Neue Belustigungen des Gemüths auf das Jahr 1745 [Reprint 2022 ed.] 9783112666425, 9783112666418

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Neue Belustigungen des Gemüths auf das Jahr 1745 [Reprint 2022 ed.]
 9783112666425, 9783112666418

Table of contents :
Vorrede
Vorzüge der Liebe zum freyen Künsten. Ein Gesang
Die Entzückung
Elegie an die Tugend
Die Vortheile des Lomberspiels
Lob des deutschen Frauenzimmers
Der Frühling. Eine Ode
Unterscheid der männlichen und der weiblichen Schönheit
An Dämon
Der Poet. Ein Schaffergedicht
Die neueste Wirthschaist
Das Andenken vergnügter Jugend
Die Artigkeit. Eine Ode
Der Fisch. Eine Fabel
Doris und Venus. Eine Fabel
Der Weise
Sendschreiben an JhroHochedelgebohrnen Herrn D. Haller in Göttingen
Briefwechsel zwischen Iris und CMsten
Antwort der Calliste
Zweytes Schreiben der Iris
Dritter Brief der Lalliste
Antwort des Iris
Die ordentlichen Geschäfte
Die eheliche Zärtlichkeit
Versuch eines patriotischen Blattgens in ei» ner ungebundnen anacreontischenOde
Der Nebenbuhler, An den Verfasser des Versuchs in scherzhaften Liebem
Die verstellte Eifersucht
Ein Schäfferlied
Die gnädige Straffe, eine ünacreontische Ode, eines Frauenzimmers an ihren Liebhaber
An den Mahler
Die Allmacht. Eine sapphische Ode
Der Mohr. Eine scherzhafte Erzehlung
Der Krieg. Eine Ode
Sendschreiben der deutschen Dichtkunst, an Ihro Magnificenz Hn Herrn Professor Gottsched
Lob der schwarzen Farbe
Anden Frühling
Die Selbstberuhigung
Alexander der Grosse. Em fatyrischer Gesang
Todtengespräche. Lucretia. Sappßo. Cato
Trauerode
Der traurige Schäfer
Die Scharmante
Ein Berzeichniß der Künste
Parodie der Lhloris auf Sylvanders Ode im 7. Bande der Belustigungen aufder 557* Seite
Von der Freundschafft. An Herrn Candidat Hartmann
An dm Herrn von Hagedorn
Schreiben des jungen Herrn, von der Mode der Bandschleiffen
Die schöne Statue. An Herrn Stt - - s und Herry R
Der Spargel. Eine Fabel
Der Lompack
Meine Jungfer
Liebesbrief eines alten Deutschen
Die Liebenswürdige
Das Koffeestöllchm
Schreiben des Vaters der deutfthen Dichtkunst/ an Seine Hochgebohme Excellenz Den Herrn Reichsgrafen von Manteufel
Das Hofleben
Kurze Gedanken von-er Kunst in Schriften zu gefallen
Ode
Gute Gedanken
Betrachtungen über die Fürsehrrng
Galathee. Ein Schüfergcdtcht
Schreiben an dem Verfasser
Das Schicksaal
Der Jude. Eine Erzählung
Schreiben der Schamhaftigkeit an em junges Frauenzimmer
An Herrn Heermann aus Görlih
Der deutsche Zuvenal. Eine Satpre
Nachgelassene Schafften
An die Zärtlichkeit
Lob des Brantewems
Thais
Auf den Longin
Die Selbstprüfung
Rede des Brutus
Auerbachs Hof
Zwen Hetdenbriefe
Fürbitte wider die lezte Thorheit. AnstmeFreunde
Fabel. Das Lodtengerippe und der verhütte Mann
Phillis
Die Flasche. Ein Anacreontisches Heldengedicht
Klaggedicht
An die Frau
Der besiegte Philosoph
Anacreomifche Ode eines Mägdgens an den Jupiter
An die Basta
Gedanken bey einem starken Gewitter
Gendschreiben an den Herrn Direktor Mörlin
Die Begeisterung
Die Helden
Elegie eines Frauenzimmers
Die kleine Ilias
Zueignungsschrifft an ein Frauen» zimmer. Angenehme Phillis
Die Ruhmbegierde
Auf die Liebe. Einesapphische Ode
Das menschliche Leben
Todtenbriefe. Hero an Leandern
An ein gelehrtes Frauenzimmer in D
Sendschreiben an Herrn Magister Gellert
Ein Todtengesprach. Diogenes und Alexander
Kurze Beschreibung eines Sturmes
Dis Wurkuügttrdes Kriegkes
Der sterbende Philosoph. Elegie
Der sanfte Todt
Lob der Leipziger Lerchen
Sendschreiben eines gelehrten Frauenzimmers an die Frau S. E. in D.
Philimen. Eine Schäfererzählmg
Briefwechsel zwischm Doris u. Klimmen. Ob es rathsam sey einen Dichter zu heyrathen? Hochgeschätzte Freundinn
Der Affe. Eine Fabel
Ein Schäferlied
Die Eitelkeit. Eine Ode
Daphnis. Eine Verwandlung
Die Philosophie der Dichtter An die Phillis
Der Menschenfreund. Ein Lehrgedicht
Die Insuln der Verwandlung. Ein Traum
Die Herrschsucht
Letzte Gedanken
An die Tugend. Eine Ode
Schreiben an die Verfasser des Brachmans in Bem
Die Musik
Güldenberg und Gelinde. Eine Erzählung
Elegie einer Schäferinn
Rede, die Cimon hätte halten Eon* nett, als er durch den Befehl des ArhenLensischen Rathes,aus demTreffen zu gehen, genöthiget ward, ob er sich gleich der Verbannung ungeachtet, wieder an seinen vorigen Ort gestellt hatte, wider die Lacedämonier zu streiten
Der Holzwurm
Die Entschlüsse
Die kleine Verliebte. Ein Schäftrgedicht
Der Llimene Selbstbekäntniß ihrer Schwäche
Vulkan und Thersites. Ein Gespräch
Wein und Liebe
Cure scherzhafte Erzählung
Der unumstößliche Schluß. Ein Sinngedicht
Der vernünftige Wunsch
Herbstgcdanken an Doris
Das Mägdchen. Eine Fabel
Der Aberglaube. Eine Fabel
Der Knabe. Eine Fabel
Der Freyer
Elegie eines Frauenzimmers auf ihren Papagey
Die Schildcrey
Der deutsche Anakreon
Der deutsche Anakreon
Das Rechnen
Der Wunsch
Die letzten Worte einer Rostan Willis
Nachricht
Die Täubchen
Der Winter
Doris
Bon der Kunst, beständig zu gefallen
Der Traum
Die guldene Zeit
Der Triumph der Liebe
Merkur und Momus. Ein Todtengesprach
An die Phillis. Eine sapphische Ode
Die Beredsamkeit der Augen
Memoire miraculeufe. Der wunderliche Lebenslauf des Democrit, von ihm selbst beschrieben
Die sich selbst verrathene Verschwiegenheit
Brief eines Egyptischm Rohren in Europa an seine Landsleute
An Herrn Advocat L
An die Jungfer in H
An den Herrn Herausgeber der Belustigungen des Verstandes und des Wyes
Rede einer Braut an ihren Bräutigam, als sie sterben wollte
Der traurige Dichter
Das Bild der Venus
Das Schooshündchm
Die Schneppe
Der Zeisig und die Raupe
Eine Erzählung
Der Loloß
Der Arzt
Aufmunterung zum Gingen an Herrn Christlob M
Auf seinen Laquey. Ein Scherzgedicht
Der Odendichter
Die Küsse
Von sich selbst
Eine satyrische Ode
Die Dienstfertigkeit
An Phillis
An den Amor
Verzeichniß Derer in diesen sechs Monaten enthaltenen Stücke

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Neue

des

Auf das Jahr 1745. Heumonat.

Hamburg und Leipzig, bey Johann Adolph Martini.

Vorrede. ^Ch habe das Vergnügen - eine neue Monatschrifft bekannt zu M machen, deren Absicht ist, die Werke der Scharfsinnigkeit undderschönenWissenschafften auf ihrer angenehmsten Seite zu zeigen. Kann ich nicht davor Bürge werden, daß die fotzen­ den Stücke allezeit das gehörtzeFeuer, oder die eigentliche Stärke der Gedanken und des Aus­ drucks besitzen: So wird man mir doch wenig­ stens die Redlichkeit zu trauen, daß ich Durch keine schlimmgerroffne Wahl die Ehre meiney Landsleute verkleinern werde. Wiewohl ein Verfasser sich bemüht, nach den Grundsätzen, die er sich von der Vollkommenheit einer Schrifftmacht,seineeigne Arbeit einzunchA z So

4

Vorrede.

ten: So sind doch bald in Ansehung der Fähigkeit seines Naturells, bald in Ansehung der Mate­ rie und der Schreibart unzehlig viel Hindernis­ se , die ihn seinen Enrzweck weder so genau, noch so glücklich erreichen lassen, als er wünschet Ein vernünfftiger und tugendhaffter Leser, der sich über die Ausbreitung des guten Geschmacks und der freyen Künste in seinen Vaterlands freuet, ist so voller Leutseligkeit und MenschenLiebe, daß er sich geneigt findet, von den Aufsä­ tzen eines wohlgesinnten Verfassers eben so gü­ tig, als billig zu urtheilen. Doch glaube man nicht,daß ich sohoheGedanken von gegenwärtiger Sammlung fasse, als ob sie die Liebhaber der schönen Wissenschafften zu vermehren geschickt sey; Es ist genug, wenn ich nur so wenig Ursach finde, kleinmüthig zu werden, daß ich vielmehr im voraus mir mit dem Beyfalle kluger Kenner schmeichle, und den Beytrag eini­ ger muntern Köpfe zu Unterstützung meines Vorhabens erwarte. Vielleicht werd ich da­ durch desto eher im Stand gesetzt, die eigenkkiche Anmuth der deutschen Dichtkunst und Be­ redsamkeit auch denjenigen Lesern recht empfind­ lich und begreiflich zu machen, die selber niemals einen Versuch gethan haben, durch Erlernung und Ausübung dieser freyen Künste sich eine nutzbare Gemüthsbelustigung zu verschaffen. Wie glücklich wär ich, wenn ich ihnen dieses Vergnügen ohne sonderliche Mühe gewähren könm»

Vorrede.

5

könnte, und wenn die Ausführung selber den Entwurfnoch überträffe, den ich mir überhaupt von dieser Schriffr gemacht habe,

Dem Ergötze des Lesers wird hoffentlich nichts daran abgehn, wenn ich gleich durch Benennung des Verfassers von dem oder jenem Stücke seiner Neugier nicht allemal ein Genüge thun werde; Ich denke diesen eingebildten Mangel aufder an­ dern Seite mit dem Versprechen zu vergüten, daß ich durch keine critischen Klag-und Vertheidungsschrifften seine Geduld auf die Probe fetze; Indem dieselben so wohl für ihn, als für'den Ver­ fasser und endlich für die gegenseitige Parthenmit ihren Anhängern eine eben so unangenehme Beschäfftigung seyn würden, als eine langgesch'weiste Vorrede, worinnen man sich mehr mit sich selbst, mit seiner ausgeschütteten Belesenheit, alsmit der Seele des Lesers beschäffugt. Die Benennung einer poetischen Raserey ist noch vielzu edel für Die elenden Kriege der Dichter, die ihre eignen Lorbeer» auf dem Parnaß ausrotten, undaus einem trüben Sumpffe sich berauschen, der von dem klaren Qvell der friedliebenden Musen weit entfernt ist. Die Bescheidenheit, die einen Verfasser unentbehrlich ist, erinnert mich an den äuserften Gräntzen meiner Vorrede, daß es im gewissen Verstände rathfamer sey, zu wenig, als auf eine doppelte Art zu viel zu sagen, welches man hernach entweder nicht zu erwelsm, oder doch nicht zu erfüllen im.Stande wäA 3 re.

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Vorrede.

re« Inzwischen kann ich nicht umhin, eh ich von meinem Leser Abschied nehme, unter dem Bilde einer Schäffererzehlung dasjenige zu entdecken, was ich ihm noch möchte zu verstehn geben: „Wie kommts? sagte Philindezu ihrem Lieb„Haber, daß du unter den Schäffern der einzige „bist, der mit keinen Blumensträuße sich putzet. „Mich wunderts, sagte Thyrsis, wie du noch fra„gen kannst, warum ich kein Sträuschen habe? „Da du doch weist, daß ich nicht geschickt bin, „mir eines zu binden. Gewiß, gab die Schaf„ftrin zur Antwort, du mußt doch zu mir ein „schlecht Vertrauen haben, daß ich dir nicht eins „schenken wurde, wenn du nur nicht so blödr „wärst, mich zu bitten. „Geliebte Schöne „sprach hierauf Thyrsis; Wenn es dir beliebt, „unterdessen bey meiner Heerde zu bleiben: „So will ich hingehn, und einen Huth voll „Veilchen lesen; und du wirst hernach so gü„tig seyn, und die besten darunter aussuchen. Weil Philinde dieses zufrieden war, begab sich der Schäffer auf die nechsten Fluhren, wo ee so glücklich war, einen ziemlichen Vorrath von Bluhmen zu finden, wovon er nur diejenigen abbrach, die schön, frisch und noch nicht verblüht waren. Als er zurück kahm, sagte die Schäfferin zu ihm: „Ich bin gar nicht mit dir zu„srieden,Thyrsis! Warum bringst du denn lauter „kleineGlöckchen,und weißeMeyblümchen? da du »dochVortinjeuemThalevielgrössereundanschn-,Nche

Vorrede.

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„lichere Blumen findest, die sich besser zu einen „Strauße schicken würden. Sey nur nicht „ungehalten, Philinde! gab dieser zur Antwort; „du weist ja, daß ich ein guter einfältiger Tropf „bin. Ich liebe an den Bluhmen eben so, wie „an meiner Schäfferin, nicht den äußerlichen „Putz der Kleider, sondern Reinlichkeit, Uns „schuld, und Artigkeit. So offt ich den süssen „Geruch des Sträußchens empfinde, das ich von „deiner angenchmen Hand bekomme: So off», „werd ich auch deiner Freundlichkeit und derUn„schuld unsrer zärtlichen Neigung mich mitVer„gnügen erinnern. Ich nehme mir die Erlaubniß, hier auf mich die Vergleichung zu machen, und da ich die Kühnheit habe, meinem Leser in gegenwär­ tiger Sammlung gleichsam einm Strauß von allerhand Blumen zu überreichen, leb ich der Hoffnung, es werde mich niemand deßwegen tadeln, daß ich nur kleine, artige Aufsätze dazu erwehle, da ich doch vielleicht grössere Stücken, die mehr Prachr und Ansehn haben, hätte lie­ fern sollen; Es ist mit den Werken des Wi­ tzes eben so wie mit den Blumen beschaffen, worunter diejenigen, die die meiste Prachtund Grösse, und die lebhafftesteFarbenmischung befitzen,doch am Geruch ganz todt, und offters recht widrig sind; da hingegen das kleinste Blüm­ chen noch einmal so viel Geist, Anmuth und

A 4

Stär-

8

Vorrede«

Stärke des Geruchs bey sich führt, als der ganze Haussen des Blumenpöbels, der mit dem allerzierlichsten Laubwerke pranget. Ist es wahr, daß die schönen WUenschaffren der Deutschen itzo int vollen Frühlinge stehen: So würden diejenigen, die etwas gründlicherS verlangen, mir zur Unzeit reiste Früchte abfor­ dern, da ich ihnen nicht mehr schenken kan, als die heften. Blüthen des Witzes, die ihnen Mer zu einer künftigen Vollkommenheit Hoff-, yung machen, Dreßden, den lehren Mertz, -745-

Vorzü-

Vorzüge der Liebe zum freyen Künsten. Ein Gesang, wahr ? gestehs nur selbst,» Lust rum Wissen« schafften! Du bleibst bey Sorg und Müh 'zur grösteu Labung hassten? Du zwingst den stärksten Geist; doch ohneSclaverey: Plf

Denn du bist immer alt; und wirst doch immer neu. Vergebens drücket uns der Aemter theure Bürde: Witz und Gelehrsamkeit verschönern selbst die Würde; Und adeln einen Kopf, der sonst nicht edel hieß. 0 güldene Cpuhr, die der vonBorberfeld uns wkesi D Liebe für die Kunst! die grossen Seeleneigen;

Was kann uns ausser dir derMensch erhabnerszrigen?

Dir Tugend legt er offt, dich aber niemals ab. Du Kind der Ewigkeit! Auch dich bedeckt kein Grab. Dieweil du geistig bist.

Der Geitz gräbt in die Erde,

Als wir rin Maulwurf ein, daß er vergraben werde»

Halb thierisch hänget er den Kopf stets unter sich. Der Wollust Raserey entkräfftet mich und dich. Des Pöbels Tittelsucht strebt nach den leeren Raume,

Und schwindelt in der Lufft, und sättigt sich ins Traume. Nur du, o Königin! hast alles diß verlacht. Was nur den Cörper rührt, und uns noch dümmer macht. A 5 Durch

io

Die Entzückung.

Durch dich ward ich eilt Mensch. Was sollte mir das Leben?

Könnsi du zum höchsten Guth mir nicht den Schlüssel geben. Du Tugendlchrerin! wer dich nur einmal schmeckt. Hat in direine Welt voll Süßigkeit entdeckt. Mit dir, oh» daß dein Aug mich je zufrieden stelle.

Durchstreich ich, wieUlyß, den Himmel und dieHölle.

Dann fühl ich, daß mein Geist dem Engel näher ist. Wenn er in dich versenkt, entzückt sich selbst vergißt.

Vom Schranken der Natur sich schwerlich läst uw schranken,

Und sich so gros bedünkt, so weit er nur kann denken. ADAADW

Die Entzückung. £^)nfcem mein Lied der Gottheit singet: C So wird mein Angesicht vergnüget;

Die Runzeln fallen von der Haut. Ein göttlich Lieht umschkiest die Glieder.

Ich komm zu jener Unschuld wieder, Und hör des Himmels Harmonie, der Wundertöne schönsten Laut.

Man sieht mich schon zum Wolken fliege», Zum paradisischen Vergnügen, Das höhrer Geister Sinnen trankt.

Ein Jüngling kommt mit holden Mine»

Und sott mir zum Gefärthen dienen.

Itzt

Die Entzückung.

ii

Itzt wird mein Geist mit siärkrer Kraft zum Ruhm des Schöpffers hingelenkt. Da prangen Millionen Himmel, Der Sonnen freudiges Getümmel:

Der Monden nngezchltes Heer; Die schnell in ftstbestimmten Kreisen,

Als der Planeten Kinder reisen; Und ihre blanke Flächen sind von Thier und Geistern niemals leer.

Die Schweisse gkäeriderComete», Die sich mit eignen Strahlen rothen. Seh ich durch ihre Laufbahn gehn; Voll Ordnung, Maaß, Gewicht und Zeiten, Voll nie erkannter Trefflichkeiten,

Reizt mich der allerschönste Bau, wo Welten sich um Weiten drehn.

O was erblick ich nicht von fernen!

Ich seh, wie auf den nächsten Sternen Die Mensche» Städt und Schlösser baun. Bald wie sie Städte Niederreissen;

Durch selbsterfundne Feuerschleuffen; Und zwey Armeen kann ich dort auf Blut und Bente hitzig schaun.

Hier sinken kühngethürmte Masten

Im Ocean mit reichen Lasten; Ich hör, wie Meer und Donner brüllt. Erschiffter Todt muß Gelddurst dämpffen,

Wey Räubern, die mit Räubern kämpffen; Biß-

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Die Entzückung.

Biß ihre Leiche friedlich schwimmt, und die verschmäh­ ten Ufer füllt. Dort flieht der Troß verstoßner Seelen Zur ewgen Nacht geborflncr Höhlen, Die Fluch und Gram und Furcht umringt. Hier kracht in dumpfigen Desuven Die Qvaal, die Thoren sich erschuffen, Die ihre Gottvergeßne Brust in eiserne Verdammniß zwingt.

Wieder Trabanten Häupter glänzen, Die Kugel des Saturns bekränzen, Und königlich im Schmucke seyn: So geh ich zum verklärten Rryhen, Die sich des Höchsten Guten freyen Berauscht von frommer Dankbegier zum gülhnen Thor des Friedens ein.

£> Heiligster! für deinen Lichte Verhüllt die Demuth mein Gesichte. Hier liegt dein Knecht für dir gebückt. O Macht.' OWeißheit! und o Güte! Wenn würdigst du mein treu Gemüthe, Daß dich die gläubige Vernunfft im Thron der äett« lichkeit erblickt?

Elegie

an die Tugend.

Halle im May 1744. wüstest du, wie zärtlich ich dich liebe: Du liessest mich gewiß nicht ungeliebt.

Mein Seufzen mehrt der Sehnsucht heiße Triebe > Und ohne dich bin ich im Todt betrübt. Waruni hast du das Erdenrund verlassen? Komm doch zurück, und wohne doch bey mir! Gott hassemich! wofern ich dich kann hassen.

Ich lebe ganz, und sterbe ganz ittdir. Ein andrer wird kaum so viel Stunden lieben, Als Jahre ich von dir entzündet bin. Was ich dir hier zum erstenmal geschrieben. Das hatt ich längst viel tausendmal iM!Cinn. So offt ich nur an deinen Namen denke: So werd ich gleich verliebter, als zuvor. Er rührt, wir du, du göttliches Geschenke.' Das Herze selbst, und nicht allein bas Ohr. Dein Angesicht glänzt schönnrr, als die Jugend, Doll Majestät, und voller Lieblichkeit. Was fliehst du mich? du auserwehlte Tugend' Ich lanf dir nach; Und du bleibst immer weit. Vor Liebe krank, hab ich dir offtgeruffen; Doch hast du stets mit Fleiß dichweggewanbk. 0 führ mich erst nur auf die leichten Stuffen

i4

Elegie an die Tugend-

Und gängle mich, wie Kinder, mit der Hand. Von Jugend an hab ich mich dir ergeben. Dein Funken brennt dem stärksten Feuer gleichOhn dir müst ich, als wie ein Sclave, leben. In dir find ich mehr, als ein Königreich.

Sey nichts» streng, O Freund in meiner Seele! Und gieb einmal den süssen Wünschen Raum;

Da ich mit dir mich auch im Schlaaffe qvähle. Mein Leben ist noch schlechter, als ein Traum.

Ein Tag erzehlt es stets dem andern Tage,

Und eine Nacht sagt es der andern Nacht, Was ich nach dir vor hefftge Neigung trage;

Wie gegen dir die Welt wird nichts geachk. Laß seyn, daß ich dich weder seh, noch höre; Genug, ich fühl dich stärker in der Brust.

Sey du mein Schatz; sey ewig meine Ehre! Aus deinen Schoos qvillt die subtilste Lust. Den geistgen Kuß von dir schmeckt mein Gemüthe ; Es schmeckt ihn kaum; und schmeckt ihn nie genug. Ich bitte dich, flös mir doch ins Geblüthe Des Edelmuths magnetisch, sanfftenZug.

Des Menschen Herz wallt von vermischten Triebe, Und irretbald, zum süssen Wahn geneigt. Drum läutere du selber meine Liebe; Dein Joch ist sanft, und deine Last ist leicht. Wirst du mich einst, mein Anker und mein Leben! In deinen Sitz, wo Engel Brüder seyn.

Weit über Stern, und über Himmel heben:

So kleide mich in Licht und Unschuld ein-

Die

iS

Die Vortheile des Lomberspiels.

Schönstes Hannchen. /Sieben Sie sich immer wegen des Herrn Loks ly zufrieden; was konnte man sonst von einen

so tiefsinnigen Kopfe vermuthen ? als daß er das Lomber würde lächerlich machen. Er hat­ te es aber nicht gethan, wenn er bedacht hatte, daß der erste Ersiuder desselben ein so großer Phi­ losoph gewesen, als Cartes. Meinetwegen tra­ gen Sie nur keine Sorge, daß ich jemals die Schreibetaffel herfürzieh, wenn ich Sie spielen seh. Es geschieht mir gros Unrecht, wenn Sie auf mich den geringsten Verdacht haben, daß ich ein Weltweiser, oder ein Dichter sey, und deßwe­ gen stets ein paar Pergamentblakter bey mir trüge, damit ich meine Grillen niemals verzettelte. Wolt ich nur die Helsfke von dem Reden der ar­ tigsten Frauenzimmer beym Spiel aufzeichnen: So müst ich mir bey Zeiten einen Pelz machen lassen, wie Petrarch; und bey dem allen glaub ich dennoch kaum, daß er zureichen würde. Sie mögen nun lachen, wie Sie wollen; so kann ich Sie doch bey meiner Treu versichern, daß ich einer von denjenigen Gelehrten bin, die sich nicht lan­ ge zum Lombertisch nöthigen lassen. Ich wäre nur ein balber Mensch, wenn ich mich aus Ei­

gen-

i6

Die Vortheile

gensinn eines so unschuldigen Vergnügens beraub,

te; Und weil ich selber davon ein ungemeiner Lieb­ haber bin: So denk ich, daß alle Leute so gesinnt seyn, wie ich, und daß es in der besten Welt so unentbehrlich sey/ als der Koste. Hab ich vol­ lends eine so angenehme Nachbarinn, als Sie sind, geliebtes HanncheN: So müst ich wohl ein armer Sünder seyn, wenn ich mich nicht zehn­ mal glücklicher schätzte/ als ein junger Stutzer, der bey allen Göttern schwöhrt, daß er Cor zu seiner Leibfarbe erwehlt habe. Bald wird es mit mir so weit kommen, wie mit jenen Marqvis, der keinen Bisten geniessen konnte / wenn er Nicht die Charte auf der Tastet sah neben sich liegen; Und in H - - hat sich nur kürzlich ein Cavalier aufgehalten, dem es nicht möglich war, über die Gaße zu fahren/ wenn er nicht in der Carosse die

Blatter beständig durch einander mischte. Ich will nicht viel wetten, daß die Gewohnheit meine Hande nicht in eben solche Maschinen verwan­

deln würde / wenn ich mich in diese Zaubereyen vertieffte. Möchte man doch ganz bestürzt wer-

den, wenn man bedenkt, was diese gemahlte Stückchen Pappe für eine Gewalt über die Sin­ ne und die Phantasie, und diese wieder über das Ge­ müthe haben. Ists Nicht wahr? Daß die we­ nigsten wissen, was für ReizuNg sie in einen Zeit­ verlust suchen, dem sie Gedanken und Begierden unvermerkt aufopfern. Ey wie ttuckett ist diese Betrachtung, werden sie sagen; und wie altva­ terisch klingt es/ über eine so scherzhaffte Galanterie

desLomberspiels.

17

terie vernünfteln. Allein, gönnen Sie mir doch die Lust, über die Eitelkeit meines Herzens zu la­ chen, das so gern am falschen Vergnügen hänM bleibt, und darinn ein unglückliches Glück findet, die Zahl der geschafftigen Müßiggänger vermeh­

ren zu Helffen. Inzwischen bin ich Ihnen, und meinen Freunden unendlich verbunden, daß Sie mir die Spielregeln beygebracht haben, die mir itzo mehr Dienste thun, als die allerbeste Logick. Was für Gelegenheit wird mir nicht gegeben, mei­ ne Schlüße in einer verbindungsreichen Ordnung, Schürfte, und Gewißheit fortzuführen, es sey nun, daß ich entweder selbst spiele, oder nur einen Zuschauer abgebe. Ihnen, allerliebstes Hannchen, hab ichs zu danken, wenn ich auf meine al­ ten Tage noch ein Philosoph werde; und ich ler­ ne niemals mehr, als wenn Sie die Rolle einer stillschweigenden Profeßorinn annehmen; Dennda fehlt kein Haar, daß ich nicht als ein Pythagorischer Schüler in Ihnen die Person der

Theano erblicke. Sie machen sich gleichsam eine Ehre daraus, sich von mir in die Charte gucke« zu lassen; Welches ich niemals thuh, daß ich nicht zugleich in mein Herz einen Blick thun sollte, der mir mehr verrath, als ich zu meiner Gemüthsruh zu wißen verlange. O mit was für Ergötzen find ich die Zwischenfabeln meines Lebens in dem Lomber so lebhafft und natürlich geschildert! So gar daß mir offt die Tranen in die Augen treten, wenn ich mein Schicksal geschwinder, als ein Chameleon, sich verändern seh, ob ich gleich nicht allemal den

18

Die Vortheile

zureichenden Grund entdecke; Was für Tren­ nung und Vermischung, was für Hoffnung, Ent­ wickelung , Bestimmung! Was für Bestreben, List, Schlußfertigkeit und Verstellung beherrschen Anfang und Ende auf allen Seiten! Wofern ich nicht etwan mich zu weit im Nach­ sinnen verliere: So getrau ich mir das offen­ bare Mitwürken einer höher» Vorsehung dabey auszuspühren, welche so zu sagen, die menschliche Klugheit bekrönet. Ja wenn ein Heyde, Sie mein Hannchen sollte spielen sehn, mit was für Geschicklichkeit Sie eine Sache die erst ein schlech­ tes Ansehen hat, durch tausend Haupt-und Ne­ benmittel zu einen grossen Zweck hinausführen, indem Sie das Glück durch Ihre Scharfsinnig­ keit unterstützen: Er würde Sie, so wahr ich ehrlich bin, für nichts anders als für eine Göttinn, ja für die Minerve selbst halten, zu deren Liturgie das Lomber fürnehmlich gehört, welches die Erfinbungskrafft schleisst, das Gedächtniß stärkt, und die Urtheilskrafft mit einem muntern Wesen be­ seelt, mit einer gewissen Gründlichkeit ausrüstet. In der That war es ein Widerspruch, gut Lom­ ber spielen, und einen blöden Witz, oder eine schwache Vernunfft besitzen; Da eben der große Geist, der es dort zur Vollkommenheit bringt, nicht weniger Fähigkeit entdeckt, ein Mazarin, und ein verschmizter Richelieu zu werden. Und erlangte nicht jener Prälat durch seine artigen Maniren im Lomber die höchste Würde der Geist­ lichkeit? Indem er einer Dame, die seine Wahl beför«

des Lomberstziels.

i-

befördern konnte, so geschickt zu schmeicheln wü­

et

ste, daß er eine starke Geldsumme verlohr, ob gleich einem Abte, der ihm in die Charte schielte, gar begreiflich machte, daß es nur an ihm läge, die Vortheile eines kleinen Glücks fahren zu las­ sen, um ein grösstes undreellers zu gewinnen, welches beständig und nicht so zweiffelhafft wäre. Soll ich Ihnen sagen, angenehmstes Hannchen, daß keine Wissenschafften, keine Uebung im Geschafften so leicht und so fähig ist, unsre Weltkentniß zu vermehren , als das Lomber? Das Herz des Menschen kann da am wenigsten seine Neigung vorstellen, wenn es sich den Er­ götzungen überlast; Indem der Verstand gkschäfftig ist, die Absichten und den Ausgang des Spiels zu verheelen, eröfnek uns die verwickelte Person durch die Art ihrer Aufführung einen Blick in die innersten Schlupfwinkel der Begierden; und es entrinnet ihrer Aufmerksamkeit alsdenn ein wich­ tiger Geheimniß, als dasjenige ist, das sie eine Weile zu verhüllen suchet. Ich habe gesehn, daß eine große Prinzeßinn die mit einen geschickten Eavalier spielte, sich eine Maske geben lies, und solche vors Gesicht nahm; Weil sie demselben Schuld gab, er könne ihr gleich am Augen an­ sehn , wie ihre Handcharte beschaffen wäre. Wie vielmehr wird ein Philosoph sich diesen Au­ genblick zu Nutze machen, und durch Betrach­ tungen, die nur allzuselten trügen, sich den Ein­ gang zu den innersten Leidenschafften, zu den ge­ heimsten Beherrscherinnen der Gemüther auf-



schlief-

so

Die Vortheile

schliessen. Die Schweitzerischen Mahler ersinnen einen Brief in ihren Blattern, da ein Liebhaber nur deßwegen von der Heyrath eines Frauenzim­ mers abgeht, weil er sie ohngefehr übern Spiel hat angetroffen. Mich deucht, diese Sittenlehre ist allzustrenge, und ein solcher Freyer mäste entwe­ der ein großer Misantrop, oder ganz und gar nicht verliebt seyn. Nach dem alten Sprich­ wort soll man sich nicht eher verbinden, als biß man einen Scheffel Saltz mit seiner Amasia verzehrt hat. Sollte dieses den Buchstaben nach erfüllt werden: So würden tausend Ehen zu­ rück bleiben, woran das Glück auf Seiten Got­ tes und die Uebereilung auf Seiten der Men­ schen gleichen Antheil haben. Ich will es Ihnen nur gestehn, meinHannchen, daß ich des Ver­ gnügens, Sie beym Lomber zu erblicken, mich weit geschickter bediene, als jener Liebhaber der so eigen­ sinnig und grobstolz ist, wie der Pöbel unter den Schweitzern. Sie besitzen eine viel zu edle Nei­ gung, und Ihr Herz hat allzugründliche Eigen­ schafften, als daß Sie sich im geringsten befürchten dürfften, den allerekelsten Sittenforscher da­ mit abzuschrecken; Da andre bey so einer Gelegen­ heit allen ihren Schwachheiten durch die Finger sehn: So bemühen Sie sich nirgends mehr sich auf der angenehmsten Seite zu zeigen, als wenn Sie uns Klugheit und Artigkeit, stillschweigend zur Bewunderung überlassen. War ich nicht längst so glücklich, dero Gemüthsschönheiten mit her reinsten Hochachtung zu verehren? Hatt ich vichs

des Lomberspiels.

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Nicht seit vielen Jahren den innern Werth des Witzes und der Redlichkeit, empfunden, wodurch Sie die Blüthen Ihrer Jugend desto reizender, Ihre Gewogenheit aber unendlich kostbarer machen: So ergriff ich itzo gewiß die erste Gele­ genheit, die Art Ihres Geistes zu erforschen, um mich desto eher nach Ihren Absichten zu bequehmen; Allein, wenn ich auch mit Ihnen ganze Mo­ nate Lomber spielte: So würd ich doch beständig von derjenigen Sittsamkeit, Güte, und Leutseeligkeit gefeßelt, die in allen Ihren Maniren herrscht, die auch bey dem geringsten Vorfällen zuverlaugnen, Ihnen unmöglich fallen würde. Die Schö­ nen , die es in der Verstellung höher bringen als wir, und die man ihnen nicht verdenken kann, weil die wenigsten Liebhaber aufrichtig umgehn, sind nur gar zu wenig sinnreich die Charten mit einer steten Gleichgültigkeit zu nehmen, zu wechseln und zu zerstreuen. Vielleicht übersteigt dieses das Vermögen der klugen Furcht und Schlauigkeit, womit sie die Natur wider die Starke ihrer Gegner treulich bewaffnet. Anders wird die zärtliche, an­ ders eine gute Wirthin, und noch anders eine Staaksdame spielen, die sich ein nicht geringer Ansehen zu geben weis, als Zenobia, wenn sie mit ihren Generalen Kriegsrath zu halten pfleg­ te. Jeder Blick, jedes Wort, jede Bewegung wird uns dasjenige verdollmetschen, was in der Seele vorgeht, und ein Bräutigam wird im vor­ aus mit vieler Gewißheit bestimmen, was er von seinen Schatzgen zu hoffen habe; woferne nicht B z weit

32

Die Vortheile

Weit flüchtigere Gedanken ihn an dergleichen Vorstellungen verhindern. Ich habe mir die Ltegel gemacht, niemals weder eine enge, noch eine Weitläuftige Freundschafft mit jemanden aufzu­ richten, den ich nicht durchs Spiel vorher ziem­ lich zu prüfen Gelegenheit finde. Den Einfall, die Allegorie zwischen der Eitelkeit des Lombers und des menschlichen Lebens begreiflich zu machen, Würd ich mir vielleicht nicht das erstemal im Sinn kommen lassen; Aber ich bilde mir ein, daß keine Vergleichung natürlicher laßt, als diejenige die man zwischen dem Spiel und dem Ehstande an-stellt, wo Gewinnst und Verlust so nahe sind, als Todt und Leben bey den schwimmenden Balken der Seefahrer. In der That kommen mir die Meisten Verliebten bey ihrer Wahl nicht anders vor, als der blinde Advocat, mit dem ich kürzlich spielte, und der nicht eher wüste, was für eine Farbe er in -er Hand hatte, als biß er sie vorher mit dem Finger fühlte, und genau betastete. Hat das Lomber miet) in die Erkentniß frem­ der Thorheiten so tief lassen eindringen; Wieweit Werd ichs nicht bringen, wenn ich von dem Bey­ spiel andrer auf mich selbst zurückschließe, so, wie man gar bald die Aehnlichkeit eines Bildes ent­ deckt, wenn man solches mit der gemahlten Per­ son vergleichet? Diesen Spiel hab ichs zu danfen, daß ich weis, ob ich in meinen Unternehmen zu hitzig oder zu nachlaßig, zu zauderhafft, oder zu verwegen, zu leichtsinnig, oder zu eigensinnig bin, und daß ich längst auf Mittel bedacht gewesen,

dir

des Lomberspiels.

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die' Fehler der Blutmischung, des. Vorurtheils der Erziehung und Gewohnheit durch Vorsicht undMaßigung zu verbessern. Niemals ist mirsleichter geworden, meine Affecten unter den Scepter der Vernunfft zu demüthigen, als beym Spie« le, welches der Himmel der menschlichen Phan­ tasie als eine besondere Wohlthat und Nahrung geschenkt hat; Und nie hab ich etwas unschüldi« gers gefunden, die Sinnlichkeit nebst der unruhi­ gen Begierde einzuschlaffern, als diesen Traum der Wachenden, der dem Studiren sehr ähnlich ist. Wie sollte mich eine einzige Minute dauern? die ich aufs Lomber gewendt habe, da mich dasselbe gewiß von größern Ausschweiffungen abgehalten hat, womit ich sonst das Gewissen hätte vergisstet, wenn ich in einen tiessern Grad der Unthätig« keit verfallen wäre? Wie sollte sich die Vernunfft

versengen Beschafftigung schämen, die ihr nicht zuwider läufst, und die uns allein von dem Hauffen der unvernünfftigen Thiere unterscheidet? Bey dieser Gelegenheit denk ich Sie, werthestes Hannchen, mit den Tadlerinnen wieder auszusöh­ nen, die Sie neulich so unwillig machten, daß Sie das vierzehnde Stück eine schwache Nachahmung des Zuschauers und der Mahler benennten. Was hat den Verfasser bewogen, sagten Sie, daß er den ehrlichen Ehartenmacher, den die Republick nicht entbehren kann, der die königliche Casse bereichert, einen halb unsinnigen Künstler nen­ net? Was hat doch der gute Geschmack in der Mahlerey, der für sich bestehen kann, mit den B 4 Ehar«

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Die Vortheile

Chartenblldern zu thun, die nichts als Quodli­ bets und Burlesken sind,wowiruns an den Mißgeburthen der Gothen, Celten und Langobarden, nicht wenig ergötzen? Endlich müste man, fuhpen Sie fort, es eben so lappisch und kindisch nennen, daß Socrates mit den Knaben auf den Stecken geritten, als daß man heut zu Tage sich nach unsrer Zeit bequehmt, und zur Lust ein Spiel macht, das man Zeit Lebens nicht auslernt. Sie belieben, wo ich bitten darf, die Stren­ gigkeit des Sittenrichters mit dem guten Willen zu entschuldigen, den er gehabt hat, das unzeiti­ ge und gewinnsüchtige Chartenspiel so häßlich fürjustellen, als dasselbe verdienet. Sie wissen oh­ nedem, daß die Frau von Z. Herr L. und noch ein guter Freund ehedem von den Vortheilen des Lombers so stark überzeugt gewesen, daß dazumal fast kein Abend verstrichen, worinn sie nicht das Vergnügen gehabt, den Streit der Cördame und des Eörkönigs durchHülffe des kleinsten Trumpf­ fes zu vermitteln. Ich hatte hier die schönste Gelegenheit, meinen nicht eben zu kurz gerathe­ nen Brief zu schliessen, wenn ich nicht schuldig wäre, Ihnen noch einen Theil der vornehmsten Gründe zu entdecken, worauf der Beweist mei­ nes Satzes beruhet. Bißher, werthestes Hannchen, haben Sie vernommen, was das Lomber für vortheilhafte Würkungen in Ansehung des menschlichen Verstandes hervorbringe. Itzo sol­ len sie auch sehn, was, diese Nahrung edler Gei­

ster

des Lombershlels.

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ster bey Verbesserung des Willens für einen wun­ derbaren Nutzen verschaffen könne. Man sollte meynen, daß ein Geitziger wegen seiner natürlichen Furcht und Behutsamkeit ein geschworner Feind vom Spiele seyn müße; und es ist in der That sehr widersinnig, wenn man diesen peinlichen Liebhaber des Geldes auf so einer gefähr­ lichen Fallbrücke will antreffen; Allein tägliche Er­ fahrung und das bekanndte Exempel der melancho^ lischcn Spanier kann beweisen, daß dergleichen Leu­ te aus einer närrischen Hoffnung noch einmalso hef­ tig als andere gereizt werden, in sehr kvrzerIeit, und nrit einer überaus leichtenMühe ihrenBeutelzu be­ reichern. Trifft sichs nun, daß siealler ihrer List und Feinheit ungeachtet, insgemein denen was müßen zu gewinnen geben, von welchen sie selbst gewinnen wollen: So sieht man augenschein­ lich, daß sie durch das Schicksal selbst gezwungen werden, ihren Geiz auf eine Weile zu unterdrü­ cken , oder Schande halber doch verbeissen z« lernen. Wenn also nichts auf der Welt ist, was die­ se unheilbare Krankheit eignermaßen kann ein­ schränken; so glaub ich doch, daß das Lomber ein tüchtiges Mittel abgebe, einem Geitzigen seine Thorheit zu Gemüth zu führen, ja ihn gar auf einen andern Entschluß zu bringen. Vondenensenigen, die unter den Namen der Verschwen­ der bekannt sind, wird man dieses zwar nichts» leichte vermuthen; Doch da sichs diese guten Leu­ te so sauer werden lassen, die verschimmelte« B Z Tha-

»6

Die Vortheile

Thaler, die ihre Eltern mit Recht-und'Unecht zusammenzescharrt haben, auf eine geschickte Manier an den Mann zu bringen: So erweißt ihnen derjenige einen großen Liebesdienst, der sich über sie erbarmet, und sie spielend und mit lachen­

den Munde von einem so großen Uebel, von so schwerdrückenden Sorgen auf einmal befreyet. Dadurch komt ein junger Herr, der es so lange ge­ trieben hat, biß er nicht mehr verlieren kann, zuletzt noch auf die heylsamen Gedanken, seinen prächti­ gen Müßiggang, der sich nunmehro von selbst verbiethet, mit einen ordentlichen, sieißigen und eingezognen Leben.zu vertauschen. Sie fragen vieleicht, werthestes Hannchen, was denn ein Hochmüthiger aus dem Verlust beym Spiel für einen besondern Vortheil zu ge­ märten habe? und ob es möglich sey, daß auch er dadurch Gelegenheit bekomme, die wilde Hitze der wallenden Leydenschafften zu überwältigen? Ich könnte Ihnen zwar hierauf antworten, daß der Sinn eines Ehrgeitzigen, den natürlichen Aorn eben so stark zu bändigen veranlaßt werde, als derselbe in volle Flammen ausbrechen würde, wenn er nur eine von den unzehligen Arten der Beleidigung rachen wollte, die beym Spielti­ sche in mancherley Gestallten zum Vorschein kom­ men. . Allein ich bin versichert, daß sein Gemü­ the noch einen viel wichtigern Nutzen sich beyzulegen habe, wenn er sieht, daß das mißgünstige Glück die Großmuth seiner Befehle nicht achtet, sondern schalkhafft genug ist, seine stolzen Wün-

des Lomberspiels.

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sche, die kein Gott erniedrigen samt, durch den leichten Wurff eines ungehorsamen Chartenblatt tes zu B öden zu werffen. Sollt er daher nicht be­ wogen werden, die Klugheit und Vernunfft wie­ der zurück zu rüsten, seinen ungemeßnen Absich­ ten ein Ziel zu fetzen, seine Begierden nach und nach zu mäßigen, ja zuletzt mit einer gewissen Ge­ duld und Geschwindigkeit sich in die Verwir­ rungen der Zeit, des Glücks und der Umstande sich schicken zu lernen? Wie viel besondre Vortheile des Lombers könnt ich nicht außerdem Ihnen, mein Hannchen, vor­ stellig niachen, wenn nicht die Scharfsinnigkeit der sinnreichen Madame Gottschedt durch ihr beredtes Lob der Liebe zum Spielen die Weitlaufkeit meiner Gedanken gütigst erspahren hülste; So gar, daß ich unter hundert dergleichen Auf­ sätzen nichts artigers zu finden wüste, das, weites, von einer berühmten Verfasterinn herschreibt, ge­ schickter und angenehmer wäre, einem Frauen­ zimmer Genüge zu thun, welches sich glücklich schätzt, noch in ungleich süngern Jahren einer so gelehrten Rednerinn als tugendhafften Philosophinn nachzueyfern.

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Lob des deutschen

deutschen Frauenzimmers. ch, der aas deutschen Blut entsprossen,

Und deutscher Schönen Gunst genossen,

Sing itzt von Ihrer Trefflichkeit. Europens Engel! Euren Augen, Die Dichter zu entzünden taugen.

Sey Lied, und Herz und Sinn geweyht. Wie in den Blüthen güldner Tage Eich selbst und andern nur zur Plage

Kein holdes Kind zu sinnreich war: So stellen unsre Schäfferinnen, Durch frey und artiges Beginnen

Natur, und Witz und Unschuld dar.

Euch wird, oFrankreichs braune Nymphen'. Euch selbst der gröst« Geist beschimpfen.

So bald ihr gute Sitten scheut. Doch adelt unser Frauenzimmer An statt der Wangen falschen Schimmer

Ein keusches Herz voll Redlichkeit. Dort um der Tyber stolzen Fluche»

Steht man noch manches Opfer bluten, Bey dem Altar der Eyfrrsucht. Allein, wie menschlich-sanffte Triebe

Leutseeliger, vernünfftger Liebe Zeugt unsrer Fräulein edle Zucht. Vom

Frauenzimmers.

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Vom grauen Zeiten bunter Britten, Als sie der Sachsen Schwert bestritten. Entspringt der Angeln schön Geschlecht. Aus deutschen Lenden und Geblute Stammt noch ihrgrosmuthsvollGemüthe, Der wahren Freyheit Ursprungsrecht.

Auch ihr besi;t bey klugen Herzen Geschmack und Artigkeit im Scherzen,

Die ihr gelehrter seyd, als scheint! Auch deutscher Nymphen Reiz und Jugend Hält Schönheit, Frömmigkeit und Tugend. Beglückt und angenehm vereint.

Der Frühling. Eine Ode. er Winter hat genug gestürmt. Schnee dec wie Berge sich gethürmk. Und Eyß und Nordwind sind verschwunden. Seht doch! des Frühlings holde Stunden Gehn tanzend durch das rothe Thor, Und durch den güldne« Hoff der Sonne. Komm wieder, komm zurück, o Wonne j Verbirg dich nicht mehr wie zuvor. Ja, ja; des Himmels Angesichte Verjüngt sich mit verneuten Achte,

Und

Der Frühling. Und hüllt nicht mehr in Wolk und Leyd Sein heiter, hochblau Feyrrkleid. Willkommen schön beblümter May!

Dein Wink macht tausend Sclaven frey, Und tobtet die verjährten Schmerzen. Du Freund vom Lächle», Lieben, Scherzen! Der Fluhren auferstandnes Grün,

Schmückst du mit mahlerischen Glanze; Erschaffst Violen mir zum Cranze, Auch die auf Phillis Busen blühn; Auch Rosen, die auf rothen Wangen, So wie auf rothen Lippen prangen. Du schwellst der Jugend muntre Brust, Und giebst dem Alter Glut und Lust.

D» lehrst die braune Schäfferinn,

Die blauen Augen schmachtend ziehn Bey freundlichsseuerreichen Blicken. O stark! O schmeichelndes Entzücken! Die Unschuld liebt, und weiß es nicht. Und wird durch leichtes Spiel entzündet: Sagt, wenn uns die Natur verbindet: Wer weigert sich der süßen Pflicht? Diezärtlich-buhlerischenBande Hält sich ja kein Barbar zur Schande.

Dernunfft flieht, wenn sie widerspricht. Der Menschheit edle Schwäche nicht. Hört, wie in Wasser, Erd und Lufft E in jedes Thier den Gatten ruffit,

Und

Der Frühling.

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der Gemüthsschönheit beiderseitigen Ge­

schlechts Sie zu unterhalten ; Wofern Sienicht etwan gar zweifeln, als ob es eine derglei­ chen gebe? Weil es scheint, daß Ihnen dieselbe wenig Kummer verursacht, und weil Sie an sich selbst schön genug sind, wenn Sie nur den Posteneknes artigen Herrn zu behaupten wissen.

An Dämon. jeder, diedie Freundfchafft weyht, jeder reiner Zärtlichkeit Preisen, Dämon, deine Triebe. O-wie süß entzückt die siebe!

£>rote bist du so beglückt! Da das Kind, das du entzündet , Das dick liebenswürdig findet, Sanfft an Brust und Kinn« drückt,

Reizend lächelt ste dir zu, Damon ! was verzögerst du? Sieh doch, wie siefeurich winket,.

Wie ihr Auge- schmachtend, sinket Was für tiebreiz hat ihr Kuß1

Fühlst du nicht beym Händedrücken. Schon ein himmlisches Entzücken Won dem zärtlichsten Genuß ?

An Dämon.

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Rührt dich kein verschämter Zug? Freund! du hast nicht Muth genug. Don der Sprache der Gebehrdrn Müst ich selbst bezaubert werden. Prüf ihr klug und muntres Herz. Kneip ihr in die jungen Wangen; Streichelnd magst du sie umfangen. Gelt! dein Kind verstehet Schrez. Warum ward ihr Auge naß? Warum warst du neulich blaß ? Wo war da dein Geist geblieben? Liebst du nicht? So lerne liebe«. Kitzle nur ihr zartes Ohr; Sing ein Lied galanter Musen Mit Empfindungsreichen Buse« Der geliebten Freundinn vor.

Augen voller Reiz und Glut; Wangen schön wie Milch und Bluth; Glieder die sich, zu umfassen Netter nicht gedenken lassen; Und ein kleiner rother Mund, Ws bald Ernst, bald Güte siegen; O was wird da vor Vergnügen Dir durch tausend Anmuth kund l Weil das Antlitz, das dich zieht, Der Natur zu Ehren blüht: Weil ein jugendlich Verlangen Dich gelockt, und dich gefangen: C 4

*

Der Poer. O so folge diesen Trieb! Freund! wie kannst du schönner wehlen? Freund! wird dir ein Glücke fehlen 1

Chloris! Chloris hat dich lieb.

Der Poet. Ein Schaffergedicht. eglücktes kühles Thal, und angenehmer Wald! Wo ein verschämter Mund von Lust und Liebe lallt. Wo manches Schafferslied von seiner Amarillen

Mit frohen Wiederhall die Fluhren kann erfüllen. Hieran dem schwanken Schilfder buhlerischen Dach

Laufich der Schäfferinn mit schnellen Schritten nach; Kaum wird die Dämmerung des Himmels Farben brechen:

So werd ich dich mein Kind, dich, o Philinde, sprechen.

Vielleicht verheelet nur dein jugendliches Herz Das innige Gefühl, der Wollust süßen Schmerz. Vielleicht bemühst du dich durch artiges Verweigern

Die schmachtende Begier, und deinen Reiz zu steigern; Dein Aug entzücket mich voll lächelnder Gefahr; Was strafft mich nun dein Mund, wenn ich zu kühne war. Könnt ich, nicht höchst vergnügt aus deinen Blicken lesen,

Daß dir mein treuer Sinn nicht unbekannt gewesen?

So

Der Poer«

4*

So baldder frühe Tag die holden Matten grüßt, Habich, mein Engelchen! dir gleich die Hand geküßt, Der Lämmrrweißes Volk, gierig blöckendzu denTriss-trir, Wo Scherz und Munterkeit in stillvrrschwiegnen Lüff-

ten Sich lieblichgaukelnde um unsre Scheitel schwingt, Indem der Vögel. Chor uns Arietten singt, Und meine Feldschallmey nur dir zaEhren schallet. Wenn der beblümte Len; auf bunten Wiesen wallet.

Wie offte hast du nicht aus loser Sittsamkeit Dich in den Busch versteckt, woihtderGuckukfchreyt.

Dein zierlich Sprödethun wird niemals mich betrüben. Ich werde Freundinn! dich recht paradiesisch lieben. Wie vfft belauscht ich dich! Beglückte Schelmrrey! Du ziertest ganz allein die grüne Wüsteney,

Du sangst rin zärtlich. Lied, das Berg unh Anger hörten,

Das Bäche, Wald und Wind durch kein Geräusche störten.

Auch ich verrieth dich nicht; Denn ich war viel zu. fromm; Als mein verliebter Geist in Blut und Thränen, schwomm. Sich tröstend Hoffete, daß deine zarten jArmen Des redlichen Meliß sich endlich noch erbarmen. Ich schlich verwirrt dahin, wo junge Rosen blühn,.

Und Nachtigallen mich süßlockend an. sich ziehn. In diesen von Natur so schön geschmückten Garten,

Da streck ich mich im Klee, um.deiner zu erwarten. C5

Da,

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DerPoek

Da, wo der laue West in den Gesträuchen spielt, Da hab ich offt nach dir, nach dir mein Kind ^geschielt»

DieunruhvolleRuh beym Schatten schlanker Fichten» Umsonst war all mein Dichtem Eh ich den Himmel noch gestirnt und dämmrich sah: Hat zehnmal mich getäuscht.

War schon der müde Schlaf im braunen Kleide da. Im Traume naht ich mich dir, Honigsüssen Munde! Ein Handschlag war der Schwur von unsern festen«. Bunde. DieAnmuth labte mich, die dir im Auge strahlt,.

Und mit der Liebe Reiz die Wangen röther mahlt. Noch itzo kann ich nicht die gütigen Caressen, Der Blicke Freundlichkeit,, die du mir gabst, vergessen» So freudig hüpffet kaum das Gras der grünen Au,.

Nach den erquickenden, gesunden Morgenthau. Als mein halbtodtrs Herz vom süssen Wahn um­ schlossen,

Da in Ergötzkichkeit und Zärtlichkeit zerflossen?

Hier rührt mich Augenlust, und Eitelkeiten dort. £> wir gefällig war dein schmeichlerisches Wort!

Spaziert ich da mit dir um stoltze Korngelände •• Wir sanffte drückt ich dir die SchwahnenwrißenHände»

Zufrieden mit mir selbst, nicht schlüpfrig, ohne Kunst,, Bath ich dich streichelnde, nur um ein wenig Gunst. Indessen wacht ich auf! Des Morgens rother Flügel Dergüldete schon längst diemostgtfalben Hügel.

Die neueste Wirthschaist. ^Ä^rispin hieß der junge artige Herr , der es allen IL seines gleichen, in der Aufführung zuvor that. Die ganze Stadt ergötzte sich an der Schönheit seines erhabnen Tuppees, und der zierlich zusammengedrückten Locken. Er war der erste , der die Kühnheit hatte, rothe Absätze zu tragen, und die perlfarbnen Strümpfe über das Knie zu wickeln; So daß sie nicht anders liessen, als der Knauf eine Coriuthischen Säule. Sein Gang war so tacktmaßig, und aus seinen Augen spielte ein so muntrer Witz, daß man un­ gewiß blieb, ob map an ihm. mehr die Kunst, oder die Natur bewundern sollte. Es kann seyn,, daß er sich zuweilen zwang, etwas schönes zu re­ den; Allem der Schwung und die Leichtigkeit sei­ nes Vortrags ersetzte bey ihm das Nachdenken, und die Gründlichkeit der Einfalle.

Er war eben ausgegangen einen andernsungeu Stutzer, der lange nicht so vollkommen war, wie : er, seine Aufwartung zu machen; als er denselben zu grossen Glück in einen Buchladen stehn sah, wo er wider seine Gewohnheit die Tittel der Ausgelegteu Bücher tiefsinnig untersuchte. Diese Gelegenheit, einmal eine gelehrte Mine anzuneh­ men, kahm den Crispin so wohl zupasse,, daß er mit einer sehr höfstichen. Art nach einen neuen Ro­ man

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Die neueste Wirthschafft.

man fragte; Inzwischen war indem Hause gegen über die lächelnde Finette ans Fenster getreten, die gewöhnliche Mittagsbegrüßung der jungen Herren anzunehmen. Kaum war Crispin von seinen guten Freunde beym Ermel gezupfft wor­ den, als seine und Finettens Blicke einander sehr zärtlich begegneten. Er selbst, ob sie ihm gleich längst von Ansehn bekannt war, fragte doch itzo mit einer geschickten Manier den Vuchführer um den Nahmen des Frauenzimmers, das er gleichsam mit Fingern zeigte, und mit geistreichen Lobsprüchen beehrte. Ihn entzückte nichts mehr, als die schöne Nachlaßigkeit, womit die angenehme Finette ein Schnüpgen aus ihrer^Schildkretenen Dose nahm, die sie so zierlich wieder in den Schiebsack steckte, ohne die Brabanter Spitzen zu zerknitten, damit ihre länglichen Handblätter verbrämt waren. Gegentheils ergötzten sich die blanken Augen der Göttinn, an der schlanken Leibslänge des jungen Herrn, die ein blümrant seiden Kleid noch vortrefiicher machte; indem es so nett anschloß, wie eine Schnievbrust, und unten so prächtig wegstrozte, wie ein Fischbeinrock, dessen Saum eine Hand­ breite Brodirung vergüldet. Inzwischen waren die Liebesgötter sehr geschäfftig geheime Seufzer zu erwecken, und die Herzen zweyer jungen und feurichen Kinder in die sanfsten Flammen zu setzen, deren Ausbruch sich in we­ nigen Tagen äuserte. Die Gelegenheit sich mit hem Bruder der Finette bekannt zu machen, war dem

Die neueste Wirthschaft^.

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dem Crispin so günstig, daß fein Aus-und Ein­

gang in diesen Hause ganz was anders schien, zum Grunde zu haben, als eine verdeckte Zärtlichkeit. Der Walpurgisabend, von demmanvorgiebt, daß er der Zauberey gewiedmet sey , war eben der­ jenige, der auch den jungen Herrn so gewaltig bezauberte, daß er ihn, als den glücklichsten seines Lebens ist seinen Taschencalender dreymal mit rother Dinte unterstrich, und hinten und forn

ein mächtiges Nota bene dazu setzte. Die Götter und die Sterne wollten, daß der Wunsch des Stutzers und der Jungfer zugleich erfüllt würde, indem sie einander das erstemal zu sprechen bekahmen, gleich, als die Mama auf dem obersten Boden des Hauses gegangen war, die graulichen Lufftzeichen mit Bestürzung anzuse­ hen, die Lucifer zum Schrecken der besten Welt und der Leichtgläubigkeit aus höllischen Parti­ keln zusammen setzte. Finette war bereits wohlgeübt in der Kunst, die feinsten Schmeicheleyen eines schmachtenden Liebhabers mit kaltsinniger Höflichkeit zu erwie­ dern, wenn nicht die Erklärung des Crispins

so

was einnehmendes bey sich geführet hatte, das sich nicht beschreiben laßt, aber von der wächsernen Finette am besten empfunden worden.

Ihre Augen Machten ihren schonen Munde den Vorzug der Beredsamkeit streitig, als der junge Herr den Goldsinger der Göttinn so bescheiden ergriff, und so demüthig küßte, daß die aller­ grausamste Schone in allen Nerven und Flech­ sen

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Die neueste Wirthschaft,

sen den verborgnett Reitz davon müste gefühlt haben. Die Naturkundiger, die von den magnetischen Krafften der Eörper ein langes und ein brei­ tes zu sagen wissen, werden erlauben, daß ich mich dieses geschickten Ausdrucks in Abfchilderung der Liebe und ihrer Würckung bediene. Der erste Grad derselben war bey Finetten so unschuldig, daßßeetwas mehr, als ein Mensch würde seyn müssen, wenn ße nicht allemal sich hat­ te herbeyziehn lassen, so offt der junge Herr das Zimmer ihres Bruders mit seiner Gegenwart beehrte, Der andre Grad der anziehenden Krafft, der sich nicht, wie der erste, bloß beym Gedanken auf­ hielt, schien sich im Blicken und Worten zu ausern, hernach aber mit Zusiunmenfügung zweymal zweyer Lippen zu endigen, Er war nicht so bedenklich als der dritte und letzte, der in kurzer Zeit eine so genaue Vereinigung der Cövper nach sich zog, daß Finette nicht Finetke gewesen wäre, wenn sie nicht ein lebendiges Merkmal von der Vertraulichkeit des jungen Herrn hatte bekommen sollen. Virgini tarn crelcit Uterus qiiain gravide mulicri« Affranius in fragn^erttis. Stewar von ihrer Jugend an

Der Liebe niemals feind gewesen. Was manches Mägdgen erst muß üus den Büchern lesen, Dgs hat der junge Herr ihr selber künd gethan. AuS

Die neueste Wirkhschafft.

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Aus Liebe kies sie sich von ihm zur Mutter mache»; Doch fragt nicht um die Art, wie dieses muß gr» schehn? Finette war zu schlau. Kein Mensch hat zugesehn. Gnug, biß bewieß die kleine Lesbia! Von ihrer Zärtlichkeit war diese Tochter da. Kos?. DerÄatee der Finette schien über die unverhoff­ te Vermehrungseiner Familie so wenig vergnügt zu seyn, daß er einen Schwur that, Crispin soll­

te bey seinen Lebzeiten niemals sein Schwiegersohn werden , und seine Tochter würde deswegen nicht sitzen bleiben. Sie war die eintzige Erbin eines ängstlich zusammengescharrten Reichthums, und der Gegenstand so vieler ansehnlichen Bürgers­ söhne , die ihrentwegen hundertmal die Kirche besuchten, ohne darinn etwas anders-, als an sie zu denken. Zu allen Glück war der alte Chremes so höstlich, und verlies das Schattenspiel dieser Welt noch in ebendem Jahre, da Erispin und Finette beschlossen, zu Werke zu schreiten , weil es langst hohe Zeit gewesen war, Hohzeit zu machen. Allein die Erfahrung gab ihr noch viel mehr zu wissen, als Crispin die Person eines Buhlers gar bald mit dem ernsten Gesicht eines Mannes verwechselte. Er gab ihr nicht mehr den Na­ men einer irrdischen Gottheit, und er bath sie nicht mehr so herzbrechend, aus ihren Englischen Munde den Zucker saugen zu dürsten, der alle Süßigkeiten des Himmels übertraste. Sie ward

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Die neueste Wirthschafft.

selber des Tändelns, des Spielens, des Herzens überdrüßig, und fieng an, die Schwachheiten ihres Liebsten einzusehn, der nichts that, als die Coffee-

Hauser besuchen, oder den besten Wein in der Stadt auszukosten, und des Abends halbberrauscht nach Hause zu kommen. Bey dem allen besaß Finette noch so viel natürliche Tugend, daß sie dieses noch wohl mit angesehn hatte, wenn nicht Crispin, den der Ponkack die Sinnen einschlafferte, mit sehr un­ freundlichen Careffen zu drohen angefangen. Unterdessen nahm ihr Cammermagdgen Geleheit, einen gewissen Cavalier gegen ße zu rühmen, der in Gefellschafft sich habe verlauten lassen, daß

er Finetten für die gröste Schönheit ihrer Vater­ stadt hielte. Dißmal hatte sie noch so viel Ver­ stand, daß sie derungebethnenZeitungstragerinn ein Stillschweigen auferlegte; Indessen war sie doch im Herzen nicht vermögend, den weiblichen Hochmuth und die Neugier zu dampfen, die sie halb und halb anreizte, diesen jungen Herrn aus der Fremde kennen zu lernen. Crispin, der noch wenig Laulichkeit in dem Be­ zeigen seiner Frauen spührte, ward von einen Anverwandten, dem sie ihre Noth geklagt hatte, weitlaufftig ersucht, seine Liebste, die ihn noch im­ mer zärtlich liebe, auf einmal nicht so gar aufdie Seite zu setzen. Er schien selbst durch die Bil­ ligkeit und durch die wiederkehrende Hochachtung für seine erste Liebe gerührt zu werden; und sann

auf Mittel, der nicht unangenehmen Fiyette einen Zeit-

Die neueste Wirthschaft.

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Zeitvertreib zu verschaffen, der ihrem Naturell gemäß wäre. Der Kutscher der einen heimlichen Spion des unbekannten Eavaliers abgab, bekahm nur Be­ fehl sich fertig zu halten, als er diesem Herrn so­ gleich dm Ort und die Gesellschafft berichtete, wo­ hin seine Herrschafft sich zu verfügen Anstalt machte. Dieser versäumte keinen Augen­ blick durch allerhand Geschenke und ausstudirte Wege in dieses Haus sich einzuschleichen, um seine wohlzugestutzte Person der schönen Finette vorzustellen. Bor allen Dingen suchte er mit ihren Ge­ mahl sich bekannt zu machen, der sichs für eine Ehre schätzte, sich in dem Ungange einer sol­ chen Standespersohn zu befinden, die so wohl zu leben wüste, und die Höflichkeit selbst zu seyn schien. Nach, seiner gewöhnlichen Großmuth bath Cri­ spin die ganze Gesellschafft und also auch seinen

ihm unbewusten Nebenbuhler den folgenden Tag zu Gaste. Der Cavalier kam um gesetzte Zeit in völligen Gallakleidern mit seinen Bedienten in ei­ ner vergüldetm Kutsche gefahren, und ward von dem artigen Wirthe nach einigen Complimenten aus dem Wagen gehoben. So bald er seine gan­ ze Beredsamkeit gegen Finekten, die ihn aufdem Vorsaal empfing, ausgeschütket hatte, hielt er für nöthig seine Englische Dose herfürzuziehen, und eine Stärkung für sein schwaches Gehirn zu nehmen.

D

Bey

so

Die neueste Wirthschaft?.

Bey der Taffe! unterließ er keine von den Ver­ sicherungen und Verbindlichkeiten der Freund­ schafft einen Manne zu geben, dessen Frau man lieb hat, und der sich einbildet, als ob seine eignen guten Eigenschassten lediglich daran Schuld waren. Man hat angemerkt, daß der Witz eines jungen Herren beym Gesundheittrinken besondere Ausdüffungen bekommt; und ich glaube, daß die­ selben auch hier den Eavaliereben so mit aller Ge­ walt zu einen Poeten machten, als der Prügel jenen Jeck beym Mokiere zu einen Arzte. Doch es kann auch seyn, daß er in seiner Ju­ gend ein paar Versgen aus dem Hoffmannswaldau auswendig gelernek hatte, die er hier sehr ge­ schickt wieder an den Mann zu bringen wüste. Der Lömbertisch hatte hierauf die hohe Gnade, diesen Herrn, den man von der andern Gesellschaffk nicht wenig zu unterscheiden suchte, nebst der angenehmen Finette und einen andern Frau, zimmer, bey sich zu sehen. Bey dem Ausrheilen der Charte blitzte der Demant, den er am Finger trug, eben so feurich als seine Augen, und als seine Nachbarinn beym Easco ohngefehr den Lörbuben aufwarf, so that er dabey einen sinnreichen Wunsch, der ein grösser Räthsel war, als die Sprüche des Pythagoras. Die Ausiösung desselben ward durch den Handkuß ziemlich erleichtert, den er Finekten gab, als sie vhngrfehr ein Kartenblat aufhub, das als ein-Deser­ teur auf die Mohrene Weste gefallen war, woran Noch dle dicken Franzen, gleichsam, als Pa-

Die neueste Wirthschafft.

$t

lisaden, dienten, diesen ungetreuen Flüchtling auf» zuhalten» Nachdem er sein Glück auf mancherley Art

versucht hatte, und die Kunst zu äugeln, verliebe zu husten, oder mit den Fuß anstoffen ein Zeichenzu geben, Nicht würkett wollte, ließ er sich vor

Verdruß von seiner Repetiruhr sagen, daß es Zeit sey, sich NachHause zu begeben. Beym Abschiede nöthigte er den Crispin, zum Andenken, einen Englischen Stockknopf, nad> der neuesten Art, die Finette aber eine kostbare Haarnadel von ihm anzunehmen, die, wie ec mit einen Eyde versicherte, erst nicht lange aus Pa­ ris mitgebracht worden. Rach Verlauf einiger Wochen ward Crispm der Vater von einen jungen Sohne, der ihm si» Ähnlich sah, wie ein Ey dem andern, und sein Weibgen befand sich recht wohl bey dem Zeitver­ treibe, den ihr die sämtlichen Stadkdamen mach­ ten, indem sie bey ihren Wochenbette den ge­ wöhnlichen Besuch abzustatten, nicht unterlieft

fett. Finette, deren Zunge von den vielen Plau­ dern recht geübt ward, verlohr bey den erbauli­

chen Gesprächen, welche vorsielen, vollends den Ueberrest der Unschuld und Schamhafftigkeitt Sie hörte, wie Blandüla einen gewißen Officiee so artig fünde, daß sie etwas mehr thäte, als mit ihm Briefe wechseln. Jngleichen erwehnke Lorette, daß sie gesonnen sey, morgen aufs Land zu

reisen, wobin sie ein paar artige Stutzer zu Pftr, La -e

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Die neueste Wirthschafft.

de begleiten würden; Nicht weniger schätzte sich Corinne glücklich, daß sie einen so gutmüthigen Mann hatte, der ihr Erlaubniß gäbe, heute ganz allein auf einen Ball zu gehn, wo sie nach ihren Gefallen, so lange bleiben könnte, als sie wollte, und wenn sie auch erst bey sinkender Nacht wieder nach Hause kahme. Finekte, die sich aus dergleichen Unterredungen allemal das beste merkte, hatte nur noch zu viel Furcht für ihren Mann, als daß sie den Gedan­ ken, die ihr zuweilen von der Eitelkeit eingegeben wurden, hatte nachhangen können. Wenigstens gab sie selbst dem Cavalier, der von seiner Reisezu­ rückkommen, und itzo erschienen war, dem Eri­ spin Glück zu wünschen, einen sehr kaltsinigen Bescheid, als er ihr auf eine besondere Art schmei­ chelte

Wiewohl er sich für die Ehre bedankte, daß sie ihn zu einen Taufzeugen ihres künfftigen Er­ bens hatten erwehlen wollen: So stund er überdieß in der ungegründeten Einbildung, daß die­ ses aus einer besondern Neigung der Finette ge­ gen ihn herrühre; da doch bloß der wunderliche Ehrgeitz des Crispins daran Schuld war, daß er durch die Gevatterschafft das Recht einer nähern Freundschafft bekommen zu haben vermeynte. Die Erklärung, die er der Frau Gevatterinn, bald hernach zu hören gab, war viel zu freymüthig und zu ausschweiffend, als daß sie nicht einen starken Abscheu hatte sollen blicken lassen, ihrem Ma,

Die neueste Wirthschafft.

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Manne mit der grösten Ungerechtigkeit auf der Welt zu begegnen. Es ist kein Zweiffel, daß sie diese Aufführung niemals würde geändert haben, wenn Crispin nicht selbst sie zur Rache gereizt, und theils durch Unvernunfft, theils durch eigne Untreue schändlicher Weise beleidigt hatte. DerCavalier der indessen durch ihr Verweigern fast war rasend worden, erfuhr mehr als zu sehr das Anzügliche einer Person, vor die schon der Römische Comoediendichter warnet:

Aetas, & corpus tenerum, &morigeratio Haec sunt vcnena formofärum, lnuliernm. inFragm. lat. poet. Die nächste Zusammenkunfft gab ihn auf einmal seinen vorigen Muth wieder, da die Frau Gevat­ terinn gegen seine Zärtlichen Manieren nicht so un­ empfindlich zu seyn, schien, als ehedessen. Finette, die sich auf Kundschafft zu legen an­ fing, erfuhrvon ihren Kammermagdgen, daß ihr lie­ ber Crispin fast alle Abende zu einer Nachbarinn sich verfüge, die in der Abwesenheit ihres Ehemanns eine wunderliche Wirthschafft führte. Jngleichen habe der Bediente im Schnupftuch ein Stück von der Hasenpastete mit nach Hause gebracht, womit ihr Herr daselbst lustig tractirt hatte. Dieses war genug, sie auf dem verzweifelten Entschluß zu bringen, gleiches mit gleichen zu ver­ gelten, und die erste die beste Gelegenheit zu evgreiffen, die sich zu Ausführung ihrer Absichten D 3 dar-

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Die neueste Wirthschaft^

harböthe.

An statt daß sie den Cavalier vorher

unerhört hatte seufzen lassen:

So ließ sie ihn

itzo vielmehr die Stunde wissen, wenn ihr unwürKizer Schatz bey seiner Mmrreffe wäre, und wor­ inn er ungehindert bey ihr aus und eingehn könn­ te. In kurzen bringt es die Frau Gevatterinn

iy der Galanterie so hoch, als Crispin es jemals hat bringen können,

Und wenn er einen Schwager macht: So macht sie emey andern. Hagedorn. Das lächerlichste war, daß der Cavalier und Cri­

spin bald drauf bey Kaynnermägdgen der Finetre zum zweytenmal Gevatter wurden, ob es gleich unter ihnen noch nicht ausgemacht war,, welcher von beyden das Kind sich mit Rechte zueig«en konnte? Crispin mochte ausserdem wohl' einige Muth-, maßung von des vornehme» Herr Gevatters überstößiger Gütigkeit vor sein Hauß, gejchspfft haden; Mein, weil er selber nicht auzu Ehren­ fest war, so nahm er dieses auf die leichte Achsel) und als man ihn in GeseÜschafft damit vexirte, gab er zur Antwort: Er tröste sich immer Hamits daß er weder der erste noch der letzte wäre, Den das schone Bild Diana bey Ser Xfo'dot'. „Tum Hirstheokovf, wie den Attädirimackt»

Rachel. Er bandelte hierin« weit gefcheider, als nachgebends, da seine Frau wieder zu rechter Zeit tauf» fett

Die neueste Wirthsthaffc.

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fen ließ, er aber das Kind nicht vor das seinige erkennen wollte, darum, weil es eine so große Nase, und dazu auch roth Haar hätte, dergleichen in seiner ganzen Familie niemals war zum Vorschein kommen. Endlich da der Herr Gevatter ihm selber zuredte, ließ er sich die Narrheit vergehn, und sich

so wohl durch die Geschenke des Cavaliers versöh­ nen, als auch durch den schalkhafften Einfall sei­ nes Weibes auf andere Gedanken bringen, in­ dem sie die Haare des Kindes ihm zum Possen schwarz färbte, eben so, wie sie ihren Vudelkopf -u schwärzen gewohnt war. Der Wein diente nicht selten seine übrigen Grillen zu ersauffen; und er hatte von Finettens Artigkeit gewiß keinen Schaden« Indem sie sich in der Kunst, dem Eavalier beym Lomber das Geld abzugewinnen, täglich vollkommner machte. Der gute Mann weis nichts vom Neide: Die gute Frau darf sich erfreun« Er gönnt Finetten ihre Freude; Sie gönnt Crispinen seinen Wein. Ihr ganzes Hausrund Wirthschaffts-Wesen, Ist ordentlich und auserlesen.

L - *

Hagedorn. deN4.hesCristmon« 1744-

D4

Das

56

Das Andenken

Das Andenken vergnügter Jugend. In einem Schreiben an Herrn Ulbrich. reund! derber Dinge Werth im innern Grund

8

betracht, Und dm die Wissenschafft nicht stolz, nicht mür­ risch macht; Bejahrter Pflichten Zoll hab ich noch nicht vergessen. Wie sehr ich dich geliebt, kannst du hieraus ermessen. Ein Sinn ein redlich Herz, ein Zweck, ein Vaterland, Und ein geheimer Trieb wars, der uns fest verband. Wir übten schon im Lenz der Blumenreichen Jugend In Unschuld Freundschafft aus voll unerkannter Tu­ gend. SowiedeeOceanein Tröpfchen in sich schluckt;

So hat die geitzgeZeit die Stunden weggeruckt; Des Lebens niedlichste und allerliebste Stunden,

Die ick erst nach der Flucht noch reizender befundenO bracht ein güldner Tag nur einen Augenblick, Von Freyheit, Scherz undLustzu meinen Trost zurück. 0 wie zerfloß mein Herz in zärtlichen Vergnügen! Da konnten wir den Gram, itzt kann er uns besiegen. Ein Jahr warwieein Tag im Schosse jener Stadt,

Die ein beglückter Bergauf seinen Gipfel hat, Wo die fischreiche Spree beblümte Ufer findet,

Um Inseln voller Bäum sanfft rieselnde sich windet.

Offt

57

vergnügter Jugend.

Offthat sie zugehört,' Wenn unsrer Lieder Klang Durch süssen Widerhall das nächste Thal durchdrang. Da nennten totr im Scherz die Schafferinnen spröde;

Allein, wir waren selbst, wir Hirten waren blöde; Und du verstecktest dich; Da sucht ich deine Spuhr, Und lief die Gärchen durch und manche bunte Fluhr. Und angenehm bestürzt fand ich dich in den Matten, Wo Ruh und Ueberfluß und Redlichkeit sich gatten. Da sprung ein Knabe rum, der einen Schmetterling Am jungen Rosenstock mit schnellen Handen fieng.

So, sprachst du, machts der Menschs Wenns ihm soll glücklich gehen:

Ergreifft er, was nichts hilfft; Die Blumen läst er stehen. So schnell der schwarze Staub des Posphors Feuer fangt: So schnell ward unser Witz auch zum Geschmack g« lenkt. Zum edleren Geschmack.

Vom schönen Wissenschaff­ ten Blieb gleich in unsern Geist das kleinste Fünckchtn hassten.

Wie Ajax beym Homer die andern Helden reizt: So sporntest du mich an, daß ich nach Kunst ge­ geizt, Die frey ist, und frey macht. Die königlichen Triebe, Der Menschheit Frucht und Zier sind voller Wahr­ heitsliebe. Du gabst mir, und ich dir manch nett und lehrreich Buch; So gar ergötzend war, so nützlich dein Besuch. D 5

Vom

5.8

Das Andenken

Vom Flittergold womit dich Lohenstem geblendet,.

Hat Gottsebevs Redekunst dich zeitig abgewendet. Die arme Kostbarkeit und Srahlkopfs Wörtterfpiek War, da du weitet sahst, was dir sehr schlechst ge­ fiel. Wir leryteu Blick und. Fleiß auf Grund und Regele senken, Und wie di«Alten thu«, stark und vernünfftig denken».

Weil man dem Naturell am ersten folgen muß. So reizt die Artigkeit des jungem Plinius. Dich körnig, lebhafft, kurz, und sinnreich auszudrü­ cken Auf Voituvens Geist sahst du mit scharffen Blicken;

Daß, wen« dein muntrer Kiel sonst an Callistrn schrieb» Stets dein galanter Brief natürlich reizend blieb.

Begierig schöpfften wir die Kunst aus ihren Qvellen;. Das Teste suchten wir zum Bildungvorzustellcn; Wir lasen, ahmten «ach, versuchten manche Art,

Die bald in Safft und Krafft bey uns verwandelt ward. Erst lehrte mich Longrn den Witz von Unwitz trennen,

Des Einfalls Höh und Schwung, die Krafft deK Ausdrucks kennen. Wie Plaro, wie-Homer die. Herzen an sich zieht, Ich bildete nach ihm mein wächsernes Gemüth, Mich rührt Demosthenes.; dich Tullio« für alle«;

So hat auch kyaro dir, noch mehr Hora» gefallen.. Der vM mit gleicher Stärk und Zier durch dein Bv mühn Geschickt, natürlich, rein im deutschen Kleid erschien. Den spitzgen hast du so hoch geschatzet, Daß du zum Zeitvertreib ihn offters übersetzet-

Dem

vergnügter Jugend.

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Dem PhaSrag hatten wir den Kunstgriffabgesthn.

Ist es, exinnre dich, nicht wechselsweis geschehn? Daß wir den rundten Spruch in eine Fabel hüllten.

Uns ühten, und zugleich di« Lust zur Dichtkunst stillte«. Dieß alles trieben wir nur im Spatzierengehn. Dfft blich ich neben dir bey einer .Linde stehn. Und schrieb di« Zeilen auf, die spielende gelungen. Als ich manch zärtlich Lied der Doris fürgcsungen.

Wenn wir genug geredt, wenn wir uns satt gedachh Uns selber unterritt-', die Zweisel klar gemacht:

Co legten wir im Klee die etwas müden Glieder-

Offi bey dem Abrndroth an einen Hügel nieder»

Auch bey der Ruhe selbst besprachen wir uns hier. Aus deiner Gcouderinlaaßt du mir Stücke für;

Bald reizte Lamy da, bald Faller» edle Musen Bald -Hagedornen« Geist, und Rachel unsern Busen. Wir rühmten ihre Gluth, die keineZeit verlischt^ Und nichts, was schön war, ist beym Lesen uns ent« wischt.

Du lasest mit Geschmack uyd Einsicht ^diese Dich« ter, Und drangst in chren Geist, und wurdest selbst ihr Richter. Was die Gesellschafftschrieb, die nochin Leipzig blüht»

Die unfreMuttersprach aus Staubund Moder zieht. Ward vfft von uns betrachtt' und wieder angefangen^ Zergliedert, angrmerkt, bedächtigdurchgegaygcn,

Baldmusten Spielet’, und-Hoffmanna Ankonin, Böech und Seneca- uns z« txr Weisheit zieh». Was plato, Xenopbon , und Socrares gelehrt^ Hat unsreWlßbegier stillschweigende verehret.

6o

Das Andenken

Doch was Chartes und Lock, und Wolff, und Leib­ niz sprach; Darzu war unser Kopf zu unpolirt, zu schwach; Biß daß er rciff genug nunmehr auf höhern Schulen Krafft eines Freybriefs lernt mit seinen vieckcben buhlen.

Wenn Bodmer« critisth Werk zu ernfthafft uns ge­ macht,

So haben wir gar bald beym lustgen Sckwiffe ge­ lachtMit starken Schritt verfolgt ihn Liskov in Satyren.

Bald liessen wir uns auch vom Fontenelle führen Wenn er mit scharffen Blick in jene Welten schaut,

Fast wie Copernius den Himmel neu erbaut. Beym Mahlern wurden wir veranlaßt nachzusinnen.

Die nicht so zierlich sind, alswiedieTadlerinnen. Doch ist ihr Grund nicht seicht.

Auch Fenelon« Ge­ dicht Gab dir recht unvermerkt den schönsten Unterricht. Ich fand dich ganz entzückt vom irrdischen Vergnügen Das Brocks so lebhafft mahlt, bey einer Linde lie­ gen. Die Gegend hatte da die Anmuth der Natur In einen Punkt vereint.

Nickt im Gemüthe nur.

Nein, für den Augen sahst du alle Lieblichkeiten,

Die man erdenken kann, und hundert Seltenheiten. Der grün bewachsene und niemals leere Weg, Der nahen Heerde Schall, und fröhliches Geblöck; Des Berges mosigter,hüglicht, bepüschter Rücken; Wo eine fette Trifft, ein güldnes Feld entzücken;

Der Felsen steiles Haupt; Der krauterichte Grund; Wo

vergnügter Jugend.

6r

Wo sich ein schlanker Fluß durch krumme Gange wund; Wo sich das Fcdervolck dir singend zugcsellte;

Wo manches Dorfgesicist sich dir entgegen stellte: Da blieben wir, bis baß des Tages Herold sinkt.

Und uns der Abend schon mit halben Augen winkt. Denn giengstdu mit mir heim; Ich wies dir Rollms Schatze, Woran ich mich noch stets, doch nie genug ergötze. Ja, diesen grossen Geist verdank ichs bis ins Grab.

Sein stiller Unterricht zog Mich von Lastern ab; Entschlüsse, Meynungen, Urtheile, Regeln, Triebe,

Voll Großmuth, voll Verstand, vollwahrer Menschen­ liebe, Die er so bündig mir, so rührend vorgelegk, Hat er ins innerste der Seelen eingepragt.

O könnt ich diesen Mann noch aus der Asche wecken.' Ich lies mich gern vor ihn, mit leichter Erde decken. Unsäglicher Verlust.' Der mir untröstlich scheint. OVater mcmrr Kunst! O Lehrer! und o Freund!

Den ich in Ewigkeit so, wie mich selber liebe. Kein Wort, kein Bild entwirft die Stärke meiner Triebe. Es weint die Wissenschafft; Die Tugend trauert sehr; Europa selber klagt: Kein Rollin kommt nicht mehr.

Sein kluger Rath befreyt von Vortheil und Dünstm,

Und leitet uns getreu zum allerschönsten Künsten. Der Schatz des Alterthums bereichert seinen Sinn.

Durch ihn bin ich allein, sowenig, als ich bin. Verzeih gelehrter Freund! der ausgeschweifften Re­ gung.

Ich

6s

Das Andenken

Ich weis, du lobst mich selbst nach billiger Erwegung. Was ist wohl schönnrr? als ihr Lob Verdiensten weyhn. Und auf ein werthes Grab ein wenig Blumen streun.

Es hüt ganz unvermerkt der Sonneschneller Wagen Manch schön bekränztes Jahr ins cieffeMeer getragen

So stellte 2env kaum das höchste Guth sich für, Als wir es ftlbst geschmeckt. Wie Fürsten lebten wir. Wir schliessen fröhlich ein; Wir kannten keine Sorgen; Uns weckte neubrlebtder Purpurrothe Morgen. Der Jugend Munterkeit, das Lachen und der Schrbz

Besassen ganz allein das LasterfreytHerz. ’£> Freund! hörst du nicht noch die Nachtigallen singen? Wie damals, da wir früh nach Hübschens Kayne giengen. Ein krumgebogner Steg trug da uns übern Fluß, Wo ein gezerrter Mund noch Wendisch Plaudern mus;

Und wo manch schönes Kind muß mehr, als hundert Falten Nm kurzgeschränkten Schurz und an den Sttünipffen halten. Dir lächerliche Tracht verjährter Barbarei) Hat dicstn Vorzug doch: Sir läst die Füsse ftiy.

Und diese sind so klein. als wie der Spanierinnen.

Der Waben niedlich Rund kann offters Löb gewlm den Im Tanzen sind sie flink, unb wie die Pohlen frey; Ja sah es Opitz nur: Er stimmte selbst Mir bey. Wenn sie sich nachdem Tackt des Dudelsackes lenken,

So können sie sich schnell auf einen Beine schwenken. Sie springen hin und her in einer bunter Reyh, Und klatschen in die Hand mit fröhlichen Geschrey.

Ihr

vergnügter Jugend.

6Z

Ihr Land ist vok-Natur fett,reizend, reich an Gaben; Ws wir mit frischer Mitch imsoffkerquicket haben. tzZor Augen seh ich noch/ als wie ein Paradieß,

Den Weg zu der Allee, die uns entgegen sties. Der Weiden grüne Zier umgiebt die schmalen Gange,

Woselbst sich links und rechts mit rieftlnden Bedräng« Am Ufer voller Schilfs zwey stolze Bäche blähn; Wo lispelnd kühlende die Westen lieblich wehn-

Im nahen Garten kluchzt die gurgelnd süsse Kehle Der zärtlich kräuselnden, vrrbuhltrn PhiloMele; Mit deren liessen Thon das Klaglied sich vermischt,

DesSchafferS, dem im SchlaffdieGalather entwischt.

Und sich im Busch versteckt.

Bey eines WasserS Falle

Mufft er der Schäfferinn mit lauten Wiedcrhalle.

Die Heerde, dir zerstreut sanfft Wiederkäuern schleicht. Geht so bestürzt, wie er, da er vom Hügel weicht. O mehr, als werther Freund! Dü mägst knftinrn, Bildern. Dielangstempfundtte Lust beglückter Tage schildern. Drum nimm, wie chedem, der Dichtkunst ftohes Rohr, Und spiel ein zärtlich Lied; Und zeige noch, wie vor.

Daß dnmir günstig bist; Sowirddie Nachwelt \v» sen: Du seyst mein Pylades, ich dein Orest gewesen.

64

Die Artigkeit.

Die Artigkeit. Eine Ode. acht ihr angenehmen Töne. Macht Charlottens Reiz bekannt!

Denn die nie geprirßne Schöne Denkt, und spricht und lebt galant.

Artig lacht sie, wenn sie scherzet, Artig, wenn sie spielt und singt, Artig wenn sie lacht und herzet. Artig, wenn sie Koffer trinkt.

Seht das freundliche Fidelchen, Wie es Schwanz und Ohr bewegt, Wenns mit ihr aus einen Schälchen Trinkt, und aufden Schoos sich legt.

Glücklich bist du blanker Spiegel! Wril sie zärtlich auf dich blicktUnd anihres Nachtzeugs Flügel Band und Schleisse zierlich rückt. O wie kann ihr Antlitz prangen! Wo sie schwarze Pünctchen pflanzt. Wenn sie mit geschminkten Wangen Aeugelt, hustet, winkt und tanzt. Niemals ruhn die kleinen Hande Da sie Spiel" und Fächer führt,

Wenns ihr nicht so niedlich stände: Würd» mancher nicht gerührt. Untern

Die Artigkeit.



Untern Himmel der Gardint

Guckt Charlotte früh und spat Von des Aerkers stolzen Bühnt/ Ob man siegegrüssethat?

Jtzo riecht sie an das löschen, Das am vollen Busen blüht;

Bis sie bald ihr silbern Dösgen Bald die güldne Sackuhr zieht. Selbst der Laute süßGtthöne

Macht Charlottens Kunst bekannt. Wer entzückt wie diese Schöne? Wer ist so, wie sie galant?

DerFisch. Eine Fabel. Atamefo fieng in einen kleinen Wasser, das durch ^13 den Garten des Lords sich schlangelte, ein

* silberweiß Fischgen, das sie in die Hand nahm und also anredte: Bey dem allen bist du unglückliches Thierchen, das itzo seinen Todt er­ wartet, noch hundertmal glücklicher als ich. Wenn ich unter der Sclaverey einer alten Aufse­ herinn seufze, und keinen Ausgang meiner Qvaal seh: So kannst du hoffen, auf einmal frey zu seyn; Es sey MN, daß ich dich entweder hinopfre,

E

oder

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Doris und Venus.

oder daß ich dir von neuen das Leben schenke. Doch ich will das letztere erwehlen; Ich bin zu großmüthig, ein unschuldig Vieh zu verderben, das kein ander Laster hat, als daß es sich von mir hat ergreiffen lassen. Unter diesen Worten warf sie es wieder in die seichte Flüth, worinn es mit freu­ digen Zappeln davon schwamm. Kaum war es in den nt chsten Fluß gekommen, worein sich dieses Wässerchen ergoß: So ließ es sich den Hun­ ger und die Begierde so verleiten, daß es an dem ausgeworffnen Hahmen eines Fischers mit Schmerzen Hangende sein Unglück folgender Ge­ stalt bejammerte: Nun erfahr ich in der That, wie vergebens man seinem Schicksal zu entrinnen sucht, das uns langst vorher bestimmt ist und ganz unvermeidlich auf allen Wegen nachfolgt, uns er­ hascht und endlich dahin reißt.

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Doris und Venus. Eine Fabel. ZV«* kühlen Thälern stolzer Linden, € Wo Witz und Reichthum sich verbinden, Sieht man die muntre Doris gehn. Die Farbe zart verschämter Wangen Die Unschulds voll, mit kiebrei; prangen, Ist bräunlich-frisch, natürlich-schönDie

Doris und Venus. Die Lügend herrscht in Doris BlickenWo Ernst mit Anmuth sanfft entrücken, Wo sich ein stilles Feuer regt. Wie lächelt nicht die kluge Spröde

Leutseelig, ünd vernünfftig blödeDoll Geist, wofür man Ehrfurcht hegt» Es sieht die Göttinn holder Liebe. Den Mund mit eyfersüchtgen Triebe, Der schwatzhafft und doch artig spricht»

Marinen eingebogNtN Flachen. Muß gleich ein Blätterchensie rächet Allein, der Göttinn Urtheil trügt.

Ein Spiegel muß der Doris sage» Wo sie das Pflästerchen soll tragen-

Das ihr zum Schilde dienlich ist. Sielacht; Es zieren schöimre Mangel Noch bester diesen halben Engel» Wo Reizung fehlt, hilfst Witz mb List-

DieGöttinn selbst spührt keine Flecke«,

Die gegenseitge Kunst bedecken; Am Ende sieht sie misvergnügtWie nett sich weiß und schwarzes gatte«» Die Tugend selbst leibt ihre Schatten. Doch Schönheit mit Verstände siegt.

Der Weise.

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Der Weise. o heiter, wie des Himmels blauer Bogen, Froh, wie die Flur, und voller Sonnenschein,

e

Still, wie die Bach, nicht wie dieMerreswögen, Nicht pöbrlhafft soll mein Gemüthe seyn. Den Kummer will ich Thoren überlassen,

Ein freyer Sinn beherrschet meine Brust. Komm Phillis,komm, laß dich vergnügt umfassen! Genieß mit mir des Frühlings grüne Lust.

Ihr Schäfchen lehrt mich lieben und ergötzen. Ihr handelt offt vernünfftiger, ckls ich. Mitder Natur einfältig edlen Schätzen Begnügt ihr euch. O wie beschämt ihr mich! Wo hort man wohl die Bäume murrend klagen, Daß aufihr Haupt Schnee, Wind und Regen schlägt L Kein Philosoph wird so sein Schicksal tragen, Wie Stamm und Laub das Ungemach erträgt. Den harten Fels schuf die Naturzam Leyden; Allein, was hülffmir wohl ein steinern Herz? Fühlt ich nicht Gram: So fühlt ich auch nicht Freu­ den. Wär ich nie froh: So folgte niemals Schmerz.

Drum

Der Weise.

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Drum trink ich hier mein GläschenWein in Frieden, Nachdem ich es mitSchweis und Müh verdient. Der Himmel hat mir längst mein Theil beschieden;

Wer weis, wonach mein künfftig Glücke blüht.

Das Gute scheint uns iinmer gar zu kleine; Man stellt sich stets das Uebel grösser für.

Gott machts mit mir viel besser, als ichs meyne; Und tausend sind unglücklich gegen mir.

Ein Narr bekämpfft die etngepflanzten Triebe; Ich brauche sie; und mach sie gut und rein. Mich reizet, Witz und Unschuld in der Liebe. O möchte bist mein gröstrr Fehler seyn!

Beym Kuß, den mir aufPhillis treuen Munde

MeinGeisterweckte Dich,und stählte DeinrnSinn. Damit Germanien von Frost und Schwulst sich wende: So riefich Dich, mein Freund! und both dir selbst die Hände. Dein Führer war der Mann, in dem mein Feuer glimmt, Der in demGrirchschen Thon die Deutfthr Laute stiiüt >

Er hat die Melodie den Römern abgelernet; Wenn er sich vom Geschmack der Neuern nicht entferner. Wie wenig kennen doch anitzo MenkensSpuhr,

Verstecken schön die Kunst, und folgen der Natur. siehst Du Nicht den inspirirten Haussen, Der stark pindarisirt, wie Corybantrn lausten? Mein Gönner!

Die an Erfindungen so unerschöpflich seyn,

Wie bey des Fiebers Wuth Phantasten Zeter schrey». Weitjammerlichrr find, die nach dem Hübner rie­ chen, In Weisens leichten StaO, wie Regenwürmer krie­ chen.

Wie wmig kennen doch den Geist der Elegie. Man redt nicht im Affekt; Man putzt und künstelt sie.

der deutschen Dichtkunst.

«5

Vermahlt wie Rachel wohl Characcerin Satyren? Cie kennen nicht die Welt, und wollen andre führen. Ein Jüngling schwitzet offt beym magern kehrge, dicht. DieArmnth amGehim verkäst die Schreibsuchtnicht.

War nicht die Ekloga so schamhafft sonst geblieben. Ms wie die Tugend wird von Tenophon beschrieben? Izt schwelgt ein lüstern Lied mit frechen Doppelsinn. Die Unschuld selber wird die ärgste Buhlerin«. Die ganze Schönheit qvillt aus ihre« nackten Buse«! Ihr allzugeiler Scherz entheiliget die Musen. Das schöne Findelkind der falschen Zärtlichkeit Wird von der Mutter schondrr Unzucht Schoos g«r weyht. Des Witzes Misbrauch schminkt die frechsten Leiden­ schafften, An seinen Gliedern blieb doch «och viel schönes hass­ ten. Verführerischer Reiz! Du Larve vom Gesicht! Dem doch fein innerstes, ftin Wesen widerspricht. Das Lustspiel war sonst reich an ärgerlichen Posse» Durch Deinen Unterricht ward es ganz umgestossrn; Mit Dir, o Gottsched! hub der reinere Geschmack Sein zierlich Haupt hervor, das sovstlm dunkeln lag,

Ihr Stunde« eylt herbey! Da mitgesalznen Lachen, EinAristophanrs auch die wird sittlich machen. Die nie das Ebenbild geliebter Thorheit fthn. Und zweifeln ob dem Jeck auch sep zu viel geschehn?



Wem

ii 6

Sendschreiben, rc.

Wenn wirst du süsser Streit von Mitleyd und von Schrecken! Im Hohen Trauerspiel durch Thränen dich entdecken ? Wenn reinigtwohl dein Schmerz, der sanfft durchs Herze zieht, Der Hörer Leydenschafft, und stärket ihr Gemüth? So dacht ich bey mir selbst, eh sich Dein Ruhm ver, grössert,

O Gottsched! eh Du noch die Schauspielkunst ver« bessertIzt aber dank ichs Dir, grpriesner Biedermann! Daß ich den Wunsch erfüllt, und Früchte schauen kann. Noch will die Gunst für mich Dir wenig Ruhe lassen. Wer Deinen Werth verschweigt, der muß mich selber hassen. So wird Germanien, denn es verewigt ihn, Groß durch Erkänntlichkeit, doch grösser Dein Be­ mühn.

Opitz an Ainkgraf.

- - , - Laß du den guten Zweck nicht liegen. Zu helffen wie du thust, die Finsterniß besiegen. Die Deutscher Reden Zier bißher umhüllet hat.

H7

Lob der schwarzen Farbe. ß^atte einer von den Dichtern der alten SclaJ*J vonier das Lob derjenigen Farbe, deren Werth ich zu zeigen, in Willens bin, poe­ tisch entwerffen sollen: So würd er ohnzweifel öen schrecklichen Zernebog, oder den schwarzen Gott, statt des Phöbus und der Musen um Bey­ stand angeruffen haben. Was mich betrifft: So will ich zufrieden seyn, wenn mir eine weiße Göttinn, die sich aber in schwarze Wolken einhüllt, den gütigen Beyfall gönnenden sie mir versprach, als ihr Befehl mich zu gegenwärtiger Lobrede ermunterte»

Vielleicht wundern sich einige, warum ich nicht lieber die lichte Farbe der Unschuld und Gerech­ tigkeit, oder das Hoffnungsvolle Iagergrün, das die Augen angenehm ergötzt, oder das blaue Ge­ wand des Himmels, oder die Leibfarbe der Schamhafftigkeit, der Majestät und der Tapferkeit, oder den blendenden Glanz des unschätzbaren Gol­ des zum Gegenstände meiner Betrachtung erwehlt habe? Indem ich auf der einen Seite durch den Geschmack, und Eigensinn, durch die Einbildung, und Gewohnheit der Gesellschafft, die gewisse Stande an besondre Farben bindet, mich ganz und gar nicht H z ein-

ns

Loh der schwarzen Farbe.

einschranken lasse r So getrau ich mir auf der am dem Seite meine Gegner auf eine noch weit bündigec Art zuüberzeugen, als jener schlaue Sachwal« ter, her sich genöthigt fand, denen Richtern von der wunderschönen Phryne mehr sehn zu lassen , als iynt tue Bescheidenheit erlaubte. Der blosse Abriß vqn den Vorzügen meiner Geliebten wird auch ohne Beyhülsse der Ehr­

furcht, die das geringere, dem schöunern Gischlecht schuldig ist, eine solche Würkungauf das Gemüth meiner Lestr thun, daß dix uvvonkonmtensten Züge der vollfommnen Elimene statt der triff# tigüen Beweise, sie nichtnur rühren,* sondern gar M Entzücken und in Erstaunung setzen werden» O daß ich nur den geringsten Funken des Feuers und der herrschenden Beredsamkeit fühlte, die aus. Zwey mit ssbwar? vermisskte»2lugcu hervorstrahlt, weche die grossen Dichter ent«, zündet, und die unüberwindlichsten Wels­ weisen wie ein mächtiger Strohm, dahin reißt ! O daß es mir nicht an würdigen Ausdrücken mangelte, das künstliche Gebäude des glänzenden und rabenschwarzen Budelkopsss, welcher einen rundten Amphitheater gleicht, gehörig abzuschil# Lern., wo die sanfftgeschwossnen Locke» so nett t» einander passen, und so zierlich gekrüiymt sind, als das Merrtzum beykeiner Römerinn, und we­ der Ovid bey semerCorinpe, nach Petrarchbey sei­ ner Laura hat wahrnehmen können! Du, o zärtlicher Günther! dessen Asche yqch Eleovern sich sehnet, du selbst hättest meine Fla#

W

Lobder schwarzen Farbe.

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Via, die dem Kinde des unsterblichen Opitz gleichet, mit dem mahlerischen Glanze einer lebhafften Phantasie erheben, mit der Empfindungsreichsten

Scharfsinnigkeit eines artigenund gewandten Wi­ tzes besingen sollen» Doch es ist, als ob ich im Traume die reizen­ den Thöne des Schlesiers hörte, dessen zauberische Wieder den braunen Clbstrohm in seinen Lausig fe zurückhielten, und der Pleisse befahlen, diebe« rveglichen Worte des verliebten Dichters säufst «achzumurmelnr Ihrer Kleider nette Schwarze Zeigt mir ein vergnügtes Licht, Welches, wie des Monden Kerze» Zärtlich aus de» Wolken bricht, Undder Hoffnung die sieliebt, Einfluß und Ergötzen giebtAufeinmal schweigenalle Feinde meiner Leibfarbe-' und auf einmal verstummen die Neider derjenigen Schönheit, deren Vortrefstichkeit sie zu erkennen, zu blöde sind. Was würde nicht erst da geschehn? wenn sie Climenen selbst einmal erblicken sollten, wie sie in der aufgeschlagenen Florkappe mit schwarzen Müffgen spatziren geht, und der kleine Fuß, den kin schwarzseidner Strumpf mit rothen Zwickeln bedeckt, so artige und geschickte Schritte chuht, daß ein junger Herr hundert Portugaleser drum gäbe, wenn er sie nur von fern zu sehn bekäme. WaS würden sie wohlsagen? wenn sie sehn sollten, wie die Schöne habeim mit schwarzen Armbändern

H 4

prangt,

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Lob der schwarzen Farbe.

prangt, worauf sie mein Bildniß zu tragen, mir die Ehre thut, um sich beständig meiner Redlichkeit zu erinnern, und wie von ihrer wohlgemefsenen Achsel der Schimmer eines schwarz Grosdetournen Schnürleibs ander schlanken und spitzigzulauffenden Leibeslänge herabfließt, die ein fleischigtsteigender, mit schwarzen Steinen gezierter Halß durch seinen lichten Glanz ungemein erhöhet. Ohnmöglich konnte die stille, die bescheidene Climene, diese kluge Richterinn der Wahl, des Wohlstandes und der Zusammenfügung des Pu­ tzes eine andre erlesen, als die unveranderlicheHoffund Mode-Farbe, die Farbe der Ehrfurcht, der Andacht, der Sittsamkeit, die das Violet, die Leib­ farbe der Philosophen undFreymaurer bey weiten zu übertreffen scheinet. Sie selbst bezeigt ihren Gefallen darüber, daß

ein schwarz breit seidner Postillion d' Amour durch den Haarbeutel mir um den Halß läufft, und daß ich mich mit einen schwarz sammtnen Un­ terkleide, wo nicht für den angenehmen Pfeil der Liebe, doch gewiß für die scharffe Spitze der Kal­ te, wie mit einen schwarzen Schilde bedecke. War ich von dem unvermeidlichen Schicksal in die Umstande eines steiffen Wendischen Dorffstu­ tzers gesetzt worden, so hielt ich mich vor glück lich in dem buntscheckten Belzlatz, blümranten Strümpffen, scharlachnen Beinkleidern Und Zei­ siggrüner Jacke, eine dicke Landnymphe anzulä­ cheln; Da ich aber so klug gewesen bin, mich von adlichen Eltern erzeugen zu lassens Söbmich, wie andre junge Herren, so furchtsam, daß ich mich kaum

Lob der schwarzen Farbe,

m

kaum erkühne, durch eineflimmernde Tour die ho­ he Hutkrempe zu schmälern, den Haarbeutel durch eine Schmelztresse zu verbrahmen, und dem Ab­ sätze des aufgeriebenen Schuhes den blutigen Anstrich der Jugend und der Zärtlichkeit zu geben. Es geschieht dieses aus einer angebohrnen Hochachtung gegen die schwarze Farbe, wozu die perlfarbnen Strümpffe eines Tänzers so vortreff­ lich passen, daß ihr Englischer Wickel offters den liebreichen Blick einer Schönen nach sich zieht, eben so, wie das Glück bey Hofe nicht selten der Geschicklichkeit eines staatsklugen Alberoni günstig, ist, von dem alle Welt weis Daß er durch weiß und Schwärzst» hoch empor ge, stiegen. Rachel. Ob ich gleich versichert bin, daß ich zum Lobe mei­ nes Gegenstandes so viel gesagt habe, als nöthig ist, meine Gegner eines bessern zu überführen: So muß ich doch hier die Gelegenheit ergreiffen, und auf zwey Haupteinwürffe antworten, die sich selbst, wennj ich die Begriffe deutlich auseinander setze, durch ihre eigne Schwache mehr, als zu sehr widerlegen. Man schreyt die schwarze Farbe für so tödtlich und traurig aus, als ob sie gleich den Cometen, der ganzen Welt den Untergang drohte, indem sie den Gräbern, den Wittwen und Waysen geweiht sey, und mit dem Tode und der Tiefsinnigkeit in einer genauen Verwandschafft stünde.

einen schwarz machen, eine schwarze Seele, und H 5 der* Sie führen zugleich die Redensarten

im

Lob der schwarzen Karbe.

dergleichen mehr wider mich an, hie sie durch gleichlautende Worte aus dem Horatz und Ho­ mer unterstützen. In Ansehung der grauer muß ich gestehn, daß ich dieselbe für den grösten Mißbrauch der edlen und herrlichen Farbe halte, der so gar durch die Befehle weiser Obrigkeiten theils eingeschränkt, theils gar unterdrückt worden. Hernach mögen meine Gegner überlegen, ob nicht hie schwarze Farbe bey solcher Gelegenheit einen Zeugen der glücklich überlebten Widerwär­ tigkeit, die ohne dem nur auf dem Vorurtheil hes Pöbels beruht, und. hiernächst einen gewiß senVorbothendes nachfolgenden Vergnügens und herabgewechselten Freude vorzustellenpflege? Wenn junge Wittwen traurig scheinen. Und in den Mqnn sich selbst beweinen r So istesunverstesit: Poch keine sieht den Traurdschlryer Mit größrrr Lust, als eine« Freyer. Dgs ist der Laufder Welt. Hagedorn. Indem alidern Punkt sind meine Gegner so sihalkhafft, daß sie die schwarze Farbe nicht rund heraus teuflisch nennen wollen, ob sies gleich im Sinne haben,, weil sie vorher sehn, daß sie sich dadurch bey mir, als einen geschwornen Thomasianer, der keinen Teufel glaubt, im höchsten Grad lächerlich machen würden.

Ha-

Lob der schwarzen Farbe,

na

Haben sie wohl das Herz, einen, Afrikaner das unter die Augen sagen? was ich ipnen, ohne Beweiß glauben soll; und würde nicht dieser Wilde ihr blasses Stutzergeßchte entweder für einen Teufel ansehn? oder ihnen gar feinen Zorn darü­ ber empfinden lassen, daß sie eine schone Mohrinn mit weissen Zähnen und rothen aufgeworffnen Sippen nicht für eben so galanterklaren, als eine krankllckscheiuende Europaerinn? Eie sind im Wesens eins! Nur an Gestalt verschie­ den, Weiß untern blanken Nord; Schwarz untern braunen Süden. Faller. In der That kann man der schwarzen Farbe so we­ nig das Vorrecht absprechen, daß sie unter allen, die älteste sey,, als man sich unterfangen wird, zu laugnen, daß die Dunkelheit eher als der Tag gewesen. Und must ich es ja geschehn lassen, daß inan- den letzkern der erstern vorzöge, die Annehmsichkeiten besitzt, deren.sich jener nichtrühmeN kann r So würde hoch die eine Erdhelsste es schlecht-zufrieden seyn, wenn mit dem, Dichtern

zu reden, nicht die sichlunnnerreiche 9i gesehn hakte, wie du mit deinen Dirnen Flachs und Wolle gesponnen: So hatt ich dich fürwahr für keim Römische Staatsdame, sondern für rin gutes, ehrliches Vauermagdgen gehalten. Die Wahrheit zu sagen: War der Verstand bey

dir nicht so dünne gesät gewesen; So würdest du dem Tarqvin viel mtiger habe» zu begegnen

iz2

TodtenAesprache. Lucretia.

Das ist eine verfluchte Artigkeit, bey der ich nebst dem Leben alle Ehre aufs Spiel setze. Und das ein teuflischer Verstand, den man zu Ausführung der schändlichsten Laster anwendet. Gesetzt; duMüßiggängerinn, wärst in der Musik eine vollkommne Künstlerinn gewesen; Gefttzt, du hättest einen göttlichen Witz gehabt, und mit dem Apoll selber um die Wette gesungen: So ist für dich der Schimpf desto grösser und unauslöschli­ cher, daß du deine herrlichen Gemüthsgaben durch die liederlichsten Thaten verderbt hast. Gappho. Ich bin der Meynung, daß ein recht gross ser Verstand dazu gehöre, zu beurtheilen, ob die Augemüse zu viel oder zu wenig gesalzen ist? Und es wird gewiß ein recht männlicher, und star­ ker Geist erfordert, wenn man die Schwachheit oder die Unbesonnenheit begehn will, sich aus Verzweif­ lung mit dem Brodmesser zu erstechen, damit der Mann, der Mühe überhoben sey, solches zü khun, wenn er das neugewachsne Horn von der Stirne will äbstossen. Lucretia. Cato! unsterblicher Cato! Kannst du denn hie­ zu still schweigen? Kannst du si> mit anhören. Was die Unverschämte für Lasterworte wider mich Msspeyt? Cats. Muthe mir Echt zu, dasiichmich in eure Zankereyen mische. Es ist meiner Hoheit nachtheilig. Sap-

Todtenqespräche.

133

Sappho Wie? deinsandsmann, der Redner, der Held, der Philosoph nimmt sich nicht deiner an? Du bist verlohren. Lucketia. Cato! Gehst du denn fort? Hast du nicht das Herz, dich meiner Tugend anzunehmen? WW du denn nicht den Ausspruch thun ? Ein einzig Wort von dir kann meine Feindin zu Boden schlagen. Lato. So höre demnach Sappho das Endurtheil, das Cato dein Richter über dich fallet: Du hast deine unrhrbare Lebensart mit einen eben so schimpstichen Todte beschlossen. Lucreria. Packe dich, Sappho!-ich habe gewonnen. Sappho. So höre demnach Cato, das Endurtheil das Sappho deine Richterinn über dich fallet: Dein eiserner Stolz, deine narrische Tugend und deine

tolle Verzweiflung, die dein ganzes Leben ver­ wirrten, habendirden Stahl in die Hand gegeben, damit in dein eigen Eingeweide zu wüthen; Kurz um: Du bist eben so lächerlich gestorben, als Lu-

cretia, deine vornehme Elientinn. Caro. Wer hak dich denn über mich zur Richterinn

bestellt? Sappho.

Wer hat dich denn über mich zum Richter gesetzt ?

I 3

Hast

Trauerode.

134

Hast du nicht selbst bey deiner Ankunfft in den dunkeln Wohnungen der Todten für den Richterstul des Minos dich stellen müssen? Hat nicht da­ selbst dein eigner Sclave dich verklagt, weil du ihm kurz für deinen Tode eine so Römische Maul­ schelle gegeben, daß ihm die Zähne find aus dem Halse gefallen « - - » ? Ich will nur bey Zeiten mich aus dem Staube machen; Denn du möch­ test auf eine eben so handgreifliche Art anfangen mit mir zu complimentiren. Geh nur hin! uv« gedethner Richter! Geh nur hin tapfre rucretia; du ehrliches Kebsweib des unglücklichen Tarqvins. Ich will itzo gleich zu meiner Philosophinn gehn, zur Aspafia, und mit ihr, eure hochmüthigen Einbildungen belachen.

Trauerode. Auge voller Treu und Liebe,

Des besten Vaters Auge bricht. O daß man mich für ihn begrübe! O säh! O fühlt! O hört ich nicht! Der mir das Leben hat gegeben. Der stirbt. Wie kann ich länger leben? Verworfner! unglückseliger Tag!

Er stirbst.

Das ist rin Donnerschlag.

Trauerode.

-y

Die dickste Nacht will mich bedecke». Wasredich? Wiegeschiehet mir? Wo bin ich? Wellen, Sturm, und Schrecke»^ Der Abgrund selber kommt herfür. Das Herz, das seinen Todt schon wittert,

Und Mark und Seele wird erschüttert. Wodurch«» kalter Schauer dringt, Da Hand und Knieaus Ohnmacht sinkt.

Was? ich soll weinen, klagen, wimmern ? Was ist das gegen meinen Schmerz? Und girng die ganze Welt zu drümmern: So rührte dieses kaum mein Herz. Und würden alle Sterne Brände: Wenn ihr nur, ihr geliebten Hände! Die ich viel tausendmal geküßt. Nicht starren, nicht vermodern müßt^

Du! du must mich unendlich tauerwr Du! Mutter! die die Hände ringt. 'HilfHimmel! ichvergeh für Traurcn-. Ich sch die Quaah die in dich dringt; Ich seh die halberblaßten Lippen! Fallt über mich, ihr Berg und Klippers

Verfinstre dich des Tages Licht! Die Tieffe selbst bedeckt mich nicht. Wo flieh ich hin?

Ich muß verzagen-

Versenkt in übergrojft» Weh. Was hör ich? O «rbärmkichs Klagen? Ach! da ich euch, Geschwister! sth:

3 4

So

Trauerodr.

136

So blutet mir für Angst das Herze. Umringt mit Millionen Schmerze. Will ich, was denn? Euch trösten gehn;

Und bleibe stumm, für Wehmuth stehn. Zerbrich nur,grausames Geschicke! Zerbrich die letzte Stütze nur Von meiner Hoffnung samt dem Glücke.

Gezwungen, weich ich der Natur.

Du kannst mich schlagen; Doch nicht werffen. Dein Grimm wird meinen Eifer schärffrn.

Bey allen seyd, das mir geschehn, Des Vaters Tugend nachzugehn. Leipzig, den 5. des Brachmonats. 1745-

$$$$#$ AAAAAHH

Der traurige Schäfer. Lenz hat vierzigmal den Wäldern

Ihr blühend Laub zurück gebracht; Und virrzigmal hat auf den Feldern Die reiffe Saat mich ängelacht: Seit dem ich hier bey meinen Schafen Muß ganz bestürzt und ganz allein. Und immer ohne Liebste schlafen;

Wo kann mein Unglück grösser seyn?

Der trauirge Schäfer.

137

Hier auf des Rasens grünen Bette

Wünsch ich des Nachts wohl tausendmal: Wer doch ein hübsches Magdgen hätte! O Liebe! was ist das fürQvaal!

Ich alter Knabe muß mich schämen

Wenn ich den jüngsten Schäfer seh, Die Freundinn bey dem Arme nehmen;

Da ich so gar verlassen sich. Ihr hört mein matt und zärtlich Sehnen

Des Morgens, eh der Himmel tagt, Ihr Bäume! die ihr meine Lrähnen Aus Mitleyd lispelnde beklagt. Da sitz ich in den düstern Schatten

Voll Liebe dennoch ungeliebt; Und seh, wenn sich die Vögel gatten,

Ihr Jubelfest, das mich betrübt. Bald fliegt der Sperling zu den Weibgen

Bald lockt derHahn die Nachtigall; Bald girrt der Täuber mit dem Täubge«. Bald lauscht dieWachtel auf den Schall,.

Der stets mit wiederholten Schlagen. Aus ihres Männchens Gurgel bricht;

Nur ich kann nichts von Liehe sagen, Und meine Freundinn hört mich nicht» Noch hat mich nie rin Kuß entzücket. Den man von schönen Lippen raubt;

Noch hab ich nie ein Kind erblicket, Das mir die kleinste Gunst erlaubt; Noch hab ich nichts von süssen Schmerze« In meiner Phillis Brust erweckt;

Noch nie.von.zwry!verbundnen Herzen I 5

Der

»38

Die Scharmante.

Den Zoll der Zärtlichkeit geschmeckt Was hilfft die Redlichkeit der Triebe? Womir ich Phillis stets verehrt.

Ihr Auge sonder Glut und kieste Hat immer meine Ruh gestört Ich will nur nicht mehr an sie denken. Mein Seufzen selber ärgert mich. Doch wem wW du dem Herze schenken ? Ach Engelchen.' was qvälst du dich?

Die Scharmante. Halle im Brachmonat, 1744» eelinde, der alle Anbether sagen, daß sie Verstand besitze, weis gleich aus der Klei­ dung eines Stutzers zu urtheilen, ob er artig, gelehrt, und der Hochachtung würdig sey? Sie weis nicht allein das Vaterland und die Freundschafft eines jungen Herrn, sondern auch die Grösse seines Vermögens am Fingern Herzu­ rechnen; Und sie hat ganz besondre Leute, die sich ihr zu Gefallen auf dergleichen geheime Nachrich­ ten befleißigen. Wenn sie um das Thor oder in der Allee spä­ tren geht, so hat sie allemal eine halbe Mandel Liebhaber zu Begleitern; Und selbst in der Kirche ist ihr Stuhl, wie mit einer schöngeputzten Leib­ garde umringet.

Son-

Die Scharmante.

129

Sonderlich im Gärten ist das Himmelreich dieser gebieterischen Göttinn, nnd sie weis mehr Sclaven herbey zu zaubern, als ste Einladungs­ schreiben Mik einer Hand- annimmt, und Wieder zuxückstndet. Was ihre Lebensart zu Hause betrifftSa wird sie des morgens ordentlich biß gegen zetzn Uhr des Schlaffe geniessen, und vorher noch etli­ chemal einschlummery, eh sie, völlig zu erwachen, sich entschliesset, Inzwischen tauschet sie ein noch viel angenehmerer Traum, als derjenige war, der die Dame einwiegte, die durch den Haarlocken­ raub des Herrn Popens vergöttert worden. Das erste, was sie beym Aufstehn gedenket, ist die zärtliche. Sorge: Was wird der Herr von Liebstöckel machen ? Oder ist der Herr Baron von Lösfelöerg noch eben so treu als galant er sich ver­ gangnen Abend zu stellen wüste? Ein paar ver­ liebte Seufzer, die dioStelle des Morgenseegens einnehmen, werden durch das. Andeicken des Schäfers Seladons unterbrochen , der ihr den kostbaren Schurz, und die schönen Bänder ge­

schenkt hat, womit sie Schlingen macht- die auf ihren Busen, den Blick, den Wunsch, und die Hand eines Freyers unversehens bestricken. Jtzo bringt die geschafftige Rosilis der nüchternenSelmde. den. schwarzen Reetar, der aus einen silbernen Ufer hervorsprudelt,, und so stark ist, daß die weissen Earnarien- Klippen in seinen dampfigen Wellen zerschmelzen; Ja er ist so ver­ wegen, daß er mit dem Honigsüssen Munde der Sch§»

i4o

Die Scharmante.

Schönen um den Vorzug der Süßigkeit streitet, und wenn sie ihm durch einen sanfften Hauch zu kühlen sucht, mit einer zirkelgleichen Aufwallung, oder mit einen lichteblauen Dunste sich, wiewohl vergebens, der Macht einer Göttinn widersetzet.

Selinde tritt inzwischen halb nackend, oder doch mit bloßen Kopffe ans Fenster, um nach­ zudenken, was man wohl von dem itzigen Wetter für Gespräche fuhren könne, und indem sie das Köpfchen etlichemal dabey am Mund setzt, so be­ wundern alle vorbeygehende, die nette Manier, womit sie dasselbe leer macht, und umstürzt.

Hierauf tritt ste für das Clavier, das gleich unter dem Spiegel stehk, und spielt mit einer sehr lebhafften Empfindung die Melodie auf den Gün­ therischen Tert;

Etwas lieben, und entbehren Ist ein Schmerz, der heimlich qvahlt.

Unterdesseu muß die kleine muntre Cibebe, ihren Schnürleib zusammen zieh», und die glückliche Taille durch den hoffärtigen Zwang gleichsam er­ schaffen , wodurch alle junge Herren entzückt und halb rasend gemacht werden, wenn fie den spitzigzusammenlauffenden Bau der schlanken Glieder erblicken, an deren Hüfften ein stolzer Atlas in hundert prächtigglanzenden Falten sich brüstend erhebet, und ausbreitet. Die treue Dienerinn folget Selinden biß zum Nachttisch auf dem Fusse nach , giebt ihr ein weiß Gewand, das fie um die Schultern

hangt

Die Scharmante.

141

hangt, salbet die gebrandten Locken der Göttinn, und überschüttet solche mit dem Schneegleichen Staube, der in einen Würbelwinde sich herum­ dreht. Bey dieser Gelegenheit erzehlt sie, daß Amqranthes den Augenblick unter ihren Fenster sey vorbeygegangen, und etlichemal sehr schmach­ tend in die Höhe gesehn habe; weil er aber vor dießmal keine Sonnen entdecken können, sey er ganz bestürzt wieder davon geschlichen, wie ein Jager der sehr früh die Spuhr der schnel­

len Hindin aüfsucht, und wenn er merkt, daß seine Schlauigkeit umsonst gearbeitet, geschwinde in ein ander Gehege forteylet, wo er selten sei­ nen Zweck verfehlt, und noch seltener versäumet. Sclinde, die unter allerhand Gesprächen, die mit lauter Stadt-und Hauszeitungen angefüllt sind, itzo den eylfften Seygerschlag höret- erinnert sich, daß ihr Taschenuhrchen abgelauffen, und ihre Alabasterhande bemühen sich, dasselbe wieder­ um gangbar zu machen. So bald das Schminkpflästerchen an den rech­ ten Orte lieget, der kleine Ring wider an den Gold­ singer steckt, und an den Aussenwerken der Gebietherinn nicht das mindeste mangelt: Studirt sie in einen dicken Franzbande so lange, biß sic weis, was die schöne Americanerinn, oder was die Prinzeßin Octavia für Schicksaalen unterworffen ge­ wesen, und durch was für Wunder sie aus den­ selben herausgerissen worden. Die zwölffte Stunde, die sie nunmehr zur Tafel einladet, macht ihr den Verdruß, daß sie mit-

i4»

Die Scharmante,

mitten im Romane abbrechen, und ob sie gleich noch vom Koffee halb satt ist, sich zu Tische setzen, muß, um der Köchinn einen Verweis zu geben, daß sie den Capaun zu lange am Spiesse stecken lassen. Nach Tische stellt sich ihre wohlgemachte Per­ son im völlige» Zierrath ans Fenster, wo sie eine ganze Stunde lang überlegt, ob sie den Mittag mit Visiten, oder mit Tanzen, oder mit dem Lome bre am besten hinbringen könnte? Um zwey Uhr kommt der Sprachmeister, der mit ihr die Geschichte der Clelie ließt, und so viel plaudert, alsermeynt, daß vor 4. Groschen gnug sey. Er nimmt noch vor drey Uhr seinen Abtritt, weil Herr Seladon und Herr Amaranthes sich melden lassen, denen zu Ehren die Stube von neuen gefegt, aufgeputzt, mit Spanischen Lack geräuchert, und der Koffeetisch mit allen seinen Geschirr in der Mitten aufgestellt wird, so, daß drey Englische Lehnstühle bey ihm die Aufwar­ tung haben, und sich untereinander zanken, wel­ cher von ihnen den artigsten Stutzer bedienen werde. Weil noch nicht die vierte Stunde herbeyeylek, die den jungen Herren so günstig ist, als denen

Liebhaberinnen des Lachens , des Spiels und der Gespräche: So hat Selinde einen ungewöhnli­ chen Appetit sich mit der Nehnadel die müßige Zeitzu vertreiben. Allein ihr siüchtiger Geist macht sie gar bald ungeduldig, und sie hat die Gedan­ ken einer berühmten Scharmante des Alter, thums:

Lieb»

Die Scharmante.

143

Liebste Mütter nimm, nimm den Nahmen hin! Gar kein Faden will ferner meiner Hand gelingen. Weil ick gan; besiegt von der Liebe bi»; Weil der.Jüngling mich und die fanffte Venus zwin­ gen.

Stächrlm in der übersetzten Sapphv. Rosinchen meldet nunmehr ganz eylfertig die Am kunfft des Seladons und Amaranthes. Selim de selber öffnet ihnen die Thür, und die geehrteste Mama, tritt ihnen mit einer artigen Vorbeugung entgegen. Nach gegenseitig abgelegten Ehren, bezeugungeu setzen die Eavaliers sich nieder, ohne den Degen von der Seite zu lassen, und zerfliessen fast vor Höflichkeit, indem Selinde ihnen den Huth mit der Feder abfordert. Ihre Geschick­ lichkeit sehn zu lassen, last die Schöne zuweilen ein paar gebrochne Französische Worte fahren, und Herr Seladon bewundert ihre ungemein zärtliche Aussprache. Sie hingegen versichert, daß sie bey Anhörung so unverdienter Lobsprüche schamroth worden, und daß sie nimmermehr sich flattiren könne, so artig, als Herr Amaranthes zu parlireu. Bey Geniessung des Koffees scheinet sich der Witz dieser jungen Herren zu verdoppeln, und Amaranthes bittet um Erlaubniß, eine Arie sim gen zu dürffen, die er gestern in der Oper gehöret, und Seladon versichert, sie wäre dreyßig Ducaten werth und vollkommen nach den neusten Ge­ schmacke. Im übrigen Stücken ist er so artig und galant, daß die Helffte des Parisischen Frau­ enzimmers ihn etliche Jahr Hat bewundern müssen. Eat

i44 >44

Die Scharmante.

Injiciat curamquarendi fingula, quali, Sitfaeie Suva quali, pede, denke, capillo.

Hör. lib. I. 5.6. Selinde hat von der Mama gelernt, bald scherzhasst, bald ernst, bald spitzig, bald gelehrt, bald artig und sinnreich zu reden, welches sie so offt ab­ wechselt, als die Blicke, oder die Minen des Mundes, und die Bewegungen der unbeständigen Hande. Diese machen im voraus die Zuberei­ tung zu dein artigsten Zeitvertreibe der Dames, der Staatsleute, der Scharmanten und der jungen Herren. Angenehme Abendstunden.

Alles wird bey euch gefunden, Wein und Speisen und das Kind,

So die Mutter liebgewinnt. Sappho.

Der Diener des Herrn Seladons bringt zu rechter Zeit das Flaschenfutter, ünd eine Schüssel mit Zuckerwerk, die er kaum ertragen kann. Amaranthes aber verliert so viel im Spiel als er glaubt, daß zu Bezahlung eines Kusses genug sey, den er enkt bekommt, halb aber erbitten und er­

langen muß. Nachdem die Stutzer ihre Rolle gespielt , geäu­ gelt, geschmeichelt, gescherzt, und die Hande gegedrückt haben, so verfügen sie sich nach abgelegten Complimenten wieder nach Hause, und studiren die ganze Nacht auf ein Billet, das sie den folgen­ den Morgen der Selinde übermachm, und sich

Die Scharmante.

145

vor erwiesne Ehrenbezeugung dankschuldigst erklären. DieScharmante,eh sie sich entschliessen kann,zur Ruh zu eylen , sitzt noch eine Stunde beym Romanlesen, und indem sie sich auskleiden laßt, er# erkundigt sie sich, wer heute in der Sadt sey auf den Schlitten gefahren. Kaum nennt Rosinchen die Ealliste: Als Selinde das Nachspiel ihres spötti­ schen Witzes mit Verurtheilung dieses Freuenzimmers macht, das an Vermögen, Ansehn und Le­ bensart ihr bey weiten vorgehk. Se redt von der selben in 6er satyrischen und derben Sprache, de­

ren, sich Sappho bedient: Diese ungeschliffne Dirne Trägt die Bäurinn an der Stirne Und die Dummheit im Gehirne. Ihr gehört kein langes Kleid,

Als ein Schmuck der Artigkeit.

Denn es ist zu merken, daß die griechschen Jung­ fern eben so schöne Adriennen getragen,als die Fran­ zösinnen, und daß eben die letztem solche von den erstern geerbt haben. Die griechische Dichterinn seufzte ossters auf ihren verliebtm Bettgestelle folgendergestalt: Das Mondenlicht hat sich schon metfienthetls vrrbor, gen. Die Sterne sind bereits schon näher bey dem Morgen, Als bey der Mitternacht: Den höchsten Grad hat schon Die dunkle Nachk erreicht: Die Stunden fliehn davon:

Ä

Und

146

Die Scharmante. Undicb, o herbe Pein Ich schlöffe noch allein. Stähelin.

Allein Selinde, die besser zu leben weis, verliert dergleichen melancolische Grillen bey der trostrei­ chen Gegenwart des Herrn Barons von selbsten und sie sagt ihm wohl selber die güldnen Worte mit einer feurichen Mine vor:

Lieben und geliebrt werden Ist -------

-

Oder wenn stes naher giebt:

Liebster,stehe vor mir still, Laß der Angen Strahlen schiessen, Und der Anmuth mich geniessen, Dran ich mich ergötzen willStähelin. Es ist ungewiß, ob sie in seiner Person mehr ihre» Geitz,Hder ihre Hoffart,oder ihreWollust liebe? und sie verbindet diese drey ganz widrige Absichten so geschickt, daß sie allen in einen Tage und in einer Macht also Genüge leistet, daß sie dabey das we­ nigste, der Herr Baron aber alles, was er hak, mit Freuden verliehrt. Sie kann dabey zuweilen eben so gelassen sich selber fragen und antworten als jene Scharmante aus Mitylener

L> Jungftrschafft, o Jungferschafft! wo gehst du hin von mir? Ich gehe weg, ich gehe weg, tmb komm nicht mehr

Die Scharmante.

147

Auweilen wird sie- mitten in dem fünften Schlaf­

fe durch die Musik gestöhrt, die unter ihren Fen­ ster sich erhebt, und sie singt zu der vorgespieb ten Melodie selber den Text ab;

Ihr sanfften Winde! Dder: Hoffe nur geliebtes Herze? u.f.w. Hierauf ttthönt der ganze Markt von -em Ge­ schrey der pingen Herren: Es lebe die Jungfer Selinde hoch? Vivak hoch? Es lebe die Scharmante hoch? Und aber# mal hoch! Und ichsage noch einmal hoch! - - - Damit man aber auch seh, durch was für Mit­ tet sie die Herzen aller Stutzer bezaubert, so wollen wir der Nachwelt zum Besten schlüßlich

ein Berzeichniß der Künste,

derer sich Selinde bedient, junge Herren

in ihr Netz zu fangen, statt eines An­ hangs wohlmeynend beyfügen; Als da ist r ie Kunst bekannt zu werden. Die Jurist am Fenster zu charmiren. Die Kunst zu putzen und zu schminken. Die Kunstsich spröde zu stellen. Die Kunst sich erbitten lassen. Die Kunst zu schmeicheln, zu spotten und Verweist zu gehen.

K *

Die

)4&

Ein Verzeichniß

Die Kunst Geschenke zu nehmen. Die Kunst zu lachen und zu weinen. Die .Xunf: schamhafftzu seyn. Die Kunst blaß, »der roth zu werden. Die Kunst zu erschrecken, oder zu zürnen.

Die Kunst zu husten und zu winken. Die KunstBriefchen zu schreiben. Die Kunst den Liebhabern das Geld abzulocken. Die Kunst groß zu thun. Die Kunst ergeben zu thun. Die Kunst witzig, schlau,

einfaltig

und un­

schuldig zu seyn. Die Kunst unvermerkt und in Gesellschafft zu lieb­ kosen. Die Kunst mit den Handen zu spielen. Die Kunst in der Kirche übers Buch zu schielen.

Die Kunst mit dem Facher zu exerciern. Die Kunst den Busen zu entblößen und zu ver­

decken. Die Kunst lüstern und verzweifelnd zu machen.

Die Kunst Spione zu hatten, und zu bestechen.

Die Kunst Complimente zu geben und anzu­ nehmen. Die Kunst Schnupftaback anzubiethen,zu nehmen,

und zu danken.

Die Kunst den Kopfvon einer Seite auf die an­ dere zu werffen. Die Kunst zu lispeln, zu schnarren, die Stimme zu verändern, klar oder stark zu reden. Die Kunst zu bücken, in die Ohren zu zischeln,

und

der Künste der Scharmante.

er dran Schuld ist, daß sie ihr Glück theils nicht er­ kennen wollen, theils muthwillig verscherzen, theils

aber gar nicht im gehörigen Schranken zu gebrau­

chen wissen. Weil sie sich selbst, die Armuth ihres Geistes und die Schwache ihrer Natur nicht kerv nen, weil sie nie den grosmüthigen Vorsatz einer zur Befördrung der menschlichen Glückseeligkeit abzielenden Freundschafft annehmen,

oder ihn

nicht mit gebührender Sorgfalt auszuführen su­

chen , weil sie sich biß ans Ende zu sehr mit sich selbst

Bon der Freundschafft.

i6r

selbst, ja offt mit den nichtswürdigsten Dingen beschafftigen, weil sie endlich aus einer gewis­ sen Blödigkeit , die sie leicht überwinden könnten, nicht einmal die Oberstäche der menschlichen Ge­ müther kennen: So ist es folglich gar kein Wun­ der , daß sie, wie die verirrten und verlassnen Wandersleute in dunkeln Thälern hin und her straucheln, daß sie niemals die Wiffenschafft er# langen, die menschlichen Gemüther zu gewinnen, zu fesseln, und zu lenken; daß sie zu plump, und zu trage sind, sich in dieselbe schicken zu lernen, sich ihrer zum gkösten Vortheil zu bedienen, und sie durch neue,durch starke, durch verbindlichere Liebkojpngen immer näher und unzertrennlicher an sich zu ziehen. Gleichwohl müssen sie selbst, wenn ihnen

zuletzt die Augen aufgehn, ihren unverbesserlichen Fehler tausendmal schmerzlich bereuen, so bald sie empfinden, daß sie selbst die offne Gelegenheit im Wind geschlagen haben, das Wohl ihrer Jah­ re in einer beglückten und fortdauernden Gemüths­ beruhigung biß zu den grauen Stuffen eines wei­ sen und geehrten Alters zu verfolgen, und von der Schaubühne dieses Lebens unter Begleitung der kostbarsten Trahnen ganzer Städte, ganzer Völker mit dem unverwelklichen Ruhme eines wackern, tu# gendhafften u. verdienten Manes herunterzukreten. Zuttr Beschluß muß ich auf einen von den stärksten Einwürffen antworten, den geschick­ te Leute wider die Möglichkeit einer reinen und vollkommnen Zreundschafft unter den 9)ien# jchen herfürgebracht haben. Sie sagen, der L

Eigen-

>62

VonderFreundschafft.

Eigennutz sey lediglich der Grund unsrer besondern Verbindungen; und da dieser insgemein das Maas überschreite, so wären alle die prächtigen Abbil­ dungen, welche die Philosophen und Redner vo­ riger Zeiten von den Vorzügen der Freundschafft gemacht hätten, weiter nichts, als angenehme Ge­ schichte aus einer andern Welt, die nirgend an­ ders, als in der Einbildung der Verfasser wärm zur Wirklichkeit gekommen. Meines Vedünkens verfährt man mit der schwachen Menschlich­ keit vielleicht ein wenig gar zu strenge, wenn man von ihnen eine so ausgekernte und von allen Feh­ lern befreyte Freundschafft fordert, die in der ge­ genwärtigen Reyhe -er Dinge, allerdings nicht kann statt finden; Ist man abet so billig und be­ hutsam, daß man zugiebt, die Menschliche Tu­ gend könne ohnmöglich höher steigen, als wenn sie ohne rohe Abfichten, sich selbst in der Person ei­ nes andern liebt, als wenn sie sich ernstlich be­ strebt, das Glück ihres Freundes, woran sie sich unendlich ergötzt, auf alle nur ersinnliche Art zu vermehren: So wird man auch einsehn, wie möglich es sey, den ausschweiffenden Eigennutz so fein, so regelmäßig, so biegsam zu machen, daß er sich mit der edelmüthigsten Begierde ver­ knüpft, seine Ehre, seine Güter, sein Vergnü­ gen dem allgemeinen Pfiichten aufzuopffern, und sozusagen, in dem Gedränge derLeydenschafftm auf eine Zeit zu verliehren, damit er alles in dem Schooße des gemeinenBestens, und in dem Woh­ le der liebenswürdigsten Frmnde mit reichlichen V-u-

Von der Freundschafft. Wucher möge wieder finden.

163

Gleichwie es eine

Uernünfftige und wohl eingerichtete Selbstliebe giebt, die ihren Mitbürgern nicht weniger Gutes,

als sich selber gönnet, die in der großmüthigen Ausübung einer genauen und unverfälschten Freundschafft fich zu beruhigen sucht, die alle ihre guten Eigenschafften, ihren Verstand, ihre

Tapfferkeit, ihre Gerechtigkeit, ihr Vermögen, ihr AnsthnsÄr nichts, und für ungegründet ach­

tet, wenn fie nicht lediglich auf das gemeine Be­ ste abzielen; wenn fie nicht mit Leutseeligkeit, Dienstfertigkeil, Gesprachsamkeit, Freygebig­ keit und Menschenliebe verknüpfft find, und daher ihren Werth, ihre Schönheit, und ihre rechte Thätigkeit bekonmren: Also, sag ich, giebt es auch einen gründlichen, klugen, und untadelbaren, Eigennutz, der zwar, wie es den Menschen einmal gewöhnlich und üngekwhrenist, beständig die Ver­ mehrung seiner Vollkommenheiten und seiner Glucksumstande zur Abficht führt, aber nicht für

sich allein erschaffen zu seyst glaubt sondern die Begierde der Selbsterhaltung , der Gemächlich­ keit, des Vorranges den Gesetzen der Gottheit, derGesellfihafft, der Natur, der Vernunfft und der Tugend auf so eine Art unterwirfst, daß er ohne den Schaden seiner Mitbürger seinen Lei­ denschafften ein Genüge thut, fie zu rechter §chik mäßigt, und durch das Beyspiel, durch die Aufmunteruüg eines redlichen Freundes verbessert. Daher wissen diesenigen nicht, wie uualückl-ch sie

stnd, die keine Begriffe von demjenigen haben, was

£2

vit

164

Von der Krem,-schafft.

die Sittenlehre ehrbar, nützlich und gereckt nen­ net, welches nachdem Beweise des scharfsinnigen Cicero, alles zusammen, nur aufeines hinaus laufft, und welches ihnen dermassen die Augen öffnen wür­ de, daß sie unlaugbar erkennten, wie sie nirgends mehr ihren wahrhafftigen Nutzern, und zwar auf die allererlaubteste und schönste Art von der Welt beobachteten, als wenn sie sich solche Freunde mach­ ten, die für Geld niemals feil sind, die ihnen niemals heucheln, die sie bey ihren Fehlern liebreich und bescheiden erinnern, die im Noth­ fall, mit Rath und That ihnen unter die Arme greiffen. Ich will gleich aus derNatUr der Freund­ schafft beweisen, daß der grosse Bauherr der Welten dem menschlichen Geschlechtbey seinen Elend ohnnröglich etwas Heilsamers, angenehmers und göttlichers einpsianzen können, als den süssen und geheiligten Trieb, der Liebe für seinesgleichen, der durch ein gefälliges Bezeigen die gröste Gegen­ liebe nicht nur zu verdienenssondern durch wahrhaffte Verdienste gleichsam zu erkämpffen sucht, und so lange unruhig bleibt, biß er sich in denjenigen Ge­ müthern ausbreitet, die er einer so edlen und sanfften Glut nicht weniger fähig, als würdig erkennet. Zu dem Ende könnt ich unmöglich ein starker und krafftiger Zeugniß von dem ausbündigen Nu­ tzen der wahren Freundschafft anführen, als das­ jenige, welches Lenophon, der in diesen Stück mit Erfahrung redte, aus dem Munde seines Leh­ rers entlehnet, der an Verstand und Redlich­ keit alle Philosophen so weit übertraff, als

er

Von der Freundschafft.

165

er ihnen an Großmuth und Tapfferkeit überlegen war, die er in Ausübung einer thätigen und von allen Eigennutz abgesonderten Freundschafft am Tag legte. Man sollte glauben Socrates habe seine eigne Lebensart abgefchildert, wenn er indem Gespräch von nachläßigen Freunden sich folgen­ der Worte bedienet: „Es ist nichts in der Welt, „das man mit einen gutenFreundevergleichen konn­ te; Nichts, das wir zu allerhand Fällen so ge„brauchen könnten; Denn ein wahrer Freund er„setzt alle Mängel ftines Freundes, so wohl in „den Hausgeschäfften, als in den Staatsaffairen. „Will man jemanden einen Gefallen erweisen: So „hilfst er uns mit demjenigen aus, dessen wir hier„zu benöthigt sind. Ist jemand in Gefahr: So „steht er uns alsobald bey. Bald theilt er «ns „etwas von feinen Gütern mit; Bald leistet er „uns anderwärtige» Beystand. Bald hilfft er „uns, wenn wir jemand mit Güte zu was bereden

„wollen; Bald steht er uns bey, wenn wir je„mand zu etwas zwingen müssen. Im Glück „freut er sich mit uns, und bemüht sich, uns aus „dem Unglück heraus zu bringen. Man mag, „fährt er fort, seine Hände, seine Augen, seine „Ohren, seine Füsse noch so hoch nutzen, als man „will: So ist es doch für nicbts zu rechnen, in „Betrachtung der Dienste, die uns ein Freund „leisten kann. Denn offtets bringt einem ein „Freund das zu Wege, was man sich selber, seinen „Nutzen zu befördern, nicht verschaffen kaun; „was man nicht gesehn, oder gehört tzar, oder L 3 „wozu

i66

Von der FreundschaU.

^wozu man fönst kein Mittel finden kann, „dasselbe zn erlangen» Unterdessen findet „man ihrer wenig, die eyfrig bemüht seyn, ci* „neu Baummjt grosser Sorgfalt zu warten, daß „sie dessen Früchte geniessen mögen; Aber y>en:g „sind, die ihre Freunde wohl in acht nehmen, „obgleich diese die fruchtbarsten Baume sind, van „denenmandie schönsten und die kostbarsten Früch«

,,tezu gewarten hat. Ich hatte hier die schönste Gelegenheit, dieß;

Abhandlung zu schliessen, wenn nicht noch verschiednes übrig wäre, welches dienen wird, meine Bettachtungenvollständiger zu machen. Der Herr Bodmer,der audengelehrtenHerrBreitinger einen vollkomimen Freund besitzt, ist ehedem durch den Todt feines inniggeüebtenund vertraute« Heideg­ gers auf die betrübte Meynung gebracht worden, -ast in Ansehung der menschlichen Glücks-uvdUn« glücksfällx, die niemand voraus sieht, unmöglich eine beständige Freundschaft in der Welt bestehn könne. In so weit dieses der Erfahrung nicht wi­

derspricht: So bin ich ganz willig, ihm die Ge­ wißheit dieses Einwurfs einzuräumen ; Sobald aber diese Meynung dem Adel und der Würde dey Freundschaft sollte zum Nachtheil gereichen; So bald würd ich aus der Vernunft darthun, daß der em viel ungeduldiger und, unerträglicher Naturell haben müsse, als Timon, der sich von. der Melaneolie so sehr überfallen laßt> daß er nicht bedenkt, wie es seine Schuldigkeit sey, eben stz wohl anden widrigen Schicksaal Antheil zu neh­

men.

Von-erFreun-schafft.

167

men, womit alles menschliche Vergnügen so zu sagen umschantzt ist, damit unser natürlicher Hoch­ muth dadurch wo nicht gedämpfst, doch durch die gütige Vorsehung mit Gewalt im Zaume ge­ halten wird. Gefetzt, mein Herr, daß ich in allen dem vor­ hergehenden noch so gut, noch so subtil philofophirt hatte: So würd ich doch in der That wenig oder nichts gesagt haben, wenn ich den eigentlichen Hauptzweck, den wir uns beyder wahrenFreundschafft vorfetzen müssen, vergäße. Zu was Ende aber soll ich mit meinesgleichen mich genauer ver­ binden, als ich von Natur oder durch die Beschaf­ fenheit des Gemüths und des Glücks bin verbun­ den worden? Erwehl ich mir etwan einen Men­ schen, der geschickt ist meine Thorheit zu unterhal­ ten, mir zum Lastern Vorschub zu thun, mir auf eine läppische Art die Zeit verschwenden zu Helffen? oder eine Person, von der ich Genuß und Vor­ theil verhoffe? die ich durch allerley Mittel wohl gar suche schlimmer, verwegner und leichtsinniger zu machen? Nein; um des Himmels und um der Freundschafft willen; nichts weniger, als dieses; welches niemand, als ein höchstniederträchtiges, «ngehirntes und boshafftes Gemüth sich kann im Sinn kommen lassen. Einen Mann, den ich lieben will, muß ich im Anfänge hochachten, ich muß Vollkommenheiten, aber wahre und gründliche Vollkommenheiten an ihm würklich entdecken, ohne die keine Freund­ schafft bestehn kann, und die entweder im VerL

4

stände

x68

VonderFreundschaK.

stände, oder im Willen ihren Sitz haben. Der bloße Verstand,wenn er noch so feurich,noch so ausgeputzt, noch so scharf ist, daß er alle seinesgleichen zu über­ treffen scheint, ist dennoch kaum des Verlangens würdig, seine Gunst zu erwerben, wenn er ohne Redlichkeit ist, welches die allerstärksten Proben sind, wodurch ex feine ivnwendige Größe entdecket. Ware dieses nicht: So müßte nothwendig fol­ gen, daß ick nach dem entgegengesetzten Schluffe

auch einen Eatilina, oder einen andern Lotterbu­ ben lieben, und ihn als meinen besten Freund vereyrcn konnte, weil er ein Meister ist, verschmitz­ te Schandthaten auszusinnen, und ins Werk zu richten. Da aber ganz andre Verdienste das inn­ re Wesen eines rechtschaffnen Freundes ausma« chen: So will ich einen allgemeinen Hauptsatz zum Grunde setzen, aufden alle die wichtigen Be­ stimmungen von der Dauer, von dem Nutzen^ von dem Vergnügen, von der Hoheit der mensch­ lichen Freundschafft beruhen: Wenn ich sage, daß dieselbe ohne einer unge­ schminkten Frömmigkeit, ohne einer brennenden Begierde, täglich weiser und tugendhaffter zu wer­ den, schlechterdings unmöglich sey: So ist die­ ses ein Grundsatz, den keiy Vernunfftigerläugnen kann, weil er seinen Beweiß bey sich fährt, und der einen jeden, der sich das Glück wünscht, red­ liche Freunde zu besitzen, die untrüglichsten Mittel zeigt, dieselben zu suchen, zu wehlen, zu finden, zu prüfen, und zu unterhalten. Da-

Von der Freundschaft

169

Daher bin ich unumstövlich versichert, wofern ich eben so viel Geschicklichkeit, als ^.nst und Ueber­ zeugung besässe, den Triumph der christlichen ligion über die heydnische Weltwelsheit zu entryerffen, daß ich, beyder Unerschöpflichkett dieser Materie, als einen Hauptbeweis gleich anfangs anführen würde, wie das Christenthum uns den wichtigen und unschätzbaren Vortheil an die Hand giebt, unsre Freundschafftsverbmdung auf den Fels einer höhern, einer reinern, einer unverganglichern Liebe und Tugend zu gründen, als die unglücklichen Heyden, in dem blossen Triebe der Natur und in dem unzureichenden Lichte derPernunsft nünmermehr finden konnten; weil sie we­ der von dem Geiste der Gottheit, als dem Urhe­ ber und Fürbild der Freundschafft, noch von seiner Offenbahrung, von seinen ausdrücklichen Befehl, und voU seiner besondern Peyhülffebey diesen ihn so angenehmen Werke, durch keine würdige und hinlängliche Begriffe find unterstützt

worden.

An dm Herrn yynHagedorn, in Hamburg. den dunkelgrünen Schatten,, C Blüthenreicher stolzer Linden, Wo sich Lieb undUnsthuld gatten, War Dein Genius zu finde«. L

5

Unter

ip An dm Herrn von Hagedorn. Unter angenehmen Tänzen Sah ich ihn mit frischen Rosen Fröhlich Haupt und Glaß bekränzen.

Amor kahm, ihm liebzukose».

Glejmens zärtliche Brünette, Doller muntern Libesmincn,

Sungbie schönste Ariette, (f) Die mir soll zum Muster dienen.

Witz und unversteÜteTugend Hatten scherzend fle umfangen. rächlen. Röche, Zucht, und Jugend

Schwebten aufden holden WangenFreundlichkeit, und Ernst und Liebe, Die «ur edle Geister füllen, Und den Liebreiz fanffter Triebe

Sah ich um ihr Auge spielen. Und darinn das stolze Glücke

Nebst den Amuretten sitzen. Die beym Reiz verschwiegner Blicks Lausend Liebespfeile schnitzen.

Ja, ich sah ihr loses Heucheln Niedlich schmachtender Gebehrden, Die durch schalkhafft flüchtig Schmeicheln Lüstern, schlau und schlüpfrig werden.

Kürmelnde, zerfloßne Freude Echekertqufder breiten Stirne

Indes Frühlings bunten Kleids Und belebt die holde Dirne.

Auf

0) Aufder „.Seite des zweien Theilt l>»m Wksiichin schert« hassten Leder«.

An den Herwvon Hagedorn. 171 Aufdes Mundes Pnrpurhügekn Hüpffen nebst den Charitinnen,

Schmätzgen, die die Treu versiegeln; Mäulchen, welche liebgewinnenj

Küsse, jugendlich« Küsse, Deren Rauschen, deren Schwärmer

Die geliebte Noth versässe. And das angenehme Härmen. Selbstdie Stiffter süsser Träume,

Westen, welche gauekelnd schwatzten, Buhlttn lispelnd um dir Bäume,, Die sich spröde widrrsatzttn.

Ueber Tulpen und Narziffin Flohrn sie mit sanfften Säuseln,. Doris Busen still zu küjstn. Da, wo Nachtigallen kräuseln,

Den verschluckten Ton verliehren, And mit schmetternd starken Schwirren Würbelnd, schnell ihn höher führen;

Wo die Lerchen zärtlich girren; Wo die Wachtelhähne schlage«-; Wo die Zeisige sich pfeiffen,

Und sich ihre Liebe sagen,

Und di« Töne künstlich schleisse« ; Dahin sah ich Doris rylen,

Lieblich düfftrnde Violen,

»7? An den Herrn von Hagedorn. Die sie Dir wünscht mitzutheilen. Von der bunten Flor zu holen.

Um die grünenden Gelände Folgt Dein Genius der Schonen, Die er durch die Hst der Hände Kitzelt, und picht zu versöhnen. Denn er hatte sie genecket, Und ihr in den weichen Nacken Eine Rose hingestrcket Mit dem Blatte voller Zacken-

Voll empfindlicher Gedanken, Bey verschmitzten Liebeshändeln, Wollte Doris iflif ihm zallken, ynd er immer mit ihr tändelnUnd ihr höfliches Verziehen, Und ihr williges Verweigern War ihm nur zur Lust gediehen; Konnte seinen Trieb Nur steigern.

Aber, wenn sie zierlich lachtk, Und gefällig sich verneigte. Sah er, was ihrBacken machte. Der sein holdes Grühgen zeigte-

Als sie so zusammen scherzten : Sah ich, daß sich selbst, für Freuden, Di« gepaarten Blumen herzten, Und ihn schienen zu beneiden:

An den Herrn von Hagedorn» 173 Weil sie jauchzendes Vergnüge»

Sich zu diesen Äeyden nahen,

Sie die Armen um sich schmiegen, Sich vertraulich strrichelu, sahen.

O was fühlt ich im Gemüthe! Da für niegefühlte Triebe!

O wie wallte mein Geblüte

Voller jugendlichen Liebe! O wie glücklich preiß ich all«. Die, wie Du, so zärtlich singen,

Und mit frey und muntern Schalle Schönen Kindern Opfser bringen!

###### #######

Schreiben des jungen Herrn, von der Mode der Bandschleiffen. Englisches Iulchen, ein Gewissen laßt es nicht zu, di« entsetzliche Rauberey zu verschweigen, die ich bey Ih­ nen begangen habe. Vermissen Sie nicht die schwarzeSchleiffe aufihrenPUtztischgen, die mir in der That lieber iss, atz zwanzig Porkugaleser? Mor-

i74 Schreiben des jungen Heren» Mottzen. wenn ich die Erlaubniß bekomme, meine Unterthänige Aufwartung zu machen werd ich Mir die Ehre nehmen > Ihnen dieselbe auf meinem Huke zu Sitzen. ä)ie Schleisse hat an den Gipfel Ihres Bu­

sens > wo sie bisweilen bey der Bewegung einer innerlichen Krafft, oder einer üuserlichen, 'nem» lich durch den Zephyr, ziemlich ins GedrangekaM,

lange genug eine verlohrne Schildwach abgegeben. Sie können Nunmehr ohnmaßgeblich sich etwas freyer ankleiden, und mir das Glück widerfahren lassen, Meinen Castot mit der geraubten Jietrath krönen zu dürffen, sodaß ich ihn hernach mit kei­ nen Eardinalshut vertauschen werde. Versprechen Sie mir, es nicht übel zu neh­ men; so will ich eine kleine Bitte anbrmgen, die Ihnen nicht beschwerlich seyn kann, weis sie mit und der gelehrten Welt sehr angenehm seyn wird. Vor einiger Zeit har ein guter Freund, dessen Brief Sie in dtnBelustigungen gelesen haben,sich von mir eine Historie der Moden austzebeken. Weil ich aber eben so ungeduldig, als ungeschickt bin, die­ selbe mit erforderlicher Artigkeit zu enkwerffen; Sv hab ich ihm unterdessen Hoffnung gemacht, Sie,

angenehmstes Iulchen, dahin zu bereden, daß Sie mit Ihrer sinnreichen Feder die Ausführung davon ehestens unternahmen» Voritzo, damit ich nicht aufeinmal gar zu unhöflich bin, will ich mir nur einige Beytrage zu der Geschichte der Band­ schleiffen von Ihnen gehorscynst ausbitten. Ich

habe Ursach bey Unternehmung dieser wichtigen

Schreiben des' jungen Herrn.

175

Abhandlung von den verschtednen Moden der Schleiffen, die von Alters her bey den galantesten Nationen züm Vorschein gekommen, der Ordnung gemäß den Anfang zu machen. Es wirb zum Ex­ empel Gelegenheit geben, so, wie sonsten, also auch hier, die witzigsten unter allen heutigen Völ­ kern, ich meyne, die Herren Franzosen, als die erlauchten Ersinderder Vandschleiffen gehörig zu rühmen, und zugleich zu gedenken, wie unsre Vorfahren von diesen allgemeinen Lehrmeistern der Artigkeit gelernt haben, ihre Beingürtel, ihre Halskragen, ihre Ermel und dergleichen mit den prächtigsten Bandschleiffen auszuzieren. Nach­ her haben sich die Manner des Rechts, das sie auf die Schleiffen hatten, gar bald begeben; weil sie vielleicht dieselbe nicht für männlich genug ansahen; Und niemand als das liebenswürdige Geschlecht hat sich bis diese Stunde in dem Besitz der Schleif­ fen erhalten; Daher auch Sie allein, werthestes Julchen, diejenige Einsicht und Gründlichkeit besitzen, die man von einer Geschichtsvetfafferinn von der Auf-und Abnahme dieser Mode erfordert. Was unsere itzigen Zeiten betrifft: So hab ich allemal dieselben als einen der merkwürdigste» Perioden in der Geschichte der Bandschleiffen be­ trachtet; Und wenn es nach meiner Prophezeyimg geht : So glaub ich sicher, daß dieselben in kurzen bey uns noch starker werden im Schwan­ kommen, als sie jemals gewesen. Nicht zu geben, ken, daß sie, andenDegen,andenHaarbeutelbaNdern,in denPerücken,und aufden Hüten allerwegen ihren

r?6

Die schöne Statue,

ihren Platz behalten; Sv getrau ich mir, noch die Zeit zu erleben, da sie statt der Kränzen, und des ausgehackten Taffks an den glänzenden Atlas-We­ sten unsrer Stutzer sich werden allgemein beliebt machen. Sie verzeihen, allerliebstes Iulchen, wenn ich Ihnen Dinge vorschwatze, die Ihnen langstzehnmahl besser bekannt sind, als mir selber. Ich er­

warte Dero gütigsten Entschluß auf mein obgedachkes Ansuchen, und sage nichts mehr, als die­ ses, daß, wenn das Glück mich zu einen Fürsten gemacht hatte, ich keinen Augenblick anstehn würde, den Orden der schwarzen Bandschleiffezu stifften, damit ich Dero Gedächtniß zugleich ver­ ewigen könnte. Schlüßlich, schwör ich beyden mit Gold durch­ wirkten Schleissen, die Ihre kleinen Schuh be­ decken , daß niemand, schönstes Iulchen, Sie mit

größter Hochachtung verehren kann, als Dero

unterthanigster Knecht,

derjungeHerr.

Die schöne Statue. An Herrn Stt - - s und Herry R. ist, ich schwör bey allen Musen, ) Schlank, wohlgebildet, reich und schön. Die zart« Haut, der volle Busen, Den keusche Lüste zierlich blähn. y

Die schöne Statue.

177

Der kleine Mund, die holden Wangen,

Ihr Blick, ihr Auge, ihre Hand, Und das auch, was ich nicht genannt, Ist recht gemacht, mein Herz zu fangen. Ich hab sie hundertmal betrachtet.

Und stille Wünsche fortgeschickt,

Und hundertmal um sie geschmachtet. Eh sie mich einmal angeblickt. Ich liebe siez Drum ist sie schöne;

Und aufder Welt ist nichts ihr gleich; Für sie mißt ich rin Königreich; Ähr sing ich tausend süsse Töne.

Im Loben bin ich fast zu milde. Ich seh, als dir Vernunfft erwacht, Kaum noch den Schatten von dem Bilde, Und nichts mehr, das mich feurich macht.

Die Minen einer stolzen Seele, Die ungehirnte Sprödigkeit

Verbannen Scherz und Liebe weit, Daß ich mich nicht um sie mehr quähle-

Die todte Reizung schöner Glieder Wird mir zuletzt nur ekelhafft, Bald lach ich selbst; bald zürn ich wieder,

Daß ich msch sirnst in sie vergafft. Sie schweigt; Ja Himmel.' laß sie schweige».

Die Kunst zu denken, weis sie nicht; Und wird, weil ihr der Witz gebricht,

Zuletzt mich gar zum Hasse neigm.

M

Fast

i78

Der Spargel.

Fast glaub ich, sie sey ohne Leben,

Und vom Praxiteles geschnitzt. Dochstill! itzt wird sie sich erheben; Seht, wie ihr feurich Auge blitzt Seht! sie fängt an, den Mund zu bümpffen! Flieht Freunde! flieht soweit ihr könnt; Denn sie, eh ihr den Rücken wendt, Wird schwatzen, spotten, oder schimpften.

Dr. f 4

Der Spargel. Eine Fabel. In Gänseblümchen, das am Rande einet

Spargelbeetes aufwuchs, beseufzte zu »er* schiednen malen die Mißgunst des Schick* sals, daß es insgemein nichts mehr, als das ge­ ringste Gras geachtet würde.

Wie? lies es stch verlauten; dieser dicke Sten*, gel, der auf einen weißlich und waßrichen Skrun* ke eine etwas krauspe und grasegrüne Spitze zeigt,

der durch Hülste der Glasfenster, durch Verde­

ckung der vorgeschlagnen Bretwand, und was das schlimmste ist, durch die Hitze des Düngers für der Zeit heraus getrieben wird, diestr wird von dem Gartner sorgfältig gepflegt, mit vielen Unko*

Der Spargel.

179

strn erhalten, und zu Kitzlung eines leckerhafften Gaumens aufbewahret. Und ich - - - Hier fiel ihm der tzOpargel in die Rede, und sagte: Gewiß, du haft dich sehr wenig über den Abbruch zu beschwehren, den ich dir thun soll, weil ich erft durch Kunft und Fleis erzeigt werde; Da du hingegen als die allergemeinste Felddirne aufjedenRasen von dir selbst hervorspriesiest, und, wenn es hoch kommt, den kleinen Kindern dienst, mit dir zu spielen, und sich von Blumen deiner Gattung einen schlech, ken Dorfkranz zu flechten. Es mag seyn, daß du so geschlank und zierlich gewachsen bist, wie eine Bürgerstochter; Ja du magst weisse oder rothsprenglich-glanzende Blatter und eine Goldgelbe Crone haben; du bist dennoch bey allen den äuserlichen Vortheilen von so wenig Nutzen, daß du nur denn und wenn in Ermanglung beßrer Gegen­ stände die Augen ergötzest, wenn ich hingegen so wohl beym Sallat, als bey gekochten Gerichten als ein sehr schmackhafftes Gartengewächse geprie­ senwerde; und wenn michdie grösten Arzeneyversiandigen für eine solche Blutreinigung ausgeben, die eben so heilsam würke, als sie angenehm zu ge­ niessen falle. Indem noch der Spargel ssorkredte,

kam ohngefehr der Gartner gegangen, der, als er gewahr ward, daß die Gänseblume binnen we­ nig Tagen mit ihren Laube sich ziemlich ausgebreitet hatte, dem Streite gar bald ein Ende machte,

indem er siemit der Wurzel herausriß, und dabey folgende Betrachtung anstellte; Wenn du auch M 2 noch

iso

Der Spargel,

noch so eine schone Blume warst: so mußt du doch als ein Unkraut den Platz raumen, den du einzunctzmen, dir das Recht anmassest; Da statt deiner edlere Gewächse den Safft brauchen, den du fruchtlose Prahlerin wider meine Absicht ihnen ent­ ziehest. Auf jenen Rasenstücke magst du deinen Halß noch so steif inlie Hohe strecken. Hier aber wirst du mir verzechn, wenn ich lieber einen einzigen Spargelstengel wünsche, als tausend vor, deinen nichtswürdigen Geschwistern,die man allent­ halben in Ueberfluß und mit leichter Mühe kann

antreffen.

Lehre: Kluge Leute schätzen die Menschen nicht nach dem äuserlichen Gepränge der Kleidung, sondern nach den innern Eigenschafften des Gemüths, und nach körnigen Ver­ diensten , die der reiche und vornehme Pöbel beneidet, weil er in sich selbst eine natürliche Schwäche und Blödigkeit empfindet, sich zu diesen Gipfel der wahren und gründlichen Ehre hinanzuschwingen.

DerLompack. Eine Fabel. An Heern Sccretair Eckard. wo der Mumme dicker Safft A) Dem feisten Bürger Nahrung schafft,

Und wo Fabrick und Handlung blühen. Wo Künstler, die der Arbeit hold, Des trägen Nachbars Stangengold Im Schatz des klugen Herzogs ziehen; Dort ward zur Mode, Schein und Pracht Ein neuerfunbnes Erzt gemacht, Ja, gar zuletzt als Tompack-Tressen. Doch dieses blendrische Metall Ersah noch nicht den künfftgen Fall, Und hatte schon sich selbst vergessen. Warum? es war ihm nicht genug,

Daß es der artge Stutzer trug, In Dosen, Uhren, Knopffund Degen; Es sucht auch um das stolze Kleid Des Staatsmanns mit Geschmeidigkeit Sich kühn und offenbar zu legen. Das Gold, bas Nebenbuhler fand, Ward für dem Tompack fast verkannt: Doch hat die Zeit den Schimpfs gerochen. M;

Der

i8i

Meine Jungfer.

Der Glanz stieg, und der Argwohn mit; DiePrahlerey, dienaher tritt, Hat Werthund Einsicht unterbrochen. Freund' so acht es der Freundfchafft auch. Bey schöner Worte Dunst und Rauch, Kann man den Eigennutz vergülden. Grund, Dauer, Färb und Werth sind schlechtDochläst er sich, als war eracht. In jehnrrley Gestalten bilden.

Die Zeit, die unsern alten Bund Geprüfft hat, stärket seinen Grund; Kein Schicksal mag die Neigung ändern. Trenn Dich! doch bleibt sie gross und frey Mein Liehe« sonder Schmeichele« Begleitet Dich in allen Länder«.

Meine Jungfer, ie haben vollkommen Recht, wenn Sie sagen, daß unsre Vorfahren weder so fein, noch so artig geliebt haben, als ihreKinder. In­ dessen kann ich mir nicht einbilden, daß etwas fähi­ ger sey, der Zärtlichkeit ihre rechte Starke zu geben, als ein redliches Herze Glauben sie nur gewiß meine Jungfer, daß das schöne Geschlecht an seiner Herrschaffk und an seinenGlanze nicht wenig einbüßt,seit

@

dem man zu schädlich-sinnreich ist,dieManiren frem­ der

Meine Jungfer.

183

derBölker inderKunstzu lieben,auf eine gezwungne Art nachzuahmen; worunter keine einzige unsern na­ türlichen Charakter mehr widerspricht, und un­ sern alten angebohrnen Edelmuth mehr erniedrigt, als die üppige und schlaue Tandeley der Franzosen, die wir mit einem Wort Galanterie nennen. Ich habe lange nicht begreiffen können, wie es möglich sey, daß das Frauenzimmer, das sonst in Ansehung der Ehre so zärtlich und begierig ist, sich auf einmal ihre schönsten und gründlichsten Dttel hat wegnehmen lassen, in deren Besitz sie Lurch ihre wahrhaften Verdienste und innerlichen Eigenschafften sich viele Jahrhunderte erhalten haben? Wenigstens, wenn ich die Sache ohne Dorurtheil betrachte, welches eine falsche Ge­ wohnheit eingesuhrt hak: So muß ich den Ruhm, wohlehrbar, viel-Ehr- Sitt--und-Tugend - be­ lobt zu seyn, unendlich höher schätzen, als die leere Schmeicheley, Hochedelgebohren und Hochwohl­ gebohren zu heissen. Vor Zeiten, da die Tugend noch nicht war lächerlich worden, wie heutzutage, Lanennte mannicht ohne Unterscheid jeden einsai­ tigen Sclaven, der Geld hatte, edel; sondern die­ jenigen Dttel die man ihnen gab, zeigten ihnen nur die nächsten Mittel, sich selbst durch Verstand

und grosse Thaten zu adeln, und beschämten die übrigen, die aus dieser Benennung lernten, was sie, wenn sie es nicht wären, wenigstens werden sollten. Das schöne Gesihlecht hat ferner von der nach­ her eingesührten Art zu lieben, den Schaden,

M 4

daß

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Meine Jungfer-

-aß die Hochachtung, die es verdient, ihm mehx in Worten, als in der That geleistet wird; und daß man die Pflichten der Gefälligkeit in wunderli­ chen Ceremonien sucht, damit man Gelegenheit

nimmt, von dem innern Wesen einer wahren und edlen Zärtlichkeit sich nur desto weiter zu entfernen. Seit dem man geschafftig gewesen, die Liebe witzi­ ger und gesitteter zu machen, seit dem haben sich List, Verstellung, Ehrgeitz, und hundertfalsche Absichten eingeschlichen. Unschuld und Einfalt, die die Seeie der Zärtlichkeit sind, die das güldne Weltalter so angenehm und so glücklich machten, haben sich schon seit tausend Jahren unsichtbar ge­ macht, und ihre Abwesenheit würkt, daß bey uns lieben ebenso viel Heist, als seinen Begierden den Zügel verhengen. Die Zärtlichkeit der alten Deutschen war so rein und ungekünstelt, wie die Liebe der Schäfer, und wenn sie gleich mit einiger Rauhigkeit vermischt war, so wußten sie doch desto starker und freymüthiger zu lieben. Ich habe mir selber das Vergnügen gemacht, und nachgesonnen, was wohl unsre Vorfahren würden für Liebesbrie­ fe geschrieben haben, wenn sie auch nur den hun­ dersten Theil der Geduld gehabt hatten, die in die­ sen Stück ein flatterhafter Franzose, oder ein Deutscher Petitmaitre besitzt? In nachstehenden Briefe werden Sie eine Probe davon sehn, wie ich zum Exempel würde geschrieben haben, wenn ich ein alter Deutscher wäre. Sie sind inJhven letzten Schreiben so gütig, und erklären Sich, daß Sie eben nichtböseseyn wollten, wenn

Meine Jungfer.

m

wenn ich Sie hochachtete; deßwegen wiß ich Sie hiermit befragen, wie Sies in diesen Stück wollen gehalten wissen, ob sie befehlen, daß ich

Sie soll nach Art der alten oder der neuern Deut­ schen verehren? Ichbinu.s.f.

Liebesbrief

eines alten Deutschen. Jungfer Gertrud! dachte, wir liebten einander; Denn ich V seh nicht, was uns daran verhindern sollte? Du bist ein hübsch Magdgen; und ich bin ein braver Kerl; Wir schicken uns also gar wohl zusam­ men ; Du besorgst das Haus; Und ich seh »m Felde, wie ich ein Stück Brod erwerbe. Du kannst sicher glauben, daß ich keinen Abend nach Hause komme, wenn ich nicht ein Stück Wild mitbringe; Oder Beute, die ich den Feinden ab­ sage. Hast du nun an mir nichts auszusehen; und gefallt es dir, mich für deinen Mann zu erkennen; So, wie ich dich für mein liebes Ehgemal anneh­ men will: So darfst du nichts weiter thun, als nur Jasagen. Harderich.,

Die

186

Meine Jungfer-

Die Liebenswürdige, ^^üngst sprach;» mir die los« Liebe: € Was willst du für ein Mägdgcn haben ?

Daß die Feinde schon von ferne In geheim uns glücklich preisen,

Wenn sie sehn, daß bey der Hitze, Wir nicht haben Durst gelitten.

Trinket Brüder! ich will heisse«; Daß wir leere Flaschen kriegen. Im Lager bey Leipzig,

den 17. Zun. 174$.

An Herrn Secretair Gleim. or, wie krauseltPhilomele In der Wollustreichen Kehle, Zitternde den süssen Ton.

Kennst du die verbuhltrn Lieder? Hör, sie schallen zärtlich wieder!

Hör, es singt Angcrron! Aks

An Herrn Secretair Gleim

ig»

Als « starb fuhr seine Seele

In den Leib der Philomrle, Wo er noch von Liebe fingt, Und durch zauberische Töne Manches Herz, und manche Schöne In vergnügte Fesseln zwingt.

Freund! du mußt sein feurich spielen Selbst in Mark und Adern fühlen. Hat sein Scherz dich nicht entzückt? Artigkeit, Geschmack und Freyheit, Anmuth, Stärke, Witz und Neuheit

Machen ihn, wie dich beglückt. Zefyrruht, ihn nicht zu stören; Walder schweigen, ihn zu hören;

Ja, es lauschen Flur und Bach; Kluger Kenner holder Tugend! Du nur, Liebling muntrer Jugend; Spielst ihm fein und lieblich nach.

#############

Das Koffeestöllchm. in Mägdgen mit verliebten Augen Saß ganz allein in einer Celle, Und hatte Stöllchen zu verkauffen.

e

So offt Sylvander bey den» Hause Fürbey gieng, dacht er an das Mägdgen, Und nahm sich jedesmal ein Stöllchen. Da

132

DasKoffeestöllchen.

Da sah er, wenn er freundlich grüßte,

Wie angenehm fit wieder dankte. Er gieng fast jeden Tag spatziren; Und brauchte allezeit den Dorwand, Don dem Gebackniß was zu holen; Damit er sie fein offt erblickte. Als er das erstemal ein Stöllchen

AuS ihrer sch-qen Hand erhielte; Da kaufft er sich zugleich die Liebe;

Denn Amor hatte sich ins Söllchen Aus List und Schekerey verborgen. Deswegen warn ich euch ihr Freunde! Daß ihr bey schönenjBrckermägdgrn Euch keine Koffeestöllchen kauffet:

Sonst grhts euch ehm, wie Sylvandern. Ende des Augustmonats.

Nachricht: Im Heumonat sind wegen Kürtze der Zeit verfchiedne Druckfehleruntergelauffen. Der geneigte Leser belie­ be folgende anzumerken : An start Äorberfeld, ließ: Boberfeld y. G. 13. Zeile. ----------- vergnüget, ließ: verjünget 10. S. 16. Zeile. ——Schoos, ließ: Scherz 14. ©. 17.3, ------------ Verfasserin»,ließ: Verfasserinn sich27.S. r y.Z. ----------- umarmet mich, ließ: umarme ich 32. S.6 Zeile. ----------- bey Cammermagdgen, ließ: bey dem Camm. 54, S. I2.Z. —■------schlechst, ließ: schlecht 58. S.4-Zeile. ----------- untertritt, ließ: unterricht 59.6. ic. Zeile. ----------- Scouderin,lirß: Scudery 59. G. 14. Zeile----------- Chartes, ließ: Cartes 60. ®. 1. Zeile. —1------- Doris, ließ: Iris 78. S. 26. Zeile. ——"Alsdenn uns,ließ: Alsdenn umunsgo.S. 20.3.

Neue

Belustigungen des

ItniifM. Auf das Jahr 1745, Herbstmonat.

Hamburgund Leipzig,

bey Johann Adolph Martini.

Schreiben des Vaters der deutfthen Dichtkunst/ an Seine Hochgebohme Excellenz

Den Herrn Reichsgrafen von Manteufel. Er Schlesier, der ö'sst den HellcoN gemessen; Der muthig tmb zuerst auf seiner Höh gesessen; Der "in Germanien die Kunst hat aufgebracht, Die itzv trotzen kann der schönsten Sprachen Pracht» Der Königen ihr kob der Ewigkeit gegeben; Durch dessen kühnes Lied Nochitzo Helden leben; Der beyder Weisheit Licht den Himmel hak gefühlt; Der auf den klugen Sinn des Alterthums gezielt; Der scharfund geistig schrieb; auch da, wenn er zu» weilen Don Venus ihren Sohn und stinrn süssen Pfeilen N * Den

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Schreiben des Vaters

Den zärtlichen Gesang, der Griechen Töne traf. Der wird von Dir erweckt, der dankt, erlauchter Graf Daß Du durch grosse Huld, die meine Söhne ehren. Nach hundert Jahren suchst den Beyfall zu ver, mehren. Um den mein redliches Bemühn sich stets bewarb.' Wiewohl er schon bey nah in deutscher Brust erstarb. Biß in Elysien hat jüngst der güldne Wagen Der Wahrheit Deinen Ruhm und Drin Verdienst ge­ tragen, Das wieder Hesperus den blauen Bogen ziert. Wenn er sein glanzend Heer zur späten Wache führt. Petrarch und Heins und Cats die Deinen Namen ken­ nen. Ja Ronsard weis Dich selbst alö Musenfreund zu nen­ nen-

Das was Athen und Rom und Londrn und Paris Einander abgelernt, durch Echrifft und Kunst bewies. War Deiner Jugend Spiel. Die Lehrer aller Zeiten Durchforschtest Du mit Fleiß, beguntest auszubrriten Die Flügel der Vrrnunfft. Das kleine Vaterland Trutzt nun der grossen Welt durch Thaten und Ver­ stand, Womit Du Völkern hilfst und Fürsten Rath ertheilest. Und wie rin muntrer Held, von Sieg zu Siegen eylest. Dein Geist, den Phöbus liebt, glänzt von der Weis­ heit Licht, Wie das gestirnte Haupt der Nacht herrausser bricht. Voraus hat, wie man sagt, die Lust der Pierinnen. Die edle Poesie Dich müssen liebgrwinnen.

3ch

der deutschen Dichtkunst.

187

Ich hör die Lieder noch, die davon Zeuge seyn.

Der ganze Hrlicon zog neulich bey Dir ein. Dein Alter übersteigt dieHoffnung Deiner Jugend.

Die deutsche Nation voll Freyheit, Ehr und Tugend, Sieht Dich, o Licht der Zeit! als für ihr Beyspiel an. Du bists der ihrenRuhm durch Dich verschönern kann > Wie wenig denken nach, was wir zu hoffen haben

Dor Nachklang bey der Welt, wenn unser Leib ver, graben Im kühlen Sande liegt, und uns die graue Zeit Den Ruhm verleihen soll, der Deutschen Redlichkeit

Mit solchen schnöden Sa­ chen, Die ganze Länder arm, und uns nicht reicher machen.

Die täglich seltner wird.

Hast Du 0 kluger Geist! Die Freyheit nie verletzt.

Worauf ein edler Sinn sein ganzes Herze setzt. Auf hoheNirdrigkeit magst Du DeinGlück nicht bauen;

Du schaffst, was einer schafft, der sich kann selber trauen, Und dessen Klugheit nicht ganz in den Büchern steckt« Du hast Dir selbst die Bahn zur Ewigkeit entdeckt.

So wie mit freye» Blick der König vom Geflügel Sich in die Lüffte schwingt, hoch über Feld und Hü­ gel, Und Sonn und Himmel sieht. Noch in der Früh­ lingszeit War Dein Gemüthe schon grau an Beredsamkeit. Du liebst gelehrtes Volk, dem Du Dich beygesellet, Ihr Urtheil unterstützt, das sie von demgefället, Was wissenswürdig ist. So, wie der Strymon läufft, Jn den der Kranche Heer die krummen Federn täufft. N 3 So

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Schreiben des Vaters re»

So kW auck Da der Schaar, die sich aufWitz beflisse« Aus angebohrner Huld, so Guad als Schatz geniessen. So weit- der Deutschen Red undTugend ist bekannt: Soweit sollauchDein Ruhm durchdringen Stadt und Land.

Sey dann von mir gegrüßt, Du Kenner der Poeten ? Der Fürsten wahrer Freund f Da schaust des Krieges^ nöthem Den Zeiten die ißt sind, mit fteyen Sinnen zu. Und findest in Dir selbst des Lebens wahre Ruh, Die am Gemüthe siegt; verhöhnst des Glückes schere M, Frischt auf Dein greises Haar mit einen jungen Herzen,. Das alte Weisheit trägt» und hemmst der Jahre Flucht« Durch ein unsterblichLob, das nur «in. Weiser sucht»

kacht eure Graber aus, ihr Deutschen Pierivnen ? Mein allererster Ruhm! Schaut, was für hohe Siip neu Um euch bemühet sind; Seyd sicher nach der Zeit; Ihr steht, wennalles fallt; Ihr bleibt in Ewigkeit. Und Du erhabner Graf.' verschmähst Du nicht meks Wesen: Wir st Du noch fernerhin mein reiches Armuth lesen. Das nichts und alles hat: Lobst Du mein Seykenspielr Der ganze Hrlieon magble'ben, ttwccrtX

Martin Ovitz von Boberftld«

Das Hofleben. ahin,«o Pracht und Schein betrüget».

Wo tausend aufdrn Knien liegen, Und blind aufblindr Götzen traun. Dahin steh ohne -ich zu bücken. Entflieh der Thoren gükdnen Stricken,

Die selbst ihr theures Elend bau«. Hier blüht das angenehmste Gosen.

Die Wollust kommt, mir liebzukoftn; Sie liflidt, winkt, und schmeichelt mir.

Ich seh die vollen Becher blinken; Ich seh die Götter Nektar trinken; AndSpielund Liebe schwärmen hier.

Singt Völker f zinßt aus beyden Welten Den Schweis der Grossen ;u vergelten, Der Länder und des Lebens Mark:

Die Weichlichkeitwird, reich an Spenden,

Den ungeschützten Schatz verschwenden, Den ihr der Schacht umsonst verbarg,

Mich überfällt ein heimlich Schmeern. Verfallner Tempel morsche Mauern Stehn nebst der Tugend fern und blos. N 4

Die

wang, Der Mutterwitz verkürzt, die Thorheit lan§. Da lernen uns des Schulphilistrrs Ruthen Den Unterscheid des Bösen und des Guten-

Was setzt man sich dafür ein Lebensziel? Den Reichthum nicht. Man wendt ja wehr anö Spiel, Als jährlich kaum der Vater kaun erwerben. Heut schmauset man; und mag nichts morgen erben. Die

Das menschliche Leben,

zr-

Die Doßhrit wachßt; die Tugend sentit er nie. Ein wilder Stolz zeigt sich bey ihm sehr früh. Er wird ein Mann.

Jtztwirb fein Hochmuth feiner,

Die Unruh groß, der kustreiz immer kleiner.

MitSchmeicheley durch manchekrumme Hand, Suchtet sein Glück, wo er sein Unglück fand. Wie süsse sind derAemter thrurerWürden!

3a; laß sie dir nur auf die Achseln Hürden.

Weswegen nimmt der Knabe sich ein Weib ? Er weis es nicht.

Vielleicht zum Zeitvertreib ?

Das schwache Hind taugt nicht zum Kinderzeugem Es sollte sich noch selber lassen säugen. Der junge Greiß wird für den Jahren alk. Der Gelddurst heiß

dieMenschenliebekalk.

Erseegnet sich, bey Dehmuthsvollen Mine»,

Und dienet GOtt, Hamit er ihm soll diene».

Er stirbt, da er noch recht zu leben meint ; Beweint sich selbst, weil niemand ihn beweint;

Das Gold must selbst sein Grabmal prächtig machen. Er glaubet nicht angkücklich zu erwachen. Er flieht die Welt; und fie vergißt auchihn.

Fahr wohl, mein Freund! allein«» fährst duhin? O düfrtest du nicht fern von bessernWelten

Was du versäumt, in Ewigkeit entgelten t



»es«

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