit der Kunst W s: ein Anderes ist es,

22

dies

den Muth zu haben, es öffentlich zu sagen. – jetzt, wo Kaiser

24

aus Bayreuth

u Reich“Aaus W eine nationale Ehrensache gemacht haben. Ich weiß sehr gut, wie

wie tief

Noch eine Gewißheit ist gerade die Überzeugung, wie sehr ich

mit meinem Angriffe

26

wieder ein= mich heute mal

28

aber das ist mir

mit m compromittire,Aein Grund, anzugreifen: als man sich in mit

30

der Fürsprache für W. compromittirte, habe ich auch dazu den Muth

32

vielleicht

gehabt (– Sie wissen nicht, was mich die W. gekostet hatt – meine agnerei

34

seit Jahren

Beförderung an deutsche Universitäten …) Ich thueAgrundsätzlich nicht

36

für mich

einen Schritt, der immer nicht schlechte Folgen hat – das gehört zu meiner Vorbereitung, um einmal – – –

errathen

dazu um als Vorbereitung, um – – – Ach Sie ahnen nicht, wer wer ich bin … ich eigentlich bin …

38

errathen nimmermehr, wer

40

42

44

46

N 12: Tr.] > Tribschen 15: Etwas] Vk 16: T.] > Tragödie“ 22: Anderes] ¿ 24: Kaiser] Vk, > „Kaiser 25: Wagner] ¿ 26: nationale] Vk

W II 9b 43-86.indd 79

28: Gewißheit] Durchstreichung? 28: heute] Vk 30: in] > in Deutschland 36: Beförderung] Vk 38: immer] ? 38: hat] Vk 44: d.] > deutsche

15.05.15

W II 9

80

$

Briefbd. III, S. 318. Bleistift

ich

Über die Wirkung des Tristan hätte ich auch bei mir Wunder zu erzählen. Ins-

2

4

gleichen daß eine tüchtige Dosis Seelen =Qual ein ausgezeichnetes Tonicum

6

vor einer W. Mahlzeit ist. Der alte Reichsgerichtsrath Dr Wiener gab

8

mir zu verstehen, auch eine Karlsbader Kur mache sehr für W em

diene zu gleichem Zweck dazu …

10

s b

pfänglich … Wir kamen überein, Sprachen-Unmensch

ich

Ach was Sie arbeitsam sind! Und ichAHyperboreer, der nicht

12

einmal 14

{dänisch versteht …

Sprachen = Idiot

6: W.] > Wagnerischen 14: Sprachen=] Vk

W II 9b 43-86.indd 80

15.05.15

81

W II 9

$

an G. Brandes, 20. Okt. 88 Bleistift

Wieder kam ein angenehmer Wind von Norden mit Ihrem Briefe: – zu-

2

der überhaupt ein Gesicht

letzt war es bisher der einzige Brief, der ein „gutes Gesicht“ zu meinem

4

Denn man schreibt mir nicht

meinem Attentat auf W machte. Ich habe meiner näheren Um Beziehungen einen allg. Schrecken im Kreise u. Nächsten hervorgebracht

6

8

mein alter

selbst meiner „Näheren“ gemacht: da ist zb. mein Freund, der

10

dortigen

Baron Seydlitz in München unglücklicherweise gerade Präsident des M Dr Förster

einer

Wagner Vereins; Mein Schwager{in Südamerika war der eifrigste –u

12

verehrenswürdige

14

in Versailles

Mitarbeiter der Bayreuther Blätter; meineAFreundin M v Meysenbug

16

noch immer

die Verf. der „Memoiren einer Idealistin“ verwechseltAW mit Michel

18

Angelo – .. Andererseits hat man mir zu verstehen gegeben, daß

20

ich nur vor den Wagnerianerinnen auf der Hut sein sollte: in gewissen

22

Fällen haben sie keine Skrupel … Vielleicht wehrt man sich, auf

24

reichsdeutsche u. „kaiserliche“ Manier, durch eine Interdiktion

26

meiner

der Schrift: „der Kaiser“ ist ja in diesem Falle Partei.: viel-

28

leicht versteht man den Satz „wir kennen alle den unästhe-

30

tischen Begriff des christlichen Junkers“ als Majestätsbelei-

32

digung …

34

Ihre Intervention zu Ehren der Wittwe Bizet hat mir großes

36

Vergnügen gemacht. Geben Sie mir die Adresse, vielleicht auch die

38

die

rus

w

Peters russische Adresse des Fürsten Usuroff. Ein Ex. an die

40

Fürstin Dmitrievna Ténicheff ist abgegangen

42

2: Wieder] ¿ 9: hervorgebracht] ¿ 12: des M] ¿ 18: Memoiren] ¿ 22: Wagnerianerinnen] Vk 24: Skrupel] ¿

W II 9b 43-86.indd 81

.. V

28: Kaiser] Vk 30: unästhe-] ¿ 40: Ex.] > Exemplar

15.05.15

W II 9

82

$

Meÿsenbug Bleistift

2

Sehen Sie, verehrte Freundin! Das kommt vom Id.! Sie haben sich über

4

Ihr ganzes Leben über Jedermann getäuscht – u.Anun mehr vergreifen Sie

6

sich zwischen W. u. Nietzsche – Und indem ich das schreibe

8

schäme ich, meinen Namen in sei eine so unsaubere Nachbarschaft

zuletzt

10

12

ere

gebracht zu haben …

Vergeben Sie mir, daß ich schmutzige decadents wie P Bourget, die sich als hundert Mal als

jene

species

14

solche bezeichnen u bekennen,A höher als dieAviel gefährlichste Natur der decadents,

16

die „Idealisten“

sympathischer finde

die „unbewußten“

2: Id.] > Idealismus 2: Sie haben] ¿ 8: ich] > ich mich 12: daß] ¿

W II 9b 43-86.indd 82

15.05.15

83

W II 9

$

Meysenbug Bleistift

innere Erregung Erbitterung

Wer an dieser ganzen bisherigen Misere ohne innere Erbitterung theilgenommen hat, kommt für mich nicht in Betracht: dazu muß man Idealist bisher

2

4

einen unerbittlichen Krieg bisher geführt habe gekämpft habe

b

sein wollen Etwas, wogegen ich mich mit Händen u Füßen wehre.

6

Unter wirkl. Musikern giebt es übrigens gar keinen Zweifel über

8

die absolute Falschheit u Falschmünzerei W’ s: zum Glück

10

bin ich Musiker von Instinkt, u. wenn Sie einen Begriff hätten,

12

mit welchem Ingrimm ich diese immer mehr um sich greifende Corruption

14

(– ich thue zuletzt Carmen Unrecht, wenn ich ihn mit einem W. vergleiche)

der Musik seit Jahren ansehe, so würden Sie mir dankbar

16

mir Glück dazu wünschen

sein, daß ich den Muth, hiergegen einmal meinen I meinen endlich einen meiner

18

öffentlich dagegen geschleudert habe.

Blitz der Verachtung zu schleudern … Ich leide seit Jahren

20

unser am Schicksal der er Musik wie an einer unerträglichen Wunde,

22

– u wie viele wahre Musiker mit mir! Bemerken Sie doch

24

daß noch nie mir Jemand in meinem Werthurtheil über W

26

ein Musiker

widersprochen hat!

Ein Anderes ist es, den Muth

28

zu haben, öffentlich gegen „Kaiser u Reich“, gegen die

30

deutsche „Verdummung“ aufzutreten ..

32

„Idealism“

5: in Ms nicht übereinander 18: hiergegen einmal meinen I] ?

W II 9b 43-86.indd 83

15.05.15

W II 9 Meÿsenbug Bleistift

84 . 2

haben ) 38

4

$

wahrscheinlich

wieder umsonst vielleicht ist es wieder umsonst noch einmal

Ich sage Ihnen noch ein Wort, vielleicht ist es das letzte. Im Grunde hätte ich Ihnen seit Jahren beweisen können, daß Sie nie ein Wort von mir verstanden haben wirklich

)

)

Die Verlogenheit um jeden Preis, das Nicht - sehen -Wollen der Realität

6

scheint ist

von Plato ab

8

kurz der „Idealismus“, der nach meiner Einsicht ein größerer Fluch der

10

Menschh. gewesen ist als irgend etwasA, als selbst das Christenthum ….

Anderes

auch nur

der Fall Ihres Ortes Sie haben nieAgeahnt, wogegen ich kämpfe.

12

mir

Haben Sie noch nie geahnt, wogegen ich kämpfe? – Daß Sie mir zuletzt

14

16

noch gar aus meinem Begriff „Übermensch“ einen „höheren Schwindel“ machen dürfen

18

ist geradezu klassisch zum Beweis der Unmöglichkeit, mich zu ver-

giebt einen vollgültigen Beweis dafür. Ich verstehe damit

22

stehen.AEine stärkere, wohlgerathene, zum Leben im höchsten Grade Instinkt Gegner Jasagende Art M., die, in anderen Zeiten als den unseren, auch dage-

24

wesen ist u. schlechterdings gewollt, gezüchtet werden muß:

20

) 30

Beweis 26

Cesare Borgia zb war ein solcher „Übermensch“ Und Sie

28

reden mir von Sybillen u Propheten

bei deren Anblick kurz M, um deren Willen man keine Gründe mehr hat, die Mh. zu verachten

21 )

des „Ideals“, der „Moral“, kurz der „höheren Lüge“ die

30

bisher die Mh. verdorben hat. krank gewesen ist – …

32

(zb von Jenseits v G u Böse)

mir

34

Die ernsten Leser meiner Schriften haben mich auch durchaus verstanden u. mir zb. erklärt,

36

ich hielte C. B. für einen solchen „Übermenschen“: das ist einfach wahr. –

daß

unzweideutig

4)

38

noch weniger einen Schritt. Als der „Schwindel“ W mir zu Tage kam,

40

durch die „Bayreuther Bl“, habe ich auf der Stelle ihm den Rücken gekehrt

42

: alle anständigen Naturen, die mir nahestehen, mit mir. Sie wissen nicht, wie

10: Menschh.] ¿ 12: Sie haben] ¿ 14: Daß Sie] aus unvollständiger Korrektur 30: Moral] ? 36: einfach] Vk 40: Bl] > Blätter

W II 9b 43-86.indd 84

)

40: ihm] Vk

15.05.15

85 )

umsonst.

$

VIII 166. Bleistift

Im Verkehr mit den Alten )

W II 9

2

gehört haben.

Zum Schluß ein Wort über jene Welt, zu der ich Zugänge gesucht,

4

der der vielleicht einen neuen Zugang gefunden habe – zur alten Welt. Mein

6

hat hier

Geschmack, der der Gegensatz eines duldsamen Geschmacks sein mag, weiß nicht so

8

leicht Ja zu sagen als er Nein sagt; am liebsten sagt er gar nichts

10

u. bleibt kalt. Das gilt von Culturen, das gilt von Büchern – das

12

gilt auch von Orten u Landschaften.

14

Ja

Was ich von den Alten verstand.

ist auch hier fern von jedem Gutheißen in Bausch u Bogen: er sagt nicht

Im Verkehr mit den Alten.

m

16

18

am liebsten

so leicht Ja als er Nein sagt, – er zieht

20

sagt er

es zuletzt, gar nichts zu sagen, still zu

22

bleiben.

24

Zum Schluß ein Wort über jene Welt, zu der ich Zugänge gesucht

26

zu der ich vielleicht einen neuen Zugang gefunden habe – die alte Welt.

28

Mein Geschmack, der der Gegensatz eines duldsamen Geschmacks sein mag, ist

30

auch hier fern davon, einfach Ja zu sagen: er sagt überhaupt nicht

32

Ja

gern{, lieber noch Nein, am allerliebsten gar nichts … Das gilt von

34

ganzen Culturen, das gilt von Büchern, – es gilt auch von Orten u.

36

Landschaften.

38

zb. meine G. der Trag. verräth es ihnen zur Genüge

Anhang. )

klug W in den

Geb. der Trag. um zu verstehen, wie ferne ich damals von

46 ) Geb.

40

irgend einer Zweideutigkeit in diesem P. war.

Tribschener gegen mich

Ecce homo.

keine Halbheit vertrage keinen er wußte, daß ich in gewissen Dingen

gewesen: damals spielte er offen den Atheisten – lesen Sie doch einmal meine

42 44

46

) 38

u. daß ich in diesen in welchen D. ich keine Halbheit omiß vertrage ich da keinen Compr vertrage

20-22,40-42: KGW VIII 24[9]

W II 9b 43-86.indd 85

6: der der] > zu der ich 8: weiß] Vk 14: Orten] Vk 22: zuletzt] > zuletzt vor 41: P.] > Punkte 44: Tribschener] >? Tribschener Tagen

46: offen] Vk

15.05.15

W II 9

86

$

Meysenbug Bleistift

2

n

Das sind keine Dinge, worin ich Widerspruch zulasse. Ich bin in Fragen

4

der décadence, die höchste Instanz, die es auf Erden giebt; die jetzigen M

6

in ihrer vollkommenen Instinkt =Entartung dürften sich glückl. schätzen, Jemanden zu haben

8

der ihnen einem schwierigeren Fall reinen Wein einschenkt. Daß dieser Hanswurst

10

verstanden hat, von sich den Gl zu erwecken, was Sie mit voller der wie Sie es mit verehrungswürdiger

12

14

Unschuld ausdrücken, der „letzte Ausdruck der schöpferischen Natur zu sein“

16

dazu bedarf es in der That des Genies – aber eines Genies der

18

Lüge .. Ich habe die Ehre, Etwas Anderes zu sein – ein

20

Genie der Wahrheit –

8: einem] nach Korrektur des Kontextes > in einem 8: schwierigeren] ? 10: Gl] > Glauben

W II 9b 43-86.indd 86

15.05.15

87

W II 9

$

Meysenbug Bleistift

Da sehen Sie, verehrte Freundin, was bei dem „Idealismus“ herauskommt! – Sich zwischen Wagner u. Nietzsche zu vergreifen!… Und

2

4

mich

indem ich das schreibe, schäme ich,Ameinen Namen in eine so unsaubere

6

Nachbarschaft gebracht zu haben. – Definition des Idealism: der Wille,

8

keinen

um keinen Preis die Wahrheit zu sehen … Anbei gesagt: mein Sohn Zarathustra wehrt sich mit Händen u Füßen dagegen,

10

12

aus aus

mit

daß aus seinem Begriff „Übermensch“ irgend ein „höherer Schwindel“ gemacht

14

wird. In seinem Sinne ist zb. Cesare Borgia ein Übermensch.

16

zb.

Und Sie behaupten, Etwas von mir verstanden zu haben!…

18

20

4: zu] Vk 8: Definition] Vk 8: Wille] Vk 10: zu] Vk 14: seinem] Vk

W II 9c 87-132.indd 87

15.05.15

W II 9

88

$

Over- Bleistift

2

Lege, wenn ich bitten darf, auch noch

4

die 500 frs.Abei der Handwerkerbank nieder

6

Ich muß jetzt mit allen Kräften Ökonomie

8

machen, um die ungeheuren Druckkosten der

d

4

von denen Du schreibst

10

nächsten 3 Jahre vorzubereiten. (Ich

12

nehme also an, daß die am Ende Sept

14

fälligen 1000 frs. jetzt ganz daselbst

16

niedergelegt sind. Ende Dezember werden

18

dann freilich die 500 frs sehr dringend

20

nöthig sein. –

deponirt

Übrigens hat „Margareth“ das Quartett

22

Die allerliebste („eine provencalische Hochzeit

26

K. schreibt ganz

betitelt u mir gewidmet) an ihren

entzückt über die Philharmonie - Concerte 28

den das

30

32

Kogel

u. den DirigentenA: er hofft da, seine Ouvertüre oder

seinen

Czárdás oder

„Pastorale Claude Lorrain“ aufzu-

sein

Lehrer de Ahna gegeben – jetzt, wo die Weiblein mitspielen, wird s schon *

*

24

Graf

gehen … Auch zuAHochberg hat man

führen. Beziehungen … Meine Bemühungen, den Löwen

34

36

s

38

bei der Menagerie Pollini anzubringen, sind mißglückt. Bülow hat

daraufhin von mir Aeinen sehr

energischen groben Brief von mir daraufhin bekommen. –

12: daß] ¿ 24: Hochzeit] > Hochzeit“ 29: hofft] Vk 32: man] ¿ 36: bei] ¿ 38: Einfügungszeichen verlängert

W II 9c 87-132.indd 88

38: groben] Vk

15.05.15

89

W II 9

$

beck? Bleistift

gute

Sehr schöne Nachrichten aus Kopenhagen: Eine Verbindung zwischen mir eingeleitet

große

e

soll

u der charmanten Wittwe Bizets hergestellt. Insgleichen hat der ein „wahres Genie“

2

ganz

4

eingenommen sein;

erste schwedische Schriftsteller August Strindberg für mich erklärt,

6

ebenso

auch einige Mitglieder der gesellschaftl. u geistigen Aristokratie in Berlin SW Lindenstr. 116. IV. l.

St. Petersburg.

8

10

inzwischen

Noch bessere Nachrichten von Köselitz, der unter sehr veränderten ge

hat

12

u hübschen Mädchen

Bedingungen{lebtA. Sonderbar! mit lauter Grafen u Gardelieutenants{ sich

14

hinter

u zwar als der „Siegreiche“, der mitten auf einemApommerschen

16

mit nur zu viel Erfolg um

Herrensitze die schöne zweite Tochter des Hauses, eine hat

18

jetzt

veritable „Carmen“ bemühtA… Zu diesem Zweck Übersiedelung

20

nach Berlin, wo die vornehme Familie, deren Gast er war,

22

einen Pallast besitzt. Diese Herren Musikanten! Natürlich

24

betet „Margareth“ eine gewisse Musik an u. geigt sie

26

u singt sie in die Wälder hinein … xxxxxxxxxxxxxxxx

28

xxxxxxxx … Jenes Liebesduett gehörte natürlich Niemandem anders

30

an. Die Beziehung geht auf Venedig zurück: sonderbar,

32

ü n

=Wildniß in Hinterpommern eine

der

in dem prachtvollen Wald =schloß giebt esAächte venetianische

34

Gondeln, u sogar bis vor Kurzem einen ächten venet.

36

Gondoliere, der aber jüngst gestorben ist. Nun haben sie

38

t,

zu dem Allen, auch noch „den Löwen von Venedig“

40

zu

42



sich zu Gemüthe

selbst

geführt –

4: hat] > hat sich 10: l.] > links 14: Gardelieutenants] ¿ 16: auf] Vk 26: gewisse] Vk 33: in Ms nicht übereinander

W II 9c 87-132.indd 89

15.05.15

W II 9

90

$

Turin, ca. 16. Okt. 1888. Bleistift

$

Overbeck? Bleistift

Hand,

1-3: Randanstreichung links, Rotstift 2

Ich machte gestern, mit Deinem Brief in der Tasche meinen gewohnten Nachmittags-

4

Spaziergang außerhalb Turins u. dachte Viel unterwegs an Dich. Reinstes Oktober=

6

Licht überall: der herrliche Baumweg, der mich etwa eine Stunde dicht dicht

8

am Po entlang, führt, vom Herbste noch kaum berührt. Ich bin jetzt der

10

dankbarste M von der Welt: denn Alles geräth mir, obwohl schwerlich

12

Jemand schon so große Dinge unter den Händen gehabt hat. Daß das erste

14

Buch der Umwerthung der Werthe fertig ist, druckfertig, dies melde ich

16

Dir mit einem Gefühle, für das ich keine Worte habe. Es sind 4 Bücher:

18

sie erscheinen einzeln. Dies Mal führe ich, als alter Artillerist, mein großes

20

Geschütz vor: ich fürchte, ich schieße die Geschichte der Mh. in zwei

22

Hälften aus einander … Mit jener Schrift, von der schon in meinem

24

letzten Brief eine Andeutung machte, geht der Druck alsbald zu Ende.

26

Dein Citat aus Mensch. kam vollkommen zur rechten Zeit, um einge

28

schrieben zu werden. Sie ist bereits eine hundertfältige Kriegserklärung mit

30

einem fernen Donner im Gebirge: im Vordergrund viel „Lustiges“ von

32

der Art meiner bedingten Lustigkeit … Man kann sich zum

34

Erstaunen leicht mit dieser Schrift über meinen Grad von Heterodoxie

36

aufklären, die in der That keinen Stein auf dem anderen ge-

38

lassen. Gegen die Deutschen gehe ich darin in ganzer Front

40

vor: Du wirst Dich nicht über „Zweideutigkeit“ zu beklagen haben

42

Diese unverantwortliche Rasse, die in allen entscheidenden Momenten

e, in

die alle großen malheurs in der Cultur auf dem Gewissen hat, die

4: Oktober=] Vk 6: dicht dicht] > dicht 12: schon so] ¿ 12: unter] Vk 22: der] > der ich 27-28: hundertfäche] nach unvollständiger Korrektur > hundertfache

W II 9c 87-132.indd 90

)

che

der Geschichte

36: in der] ¿ 42: unverantwortliche] ¿ 43: in Ms nicht übereinander 43: malheurs] ¿

15.05.15

91

Größte Klugheit: eine große Bestimmung so wenig wie möglich in das Bewußtsein dringen lassen, – gegen sie die Scham bewahren

sich gegen sie durch Bescheidenheit, Muthwillen, Raffinement des Geschmacks, selbst durch seine Krankheiten u. Schwäche = Zeiten

2

4

6

8

gleichsam verstecken …

10

man muß nur ihre Gebote thun, nicht wissen wollen,

12

was sie ist, wann sie befiehlt …

W II 9

14

man muß keine Worte, keine Formeln, keine Attitüden für sich

16

verstehen

sie haben, – man muß leiden, ohne zu wissen, man muß

18

sich darin

das Beste thun, ohne es{zu verstehen –

20

(– des Einzigen der aus Europa eine polit. Einheit hätte

Vademecum.

22

schaffen können.) Von

Aus der Vernunft meines Lebens.

24

)

hat

etwas Anderes im Kopfe – die Reformation zur Zeit der Renaissance,

26

(dem Einzigen der

die „Freiheits =Kriege“ beim Erscheinen Napoleons, Kantische Philo-

28

sophie, als eine wissenschaftl. Denkweise in England u. Frankreich

30

mit Mühe durchgesetzt war – hat heute das „Reich“ im

32

Kopfe, in einem Augenblick, wo die große Werthfrage zum

34

ersten Mal gestellt wird …

36

(– diese Rekrudescenz der Kleinstaaterei Europas –)

2-20: KGW VIII 24[7] 22-24: KGW VIII 24[8]

W II 9c 87-132.indd 91

14: wann] Vk 21-23: Hinzufügung zu Z. 28 28: Napoleons] Hinzufügung Z. 21-23 32: Reich“] Hinzufügung Z. 36-37 36-37: Hinzufügung zu Z. 32

15.05.15

W II 9

92

$

Ecce Bleistift

gewiß

*

i

2

Man hat Ruhe vor mir, ich werde keine heißt bei mir

neuen Götzen aufrichten: „Götze“ nenne ich

4

jedes Ideal.

6

32 )

v

8

Vielleicht

auch, was mir wichtiger wäre

a

10

daß Andere in meinem „ecce homo“

daß Andere in meinem „Ecce homo“

12

einen Grund mehr fänden, über

einen Grund mehr fänden, über sich

14

„den Menschen“ nachzudenken –

nachzudenken, was bei ihnen „der

16

u ob nicht der wirkliche M.

Mensch“ ist, was er sein könnte …

18

hundert Mal mehr werth ist

20

als ein bloß idealer Mensch …

„den Menschen“

sehr viel

u ob ob der wirkliche M. nicht mehr Werth ist als jeder bloß ideale Mensch.

zu sagen: Hört mich! denn ich bin der u der.

22

Verwechselt mich vor Allem nicht! – Ich bin zum

26

zum Beispiel durchaus kein Popanz, kein „„Moralist“.“ Das

28

Letzte, was ich versprechen würde, wäre die Menschheit

30

zu „verbessern“… Vielleicht daß es mir gelingt, das

32

auf eine menschenfreundliche Weise zu sagen; vielleichtA, daß Andere

*

24

auch, was mir wichtiger wäre

sagen ) 8

in in meinem „ecce homo“

bei ihnen der Mensch ich

36

mehr

fänden

bei dem, was ich von mir erzähle, einen Grund{haben, über sich selber

34

er

nachzudenken – was sie thun sollten – was sie sein könnten …

14: der] Vk 16: Mensch“] Vk 18: ob ob] > ob 20: idealer] Vk 24-26: zum zum] > zum 35: ich] > ist

W II 9c 87-132.indd 92

15.05.15

93

W II 9

meines

Die Klugheit des Instinkts besteht darin, die eigentlichen Nothstände u Gefahren für mich als solche zu fühlen

4

insgleichen die Mittel zu errathen, mit denen man ihnen aus

6

dem Wege geht oder sie zu seinem Vortheile ein-

10

herum organisirt.

12

14

mit der Krankheit

16

mit dem Zufall von Herkunft, Bildung, Gesell-

18

schaft …

20

mit der großen erdrückenden Verantwortlichkeit

22

mit der Vielheit der Bedingungen seiner Aufgabe

24

Verwechselt mich vor Allem nicht!“..

(– welche Isolation brauchen

26

zum Beispiel

Zum: Beispiel: Ich bin durchaus kein Popanz, kein Moralist. Das Letzte was ich versprechen würde, wäre die Menschheit zu „verbessern“…

W II 9c 87-132.indd 93

8

ordnet u. gleichsam um eine höhere Absicht

Der Kampf mit der Vereinsamung

2-26: KGW VIII 24[6]

2

28

.

i

30

28: Popanz] Vk

15.05.15

W II 9

94 (oder Großstadt!) beständig vom Leibe zu halten.

Wenn man verurtheilt ist zur Vereinsamung, so will die Klugheit des Instinkts, daß man

2

4

nicht daran leidet, – daß man sich auch nicht im Gegensatz =Gefühl u. beständiger Defensive

6

verarmt. Denn, Alles wohl erwogen, sind es die beständigen kleinen Ausgaben von Kraft, die

8

eine Natur arm machen: die gemeinhin übersehene, weggerechnete Ausgabe, die sich

10

zum Beispiel in der Nothwendigkeit liegt, eine Umgebung, eine Gesellschafts = Moral, Klein eine ganze Stadt gleichsam vom Leibe zu halten

zur Wehr zu setzen

16

selbst die verstörenden Einflüsse eines häßlichen Gesichts, eines häßlichen Wohnraums,{ Aus seinem Hause heraustreten u. eines häßlichen Wetters deutschen Kleinstadt beständig zu überwinden, gar nicht Jegliches, Gebärden, Gesichter, Geräusche, Gerüche zu sich im an sich herankommen lassen.

18

Widerspruch finden u. entschlossen, wie ein Igel, sich verbarrikadiren gegen

20

alle Art Ausflüsse u. Einflüsse aus jener widrigen Welt: das ist kostspielig,

22

das macht auf die DauerAschwindsüchtigA, man mag noch so reich

12

14

(wie es mir in Deutschland geht)

fremden

würde

auch die vollste Börse

machen

ich immer

26

sein … Nicht die „Versuchungen“ sind es, denen man aus dem Wege gegangen bin umgekehrt dem, was uns nicht „versuc ht“, dem, was uns zu gehen hat, sondern den „Nicht=Versuchungen“

28

nichts angeht, nicht in uns hineingeht, nicht uns locken u. reizen

30

darf

32

Gleichgültigen …

24

gerade uns

dem Widrigen, dem Reizlosen, dem Verstörenden, dem Ewigwird

dies

Vielleicht ist es mir gelungen, das auf

34

sagen

eine menschenfreundliche Weise zu thun –

36

38

werthvoller

geht ist Anderen bei dem, was ich von mir erzählte

vielleicht auch, was ich noch mehr mir wichtiger

sagte, aufgegangen, was sie selber

scheint, habe ich Andere gelehrt, indem ich von

ist es Anderen

40

sein könnten 42

ist es Anderen bei dem was ich von

1: zu Zeile 11 12: Wohnraums] ? 15: Gesichter] Vk 20: kostspielig] Vk 28: locken] ? 30: Reizlosen] Vk

W II 9c 87-132.indd 94

mir sprach, was sie selber sein könnten …

thun sollten, – was sie selber sein könnten …

39: mir] Vk 40: Andere] Vk 40: von] Vk

15.05.15

95

W II 9

$

Ecce Bleistift

der Voraussicht, Anbetracht Erwägung

Vorwort.

In Anbetracht, daß ich über Kurzem mit der schwersten Forderung an muß

gestellt

war

2

schien

die Menschheit herantreten will, die je an sie gemacht wurde, scheint es mir

4

meinen Freunden

unerläßlichAzu sagen, wer ich bin. Im Grunde dürfte mans wissen:

6

denn ich habe mich nicht „unbezeugt gelassen“. Das Mißverhältniß aber

8

ieses

besteht

das

zwischen der Größe meiner Aufgabe u der Kleinheit meiner Zeitgenossen{ist darin

10

zum Ausdruck gekommen, daß man mich weder gehört, noch auch nur

12

vielleicht

gesehen hat … Ich lebe auf meinen eigenen Credit hin: es istA

14

bloß nur

Vorurtheil

bloß ein Vorurtheil, daß ich lebe?… Ich brauche nur einen Gelehrten

16

irgend„Gebildeten“, der nach Sils-Maria kommt kommt der den Sommer über nach ins Oberengadin kommt Aeinen

der Berliner Universität zu sprechen umAmich zu überzeugen, daß ich zu sprechen

giebt

18

Pflicht

nicht lebe … Unter solchen Umständen giebt es eine Pflicht, gegen

20

noch mehr der Stolz meiner

die im Grunde alle meine Gewohnheiten, meine sehr stolzen Instinkte

22

denn

revoltirt

revoltiren, zu sagen: „Hört mich!! ich bin der u der“…“ ist es mir gelungen daß gelingt

24

einer möglichst leidlich

Vielleicht{gelingt es mirA, dies in der humansten einer menschenfreundlichen sagen

mein Loos

26

selber damit

Weise zu thun! – u gegen mich selber, gegen mein LebenAmeine tiefe

28

Schuld der Dankbarkeit abzutragen …

30

zu sprechen den der im{Sommer ins Oberengadin kommt, zu sprechen, wichtiger

damit

das

Loos

das mich auszeichnet, gegen mein Leben, das eine große Vernunft ist einen ist, bescheidenen Ausdruck der Dankbarkeit zu finden tiefe Schuld der Dankbarkeit abzutragen – tiefe meine Schuld

mein

34

36

Dankbarkeit abzutragen …

38

2: der schwersten] Vk 8: Mißverhältniß] ¿ 18: Universität] ¿ 21: mehr] Vk 21: meiner] Vk 25: in Ms nicht übereinander

W II 9c 87-132.indd 95

32

damit meine Schuld tiefer der

der Dankbarkeit abzutragen.

?

damit

vielleicht auch, was mir mehr Werth ist,Agegen

meine meine

:

40

28: tiefe] ¿ 31: zu Zeile 17-19 32: Einfügungszeichen verlängert

15.05.15

W II 9

96 Rach - u.

2 4 6

8

10

12

ein

Wer den Ernst kennt, mit dem meine Philos. das Problem der Nach - u Rachgefühle behandelte, wird verstehen, weshalb ich meine persönl. Verhältnisse dabei klären muß Das Ress. aus der Schwäche geboren, Niemandem schädlicher als dem Schwachen selber: im Anderen Fall, wo eine reiche Natur die Voraussetzung, ein überflüssiges Gefühl, ein Gefühl, über das Herrz zu bleiben, beinahe der Beweis des Reichthums ist In den Zeiten der dec. verbot ich sie mir als schädlich; in Zeiten, wo

14

das Leben reich u stolz genug, verbot ich sie mir als unter mir. xxxxxxxxxxxx

16

xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx von Affekten abschaffen dürfte: zum

18

Vortheil derer, die am schlimmsten darunter leiden, der Schwachen …

20

Ich sage ein Wort über meinen Geschmack, der der Gegensatz eines deutschen

22

Geschmacks ist. Das gilt von Zeiten, das gilt von Büchern, – das gilt von Orten

24

u. Landschaften. Eine kleine deutsche Stadt riecht wie eine Unverdaulichkeit: die

26

Gr deutsche Großstadt, das „gebaute Laster“, wo Alles eingeschleppt, nachgemacht, falsch

28

gemacht ist, jagt mich in die

30

Flucht. Ich habe keine Lust, mich

32

in Defensiv =Ausgaben gegen Alles u Jedes zu verschwenden: Igel zu sein ist kein Ideal.A–

34

Aber auch im Verkehr mit Büchern

Die

nach

das

Dyspepsie

eingeschleppt

noch in der selbst das Wort Mittelkeit zum Euphemism wird

*

Mediokrität für mich!

D

erquickt

aus

Von Franzosen erquickt mich wie eine Art Blutsverwandtschaft die Art Montaignes: wie eine

38

Art Sensibilitäts = Verwandtschaft die Art Stendhals. Von Engländern war ich als Knabe

In psychologicis

,

schon

allen englischen B vorzuziehen unter

40

bereits verführt ganz zu den Tristram Shandy vorzuziehen, von deutschen Büchern Lichtenberg: von

6: Ress.] > Ressentiment 12: dec.] > décadence 20: deutschen] Vk 24: Stadt] ¿, Hinzufügung Z. 29 29: Hinzufügungszeichen zu Z. 24 29: Mittelkeit] > Mittelmäßigkeit

W II 9c 87-132.indd 96

aus einer

Stil u Gebärde

36

)

38: Sensibilitäts=Verwandtschaft] ¿ 39: in Ms nicht übereinander

15.05.15

97

W II 9

es fehlt alle Sauberkeit in

Probleme es fehlen die reinen

das Fehlen reiner Probleme Alles ist Mischmasch,

reinen

Typen u Probleme. – Der Spiegel.

4

Es fehlen die reinen Typen u

achtzehntes Jhd, „Zufall“, decadence der Cultur –

2

6

reinen Es ist Alles Cultur=

8

u. gemischt, décadence,

e a

10

achtzehntes Jahrhundert, „Zufall“:

– die Probleme, wie die

12

Faust zu schaffen habe

Typen

14

Versuch

ein Philosoph mit dem

16

einer Selbstschilderung.

was Einer aus dem Faust

18

44 )

20



Selbstabschilderung.

zu lernen habe. Weder Faust, noch Mephistopheles

Von

22

sind Typen: es gehörte Bildung, tiefste Kenntniß Friedrich Nietzsche.

24

des 18 Jhd dazu, um

Den D. fehlt jedwedes Buch, das sich an raffinirter

sie zu verstehen 26

Geistigkeit u. Güte mit Em Essays vergleichen ließe: sie D. sind zu sehr

28

Idealist dazu.

30

Von Goethe ist mein Eindruck durch die allererste Berührung

32

mir schon ein für alle Mal bestimmt gewesen: die „Löwen - Novelle“ entschied im Genießen u. im Sehen

34

heißt

– diese verklärt =reine holde Herbstlichkeit desAGlücks u. Blicks – das heißt bei eben

36

dieses

mir Goethisch. Ich habe später den Nachsommer Stifters, wegen des Goethischen herausgenommen. Faust – aus Herbst =Farbentons der ganzen Litteratur nach Goethe allein gemocht

38

40

für den, der den Erdgeruch der deutschen Sprache zu riechen weiß

das ist für die Heimlichkeiten meines deutschen Sprachgefühls ein Genuß ohne Gleichen: als

42

bloß ein Stück von

Dichtung einAStückwerk, als Philosophie nicht einmal eine Halbheit. Ich begriff nie,

44

) 19

Zufall von

möchte

)

Amerikanern Emerson nicht unerwähnt lassen, der mir in der Heiterkeit verwandt ist.

11-24: KGW VIII 24[5]

W II 9c 87-132.indd 97

28: sie] > die 30: Idealist] ¿ 34: mir schon] ? 34: entschied] ¿ 36: Blicks] ¿ 40: Herbst=] Vk

46

42: Heimlichkeiten] Vk 45: möchte] > ich möchte 46: unerwähnt] ?

15.05.15

W II 9

98

3.

nämlich

auch hier wieder

auch hier wieder

ZuletztArathe ich immer wieder den Deutschen, sich vor den Franzosen zu schämen: wer von ihnen wäre

2

4

denn im Stande, eine solche geistreich heitere u liebenswürdige Musik zu machen wie zb

6

Audrans Mascotte? eine Musik ohne Zoten, meine Herren Wiener?… Mit welchem

8

Ekel bin ich vor der gebildeten Gemeinheit des „Zigeunerbaron“ davongelaufen! Ich will

zuletzt

gegen

. 10

nicht unbillig sein lassen diese Oper hat, mit Verlaub, nichts Wienerisches an sich. Viel

aber

viel

Boccaccio noch gelten: eine gewisse südländische, in diesem Fall dalmatinische viel Ihre

ist

erst es erst sehr viel

12

Anmuth u. Sicherheit des Gefühls, viel Derbes u Naives, wie es nicht in Deutschland

14

wächst südlicher wächst.

lauter gute Dinge, die erst sehr viel südlicher wachsen, zum Beispiel in Dalmatien …

16 18 20 22

24

Den Deutschen verdanke ich im Grunde nur Hemmungen: ein kurzer Aufenthalt an einer d. Universität bezahlt sich bei mir mit Müdigkeit, wie in der Nähe eines Sumpfes. Das Problem.

das Wort „Mittelmäßigkeit“ selbst zum Euphemismus wurde: die große

28

deutsche Großstadt, Berlin zb ist ein gebautes Laster, – etwas

30

vollkommen Falsches u Importirtes.

34

36 38

v. 3.

Die deutsche Kleinstadt erinnert an kleine, sehr kleine Menschen, unter denen

26

32

Den D. verdanke ich im Grunde nur Hemmungen: ein kurzer Aufenthalt an einer deutschen U. bezahlt sich bei mir mit Müdigkeit, wie in der Nähe eines Sumpfes. Jede Reise nach D. war für m ein Entschluß: ich hatte Gründe mich mit einem naturwissenschaftl. Reime zu stärken, zum Beispiel

9: in Ms nicht übereinander 10: dalmatinische] Vk 14: gute] Vk 15: südlicher] Vk mit Bleistift 24: Kleinstadt] ¿ 28: Laster] ¿

W II 9c 87-132.indd 98

Schluss

)

30: Falsches] ¿ 34: deutschen] ¿ 38: naturwissenschaftl.] ¿

15.05.15

99

zuletzt nur anstößig ist bloß mit Verlaub bloß

anbei gesagt

2.

W II 9

der Deutschen selber

Die Gemeinheit, die Deutsche an Offenbach findet, istAim Geschmack der Deutschen.

2

auch noch

deutscher Theater an Offenbach. Aber südländisch Wenn man nicht esprit in jedem

4

in den

Knöchel hat, hat man kein Recht auf Offenbach, – man transponirt ihn in eine deu Wiener Zote. wenn man

6

transponirt

unfreiwillig in eine ins „Deutsche“.

8

die Bosheit nichtAaus göttliche

in jeder Fußzehe

Laune in der Bosheit fühlt. Auch

10

ne eine

dort wird er langweilig.

in Italien ist man außer Stande, Offenbach zu spielen:Adie artigsten

12

keinem Muskel erlaubt

still

Weiberchen stehenAherum u. wissen nicht, daß esprit nicht einen Augenblick

14

keinem Bein nicht einmal der Zeit geschweige den Weiberchen

stehen

erlaubt still zu stehen. Auch Carmen fand ich in deutscher Aufführung

erlaubt still zu stehen vulgarisirt heruntergezogen – ins Deutsche, mit Verlaub.

unerträglich trivialisirt; der Typus Carmen selbst Auch sagte man mir

n 16

18

a

Dresdner

A unverhohlen, von Süden könne ja gar nicht die Rede sein, das dem letzten Musiker, der nichts Anderes sein wollte als was er war

sei völlig unarabisch. – 1.

20

– ein genialer Buffo, im Grunde der letzte Musiker, der noch

Ich möchte aber dasselbe auch von Offenbach behaupten: es ist Pariser Genie als

24

armselig,

als

selbst, was bei ihm Musik wurde, – uAwas für eine Musik! Wie unbeMusik wie gemacht gemacht gabt, ist WagnersAgegen

22

seinen

arbiträr,

Offenbach, gar nicht zu reden von dem Ver-

26

28

sein

suchen Ws witzig zu wollen … Die unsterbliche Erfindung war nicht einmal ein schlechter Witz …

30

Musik machte

Beckmessers gehört in die ist selber

32

– und nicht

witzig! Wagner, dieser Beckmesser des Humors!…

Litteratur …

34

Wagners Witz!…

)

um das Rhinozeros zu sehn

36

beschloß ich, nach Berlin zu geh’ n …

38

2: die] > die der 2: ist] danach Einfügungszeichen zweimal verlängert 2: im Geschmack] ? 6: Knöchel] ? 7: unfreiwillig] ? 8: in] Vk 8: Zote] Vk

W II 9c 87-132.indd 99

17: in Ms nicht übereinander 18: man mir] nach Korrektur des Kontextes > mir ein 19: Dresdner] ¿ 30: Erfindung] ¿ 34: Beckmesser] Vk mit Bleistift 34: Humors] Vk

15.05.15

W II 9

100

2

Der größte Neinsager, den es gegeben hat, wird Herr über das Gegensatz=

4

Gefühl, trägt nicht mehr an seiner Aufgabe, – leidet nicht mehr an

6

dem, was unter ihm ist

8

10

sondern vollzieht aus einer Mysterien Heimlichkeit heraus seine Worte u. seinen Sinn – ein Wort, das nie Wort der Vernunft ist

12

die Höhe der Seele, nicht durch die Vernunft getrübt

14

das ist das Credo der dionysischen Kraft …

16

Das psychol. Problem ist: wie, der der in neuem Sinn u Maaß Nein

18

sagt zu Allem, wozu man bisher Ja sagte, trotzdem der

20

Gegensatz eines verneinenden Geistes ist? wie der, welcher das

22

schwerste von Schicksal von Aufgabe tragende Geist trotzdem

24

der leichteste u jenseitigste ist; wie der, welcher

26

die härteste, die furchtbarste Einsicht in die Realität

28

in ins den Charakter der Realität einen Grund mehr findet

30

das Dasein zu bejahen – ein ewiges Ja zu allen

32

Dingen zu sein.

sein kann

,

sein kann

selbst

34

Aber das ist der Begriff des Dionysos selbst

8: Mysterien Heimlichkeit] ? 16: wie, der] > wie der, 20-22: der, welcher das schwerste] > der das Schwerste 28: Realität] > Realität hat,

W II 9c 87-132.indd 100

15.05.15

101

Man hört, man sucht nicht; man nimmt, man

W II 9

2

fragt

auf

weiß nicht, was da giebt; wie ein Blitz leuchtet ein Gedanke

4

ein Geschenk

in Einem, mit Nothwendigkeit, in seiner Form ohne Zögern, ganz

6



8

Eine

Entzückung, bei der der Schritt unwillkürlich bald stürmt,

Die

auf

die

deren

bald langsam wird; bei der eine ungeheure Spannung mitunter sich in

10

eine

– ich habe nie die Wahl gehabt. –

einen Thränenfluß auslöst

12 14

ein vollkommenes Außer - sich -sein mit dem distinktesten Bewußtsein

16

einer Unzahl feiner Schauder u. innerer Erzitterungen

18

Überrieselungen bis in die Fußzehen

,

20

Eine Glückstiefe, in der das Schmerzlichste u Düsterste nicht als

22

Gegensatz wirkt, sondern wie bedingt, wie herausgefordert, wie

24

s d

eine

über als nothwendige Farbe in einem solchen Licht = Überfluß ein Instinkt rhythmischer Verhältnisse, der weite

26

28

Räume von Formen überspannt: die Länge, das Bedürfniß an

30

einem weitgespannten Rhythmus ist beinahe das Maaß für die

32

deren

Gewalt der Inspiration, – eine Art Ausgleich gegen diese

34

Gewalt u. Spannung … Alles geschieht im höchsten Grade unfrei-

36

einem

xxxxxxxxxxxxxxx

innerer

willig – aber mit dem unbedingten Gefühl der Freiheit, des

38

Ja -thuns, des Unbedingt= Seins

40

brausenden Sturm von

wie in einem Sturme von Freiheit, von

stur

Unbedingt= Sein, von Macht, von Göttlichkeit

5: Geschenk] Vk 16: Außer-] ¿ 24: Gegensatz] ¿ 30: an] > nach

W II 9c 87-132.indd 101

15.05.15

W II 9

102

würde man

2

Mit dem geringsten Rest von Aberglauben in sich scheint mir in der That Incarnation, nur

4

die Vorstellung, daß man nur Werkzeug, nur Mundstück, wieder ein

6

medium übermächtiger Gewalten ist, kaum abweisbar: der Begriff

zu

können

10

„Offenbarung“ in dem Sinn, daß plötzlich, mit einer unsäglichen ohne daß irgend ein Sicherheit u. Feinheit, Etwas sichtbar, hörbar wird, Einem geschenkt

12

wird, ist einfach exakt.

8

Wunsch, Wille,

14

dadurch bis in daß man erschüttert ist, ohne

16

Etwas, das

18

seine untersten Instinkte

Einen erschüttert u umwirft bis in die

20

beschreibt 22

24

{ist einfach der

letzten

Thatbestand.

4: wieder ein] ? 5: zu] > zu sein 6: abweisbar] nach Korrektur des Kontextes > abweisen 16: daß] ¿

W II 9c 87-132.indd 102

15.05.15

103

Fridericus Nietzsche

2

de vita sua.

4

Ins Deutsche übersetzt.

6

W II 9

KGW VIII 24[4]

W II 9c 87-132.indd 103

15.05.15

W II 9

104

Ecce homo.

2

Erste Aufzeichnungen

4

eines Vielfachen.

6

KGW VIII 24[3]

W II 9c 87-132.indd 104

8

1.

Der Psycholog redet.

10

2.

Der Philolog redet.

12

3.

Der Dichter redet.

14

4.

Der Musikant redet.

16

5.

Der Schriftsteller redet.

18

6.

Der Erzieher redet.

4: Aufzeichnungen] Vk 6: Vielfachen] Vk 10: Philolog] Vk

15.05.15

105

Der physiol. Widerspruch.

2

Vom Verbrecher.

4

Was ich den Alten verdanke.

6

Philologie.

8

Musik

xxx

KGW VIII 24[2]

W II 9c 87-132.indd 105

W II 9

10

die Bücher charakterisirt.

12

In media vita.

14

Aufzeichnungen eines

16

Dankbaren.

18

Von

20

F. N.

22

8: Philologie] ¿

15.05.15

W II 9

106

109,44 )

2

oder Landschaften verkehrt: er ehrt, indem er wählt, indem er zuläßt,

g

4

indem er vertraut. Er reagirt auf alle Art Reize langsam, mit

6

jener Langsamkeit, die eine lange Vorsicht u ein gewollter Stolz ihm

8

eingezüchtet haben, – er prüft den Reiz, der herankommt, er ist fern

25 )

10

davon, ihm entgegenzukommen. Er glaubt weder an „Unglück“, noch an

12

„Schuld“: er ist stark genug, daß ihm Alles zum Besten gereichen

14

muß. – Wohlan, ich bin das Gegenstück eines decadent: denn ich

16

beschrieb eben mich. –

18

20

22

24

2.

: ich bin andererseits vielleicht mehr deutsch als die jetzigen Deutschen

Waffen u Wehr - Instinkt.

die Reichsdeutschen es noch sind.

Langeweile.

Diese doppelte Reihe von Erfahrungen, diese

Zugänglichkeit zu anscheinend getrennten Welten wiederholt sich in meiner Natur in jeder Hinsicht. Meine Abkunft erlaubt mir, 3. jenseitsjeder einen Blick der bloß national bedingten Perspektiven: ich

bin ein „guter Europäer“ nicht

* Ich habe viel milit. Instinkte im

nur dem Willen, sondern dem Instinkt nach

) 17

Man hält mich für einen Deutschen: Zum Mindesten bin ich kein Jude selber trotzdem ich bin es auch.

26

28

lib. veto.

– Bin ich eigentlich ein D.? Meine Vorfahren waren poln. Edelleute; u wenn ich denke, wie oft ich unterwegs schon als Pole angeredet worden bin, von Polen selber, so *

30

Leibe, vielleicht sogar das

Meine Mutter ist jedenfalls etwas sehr Deutsches; insgleichen Erdmuthe Krause

scheint es, daß ich vielleicht nur deutsch angesprenkelt bin. Meine Großmutter väterlicher

Seite

jedenfalls

,

2-16: KGW VIII 24[1] 444,4-12

W II 9c 87-132.indd 106

32

Seits warAetwas sehr Deutsches: sie gehörte in die gute alte Zeit Weimars, ihr Bruder

34

der Prof. der Theol. Krause in Königsberg, wurde später Generalsuperintendent von Weimar.

36

Es ist nicht unmöglich, daß ihre Mutter in dem Goetheschen Jahr Tagebuche unter dem

38

Namen „Muthgen“ vorkommt. – Sie war zum zweiten Mal mit dem Superin. Nietzsche in

40

Eilenburg verheirathet: an dem Tage des großen Kriegsjahrs 1813, wo Napoleon mit

4: reagirt] ¿ 6: Langsamkeit] Vk 25: lib.] > liberum 29: in Ms nicht übereinander 30: väterlicher] danach Einfügungszeichen mit Bleistift verlängert 34: Generalsuperintendent] ¿

15.05.15

107

W II 9

seinem Generalstab in Eilenburg einzog, am 10 Okt., hatte sie ihre Nieder

2

kunft. Sie war, als Sächsin, eine große Bewunderin Verehrerin Napoleons: viel-

4

leicht bin ich s auch. Mein Vater, 1813 geboren, starb 1849. Er lebte

6



als junger Theolog, ein bevor ich das Pfarramt der Gemeinde Röcken auf dem bei

8

L

Lützen übernahm, einige Jahre auf dem Altenburger Schlosse u. unterrichtete

10

die 4 Prinzessen daselbst. Seine Schülerinnen sind die Königin von Hannover, die

12

Großfürstin Therese, die Hroßherzogin v Sachsen-Altenburg u die in Altenburg

14

u.

er litt unsäglich am Jahre 1848

lebende Prinzeß Therese. Er war ein großer Verehrer Fr W des vierten{:

16

Hohenzollern=

ich selbst, an dessen Geburtstage geboren, trage den königlich preußischen Einen

18

,

hatte jedenfalls

Namen: Friedr Wilhelm. Ein Vortheil war die Wahl dieses Tages: mein Geburtstag

20

war immer ein Festtag. – Ich betrachte es als ein großes Vorrecht, einen solchen

22

– es erklärt mir jede andere Art Vorrecht, das ich habe Absicht . Vor allem, daß

Vater gehabt zu haben. Es gehört für mich nicht Wille, sondern bloßes Abwarten dazu, bedarf,

unfreiwillig

umAin eine Welt hoher u. zarter Dinge einzutreten: ich bin dort mit einem „HauptLeidenschaft meiner Natur

Jahren todt wäre?..

26

für dieses Vorrecht

theil meines Wesens zu Hause. Daß ichAbeinahe dafür mit dem Leben zahlte, ist trotzdem ein billiger

24

des der intimsten

: man hätte mich wohl zu beneiden, wenn ich auch seit einigen Handel.: das Leben an sich gesetzt, ich wäre

Um nur Etwas von meinem Z. zu verstehen, muß

28

30 32

vielleicht

manAähnlich bedingt sein, wie ich es bin, – muß man eine Unzahl gröberer Dank seiner Herkunft als unter sich gehabt haben

auch

34

überhaupt

Realitäten nie gesehen, gehört, gefühlt haben. Daß man eine Leidenschaft

36

in eine so leichte u. entrückte Luft gi Welt giebt, daß fast jeder

38

Satz aus meinem Z. unter Entzückungen u Schaudern concipirt worden ist: das

40

wird niemand lernen, das weiß man oder man weiß es nicht …

42

ein für alle Mal

Ich habe nie die Kunst verstanden

44

2: Generalstab] ¿ 4: Sächsin] Vk 8: ich] > er 8: Pfarramt] ¿ 14: Hroßherzogin] > Großherzogin 18: königlich] Vk 20: dieses] Vk mit Tinte

W II 9c 87-132.indd 107

N

22: immer ein] Vk mit Tinte 26: um] Vk 28: theil] > theil“ 28: dafür] Vk 35: in Ms nicht übereinander 40: Schaudern] ?

15.05.15

W II 9

108

$

Ecce. Bleistift

111,44 )

2

Eine lange, allzulange Reihe von Jahren bedeutet bei mir Genesung, –

4

sie bedeutet leider auch Rückfall, Verfall u. Periodik einer Art décadence.

6

Brauche ich zu sagen, daß ich in Fragen der dec. erfahren bin? ich habe sie vorwärts u

8

rückwärts buchstabirt Selbst jene Kunst des Sehens, jene Augen für nuances, jene{

Greifens u Begreifens Finger

u

vielleicht

damals

ganze

das eigentliche

10

Psychologie des „Um die Ecke Sehens“, die mich auszeichnet, ist erlernt, ist wie ein Geschenk aus

12

jener Zeit, wo}Alles sich verfeinerte, die BeobachtungAu die Organe der Beobachtung. Von

14

der Kranken -Optik aus nach gesünderen Begriffen u Werthen u. wiederum umgekehrt

16

blicken aus der Fülle u. Selbstgewißheit des vollen Lebens hinuntersehen in die

18

Filigran = Arbeit des decadent =Instinkts – das ist meine rechte

20

Übung, meine längste{ErfahrungA: wenn irgendworin, so bin ich hier Meister.

22

Ich habe es in der Hand, ich habe die Hand dafür, Perspektiven

24

umzustellen: weshalb für mich allein eine Umwerthung der Werthe über-

26

haupt möglich war.

sowohl als

in der

eigentliche

längste

gewesen

11.

28

davon

30

Abgerechnet nämlichA, daß ich ein décadent bin, bin ich dessen Gegentheil

32

im vollsten Sinne. Mein Beweis dafür ist, daß ich instinktiv auch gegen jene

34

schlimmen Zustände die rechten Mittel wählte: während der decadent an

36

sich instinktiv die schädlichen Mittel wählt. Als summa summarum war

38

ich gesund: als Winkel, als Spezialität war ich décadent. Jene

40

Energie der absoluten Vereinsamung u Herauslösung aus gewohnten Verhältnissen u

42

Aufgaben, der Zwang gegen mich selbst, mich nicht besorgen, bedienen, beärzteln zu lassen

44

KGW VIII 24[1] 442,20-443,12

W II 9c 87-132.indd 108

8: Selbst] ¿ 12: verfeinerte] Vk 18: Instinkts] ¿ 24: umzustellen] Vk 38: Spezialität] ¿ 40: Energie] Vk

42: besorgen, bedienen] Vk

15.05.15

109

$

W II 9 Ecce. Bleistift

– das verräth die unbedingte Instinkt =Gewißheit darüber, was noth thut. Ich

2

selbst

nahm michAin die Hand, ich machte mich gesund: die Voraussetzung dafür

4

im Grund

ist – jeder Physiologe wird mir das zugestehen – daß manAgesund ist.

6

Ein spezifisch Kran kran morbider M. wird nicht gesund: für einen

8

spezifisch Gesunden kann krank sein ein energisches Stimulans sein. So

10

in der That erscheint mir jetzt jene lange Krankheits = Periode:

12

ich entdeckte das Leben gleichsam neu, ich schmeckte alle guten u

14

selbst kleinen Dinge, wie sie ein Gröberer Anderer nicht leicht geschmeckt

16

haben wird, – ich machte aus meinem Willen zur Gesundheit, zum

18

Leben meine Philosophie … Denn man gebe Acht darauf: die

20

meiner

Jahre der niedrigsten Vitalität waren es, wo ich aufhörte, Pessi=

22

mist zu sein, – jener Instinkt der Selbst = Wiederherstellung verbot

24

nenne

mir eine Philosophie der Armut u Entmuthigung … Ich definire

26

Woran erkennt man im Grunde

gern die Zeichen, an denen ich die Wohlgerathenheit? erkenne. Ein

28

ist

wohlgerathener Mensch, der meinem Herzen wohlthun soll, aus einem Holze ge

30

schnitzt, welches hart zart u wohlriechend ist, – erkennt sich darin er thut

32

selbst noch unserem Geruchssinn wohl. Ihm schmeckt, was ihm zuträglich ist;

34

sein Gefallen, seine Lust hört auf, wo das Maß des Zuträglichen überschritten ist.

36

Er erräth Heilmittel gegen Schädigungen, er nützt schlimme Zufälle zu seiner

38

Verstärkung aus. Er sammlet instinktiv aus Allem, was er sieht, hört,

40

erlebt, seine Summe: er ist ein auswählendes Princip, er läßt viel

42

durchfallen. Er ist immer in seiner Gesellschaft, ob er mit Büchern, Menschen

44

KGW VIII 24[1] 443,12-444,3

W II 9c 87-132.indd 109

) 106,2

4: dafür] Vk 12: That] Vk 22: aufhörte] Vk 26: Entmuthigung] Vk 38: nützt] Vk

15.05.15

W II 9

110 10.

$

Ecce. Bleistift

Einzigkeit vielleicht Daseins, seine Einzigkeit

111,20 )

f

2

Räthselform in Form eines

Das Glück meiner Art Dasein{liegt in seinem Verhängniß: ich bin, um es als Räthsel

4

auszudrücken, als mein Vater bereits gestorben, als meine Mutter lebe ich noch. Diese doppelte

6

Herkunft, gleichsam aus der obersten u der untersten Sprosse an der Leiter des Lebens –

8

decadent zugleich u. Anfang – dies, wenn irgend Etwas, gestattet mir

10

jene Neutralität, jene Freiheit von ParteiAim großen Gesammt = Problem

12

des Lebens{. Ich bin Beides, ich kenne Beides. – Mein Vater starb mit 36

14

Jahren: er war zart, liebenswürdig u. fein, wie ein nur zum Vorübergehen

16

bestimmtes Wesen, – eher eine gütige Erinnerung ans Leben als das Leben selbst.

heraus

erklärt

gegen das im Verhältniß

die mich auszeichnet kenne

bin

morbid

u e

bloß

gütige

20

In dem gleichen Jahr, wo sein Leben abwärts gieng, gieng auch das meine abwärts: kam ich auf den niedrigsten Punkt meiner im 36ten Jahr erreichte meine decadence, meine Halb Vitalität, – ich lebte

22

noch, doch ohne drei Schritt weit vor mich zu sehen. Im Jahr 1879 legte ich meine

24

Basler Professur nieder, lebte den Sommer über wie ein Schatten, in St. Moritz u

26

den nächsten Winter, den sonnenärmsten meines Lebens, in Naumburg. Dies war mein

28

minimum: der Scha „Wanderer u sein Schatten“ entstandAdabei. Unzweifel-

30

haft, ich war sah kannte michAals Schatten … Im Winter darauf, in der

18

währenddem.

damals

brachte die jene

meinem ersten Genueser Winter

die mit

Verarmung

Muskel

34

wunderlichsten Vergeistigung, wie sie eine extreme Armut an Fleisch u. Blut unter beinahe bedingt ist, die „Morgenröthe“ hervor. Die vollkommene Helle u. Heiterkeit Umständen

36

des Geistes verträgt sich bei mir nicht nur mit der tiefsten physiol. Schwäche, sondern

32

ununterbrochener

40

sogar mit einem extremen Schmerzgefühl. In jenen Höllenqualen, die ein dreitägiger Dialektiker= besaß mühseligemmühselig Schleim= stem Erbre chen mit sich bringt, hatte ich dasAgeistige Schmerz unter heftigem

42

Raffinement eines Dialektikers u. dachte Dinge durch, denen ich denen ich inAnormalen

d sche

Klarheit

zu

par excellence

gesünderen

Kletterer genug bin.

Verhältnissen nicht gewachsen bin.

44

Alle

)

38

nicht raffinirt

KGW VIII 24[1] 441,6-442,3, 442,6

W II 9c 87-132.indd 110

9: Verhältniß] > Verhältniß zum 10: Partei] Vk 12: kenne] Vk 28: entstand] Vk 30: kannte] Vk 31: Verarmung] Vk

32: Vergeistigung] ¿ 38: dreitägiger] Vk

15.05.15

111

W II 9

$

VIII 173. Bleistift

zum Leben

noch

fremdesten

Das Jasagen{selbst zu den höchsten u furchtbarsten Problemen, des Lebens, der Wille

2

en

4

-

noch

zum Leben im Opfer seiner höchsten TypenAseine eigene Unerschöpflichkeit genießend

113, 44 )

verstand

nießend suchend – das nannte ich dionysisch, das empfand ich als eine hohe hinein

6

Psychologie

als die eigentliche Brücke hinein ins Problem des tragischen Dichters. Nicht

8

um von Sch um von Schrecken u Mitleiden loszukommen, um sich von

10

einem gefährl Affekt wie durch eine vehemente Entladung desselben zu reinigen

12

– das war der Weg des Aristoteles: sondern über Schrecken u Mitleiden

14

hinaus die ewige Lust des Schaffens u Werdens zu genießen, seinen

16

Schrecken, sein Mitleiden unter sich zu haben …

18

10.

jene

Halbbetäubung, die das Fieber im Gefolge hat

20

)

krankhaften Störungen des Intellekts, selbst die Fieber mit ihren Betäubungen sind

die 10. ) 110,2

22

heute

mir bis auf die letzte Zeit vollkommen fremde Dinge, über deren Häufigkeit ich mich erst belesen

Wege zu hatte. gelehrtem habe unterrichten müssen.

Mein Blut läuft

je

Ein

24

Niemand langsam. kein

26

länger

Arzt hat Fieber bei mir constatiren können. Mein mich zuletzt als Nervenleidenden

;

+

auf

28

Nein!

behandelte, sagte zuletzt „nein von meinen an den Ihren

30

n

selber bin nur

Nerven liegts nicht, ich bin nervös.“ Voll-

32

*

lokale

kommen unnachweisbar irgend eine organische Entartung; keinBMagenleiden, wie sehr auch immer, als Folge organisch bedingtes

– ich hatte in den Krank34

heits =Jahren den Puls Napoleons:

36

dem Blindwerden sich gefährlich annähernd

der tiefsten Erschöpfung, die tiefste Schwächung des Auch das Augenleiden{Folge,

38

gastr. Systems hervortrat

40

Gesammt=

nicht ursächlich: so daß mit jeder Zunahme an Lebenskraft auch

42

die Sehkraft, als Gebrauchs = Funktion zugenommen hat. (Meine Leser wissen, in wiefern ich Dialektik als decadence =Symptom betrachte zum Beispiel

allerberühmtesten im, Fall, desBSokrates) dem des

KGW VIII 24[1] 440,28-441,6, 442,3-20

W II 9c 87-132.indd 111

:

44

w

) 108,2

46 48

2: Wille] Vk 4: im] Vk 4: seiner] Vk 6: suchend] Vk 6: dionysisch] ¿ 14: sondern] > sondern um 16: Werdens] ¿

16: genießen] ? 20: im] ¿ 24: letzte] ? 27: Ein] vgl. EH Warum ich so weise bin 1, 263,20-21 > Ein Arzt, der 30: Nervenleidenden] Vk 37: bedingtes] ¿ 44: Gebrauchs=Funktion] ?

15.05.15

W II 9

112

$

VIII 171. Bleistift

115,48 )

h

u

f

2

hat es mit allem Aufwande von Gelehrsamkeit zu verstehen gegeben, eigentlich habe es nichts

4

auf sich mit all diesen Curiositäten. In der That möchten die Priester den

6

Theilhabern solcher Orgien Einiges mitgetheilt haben, zum Beispiel daß

8

der Wein zur Lust anrege, daß der M. von Früchten lebe, daß die

10

Pflanzen im Frühling aufblühen, im Winter welken. Dazu hatte Was den

12

Ursprung der Riten u Mythen orgiast. Ursprungs betrifft, so wird er noch

14

um einen Grad geistreicher. Die Gr., sagt er Aglaoph. I, 672, hatten sie

16

nichts Anderes zu thun, so lachten, sprangen, rasten sie umher, oder,

18

da der M. mitunter auch dazu Lust hat, so saßen sie nieder, weinten

20

u jammerten. Andere kamen dann später hinzu u. suchten doch irgend

22

einen Grund für dies auffallende Wesen, und so entstanden zur Er=

24

klärung jener Gebräuche zahllose Festsagen u Mythen. Auf der anderen

26

Seite glaubte man, jenes possirliche Treiben, welches einmal an den

28

Festtagen stattfand, gehöre nun auch nothwendig zur Festfeier u. hielt

30

es als einen unentbehrlichen Theil des Gottesdienstes fest. – Aber selbst

Reichthum

abgesehen noch

32

selbst von diesem verächtlichen Unsinn dürfte man geltend machen, daß mit jenem dem ganzen dem

Adem ganzen Begriff „griechisch“, noch mehr dem Begriff „klassisch“, den Winckelmann unverträglich ist

34

u Goethe gebildet hatten, wird das dionys. Element unzugänglich: – ich

36

fürchte, Goethe selber schloß etwas derartiges grundsätzlich von den Möglichkeiten

38

der hell. Seele aus. Und doch spricht sich in den M dionys. Mysterien erst

40

der ganze Untergrund des hell. Instinkts aus. Denn was verbürgte sich der Hellene

42

mit diesen Mysterien? Das ewige Leben, die ewige Wiederkehr des Lebens,

erst

KGW VIII 24[1] 439,10-440,3

W II 9c 87-132.indd 112

4: sich] Vk 12: Ursprungs] Vk 14: Aglaoph.] ¿ 24: zahllose] ¿ 30: es] Vk 31: Unsinn] Vk

34: wird] nach Korrektur des Kontextes > uns 36: derartiges] ¿ 38: Mysterien] ¿ 42: Mysterien] ¿

15.05.15

113

$

W II 9 VIII 172 M. Bleistift

die Zukunft in der Zeugung verheißen u geweiht, das triumphirende

2

Jasagen über zum Leben über Tod u. Wandel hinaus, das wahre

4

Leben als das Gesammt =Fortleben in der Gemeinschaft, Stadt, Geschlechts=

6

Verbindung; das geschlechtl. Symbol als das ehrwürdigste Symbol über=

8

haupt, der eigentliche Symbol =Inbegriff der ganzen antiken Frömmigkeit;

10

die tiefste Dankbarkeit für jedes Einzelne im Akt der Zeugung der

12

Schwangerschaft, der Geburt. In der Mysterienlehre ist der Schmerz heilig

14

gesprochen: die „Wehen der Gebärerin“ heiligen den Schmerz überhaupt

16

alles Werden, Wachsen, alles Zukunft = Verbürgende bedingt den

18

Schmerz; damit es die ewige Lust des Schaffens giebt, muß es

20

ewig die Qual der Gebärerin geben … Ich kenne keine höhere

22

Symbolik – Erst das Chr. hat aus der Geschlechtlichkeit eine

24

Schmutzerei gemacht: der Begriff imm concep war der Inbe-

26

griff der höchsten seel. Grausamkeit, die bisher auf Erden

28

erreicht worden ist , .. sie warf den Schmutz in den Ursprung des

30

seelischen Niedertracht Niedertracht

Lebens …

32

$

VIII 173 (Nr. 5) Bleistift

Die Psychologie des Orgiasmus, als eines überströmenden Lebensgefühls, innerhalb dessen selbst der Schmerz nur als Stimulans wirkt, gab mir den Schlüssel zum

34

36

in Sonderheit

tragischen Gefühl, das sowohl von Aristoteles, als von Seiten der Pessimisten

38

im Tiefsten mißverstanden worden ist. Die Tragödie ist so fern davon, etwas

40

für den Pessimismus der Hellenen im Sinne Sch s zu beweisen, daß sie umgekehrt

42

Z

äußerste

gerade dessen extreme Überwindungsform ist Gegensatzform ist

KGW VIII 24[1] 440,4-28

W II 9c 87-132.indd 113

44

) 111,2

2: Zeugung] ¿ 26: imm concep] > immaculata conceptio 42: Sch s] > Schopenhauers 44: extreme] ¿

15.05.15

W II 9

114

$

VIII 168 u. Bleistift

117,46 )

2

in der „Moral“… Von der jämmerlichen Schönfärberei, die der klassisch gebil=

4

dete Deutsche als den Lohn für seinen „Ernst“ im Verkehr mit dem Alter-

6

thum einerntet, kurirt nichts so gründlich als Thukydides. Man muß

8

ihn Zeile für Zeile umwenden u. sein Nicht -Geschriebenes so deutlich ablesen

12

wie seine Worte: es giebt wenige so substanzenreiche Denker. In ihm kommt zu ihrem vollendeten die Sophisten =Cultur, will sagen die Realisten=Cultur in den Anfängen des

14

Ausdruck: diese unschätzbare Bewegung inmitten des eben allerwärts los-

16

brechenden Moral - u Ideal =Schwindels“ der sokratischen Schulen. Die griech. Philo-

18

sophisch als die decadence des griech. Instinkts; Thukydides als

20

die große Summe aller starken, strengen, harten Thatsächlichkeit, die dem

22

älteren Hellenen im Instinkte lag. Der Muth unterscheidet solche Naturen wie

24

Plato u Thukydides: Plato ist ein Feigling – folglich flüchtet

26

er ins Ideal – Thukydides hat sich in der Gewalt, folglich behält

28

er auch die Dinge in der Gewalt.

10

allen

der

VIII 169. Bleistift

30

32

9.

$

– „goldene Mitten u.

In den Griechen nicht „schöne Seelen“, „harmonische Bildwerke“ u niaiserie Allemande

harmonische Einheiten

KGW VIII 24[1] 437,20-438,13

W II 9c 87-132.indd 114

34

Winckelmannsche „hohe Einfalt“ wiederzuerkennen – vor solchemAUnfugAwar

36

ich durch den Psychologen behütet, den ich in mir trug. Ich sah ihren

38

stärksten Instinkt, den Willen zur Macht; ich sah sie zittern vor der

40

unbändigen Gewalt dieses Triebs, – ich sah alle ihre Institutionen wachsen

42

aus den Schutzmaßregeln, sich vor einander gegen ihren inwendigen Explosiv-

44

stoff zu schützen. Die ungeheure Spannung im Innern entlud sich dann in

2: Schönfärberei] ¿ 2: klassisch] Vk 6: Thukydides] ¿ 8: ihn Zeile] Vk 10: substanzenreiche] ¿ 12: Realisten=Cultur] Vk 16: Moral-] > „Moral18: sophisch] > sophie

20: harten] Vk 24: Thukydides] ¿ 24: Feigling] Vk 26: Thukydides] ¿ 30: Mitten] > Mitten“ 33: harmonische] ¿ 40: Institutionen] ¿

15.05.15

115

$

W II 9 VIII 169 u. Bleistift

rücksichtsloser Feindschaft gegen alles Auswärtige: die Stadtgemeinden

2

damit

zerfleischten sich, weil die Stadtbürger um diesen Preis sich selber

4

nicht zerfleischten. Man hatte nöthig, stark zu sein, – die pracht-

6

volle u geschmeidige Leiblichkeit des Griechen ist eine Noth, nicht

8

eine „Natur“ gewesen. Sie folgte, – sie war durchaus nicht von An-

10

fang an da. Und mit Festen u Künsten wollte man auch nichts Anderes

12

als

immer sichAstärker,

er

schön, vollkommener fühlen – : es sind Mittel der Die Griechen eigerungsmittel Selbstverherrlichung, Steigerungmittel des Willens zur Macht. – Das „Schöne Moral nach ihren Philosophen be an sich“, die objektive urtheilen! die Moral=Weisheit der philos. Schulen zu Aufschlüssen benutzen, was griechisch war! Dergleichen galt mir immer Feinheit

16

M

18

,

20

Geschmack.

22

die Gegenbewegung gegen den klassischen Geschmack

auszeichnet

Deutschen haben … Die Philos. sind ja die décadent des Griechenthum!{ predigt

24

zu fehlen anfiengen

Die sokrat. Tugenden wurden gepredigt, weil sie den Griechen fehlten … das auf den zum Verständniß des älteren Hellenen Ich war der Erste, derAjenes wundervolle Phänomen, dionysischen Ursprungs Namen Dionysos getauft ist, zum Verständniß des älteren Hellenen{ernst nahm. Will sehe

26

28

*

wieder

*

a

gegen den vornehmen

als immer nur als Beweis deutscher für das psychol. Genie, das die

$

14

30

aus der Nähe

man den Gegensatz, so lese man die verächtliche LeichtfertigkeitAan,

32

mit der seiner Zeit der berühmte Philologe Lobeck diese Dinge behandelt hat

34

Mein verehrungswürdiger Freund Jakob Burckhardt in Basel verstand durchaus, daß

36

damit Etwas Wesentliches gethan sei: er fügte seiner Cultur der Griechen

38

einen eigenen Abschnitt über das Problem bei.

40

Lobeck, der mit der ehrwürdigen Sicherheit eines zwischen Büchern ausgetrockneten

42

Wurms in diese Welt geheimnißvoller Zustände hineinkriecht u sich überredet

VIII 171. Bleistift

44

wenn

eben damit wissenschaftlich zu sein, daß er nur bis zum Ekel frivol u anmaaßlich ist

KGW VIII 24[1] 438,13-439,10

W II 9c 87-132.indd 115

46 48

) 112,2

4: zerfleischten] ¿ 10: folgte] Vk 24: décadent des Griechenthum] > décadents des Griechenthums 31: sehe] Vk 34: diese] Vk

15.05.15

W II 9

116

$

VIII 167. Bleistift

119,44 )

2

Nicht anders ergieng es mir bei der ersten Berührung mit Horaz. Bis heute habe ich

4

an keinem anderen Dichter dasselbe artistische Entzücken wiedergefunden, das mir eine

6

Horazische Ode macht. In gewissen Sprachen, zb. im Deutschen ist das, was hier er-

8

reicht nicht, nicht einmal zu wollen. Dies Mosaik von Worten, wo jedes Wort,

10

als Klang, als Ort, als Begriff, nach rechts links u. über das Ganze hin seine Kraft

12

ausströmt, dies minimum von Umfang der Zeichen, dies damit erreichte maxi-

14

mum von Energie des Zeichens – das Alles ist römisch u, wenn man mir

16

glaubenA, vornehm par excellence: der ganze Rest von Poesie wird

18

dagegen eine Gefühls =Geschwätzigkeit. Ich möchte am wenigsten den Reiz

20

vergessen, der im Contrast dieser Granitenen Form u. der anmuthigsten liber-

22

tinage liegt: – das Ohr ist entzückt über diesen Widerspruch von Ernst

m

24

u Spiel. Der dritte unvergleiche Eindruck, den ich den Latein{ver-

ser

26

danke, ist Petronius. Dies geistreiche Übermuths in Wort, Satz, Raf-

will

mein

Form

Sinn.

ern

prestissimo des

u Sprung der Gedanken

sich vor nichts in der Mischung AfinementAdes Vulgär = u. „Bildung“=Lateins, diese unbändige gute Laune, die jede Art

dies Raff 28

u.

jede Art

muthwilligste

Animalitäten

u. Bestialität

30

fürchtet u. über die ausgelassenste Animalität der antiken Welt mit Grazie hinweg-

32

springt, diese absolute Freiheit vor der „Moral“, vor den tugendhaften Armselig-

34

keiten „schöner Seelen“ – ich wüßte kein Buch zu nennen, das im Entferntesten

36

einen ähnlichen Eindruck auf mich gemacht hätte. Daß der Dichter ein Provencale

38

ist, ist beinahe mein physiologischer Instinkt: man muß den Mistral im Leibe

40

haben, um solche Sprünge zu machen. Unter Umständen, wenn ich nöthig hatte, mich

42

von einem niedrigen Eindruck zu befreien, zum Beispiel von einem Studium des

souveräne

sagt mir

44 46

KGW VIII 24[1] 435,29-436,26

W II 9c 87-132.indd 116

Apostel Paulus, genügten mir ein Paar Seiten Petronius, um mich vollkommen wieder gesund zu machen.

6: Horazische] ¿ 6: Deutschen] Vk 8: nicht,] > ist, 24: unvergleiche] > unvergleichliche 28: Bildung“=] > Bildungs“= 38: physiologischer] ¿

44: Apostel] ¿

15.05.15

117

W II 9

$

VIII 167. Bleistift

u wenn man glauben will, die Gr. können uns das nicht sein, was die Römer sind. Man imperativ 8. lernt nicht von den Griechen, – sie sind uns zu fremd, sie sind sind auch zu flüssig, um gesetzlich zu wirken

Den Griechen verdanke ich durchaus keine verwandten Eindrücke; im Verhältniß u habe nie ein gründlicher namentlich zu Plato bin ich zu sehr Skeptiker, um zu in die Bewunderung des Artisten Plato, die unter Gelehrten üblich ist, einzustimmen vermocht. Er wirft, wie mir scheint, alle Formen des Stils durcheinander: er hat Etwas Ähnliches

auf dem Gewissen, wie die Cyniker, welche die Satura Me

2

4

6

8

10

12

ä

Platonische

nippea erfanden. Daß derADialog, die entsetzlich selbstgefällige

14

als Reiz wirken kann

u kindliche Dialektik reizvoll sei, dazu müßte man niemals gute Fran

16

zosen gelesen haben. Zuletzt geht mein Mißtrauen in die Tiefe bei Plato:

18

ich finde ihn so abgeirrt von allen Grundinstinkten des Hellenen, so

20

verjüdelt, so präexistent =christlich in seinen letzten Absichten, daß

22

ich von dem ganzen Phänomen Plato eher das harte Wort „höherer

24

Schwindel“ gebrauchen möchte als irgend ein anderes. Man hat theuer

26

dafür bezahlt, daß dieser Athener bei den Ägyptern in die Schule

28

u

wahrscheinlich

gieng (– zuletztAbei den Juden in Aegypten …) In dem großen Ver

30

hängniß des Christenthums ist Plato eine jener verhängnißvollen Zweideutig-

32

keiten, die den edleren Naturen des Alterthums es machlich machten, die

34

Brücke zu betreten, die zum „Kreuz“ führte … Meine Erholung,

36

meine Vorliebe, meine Kur von allem Platonismus war jeder Zeit Thuky-

38

dides. Thukydides u, vielleicht, der principe Macchiavells, sind mir

40

ten

verwandt

selber am meisten verwandt, durch den unbedingten Willen, sich nichts

42

vorzumachen u. die Vernunft in der Realität zu sehen, – nicht

44

in der „Vernunft“, noch weniger

KGW VIII 24[1] 436,27-437,20

W II 9c 87-132.indd 117

1: man] > man mir 3: sind sind] > sind 4: Eindrücke;] Hinzufügung Z. 1-3 10: alle] ¿ 12: Ähnliches] ¿ 34: machlich] nach unvollständiger Korrektur > möglich

46



) 114,2

40: Thukydides] ¿ 40: Macchiavells] ¿ 46: weniger] Vk

15.05.15

118

+

W II 9

$

Ecce homo Bleistift 121,42 )

2

die Grobheit nicht unterschätzt wissen: sie ist die humanste Form eines Widerspruchs. immer noch

Auch scheint es mir, daß der gröbste Brief gutartiger ist als Schweigen. +

Ich möchte überhaupt 4

Solchen, die schweigen, fehlt es immer an Feinheit und Höflichkeit des

6

Herzens. – Wenn man reich genug dazu ist, ist es ein Glück, Unrecht

8

zu haben; man verträgt sich auf s Beste mit mir, wenn man mir eine Gelegenheit giebt,

.

10

von Zeit zu ZeitAerlaubt Unrecht zu haben. Nichts verbessert

12

eine Freundschaft so als von

14

Fällen, wo ich ein entschiedenes Nein bis zum Krieg aufs Messer

16

bekenne, würde man einen argen Fehlschluß machen, gerade da

18

eine im Hintergrunde verborgene Fülle schlimmer Erfahrungen voraus=

20

zusetzen. Wer einen Begriff von mir hat, darf umgekehrt schließen.

22

Ich gestatte mir keine Sachen-Feindschaft,Awo die geringsten Per-

24

sonen=ZwiespältigkeitAmitspielt. Wenn ichBdem Christenthum den Krieg mache,

N

immer wieder aus nichts giebt ihr eine solche Frische … Grunde,AIn jenen nicht unbekannten

solange

noch

Ich zeichne dort aus, wo ich angreife. zu

Daß

zb

aus

26

so steht mir dies einzig deshalbA, weil ich nie von dieser SeiteATrübes u.

28

Trauriges erlebt habe, – umgekehrt die schätzenswerthesten Menschen, die ich

30

kenne, sind Christen ohne FalschA, ich trage es den Einzelnen am letzten nach,

32

was das Verhängniß von Jahrtausenden ist. Meine VorfahrenAwaren protestan

34

tische Geistliche: hätte ich nicht einen hohen und reinlichen Sinn von

36

ihnen her mitbekommen, so wüßte ich nicht, woher mein Recht zum Kriege mit

38

dem Christenthum stammte.AEin anderer Fall: ich habe aus meinen Be=

40

ziehungen zu Wagner u zu Frau Wagner nur die erquicklichsten und er-

42

hebendsten Erinnerungen{: genau dieser Umstand erlaubte mir

daß ich hundert Gründe habe gewesen

selbst

) 43

ist

da selbst Meine Formel für : der Antichrist ist die nothwendige Logik eines echten Christen in der Entwickl eines echten Christen

zurückbehalten

37 )

KGW VIII 24[1] 434,8-435,2

W II 9c 87-132.indd 118

: in mir überwindet sich das Chr. selbst

10: verbessert] Vk 12: unbekannten] Vk 14: aufs Messer] Vk 20: schließen.] Vk 22: geringsten Per-] Vk, > geringste Per38: Einfügungszeichen verlängert

42: erlaubte] Vk

15.05.15

119

des Blicks

überhaupt

jene NeutralitätA, das Problem WagnerAals Cultur =Problem zu sehn für

2

W II 9

O

denen ich, wie

und vielleicht zu lösen … Selbst gegen Antisemiten, als Charaktere,

4

man weiß, am wenigsten hold bin

als achtbare und willensstarke, wie sehr auch immer befangene Naturen

6

manches

würde ich, meinen nicht unbeträchtlichen Erfahrungen nach, vieles Günstige geltend zu machen haben: dies hindert nicht, dies bedingt viel=

8

10

– er ist einer der krankhaftesten Auswüchse der so absurden, so unberechtigten

mehr, daß ich dem Antisemitismus einen schonungslosen Krieg mache.

12

Wo ich verachte, mache ich keinen Krieg: – da soll man vorübergehn.

14

Also sprach Zarathustra.

reichsdeutschen Selbst=

16

=Anglotzung … bewunderung …

18

Auch haben mir strenge Chr eine große Achtung erwiesen, als Einem der

7.

auf seine Weise fromm ist u. den „Vortheil“ verachtet.

Es liegt nicht in meiner Art, Vieles u Vielerlei zu lieben: auch

20

in meinem Verkehr mit Büchern habe ich im Ganzen mehr eine Feind-

22

seligkeit als eine Toleranz, ein „Herankommen = lassen“ im meinem Instinkte. Und

24

das von Kindesbeinen an. Es ist im Grunde eine kleine Anzahl Bücher, die

26

in meinem Leben mitzählen; es sind die berühmtesten nicht darunter

28

Mein Sinn für

für das Epigramm als Stil Stil,Aerwachte fast mit

Einem Schlage bei der ersten

n

30

Berührung mit Sallust: ich vergesse das Erstaunen meines verehrten Lehrers

32

geben

Corssen nicht, als er seinem schlechtesten Lateiner die allererste Censur wegen , – er lud mich zu sich ein. mußte, die er

34

so

einer Arbeit vergeben konnte. Gedrängt, streng, mit viel Substanz auf

36

als möglich

dem GrundeA, – eine kalte Bosheit gegen das „schöne Wort“ u das „schöne“

38

Gefühl“: daran errieth ich mich. Man wird, bis in meinen Zarathustra

40

eine sehr

eine ernsthafte

hinein, eine Art Ambition nach römischem Stil, nach dem

42

„magnum in parvo“, nach dem „aere perennius“ wiedererkennen.

44

KGW VIII 24[1] 435,2-29

W II 9c 87-132.indd 119

) 116,2

12: Krieg] Vk

15.05.15

W II 9

120 fast jedem Instrumente etwas Besonderes abzu

)

Thier Auch wußte ich im Verkehr mit dem Zufall von Mensch uAB

122,42 )

2

auch war mir für den Verkehr, vorausgesetzt, daß ich nicht krank war, Jeder noch

4

Etwas Anhörbares mit den Fingern abzugewinnen wußte

Aein Instrument, dem ich seine ungewohntesten Töne abgewann. Wie von den „Instrumenten“ selber die sich noch nie so gehört hatten, –

6

oft habe ich das zu hören bekommen, eine Art Verwundern, über sich gleichsam als ob …

d

8

selber seitens meiner Unterredner: „Dergleichen ist mir nie bisher

10

in den Sinn gekommen“… Am schönsten vielleicht von jenem un=

12

verzeihlich jung verstorbenen Heinrich von Stein, der einmal,

14

nach sorgsam eingeholter Erlaubniß, auf drei Tage in Sils er-

16

schien, Jedermann erklärend, daß er nicht des Engadin wegen

18

gekommen sei. Dieser ausgezeichnete Mensch, der mit der ganzen eines pre ußi

eines

ungestümen

schen

Junkers

mitten

20

tapferen EinfaltAseiner Natur in den Wagner’ schen Sumpf hinein-

22

gewatet{ bis an die Ohren – „ich verstehe nichts von Musik“

24

bekannte er mir – war diese drei Tage lang wie umgewan-

26

delt durch einen StromAvon Freiheit, gleich Einem, der plötzlich

28

in seinAElement geräth und Flügel bekommt. Ich sagte ihm im-

war (– und außerdem auch noch in den Dühringschen!…)

Sturm

Höhe

30

neuer

gehoben wird

mer, das mache die gute Luft hier oben, so gehe es Jedem, man sei nicht umsonst 6000 Fuß über Bayreuth –,

32

Aaber er wollte mir’sBnicht glauben … Wenn trotzdem an mir durchaus

34

mancherlei große und kleine Missethat verübt ist worden ist, so war

36

nicht der „Wille“, am wenigsten der böse Wille der Grund davon:

38

eher schon hätte ich mich über den guten Willen zu beklagen, der keinen kleinen

40

Adaß er Unfug in meinem Leben angerichtet hat. Meine Erfahrung überhaupt

42

KGW VIII 24[1] 432,27-433,16

W II 9c 87-132.indd 120

giebt mir ein Anrecht auf MißtrauenAhinsichtlich der hülfbereiten,

19: in Ms nicht übereinander 20: Einfügungszeichen verlängert 28: Flügel] Vk 31: über] Vk

15.05.15

121

)

daß mir Etwas Übles angethan

gewinnen – u was für verstimmte Instrumente ertönten ..

W II 9

27 )

werden kann

zu Rath, zu Thaten schreitenden „Nächstenliebe“ –, ich werfe ihr vor, mit ihren die Scham, die Ehrfurcht, der Instinkt für Distanzen daß ihr die Delikatesse,Aleicht abhanden kommt, daß sie die in in in hülfbereiten HändenAein erhabenes GeschickA, eine Vereinsamung unter Wunden, ein Vorrecht auch Ehrfurcht, das Vorrecht, das Sonder=Geschick im Glauben zu Leiden

selbst

2

4

6

unter Umständen geradezu

nützen, leicht schädigt{auf großesAUnrechtAunheilvoll hinein=

8

zerstörerisch

Nicht ohne Grund ich

greift. – Ich habe als „Versuchung Zarathustra’ s einen Fall gedichtet

10

wo ein großer Nothschrei an ihn kommt, wo das Mitleiden wie

12

eine letzte Sünde ihn überfallen will: hier Herr bleiben,

14

hier die Höhe seiner Aufgabe rein halten von den viel

16

niedrigeren und kurzsichtigeren Antrieben, welche in den soge=

18

nannten selbstlosen Handlungen thätig sind, dies ist eine Probe,

20

u wer Seines Gleichen ist

die letzte Probe, die ZarathustraAvor sich selber abzulegen hat. –

22

st das

bloß mein Vater u sein Leben nach dem Tode. 6.bin ich bloß der eine Art Noch in einem anderen Punkte

24

diesem

Gleich Jedem, der nie unter seines Gleichen lebt und ausAseinem

26

glaube ich nicht daran, daß mir irgend Etwas vergolten werden kann

)1

Schicksal zuletzt seine Kunst und Menschenfreundlichkeit macht, wehre ich

28

mich in Fällen, wo eine kleine oder sehr große Thorheit gegen mich

30

Vergeltung

begangen wurde, gegen irgend eine Gegenmaßregel, es sei denn die,

32

der Dummheit so schnell wie möglich eine Klugheit nachzuschicken:

34

ein

so holt man sie vielleicht nochA. Man hat nur Etwas an mir schlimm

36

zu machen, ich vergelte es, dessen sei man sicher: ich finde in

38

dem Übelthäter Missethäter

Kürze eine Gelegenheit,Aihm meinen Dank für irgend Etwas auszudrücken ist

zu

oder ihn um Etwas zu bitten (– was verbindlicherAalsAgeben …)

KGW VIII 24[1] 433,17-434,8

W II 9c 87-132.indd 121

40

5: erhabenes] Vk 8: großes] Vk 9: in Ms nicht übereinander 10: Zarathustra’s] > Zarathustra’s“ 18: niedrigeren] Vk 18: Antrieben] Vk

42˙

) 118,2

20: selbstlosen] ¿ 32: Gegenmaßregel] Vk 39: Missethäter] ¿ 40: Kürze] Vk 40: auszudrücken] Vk

15.05.15

W II 9

122

$

Ecce Bleistift

125,42 )

2

zu unfaßlich ausdrücke, von mir eine Erläuterung, eine Wiederholung zu

4

verlangen. Ein Lehrer habe die Aufgabe, sich jeder Intelligenz zu=

6

gänglich zu machen … Man hat mir gesagt, daß dieser Kunstgriff stär-

8

ker wirkte, als irgend ein Tadel. – Ich habe weder im Verkehr mit

10

Schülern, noch mit Studenten, je eine Schwierigkeit empfunden, obschon

12

zu Anfang meine vierundzwanzig Jahre mich ihnen nicht nur näherten.

14

Insgleichen gab mir das Prüfen bei Doktor =Promotionen keinen Anlaß,

16

irgend welche Künste oder MethodenAzuzulernen: was ich instinktiv handhabte,

18

war nicht nur das Humanste in solchen Fällen, – ich befand mich dabei

20

selber{vollkommen wohl, wenn{ich die Promovenden in gutes Fahrwasser{

noch

em auf

es

erst

sobald

gebracht hatte.

wußte

22

Abrachte. Jedermann hat in solchen Fällen so viel Geist – oder so

24

wenig – als der verehrliche Examinator hat … Hörte ich zu, so

26

schien es mir immer, daß im Grunde dieAExaminatoren geprüft wür=

28

den. –

Herrn

5.

30

– auch das verdanke ich meinem unvergleichlichen Vater sogar

Ich habe nie die Kunst verstanden, gegen mich einzunehmen, selbst

32

noch 34

Ich bin sogar, wie sehr das auch unchristlich sein mag, nicht einmal gegen mich

wenn es mir von großem Werthe schien:, zu diesem Ziele zu gelangen.{Man

)

scheinen keine

36

mag mein Leben hin und herwenden, man wird darin nicht die An-

38

zeichen davon finden, daß je Jemand bösen Willen gegen mich

b

40

gehabt hate. Meine Erfahrungen selbst mit Solchen, an denen Jeder=

) 120,2

42

mann schlechte Erfahrungen macht, sind ohne Ausnahme zu deren Gunsten;

sprechen

sittsam. : ich zähme jeden Bär, ich mache die Hanswürste ernst. ernst.

KGW VIII 24[1] 432,4-27

W II 9c 87-132.indd 122

2: Wiederholung] Vk 12: nur] Vk 30: unvergleichlichen] ¿

15.05.15

123

)

eingenommen.

allein Was mirAnicht gelingt, Deutsche intelligent machen …

W II 9c 87-132.indd 123

W II 9

2

4

15.05.15

W II 9

124

beinahe

127,44 )

2

Ich habeAunerträgliche Verhältnisse, Orte, Wohnungen, Gesellschaft, nach-

4

dem sie einmal, durch Zufall, gegeben waren, jahrelangAfestgehalten,

zäh

ohne Widerspruch von vornherein

6

nicht mit Willen, sondern zäh, aus jenem Instinkt heraus, – es

8

war jedenfalls weiser als zu ändern,Azu „experimentiren“. Das Ex-

10

perimentAgegen den Instinkt des Leidenden: in einem hohen Sinn

12

könnte man esAden Beweis der Kraft nennen. Aus seinem Leben

14

selbst ein Experiment machen – das erst ist Freiheit des Geistes,

16

das wurde mir später zur Philosophie …

als

geht

geradezu

es …

3.

18

20

Die Langeweile gehört, wie mir scheint, nicht gerade zu den Leiden der

22

Leidenden; wenigstens fehlt mir alle Erinnerung dafür. Umgekehrt war die

24

böse Zeit meines Lebens reich für mich durch eine gewisse neue Erfindsamkeit –

26

die Kunst der nuances, die feine FingerfertigkeitAder nuances. Ich würde

28

das raffinement überhaupt verstehen als eine Verzärtelung des Getasts

30

bis ins Geistigste hinauf; auch noch jene Art liebevoller Rücksicht und

32

Vorsicht im Verkehr, die Kranken eignet, gehört dahin, – sie scheuen die{

34

$Berührung …

36

man transponirt sie gleichsam: der Alltags =Zufall wird durch ein sub-

38

limes Sieb gesiebt u. sieht sich selber nicht mehr gleich. Zuletzt war ich da-

40

mals über die Maaßen dankbar, wenn irgend etwas Feines und Ausgewähltes

42

von Intelligenz,Asich in meine Nähe verschlug, während eine gewisse Ungeduld gegen

in der Handhabung von

allzu nahe

Man hört in diesen Zuständen selbst gemeine Sachen ungemein,

von Charakter

Litteratur!…

125,43 )

KGW VIII 24[1] 430,15-431,7, 431,24

W II 9c 87-132.indd 124

8: weiser] Vk 22: Erinnerung] Vk 24: Lebens] Vk 26: Fingerfertigkeit] Vk 30: noch jene] Vk 30: liebevoller] Vk

32: die Kranken eignet] Vk 34: diesen Zuständen] Vk 34: gemeine Sachen] Vk 38: selber] Vk 40: und] Vk 42: Nähe] Vk

15.05.15

125

immer mehr

Deutsche und DeutschesAdamals bei mir Instinktiv wurde. Mit Deutschen verlor

2

ich meine gute Laune, meinen Geist – und nicht minder meine Zeit …

4

Die Deutschen machen die Zeit länger … Anders steht es, wenn der

6

mir

W II 9

i

genug

Deutsche zufällig Jude oder Jüdin ist. Es ist wunderlich, wenn ich her

8

meine

Anachrechne, daß zwischen 1876–86 ich fast alleAangenehmen Augenblicke im Zufall des Verkehrs ich Juden oder

sind werden. JüdinnenAverdanktA. Die Deut-

10

zu

12

e

darin liegt

schen unterschätzen, welche WohlthatAes ist, einem Juden zu begegnen, –

14

man darf sogar ungestraft

man hat keine Gründe mehr, sich zu schämen, intelligent zu sein … fand

16

immer

IchAhalte die DeutschenAfür zu flach, als daß es sich lohnte, mit ihnen über= es

nehmen. –

{ernst zu werden. –

18

umsomehr in D euts chl a Vielleicht bin ich jetzt wieder gesund genug für mich gelohnt hätte nd

20

22

Höhe als Franzosen, nicht als Juden. –

Im Grunde gehöre ich zu jenen unfreiwilligen Erziehern, welche keine

24

26

daß ich in 7 Jahren Unterricht an der obersten Klasse des Basler

28

Pädagogiums keinen Anlaß hatte, eine Strafe zu verhängen, und daß,

30

wie mir später bezeugt worden ist, die Faulsten bei mir noch fleißig

32

waren, zeugt einigermaßen dafür. Eine kleine Klugheit aus jener Pra=

34

xis ist mir im Gedächtniß geblieben: im Fall, wo ein Schüler im Wiederho=

36

len dessen, was ich die Stunde vorher auseinandergesetzt hatte, durchaus

38

unzureichend blieb, nahm ich die Schuld davon stets auf mich, – sagte

40

zum Beispiel, es sei Jedermann’ s Recht, wenn ich mich zu kurz,

42

Ich möchte dasselbe auch von Offenbach behaupten, diesem unzweideutigen Musiker, der nichts Anderes was er war – sein wollte als ein genialer Buffo, im Grunde der letzte M. der noch M. machte u nicht

2: und Deutsches] Vk 2: bei] Vk 2: wurde] Vk 2: Deutschen verlor] Vk 4: Geist] Vk 4: meine Zeit…] Vk 6: machen] Vk 6: der] Vk 10: ich] Vk

ie ) 43

Principien zur Erziehung brauchen, noch haben. Die Eine Thatsache,

W II 9c 87-132.indd 125

.

haupt

. sogar für Deutsche. – In Frankreich sehe ich die Nothwendigkeit nicht ein, warum es Juden giebt,: 4. Meilhac u Halévy, die besten Dichter, denen mein Geschmack Unsterblichkeit verspricht, erreichen diese

KGW VIII 24[1] 431,7-432,4

, unter auf

Palmen wandeln …

) 122,2

. 23 ) ) 124,43

10: angenehmen Augenblicke] Vk 12: ich Juden] Vk 14: einem Juden zu begegnen] Vk 16: keine] Vk 16: intelligent zu] Vk 18: daß] Vk 19: es] Vk 23: Meilhac] ¿ 43: M. der noch M.] > Musiker der noch Musik

15.05.15

W II 9

126

e

in Einer Nachtwache niederzuschreiben Ehrgeiz

128,44 )

2

lateinische Abhandlung, mit der heimlichen Ambition, es meinem

4

Vorbilde Sallust in Strenge und GedrängtheitAgleichzuthun,Adies stand

6

schon als ich Schüler in der ehrwürdigen Pforta war, nicht im

8

Widerspruch zu meiner Physiologie,A– wie sehr auch immerAzur

des Stils u einigen Grog dabei nachzugießen,

auch nicht zu Sallust …

vielleicht

10

ehrwürdigen Pforta!.. Später, gegen die Mitte des Lebens hin,

12

entschied ichAfreilich immer strenger gegen jedwedes „geistige“ Ge-

14

tränk. Ich ziehe Orte vor, wo man überall Gelegenheit hat, aus flie-

16

ßenden Brunnen zu schöpfen (– Nizza, Turin, Sils); ich wache

18

Nachts nicht auf, ohne Wasser zu trinken. In vino veritas: es

20

scheint, daß ich auch hier wieder über den Begriff „Wahrheit“

22

mit aller Welt uneins bin, – der Geist schwebt{über dem

24

Wasser …

mich

– ich, ein Gegner des Vegetarismus aus Erfahrung, weiß nicht hoch genug die absolute Enthaltung von Alcohol. anzupreisen.

bei mir

Die Freiheit vom Ressentiment – wer2. weiß, wie sehr ich darin auch meiner langen Krankheit zu ernstesten

26

Dank verpflichtet bin. Das Problem ist nicht gerade einfach. 28

Gegen die Krankheit, deren Wohlthaten gerade von mir am we= gewürdigt werden

30

in ihr sich der 32

Wenn irgend Etwas gegen Krankheit überhaupt geltend gemacht werden kann, so ist es daß

nigstens unterschätzt werden sollen, würde ich einzuwenden haben, daß u Wehr

Man weiß nicht

sie die Wehr- und Waffen-{Instinkte des Menschen schwächt. Ich habe mich loszukommen, man weiß nicht fertig zu werden, man weiß nicht zurückzustoßen

) 43 34

lange Jahre hindurch weder gegen eine wohlwollend zudringliche

36

Hülfsbereitschaft, noch gegen tölpelhafte, ins Haus fallende „Ver

38

ehrer“ und anderes UngezieferAzu vertheidigen gewußt; jene Fäl-

40

le, wie billig, noch abgerechnet, denen Niemand entgeht, etwa

genügend

wenn

42

33 )

Adaß junge lüderliche Gelehrte, unter dem Vorwande der „Verehrung“, alle alle die Dinge kommen, wie die M. zudringlich nahe, die Erlebnisse treffen zu tief, die Erinnerung ist eine offene Wunde.

KGW VIII 24[1] 429,2-25

W II 9c 87-132.indd 126

13: Alcohol.] ¿ 14: Gelegenheit] Vk 27: verpflichtet] ¿ 29: ist es] ¿ 29: gewürdigt] ¿ 30: nigstens] > nigsten

40: etwa] Vk 42: unter] Vk

15.05.15

127

W II 9

* sein Kunststück ist, Dinge überhaupt nicht mehr anzunehmen, hineinzunehmen, – eine Art Fatalism.

Einen „anzupumpen“ ins Haus fallen. Ein Kranker hat Mühe Menschen u.

Erinnerungen

2

*

damit, Dinge loszuwerden, Menschen{eingerechnet: eine Art

4

Fatalismus, der „sich in den Schnee legt“, nach Art eines russi=

6

welchem

endlich

schen Soldaten,Adem der FeldzugAzu hart wird., ein Fatalismus

8

Selbst=erhaltungs=

ohne Revolte gehört zu seinen untersten Instinkten. Man versteht, Viel

dh.

10

zu immer schmerzhaften

vom Weibe, als einem zum Leiden verurtheilten und unfrei=

12

v

u. heftigen überreizbarenResonanzen der Eindrücke

s

willig fatalistischen Wesen, wenn man diese Art Selbst=Erhaltungs=

14

allzulangen

Instinkt begreift. So wenig Kraft wie möglich ausgeben, – sich

16

mehr

nicht mit Reaktionen verschwenden – eine gewisse SparsamkeitA

18

im

aus der Armut an Kraft: dies ist die große VernunftAjenes Fata-

20

lismus. Physiologisch ausgedrückt: eine Herabsetzung des Stoff=

22

verbrauchs, dessen Verlangsamung, – mit nichts brennt man

24

N

26

r

AKranke die schädlichsten aller möglichen Zustände: eine Religion,

28

er

wie die Buddha’ s, welche wesentlich mit Geistig = Raffinirten und

30

g r

Physiologisch =Ermüdeten

zu thun hatte, wendete sich deshalb mit

32

p

dem Hauptgewicht seiner Lehre gegen das Ressentiment. „Nicht

34

r

durch Feindschaft kommt Feindschaft zu Ende: durch Freundschaft

36

der Ärger, die Lust nach Rache

rascher ab als mit Affekten. Das RessentimentAzumalAist für – das sind für

ihrer

war

kommt Feindschaft zu Ende.“ Der BuddhismusAist keine Moral,

38

=Cruditäten

– es wäre ein tiefes Mißverständniß, ihn nach solchen VulgärAforEuropas

das

ist,

war

men, wie Judenthum u. Christenthum{, abzuwürdigen: erAist eine Hygiene. –

KGW VIII 24[1] 429,26-430,14

W II 9c 87-132.indd 127

40

42

44

) 124,2

8: hart] Vk 12: verurtheilten] Vk 20: Fata-] Vk 28: aller] Vk 40: Vulgärfor-] Vk 42: eine] Vk

15.05.15

W II 9

128 „Vorfahren“

130,42 )

a

2

seit Alters her Alles auf dem Gewissen! Die Suppe vor der Mahlzeit

4

(– noch in italiänischen Kochbüchern des 16ten Jhds alla tedesca genannt);

6

die ausgekochten Fleische; die fett u. schwer gemachten Gemüse;

8

die unverdauliche Species der MehlspeisenA. Rechnet die gerade viehi=

k

r

zum M MagenKlotz

Entartung

Briefbeschwerer zum Holzklotz

man noch

auch

Biedermanns

10

schen Nachguß = Bedürfnisse unserer des deutschenAVorzeit hinzu, so ver-

12

steht man die Herkunft des „deutschen Geistes“ – aus dem ver-

14

dorbenem Magen … Aber auch die englische Diät, die, im Vergleich zur

16

deutschen, eine wahre Rückkehr zur „Natur“,Aauch zur Vernunft

18

ist – geht meinem eigenen Instinkt tief zuwider: es scheint mir, daß

20

sie dem Geiste „schwere Füße“ giebt, – Engländerinnen- Füße …

22

Daß mir Alcoholica nachtheilig sind, daß ein Glas Wein oder

24

Bier des Tags vollkommen ausreicht, mir das LebenAunerträglich

kranken dem Eingeweiden …

auch

der deutsche Geist ist eine Indigestion …

n

will sagen zum Rostbeaf,

*

um

aus dem

eine Schopenhauerei

„Jammerthal“

g

26

zu machen, habe ich auch ein wenig zu spät begriffen, – erlebt hatte

28

ich’ s eigentlich von Kindesbeinen an. Als Knabe glaubte ich, Weintrin-

30

ken sei wie Tabakrauchen anfangs nur eine vanitas junger Bur-

32

schen, später eineAAnGewöhnung.AZu glauben, daß der Wein erhei=

34

terte, dazu müßte ich Christ sein, will sagen, glauben, wasAfür mich

36

eine Absurdität ist. Seltsam genug, bei einer extremen Verstimm-

38

barkeit durch stark verdünnte,Anoch so kleine Dosen Alkohol bin ich bei-

40

nahe unempfindlich gegen starke Dosen: und mit einem Grog see-

42

männischen Kalibers wirft man mich am wenigsten um. Eine lan-

schlechte

Vielleicht war daran auch der Naumburger Wein schuld. – gerade

außerordentlichen

wenn auch

ein Seemann

letzten

) 126,2

KGW VIII 24[1] 428,10-429,2

W II 9c 87-132.indd 128

44

ernsthaften Kalibers . Schon als Knabe hatte ich hierin meine Tapferkeit.

ge

1: zu Zeile 9 8: Mehlspeisen] Vk 8: gerade] > geradezu 20: schwere Füße] Vk 43: Kalibers] ¿ 44: meine] Vk

15.05.15

129

W II 9

Es ist mir gänzlich entgangen, inwiefern ich ein „sündhafter“ M sein sollte. 2.

kenne ich nicht aus Erfahrung

Eigentliche religiöse Schwierigkeiten sind mir immer fremd geblieben. Was ich

ein Skrupel ist, weiß ich nicht. Insgleichen

ein zuverlässiges Criterium dafür Erlebniß dafür fehlt mir jedes Erfahrung darüber,

mir ein zuverlässiges Criterium dafür,

waren

,i

nicht einmal

auch 10

kenne

Fragen

genugAgewesen., hier noch Probleme zu sehen. Ich habe den Atheismus nicht als – es ist

12

bei mir von selbst bei mir als Instinkt

ein Ergebniß, noch weniger als einen Lohn: er versteht sich als Voraussetzung, – ich war zu neugie

8

als Kind schon

Zweifel fieng damit an, ob man nicht das Böse, – ich binAnicht kindlich dazu

6

Nachdenkens

dies Sünde – dergleichen sind mir nie Gegenstand desAZweifels gewesen: mein

auf seine

14

auf eine bescheidene Weise Weise neugierig

vorausgesetzt, damit nämlich daß manArechtschaffen ist geboren{ist … Die Welt ist

16

man

u. räthselhaft

anziehend{genug, daß man sich überflüssiger Fragen entschlagen darf, – um wie viel :

er

ist eine Frage mehr

18

doch nur erklärt nichts, sie will

sie

mehr überflüssiger Antworten. Gott ist eine überflüssige Antwort{. Gesetzt er

4

Erlösung

Awas ein Gewissensbiß ist. „Gott“, „Unsterblichkeit“ der Seele“, „die Erlösung“ Jenseits

2

20

sie

man ihn abschaffen müssen. Er ist das fünfte Rad am Wagen.

er existirte, so würde er die Schwierigkeit vermehren; zum Glück ist

22

sein Dasein

er unschuldig daran, dazusein – die Theologen haben ihn auf dem Gewissen. außer Acht lassen können … käme er trotzdtrotzdem em nicht in Betracht. Er bliebe immer das fünfte Rad

ich war zu neugierig von Instinkt, um mir so 1.

an allen Wagen. –

* Meine Moral ist: eine starke Mahlzeit ist leichter zu verdauen als eine kleine.

26

28

Warum ich Einiges mehr weiß? Ich habe nie über Fragen nachgedacht,

die keine sind, – ich habe mich nicht verschwendet …

24

30

trocken, sei es sei es

in Die ital. minestra, sehr substantiell, selbst als brodo, ist ges ünder als irgend eine andere Diät Faustd

32

in brodo

tölpelhafte Antworten gefallen zu lassen … Gott

34

36 38

ist der zuDaß der Magen als Ganzes in Thätigkeit ist, ist die Voraussetzung zu guter

faust grobe

ist eine faustgrobe Antwort …

ist keine Erklärung, bleibt ein

Man muß die Größe seines Magens kennen. – Verdauung. –AKeine Zwischenmahlzeiten. – trotzdem

trägl. Anfang einer Mahlzeit. Faustschlag. – an

Gesetzt selbst, er existirte, so kämeAer nicht in Betracht. Er bliebe immer das fünfte

40

42

44

Kafe verdüstert: Nachmittags Kafe schlechte Angewöhnung. Thee, nur morgens zuträglich:

Rad an allen

aber Wenig, sehr energisch. – Wagen.sehr nachtheilig, wenn er einen Grad zu schwach.

1: aus] ¿ 2: geblieben] ¿ 2: Was ich] >? Was 3: in Ms nicht übereinander 7: Nachdenkens] ? 8: dies] nach unvollständiger Korrektur > das 10: Einfügungszeichen verlängert 10: nicht] ¿ 14: Lohn] Vk

W II 9c 87-132.indd 129

46

,

16: man] danach Einfügungszeichen verlängert 17: räthselhaft] ¿ 28: allen] Vk 39: faust] Vk 42-46: zu Zeile 19-25 42: Faustschlag] Vk 45: Nachmittags] Vk 45: schlechte] Vk

15.05.15

W II 9

130 Theologie – 1. Ganz anders interessirt mich eine Frage, an der mehr das „Heil“ der Mh“ hängt als an aller

der

Frage

2

– Ich komme zu einem Problem, das, wie mir wenigstens scheint, etwas ernsthafte=

4

rer Natur ist als das Problem vom „Dasein Gottes“ und andere Christlichkeiten, –

Frage vo

Man kann, zum Handgebrauch, sich so formuliren: gerade

die Frage

6

zum Problem der{Ernährung. Es ist, in Kürze, die Frage: wie hast du dich Man kann sie, zum Handgebrauch, so formuliren:

8

zu ernähren, um zu deinem maximum von Kraft, von virtù, von moralinfreier

10

zu kommen?…

ATugend im Sinne der Renaissance-Vernunft zu kommen? – Meine sie

12

zu

hier

Erfahrungen sind hier so schlimm als möglich: ich bin erstaunt, so spät, an begriffen, über sie

aus ihnen aus ihnen

gelernt zu haben.

14

dieser Stelle gerade „zur „Vernunft“ gekommen zu sein, zu spät in ge-

16

wissem Verstande: und nur die vollkommene Nichtswürdigkeit unserer deut-

18

schen Bildung erklärt mir einigermaßen, weshalb ich gerade hier rück=

20

ständig bis zur „Heiligkeit“ war. Diese „Bildung“, welche von Anfang

22

an die RealitätenAaus den Augen verlieren lehrt, umAproble-

24

matischenAZielen, zum Beispiel einer sogenannten „klassischen Bil-

26

dung“ nachAjagen! – als ob es nichtAzum Todtlachen wäre „klas-

28

sisch“ u. „deutsch“ zusammen in den Mund zu nehmen{. Man denke

30

sichAeinen „klassisch gebildeten“ Leipziger! – In der That, ich habe,

32

bis zu meinen reifsten Jahren, immer nur schlecht gegessen, – mo-

34

ralisch ausgedrückt „unpersönlich“, „unegoistisch“, „altruistisch“: ich

36

verneinte, durch Leipziger Küche zum Beispiel,Ameinen „Willen zum

38

Leben“. Sich zum Zweck unzureichender Ernährung auch noch den Magen

Be-

40

zu verderben – dies Problem scheint mir die genannte Küche zum

) 128,2

42

wundern zu lösen. Aber die deutsche Küche überhaupt – was hat sie

grundsätzlich

um durchaus

sog „idealen“

:

zu

der

von vornherein verurtheilt

in Einen Begriff zu einigen! Mehr noch, es wirkt erheiternd: man

doch

selbstlos“

den

KGW VIII 24[1] 427,6-428,10

W II 9c 87-132.indd 130

meinen

5: in Ms nicht übereinander 5: Handgebrauch, sich] ¿, > Handgebrauch sie sich 22: um] Vk 34: altruistisch“] Vk, Hinzufügung 131,14 36: Beispiel,] Hinzufügung 131,16 36: „Willen] Vk

Ver=

38: den Magen] Vk 40: scheint] Vk 40: Küche] Vk 42: Küche] Vk

15.05.15

131

Ecce homo.

2

Oder:

4

Ein Psychologen=Problem.

6

warum ich Einiges mehr weiss.

8

Von

10

Friedrich Nietzsche.

12

Köche zum Heile der „Mitmenschen u anderer Köche Mitmenschen

W II 9

14

Mitmenschen gleichzeitig mit meinem ersten Studium Sch., sehr ernsthaft meinen „Willen zum Leben“

2-12: KGW VIII 24[1] 427,1-5

W II 9c 87-132.indd 131

16

8: mehr] Vk 14: Hinzufügung zu 130,34 14: „Mitmenschen] > „Mitmenschen“ 14: Mitmenschen] ¿ 16: Hinzufügung zu 130,36 16: Sch.] > Schopenhauers

15.05.15

W II 9

132

Aber die Deutschen sind canaille.

2

in meinem Leben

Umsonst, daß ich nach einem Zeichen von Takt, von delicatesse

4

gegen mich suche: der erste M aller Jahrtausende hat unter

6

der größten Entscheidung

D. gelebt wie unter Vieh. Ich nehme Niemanden aus, eingerechnet

8

) 24

meine Freunde: seit Jahren ist

10

es fehlt mir

nicht, vor dem äußersten Blitzschlag

im Bewußtsein der welthistorischen Ironie, die in meinem Schicksal liegt,

12

Wetterschlag 14

so habe

ich jetzt, unmittelbar vor dem großen Donnerschlag der „Umwerthung“

16

den Fall W in die Welt geschickt; die Deutschen, Alles alle

18

was mir nahe steht, sollten sich noch einmal in aller Billigkeit

meine Freunde vergessen

hierin

10 )

20

an mir prostituiren … Habe ichs erreicht?… Soeben schrieb

22

mir eine alte Fr, sie lächle über mich: – u dies in einem Augenblicke

24

fast jeder Brief, der mich erreicht, ein Cynismus, –

26

es liegt mehr Cynismus im Wohlwollen gegen mich wie

28

in irgend einem Haß. Und so wie ich, Einer der

30

welthist. Ironie liebt, u die Paradoxie meines

im Mißverhältniß

von mir 32

meiner

gerne aufs Äußerste

Zar u der Kleinheit meiner Zeitgenossen aufs Äußerste zu

treibt jetzt

34

treiben weiß, habe ichA, ein Jahr ungefähr vor dem

36

zerschmetternden Blitzschlag der „Umwerthung“

9: eingerechnet] ? 16: Alles] ? 17: vergessen] > nicht zu vergessen 19: hierin] ? 20: ichs] Vk 22: Fr] > Freundin

W II 9c 87-132.indd 132

30-32: meines Zar] ? 34: habe] ¿

15.05.15